10.11.2017 Aufrufe

interesse_05_2017

In der Ausgabe 5/2017 widmet sich inter|esse folgenden Schwerpunkten: Jamaika-Koalition: Neue Perspektiven für die Aktienkultur, PSD2 ante Portas: Kontozugriff für Drittdienstleister, Finanzierungspartner auf Zeit: Beteiligungskapital boomt, Digitalisierung in der Schule.

In der Ausgabe 5/2017 widmet sich inter|esse folgenden Schwerpunkten: Jamaika-Koalition: Neue Perspektiven für die Aktienkultur, PSD2 ante Portas: Kontozugriff für Drittdienstleister, Finanzierungspartner auf Zeit: Beteiligungskapital boomt, Digitalisierung in der Schule.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

inter|esse<br />

Ausgabe 5 ◆ <strong>2017</strong><br />

Banken und Gesellschaft<br />

PSD2 ante Portas<br />

Kontozugriff für Drittdienstleister S. 3<br />

Finanzierungspartner auf Zeit:<br />

Beteiligungskapital boomt S. 5<br />

Digitalisierung in der Schule<br />

Mit WLAN ist es nicht getan S. 7<br />

Jamaika-Koalition:<br />

Neue Perspektiven für die Aktienkultur<br />

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ An die<br />

Worte aus der Feder Hermann Hesses kann man auch<br />

denken, wenn es um so prosaische Dinge wie die Koalitionsverhandlungen<br />

zwischen den Unionsparteien,<br />

den Freien Demokraten und Bündnis 90/Die Grünen<br />

geht. Denn diese in der Geschichte der Bundesrepublik<br />

Deutschland auf Bundesebene erstmals mögliche Konstellation<br />

kann für die Aktien- und Kapitalmarktkultur<br />

durchaus etwas Zauberhaftes bewegen. Sie birgt die<br />

Chance, dass der Kapitalmarkt seine Leistungsfähigkeit<br />

zur Lösung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Herausforderungen beweisen kann.<br />

im Interesse der unmittelbar beteiligten Akteure, sondern<br />

erfüllt wichtige gesamtwirtschaftliche Funktionen.<br />

Dies sind erstens die Sammlung und Lenkung der Ersparnisse<br />

von den privaten Haushalten zu Unternehmen mit<br />

Kapitalbedarf und anderen Kapital suchenden Institutionen.<br />

Zweitens bietet der Kapitalmarkt Produkte, um realwirtschaftliche<br />

Risiken effizient zu managen und so viele<br />

unternehmerische Aktivitäten überhaupt erst zu ermöglichen.<br />

Wird dieses Potenzial erkannt (und anerkannt)<br />

und werden infolgedessen die Rahmenbedingungen in<br />

wesentlichen Politikbereichen angemessen gestaltet, erübrigt<br />

sich eine gesonderte „Aktienförderung“.<br />

Von Dr. Christine Bortenlänger<br />

Zu erwarten ist zunächst eine grundsätzlich positivere<br />

Einstellung gegenüber dem Kapitalmarkt. Dieser Kapitalmarkt<br />

ist kein Selbstzweck und keine Veranstaltung nur<br />

Das gesellschaftlich wichtigste, aber wohl auch politisch<br />

schwierigste Handlungsfeld ist die Altersvorsorge.<br />

Wir wissen definitiv, dass die auf dem Umlageverfahren<br />

basierende gesetzliche Rente in den kommenden Jahrzehnten<br />

an Leistungsfähigkeit verlieren wird. „Doppelte


Haltelinien“ sind angesichts der absehbaren demographischen<br />

Entwicklung nicht mehr als wohlfeile Lippenbekenntnisse.<br />

Alle Rettungsversuche für eine allein<br />

auf dem Umlageverfahren basierende Altersvorsorge –<br />

Ausweitung der Versicherungspflicht auf immer neue<br />

Bevölkerungskreise, Erhöhung der steuerfinanzierten<br />

Bundeszuschüsse, notdürftig verkappte Rentenkürzungen<br />

durch Anhebung des nominellen Renteneintrittsalters<br />

– werden langfristig keine auskömmlichen<br />

Altersbezüge bei akzeptablen Beitragssätzen ermöglichen.<br />

Eine Ergänzung durch ein kapitalgedecktes System<br />

ist die einzige wirksame Alternative.<br />

Die Erfahrungen mit dem gut gemeinten Riester-System<br />

zeigen deutlich, wie man es nicht machen sollte:<br />

Zu komplizierte Förderregeln schrecken viele potentielle<br />

Teilnehmer ab und verursachen hohe Gebühren,<br />

die wiederum die Rendite mindern. Zwingend vorgeschriebene<br />

Garantien entmündigen den sparwilligen<br />

Bürger. Die grundsätzliche Freiwilligkeit der Teilnahme<br />

erschwert, dass breite Schichten zusätzlich für ihr Alter<br />

vorsorgen. Deshalb ist ein neuer Ansatz erforderlich:<br />

Zunächst einmal sollte jeder an dem Altersvorsorgesystem<br />

teilnehmen, der nicht ausdrücklich widerspricht<br />

(opt-out-Modell). Zudem muss ein hoher Anteil der<br />

Anlagebeträge in Aktien investiert werden. Empirische<br />

Untersuchungen ergeben immer wieder, dass in den für<br />

die Altersvorsorge typischen langen Fristen das Aktienrisiko<br />

minimal ist und die hohe Durchschnittsrendite<br />

der Aktie voll zur Wirkung gelangt. Auf 20-Jahressicht<br />

einhält das risikominimale (!) Portfolio sogar einen Aktienanteil<br />

von 50 bis 75 Prozent. Und schließlich muss<br />

das gesamte System administrativ so einfach wie möglich<br />

gehalten werden, um Kosten und Komplexität zu<br />

vermeiden.<br />

Ein solches Programm<br />

umzusetzen,<br />

wäre allein schon<br />

eine sozialpolitische<br />

Großtat. Die Kapitalmarktkultur<br />

würde<br />

automatisch folgen<br />

und bedürfte keiner<br />

gesonderten Förderung<br />

mehr. Die Politik<br />

kann und sollte aber<br />

trotzdem weitere Instrumente<br />

nutzen, die Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender<br />

Vorstand, Deutsches Aktieninstitut<br />

ihr zur Verfügung stehen.<br />

e.V.<br />

Dazu zählen die<br />

stärkere Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />

und eine verbesserte ökonomische Bildung.<br />

Jetzt würde es auch helfen, bestimmte Fehler nicht zu<br />

begehen und falsche Entscheidungen zu revidieren. So<br />

sollte die verfehlte Idee einer Finanztransaktionssteuer<br />

endgültig zu den Akten gelegt werden. Die steuerliche<br />

Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung gegenüber<br />

Fremdkapital ist zu beenden. Und wenn die Abgeltungsteuer<br />

tatsächlich abgeschafft wird, ist auf eine diskriminierungsfreie<br />

Gestaltung des neuen Systems zu achten.<br />

Schließlich kann eine Entschlackung der Regulierung der<br />

Anlageberatung dazu beitragen, dass auch Banken und<br />

Sparkassen „in der Fläche“ wieder zu Aktien und anderen<br />

Wertpapieren beraten, ohne dass der Anlegerschutz<br />

Schaden nimmt.<br />

Die neue Parteienkonstellation in Berlin bietet durchaus<br />

Chancen, eine stärkere Nutzung des Kapitalmarktes im<br />

Interesse breiter Bevölkerungskreise zu erreichen. Diese<br />

Chancen gilt es zu nutzen – je schneller und entschlossener,<br />

desto besser. Dann kann dem Anfang wirklich ein<br />

Zauber innewohnen.<br />

2 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>


ankenverband<br />

PSD2 ante Portas<br />

Kontozugriff für Drittdienstleister<br />

Das neue Zahlungsrecht, die PSD2 (Payment Services Directive<br />

2), erlaubt Drittdienstleistern mit vorheriger Zustimmung<br />

des Kunden den Zugriff auf Zahlungskonten.<br />

Die privaten Banken haben sich von Anbeginn für eine<br />

europaweit einheitliche Schnittstelle ausgesprochen und<br />

arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung. Ob das Ziel einer<br />

europaweiten Harmonisierung erreicht werden kann,<br />

hängt jedoch noch maßgeblich von der Ausgestaltung<br />

der regulatorischen Rahmenbedingungen durch den europäischen<br />

Gesetzgeber ab.<br />

Von Bettina Schönfeld<br />

Im Januar 2018 wird die zweite EU-Zahlungsdienste-Richtlinie,<br />

die PSD2, in den EU-Mitgliedstaaten in Kraft treten.<br />

Sie regelt u.a. den Zugang zum Bankkonto des Kunden<br />

über sogenannte Drittdienstleister. Banken müssen diesen<br />

Dienstleistern einen kostenfreien Zugang zum Zahlungskonto<br />

(in der Regel Girokonten) gewährleisten, sofern das<br />

Konto online zugänglich ist. Ohne weiteres dürfen jedoch<br />

Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdienste nicht auf<br />

das Zahlungskonto zugreifen – Bankkunden müssen dem<br />

Zugriff vorher zugestimmt beziehungsweise diesen beauftragt<br />

haben. Zudem müssen sich Drittdienstleister gegenüber<br />

der Bank identifizieren und dürfen nur auf die Daten<br />

zugreifen, die für ihren Dienst notwendig sind.<br />

Kauft ein Kunde im E-Commerce ein, so kann er für die<br />

Zahlungsabwicklung einen Dienstleister wie beispielsweise<br />

paydirekt nutzen. Neu im Sinne der PSD2 ist, dass alle<br />

online verfügbaren Zahlungskonten ohne vorherige Freischaltung<br />

für Drittdienstleister erreichbar sind und dass<br />

Drittdienstleister im Namen des Kunden und mit dessen<br />

Zustimmung auf das Konto zugreifen können. Hierfür<br />

müssen sie sich identifizieren und können erst dann die<br />

Zahlung initiieren. Standardmäßig handelt es sich um Einzelüberweisungen,<br />

die in allen Währungen und weltweit<br />

getätigt werden können, sofern die jeweilige Bank dieses<br />

Angebot auch im Online Banking unterbreitet.<br />

Kontoinformationsdienste sind dabei in der Lage, im<br />

Namen des Kunden Kontoinformationen wie Umsätze,<br />

Salden und Vormerkposten abzurufen. Die Anwendungsszenarien<br />

können sehr vielfältig sein, da diese Informationen<br />

Rückschlüsse auf die Bonität, das Kaufverhalten und<br />

die Lebensumstände eines Kunden ermöglichen. Daraus<br />

ergeben sich – das Einverständnis des Kunden vorausgesetzt<br />

– neue Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten<br />

werden können.<br />

Europäische Bankenaufsichtsbehörde definiert Details<br />

Die PSD2 regelt nicht die Details des Kontozugriffs. Dazu<br />

wurde die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA)<br />

ermächtigt, sogenannte „Technische Regulierungsstandards“<br />

(Regulatory Technical Standards, RTS) für die sichere<br />

Kommunikation und die starke Kundenauthentifizierung<br />

zu definieren. Die EBA musste einen Ausgleich divergierender<br />

Markt<strong>interesse</strong>n finden und schlug in Bezug auf<br />

den Kontozugang für Drittdienstleister einen Kompromiss<br />

vor, der Banken die Wahlfreiheit zwischen einer dedizierten<br />

Schnittstelle und einem Zugang zum heutigen Online<br />

Banking des Kunden ermöglicht. Die Deutsche Kreditwirtschaft<br />

begrüßte diese Regelung, da damit die hohen Sicherheitsstandards<br />

des Zahlungsverkehrs für Kunden wie<br />

inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong> 3


Banken erhalten bleiben und die Basis für eine europaweit<br />

einheitliche Schnittstelle (auch API genannt, Application<br />

Programming Interface) geschaffen wird.<br />

Die im Mai <strong>2017</strong> von der Europäischen Kommission an die<br />

EBA übermittelten Änderungsvorschläge sahen neben der<br />

Bereitstellung einer dedizierten Schnittstelle auch einen<br />

so genannten Fallback-Zugriff per Screen Scraping vor, falls<br />

die Schnittstelle nicht verfügbar ist. Screen Scraping ist<br />

eine Technik zum Auslesen von Informationen aus Internetseiten.<br />

Im Bankenumfeld ist diese Technik umstritten,<br />

da sich ein Dienstleister im Namen des Kunden und mit<br />

dessen Zugangsdaten in das Online Banking einloggt. Die<br />

Bank kann nicht unterscheiden, ob es sich dabei um den<br />

Kunden selber oder um einen Dritten handelt. Zudem ist<br />

vielen Kunden nicht bewusst, dass für den Dienstleister<br />

alle Daten einsehbar sind, auf die der Kunde selbst zugreifen<br />

kann – seien es Kontoumsätze, sein Verfügungslimit,<br />

Dispokredite, Depot- und Kreditkartenkonten.<br />

Fallback-Lösung verhindert europäische Harmonisierung<br />

Die Europäische Kommission plant derzeit, Banken von<br />

der Bereitstellung eines generellen Fallback zu befreien,<br />

sofern diese die Kriterien für eine funktionsfähige und<br />

PSD2-konforme Schnittstelle erfüllen. Entsprechende Kriterien<br />

werden derzeit erarbeitet und sollen den nationalen<br />

Aufsichtsbehörden als Grundlage für die Erteilung<br />

einer Ausnahmegenehmigung dienen.<br />

Aber trotz Ausnahmegenehmigung ist weiterhin Screen<br />

Scraping als Fallback im Gespräch, falls im laufenden Betrieb<br />

Drittdienstleister nicht innerhalb einer gewissen Zeit<br />

auf die Schnittstelle zugreifen können. Was als Anreiz zur<br />

Entwicklung und Bereitstellung einer funktionsfähigen<br />

Schnittstelle gegenüber Banken gedacht ist, entpuppt sich<br />

jedoch als ungeeignetes Instrument, da<br />

1. sowohl die dedizierte Schnittstelle als auch das Online<br />

Banking auf der gleichen technischen Infrastruktur basieren.<br />

Fällt die Schnittstelle aus, so ist auch das Online<br />

Banking hiervon betroffen;<br />

2. ein Fallback über Screen Scraping Drittdienstleistern<br />

den Zugriff auf alle verfügbaren Daten im Online Banking<br />

ermöglicht;<br />

3. ein Fallback – wie die Schnittstelle selber – den Regularien<br />

der PSD2 unterliegt. Diese sehen unter anderem<br />

vor, dass Drittdienstleister sich identifizieren müssen<br />

und Banken diesen nur die für ihren jeweiligen Service<br />

relevanten Daten zur Verfügung stellen dürfen.<br />

Müssen Banken neben einer Schnittstelle noch ein Fallback<br />

anbieten, so führt dies zu doppelten Investitionskosten.<br />

Banken würden daher womöglich keine dedizierte Schnittstelle<br />

für den Kontozugang anbieten, sondern die Wahlfreiheit<br />

in den Technischen Regulierungsstandards nutzen<br />

und einen Zugang über das Online Banking anbieten. Dies<br />

wäre jedoch eine Abkehr von der angestrebten Standardisierung,<br />

die bis dato den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt<br />

geprägt hat. Drittdienstleister müssten bilaterale<br />

Verbindungen zum Online Banking tausender Banken<br />

in Europa aufbauen. Von Harmonisierung sowie der Förderung<br />

von Wettbewerb und Innovationen im Sinne der<br />

PSD2 kann dabei nicht die Rede sein – ebenso wenig von<br />

einem Level Playing Field für alle Marktteilnehmer.<br />

Private Banken befürworten einheitliche Umsetzung<br />

Deutsche Banken hatten bereits frühzeitig ihr Interesse<br />

an einer europaweit einheitlichen Umsetzung signalisiert.<br />

Das Ziel sollte es sein, alle Banken mit nur einem<br />

Standard erreichen zu können. Die privaten Banken unterstützen<br />

daher gemeinsam mit den anderen Verbänden<br />

der Deutschen Kreditwirtschaft die Aktivitäten der Berlin<br />

Group, eine seit 2004 existierende europäische Standardisierungsorganisation<br />

im Zahlungsverkehr. Diese hat die<br />

„NextGenPSD2-Initiative“ ins Leben gerufen, um eine einheitliche<br />

Schnittstellenspezifikation für den PSD2-Kontozugang<br />

für Drittdienstleister zu entwickeln. Mittlerweile sind<br />

über 25 Organisationen aus ganz Europa dieser Initiative<br />

beigetreten. Das Ziel ist es, bis Ende <strong>2017</strong> die Spezifikation<br />

zu finalisieren. Es wird damit gerechnet, dass der Kontozugang<br />

für Drittdienstleistervoraussichtlich zum Sommer<br />

2019 umgesetzt werden muss.<br />

Bettina Schönfeld ist Abteilungsdirektorin beim Bundesverband<br />

deutscher Banken, Berlin. Eine ausführlichere Fassung<br />

des Beitrags ist in der Ausgabe 10/<strong>2017</strong> der vom Bank-<br />

Verlag Köln herausgegebenen Fachzeitschrift „die bank“<br />

erschienen.<br />

4 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>


ankenverband<br />

Finanzierungspartner auf Zeit:<br />

Beteiligungskapital boomt<br />

Der Beteiligungsmarkt rückt als alternative Finanzierungsform<br />

immer mehr in den Fokus. Allein im ersten<br />

Halbjahr <strong>2017</strong> investierten Beteiligungsgesellschaften<br />

7,3 Mrd. Euro Private Equity in Deutschland – so viel<br />

wie noch nie in einem Halbjahr zuvor.<br />

Von Ulrike Hinrichs<br />

Der deutsche Mittelstand steht vor zwei großen Herausforderungen:<br />

einer inhaltlichen und einer personellen.<br />

Zum einen zwingt die vierte industrielle Revolution die<br />

Unternehmen, sich weiterzuentwickeln und mit der Digitalisierung<br />

neue Wege zu gehen. Zum anderen stehen<br />

viele Geschäftsführer mit Blick auf den wohlverdienten<br />

Ruhestand vor der Frage, wer das Unternehmen weiterführen<br />

soll. Beide Zukunftsfragen können Beteiligungsgesellschaften<br />

lösen und den Unternehmen neue Impulse<br />

geben. Immer mehr Unternehmer öffnen sich für Beteiligungen,<br />

die einen Finanzierungspartner auf Zeit und<br />

damit nicht nur Kapital, sondern auch Know-how und Expertise<br />

mitbringen, um Hürden gemeinsam zu meistern.<br />

Unternehmensnachfolgen finden dabei in erster Linie in<br />

traditionellen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau,<br />

Konsumgüter/Handel oder auch technologienahen<br />

Sektoren wie Kommunikation/IT und Elektronik statt. In<br />

den letzten zehn Jahren ist allein eine dreistellige Zahl<br />

namentlich bekannter Unternehmen von den Gründern<br />

oder Familiengesellschaften an Beteiligungsgesellschaften<br />

veräußert worden. Vor allem Baden-Württemberg,<br />

Nordrhein-Westfalen und Bayern – Bundesländern mit<br />

einem traditionell starken Mittelstand – bilden regionale<br />

Schwerpunkte.<br />

Die konjunkturelle Lage ist aktuell äußerst vorteilhaft<br />

für den Mittelstand. Im langen Wirtschaftsaufschwung<br />

können die Unternehmen finanzielle Reserven aufbauen<br />

und die Bilanz stärken. Die Banken geben dank der<br />

Niedrigzinspolitik der EZB nicht nur günstige Kredite,<br />

sondern sind auch bei deren Vergabe weniger restriktiv.<br />

Doch auch das aktuell positive Umfeld sollte mittelstän-<br />

Beteiligungsgesellschaften kommen aber nicht nur bei<br />

Nachfolgen in Frage. Auch wenn Differenzen im Gesellschafterkreis<br />

auftreten, die mitunter die Fortentwicklung<br />

des Unternehmens gefährden können, unterstützen Beteiligungsgesellschaften.<br />

Die Vorteile, die Beteiligungskapital<br />

mit seiner unternehmerischen Flexibilität mit sich<br />

bringt, erkennen die Mittelständler zunehmend. Als langfristig<br />

orientierte Investoren mit Haltedauern von fünf<br />

bis sieben, zum Teil aber auch bis zu 15 Jahren haben<br />

die Beteiligungsgesellschaften ein großes Interesse daran,<br />

das Unternehmen zu stärken und voran zu bringen.<br />

inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong> 5


dische Unternehmen nicht dazu verleiten, leichtgläubig<br />

die Zukunft aus dem Auge zu verlieren. Sie müssen sich<br />

mit der Frage beschäftigen, wie das zukünftige Wachstum<br />

im Unternehmen auch in konjunkturschwächeren<br />

Zeiten gesichert wird. Der Beteiligungsmarkt rückt damit<br />

als alternative Finanzierungsform immer mehr in<br />

den Fokus. Allein im ersten Halbjahr <strong>2017</strong> investierten<br />

Beteiligungsgesellschaften 7,3 Mrd. Euro Private Equity<br />

in Deutschland. Noch nie wurde so viel Beteiligungskapital<br />

in einem Halbjahr in Unternehmen angelegt.<br />

Ausschlaggebend für die hohen Investitionssummen ist<br />

in erster Linie der Buy-Out-Markt. Das günstige Finanzierungsangebot<br />

durch Banken und Debt-Fonds bietet<br />

den Buy-Out-Investoren ein attraktives Umfeld für große<br />

Transaktionen. Aber auch die Mittelstandsfinanzierungen<br />

durch Minderheitsbeteiligungen ziehen stetig an. Knapp<br />

1 Mrd. Euro wurde in die hiesigen Hidden Champions und<br />

ihre mittelständischen Pendants investiert. Dabei ist der<br />

Beteiligungsmarkt vor allem ein Mittelstandsmarkt, denn<br />

die überwiegende Zahl der jährlich mehr als 1.000 mit<br />

Beteiligungskapital finanzierten Unternehmen sind kleine<br />

und mittlere Unternehmen sowie Start-ups.<br />

Gerade auch Jungunternehmen sind oftmals auf Beteiligungskapital<br />

angewiesen, wenn den Banken eine<br />

Finanzierung zu risikoreich erscheint. Beteiligungsgesellschaften<br />

sehen<br />

vor allem die Chancen<br />

und unterstützen<br />

Start-ups von der<br />

Gründungsphase an.<br />

Die Investitionen im<br />

vergangenen Jahr<br />

und im ersten Halbjahr<br />

<strong>2017</strong> unterstreichen<br />

die Bedeutung<br />

von Venture Capital.<br />

2016 wurde mit<br />

0,93 Mrd. Euro das<br />

höchste Volumen seit<br />

Ulrike Hinrichs, Geschäftsführendes<br />

Vorstandsmitglied des Bundesverbandes<br />

Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften<br />

(BVK).<br />

2008 erreicht, und<br />

auch das laufende Jahr ist auf gutem Weg, dieses Investitionsniveau<br />

wieder zu erreichen.<br />

Damit künftig noch mehr Unternehmen in Deutschland<br />

von Beteiligungskapital profitieren können, sollten<br />

sich auch die Rahmenbedingungen weiter verbessern.<br />

Deutschland darf im internationalen Vergleich hier nicht<br />

ins Hintertreffen geraten. Ein starker Beteiligungsmarkt<br />

ist schließlich ein wichtiger Erfolgsfaktor für die gesamte<br />

deutsche Wirtschaft und sorgt mit dafür, dass Deutschland<br />

durch seine Start-ups und mittelständischen Unternehmen<br />

international ganz vorn dabei bleibt.<br />

<strong>2017</strong> auf dem Weg zum Rekordergebnis<br />

Beteiligungen: Finanzierte Unternehmen 2016<br />

Investitionen in Mio. €<br />

Unternehmen nach Umsatz<br />

6.979<br />

6.741<br />

7.164<br />

6.602<br />

6.610<br />

7.285<br />

100+ Mio.€<br />

50-100 Mio.€<br />

4% 5%<br />

10-50 Mio.€<br />

5.438<br />

11%<br />

0-1 Mio.€<br />

5.092<br />

51%<br />

29%<br />

1-10 Mio.€<br />

2010<br />

2011 2012 2013 2014 2015 2016 H1 <strong>2017</strong><br />

Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).<br />

Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).<br />

6 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>


ankenverband<br />

Digitalisierung in der Schule<br />

Mit WLAN ist es nicht getan<br />

Bis die neue Bundesregierung im Amt ist, wird noch einige<br />

Zeit ins Land gehen. Auf dem Merkzettel für den<br />

Koalitionsvertrag steht indes mindestens ein Posten<br />

schon fest: Der sogenannte „Digitalpakt D“ des Bundesbildungsministeriums<br />

aus der vorigen Legislaturperiode<br />

wartet noch auf Konkretisierung und Umsetzung.<br />

Zusammen mit den Ländern soll der Bund damit<br />

in den kommenden fünf Jahren u. a. den Ausbau der<br />

IT-Infrastruktur an Schulen durch Investitionen von<br />

5 Mrd. € vorantreiben.<br />

Von Wolfgang Haaß<br />

Im Bundestagswahlkampf wurde vielfach bemängelt,<br />

dass Bildung – auch und gerade mit Blick auf das Metathema<br />

Digitalisierung – kaum eine Rolle spielte. Dabei<br />

gab es durchaus Beiträge, die die Diskussion voranbringen<br />

können. So setzte zum Beispiel das Münchener ifo<br />

Institut mit seinem aktuellen Bildungsbarometer zu den<br />

Einstellungen der deutschen Bevölkerung zur Digitalisierung<br />

im Bildungsbereich einen wichtigen Impuls.<br />

Die Ergebnisse verdeutlichen, so das Team um den Bildungsökonomen<br />

Ludger Wößmann, dass den Deutschen<br />

die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung im Bildungsbereich<br />

durchaus bewusst ist. Für den Digitalpakt<br />

gibt es gesellschaftlichen Rückenwind: So spricht sich<br />

eine überwältigende Mehrheit von 80 Prozent der Befragten<br />

dafür aus, dass der Bund möglichst alle Schulen<br />

mit Breitband-Internetzugang, WLAN und Computern<br />

ausstattet. Ähnlich viele befürworten, dass der Bund auch<br />

Schüler weiterführender Schulen mit Tablets ausstattet.<br />

Positiv stehen die Deutschen mehrheitlich auch der digitalen<br />

Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern<br />

gegenüber, um beispielsweise über bevorstehende Tests<br />

oder Prüfungsergebnisse zu informieren; auch verpflichtende<br />

Fortbildungen für Lehrkräfte zu Digital- und Medienkompetenzen<br />

werden mehrheitlich unterstützt.<br />

Negativ ist die Meinung der Deutschen hingegen zur<br />

Nutzung von Smartphones im Unterricht. Weniger als<br />

die Hälfte der Bevölkerung (42 %) spricht sich dafür aus,<br />

dass Schüler ab der 7. Klasse ihr eigenes schlaues Telefon<br />

für schulische Zwecke (z. B. Internetrecherchen) im<br />

Unterricht benutzen dürfen, 52 Prozent sind dagegen.<br />

Am Smartphone im Unterricht scheiden sich die Geister<br />

Natürlich ist die Entscheidung für die Nutzung von Smartphones<br />

im Unterricht immer eine Ermessensfrage, die vor<br />

allem davon abhängt, wie die „schulischen Zwecke“, die<br />

damit erreicht werden sollen, definiert werden. Für Unterrichtsinhalte,<br />

die in digitaler Form einen Mehrwert schaffen,<br />

sind auch nicht zwingend Smartphones nötig, meist<br />

dürften andere Geräte (Tablets, Boards oder durchaus auch<br />

noch PCs oder Laptops) das Mittel der Wahl dafür sein.<br />

Andererseits lohnt es sich aber, wie auch in anderen<br />

Lebenszusammenhängen, über Ausnahmen von der Regel<br />

nachzudenken. So lassen sich zum Beispiel Schülerwettbewerbe<br />

digitalisieren, indem die Aufgabenstellung<br />

am Board mit den Lösungen durch die Schülerinnen und<br />

Schüler via Smartphone verzahnt werden. Ein Echtzeit-<br />

Ranking nach jeder Frage-Antwort-Runde motiviert die<br />

Schüler dabei auf spielerische Weise.<br />

Eine solch fokussierte Nutzung von Netzwerkmedien im<br />

Klassenzimmer als eine Art Educative Social Media ermöglicht<br />

die Einbindung jener Geräte, zu denen Jugendliche<br />

auch außerhalb der Schule ein meist inniges Verhältnis<br />

haben. Dem pädagogischen Petitum, sich möglichst an<br />

der „Lebenswelt der Schüler“ zu orientieren, käme man<br />

damit zumindest ein Stück näher.<br />

inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong> 7


Ebenfalls in Richtung Pädagogik, aber deutlich über das<br />

skizzierte Anwendungsbeispiel hinaus, zielt der Befund<br />

einer zweiten Studie mit einer Bestandsaufnahme zur<br />

Digitalisierung an deutschen Schulen: Die dritte Sequenz<br />

des „Monitors Digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung<br />

basiert auf einer Befragung der Akteure im Bildungswesen<br />

– neben Schülern, Lehrkräften und Schulleitern auch<br />

Vertreter aus Politik und Verwaltung.<br />

„Zwar sind gut drei Viertel der Lehrer und Schulleiter der<br />

Überzeugung, dass digitale Medien die Attraktivität der<br />

Schule steigern. Trotzdem erkennen und nutzen nur wenige<br />

das didaktisch-methodische Potenzial von Digitalisierung<br />

im Unterricht – zum Beispiel mit Blick auf Inklusion,<br />

individuelle Förderung oder Ganztagsgestaltung“,<br />

so Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger. Die Mehrheit der<br />

Lehrer und Schulleiter sieht die Chancen des digitalen<br />

Wandels stattdessen hauptsächlich darin, Aufgaben der<br />

Schulverwaltung besser bewältigen zu können.<br />

Derweil erwarten die befragten Experten aus Ministerien,<br />

von Schulträgern und Verbänden den größten Nachholbedarf<br />

im Kontext der Digitalisierung bei noch fehlenden<br />

pädagogischen Konzepten. Nur damit aber, so<br />

die Studienautoren, kann das Kollegium einer Schule ein<br />

gemeinsames didaktisches Verständnis von digitalem<br />

Lernen entwickeln. Bislang hingegen müssen Lehrer ihre<br />

Weiterbildung in diesem Kontext zumeist selbst organisieren.<br />

Digitale Bildung darf sich nicht in der technischen Ausstattung<br />

erschöpfen<br />

Letztlich wird es also darauf ankommen, ob sich die Schulen<br />

durch den Digitalpakt auch konzeptionell-strategisch<br />

weiterentwickeln oder ob die bildungspolitische Digitalisierungsoffensive<br />

bestenfalls bei leistungsstärkerem<br />

WLAN und mehr Geräten in den Schulen stecken bleibt.<br />

Die föderale Aufgabenteilung jedenfalls sieht vor, dass für<br />

„die Umsetzung entsprechender pädagogischer Konzepte,<br />

die Gestaltung der Lehreraus- und -fortbildung und die<br />

Unterstützung der notwendigen Strategieentwicklung<br />

bei Schulen und Schulträgern“ weiterhin und ausschließlich<br />

die Länder zuständig sind. Auf der Prioritätenliste der<br />

Koalitionsverhandlungen im Bund stehen diese Themen<br />

damit, wenn überhaupt, wohl eher weiter unten.<br />

Wolfgang Haaß ist Abteilungsdirektor beim Bundesverband<br />

deutscher Banken, Berlin.<br />

Wie stehen die Deutschen zur Digitalisierung an Schulen?<br />

sehr dafür<br />

eher dafür weder dafür noch dagegen eher dagegen sehr dagegen<br />

Ausstattung aller Schulen mit Breitband, WLAN und Computern<br />

38%<br />

42% 6% 11% 4%<br />

Digitale Kommunikation zwischen Schule und SchülerInnen bzw. Eltern<br />

19%<br />

47% 10% 19% 6%<br />

Nutzung von Smartphones der SchülerInnen im Unterricht<br />

11%<br />

31% 6% 31% 21%<br />

0% 25% 50% 75% 100%<br />

Quelle: ifo Bildungsbarometer <strong>2017</strong>.<br />

Impressum | Herausgeber: Bundesverband deutscher Banken e. V., Postfach 040307, 10062 Berlin | Verantwortlich: Oliver Santen<br />

Redaktion: Christian Jung, Telefon +49 30 1663-1293, annette.matthies-zeiss@bdb.de, bankenverband.de<br />

Druck: PieReg Druckcenter Berlin GmbH | Gestaltung: doppel:punkt redaktionsbüro janet eicher, Bonn |<br />

Fotos: fotolia: 3dddcharacter, WavebreakmediaMicro; iStock: MikhailMishchenko, EtiAmmos<br />

8 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!