05 Schlaganfall bei akutem Verschluss der A. basilaris
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Leitthema<br />
MedKlinIntensivmedNotfmed2017 ·112:679–686<br />
https://doi.org/10.1007/s00063-017-0347-0<br />
Eingegangen: 13. Juni 2017<br />
Angenommen: 17. August 2017<br />
Online publiziert: 13. September 2017<br />
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017<br />
Redaktion<br />
S. Schwab, Erlangen<br />
M. Köhrmann, Essen<br />
S. Nagel<br />
Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland<br />
<strong>Schlaganfall</strong> <strong>bei</strong> <strong>akutem</strong><br />
<strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
Diagnostik und Therapie<br />
Ischämische Schlaganfälle in <strong>der</strong> hinteren<br />
Zirkulation machen etwa 15–20 %<br />
aller zerebralen Ischämien aus. Der akute<br />
<strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> ist allerdings<br />
sehr selten und repräsentiert nur<br />
etwa 1–4 % aller ischämischen Schlaganfälle.<br />
Große <strong>Schlaganfall</strong>zentren behandeln<br />
etwa 1–2 Patienten pro Monat mit<br />
dieser Erkrankung. Aufgrund <strong>der</strong> vielfältigen<br />
Symptome ist die klinische Diagnosenichteinfach.Insbeson<strong>der</strong>efürden<br />
neurologisch unerfahrenen Arzt besteht<br />
ja nach klinischer Präsentation z. B. die<br />
Gefahr einer Verwechslung mit einem<br />
epileptischen Anfallsstatus o<strong>der</strong> einem<br />
postiktalen Zustand. Trotz zunehmen<strong>der</strong><br />
Verfügbarkeit von radiologischen diagnostischen<br />
Möglichkeiten, insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Magnetresonanztomographie, ist die<br />
Diagnosesicherung oft noch verzögert.<br />
Dies ist sicherlich durch die schwerere<br />
klinische Diagnose <strong>der</strong> Ischämien in<br />
<strong>der</strong> hinteren Zirkulation zu begründen,<br />
aber auch durch einen nicht selten stotternden<br />
Beginn <strong>der</strong> Symptomatik. Traditionell<br />
und auch aufgrund des katastrophalen<br />
Spontanverlaufs waren die therapeutischen<br />
Ansätze von jeher aggressiver<br />
als <strong>bei</strong> Ischämien in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Zirkulation.<br />
Bis heute ist jedoch das beste<br />
therapeutische Vorgehen weiterhin nicht<br />
durch randomisierte Studien bewiesen.<br />
Große Registerstudien sowie Metaanalysen<br />
von Kohortenstudien zeigen bisher<br />
keine Überlegenheit <strong>der</strong> endovaskulären<br />
Therapie gegenüber einer systemischen<br />
Thrombolyse [1–3]. Randomisierte Studien,<br />
die diese Frage beantworten sollen,<br />
sind die aktuell laufende BASICS-<br />
[4] undBEST-Studie[5]. Die deutschen<br />
Leitlinien empfehlen <strong>der</strong>weil <strong>bei</strong> Ausschluss<br />
einer Hirnblutung unter Berücksichtigung<br />
von weiteren Kontraindikationen<br />
den sofortigen Beginn einer systemischen<br />
Thrombolyse und eine endovaskuläre<br />
Therapie bis 12 h nach Symptombeginn<br />
[6].<br />
Anatomie und klinische<br />
Syndrome<br />
Die hintere Zirkulation versorgt den<br />
Hirnstamm, das Mittelhirn, das Kleinhirn,<br />
die Thalami und den okzipitalen<br />
Kortex. Die <strong>bei</strong>den Vertrebralarterien<br />
vereinigen sich am sog. Confluens<br />
und bilden die unpaare A. <strong>basilaris</strong>, die<br />
am pontomedullären Übergang beginnt<br />
und am Boden <strong>der</strong> Pons entlang zieht,<br />
um dann die <strong>bei</strong>den Aa. cerebri posteriores<br />
am sog. Basilariskopf abzugeben<br />
(. Abb. 1). Eine A. cerebri posterior, o<strong>der</strong><br />
in seltenen Fällen sogar <strong>bei</strong>de, kann jedoch<br />
auch gänzlich aus <strong>der</strong> A. carotis<br />
interna entspringen (sog. embryonaler<br />
Abgang) ohne Verbindung durch die<br />
A. communicans posterior zur A. <strong>basilaris</strong>.<br />
Die A. <strong>basilaris</strong> wird in 3 Abschnitte<br />
eingeteilt: proximal, mittig und distal.<br />
» Die A. <strong>basilaris</strong> wird in<br />
3 Abschnitte eingeteilt: proximal,<br />
mittig und distal<br />
Aus dem proximalen Abschnitt entspringen<br />
die Aa. cerebelli inferior anteriores,<br />
aus dem mittleren Abschnitt entspringen<br />
die meisten <strong>der</strong> perforierenden und<br />
zirkumferierendenÄste,die die Ponsversorgen,<br />
und aus dem distalen Abschnitt<br />
originieren die Aa. cerebelli superiores<br />
sowie die bereits genannten Aa. cerebri<br />
posteriores. Die <strong>bei</strong>den Vertebralarterien<br />
sind oft von unterschiedlichem Kaliber.<br />
Manchmal endet eine <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den in <strong>der</strong><br />
A. cerebelli inferior posterior, sodass die<br />
A. <strong>basilaris</strong> eine direkte Verlängerung des<br />
kontralateralen V4-Segments <strong>der</strong> A. vertebralis<br />
darstellt. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>bei</strong> Patienten<br />
im fortgeschrittenen Alter und <strong>bei</strong><br />
Arteriosklerose finden sich häufig Elongationen<br />
o<strong>der</strong> Knickverläufe <strong>der</strong> Arterien,<br />
was zu erschwerten Bedingungen<br />
für eine endovaskuläre Therapie führen<br />
kann.<br />
Die klinischen Symptome können<br />
mannigfaltig sein und zu unterscheiden<br />
sind die Verläufe mit plötzlich einsetzenden<br />
schweren neurologischen Ausfallserscheinungen<br />
von den Verläufen mit<br />
stotterndem Beginn und nur langsam,<br />
teils über Tage zunehmenden Beschwerden.<br />
Prinzipiell haben Patienten mit<br />
Schlaganfällen in <strong>der</strong> hinteren Zirkulation<br />
häufiger Übelkeit, Kopfschmerzen<br />
und Anfälle als Begleitsymptome im<br />
Vergleich zu Patienten mit Schlaganfällen<br />
in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Zirkulation [7]. Eine<br />
Übersicht <strong>der</strong> neurologischen Symptome<br />
und <strong>der</strong> zugehörigen anatomischen<br />
Strukturen findet sich in (. Tab. 1; [8]).<br />
Das Basilarisspitzensyndrom tritt in <strong>der</strong><br />
Regel plötzlich auf, da es in den allermeisten<br />
Fällen durch eine (kardiale)<br />
Embolie verursacht wird.<br />
Der Embolus wan<strong>der</strong>t zunächst durch<br />
die A. <strong>basilaris</strong> und kann dort ggf. auch<br />
zu Verschlüssen <strong>der</strong> perforierenden Arterien<br />
<strong>der</strong> Pons führen und bleibt dann<br />
allerdings an <strong>der</strong> Aufzweigung <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den<br />
Aa. cerebri posteriores hängen. Sofern<br />
durch die Aa. communicans posteriores<br />
keine Versorgung <strong>der</strong> P2-Segmente<br />
gewährleistet werden kann, kommt es<br />
zu einer plötzlichen kortikalen Blindheit<br />
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017 679
Leitthema<br />
A. cerebelli inferior<br />
anterior<br />
proximaler <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong><br />
A. <strong>basilaris</strong><br />
Basilariskopf mit P1 Segmenten<br />
und <strong>bei</strong>den A. cerebelli sup.<br />
a<br />
c<br />
V4-Segment<br />
b<br />
A. cerebelli inferior<br />
anterior<br />
proximale Stenose <strong>der</strong><br />
A. <strong>basilaris</strong><br />
V4-Segmente<br />
Abb. 1 9 Fall<strong>bei</strong>spiel einer<br />
80-jährigen Patienten,<br />
die Computertomographie(CT)/CT-Angiographiebasiert<br />
in einem externen<br />
Krankenhaus systemisch<br />
thrombolysiert wurde.<br />
Angiographisch konnte<br />
ein proximaler <strong>Verschluss</strong><br />
<strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> nachgewiesenwerden(a)undes<br />
gelang eine Thrombolysis-in-cerebral-infarction(TICI)-3-Rekanalisierung<br />
mittels Solitaire® (Medtronic,<br />
Dublin, Irland) und<br />
einmaligem Manöver. Es<br />
zeigte sich eine geringe<br />
bis mäßige proximale<br />
Stenose (b). Die postinterventionelle<br />
Magnetresonanztomographie<br />
zeigte lediglich geringe<br />
Ischämienin<strong>der</strong>Pons(c).<br />
(Mit freundl.Genehmigung<br />
vonProf.Dr.M.Bendszus,<br />
Heidelberg)<br />
o<strong>der</strong> Hemianopsie durch Ischämie des<br />
okzipitalen Kortex und teilweise schweren<br />
Bewusstseinsstörungen und Tetrasymptomatik<br />
durch Ischämie <strong>der</strong> Thalamie<br />
und des Mittelhirns. Zudem kann<br />
es zu Ischämien im Gebiet <strong>der</strong> A. cerebelli<br />
superior kommen. Die Ausprägung<br />
des Syndroms ist jedoch sehr variabel<br />
und sehr abhängig von <strong>der</strong> Kollateralisierung.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e wenn es zu wie<strong>der</strong>holten<br />
Beuge- o<strong>der</strong> Strecksyngerismen<br />
<strong>der</strong> Extremitäten kommt, kann das<br />
Krankheitsbild fatalerweise mit einem<br />
epileptischen Anfallsstatus verwechselt<br />
werden und tragisch falsche Therapientscheidungen<br />
getroffen werden.<br />
» Die Symptome <strong>der</strong><br />
Basilaristhrombose können<br />
mit einem epileptischen<br />
Anfallsstatus verwechselt werden<br />
Typisch für einen Basilarisverschluss und<br />
eine Schädigung <strong>der</strong> Pyramidenbahn ist<br />
das <strong>bei</strong>dseitige tonische Strecken und<br />
Innenrotieren <strong>der</strong> Arme, was von den<br />
tonisch-klonischen Verkrampfungen <strong>bei</strong><br />
einem Grand-Mal-Status abzugrenzen<br />
ist.<br />
Proximale, midbasiläre o<strong>der</strong> Panokklusionen<strong>der</strong>A.<strong>basilaris</strong>entstehenmeist<br />
auf dem Boden einer lokalen Thrombose<br />
<strong>bei</strong> vorbestehen<strong>der</strong> Arteriosklerose.<br />
Die Symptomatik richtet sich ganz<br />
nach dem betroffenen Gefäßgebiet und<br />
kann, wie bereits gesagt, sehr fluktuierend<br />
und langsam progredient mit zunehmendem<br />
Schwindel, Übelkeit, leichter<br />
Hemi- o<strong>der</strong> Tetrasymptomatik, Hirnstammzeichen<br />
o<strong>der</strong> Ataxie auftreten. Bei<br />
klinischisolierterKleinhirnsymptomatik<br />
und bildgebendem Verdacht auf einen<br />
Infarkt außerhalb des Stromgebiets <strong>der</strong><br />
A. cerebelli inferior posterior ist immer<br />
zeitnah eine Gefäßdiagnostik zum Ausschluss<br />
einer Basilaristhrombose durchzuführen.<br />
Die beson<strong>der</strong>e Anatomie <strong>der</strong><br />
A. <strong>basilaris</strong> macht es möglich, dass <strong>bei</strong> einem<br />
proximalen o<strong>der</strong> midbasilären <strong>Verschluss</strong><br />
durch eine Flussumkehr eine retrograde<br />
Versorgung <strong>der</strong> anatomischen<br />
Strukturen distal des <strong>Verschluss</strong>es gewährleistet<br />
sein kann.<br />
Akute Diagnostik<br />
Die Standarduntersuchung <strong>bei</strong> Verdacht<br />
auf Vorliegen eines <strong>Schlaganfall</strong>s ist weiterhin<br />
die native kraniale Computertomographie<br />
(CT). Eine Hirnblutung lässt<br />
sich hiermit sehr sicher ausschließen. Die<br />
Beurteilung <strong>der</strong> Infarktfrühzeichen im<br />
Bereich des Hirnstamms und im Bereich<br />
des Mittelhirns gestaltet sich viel schwierigeralsz.<br />
B.imMediastromgebietundist<br />
in <strong>der</strong> Regel unzuverlässig. Für den Thalamus,<br />
das Kleinhirn und insbeson<strong>der</strong>e<br />
für den okzipitalen Kortex gelingt dies etwas<br />
besser. Analog zum mittlerweile sehr<br />
etablierten Alberta-stroke-program-early-CT-Score<br />
(ASPECTS) für das Stromgebiet<br />
<strong>der</strong> A. cerebri media entwickelten<br />
Pütz et al. den aus ebenfalls 10 Punkten<br />
bestehenden sog. Posterior-circulation(pc)-APECTS<br />
[9]. Dieser ist jedoch<br />
680 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017
Zusammenfassung · Abstract<br />
aus gerade genannten Gründen für die<br />
native CT unzuverlässig.<br />
» Der pc-APECTS stellt <strong>bei</strong><br />
richtiger Anwendung einen<br />
exzellenten prognostischen<br />
Marker dar<br />
ErstelltabereinenexzellentenprognostischenMarkerdar,wennerfürQuellbil<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> CT-Angiographie (CT-A) o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
diffusionsgewichteten (DWI) Magnetresonanztomographie<br />
(MRT) angewendet<br />
wird. Hinweisend für einen <strong>Verschluss</strong><br />
<strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> kann ein hyperdenses Gefäßzeichen<br />
sein. Dies kann sogar in bis<br />
zu 50 % <strong>der</strong> Fälle nachgewiesen werden,<br />
insbeson<strong>der</strong>e dann, wenn man Rekonstruktionen<br />
mit 1 mm Schichtdicke betrachtet<br />
[10]. Zusammen mit dem hohen<br />
klinischen Verdacht kann das hyperdense<br />
Zeichen <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> ein starker<br />
Prädiktor für einen <strong>Verschluss</strong> und ein<br />
negativerPrädiktorfürdasspätereOutcome<br />
sein [11].<br />
Sofern <strong>der</strong> klinische Verdacht auf<br />
einen <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> besteht,<br />
sollte eine umgehende radiologische<br />
Gefäßdiagnostik erfolgen. Eine<br />
alleinige Ultraschalldiagnostik ist zum<br />
Ausschluss eines <strong>Verschluss</strong>es <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
unzureichend. In <strong>der</strong> Regel wird<br />
man aufgrund <strong>der</strong> schnellen Verfügbarkeit<br />
eine CT-A durchführen. In vielen<br />
<strong>Schlaganfall</strong>zentren werden mittlerweile<br />
sog. multimodale CT-Untersuchungen<br />
durchgeführt, die aus einem nativen CT,<br />
einer Perfusions-CT und einer CT-A<br />
bestehen. Die CT-A dient zum Nachweis<br />
<strong>der</strong> <strong>Verschluss</strong>lokalisation und<br />
Ausdehnung sowie zur Beurteilung <strong>der</strong><br />
Zugangswege (es ist stets darauf zu achten,<br />
dass <strong>der</strong> Aortenbogen mit abgebildet<br />
ist) und <strong>der</strong> Kollateralisierung. Vor Kurzem<br />
wurde <strong>der</strong> BATMAN-Score (The<br />
Basilar Artery on Computed Tomography<br />
Angiography) beschrieben. Er wird<br />
von <strong>der</strong> CT-A abgeleitet, setzt sich aus<br />
<strong>der</strong> Thrombuslast und dem Vorhandensein<br />
von Kollateralen zusammen und<br />
besteht auch aus maximal 10 Punkten<br />
[12]. Wie bereits erwähnt kann <strong>der</strong> pc-<br />
ASPECTS auf die Quellbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> CT-A<br />
angewendetwerden;ersollabereherden<br />
Med Klin Intensivmed Notfmed 2017 · 112:679–686<br />
https://doi.org/10.1007/s00063-017-0347-0<br />
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017<br />
S. Nagel<br />
<strong>Schlaganfall</strong> <strong>bei</strong> <strong>akutem</strong> <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong>. Diagnostik<br />
und Therapie<br />
Zusammenfassung<br />
Der akute <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> ist<br />
eine seltene, sofern unbehandelt jedoch<br />
sehr schwer verlaufende neurovaskuläre<br />
Erkrankung mit hoher Mortalität. Die klinische<br />
Präsentation ist oft untypisch und die<br />
Diagnose verzögert. Aufgrund des schlechten<br />
Spontanverlaufs waren die rekanalisierenden<br />
Therapien oft aggressiver als <strong>bei</strong> Verschlüssen<br />
<strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Zirkulation. Eine gesicherte<br />
evidenzbasierte Therapie gibt es bisher nicht,<br />
die wesentlichen großen Registerstudien<br />
und Metaanalysen zeigten bisher keine<br />
klare Überlegenheit <strong>der</strong> endovaskulären<br />
Therapie gegenüber <strong>der</strong> reinen intravenösen<br />
Lysetherapie. Die aktuelle Übersichtsar<strong>bei</strong>t<br />
soll die wesentlichen Aspekte <strong>der</strong> klinischen<br />
Diagnose, <strong>der</strong> radiologischen Diagnostik<br />
und <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> Basilaristhrombose<br />
zusammenfassen.<br />
Schlüsselwörter<br />
Hirnstamminsult · Diagnostische Bildgebung ·<br />
Therapeutische Thrombolyse · Endovaskuläre<br />
Prozeduren · Thrombektomie<br />
Stroke due to acute occlusion of the basilar artery. Diagnosis and<br />
treatment<br />
Abstract<br />
Acute occlusion of the basilar artery is a rare<br />
and, if left untreated, severe neurovascular<br />
condition with a high mortality. The clinical<br />
presentation is often atypical and hence<br />
diagnosis may be delayed. Because of the<br />
devastating natural course, recanalization<br />
strategies were often more aggressive<br />
than in patients with occlusions in the<br />
anterior circulation. To date, there is no<br />
evidence-based therapy, and recent larger<br />
registry studies and meta-analyses do not<br />
bereits entstanden Parenchymschaden<br />
quantifizieren. Die Menge an Studien<br />
zur Perfusions-CT in <strong>der</strong> hinteren<br />
Zirkulation im Vergleich zur vor<strong>der</strong>en<br />
Zirkulation ist verschwindend gering,<br />
was zum Teil sicher an <strong>der</strong> größeren<br />
Anfälligkeit für Artefakte in <strong>der</strong> hinteren<br />
Schädelgrube liegt. Zudem ist die<br />
Existenz einer Penumbra im Bereich des<br />
Hirnstamms aufgrund <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Gefäßversorgung sicher fraglich [13].<br />
Alternativ, insbeson<strong>der</strong>e <strong>bei</strong> einem<br />
längeren Zeitfenster o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> länger<br />
bestehendem Koma und fehlen<strong>der</strong> klinischer<br />
Beurteilbarkeit aufgrund einer<br />
Intubation und Beatmung, kann es sinnvoll<br />
sein, primär eine MRT und eine MR-<br />
Angiographie (MR-A) des Aortenbogens<br />
mit Kontrastmittel durchzuführen, sofern<br />
die logistischen Voraussetzungen<br />
hierfür erfüllt sind (MR-kompatibles<br />
show a clear superiority of endovascular<br />
approaches over systemic thrombolysis<br />
alone. The current review aims to provide an<br />
overview of the most critical aspects in clinical<br />
and radiological diagnosis and treatment of<br />
basilar artery thrombosis.<br />
Keywords<br />
Brainstem stroke · Diagnostic imaging ·<br />
Therapeutic thrombolysis · Endovascular<br />
procedures · Thrombectomy<br />
Monitoring und Beatmungsmöglichkeit<br />
sowie erfahrenes Team). Der Vorteil<br />
liegt eindeutig in <strong>der</strong> besseren Beurteilbarkeit<br />
<strong>der</strong> Ausdehnung <strong>der</strong> Infarzierungen<br />
in <strong>der</strong> hinteren Zirkulation<br />
und. Somit erlauben DWI- und Fluid-<br />
attenuated-inversion-recovery(FLAIR)-<br />
Sequenzen nicht nur eine Quantifizierung<br />
<strong>der</strong> Infarkte, son<strong>der</strong>n auch eine<br />
gewisse Einschätzung <strong>der</strong> Ischämiedauer.<br />
Das Phänomen, dass DWI-Läsionen<br />
im Bereich <strong>der</strong> hinteren Zirkulation reversibel<br />
sind, ist beschrieben, allerdings<br />
wahrscheinlich eher selten [14]. Weitere<br />
Scores zur quantitativen Infarktausdehnung<br />
im MRT, wie <strong>der</strong> Renard-Score<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Score von Cho et al. haben sich<br />
im Vergleich zum pc-ASPECTS nicht<br />
durchgesetzt und sind von prognostisch<br />
geringerem Wert [14–16]. Mittels Timeof-flight(TOF)-MR-A<br />
und kontrastge-<br />
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017 681
Leitthema<br />
Tab. 1 Klinische Syndrome und assoziierte anatomische Strukturen im Versorgungsgebiet <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong>. (Übersetzt und modifiziert aus [8])<br />
Symptome<br />
Anatomische Strukturen<br />
Quantitative Bewusstseinsstörung bis Koma<br />
Qualitative Bewusstseinsstörung, Desorientierung, Gedächtnisstörungen<br />
Störung <strong>der</strong> Atem- und Kreislaufregulation<br />
Hemiparese, Tetraparese bis -plegie, Pyramidenbahnzeichen, Beuge- und<br />
Strecksynergismen, „jerks“, Verkrampfungen<br />
Hemihypästhesie, bilaterale Hypästhesie<br />
Rumpf-, Stand- und Extremitätenataxie, Fallneigung, Schwindel, gerichtete<br />
Fallneigung, Nystagmus<br />
Okulomotoriusparese, vertikale Blickparese, Bilaterale Ptosis, Anisokorie,<br />
gestörter Pupillenreflex, vertikaler Verlust des vestibulookulären Reflexes,<br />
internukleäre Ophthalmoplegie<br />
Horizontale Blickparese, horizontaler Verlust des vestibulookulären Reflexes<br />
Faziale o<strong>der</strong> Fazialisparese<br />
Tinnitus, Hörverlust<br />
Dysarthrie, Dysphagie<br />
Hemianopsie, kortikalen Blindheit<br />
Aszendierendes retikuläres aktivierendes System<br />
Thalamus, medialer temporaler Kortex<br />
Autonome Kerngebiete <strong>der</strong> Medulla<br />
Tractus corticospinalis im Bereich Medulla, Pons, Mittelhirn und Pedunculus<br />
cerebri<br />
– Lemniscus medialis, Tractus spinothalamicus, Thalamus<br />
– Cerebellum, Pedunculus cerebelli, Tractus spinocerebellaris,<br />
Vestibulariskerne, Labyrinth<br />
Okulomotoriuskerngebiet o<strong>der</strong> Faszikel, medialer longitudinaler Faszikel,<br />
dorsale Kommissur<br />
Abduzenskerngebiet, paramediane pontinoretikuläre Formation<br />
Traktus corticobulbaris, Fazialiskerngebiet<br />
Innenohr, Cochleariskerngebiet, Lemniskus lateralis<br />
Traktus corticobulbaris, kaudale Hirnnervenkerne<br />
Okzipitaler Kortex<br />
stützter Aortenbogenangiographie, lassen<br />
sich die intra- und extrakraniellen<br />
Gefäße gut darstellen und insbeson<strong>der</strong>e<br />
mit letzterer Technik auch langsame<br />
Flussverhältnisse im Bereich <strong>der</strong> Thrombose<br />
o<strong>der</strong> des Embolus dokumentieren.<br />
Ggf. lässt sich auch mit „susceptibility<br />
weighted imaging“ (SWI) <strong>der</strong> Thrombus<br />
direkt nachweisen. Selbstverständlich ist<br />
auch die Perfusionsbildgebung mit <strong>der</strong><br />
MRT möglich, aber, wie bereits gesagt,<br />
ist <strong>der</strong>en Interpretation schwieriger als<br />
in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Zirkulation.<br />
Therapie<br />
Der natürliche unbehandelte Verlauf eines<br />
akuten <strong>Verschluss</strong>es <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
ist in <strong>der</strong> Regel katastrophal, insbeson<strong>der</strong>e<br />
wenn ein schweres klinisches Syndrom<br />
mit Bewusstseins-, Schluck-, Kreislaufund<br />
Atemregulationsstörung ausgelöst<br />
wird [17]. Ältere Publikation berichten<br />
von einer Sterblichkeit bis 90 % [18]. Bei<br />
einem schweren Defizit und mindestens<br />
<strong>der</strong> Verabreichung einer antithrombotischen<br />
Therapie kann die Sterblichkeit auf<br />
41 % sinken, <strong>bei</strong> einem leichten Defizit<br />
und anschließen<strong>der</strong> antithrombotischer<br />
Therapie verstarben sogar nur 12,5 % <strong>der</strong><br />
Patienten im BASICS-Register [2]. Aufgrund<br />
des schlechten Spontanverlaufs<br />
und <strong>der</strong> Vermutung, dass die Wie<strong>der</strong>eröffnung<br />
des Gefäßes <strong>der</strong> entscheidende<br />
Grund für eine klinische Besserung ist,<br />
führten Hacke und Zeumer im Jahr<br />
1982 den ersten erfolgreich publizierten<br />
Behandlungsversuch einer intraarteriellen<br />
Thrombolyse (IAT) mit Urokinase<br />
<strong>bei</strong> einer jungen Patientin durch [19].<br />
Im Jahr 1988 gelang es ihnen auch zu<br />
beweisen, dass die Rekanalisierung in<br />
<strong>der</strong> Tat essenziell für ein gutes Outcome<br />
ist: Während alle Patienten ohne Rekanalisierung<br />
verstarben, überlebten 14<br />
von 19 mit Wie<strong>der</strong>eröffnung <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
und 10 davon erreichten sogar<br />
ein gutes Outcome [20]. Seither gab es<br />
deutlich mehr Publikationen zur IAT<br />
des Basilarisverschlusses als zur intravenösen<br />
Thrombolyse (IVT), wo<strong>bei</strong> es<br />
bisher keine eindeutige Evidenz für die<br />
Überlegenheit <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Strategie gibt. Die bisher einzige randomisierte<br />
Studie, die publiziert ist, wurde<br />
nach 16 Patienten <strong>bei</strong> schlechter Rekrutierung<br />
abgebrochen und die Ergebnisse<br />
sind nicht weiterführend [21]. . Tab. 2<br />
fasst die bisher wichtigsten Metaanalysen<br />
und Registerstudien zur Therapie des<br />
akuten Basilarisverschlusses zusammen.<br />
Die Frage zur bestmöglichen Therapie<br />
könnten 2 aktuell rekrutierende Studien<br />
klären: 1) Die BASICS-Studie in Europa<br />
ist eine offene randomisierte Studie,<br />
die im 6 h-Zeitfenster die endovaskuläre<br />
Therapie gegenüber dem besten<br />
konservativen Management inklusive<br />
systemischer Thrombolyse an geplanten<br />
750 Patienten untersuchen wird. Der primäre<br />
Endpunkt ist das Erreichen eines<br />
Ergebnisses nach modifizierter Rankin-<br />
Skala (mRS) von 0–3 nach 9 Monaten<br />
([4]; Clinicaltrials.gov: NCT01717755).<br />
2) Die BEST-Studie in China ist ebenfalls<br />
eine offene randomisierte Studie,<br />
die im 8 h-Zeitfenster ebenfalls die endovaskuläre<br />
Therapie gegenüber dem<br />
besten konservativen Management an<br />
geplanten 344 Patienten untersucht; primärer<br />
Endpunkt ist auch hier ein mRS-<br />
Ergebnis von 0–3 nach 90 Tagen ([5];<br />
Clinicaltrials.gov: NCT02441556). Die<br />
niedrigere Fallzahl in <strong>der</strong> später geplanten<br />
BEST-Studie erklärt sich sicherlich<br />
mit <strong>der</strong> Annahme <strong>der</strong> besseren Effektivität<br />
<strong>der</strong> mechanischen Thrombektomie<br />
mittels mo<strong>der</strong>ner Stentretriever.<br />
Systemische und intraarterielle<br />
Thrombolyse<br />
Die IVT ist weiterhin die einzige zugelassene<br />
pharmakologische Akuttherapie des<br />
ischämischen <strong>Schlaganfall</strong>s mit dem Ziel,<br />
eine Thrombusauflösung und Reperfusion<br />
des Gefäßterritoriums her<strong>bei</strong>zuführen<br />
[24]. In einem Zeitfenster bis 4,5 h<br />
nach Symptombeginn sollte, nach Ausschluss<strong>der</strong>üblichenKontraindikationen,<br />
auch <strong>bei</strong> Verdacht auf Ischämie in <strong>der</strong><br />
hinteren Zirkulation o<strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />
auf <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> schnellstmöglich<br />
eine Thrombolyse erfolgen. Patienten<br />
mit Ischämie <strong>der</strong> hinteren Zir-<br />
682 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017
Tab. 2 Übersicht über die wesentlichen systematischen Ar<strong>bei</strong>ten zur Therapie des akuten Basilarisverschlusses<br />
Studienmerkmale Outcome Parameter<br />
Studie<br />
(Autor, Jahr,<br />
Referenz)<br />
Lindsberg et al.<br />
2006 [1]<br />
Schonewille et al.<br />
2009 [2]<br />
Kumar et al. 2015<br />
[3]<br />
Art <strong>der</strong> Studie Patienten Behandlung Rekanalisierung<br />
TICI 2b–3<br />
in %<br />
Gutes<br />
Outcome<br />
mRS 0–2<br />
in %<br />
Metaanalyse n = 420 aus 13 individuellen Studien IVT (n = 76) 53 22 53 8<br />
Internationales<br />
Register<br />
Tod<br />
mRS = 6<br />
in %<br />
IAT (n = 344) 65 24 55 11<br />
n = 592 aus 48 Zentren AT (n = 183) K.A. 22 31 1<br />
Metaanalyse n = 2060 aus 45 individuellen<br />
Studien (nicht für alle Patienten<br />
waren Endpunkdaten vorhanden)<br />
IVT (n = 121) K.A. 41 34 6<br />
IAT (n = 288) 72 17 41 14<br />
IVT 59 K.A. 53 Rekanalisierung mit 2-fach erniedrigtem<br />
9<br />
IAT/MT 77 48 Risiko verbunden (NNT = 2,5;<br />
gepoolte Risiko Reduktion: 0,49)<br />
14<br />
Intrakranielle<br />
Blutungen<br />
in %<br />
Phan et al. 2016<br />
[22]<br />
Lindsberg et al.<br />
2016 [23]<br />
Metaanalyse n = 491 aus 17 individuellen Studien MT (SR: 77 %,<br />
14–100 %)<br />
IAT (kein SR: 21 %,<br />
0–86 %)<br />
80 42,8 29 7<br />
Erfolglose Rekanalisierung (mRS 4–6 <strong>bei</strong> rekanalisierten<br />
Patienten)<br />
Metaanalyse n = 803 aus 15 Studien IVT/IAT (n = 406) 71 24 58 K.A.<br />
IVT/IAT plus „rescue<br />
MT“ (n = 185)<br />
77 35 52<br />
MT (n = 212) 91 38 60<br />
MT mit SR (n = 103) 87 35 53<br />
Prozentwerte sind jeweils auf ganze Zahlen auf- o<strong>der</strong> abgerundet<br />
AT antithrombotische Therapie, IVT intravenöse Lysetherapie, IAT intraarterielle Lysetherapie, K.A. keine Angaben, mRS modifizierte Rankin-Skala, MT mechanische Thrombektomie, SR Stentretriever, NNT „number<br />
needed to treat“, TICI „thrombolysis in cerebral infarction scale“<br />
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017 683
Leitthema<br />
kulation waren zwar in den bekannten<br />
Zulassungsstudien nicht ausgeschlossen,<br />
da aber keine Gefäßdiagnostik nötig war,<br />
bleibt unklar, wie viele Patienten mit z. B.<br />
<strong>Verschluss</strong><strong>der</strong>A.<strong>basilaris</strong>rekrutiertwurden<br />
und wie sicher und erfolgreich die<br />
Therapie in dieser Subgruppe ist. Eine<br />
Beobachtungsstudie an etwa 950 Patienten<br />
in China legt nahe, dass gemessen<br />
an symptomatischen intrakraniellen Blutungen(sICH)<strong>bei</strong>PatientenmitIschämien<br />
in <strong>der</strong> hinteren Zirkulation im Vergleich<br />
mit <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Zirkulation die<br />
IVT etwas sicherer ist (sICH: 3,2 % vs.<br />
7,7 %; Odds-Ratio 0,28: 95 %-Konfidenzintervall<br />
0,09–0,90) und dass Patienten<br />
mit Infarkten in <strong>der</strong> hinteren Strombahn<br />
einetwasbesseresOutcomegemessenam<br />
mRS haben (mRS 0–1: 55,7 % vs. 41,6 %;<br />
Odds-Ratio 2,27; 95 %-Konfidenzintervall<br />
1,42–3,61; [25]). Ähnliche Ergebnisse<br />
fanden sich zuvor in einer Ar<strong>bei</strong>t<br />
aus Tschechien [26]. Eine aktuelle große<br />
Registerstudie aus Österreich zeigt aber<br />
auch,dassaufgrund<strong>der</strong>oftschwierigeren<br />
klinischen Verdachtsdiagnose Patienten<br />
mit Ischämien <strong>der</strong> hinteren Zirkulation<br />
wegeneinerlängeren„onsettodoortime“<br />
(ODT) und „door to needle time“ (DNT)<br />
später thrombolysiert werden [27]. Dies<br />
bestätigend zeigte sich in einer an<strong>der</strong>en<br />
großen monozentrischen Registerstudie,<br />
dass Patienten mit Ischämien <strong>der</strong> hinteren<br />
Zirkulation nur in 50 % <strong>der</strong> Fälle, im<br />
Vergleich zu Patienten mit Ischämien <strong>der</strong><br />
vor<strong>der</strong>en Zirkulation, eine IVT erhalten;<br />
meist, weil das Syndrom mil<strong>der</strong> ist und<br />
die Präsentation verzögert ist [28].<br />
» Auch <strong>bei</strong> Verdacht auf<br />
<strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
sollte schnellstmöglich eine<br />
Thrombolyse erfolgen<br />
Diese Analysen treffen natürlich nicht<br />
für Patienten mit einem <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong><br />
A. <strong>basilaris</strong> zu, die aber auch nur einen<br />
geringen Anteil an allen Patienten mit<br />
Ischämien in <strong>der</strong> hinteren Zirkulation<br />
ausmachen. Die meisten Fallserien an<br />
Patienten mit Basilaristhrombose zur<br />
reinen IVT liegen schon länger zurück<br />
und sind zum Teil in <strong>der</strong> Metaanalyse<br />
von Lindsberg und Mattle aus dem Jahr<br />
2006 zusammengefasst [1]. Hier zeigte<br />
sich eine ähnliche Rate an gutem Outcome(22%vs.24%)undTod(53%vs.<br />
55 %) im Vergleich zur IAT. Im BASICS-<br />
Register war auf alle Patienten bezogen<br />
das Outcome nach IVT sogar besser<br />
als das nach IAT (gutes Outcome 41 %<br />
vs. 17 %), wohingegen <strong>bei</strong> Patienten<br />
mit schwerem Defizit die Wahrscheinlichkeit<br />
für ein schlechtes Outcome in<br />
<strong>bei</strong>den Therapieverfahren gleich war<br />
(adjustierte Risikoreduktion 1,06; 95 %-<br />
Konfidenzintervall 0,91–1,22; [2]). Auch<br />
in einer späteren Metaanalyse, in die<br />
deutlich mehr Patientendaten eingeschlossen<br />
werden konnten (n = 2<strong>05</strong>6),<br />
fand sich jedoch kein klarer Unterschied<br />
zwischenIATundIVT([3]; . Tab. 2).<br />
Der intraarterielle Therapieansatz in Ar<strong>bei</strong>ten<br />
dieser Ära bestand jedoch noch<br />
weitestgehend aus reiner IAT mit entwe<strong>der</strong><br />
Urokinase, Streptokinase o<strong>der</strong><br />
rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator<br />
(rtPA) eventuell kombiniert<br />
mit mechanischen Techniken, wie Angioplastie,<br />
Merci® -Retriever (Stryker ® ,<br />
Kalamazoo, MI, USA) etc., aber ohne<br />
Einsatz von mo<strong>der</strong>nen Stentretriever. In<br />
einigen Zentren wurden auch zeitweise<br />
intravenöse Bridging-Konzepte mit<br />
einem Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor-<br />
Blocker (z. B. Abciximab) durchgeführt<br />
[29, 30]. Das Bridging mit Substanzen<br />
dieser Wirkstoffklasse hat sich in <strong>der</strong><br />
klinischen Routine aufgrund von Sicherheitsbedenken<br />
nicht durchgesetzt<br />
und bleibt Einzelfällen vorbehalten.<br />
Endovaskuläre Therapie mit<br />
mo<strong>der</strong>nen Stentretrievern<br />
Während <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> mechanischen<br />
Thrombektomie mit mo<strong>der</strong>nen<br />
Stentretrievern (MT) <strong>bei</strong> großen Gefäßverschlüssen<br />
<strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Zirkulation<br />
basierend auf mehreren randomisierten<br />
Studien und <strong>der</strong>en Metaanalysen [31,<br />
32] eine gesicherte Therapie ist, ist dieser<br />
Beweis für den <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
noch nicht erbracht. Eine aktuelle Metaanalyse<br />
von meist monozentrischen und<br />
retrospektiven Analysen von Patienten,<br />
die im Schnitt in 77 % mit mo<strong>der</strong>nen<br />
Stentretrievern behandelt wurden, zeigt<br />
jedoch etwas höhere Rekanalisationsraten<br />
(80 %), eine etwas höhere Rate an<br />
gutem Outcome (42,7 %) und deutlich<br />
niedrigere Komplikationsraten (sICH<br />
6,8 %) als unter IVT o<strong>der</strong> IAT [22]. Nagel<br />
et al. verglichen das Outcome ihrer<br />
Patienten vor und nach Einführung von<br />
mo<strong>der</strong>nen Stentretrievern im Jahr 2009<br />
[33]. Sie zeigten in signifikanten Analysen,<br />
dass Rekanalisationsraten unter<br />
Einsatz von Stentretrievern höher waren<br />
(66,7 % vs. 45,1 %), Patienten eine<br />
höhere Rate an gutem Outcome (30,6 %<br />
vs. 13,5 %) und niedrigerer Sterblichkeit<br />
(36,1 vs. 57,7 %) aufwiesen und dass die<br />
Therapie sicherer wurde (sICH 2,8 % vs.<br />
8,1 %).<br />
» Mo<strong>der</strong>ne mechanische<br />
Verfahren zeigten sich gegenüber<br />
den rein pharmakologischen<br />
überlegen<br />
Lindsberg et al. wiesen in ihrer systematischen<br />
Analyse aus 15 Studien mit 803<br />
Patienten sogar nach, dass die mo<strong>der</strong>nen<br />
mechanischen Verfahren gegenüber<br />
denreinpharmakologischenVerfahren<br />
(IVT o<strong>der</strong> IAT) in Bezug auf den Erfolg<br />
<strong>der</strong> Rekanalisierung (84,1 % vs. 70,9 %,<br />
p < 0,001) und bez. eines guten Outcomes<br />
(35,5 % vs. 24,4 %, p < 0,001) signifikant<br />
überlegen waren [23]. In <strong>bei</strong>den<br />
genannten noch laufenden randomisierten<br />
Studien BASICS und BEST werden<br />
sicherlich in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Patienten<br />
mo<strong>der</strong>ne Stentretriever zur Anwendung<br />
kommen.<br />
Prognoseeinschätzung<br />
Der wichtigste prognostische Marker für<br />
das spätere Outcome <strong>der</strong> Patienten nach<br />
<strong>akutem</strong> Basilarisverschluss ist die Rekanalisation<br />
des Gefäßes: „Recanalization<br />
ist the key!“ [34]. Diesen Nachweis erbrachten<br />
bereits Hacke und Zeumer im<br />
Jahr 1988 und diese Erkenntnis bestätigt<br />
sich auch in den <strong>bei</strong>den bisher größten<br />
Metaanalysen zum Thema [3, 23]. AllerdingsgibtesaucheineReihevonklinischen<br />
und radiologischen sog. Baselineparametern,<br />
die unabhängig davon, ob<br />
eine Rekanalisation <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong> gelingt,<br />
einen signifikanten Einfluss auf die<br />
Erholung des Patienten haben. Faktoren,<br />
684 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017
die füreinenehergutenVerlaufsprechen,<br />
sind jüngeres Alter, ein niedrigerer Score<br />
gemäßNational Institute ofHealthStroke<br />
Scale (NIHSS), kürzen Behandlungszeitfenster,<br />
eine geringe Thrombuslast sowie<br />
<strong>der</strong> distale <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
und das Vorhandensein einer guten<br />
Kollateralisierung [8]. Faktoren, die eher<br />
für einen schlechten Verlauf und Outcome<br />
sprechen, sind Koma und hoher<br />
NIHSS bzw. schweres klinisches Defizit,<br />
ein proximaler <strong>Verschluss</strong> <strong>der</strong> A. <strong>basilaris</strong><br />
und schlechte Kollateralen [8]. Nach<br />
einer Komadauer und ausgefallen Hirnstammreflexen<br />
von mehr als 4 h ist in<br />
<strong>der</strong> Regel kein günstiges Outcome mehr<br />
zu erwarten [35], weshalb nach dieser<br />
Zeit auch keine rekanalisierende Therapie<br />
mehr empfohlen wird.<br />
» Die bereits vorhandene<br />
Infarktlast ist <strong>der</strong> wesentlichste<br />
radiologische Prädikator für das<br />
Outcome<br />
Der wesentlichste radiologische Prädikator<br />
für das Outcome (vor etwaigem<br />
Behandlungsbeginn) ist sicherlich die<br />
bereits vorhandene Infarktlast. Der am<br />
besten geeignete Score zur quantitativen<br />
Bestimmung ist wie bereits beschrieben<br />
<strong>der</strong> pc-ASPECTS [9, 36]. In einer<br />
vergleichen Studie mit an<strong>der</strong>en Scores<br />
schnitt <strong>der</strong> pc-ASPECTS <strong>bei</strong> Patienten,<br />
die mit MRT untersucht wurden, am<br />
besten ab, was die Prädiktion des Outcomes<br />
betrifft [14]. Unterschiedliche<br />
Studien beschreiben hier eine Grenze<br />
von 8 bzw. 7 Punkten [9, 14]. Die<br />
Grenze, mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> BATMAN-Score ein<br />
schlechtes Outcome vorhersagt liegt, <strong>bei</strong><br />
7Punkten[12]. Die bereits bestehende<br />
Infarktausdehnung zum Zeitpunkt des<br />
Therapiebeginns ist auch <strong>der</strong> wichtigste<br />
Faktor zur Vorhersage einer erfolglosen<br />
Rekanalisation: In einer Studie von<br />
Lindsberg et al. an 162 Patienten, die<br />
in Helsinki behandelt wurden, erhöhte<br />
das Vorhandensein eines pc-ASPECTS<br />
Buchbesprechung<br />
circulation ischaemic stroke. Cerebrovasc Dis<br />
20(1):12–17<br />
22. Phan K et al (2016) Outcomes of endovascular<br />
treatment of basilar artery occlusion in the stent<br />
retriever era: a systematic review and metaanalysis.JNeurointervSurg8(11):1107–1115<br />
23. LindsbergPJetal(2016)Recanalisationtreatments<br />
in basilar artery occlusion – Systematic analysis.<br />
EuropStrokeJ1(1):41–50<br />
24. Emberson J et al (2014) Effect of treatment<br />
delay, age, and stroke severity on the effects of<br />
intravenous thrombolysis with alteplase for acute<br />
ischaemic stroke: a meta-analysis of individual<br />
patient data from randomised trials. Lancet<br />
384(9958):1929–1935<br />
25. TongXetal(2016)Intravenousthrombolysisismoresafeandeffectiveforposteriorcirculationstroke:<br />
Data from the Thrombolysis Implementation and<br />
Monitor of Acute Ischemic Stroke in China (TIMS-<br />
China).Medicine(Baltimore)95(e3848):24<br />
26. Dornak T et al (2015) Posterior vs. anterior<br />
circulationinfarction:demography,outcomes,and<br />
frequency of hemorrhage after thrombolysis. Int J<br />
Stroke10(8):1224–1228<br />
27. Sommer P et al (2017) Prehospital and intrahospital<br />
time delays in posterior circulation stroke:<br />
results from the Austrian Stroke Unit Registry.<br />
JNeurol264(1):131–138<br />
28. SandKMetal (2017)Less thrombolysis in posterior<br />
circulationinfarction-anecessaryevil?ActaNeurol<br />
Scand135(5):546–552<br />
29. Eckert B et al (2002) Acute basilar artery occlusion<br />
treated with combined intravenous Abciximab<br />
and intra-arterial tissue plasminogen activator:<br />
reportof3cases.Stroke33(5):1424–1427<br />
30. Nagel S et al (2009) Therapy of acute basilar<br />
artery occlusion: intraarterial thrombolysis alone<br />
vsbridgingtherapy.Stroke40(1):140–146<br />
31. Goyal M et al (2016) Endovascular thrombectomy<br />
afterlarge-vesselischaemicstroke:ameta-analysis<br />
of individual patient data from five randomised<br />
trials.Lancet387(10029):1723–1731<br />
32. Saver JL et al (2016) Time to treatment with<br />
endovascular thrombectomy and outcomes<br />
from ischemic stroke: a meta-analysis. JAMA<br />
316(12):1279–1288<br />
33. Nagel S et al (2013) Improved clinical outcome<br />
after acute basilar artery occlusion since the<br />
introduction of endovascular thrombectomy<br />
devices.CerebrovascDis36(5–6):394–400<br />
34. Davis SM, Donnan GA (2006) Basilar artery<br />
thrombosis: recanalization is the key. Stroke<br />
37(9):2440<br />
35. Brandt T et al (1996) Thrombolytic therapy of<br />
acute basilar artery occlusion. Variables affecting<br />
recanalizationandoutcome.Stroke27(5):875–881<br />
36. Puetz V et al (2009) CT angiography source<br />
images predict final infarct extent in patients with<br />
basilar artery occlusion. AJNR Am J Neuroradiol<br />
30(10):1877–1883<br />
Limathe, J.<br />
Neurologische Notfälle<br />
Präklinische und innerklinische<br />
Akutversorgung<br />
Berlin Heidelberg: Springer-Verlag<br />
2016, 1. Auflage, 291 S., 1<strong>05</strong> Abb.,<br />
(ISBN: 978-3-662-49774-6), Softcover<br />
49,99 EUR<br />
Ein wichtiger Baustein<br />
für das weite<br />
Feld <strong>der</strong> Notfallmedizin<br />
ist Ende<br />
2016 im Springer<br />
Verlag erschienen.<br />
Litmathe befasst<br />
sich als Herausgeber<br />
in diesem Werk in<br />
insgesamt 15 Kapiteln und auf ca. 290 Seiten<br />
mit allen neurologischen, notfallmedizinisch<br />
relevanten Aspekten. Verschiedene Autoren<br />
tragen hierin ihre spezielle Expertise zu den<br />
verschiedenen Topics <strong>bei</strong>.<br />
Zuvor<strong>der</strong>st werden die wichtigsten Krankheitsbil<strong>der</strong><br />
wie ischämischer <strong>Schlaganfall</strong>,<br />
intracranielle Blutung und <strong>der</strong> akute Krampfanfall<br />
behandelt. Weiterhin werden aber auch<br />
wichtige und immer wie<strong>der</strong> in einer Notaufnahme<br />
anzutreffende Krankheitsbil<strong>der</strong>/-<br />
symptome wie Meningitis o<strong>der</strong> Schwindel<br />
behandelt. Von äußerster praktischer Relevanz<br />
sind zudem auch die Themen „unklare<br />
Bewusstseinstrübung“ und psychiatrische<br />
Notfälle. Schließlich wird das Buch ergänzt<br />
durch ein Kapitel aus <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>neurologie.<br />
Auch intensivmedizinisch relevante Folgen<br />
von Reanimationen und betriebswirtschaftliche<br />
Aspekte im Zusammenspiel Neurologie/ZNA<br />
finden Berücksichtigung. In einem<br />
freiwilligen Quiz am Ende des Buches kann<br />
<strong>der</strong> Leser sein neu erworbenes Wissen überprüfen.<br />
Der Herausgeber möchte sich vor allem<br />
an junge Ärzte richten, die sich in ihrem<br />
täglichen Einsatz in Notaufnahme o<strong>der</strong> Rettungsdienst<br />
als interdisziplinär verpflichtete<br />
Ärzte häufig neurologischen Akutpatienten<br />
gegenüber sehen. Hier soll gerade für „Nicht-<br />
Neurologen“ eine oft noch vorhandene Unsicherheit<br />
abgebaut werden.<br />
Insgesamt ist das Werk anschaulich gestaltet,<br />
mit zahlreichen, den Text ergänzenden Abbildungen<br />
und Schaubil<strong>der</strong>n versehen und<br />
weist einen angenehmen Lesefluss auf. Der<br />
analytische Charakter <strong>bei</strong> allen Einzelautoren<br />
und <strong>der</strong> stets <strong>bei</strong>behaltene rote Faden ermöglichen<br />
eine Nutzung des Buches sowohl<br />
zur Gesamtlektüre wie auch zum schnellen<br />
Nachschlagen.<br />
Dem Herausgeber ist es mit <strong>der</strong> Vorlage dieses<br />
Buches in jedem Fall gelungen, das Ziel,<br />
jungen notfallmedizinisch tätigen Ärzten<br />
aus nicht neurologischen Fächern die Unsicherheit<br />
zu nehmen, zu erreichen. Gerade in<br />
diesem Kontext konnte eine noch bestehende<br />
Lücke in <strong>der</strong> medizinischen Fachliteratur<br />
erfolgreich geschlossen werden.<br />
Dr.M.Kurt,Berlin<br />
686 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2017