NPhM_Herbst 2017
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WERKEINFÜHRUNG<br />
Aus „Scheherazade” ein<br />
Kostümbild von Leon<br />
Bakst: die blaue Sultanin,<br />
1910.<br />
„Scheherazade” –<br />
das Bühnenbild von<br />
Leon Bakst, ca. 1910.<br />
lung von verschiedenen Märchenwundern, und nicht bloß um vier Stücke,<br />
die nacheinander gespielt werden und auf gemeinsamen Themen basieren.“<br />
Der erste Satz trägt den Titel Das Meer und Sindbads Schiff. Er beginnt<br />
mit einem düsteren Unisono-Motiv der Blechbläser und tiefen Holzbläser,<br />
dessen Haupttöne eine absteigende Ganztonleiter markieren.<br />
Absteigende Ganztonleitern stehen in der russischen Musik seit Michail<br />
Glinkas Ruslan und Ludmila für das Gefährliche, Bedrohliche, und so stellt<br />
das Motiv den bösen Sultan dar, der jede Braut nach der Hochzeitsnacht<br />
erbarmungslos töten lässt. Ein Violinsolo in Sechzehnteltriolen<br />
steht für Scheherazade, die mutige Frau, die mit ihren Erzählungen<br />
nicht nur selbst überleben, sondern dem Morden überhaupt ein Ende<br />
bereiten will. Nach einer kurzen Kadenz beginnt der Hauptteil. Die<br />
gleichmäßige Auf- und Abwärtsbewegung in den Celli symbolisiert<br />
die Meereswellen. Doch das Thema darüber, das in vielfältiger Form<br />
erscheint und immer neu variiert wird, ist kein anderes als das Thema<br />
des Sultans. Musikalisch wird der Sultan also mit Sindbad dem Seefahrer<br />
identifiziert; später taucht auch das Scheherazade-Thema auf. Das<br />
Sultansthema erklingt in vielfältigen Harmonien und Instrumentierungen,<br />
zuletzt sogar als Violinsolo, was doch eigentlich der Scheherazade<br />
vorbehalten ist. Dies kann als erster Hinweis darauf verstanden werden,<br />
dass der Sultan seine grausame Haltung gegenüber Frauen zumindest<br />
überdenkt.<br />
Nun folgt Die Geschichte vom Prinzen Kalender. Dabei bezeichnet<br />
Kalender nicht den Namen des Prinzen, sondern die Verkleidung, unter<br />
der er umherzieht: als ein Qalandar, ein sufischer Bettelmönch. Nach<br />
dem Scheherazade-Motiv stellt das Fagott ein neues Thema vor: das<br />
Thema des Prinzen. Obwohl es durchgängig im 3/8-Takt notiert ist,<br />
wechseln sich in Wahrheit verschiedene Taktarten ab. Auch dieses<br />
Thema erscheint in immer neuen Beleuchtungen und Variationen. Im<br />
Mittelteil erklingt eine Schlachtmusik: der Kampf, der den Prinzen vertrieben<br />
hat, so dass er die Verkleidung anlegen musste? Zuletzt kehrt<br />
das Prinzen-Thema wieder und bringt den Satz zum Abschluss. An zwei<br />
Stellen klingt in den Bässen das Sultansthema an: kurz vor Beginn der<br />
Schlachtmusik und kurz vor dem Satzende.<br />
Der dritte Satz mit dem Titel Der junge Prinz und die junge Prinzessin<br />
nimmt gewissermaßen die Funktion des Menuetts in dieser symphonischen<br />
Suite ein. Wir hören einen eleganten Walzer, vergleichbar dem<br />
Blumenwalzer Tschaikowskis. Im Mittelteil, dem Trio des Satzes, erklingt<br />
eine andere Melodie im Dreiertakt; dann kehrt der Walzer in abgewan-