kj cloud.book Nr. 3 Ausgabe III/2017
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unkritisch sind, den Wert des Neo-<br />
Sozialen hoch. Das heißt: Für sie ist<br />
all das sozial, was im Interesse der<br />
Allgemeinheit geschieht oder die<br />
Sozialgemeinschaft nicht belastet.<br />
Der Einzelne ist sozial, wenn er bzw.<br />
sie sich zu Eigenverantwortung und<br />
Eigeninitiative bekennt. Kann oder<br />
schafft er/sie das nicht, liegt die Schuld<br />
ihrer Meinung nach allerdings nur<br />
beim Einzelnen. Das ist eine Haltung,<br />
die nicht nur eine Entsolidarisierung<br />
mit den Schwächeren der Gesellschaft<br />
begünstigt, sondern auch eine<br />
Entsolidarisierung von sich selbst. Über<br />
gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />
oder ungleiche Ressourcenlagen wird<br />
dabei nicht nachgedacht.<br />
In gegenwärtigen Jugendkulturen fällt<br />
auf, dass ästhetische oder politische<br />
Rebellionen keine großen Themen<br />
mehr sind. Die breite Mehrheit setzt<br />
auf individualitätsbezogene Werte.<br />
Familie, Freunde und Freizeit liegen<br />
im Ranking der persönlich wichtigsten<br />
Lebensbereiche ganz oben. Fast<br />
keine der früheren Jugendkulturen<br />
darf jedoch vorübergehend in einen<br />
Dornröschenschlaf verfallen, und so<br />
existieren gegenwärtig einige hundert<br />
Stilvarianten und Untergruppen,<br />
die sich bisweilen nur noch selbst<br />
gegenseitig sofort einordnen können. ²<br />
Religiöse Fragen werden (auch) von<br />
jungen Menschen gerne privatisiert<br />
(„was ich glaube, ist meine Sache“),<br />
relativiert („was wahr ist, weiß keiner“)<br />
und funktionalisiert („was bringt mir<br />
Religion“). Religion im unspezifischen<br />
Plural gedacht hat breiten Konsens,<br />
man wählt unbekümmert aus einer<br />
Vielfalt spiritueller Angebote, zu<br />
denen durchaus auch kirchliche<br />
gehören, solange sie helfen, das Leben<br />
zu bewältigen (Patchworkreligion).<br />
Dennoch bilden nach wie vor Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften den<br />
sozialen Rahmen, in dem sich<br />
die Bildung religiöser Identitäten<br />
vollzieht, und sei es nur in Form von<br />
Abgrenzung und Dissens.<br />
Das Interesse an Sinnfragen ist<br />
laut der letzten Sinus-Jugendstudie<br />
(2016) durchaus vorhanden –<br />
unabhängig von der Zugehörigkeit<br />
zu einer Glaubensgemeinschaft.<br />
Wirken junge Menschen im Alltag<br />
ihrer Glaubensgemeinschaft noch<br />
mit, ist dies das Ergebnis kirchlicher<br />
Jugendarbeit in all ihren Formen.<br />
Kirchliche Jugendarbeit, die<br />
ausdifferenziert und auch nachgehend<br />
sein muss, bleibt wichtig. Hier<br />
sind es vor allem Personen (nicht<br />
Strukturen) und die Erreichbarkeit<br />
der Jugendarbeit vor Ort, die für nicht<br />
wenige junge Menschen ansprechend<br />
sind und bleiben.<br />
Univ.-Prof. in Dr. in theol.<br />
Ilse Kögler<br />
Professorin der Katechetik,<br />
Religionspädagogik und Pädagogik an<br />
der KU Linz<br />
Foto: RebecaT, pixabay.com<br />
2 Vgl. Klaus Farin, Jugendkulturen heute – Essay, in: H www.bpb.de/apuz/32643/jugendkulturen-heute-essay?p=all<br />
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