Im Lande der Bibel 2/2017
50 Jahre Besatzung - Sechs Tage, sechs Gemeinden, sechs Stimmen
50 Jahre Besatzung - Sechs Tage, sechs Gemeinden, sechs Stimmen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
AUS DEM JERUSALEMSVEREIN<br />
gequälten Region. Schule und Gästehaus<br />
unterstanden den Kaiserswerther Diakonissen.<br />
Ich erinnere mich an Schwester Bertha,<br />
die Schulleiterin, in dunkelblauer Tracht und<br />
gestärkter weißer Haube. Und an Schwester<br />
Najla, die stellvertretende Leiterin von Talitha.<br />
Ihr Großneffe ist Ibrahim Azar, <strong>der</strong> künftige<br />
evangelisch-lutherische Bischof in Jerusalem.<br />
Mehr als ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t später nun<br />
<strong>der</strong> durch Spenden ermöglichte Besuch mit<br />
dem Chor aus Talitha Kumi in <strong>der</strong> Staatsoper.<br />
In Berlin herrschte just am Samstagabend<br />
Massenandrang: Kirchentag und Fußball-<br />
steig zurückgelassen. Monika Babski gelang<br />
das Meisterstück, noch rechtzeitig für einen<br />
gemeinsamen <strong>Im</strong>biss im „Schwarzen Café“<br />
zu sein, und kurz vor halb acht saßen alle in<br />
<strong>der</strong> Oper.<br />
„Der Liebestrank“ — melodramma giocoso<br />
von Gaetano Donizetti – entführte uns alle<br />
für zweieinhalb Stunden in eine Zauberwelt<br />
von Musik, Tanz und bunten Kostümen. Neben<br />
mir im zweiten Parkett zehn palästinensische<br />
Teenager. Wan<strong>der</strong>ten ihre Gedanken<br />
zwischendurch nach Hause hinter Checkpoints<br />
und Mauern? Würden sie den Abend<br />
Liebestrunken auf dem Kirchentag<br />
Opernbesuch mit dem Talitha-Kumi-Chor<br />
Beim Abend <strong>der</strong><br />
Missionswerke<br />
Zehn Schülerinnen und Schüler aus Talitha Kumi reisten im Mai zum Kirchentag an.<br />
Nach einem Besuch bei ihrer Partnerschule in Dessau bezogen die Jugendlichen ihre<br />
Unterkunft im Osten Berlins. Unter musikalischer Leitung von Lehrerin Reem Handal absolvierten<br />
sie mehrere Auftritte. Patin Ulrike Vestring aus Bonn lud die Jugendlichen bei<br />
dieser Gelegenheit zu einem Opernbesuch ein. Zur Finanzierung hatte sie einen Spendenaufruf<br />
initiiert.<br />
Von Ulrike Vestring<br />
Meine Bekanntschaft mit Talitha Kumi begann<br />
vor mehr als fünfzig Jahren. Damals<br />
wohnten mein Mann und ich in einem libanesischen<br />
Bergdorf. Von dort erkundeten wir<br />
das damals unter jordanischer Herrschaft<br />
stehende Palästina und stießen auf Talitha<br />
Kumi. Die evangelische Mädchenschule mit<br />
Internat, nach den Wirren des Krieges neu<br />
entstanden, war eine Oase in <strong>der</strong> konflikt-<br />
Monika Babski und Ulrike Vestring<br />
Pokalfinale. Patenschaftsbeauftragte Monika<br />
Babski vom Berliner Missionswerk hatte die<br />
Jugendlichen und Lehrerin Reem Handal am<br />
Alexan<strong>der</strong>platz abgeholt und fuhr mit ihnen<br />
zum Savignyplatz. Doch was war das? Sechs,<br />
sieben, acht – zwei Schüler waren nicht mit<br />
aus <strong>der</strong> S-Bahn ausgestiegen! Kurzentschlossen<br />
fuhr Frau Babski mit <strong>der</strong> nächsten Bahn<br />
hinterher und fand die beiden Jugendlichen<br />
am Olympia-Stadion! Dort hatten die Fußball-<br />
Fans zwei ratlose Fünfzehnjährige am Bahn-<br />
als eine Art märchenhaftes Geschenk in Erinnerung<br />
behalten?<br />
In <strong>der</strong> Pause lud Reem, die Musiklehrerin,<br />
Monika Babski und mich zu einem Glas Wein<br />
ein. „Das darfst Du nicht ablehnen”, sagte ich<br />
mir. Nach Reems Vorstellung wird es in Palästina<br />
eines Tages eine Oper geben. Da werden<br />
wir ihre Gäste sein, und in <strong>der</strong> Pause laden<br />
wir sie zum Wein ein. Was für ein wun<strong>der</strong>barer<br />
Traum.<br />
32 | IM LANDE DER BIBEL 02/<strong>2017</strong> IM LANDE DER BIBEL 02/<strong>2017</strong> | 33