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W O W<br />
Wiesbach observiert die Welt<br />
in Italien<br />
Juni 2016<br />
Quint Edition
W O W<br />
Wiesbach observiert die Welt<br />
in Italien<br />
und zieht daraus kunstrelevante Schlüsse<br />
Für Piero Tintoretto Tiepolo Mantegna Botticelli Veronese<br />
und hundert andre Maler gilt die These<br />
Dies Heft hat viel zu wenig Platz<br />
für Italiens Malkunst Riesenschatz<br />
<strong>WOW</strong> wird die hier nicht vertret‘nen Maler ehren<br />
auf sie ein Fass Chianti leeren<br />
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,<br />
Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,<br />
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,<br />
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?<br />
Kennst du es wohl?<br />
Dahin, dahin<br />
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!<br />
Johann Wolfgang Goethe, Lied der Mignon<br />
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein,<br />
Goethe in der Campagna, 1787<br />
Colazione in Italia<br />
pittura con ambrosia<br />
cornetto und caffè<br />
azzurro und Klischee<br />
Kommst Maler nach Italien du<br />
studiere Malerei in aller Ruh<br />
verkoste dazu guten Wein<br />
doch deinen Pinsel lass daheim<br />
Sperr lieber deine Augen auf<br />
schau ständig auf dein Smartphone drauf<br />
da kannst im Internet du lesen<br />
welch tolle Maler hier gewesen
Warum die Malerei<br />
nach Pompeji<br />
in archaisch derben Stil<br />
zurück verfiel<br />
ist bis heute nicht recht klar<br />
noch wer der Fische Maler war<br />
Achtzehnhundert Jahre später<br />
malte malerischer Serientäter<br />
in manieristischer Manier<br />
ähnlich fischiges Getier<br />
Arcimbodo malt mit Witz und Kopf<br />
Deshalb wird der arme Tropf<br />
von Kunsterziehern ausgewählt<br />
damit man mit ihm Kinder quält<br />
Nach Arcimboldo Art zu malen<br />
um dann mit Phantasie zu prahlen<br />
oben: GD, Pompejanisch, Terracina, Haus der Polts, 2004<br />
rechts: Guiseppe Arcimboldo, Wasser, 1666<br />
Unbekannter Maler, Fische, Mosaik,<br />
Pompeji, Haus des Fauns, 2. Jh. v. Chr.
Giotto lernte bei Cimabue Malerei<br />
Der Ochsenkopf war streng und trank dabei<br />
Er achtete dass goldner Grund<br />
tat Göttliches und Himmel kund<br />
Giotto ließ den Goldgrund weg<br />
Blau erfüllte dessen Zweck<br />
Nur Gott und Heilige mit Schein<br />
Cimabue, (Cenni di Pepo),<br />
färbte er noch gülden ein<br />
Geißelung, 1280<br />
Als Cimabue Giotto lehrte<br />
der Schüler seinen Meister ehrte<br />
Doch wenn er aus dem Fenster blickte<br />
das Blau des Himmels ihn erquickte<br />
Giotto di Bondone,<br />
Judaskuss, <strong>13</strong>03/5<br />
Der Engel bringt Maria einen Zweig<br />
<strong>WOW</strong> möchte schon dazwischen gehen<br />
sagte zu ihr „Sei doch nicht feig<br />
sieht im Hintergrund die Lilien stehen<br />
Lass einfach Gottes Wille mal geschehen<br />
Nimmt eine Lilie aus dem Strauß<br />
Du wirst den Vater deines Kindes gar nicht sehen“ und händigt sie Simone aus<br />
Simone Martini, Verkündigung, <strong>13</strong>33
Leonardo sfumato einst erfand<br />
für Lisas geheimnisvolles Hinterland<br />
Weichzeichner steht heut im Vordergrund<br />
tut soft von Dauerjugend kund<br />
Mike klopfte Marmor an Carraras Kai<br />
legte genial den schönen David frei<br />
Ein Angler stand die ganze Zeit daneben<br />
ohne je den Blick zu heben<br />
So ist der Unterschied von Kunst und Leben<br />
Schön wie gemalt sind Menschen kaum<br />
weil Malerei oft ähnelt einem Traum<br />
Leonardo hat den Mensch studiert<br />
ihn mit sichrer Hand skizziert<br />
Man sagte später karikiert<br />
Michelangelo, David,<br />
entstanden zwischen 1501 und 1504 in Florenz<br />
Leonardo da Vinci, Mona Lisa, 1503–1506
Dreieckskomposition<br />
kannte man vor Raffaello schon<br />
Doch er war darin Spezialist<br />
und außerdem noch frommer Christ<br />
Im Pantheon wo er begraben<br />
kann er sich am Blick zum Himmel laben<br />
Er ist noch heute weltbekannt<br />
wurde zurecht Der Göttliche genannt<br />
Raffaello Sanzio,<br />
Madonna mit Jesuskind<br />
und Johannes, 1507<br />
Giovanni Paolo Pannini,<br />
Pantheon, 1720
Adam hat in Nemi Walderbeern gegessen<br />
danach am See geangelt wie besessen<br />
Kein Fisch jedoch hat angebissen<br />
Ein Hecht wäre ein Leckerbissen<br />
Eine Nymphe die im See geschwommen<br />
ist aber dann an Land gekommen<br />
Adam hat sie mit nach Rom genommen<br />
GD, Adam am Nemisee, 2006<br />
Adam Esheimer (zugeschr.), Badende Nymphe, 1605<br />
Ob Solo Duett oder Orchester<br />
die Malkunst widmet ihrer Schwester<br />
der Musik ein Werk in dem die Farben klingen<br />
in dem man hört die Vögel singen<br />
<strong>WOW</strong> hör auf so geschwollen zu lobpreisen<br />
es reicht auf Bilder hinzuweisen<br />
Auf dem Gemälde rechts zwei nackte Tanten<br />
die bezirzen selbstverliebte Musikanten<br />
GD, Ländliches Konzert, 2005<br />
Tizian und / oder Giorgione, Ländliches Konzert, 1610
Im Hotel Bell‘ Arte Plastica<br />
in der Calle Antica<br />
ist ein Zimmer wo du pennst<br />
mit zwei Promis die du kennst<br />
Als Caravaggio von Malta genItalien fuhr<br />
dacht er an das Eine nur<br />
Malen Malen<br />
Malen<br />
Caravaggio, Früchtekorb,1595/96<br />
Michelangelo Merisi da Caravaggio, Bacchus,1596<br />
Der Eine – David – ist aus PVC<br />
die Andre – Venus – ähnelt einer Fee<br />
die <strong>WOW</strong> traf im Amper-Kino<br />
letztes Jahr in Terracino<br />
Den Plastik-David fertigt an<br />
Fine-Art-Firma in Taiwan<br />
Hier aber sieht man wie die Beiden<br />
Print der Venus von Urbino<br />
sich für ein Fußballspiel entscheiden<br />
besorgte Wenzel di Monaco<br />
Sie starren gebannt ins Fernsehn rein<br />
Die Handtücher im Bad<br />
erhellt von Monitorenschein<br />
Dorazio entworfen hat<br />
(Muss man sich beim calcio denn entkleiden<br />
nur um den Trikottausch zu meiden)<br />
Zwischen Firenze und Urbino<br />
stehts wie immer zero-zero<br />
giustamente vero
GD, Blick auf die Silhouette von San Giorgio Maggiore<br />
(Andrea di Piero della Gondola, gen. Palladio: San Giorgio Maggiore, 1610)<br />
Nashorn Clara steht in der Gondel vorn<br />
Casanova wartet schon aufs Horn<br />
Bereitet Clara Höllenqualen<br />
Pietro muss nun Clara ohne malen<br />
Pietro Longhi, Clara in Venedig, 1751<br />
Als Albrecht einst am Zattere logierte<br />
und neue Farben ausprobierte<br />
hat er eine Frankenwurst gegrillt<br />
mit der er sein Gelüst gestillt<br />
Er war sauer auf Bellinis Rede<br />
Albrecht Dürer male Jede<br />
Unser großer Albrecht Dürer<br />
sei ein maledeit Verführer<br />
Hat er die junge Maid nicht schön gemalt<br />
Schaut doch wie sie glücklich strahlt<br />
Dass hier etwas nicht stimmten kann<br />
merkt man spätestens daran<br />
dass Palladio – gefragter Architekt in aller Welt<br />
San Giorgio Maggiore erst hundert Jahre später fertigstellt<br />
Albrecht Dürer, 1505,<br />
Brustbild einer jungen Venezianerin
Orangen werden gern gegessen<br />
gesund ist auch den Saft zu pressen<br />
Manchen schmeckt die Marmelade<br />
Alles ziemlich kunstlos – schade<br />
Da schickt Marées in den Orangenhain<br />
ein paar nackte Männer rein<br />
Pflücken Früchte lümmeln rum<br />
Niemand kümmert sich darum<br />
Hans von Marées malt die Szene an die Wand<br />
und wurde damit weltbekannt<br />
Auch wenn sauer lustig macht<br />
<strong>WOW</strong> hat darüber nachgedacht<br />
dass die Zitrone einst der Star<br />
lukrativer Handlung war<br />
Als Zitronenhandel boomte in Italia<br />
waren ehrenwerte Männer da<br />
die das Geschäft streng kontrollierten<br />
und dafür kräftig abkassierten<br />
Seit jener Zeit ist sie nun da<br />
die ehrenwerte Mafia<br />
Damit der Blick auf die Zitrone<br />
sich auch gendermäßig lohne<br />
ein Bild gemalt von einer Frau<br />
Giovanna malt con gusto und genau<br />
Hans von Marées, L‘aranceto,<br />
Fresco (?), Napoli, Aquarium, 1873<br />
Giovanna Garzoni, Natura morta,<br />
tempera su pergamena, 1660
<strong>WOW</strong><br />
ARTE POVERA<br />
INAUGURAZIONE<br />
PRANZO DI LAVORO:<br />
WURSTEL CON AQUA CALDA<br />
Als es in Bologna einstmals schneite<br />
war Morandi grade pleite<br />
Sah aber dass am Fensterbret<br />
Gefäße stehen als Terzett<br />
Giorgio die natura morta innevata malte<br />
Weil Galerist dafür sehr gut bezahlte<br />
und es anderntags nicht schneite<br />
war Morandi nicht mehr pleite<br />
Bei diesem pranzo di lavoro<br />
im ristorante Cane moro<br />
trank <strong>WOW</strong> heimlich birra aus der Dose<br />
die versteckt in seiner Hose<br />
Zu den wurstel di Vienna<br />
die in Milano sind der Renner<br />
spendierte <strong>WOW</strong> den Poveristi<br />
senape piccante per artisti<br />
Prosperità umana, sospetta e vana<br />
Giorgio Morandi, Natura morta, 1957 Giorgio Morandi, Natura morta, 1951<br />
Mario Merz, Iglu, 1982 Michelangelo Pistoletto, Venere degli stracci, 1967-1982
GD, Natura mortadella Toscana, 2002<br />
Manche Maler mögens gerne deftig<br />
malen deshalb ziemlich heftig<br />
Renato trank vorher die Flaschen leer<br />
so war der Korb nicht mehr so schwer<br />
Emilio pantscht intensiv in Farben rum<br />
schüttet kippt und rührt sie um<br />
Vedova meditiert und malt dann schnell<br />
Die Methode nennt man Informell<br />
Gern ist moderner Künstler intellektuell<br />
Luzio schlitzt nach langer Überlegung schnell<br />
die Leinwand mit dem Messer auf<br />
schreibt hinten dann den Titel drauf<br />
Meist heißt der concetto spaziale<br />
ist niemals ein Konzept normale<br />
Renato Guttuso, Cestino con fiaschi, 1942<br />
Emilio Vedova in informeller Aktion, 1988<br />
GD, Fontana in Toscana, 2002<br />
Lucio Fontana, Spatial Concept “Waiting”, cut canvas, 1960
GD, Supplemento per scatola di merda d‘artista, (für Piero M.), 2006<br />
Manzoni hat nicht wirklich Malerei gemacht<br />
doch hat er drüber nachgedacht<br />
was Kunst und Malerei bedeuten<br />
und wie sie wirken bei den Leuten<br />
Um auf der Piazza metaphysca zu promenieren<br />
muss man jederzeit riskieren<br />
nur den eignen Schatten anzutreffen<br />
In der Ferne Hundkläffen<br />
(misslungen Quinta nachzuäffen)<br />
Eine kahle Sängerin taucht auf<br />
Nashornritt ist hier der Brauch<br />
Aus Brüssel mit der Eisenbahn<br />
kommt ein weiterer Maler an<br />
Ist also doch ganz schön was los<br />
oder träumt man alles bloß<br />
Piero Manzoni, Sockel der Welt, 1961<br />
So ließ sich Piero davon leiten<br />
dass er der größte Künstler aller Zeiten<br />
Er bediente Galerie und Markt<br />
Sein Geschäft verrichtet er autark<br />
Piero Manzoni, Merda d’artista, 1961<br />
GD, Piazza metaphysica, 2006, Monotypie<br />
Giorgio de Chirico, La matinna agonizzante, 1912
Tizian, Venus von Urbino, 1531<br />
Nachtgespenst stand am Kai<br />
da trieb die Malerei vorbei<br />
Als Venus von Urbino kam<br />
die keusch bedeckt hielt ihre Scham<br />
sprach Nachtgespenst die Schöne an<br />
Holde Maid ich liebe Betten<br />
ich werd euch vor den Fischen retten<br />
Vom Malerhimmel grollte Tizian<br />
Finger weg du Geistermann<br />
weil Venus selber schwimmen kann
W O W<br />
Wiesbach observierte die Welt<br />
in Italien<br />
Juni 2016<br />
© Quint Edition<br />
gerd-dengler.com<br />
Die abgebildeten Monotypien GDs sind aus dem Buch<br />
30 000 Jahre Malerei – Hommage an die Malkunst<br />
Die Originale sind auf Walthari-Bütten (64 x 48 cm ) abfallend gedruckt<br />
Repros: Chritoph Vohler und Net; Druck: Wenzel GmbH