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W O W<br />
Wiesbach<br />
observiert<br />
die Welt<br />
Nummer <strong>10</strong><br />
März 2016<br />
Quint Edition
W O W<br />
Wiesbach observiert die Welt<br />
Sandro Botticelli, Primavera, 1482-1487, Tempera auf Holz, 203x 314 cm, Uffizien GD, Tulpen für Jan 2004, Monotypie<br />
Nummer <strong>10</strong><br />
März 2016<br />
Quint Edition<br />
Wie gern würd ich bei Sandro feieren<br />
in Florenz ists wärmer als in Bayern<br />
Doch ist auch hier das Frühjahr da<br />
gibts Tulpen längst bei Edeka
Er ist‘s<br />
Frühling läßt sein blaues Band<br />
Wieder flattern durch die Lüfte;<br />
Süße, wohlbekannte Düfte<br />
Streifen ahnungsvoll das Land.<br />
Veilchen träumen schon,<br />
Wollen balde kommen.<br />
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!<br />
Frühling, ja du bist‘s!<br />
Dich hab ich vernommen!<br />
Eduard Mörike<br />
Giovanni Segantini, Das Pflügen, 1887-90, Öl a. Lw., 116 x 227 cm, Neue Pinakothek<br />
Im Märzen der Bauer die Gülle ausbringt<br />
es wird endlich Frühling – riech nur wies stinkt<br />
Gülle muss raus auf jeden Fall<br />
Unser Vieh bleibt drin im Stall<br />
Grundwasserverseuchung macht nix aus<br />
Leitungswasser kommt ins Haus<br />
Ganz glücklich ist der Frühling nicht<br />
man sieht‘s am skeptischen Gesicht<br />
Der Maler strengte sich sehr an<br />
wollt allen zeigen was er kann<br />
Malt botanisch haargenau<br />
doch fehlt im Bilde etwas Blau<br />
Irgendwie fehlt blaues Band<br />
das hat Guiseppe nicht gekannt<br />
<strong>WOW</strong> bietet nun die Okkasion<br />
– welch Journal tut das schon –<br />
den Frühling selber auszumalen<br />
ohne dafür Geld zu zahlen<br />
Giuseppe Arcimboldo, Der Frühling, 1563, Öl a.Holz, 66 x 50,<br />
Real Academia de Bellas Artes de San Fernando Madrid
Alpenveilchen<br />
Das Bild trägt den schlichten Titel<br />
Blumen und Keramik – aber so einfach<br />
ist es nicht. Denn dieses Stillleben<br />
will von Ihnen anders betrachtet<br />
werden als klassische Stillleben, das<br />
heißt, Sie müssen umdenken: nicht<br />
mehr nur die Gegenstände betrachten<br />
und verstehen, sondern auch<br />
die Farben – das vitale, bewusst<br />
komponierte Farbgeschehen auf<br />
der Leinwand. Aber was heißt das?<br />
Matisse hat Gegenstände aus seinem<br />
Atelier vor Augen gehabt, als<br />
er an dieser Leinwand arbeitete:<br />
einen Blumentopf, einen bemalten<br />
Keramikteller sowie ein Blatt Papier<br />
– vielleicht eine Druckgrafik? –, das<br />
etwas unter den Teller geschoben<br />
ist. Diese Gegenstände sind eng<br />
zusammengerückt, jedoch in verschiedenen<br />
Perspektiven wiedergegeben.<br />
Während wir die Blumen<br />
Henri Matisse, Blumen und Keramik, 1913, Öl auf Leinwand, 93,5 x 82,5 cm<br />
und den Tisch, auf dem sie stehen,<br />
von der Seite sehen, betrachten wir<br />
Teller und Papier von oben. Das bedeutet<br />
das Ende der Raumillusion,<br />
mit deren Perfektionierung sich die<br />
Kunst- und Museumspädagogen<br />
sind der Kunst stets wohl gewogen<br />
Erklären uns fast jedes Bild<br />
damit die Kunst nicht gar so wild<br />
europäische Malerei über Jahrhunderte<br />
so intensiv beschäftigt hatte.<br />
Zumindest spielt Matisse hier damit.<br />
Hat man dann die Kunst verstanden<br />
ist sie oft nicht mehr vorhanden<br />
GD, Ed Hoppers‘ Loo, 2006<br />
Aber warum? Er möchte die Leinwand<br />
als die Fläche betonen, die<br />
sie in Wirklichkeit ist. Farben – Farbnuancen<br />
des Blau beispielsweise –,<br />
Linien und Formen arrangiert er so,<br />
Zu wissen tickt der Künstler richtig<br />
ist für uns besonders wichtig<br />
was hat er sich dabei gedacht<br />
als er dieses Werk vollbracht<br />
Zyclop drückt mal ein Auge zu<br />
lässt Zyclame heut in Ruh<br />
Könnt sich sowieso nicht bücken<br />
hat Probleme mit dem Rücken<br />
Zyclame soll magenta sein<br />
ist dazu doch viel zu fein<br />
Pink ist als Farbe zu infam<br />
Zyclames Blüte blüht zyclam<br />
Was der Laie oft vergisst<br />
dass Zyclame giftig ist<br />
Der schlaue Salvadore Dali<br />
malte sie mit Zyankali<br />
dass eine rein malerische Harmonie<br />
entsteht, eine Schönheit jenseits der<br />
Gegenstände also, die ihn zu einem<br />
Bild inspirieren. Diese neue Form<br />
von Schönheit setzt das Flächige<br />
Wissen ist des Laien Macht<br />
die ihm Experte beigebracht<br />
Der Kunst hat es nix ausgemacht<br />
manchmal hat sie auch gelacht<br />
über das Räumliche und war seinerzeit<br />
heftig umstritten.<br />
linke Spalte: © VG Bild-Kunst, Foto: Städel Museum – U. Edelmann – ARTOTHEK
Joaquín Sorolla y Bastida, Ausstellung in der Kunsthalle München, 4. 3. bis 3. 7. 2016<br />
Joaquín Sorolla y Bastida, Rückenakt (Clotilde), 1902, Öl auf Leinwand, <strong>10</strong>6 x 186 cm<br />
Sorollo malt echt klasse – Hitern und Damast<br />
GD, Venus im Friseursalon, 1970, Öl auf Leinwand,, 126 x 186 cm<br />
GD malt fast alles was zu einer Venus passt<br />
Diego Velázquez, Venus vor dem Spiegel (Rokeby Venus), 1648–1651, Öl auf Leinwand, 122,5 × 177 cm, National Gallery (London)<br />
Diegos Venus tut sich leicht – sie bleibt für immer unerreicht<br />
GD hält sich diesbezüglich raus – nicht jede Venus zieht sich aus<br />
GD, K am Kanapee, 1981. Firnisfarbe auf Pressholz, 180 x <strong>10</strong>3 cm
Francisco de Goya y Lucientes,<br />
Desastres de la Guerra, Blatt 39: Große Helden! Mit Toten!, 1814-1820, Aquatinta<br />
Foto: © DAVID BRANDT.DE<br />
Gerhard Richter, Abstrakte Bilder, 2015, Galerie Neue Meister in Dresden. Birkenau, 2016, Baden-Baden, Museum Frieder Burda<br />
Gerhard R. malt Fotografien aus Birkenau<br />
auf große weiße Leinwand ab in Grau<br />
Da fährt ihm Schrecken in die Glieder<br />
Abmalerei gibt nur das Foto wieder<br />
Auch ist das grausame Geschehen<br />
genauso grausam anzusehen<br />
Es gibt kein Rätseln oder Deuten<br />
kein mystisch hohes Kunstbedeuten<br />
TEXT VON DER GESCHÄFTSFÜHRUNG GEKIPPT<br />
So greift der Maler nun zur Rakel<br />
behebt damit Moraldebakel<br />
rakelt und spachtelt übers Bild<br />
bis dies als ein abstraktes gilt<br />
Abstrakt bedeutet also hier<br />
Malerei ich liebe dir<br />
Du verdeckst des Bildes Kern<br />
Alle haben Maler gern<br />
Als auf den Bildern war Gerakeltes zu sehen<br />
um in unverbindliche Ästhetik zu verwehen<br />
wurden die Bilder umbetitelt<br />
damit nun keiner mehr bekritelt<br />
der teure Maler Gerhard R.<br />
male ziemlich inhaltsleer<br />
Birkenau – ist jetzt zu lesen<br />
Nur ein geniales Malerwesen<br />
könne das Unmalbare malen<br />
Kunstmarkt sowie Sammler strahlen<br />
Francisco de Goya y Lucientes,<br />
Desastres de la Guerra, Blatt 81: Wildes Ungeheuer, 1814-1820, Aquatinta<br />
Don Francisco sah und ätzte dieses Grauen<br />
das auf gedruckten Bildern hier zu schauen<br />
Brutalität lässt nichts mehr offen<br />
Der Blätter Schönheit lässt noch hoffen
27. März 2016<br />
Albrecht Dürer,<br />
Feldhase, 1502<br />
Aquarell, Deckfarben, weiß gehöht, 25,1 × 22,6 cm<br />
Albertina, Wien<br />
Ostern ist das Fest vom Tod zum Leben<br />
<strong>WOW</strong> will Extreme hier als Beispiel geben<br />
von pathetisch ernster Kunst<br />
bis zu flapsig bunter Brunst<br />
Einer hält sich für die Kunst<br />
der Andre liebt die Kunst als Gunst<br />
Joseph Beuys,<br />
Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt,<br />
Galerie Schmela, Düsseldorf, 26. November 1965<br />
GD, Macho Maler Osterhase, Monotypie, 2004
Theresia D., *11. 3. 1900<br />
Fastenzeit – tut uns leid –<br />
war einmal – Vergangenheit<br />
Fleischverzehr wär ungesund<br />
Da lacht doch selbst der dümmste Hund<br />
Weils Billig-Fleisch beim Aldi gibt<br />
ist Metzgerei nicht so beliebt<br />
Gut dass es wenig intressiert<br />
wie Billig-Fleisch wird produziert<br />
GD, Die schöne Metzgerin, Acryl, 1966<br />
Im Lenz der Frosch auf Brautschau geht<br />
wie ihr es auf dem Bilde seht<br />
Ein Hobbyist aus China<br />
malte dieses Bild al prima<br />
Ein Millionär aus USA<br />
erstand den Rothko ebenda<br />
Experten aus der ganzen Welt<br />
bestätigten für gutes Geld<br />
dass Rothko ihnen gut gefällt<br />
Käufer verklagt nun Galerist<br />
er habe ihn mit arger List<br />
ein falsches Bild hier angedreht<br />
Warum das in der Zeitung steht<br />
Es geht um fünfundzwanzig Millionen<br />
Auch ein Hobby kann sich lohnen<br />
Doch muss er eine Strasse queren<br />
ists oft vorbei mit dem Begehren<br />
Michelngelo Merisi (Caravaggio), Abendmahl in Emmaus, um 1601<br />
Goethes Faust ging Ostern aus dem Haus<br />
spazierte angeregt nach Emmaus raus<br />
seither ist Osterspaziergang fast wie Pflicht<br />
trifft man auch Jesus Christus nicht<br />
Es ist nun sechsundsechzig Jahre her<br />
GD erinnert sich noch sehr<br />
als Ostern bei der Pinakothek<br />
ein Edelmann lief übern Weg<br />
Es war der Mann aus Diegos Bild<br />
Da Velázquez als der Maler Heiland gilt<br />
wäre der Unterschied nur klein<br />
sollte es Jesus selbst gewesen sein<br />
Dies geschah also zu jener Zeit<br />
als man entschlossen war bereit<br />
das Wirtschaftswunder aufzubauen<br />
mancher auch Velázquez anzuschauen<br />
Der Spaziergang ging noch weiter<br />
– die Stimmung österlich bis heiter –<br />
bis an des Königsplatzes Rand<br />
wo ein Bronzelöwe stand<br />
Des Löwen Sockel war das Fundament<br />
der Nazi-Ehrentempel die gesprengt<br />
Seit zirka einem Jahr ist hier ein neuer Bau<br />
mit NS-Dokumenten-Schau<br />
Bruno, Ingrid, G., Theresia D., 1952 Diego Velázquez, Spanischer Edelmann, um 1629 NS Ehrentempel, gespengt 1947<br />
NS- Dokumentationszentrum, 2015<br />
GD, 1965,<br />
Frosch auf der Alm,<br />
Öl auf Leinwand
16. März ist jener Tag<br />
an dem ich kein Gedicht aufsag<br />
weil K Lilien lieber mag<br />
In dem Gefäße sind<br />
Wünsche fürs Geburtstagskind<br />
Alle mögen wirklich werden<br />
Fröhlichkeit – keine Beschwerden<br />
guter Wein und Emmer-Bier<br />
(Hier unterbricht ein schwarzes Tier<br />
K soll die Hundekekse nicht vergessen<br />
und nach Spaziergang gutes Fressen)<br />
– Quinta mischt sich immer ein<br />
sie macht sich nämlich nix aus Wein –<br />
Weiter also – Quint sei still –<br />
Es soll alles sein wie K es will<br />
Katharina <strong>Dengler</strong>, Gefäß,<br />
Ton, glasiert, reduzirend bei 1200 Grad gebrannt, 19,8 cm hoch, 2011<br />
Katharina von Falkenhausen, Selbstportrait, 1962, Öl a. Lw., 70 cm x 50 cm
Mitarbeit, Impressum<br />
Botticelli Arcimboldo<br />
Segantini Goya Richter<br />
Caravaggio Velázquez Beuys Dürer<br />
Magritte<br />
KD<br />
Matisse<br />
© 2016 Quint Edition gerd-dengler.com Repros: Ch. Vohler, Stevie Casino & net Druck: Wenzel GmbH<br />
René Magritte, Le bouquet tout fait, 1957, Litho,nach einer Guache Magrittes von 1956<br />
Wie auch im März die Sterne stehen<br />
irgendwie wirds weitergehen<br />
Sagte einst ein Philosoph<br />
Ist das klug oder doof<br />
Sandros Flora wurde von René versteckt<br />
doch Nachtgespenst hat sie entdeckt<br />
schwebend hinter Renés Rücken<br />
Nachtgespenst grinst vor Entzücken<br />
Bringt Flora rote Rosen mit<br />
säuselt dass es Flora liebt<br />
René behauptet sie als seine Braut<br />
er habe sie zuerst geklaut<br />
Nachtgespenst sich nun nicht traut<br />
und traurig in die Röhre schaut
W O W<br />
Wiesbach<br />
observierte<br />
die Welt<br />
Nummer <strong>10</strong><br />
März 2016<br />
Quint Edition