interesse_05_2017
In der Ausgabe 5/2017 widmet sich inter|esse folgenden Schwerpunkten: Jamaika-Koalition: Neue Perspektiven für die Aktienkultur, PSD2 ante Portas: Kontozugriff für Drittdienstleister, Finanzierungspartner auf Zeit: Beteiligungskapital boomt, Digitalisierung in der Schule.
In der Ausgabe 5/2017 widmet sich inter|esse folgenden Schwerpunkten: Jamaika-Koalition: Neue Perspektiven für die Aktienkultur, PSD2 ante Portas: Kontozugriff für Drittdienstleister, Finanzierungspartner auf Zeit: Beteiligungskapital boomt, Digitalisierung in der Schule.
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inter|esse<br />
Ausgabe 5 ◆ <strong>2017</strong><br />
Banken und Gesellschaft<br />
PSD2 ante Portas<br />
Kontozugriff für Drittdienstleister S. 3<br />
Finanzierungspartner auf Zeit:<br />
Beteiligungskapital boomt S. 5<br />
Digitalisierung in der Schule<br />
Mit WLAN ist es nicht getan S. 7<br />
Jamaika-Koalition:<br />
Neue Perspektiven für die Aktienkultur<br />
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ An die<br />
Worte aus der Feder Hermann Hesses kann man auch<br />
denken, wenn es um so prosaische Dinge wie die Koalitionsverhandlungen<br />
zwischen den Unionsparteien,<br />
den Freien Demokraten und Bündnis 90/Die Grünen<br />
geht. Denn diese in der Geschichte der Bundesrepublik<br />
Deutschland auf Bundesebene erstmals mögliche Konstellation<br />
kann für die Aktien- und Kapitalmarktkultur<br />
durchaus etwas Zauberhaftes bewegen. Sie birgt die<br />
Chance, dass der Kapitalmarkt seine Leistungsfähigkeit<br />
zur Lösung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />
Herausforderungen beweisen kann.<br />
im Interesse der unmittelbar beteiligten Akteure, sondern<br />
erfüllt wichtige gesamtwirtschaftliche Funktionen.<br />
Dies sind erstens die Sammlung und Lenkung der Ersparnisse<br />
von den privaten Haushalten zu Unternehmen mit<br />
Kapitalbedarf und anderen Kapital suchenden Institutionen.<br />
Zweitens bietet der Kapitalmarkt Produkte, um realwirtschaftliche<br />
Risiken effizient zu managen und so viele<br />
unternehmerische Aktivitäten überhaupt erst zu ermöglichen.<br />
Wird dieses Potenzial erkannt (und anerkannt)<br />
und werden infolgedessen die Rahmenbedingungen in<br />
wesentlichen Politikbereichen angemessen gestaltet, erübrigt<br />
sich eine gesonderte „Aktienförderung“.<br />
Von Dr. Christine Bortenlänger<br />
Zu erwarten ist zunächst eine grundsätzlich positivere<br />
Einstellung gegenüber dem Kapitalmarkt. Dieser Kapitalmarkt<br />
ist kein Selbstzweck und keine Veranstaltung nur<br />
Das gesellschaftlich wichtigste, aber wohl auch politisch<br />
schwierigste Handlungsfeld ist die Altersvorsorge.<br />
Wir wissen definitiv, dass die auf dem Umlageverfahren<br />
basierende gesetzliche Rente in den kommenden Jahrzehnten<br />
an Leistungsfähigkeit verlieren wird. „Doppelte
Haltelinien“ sind angesichts der absehbaren demographischen<br />
Entwicklung nicht mehr als wohlfeile Lippenbekenntnisse.<br />
Alle Rettungsversuche für eine allein<br />
auf dem Umlageverfahren basierende Altersvorsorge –<br />
Ausweitung der Versicherungspflicht auf immer neue<br />
Bevölkerungskreise, Erhöhung der steuerfinanzierten<br />
Bundeszuschüsse, notdürftig verkappte Rentenkürzungen<br />
durch Anhebung des nominellen Renteneintrittsalters<br />
– werden langfristig keine auskömmlichen<br />
Altersbezüge bei akzeptablen Beitragssätzen ermöglichen.<br />
Eine Ergänzung durch ein kapitalgedecktes System<br />
ist die einzige wirksame Alternative.<br />
Die Erfahrungen mit dem gut gemeinten Riester-System<br />
zeigen deutlich, wie man es nicht machen sollte:<br />
Zu komplizierte Förderregeln schrecken viele potentielle<br />
Teilnehmer ab und verursachen hohe Gebühren,<br />
die wiederum die Rendite mindern. Zwingend vorgeschriebene<br />
Garantien entmündigen den sparwilligen<br />
Bürger. Die grundsätzliche Freiwilligkeit der Teilnahme<br />
erschwert, dass breite Schichten zusätzlich für ihr Alter<br />
vorsorgen. Deshalb ist ein neuer Ansatz erforderlich:<br />
Zunächst einmal sollte jeder an dem Altersvorsorgesystem<br />
teilnehmen, der nicht ausdrücklich widerspricht<br />
(opt-out-Modell). Zudem muss ein hoher Anteil der<br />
Anlagebeträge in Aktien investiert werden. Empirische<br />
Untersuchungen ergeben immer wieder, dass in den für<br />
die Altersvorsorge typischen langen Fristen das Aktienrisiko<br />
minimal ist und die hohe Durchschnittsrendite<br />
der Aktie voll zur Wirkung gelangt. Auf 20-Jahressicht<br />
einhält das risikominimale (!) Portfolio sogar einen Aktienanteil<br />
von 50 bis 75 Prozent. Und schließlich muss<br />
das gesamte System administrativ so einfach wie möglich<br />
gehalten werden, um Kosten und Komplexität zu<br />
vermeiden.<br />
Ein solches Programm<br />
umzusetzen,<br />
wäre allein schon<br />
eine sozialpolitische<br />
Großtat. Die Kapitalmarktkultur<br />
würde<br />
automatisch folgen<br />
und bedürfte keiner<br />
gesonderten Förderung<br />
mehr. Die Politik<br />
kann und sollte aber<br />
trotzdem weitere Instrumente<br />
nutzen, die Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender<br />
Vorstand, Deutsches Aktieninstitut<br />
ihr zur Verfügung stehen.<br />
e.V.<br />
Dazu zählen die<br />
stärkere Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
und eine verbesserte ökonomische Bildung.<br />
Jetzt würde es auch helfen, bestimmte Fehler nicht zu<br />
begehen und falsche Entscheidungen zu revidieren. So<br />
sollte die verfehlte Idee einer Finanztransaktionssteuer<br />
endgültig zu den Akten gelegt werden. Die steuerliche<br />
Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung gegenüber<br />
Fremdkapital ist zu beenden. Und wenn die Abgeltungsteuer<br />
tatsächlich abgeschafft wird, ist auf eine diskriminierungsfreie<br />
Gestaltung des neuen Systems zu achten.<br />
Schließlich kann eine Entschlackung der Regulierung der<br />
Anlageberatung dazu beitragen, dass auch Banken und<br />
Sparkassen „in der Fläche“ wieder zu Aktien und anderen<br />
Wertpapieren beraten, ohne dass der Anlegerschutz<br />
Schaden nimmt.<br />
Die neue Parteienkonstellation in Berlin bietet durchaus<br />
Chancen, eine stärkere Nutzung des Kapitalmarktes im<br />
Interesse breiter Bevölkerungskreise zu erreichen. Diese<br />
Chancen gilt es zu nutzen – je schneller und entschlossener,<br />
desto besser. Dann kann dem Anfang wirklich ein<br />
Zauber innewohnen.<br />
2 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>
ankenverband<br />
PSD2 ante Portas<br />
Kontozugriff für Drittdienstleister<br />
Das neue Zahlungsrecht, die PSD2 (Payment Services Directive<br />
2), erlaubt Drittdienstleistern mit vorheriger Zustimmung<br />
des Kunden den Zugriff auf Zahlungskonten.<br />
Die privaten Banken haben sich von Anbeginn für eine<br />
europaweit einheitliche Schnittstelle ausgesprochen und<br />
arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung. Ob das Ziel einer<br />
europaweiten Harmonisierung erreicht werden kann,<br />
hängt jedoch noch maßgeblich von der Ausgestaltung<br />
der regulatorischen Rahmenbedingungen durch den europäischen<br />
Gesetzgeber ab.<br />
Von Bettina Schönfeld<br />
Im Januar 2018 wird die zweite EU-Zahlungsdienste-Richtlinie,<br />
die PSD2, in den EU-Mitgliedstaaten in Kraft treten.<br />
Sie regelt u.a. den Zugang zum Bankkonto des Kunden<br />
über sogenannte Drittdienstleister. Banken müssen diesen<br />
Dienstleistern einen kostenfreien Zugang zum Zahlungskonto<br />
(in der Regel Girokonten) gewährleisten, sofern das<br />
Konto online zugänglich ist. Ohne weiteres dürfen jedoch<br />
Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdienste nicht auf<br />
das Zahlungskonto zugreifen – Bankkunden müssen dem<br />
Zugriff vorher zugestimmt beziehungsweise diesen beauftragt<br />
haben. Zudem müssen sich Drittdienstleister gegenüber<br />
der Bank identifizieren und dürfen nur auf die Daten<br />
zugreifen, die für ihren Dienst notwendig sind.<br />
Kauft ein Kunde im E-Commerce ein, so kann er für die<br />
Zahlungsabwicklung einen Dienstleister wie beispielsweise<br />
paydirekt nutzen. Neu im Sinne der PSD2 ist, dass alle<br />
online verfügbaren Zahlungskonten ohne vorherige Freischaltung<br />
für Drittdienstleister erreichbar sind und dass<br />
Drittdienstleister im Namen des Kunden und mit dessen<br />
Zustimmung auf das Konto zugreifen können. Hierfür<br />
müssen sie sich identifizieren und können erst dann die<br />
Zahlung initiieren. Standardmäßig handelt es sich um Einzelüberweisungen,<br />
die in allen Währungen und weltweit<br />
getätigt werden können, sofern die jeweilige Bank dieses<br />
Angebot auch im Online Banking unterbreitet.<br />
Kontoinformationsdienste sind dabei in der Lage, im<br />
Namen des Kunden Kontoinformationen wie Umsätze,<br />
Salden und Vormerkposten abzurufen. Die Anwendungsszenarien<br />
können sehr vielfältig sein, da diese Informationen<br />
Rückschlüsse auf die Bonität, das Kaufverhalten und<br />
die Lebensumstände eines Kunden ermöglichen. Daraus<br />
ergeben sich – das Einverständnis des Kunden vorausgesetzt<br />
– neue Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten<br />
werden können.<br />
Europäische Bankenaufsichtsbehörde definiert Details<br />
Die PSD2 regelt nicht die Details des Kontozugriffs. Dazu<br />
wurde die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA)<br />
ermächtigt, sogenannte „Technische Regulierungsstandards“<br />
(Regulatory Technical Standards, RTS) für die sichere<br />
Kommunikation und die starke Kundenauthentifizierung<br />
zu definieren. Die EBA musste einen Ausgleich divergierender<br />
Markt<strong>interesse</strong>n finden und schlug in Bezug auf<br />
den Kontozugang für Drittdienstleister einen Kompromiss<br />
vor, der Banken die Wahlfreiheit zwischen einer dedizierten<br />
Schnittstelle und einem Zugang zum heutigen Online<br />
Banking des Kunden ermöglicht. Die Deutsche Kreditwirtschaft<br />
begrüßte diese Regelung, da damit die hohen Sicherheitsstandards<br />
des Zahlungsverkehrs für Kunden wie<br />
inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong> 3
Banken erhalten bleiben und die Basis für eine europaweit<br />
einheitliche Schnittstelle (auch API genannt, Application<br />
Programming Interface) geschaffen wird.<br />
Die im Mai <strong>2017</strong> von der Europäischen Kommission an die<br />
EBA übermittelten Änderungsvorschläge sahen neben der<br />
Bereitstellung einer dedizierten Schnittstelle auch einen<br />
so genannten Fallback-Zugriff per Screen Scraping vor, falls<br />
die Schnittstelle nicht verfügbar ist. Screen Scraping ist<br />
eine Technik zum Auslesen von Informationen aus Internetseiten.<br />
Im Bankenumfeld ist diese Technik umstritten,<br />
da sich ein Dienstleister im Namen des Kunden und mit<br />
dessen Zugangsdaten in das Online Banking einloggt. Die<br />
Bank kann nicht unterscheiden, ob es sich dabei um den<br />
Kunden selber oder um einen Dritten handelt. Zudem ist<br />
vielen Kunden nicht bewusst, dass für den Dienstleister<br />
alle Daten einsehbar sind, auf die der Kunde selbst zugreifen<br />
kann – seien es Kontoumsätze, sein Verfügungslimit,<br />
Dispokredite, Depot- und Kreditkartenkonten.<br />
Fallback-Lösung verhindert europäische Harmonisierung<br />
Die Europäische Kommission plant derzeit, Banken von<br />
der Bereitstellung eines generellen Fallback zu befreien,<br />
sofern diese die Kriterien für eine funktionsfähige und<br />
PSD2-konforme Schnittstelle erfüllen. Entsprechende Kriterien<br />
werden derzeit erarbeitet und sollen den nationalen<br />
Aufsichtsbehörden als Grundlage für die Erteilung<br />
einer Ausnahmegenehmigung dienen.<br />
Aber trotz Ausnahmegenehmigung ist weiterhin Screen<br />
Scraping als Fallback im Gespräch, falls im laufenden Betrieb<br />
Drittdienstleister nicht innerhalb einer gewissen Zeit<br />
auf die Schnittstelle zugreifen können. Was als Anreiz zur<br />
Entwicklung und Bereitstellung einer funktionsfähigen<br />
Schnittstelle gegenüber Banken gedacht ist, entpuppt sich<br />
jedoch als ungeeignetes Instrument, da<br />
1. sowohl die dedizierte Schnittstelle als auch das Online<br />
Banking auf der gleichen technischen Infrastruktur basieren.<br />
Fällt die Schnittstelle aus, so ist auch das Online<br />
Banking hiervon betroffen;<br />
2. ein Fallback über Screen Scraping Drittdienstleistern<br />
den Zugriff auf alle verfügbaren Daten im Online Banking<br />
ermöglicht;<br />
3. ein Fallback – wie die Schnittstelle selber – den Regularien<br />
der PSD2 unterliegt. Diese sehen unter anderem<br />
vor, dass Drittdienstleister sich identifizieren müssen<br />
und Banken diesen nur die für ihren jeweiligen Service<br />
relevanten Daten zur Verfügung stellen dürfen.<br />
Müssen Banken neben einer Schnittstelle noch ein Fallback<br />
anbieten, so führt dies zu doppelten Investitionskosten.<br />
Banken würden daher womöglich keine dedizierte Schnittstelle<br />
für den Kontozugang anbieten, sondern die Wahlfreiheit<br />
in den Technischen Regulierungsstandards nutzen<br />
und einen Zugang über das Online Banking anbieten. Dies<br />
wäre jedoch eine Abkehr von der angestrebten Standardisierung,<br />
die bis dato den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt<br />
geprägt hat. Drittdienstleister müssten bilaterale<br />
Verbindungen zum Online Banking tausender Banken<br />
in Europa aufbauen. Von Harmonisierung sowie der Förderung<br />
von Wettbewerb und Innovationen im Sinne der<br />
PSD2 kann dabei nicht die Rede sein – ebenso wenig von<br />
einem Level Playing Field für alle Marktteilnehmer.<br />
Private Banken befürworten einheitliche Umsetzung<br />
Deutsche Banken hatten bereits frühzeitig ihr Interesse<br />
an einer europaweit einheitlichen Umsetzung signalisiert.<br />
Das Ziel sollte es sein, alle Banken mit nur einem<br />
Standard erreichen zu können. Die privaten Banken unterstützen<br />
daher gemeinsam mit den anderen Verbänden<br />
der Deutschen Kreditwirtschaft die Aktivitäten der Berlin<br />
Group, eine seit 2004 existierende europäische Standardisierungsorganisation<br />
im Zahlungsverkehr. Diese hat die<br />
„NextGenPSD2-Initiative“ ins Leben gerufen, um eine einheitliche<br />
Schnittstellenspezifikation für den PSD2-Kontozugang<br />
für Drittdienstleister zu entwickeln. Mittlerweile sind<br />
über 25 Organisationen aus ganz Europa dieser Initiative<br />
beigetreten. Das Ziel ist es, bis Ende <strong>2017</strong> die Spezifikation<br />
zu finalisieren. Es wird damit gerechnet, dass der Kontozugang<br />
für Drittdienstleistervoraussichtlich zum Sommer<br />
2019 umgesetzt werden muss.<br />
Bettina Schönfeld ist Abteilungsdirektorin beim Bundesverband<br />
deutscher Banken, Berlin. Eine ausführlichere Fassung<br />
des Beitrags ist in der Ausgabe 10/<strong>2017</strong> der vom Bank-<br />
Verlag Köln herausgegebenen Fachzeitschrift „die bank“<br />
erschienen.<br />
4 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>
ankenverband<br />
Finanzierungspartner auf Zeit:<br />
Beteiligungskapital boomt<br />
Der Beteiligungsmarkt rückt als alternative Finanzierungsform<br />
immer mehr in den Fokus. Allein im ersten<br />
Halbjahr <strong>2017</strong> investierten Beteiligungsgesellschaften<br />
7,3 Mrd. Euro Private Equity in Deutschland – so viel<br />
wie noch nie in einem Halbjahr zuvor.<br />
Von Ulrike Hinrichs<br />
Der deutsche Mittelstand steht vor zwei großen Herausforderungen:<br />
einer inhaltlichen und einer personellen.<br />
Zum einen zwingt die vierte industrielle Revolution die<br />
Unternehmen, sich weiterzuentwickeln und mit der Digitalisierung<br />
neue Wege zu gehen. Zum anderen stehen<br />
viele Geschäftsführer mit Blick auf den wohlverdienten<br />
Ruhestand vor der Frage, wer das Unternehmen weiterführen<br />
soll. Beide Zukunftsfragen können Beteiligungsgesellschaften<br />
lösen und den Unternehmen neue Impulse<br />
geben. Immer mehr Unternehmer öffnen sich für Beteiligungen,<br />
die einen Finanzierungspartner auf Zeit und<br />
damit nicht nur Kapital, sondern auch Know-how und Expertise<br />
mitbringen, um Hürden gemeinsam zu meistern.<br />
Unternehmensnachfolgen finden dabei in erster Linie in<br />
traditionellen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau,<br />
Konsumgüter/Handel oder auch technologienahen<br />
Sektoren wie Kommunikation/IT und Elektronik statt. In<br />
den letzten zehn Jahren ist allein eine dreistellige Zahl<br />
namentlich bekannter Unternehmen von den Gründern<br />
oder Familiengesellschaften an Beteiligungsgesellschaften<br />
veräußert worden. Vor allem Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Bayern – Bundesländern mit<br />
einem traditionell starken Mittelstand – bilden regionale<br />
Schwerpunkte.<br />
Die konjunkturelle Lage ist aktuell äußerst vorteilhaft<br />
für den Mittelstand. Im langen Wirtschaftsaufschwung<br />
können die Unternehmen finanzielle Reserven aufbauen<br />
und die Bilanz stärken. Die Banken geben dank der<br />
Niedrigzinspolitik der EZB nicht nur günstige Kredite,<br />
sondern sind auch bei deren Vergabe weniger restriktiv.<br />
Doch auch das aktuell positive Umfeld sollte mittelstän-<br />
Beteiligungsgesellschaften kommen aber nicht nur bei<br />
Nachfolgen in Frage. Auch wenn Differenzen im Gesellschafterkreis<br />
auftreten, die mitunter die Fortentwicklung<br />
des Unternehmens gefährden können, unterstützen Beteiligungsgesellschaften.<br />
Die Vorteile, die Beteiligungskapital<br />
mit seiner unternehmerischen Flexibilität mit sich<br />
bringt, erkennen die Mittelständler zunehmend. Als langfristig<br />
orientierte Investoren mit Haltedauern von fünf<br />
bis sieben, zum Teil aber auch bis zu 15 Jahren haben<br />
die Beteiligungsgesellschaften ein großes Interesse daran,<br />
das Unternehmen zu stärken und voran zu bringen.<br />
inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong> 5
dische Unternehmen nicht dazu verleiten, leichtgläubig<br />
die Zukunft aus dem Auge zu verlieren. Sie müssen sich<br />
mit der Frage beschäftigen, wie das zukünftige Wachstum<br />
im Unternehmen auch in konjunkturschwächeren<br />
Zeiten gesichert wird. Der Beteiligungsmarkt rückt damit<br />
als alternative Finanzierungsform immer mehr in<br />
den Fokus. Allein im ersten Halbjahr <strong>2017</strong> investierten<br />
Beteiligungsgesellschaften 7,3 Mrd. Euro Private Equity<br />
in Deutschland. Noch nie wurde so viel Beteiligungskapital<br />
in einem Halbjahr in Unternehmen angelegt.<br />
Ausschlaggebend für die hohen Investitionssummen ist<br />
in erster Linie der Buy-Out-Markt. Das günstige Finanzierungsangebot<br />
durch Banken und Debt-Fonds bietet<br />
den Buy-Out-Investoren ein attraktives Umfeld für große<br />
Transaktionen. Aber auch die Mittelstandsfinanzierungen<br />
durch Minderheitsbeteiligungen ziehen stetig an. Knapp<br />
1 Mrd. Euro wurde in die hiesigen Hidden Champions und<br />
ihre mittelständischen Pendants investiert. Dabei ist der<br />
Beteiligungsmarkt vor allem ein Mittelstandsmarkt, denn<br />
die überwiegende Zahl der jährlich mehr als 1.000 mit<br />
Beteiligungskapital finanzierten Unternehmen sind kleine<br />
und mittlere Unternehmen sowie Start-ups.<br />
Gerade auch Jungunternehmen sind oftmals auf Beteiligungskapital<br />
angewiesen, wenn den Banken eine<br />
Finanzierung zu risikoreich erscheint. Beteiligungsgesellschaften<br />
sehen<br />
vor allem die Chancen<br />
und unterstützen<br />
Start-ups von der<br />
Gründungsphase an.<br />
Die Investitionen im<br />
vergangenen Jahr<br />
und im ersten Halbjahr<br />
<strong>2017</strong> unterstreichen<br />
die Bedeutung<br />
von Venture Capital.<br />
2016 wurde mit<br />
0,93 Mrd. Euro das<br />
höchste Volumen seit<br />
Ulrike Hinrichs, Geschäftsführendes<br />
Vorstandsmitglied des Bundesverbandes<br />
Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften<br />
(BVK).<br />
2008 erreicht, und<br />
auch das laufende Jahr ist auf gutem Weg, dieses Investitionsniveau<br />
wieder zu erreichen.<br />
Damit künftig noch mehr Unternehmen in Deutschland<br />
von Beteiligungskapital profitieren können, sollten<br />
sich auch die Rahmenbedingungen weiter verbessern.<br />
Deutschland darf im internationalen Vergleich hier nicht<br />
ins Hintertreffen geraten. Ein starker Beteiligungsmarkt<br />
ist schließlich ein wichtiger Erfolgsfaktor für die gesamte<br />
deutsche Wirtschaft und sorgt mit dafür, dass Deutschland<br />
durch seine Start-ups und mittelständischen Unternehmen<br />
international ganz vorn dabei bleibt.<br />
<strong>2017</strong> auf dem Weg zum Rekordergebnis<br />
Beteiligungen: Finanzierte Unternehmen 2016<br />
Investitionen in Mio. €<br />
Unternehmen nach Umsatz<br />
6.979<br />
6.741<br />
7.164<br />
6.602<br />
6.610<br />
7.285<br />
100+ Mio.€<br />
50-100 Mio.€<br />
4% 5%<br />
10-50 Mio.€<br />
5.438<br />
11%<br />
0-1 Mio.€<br />
5.092<br />
51%<br />
29%<br />
1-10 Mio.€<br />
2010<br />
2011 2012 2013 2014 2015 2016 H1 <strong>2017</strong><br />
Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).<br />
Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK).<br />
6 inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong>
ankenverband<br />
Digitalisierung in der Schule<br />
Mit WLAN ist es nicht getan<br />
Bis die neue Bundesregierung im Amt ist, wird noch einige<br />
Zeit ins Land gehen. Auf dem Merkzettel für den<br />
Koalitionsvertrag steht indes mindestens ein Posten<br />
schon fest: Der sogenannte „Digitalpakt D“ des Bundesbildungsministeriums<br />
aus der vorigen Legislaturperiode<br />
wartet noch auf Konkretisierung und Umsetzung.<br />
Zusammen mit den Ländern soll der Bund damit<br />
in den kommenden fünf Jahren u. a. den Ausbau der<br />
IT-Infrastruktur an Schulen durch Investitionen von<br />
5 Mrd. € vorantreiben.<br />
Von Wolfgang Haaß<br />
Im Bundestagswahlkampf wurde vielfach bemängelt,<br />
dass Bildung – auch und gerade mit Blick auf das Metathema<br />
Digitalisierung – kaum eine Rolle spielte. Dabei<br />
gab es durchaus Beiträge, die die Diskussion voranbringen<br />
können. So setzte zum Beispiel das Münchener ifo<br />
Institut mit seinem aktuellen Bildungsbarometer zu den<br />
Einstellungen der deutschen Bevölkerung zur Digitalisierung<br />
im Bildungsbereich einen wichtigen Impuls.<br />
Die Ergebnisse verdeutlichen, so das Team um den Bildungsökonomen<br />
Ludger Wößmann, dass den Deutschen<br />
die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung im Bildungsbereich<br />
durchaus bewusst ist. Für den Digitalpakt<br />
gibt es gesellschaftlichen Rückenwind: So spricht sich<br />
eine überwältigende Mehrheit von 80 Prozent der Befragten<br />
dafür aus, dass der Bund möglichst alle Schulen<br />
mit Breitband-Internetzugang, WLAN und Computern<br />
ausstattet. Ähnlich viele befürworten, dass der Bund auch<br />
Schüler weiterführender Schulen mit Tablets ausstattet.<br />
Positiv stehen die Deutschen mehrheitlich auch der digitalen<br />
Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern<br />
gegenüber, um beispielsweise über bevorstehende Tests<br />
oder Prüfungsergebnisse zu informieren; auch verpflichtende<br />
Fortbildungen für Lehrkräfte zu Digital- und Medienkompetenzen<br />
werden mehrheitlich unterstützt.<br />
Negativ ist die Meinung der Deutschen hingegen zur<br />
Nutzung von Smartphones im Unterricht. Weniger als<br />
die Hälfte der Bevölkerung (42 %) spricht sich dafür aus,<br />
dass Schüler ab der 7. Klasse ihr eigenes schlaues Telefon<br />
für schulische Zwecke (z. B. Internetrecherchen) im<br />
Unterricht benutzen dürfen, 52 Prozent sind dagegen.<br />
Am Smartphone im Unterricht scheiden sich die Geister<br />
Natürlich ist die Entscheidung für die Nutzung von Smartphones<br />
im Unterricht immer eine Ermessensfrage, die vor<br />
allem davon abhängt, wie die „schulischen Zwecke“, die<br />
damit erreicht werden sollen, definiert werden. Für Unterrichtsinhalte,<br />
die in digitaler Form einen Mehrwert schaffen,<br />
sind auch nicht zwingend Smartphones nötig, meist<br />
dürften andere Geräte (Tablets, Boards oder durchaus auch<br />
noch PCs oder Laptops) das Mittel der Wahl dafür sein.<br />
Andererseits lohnt es sich aber, wie auch in anderen<br />
Lebenszusammenhängen, über Ausnahmen von der Regel<br />
nachzudenken. So lassen sich zum Beispiel Schülerwettbewerbe<br />
digitalisieren, indem die Aufgabenstellung<br />
am Board mit den Lösungen durch die Schülerinnen und<br />
Schüler via Smartphone verzahnt werden. Ein Echtzeit-<br />
Ranking nach jeder Frage-Antwort-Runde motiviert die<br />
Schüler dabei auf spielerische Weise.<br />
Eine solch fokussierte Nutzung von Netzwerkmedien im<br />
Klassenzimmer als eine Art Educative Social Media ermöglicht<br />
die Einbindung jener Geräte, zu denen Jugendliche<br />
auch außerhalb der Schule ein meist inniges Verhältnis<br />
haben. Dem pädagogischen Petitum, sich möglichst an<br />
der „Lebenswelt der Schüler“ zu orientieren, käme man<br />
damit zumindest ein Stück näher.<br />
inter|esse 5 ◆ <strong>2017</strong> 7
Ebenfalls in Richtung Pädagogik, aber deutlich über das<br />
skizzierte Anwendungsbeispiel hinaus, zielt der Befund<br />
einer zweiten Studie mit einer Bestandsaufnahme zur<br />
Digitalisierung an deutschen Schulen: Die dritte Sequenz<br />
des „Monitors Digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung<br />
basiert auf einer Befragung der Akteure im Bildungswesen<br />
– neben Schülern, Lehrkräften und Schulleitern auch<br />
Vertreter aus Politik und Verwaltung.<br />
„Zwar sind gut drei Viertel der Lehrer und Schulleiter der<br />
Überzeugung, dass digitale Medien die Attraktivität der<br />
Schule steigern. Trotzdem erkennen und nutzen nur wenige<br />
das didaktisch-methodische Potenzial von Digitalisierung<br />
im Unterricht – zum Beispiel mit Blick auf Inklusion,<br />
individuelle Förderung oder Ganztagsgestaltung“,<br />
so Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger. Die Mehrheit der<br />
Lehrer und Schulleiter sieht die Chancen des digitalen<br />
Wandels stattdessen hauptsächlich darin, Aufgaben der<br />
Schulverwaltung besser bewältigen zu können.<br />
Derweil erwarten die befragten Experten aus Ministerien,<br />
von Schulträgern und Verbänden den größten Nachholbedarf<br />
im Kontext der Digitalisierung bei noch fehlenden<br />
pädagogischen Konzepten. Nur damit aber, so<br />
die Studienautoren, kann das Kollegium einer Schule ein<br />
gemeinsames didaktisches Verständnis von digitalem<br />
Lernen entwickeln. Bislang hingegen müssen Lehrer ihre<br />
Weiterbildung in diesem Kontext zumeist selbst organisieren.<br />
Digitale Bildung darf sich nicht in der technischen Ausstattung<br />
erschöpfen<br />
Letztlich wird es also darauf ankommen, ob sich die Schulen<br />
durch den Digitalpakt auch konzeptionell-strategisch<br />
weiterentwickeln oder ob die bildungspolitische Digitalisierungsoffensive<br />
bestenfalls bei leistungsstärkerem<br />
WLAN und mehr Geräten in den Schulen stecken bleibt.<br />
Die föderale Aufgabenteilung jedenfalls sieht vor, dass für<br />
„die Umsetzung entsprechender pädagogischer Konzepte,<br />
die Gestaltung der Lehreraus- und -fortbildung und die<br />
Unterstützung der notwendigen Strategieentwicklung<br />
bei Schulen und Schulträgern“ weiterhin und ausschließlich<br />
die Länder zuständig sind. Auf der Prioritätenliste der<br />
Koalitionsverhandlungen im Bund stehen diese Themen<br />
damit, wenn überhaupt, wohl eher weiter unten.<br />
Wolfgang Haaß ist Abteilungsdirektor beim Bundesverband<br />
deutscher Banken, Berlin.<br />
Wie stehen die Deutschen zur Digitalisierung an Schulen?<br />
sehr dafür<br />
eher dafür weder dafür noch dagegen eher dagegen sehr dagegen<br />
Ausstattung aller Schulen mit Breitband, WLAN und Computern<br />
38%<br />
42% 6% 11% 4%<br />
Digitale Kommunikation zwischen Schule und SchülerInnen bzw. Eltern<br />
19%<br />
47% 10% 19% 6%<br />
Nutzung von Smartphones der SchülerInnen im Unterricht<br />
11%<br />
31% 6% 31% 21%<br />
0% 25% 50% 75% 100%<br />
Quelle: ifo Bildungsbarometer <strong>2017</strong>.<br />
Impressum | Herausgeber: Bundesverband deutscher Banken e. V., Postfach 040307, 10062 Berlin | Verantwortlich: Oliver Santen<br />
Redaktion: Christian Jung, Telefon +49 30 1663-1293, annette.matthies-zeiss@bdb.de, bankenverband.de<br />
Druck: PieReg Druckcenter Berlin GmbH | Gestaltung: doppel:punkt redaktionsbüro janet eicher, Bonn |<br />
Fotos: fotolia: 3dddcharacter, WavebreakmediaMicro; iStock: MikhailMishchenko, EtiAmmos<br />
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