Liebe hält gesund 01/2014
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TITELTHEMA 7<br />
Fühlten Sie sich von Frauen angezogen?<br />
War es ein Problem, keine männliche<br />
Sexualität leben zu können?<br />
Es war mir von Anfang an klar, dass ich<br />
mich für Frauen interessiere. Aber ich<br />
wäre nie auf die Idee gekommen, dass<br />
ich lesbisch bin. Ich bin mit einem<br />
männlichen Gehirn geboren worden,<br />
das hat man getestet und mit bildgebenden<br />
Verfahren auch nachweisen<br />
können. Setze den Kopf eines Pferdes<br />
auf ein Dromedar: Wie wird es sich verhalten?<br />
Wie ein Pferd natürlich – und<br />
so war es bei mir auch. Ich habe mit<br />
16 meine erste Freundin gehabt und<br />
wir hatten eine schöne Beziehung –<br />
mit der Ausnahme, dass ich meine Sexualität<br />
nicht so leben konnte, wie ich<br />
es gerne gewollt hätte.<br />
Was war der Auslöser, Ihr äußeres<br />
Geschlecht Ihrem „gefühlten Geschlecht“<br />
angleichen zu lassen? Oder<br />
war es ein Prozess, eine allmähliche<br />
Entwicklung?<br />
Ich habe mit dem Spitzensport viel<br />
Geld verdient, ich habe alles gehabt:<br />
Nette Freunde, eine liebe Familie, eine<br />
tolle Wohnung, ein Superauto. Aber<br />
das war alles außen. Ich war nicht<br />
glücklich, weil meine Hülle nicht zu<br />
meinem Inneren gepasst hat. Ich war<br />
einfach nicht stimmig. Das hat auch<br />
meine Umwelt wahrgenommen. Am<br />
Flughafen wurde ich wie selbstverständlich<br />
von einem Mann abgetastet,<br />
statt von einer Frau. Das, was für andere<br />
Menschen normal ist, nämlich<br />
sich in ihrem Körper zu Hause zu fühlen,<br />
musste ich mir erst erkämpfen.<br />
Um diese Zerrissenheit zu beenden,<br />
habe ich 2007 mein Karriereende beschlossen<br />
und mit der Hormonsubstitution<br />
angefangen.<br />
Wie lange dauert es, eine männliche<br />
Identität anzunehmen? Werden einem<br />
viele Hürden in den Weg gelegt?<br />
Vom ersten Termin beim Psychologen<br />
bis zur kompletten Umsetzung waren<br />
es bei mir anderthalb Jahre. Das ist<br />
sehr schnell, bei vielen anderen dauert<br />
der Prozess länger. Vielleicht auch,<br />
weil sie noch Zweifel haben.<br />
Sie hatten keine Zweifel?<br />
Überhaupt nicht. Ich habe mit meinem<br />
Körper Geld verdient. Ich wusste, wenn<br />
ich diesen Weg zu mir selbst gehe,<br />
muss ich alles aufgeben. Viele haben<br />
zu mir gesagt, mach das nicht, du<br />
könntest noch mal bei den Olym pi -<br />
schen Spielen teilnehmen. Aber ich habe<br />
Olympia einmal erlebt, damit ist es<br />
gut. Wenn ich in meinem Körper angekommen<br />
bin, ist jeden Tag Olympia.<br />
Wie war Ihre erste Zeit als Mann?<br />
Waren Sie überglücklich? Verwirrt?<br />
Auf Rollensuche?<br />
Bei der ersten Testosteronspritze habe<br />
ich gespürt: Das ist der Stoff, der mir<br />
gefehlt hat, ich bin zu Hause angekommen<br />
und endlich im Frieden mit<br />
mir selbst.<br />
War es ein großer Schritt, ein Penisimplantat<br />
einsetzen zu lassen? Fühlt sich<br />
das nicht anfangs sehr fremd an?<br />
Mein Penis war das, was mir schon<br />
immer gefehlt hat. In meinem Gehirn<br />
war er schon immer verankert. Ein<br />
Mensch, der einen Arm verloren hat,<br />
kann darin ja auch dennoch Phantomschmerzen<br />
fühlen. So habe ich mich<br />
in Bezug auf meinen fehlenden Penis<br />
gefühlt. Nach der OP hatte ich endlich<br />
das Gefühl, vollständig zu sein.<br />
Sieht man etwas von dem Implantat?<br />
Eigentlich mag ich das Wort gar nicht<br />
so gerne, weil es so technisch klingt.<br />
Schließlich ist mein Penis ein lebendiger<br />
Teil von mir. Ich würde wetten,<br />
wenn wir uns in der Sauna begegneten,<br />
würden Sie nicht darauf kommen,<br />
dass irgendetwas bei mir ungewöhnlich<br />
ist. Die OP-Technik ist heute so<br />
ausgereift, dass ich mich nicht großartig<br />
von anderen Männern unterscheide.<br />
Mit dem Ergebnis der OP bin<br />
ich sehr zufrieden. Ich habe mich vorher<br />
sehr ausführlich informiert.<br />
Was möchten Sie Menschen mit ge -<br />
ben, die sich in einer ähnlichen Lage<br />
befinden?<br />
Sie sollen vor allem sich selber treu<br />
sein. Es befreit zu sagen: Das bin ich.<br />
Das will ich leben. Der Weg zur Freiheit<br />
ist der Mut.<br />
Wie funktioniert eine<br />
Geschlechtsangleichung?<br />
Geschlechtsangleichungen sind aufwendige chirurgische Eingriffe, die nicht mehr<br />
rückgängig zu machen sind. Deshalb ist dieser Schritt mit dem Gang zu zahlreichen<br />
Behörden und Ämtern sowie einer psychologischen Untersuchung verknüpft.<br />
Da viele Betroffene von diesen Hürden eingeschüchtert sind, wird die Unterstützung<br />
durch einen Sozialarbeiter empfohlen. Wird die Diagnose „Transsexualität“<br />
gestellt, übernimmt die Kasse die Kosten für eine Geschlechtsangleichung.<br />
Diese beginnt mit einem Alltagstest, bei dem man die gewünschte Geschlechterrolle<br />
übernimmt. Danach wird eine Hormontherapie gestartet, am Ende des<br />
Prozesses steht unter Umständen die angleichende OP. Gute Infos dazu finden Sie<br />
unter: www.trans-infos.de.<br />
Über Penisimplantate informiert das ISG-Infoblatt „Penis implantate“. Das PDF<br />
finden Sie unter www.isg-info.de, Rubrik „Infomaterialien“.