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Bronzener Pferdekopf aus Augsburg,<br />

Mitte 1. Jh. bis erste Hälfte 2. Jh. n. Chr.<br />

(Leihgeber: Kunstsammlungen und<br />

Museen Augsburg, Römisches Museum,<br />

Augsburg; Foto: LWL/S. Brentführer).<br />

Der letzte Teil bietet einen Blick in die Zukunft<br />

in Form der sogenannten kontrafaktischen Geschichtsschreibung<br />

– die Geschichtsdarstellung,<br />

die sich nicht mit dem befasst, was tatsächlich<br />

geschehen ist, sondern mit dem, was geschehen<br />

wäre, wenn sich die Ereignisse anders entwickelt<br />

hätten. Was wäre also gewesen, wenn Germanicus<br />

doch gesiegt hätte, fragt die Ausstellung.<br />

Und zeigt mithilfe von Computeranimation und<br />

weiteren Exponaten, was eine von Veteranen<br />

besiedelte Colonia nach dem Vorbild Roms enthielt:<br />

Forum, Tempel, Theater, Thermen. Wer es<br />

sich leisten konnte, schritt in seinem Haus über<br />

edle Mosaike statt Lehmböden und blickte auf<br />

prachtvolle Wandmalereien. Die römischen, vom<br />

Wasser ausgehenden Verkehrssysteme werden<br />

erklärt oder Handelswege und Manufaktur wie<br />

die in ihren Schlangenfadenornamenten kreative<br />

Glasbläserei in Köln. Auch wenn sich die bewusst<br />

sparsam gehaltenen, gut verständlichen Wandtexte<br />

mit Wertungen zurückhalten, drängt sich<br />

aus heutiger Sicht doch ein leises Bedauern darüber<br />

auf, was Aliso mit dem Abzug der Römer<br />

alles entgangen ist. Das in der antiken Literatur<br />

erwähnte Kastell Aliso (korrekter wohl Háliso,<br />

vgl. S. 93), wohl das heutige Haltern am See (die<br />

Identifi kation ist umstritten, vgl. Katalog S. 91),<br />

hätte sich zu einem Zentralort in der Region entwickelt.<br />

LWL-Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp<br />

hält es für sehr wahrscheinlich, dass das antike<br />

Aliso ist mit dem heutigen Haltern am See identisch<br />

ist (vgl. S. 102–104). Aliso war nach der Varusschlacht<br />

der einzige römische Stützpunkt auf<br />

der östlichen Seite des Rheins. „Und der Fundort<br />

im Osnabrücker Land bei Kalkriese ist nicht der<br />

Ort der Varusschlacht, sondern geht auf die Ereignisse<br />

des Jahres 15 n. Chr. rund um Germanicus<br />

zurück” – so Museumschef Rudolf Aßkamp.<br />

Ein neueres Fundstück aus Kalkriese unterstreicht<br />

diese Sichtweise; es handelt sich um das Mundblech<br />

einer Schwertscheide, das die Inschrift LPA<br />

trägt, Abkürzung für Legio Prima Augusta. Diese<br />

Legion zog aber nicht mit Varus, sondern erst mit<br />

Germanicus durch Germanien. Da neue Funde in<br />

Triumphzuges. Auf den ehrwürdigen Straßenpfl<br />

aster der Via Sacra wandeln die Museumsbesucher.<br />

Menschenmengen links und rechts der<br />

zentralen Straße im Forum Romanum jubeln ihnen<br />

zu. Ganz Rom feiert mit pompösem Aufwand<br />

einen Triumph, den die prunkvollen Exponate am<br />

Wegesrand bezeugen: Skulpturen des Feldherrn<br />

in Siegerpose etwa, vier stolze Rösser ziehen seinen<br />

Schlachtenwagen. Beutestücke aus Germanien,<br />

Statuen von Musikern und bronzene Liktoren<br />

mit ihren Rutenbündeln, Halbreliefs mit<br />

Priestern und Stieren, die ein Opferritual vorbereiten.<br />

Der Triumph in Rom dient als spektakulärer<br />

Fixpunkt, um die damit verbundenen Ereignisse<br />

schlaglichtartig zu beleuchten.<br />

Der zweite Teil lenkt den Blick auf die militärischen<br />

und politischen Entwicklungen in Germanien<br />

und die Zeit vor dem vermeintlichen Sieg des<br />

Germanicus. Funde aus den römischen Lagern<br />

entlang der Lippe wie etwa Haltern am See, Holsterhausen<br />

(beide Kreis Recklinghausen), Oberaden,<br />

Beckinghausen (beide Kreis Unna), Olfen<br />

(Kreis Coesfeld) und Anreppen (Kreis Paderborn)<br />

sowie zahlreiche Exponate von weiteren Fundplätzen<br />

in Germanien veranschaulichen die römischen<br />

Okkupationsbemühungen in Germanien.<br />

Der dritte Teil der Ausstellung widmet sich ganz<br />

dem „Römischen Triumph” und den Fragen, wer,<br />

wann und aus welchem Anlass im antiken Rom<br />

einen Triumphzug abhalten durfte - mit strengem<br />

Protokoll: Zuerst kamen im Zug Beute und Gefangene,<br />

dann der Triumphator mit Opfertieren und<br />

Behördenvertretern (Liktoren und Staatsbeamten)<br />

und schließlich die Armee. Es geht aber auch<br />

um die spätere Darstellung von Triumphzügen,<br />

zum Beispiel um die Darstellung der gefangenen<br />

Thusnelda, der Ehefrau des Varus-Bezwingers Arminius.<br />

Diese prominente Geisel im Triumphzug<br />

des Germanicus war in der Historienmalerei des<br />

18. und 19. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv.<br />

Glasgefäße mit dem für die Colonia<br />

Claudia Ara Agrippinensium (Köln)<br />

typischen Schlangenfadendekor<br />

(„Kölner Schnörkel”) (Leihgeber:<br />

Römisch-Germanisches Museum/<br />

Rheinisches Bildarchiv Köln;<br />

Foto: LWL/S. Brentführer).<br />

176 JAHRGANG LXI · LGBB <strong>03</strong> / <strong>2017</strong><br />

LGBB <strong>03</strong> / <strong>2017</strong> · JAHRGANG LXI<br />

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