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WerDer_Charly_1

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Die Geschichten unserer Familien<br />

erzählen über unsere eigene Identität.<br />

Darum sollten wir darüber sprechen!<br />

Mit meinem Buch<br />

"Wer ? der <strong>Charly</strong>"<br />

versuche ich ein Zeitfenster von<br />

170 Jahren Vergangenheit zu öffnen<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 1


Geschätzte Leserschaft meines Buches "Wer ? der <strong>Charly</strong>"<br />

Das Bergpanorama auf der Gotthard-Passhöhe (2106 m ü. M.) in Richtung Norden ist gewaltig, ja sehr beeindruckend<br />

Erlauben Sie mir ein paar erklärende Worte zur Familienchronik, zu meiner Biografie, in eigener Sache<br />

Geschrieben habe ich mein Buch "Wer ? der <strong>Charly</strong>", weil immer wieder Leute mit der Frage an mich traten, was<br />

ich denn eigentlich beruflich genau gemacht hätte. Selbst der Mann, der für meine Steuern zuständig war, hatte<br />

grosse Mühe, mich branchengerecht genauer einzuordnen. Nachdem ich mir persönlich die gleiche Frage gestellt<br />

hatte, konnte auch ich für mich selbst keine passende Antwort finden. Das hat mich im Jahr 2012 bewogen, einen<br />

Blick zurückzuwerfen und erste Zeilen, dann ganze Sätze, sogar seitenweise Texte niederzuschreiben. In den<br />

vergangenen paar Jahren sind daraus 800 geschriebene wie auch bebilderte A4-Seiten entstanden, welche ich mit<br />

vielen interessanten Beilagen in Form von historischen Dokumenten und Protokollen ausgeschmückt habe.<br />

Diese 800 Seiten reduzierte ich auf 560. Gleichzeitig gestaltete ich aus dem vorliegenden Material vier Kapitel. Im<br />

ersten Teil beschreibe ich das Leben meiner Grosseltern und deren Familie, bestehend aus den Söhnen Hans und<br />

Karl Werder. Im zweiten Kapitel geht es um die grosse Familie meiner Mutter Rosa Scherer, deren Geschwister und<br />

ihre Herkunft Schüpfheim im Entlebuch. Da sich das spannende Leben meiner Vorfahren und auch mein Dasein<br />

hauptsächlich im zugerischen Cham in der Zentralschweiz abgewickelt hatte, widmete ich meiner Geburtsstadt<br />

Cham mit dem dritten Teil "CHOMEREIEN" eine eigene spezielle Plattform. So komme ich zum Kapitel vier, meiner<br />

eigenen Biografie, in der ich den wichtigsten Stationen meines nicht gewöhnlichen Lebens mit vielen Fotos und<br />

Dokumenten einen gebührenden Auftritt gewähre. Fehlt noch der Anhang, das Zeitfenster meines dreijährigen<br />

Aufenthaltes in den USA, dort wo ich mit meiner Crew, den <strong>Charly</strong> Werder-Models, 37-mal das Gastrecht geniessen<br />

durfte. So entstand mein Buch "Wer ? der <strong>Charly</strong>" mit 1'998 Fotos und Dokumenten im Zeitfenster von gut vier<br />

Jahren Arbeit, bestehend aus 1'765 Einsatzstunden, welches im Ergebnis ein Buchendgewicht von vier Kilogramm<br />

Informationen aufweist.<br />

Auf dem Bild oben kann man die Gotthard-Passhöhe erkennen. Es stellt sich die Frage, was diese Aufnahme,<br />

welche ich am Donnerstag, 8. September 2016, gemacht habe, mit mir, meiner Familie oder mit meinem Buch zu<br />

tun hat.<br />

Der Bau des ersten Eisenbahntunnels unter Alfred Escher 1882 bewirkte später, dass mein Grossvater mit<br />

seinen zwei Söhnen Hans und Karl indirekt ein Transportgeschäft mit angegliederter Post- und Bahn-Camionage in<br />

der Zentralschweiz betreiben konnte. Durch meine breite Tätigkeit als Filmemacher und Modefotograf sind mir die<br />

diversen Löcher im Gotthardmassiv so vertraut wie auch die gewaltige Berglandschaft, verbunden mit der Reuss in<br />

der Schöllenenschlucht, welche mir bei diversen Modeshootings eine beeindruckende Kulisse geliefert hat.<br />

Am 11. Dezember 2016 wurde der längste Eisenbahntunnel der Welt, der Basistunnel zwischen Erstfeld und<br />

Bodio (57 km), offiziell in den SBB-Fahrplan integriert. Auch da habe ich als Fotograf meinen Beitrag geleistet.<br />

Anlässlich einer grösseren Denkpause habe ich mich entschlossen, den Anfang meiner Familienchronik mit dem<br />

Gotthard zu eröffnen und meine Biografie im Buch "Wer ? der <strong>Charly</strong>" mit dem Gotthard, dem Bau des<br />

Basistunnels, abzuschliessen.<br />

2 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Vorwort zum Buch<br />

"WER ? DER CHARLY"<br />

Gemeindepräsident Georges Helfenstein<br />

Geschätzte Leserinnen und Leser<br />

Sie halten ein Buch in den Händen, welches auf Initiative einer Einzelperson zusammengestellt worden ist. Sie<br />

denken sich nun vielleicht: Das ist ja an und für sich noch nichts Aussergewöhnliches, Bücher werden schliesslich<br />

täglich und in grosser Menge hergestellt. Aber glauben Sie mir, dieses Buch ist ein ganz spezielles Buch, reich<br />

bebildert und illustriert.<br />

<strong>Charly</strong> Werder kam auf mich zu mit der Bitte um ein Vorwort in ebendiesem, seinem Buch. Das ist für mich als<br />

Gemeindepräsident von Cham nicht nur eine grosse Ehre, nein, es bereitet mir auch Freude, ein Teil der Geschichte<br />

Chams und im weitesten Sinn auch Teil der Geschichte der Familie Werder zu sein. Die Idee, dass <strong>Charly</strong> als<br />

Privatperson so viel Zeit und Geld in dieses Projekt investiert, fasziniert mich sehr. Sein Wissen, seine<br />

Lebensgeschichte, die Verbindungen und Zusammenhänge, die Geschichte der Vorfahren und auch die vielen<br />

Bilder von damals bis heute, das alles ist von unschätzbarem Wert. <strong>Charly</strong> hatte mir seine Idee und Vision<br />

vorgestellt, welche mich sofort begeisterte.<br />

Als Person ist <strong>Charly</strong> Werder in Cham ein Begriff. Sein Ruf als Fotograf, Filmer und Person mit<br />

Showbusinessbeziehungen ist legendär. Er hat sich immer für die Gemeinde interessiert, hat sich – und das<br />

durchaus auch kritisch – mit Themen in und um die Gemeinde und den Kanton befasst und sich auch eingebracht.<br />

Er hat an vielen Anlässen teilgenommen, sei es bei Wirtschafts- oder Bauveranstaltungen, im Gewerbeverein, an<br />

der Fasnacht oder bei politischen Anlässen. Stets war er mit Interesse dabei, und meistens war auch seine<br />

Fotokamera griffbereit. So hat er Cham sprichwörtlich in Bildern festgehalten. Ehrlicherweise darf ich sagen, dass<br />

ich <strong>Charly</strong> nicht so gut kenne, obwohl wir seitens des Gewerbes jeweils viel Kontakt mit ihm pflegen. Aber Menschen<br />

zu kennen, das fängt eben nicht nur beim Namen an. Da gehört mehr dazu.<br />

Als mir dann <strong>Charly</strong> seine Idee des Buches und die provisorische Vorlage präsentiert hatte, lernte ich ihn<br />

kennen. Er hatte praktisch zu jedem Bild eine detaillierte Beschreibung, erzählte über Beziehungen zwischen den<br />

einzelnen Familien, erwähnte geschichtliche Trouvaillen, und das Beste daran war: Seine Augen leuchteten. Es kam<br />

eine Energie zum Vorschein, welche mich in den Bann zog. Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Man merkte ihm<br />

an: Das ist sein Leben, sein Werk und seine Geschichte. Das alles möchte er seiner Familie, den Freunden, seinen<br />

Geschäftspartnern und den Menschen in Cham zur Verfügung stellen. Er zeichnet im Buch ein Bild der<br />

Vergangenheit, macht den Spagat von Familiengeschichte, Nachbarschaft und gesellschaftlichen Zusammenhängen<br />

und versucht auch, einen Blick in die Zukunft zu werfen. So wie er das lebt und spürt, so hat er mir alles vorgestellt.<br />

<strong>Charly</strong> ist ein Original. <strong>Charly</strong> ist aber mehr als nur das. Er ist ein gesellschaftliches Phänomen. Wenn es<br />

spannende Geschichten, Darbietungen oder Aufführungen gibt, überall ist er dabei. Aber man spürt ihn nicht, er ist<br />

kein Heuchler, keiner, der auffallen will, sondern ein Schaffer, ein Künstler und ein Menschenkenner. In seinem<br />

Business, umgeben von Schönheiten, begleitet von Glanz und Glamour, zieht er im Hintergrund die Fäden. Das<br />

spürt man stark, wenn man mit ihm über sein Buch spricht. Er kennt viele Persönlichkeiten, hat vieles erlebt und<br />

auch durchgemacht, erfolgreiche Zeiten ganz sicher, aber auch manchen Tiefschlag. Die Art und Weise, wie er mir<br />

all diese facettenreichen Geschichten und Anekdoten erzählt hat, machen <strong>Charly</strong> so menschlich. Er ist keiner, der<br />

abhebt, vielmehr einer, der genau weiss, wo und was seine Wurzeln sind.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 3


Mit 20 Jahren begann <strong>Charly</strong> seine Karriere. Genau an seinem Geburtstag eröffnete er sein Geschäft. Um das zu<br />

ermöglichen, hatte er sogar die Rekrutenschule um ein Jahr vorverschoben. Das zeigt schon damals seinen Willen<br />

und seine Beharrlichkeit. Heute ist er bereits über 50 Jahre im Showbusiness tätig. Udo Jürgens, Pepe Lienhard,<br />

Gloria Gaynor, Hazy Osterwald und weitere Künstler wie auch Politiker durfte er in ihrem Leben begleiten. Er hat bei<br />

legendären TV-Sendungen, zum Beispiel beim TELEBOY mit Kurt Felix, aktiv mitgemacht. Im Gespräch mit ihm gab<br />

es aber auch dunklere Geschichten. Von Rauschgifthändlern, Diamantenräubern, unseriösen Angeboten und sogar<br />

von Mord war die Rede. Das alles hat <strong>Charly</strong> auch gezeichnet, das habe ich ihm beim Gespräch angemerkt. Umso<br />

wichtiger ist es aber, dass er sich offen darüber ausdrücken und auch schreiben kann. Es ist für ihn eine<br />

Aufarbeitung und ein Teil seines Lebens. Für uns Leserinnen und Leser sind es eine spannende Lektüre und ein<br />

eindrücklicher Blick in die Geschichte.<br />

Was mich ebenso fasziniert: <strong>Charly</strong> machte in den USA Radiosendungen für die Erhaltung der deutschen<br />

Sprachkultur in deutscher Sprache. Für die Auswanderer war das sicher eine willkommene Verbindung zur alten<br />

Heimat. Ich stelle mir das bildlich vor: <strong>Charly</strong> in seinem damaligen Studio mit Utensilien umgeben, welche heute<br />

wohl nur noch "ausstellerische" Aspekte erfüllen würden. Genau das zeigt auf, was <strong>Charly</strong> machen konnte. Im<br />

selben Atemzug darf ich nämlich feststellen, dass er den Namen unserer Gemeinde nach aussen tragen konnte. Der<br />

Name Cham wurde im Showbusiness zu einem Begriff, oder vielmehr war es der Name <strong>Charly</strong> Werder. Aber eben,<br />

so ganz ohne Cham und Charme geht es auch nicht.<br />

Und wie geht es nun weiter? Wo stehen das Showbusiness, die Modelwelt, die Fotografie heute? Im<br />

Gespräch mit <strong>Charly</strong> stellt sich rasch heraus, dass er zu diesem Thema eine klare Meinung hat: "Die Gesellschaft ist<br />

überreizt, es sind zu viele Angebote im Umlauf, die Quantität ersetzt nicht die Qualität. Viele Sendungen im<br />

Fernsehen, Musikvideos und Gruppierungen in der Show-Welt sind oberflächlich und dadurch auch nicht nachhaltig.<br />

Die Geschwindigkeit von Meldungen, Telefonkommunikation und die Digitalisierung der Medien sind ein Bestandteil<br />

der heutigen und der künftigen Zeit. Stress und Hektik gab es auch früher, da bin ich überzeugt. Aber die vielen<br />

Reize und Ablenkungen, welche wir heute erfahren, sind Ausdruck unserer Zeit und Teil unserer Gesellschaft."<br />

Da lobe ich mir die Initiative von <strong>Charly</strong>, ein Buch mit Bildern von früher und Zusammenhängen bis heute zu<br />

gestalten und so die Geschichte in und um Cham zu erhalten. Ein wichtiges Engagement, welches meine höchste<br />

Achtung verdient. So wünsche ich allen interessierten Leserinnen und Lesern viel Freude beim Durchblättern und<br />

angeregte Gespräche beim Diskutieren der einzelnen Bilder. Nehmen Sie sich diese Zeit, denn Zeit ist das<br />

kostbarste Gut, welches wir alle haben.<br />

Ich danke <strong>Charly</strong> Werder für sein Werk, für sein Schaffen, seinen grossartigen Beitrag für die Gemeinde Cham<br />

und den Kanton Zug, und ich wünsche ihm, dass er mit seinem Buch sein Ziel erreicht. <strong>Charly</strong> darf stolz darauf sein.<br />

Für die Zukunft wünsche ich ihm weiterhin alles Gute sowie zahlreiche spannende Begegnungen, Gespräche und<br />

"Sujets", – auf dass er diese weiter erhalten und nach aussen tragen möge.<br />

Georges Helfenstein<br />

Gemeindepräsident Cham<br />

Gezeichnet am 15. Oktober 2016<br />

4 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Karl Werder<br />

Familienchronik<br />

Kapitel Nr. 1<br />

Übersicht zum ersten Kapitel<br />

Im ersten Kapitel geht es um meine eigene Familie<br />

Seite 5 bis 106 mit total 315 Bildern inkl. der Seiten 1 bis 4<br />

Die Geschichte meines Grossvaters, Karl Werder des Ersten,<br />

seiner gelebten Jugendzeit in Steinhausen und Cham sowie<br />

seiner späteren Heirat mit Anna-Helena Müller. Sie lesen in<br />

meinem Buch vom Kauf und vom Einzug in die eigene<br />

Liegenschaft an der Knonauerstrasse 7 in Cham.<br />

Auch die Entwicklung vom ehemaligen Heizer in der<br />

Milchsüdi bis hin zum eigenständigen Transportunternehmer<br />

und Kohlenhändler und der Aufbau des Kolonialwarenladens<br />

meiner Oma Anna-Helena sind spannende Themen, welche<br />

ich im ersten Kapitel ausleuchte.<br />

Die Familie Werder-Müller mit ihren zwei Söhnen Hans und<br />

Karl als Kleinunternehmern, welche in die damaligen<br />

Geschäftsstrukturen meiner Grosseltern voll eingebunden<br />

wurden, ist ebenfalls ausführlich dokumentiert.<br />

W E R D E R, S T E I N H A U S E N<br />

Die eindrücklichen Bilder der verschiedenen Lastwagen der<br />

Marken Ford, Magirus, Berna und Saurer der Firma Karl<br />

Werder & Söhne zählen zu fotografischen Zeitdokumenten,<br />

an welche sich ältere Chomer bestimmt noch gut erinnern.<br />

Bald heiratete zuerst Sohn Hans Werder mit Augusta Häfner.<br />

Die Familie lebte damals in den Löbern, Cham, und führte<br />

später das einst von Grossvater gegründete Transportunternehmen<br />

in eigener Regie weiter. Aus der Ehe Werder-<br />

Häfner kamen später fünf Kinder: Das sind Hansjörg, Annagret,<br />

Heinz, Ursula und Susi.<br />

Später, 1946, landete dann auch der zweite Sohn Karl, mein<br />

Vater, im Hafen der Ehe. Karl der Zweite heiratete die aus<br />

dem Entlebuch kommende Rosa Scherer, die Dachdeckerstochter<br />

von Ferdinand und Rosa-Cécilia Scherer-Studer.<br />

Karl und Rosa Werder-Scherer übernahmen 1955 nach dem<br />

Tod von Karl dem Ersten die Liegenschaft an der<br />

Knonauerstrasse 7 mit dem Kolonialwarenladen von Oma<br />

und der offiziellen Post- und Bahncamionage. Dazu gehörte<br />

noch das angegliederte Bier- und Mineralwasserdepot mit der<br />

Weinhandlung.<br />

Karl Werder-Müller<br />

Aus der Ehe von Karl und Rosa Werder-Scherer entsprossen<br />

Sohn Karl wie auch die drei Töchter Christina, Ludmilla und<br />

Cécilia.<br />

Erklärung<br />

Weil mein Grossvater Karl, mein Vater ebenfalls Karl und ich<br />

persönlich nochmals Karl genannt wurde, kam es immer<br />

wieder zu fatalen Verwechslungen. Diese Tatsache führte<br />

dazu, dass ich mich schon bald <strong>Charly</strong> nannte.<br />

Namensaufteilung<br />

Aus Grossvater wurde Karl der Erste, Vater nannte man Karl<br />

den Zweiten, und aus mir wurde in der Folge eben <strong>Charly</strong>!<br />

An Stelle Knonauerstrasse 7 habe ich selbst für mein Buch<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> das Kürzel KS-7 eingeführt.<br />

Die Söhne Hans und Karl<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 5


Liebe Freunde und Bekannte meiner Familie<br />

Karl und Anna-Helena Werder-Müller, meine Grosseltern, wie auch deren Söhne Hans und Karl mit ihren<br />

Ehefrauen Augusta und Rosa zählen längst zur Vergangenheit. Mit anderen Worten: Unsere Familien haben in den<br />

vergangenen 150 Jahren Fussabdrücke hinterlassen, aber auch Geschichten geschrieben.<br />

Heute, im Jahre 2016, ist die Zeit gekommen, dass ich Karl-Richard, genannt <strong>Charly</strong> Werder, Sohn des Karl<br />

und der Rosa Werder-Scherer, versuche, die Spuren aufzudecken, welche unsere Grossväter, Väter, Onkel und<br />

Tanten hinterlassen haben. Ich möchte die Leidenschaften unserer Familien aus der Vergangenheit in eine<br />

angepasste Chronik übertragen und vor allem auch sichtbar machen. Es ist Zeit, die Lebenswerke unserer Pioniere,<br />

Vorfahren und gleichzeitigen Jubilare entsprechend zu würdigen. Mit meinem Buch, den historischen Darstellungen<br />

und Geschichten über drei Werder-Generationen, möchte ich ein bleibendes Vermächtnis für die Nachkommen<br />

hinterlassen.<br />

Erlauben Sie mir, mich auf einer 150-jährigen Zeitreise in die Vergangenheit zu begleiten. Gerne möchte ich<br />

Ihnen mit vielen Archivbildern und kurzen Texten zum damaligen Zeitgeschehen das vielseitige Wirken und die<br />

Zusammenhänge von drei gelebten Generationen von damals bis hin zur handyverwöhnten Pizza-PET-Generation<br />

näherbringen. Es sind genau die Geschichten, welche unsere Familien eben ausmachen. Einige Storys möchte ich<br />

in meinem Buch erzählen und an die Nachkommen weitergeben. Den nächsten Halt wird die bereits<br />

heranwachsende neue Generation von heute machen.<br />

6 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Familienchronik<br />

Karl & Anna-Helena Werder-Müller<br />

mit ihren Söhnen Hans & Karl<br />

Zum Entstehen des Familiennamens Werder sagt der Stammbaum Folgendes aus:<br />

"Wie auf dem aargauischen Reussufer bei Rottenswil, so entstand dieser Familienname auch diesseits aus<br />

der Wohnsitzbezeichnung „am Werd“, das heisst am Flussufer. Peter Werder wurde 1416 Tinggenosse in<br />

Hünenberg. Hans Werder war 1462 Amtmann des Klosters Frauental. Nach dem Jahr 1500 erscheint das<br />

Geschlecht auch auf dem Einsiedler Hofe Halten zu Lindencham (Z.W.B), in Steinhausen sind die Werders<br />

nach dem dortigen Taufbuch seit 1627 bezeugt. Ausgefertigt, beglaubigt und gezeichnet im Winter 1945/46<br />

von Emil Villiger im Neugut zu Cham."<br />

Urheberrechtlich im Eigentumsrecht geschützt von Karl Werder-Müller, Cham, 1955.<br />

Das gesamte Werk, die Chronik vom Verfasser <strong>Charly</strong> Werder in Form von Text und Bild,<br />

ist urheberrechtlich unter ChRW-310847 eingetragen, registriert und somit geschützt, Cham, 2015.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 7


Eine erste Rückblende zu den Anfängen dieser Chronik zeigt:<br />

Pionier Alfred Escher, er war damals die treibende Kraft hinter dem Bau des ersten Gotthard-<br />

Eisenbahntunnels, der aus heutiger Sicht auch unseren Familien, den WERDERS, langfristig zu<br />

beruflichen Erfolgen verhalf.<br />

Eisenbahnpionier Alfred Escher, 1819 - 1882,<br />

hier mit aus Italien stammenden Gastarbeitern am Nordportal<br />

Als Jahrhundertprojekt wird er zurzeit betitelt, der Gotthard-Basistunnel (das NEAT-Projekt), der hundert<br />

Jahre nach Vaters Geburt (Karl des Zweiten), am 1. Juni 2016, eingeweiht und rechtzeitig zum Fahrplanwechsel am<br />

11. Dezember 2016 eröffnet wurde. Mit 57 Kilometern, die zwischen Erstfeld und Bodio liegen, ist dieses gigantische<br />

Erdloch im Augenblick der längste Eisenbahntunnel der Welt, der ganz Europa verbindet. Der Gotthard und seine<br />

Tunnel wurden inzwischen zum Inbegriff der Moderne. Damit wiederholt sich die Geschichte.<br />

Bereits der 1882 eröffnete erste Gotthard-Bahntunnel war damals das längste mit Schienen belegte Bergloch der<br />

Welt. Und die Bezeichnung „Jahrhundertbauwerk“ war für dieses gigantische Projekt mindestens so angebracht wie<br />

heute, wenn man an die immensen technischen Herausforderungen denkt, welche damals damit verbunden waren.<br />

Die treibende Kraft beim Baubeginn 1872 am Nordportal in Göschenen war der Eisenbahnpionier Alfred Escher, wie<br />

es die zwei Bilder oben zeigen. Dieses Jahrhundertbauwerk war so bedeutend, dass das Schweizer Fernsehen<br />

(SRF) 2015 einen aufwendigen Dok-Film zum Zeitgeschehen der Lochereien von 1872 am Gotthard realisierte.<br />

Dieses Filmdokument repräsentiert, wie inzwischen nebst dem Personen- auch der Güterverkehr ganz andere<br />

Dimensionen erreicht hat. Der Film wurde am 11. und 12. Dezember 2016 im Schweizer-Fernsehen ausgestrahlt.<br />

Das Fazit von damals: "Weitere Arbeitsstellen in den Teilbereichen<br />

Transporte, Dienstleistungen, Tourismus sind so entstanden"<br />

Für die Übernahme der Post- und Bahn-Camionage des Transportunternehmens unserer Vorfahren in Cham war<br />

die Eröffnung des Eisenbahntunnels sicher ein Meilenstein für Karl Werder-Müller und seine Söhne Hans und Karl.<br />

Durch den aufkommenden Güterverkehr waren sie mit dem Einsatz ihrer Lastwagen für die Güterfeinverteilung der<br />

Waren in der Region verantwortlich. Die Öffnung der Nord-Süd-Verkehrsachse mittels des Gotthardlochs war<br />

mitunter ein wichtiger Grund zum Aufblühen der Region Zentralschweiz und somit auch unseres<br />

Familienunternehmens in Cham.<br />

Am 28. Februar 2016 stimmte das Schweizer Volk erneut ab, ob parallel zu dem am 5. September 1980 durch<br />

den Zuger Bundesrat Hans Hürlimann eingeweihten 17 Kilometer langen Gotthard-Strassentunnel eine zweite Röhre<br />

realisiert werden kann. Mit einem Mehr von 57 Prozent Ja-Stimmen nahm das Schweizer Volk das Projekt an, was<br />

die verantwortliche Bundesrätin Doris Leuthard freute. Zum heutigen Zeitpunkt schätzt man für die Umsetzung der<br />

zweiten Röhre circa sieben Jahre Bauzeit. Der Baubeginn ist auf das Jahr 2020 geplant.<br />

Am 9. Dezember 1915 kam Arthur Beul in Einsiedeln zur Welt. 1940 schrieb Beul nebst anderen Liedern den<br />

bekannten Song "Übere Gotthard flügid d’Bräme“, welcher von den Geschwistern Schmied via Radio Beromünster<br />

in die weite Welt hinausgetragen wurde. Auch das hatte Auswirkungen, die sich in der Tourismusbranche positiv<br />

niederschlugen und den Bewohnern der ganzen Gotthardregion neue lukrative Perspektiven aufzeigten.<br />

Der bekannte Komponist Arthur Beul verstarb am 9. Januar 2010 in Küsnacht ZH<br />

Heute leben wir in der Zeitepoche des technischen Fortschritts, des gesellschaftlichen Wandels.<br />

Doch haben wir etwas gelernt? Seit der Jahrtausendwende wiederholt<br />

sich die ganze Geschichte in neuer Form mit brutalen Terroranschlägen und sinnlosen Kriegen,<br />

aber auch mit einem weiteren gigantischen Gotthardloch der Superlative!<br />

8 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Lebensgeschichte zur goldenen Hochzeit von<br />

KARL WERDER & ANNA MÜLLER<br />

festgehalten im Zeitfenster von 1878 bis 1955<br />

Das Motto am Hochzeitstag war:<br />

DAS LEBEN IST JA NUR EIN TRAUM!<br />

Vorüber ist, was gestern war!<br />

Zum Sinn des Lebens meinte Karl,<br />

dass es weitergeht.<br />

Diese Zeilen der Rückblende auf das Jubilarenpaar Karl & Anna-Helena wurden den beiden zur goldenen Hochzeit im<br />

September 1955 von einem Freund mit dem leider mir nicht bekannten Kürzel B. G. gewidmet. Es könnte möglicherweise<br />

B. Gretener bedeuten. Das Originaldokument wurde bei Räumarbeiten 1975 im Keller links der Liegenschaft KS-7 in Cham<br />

in einem alten Weingestell von <strong>Charly</strong> Werder gefunden. Ich, der Sohn von Karl dem Zweiten, habe das Schriftstück im<br />

Sommer 2015 elektronisch aufgearbeitet und in Originalübersetzung in die Familienchronik eingebaut.<br />

Wenn sich ein Motto in diesem Sinn und Geist je bewahrheitet, trifft es bestimmt den Kern des menschlichen<br />

Lebens. Schaust Du zurück von der höchsten Stufe Deines Lebens, ahnst Du kaum mehr der Jahre, ja Tage, die Dir<br />

Gott geschenkt und an denen Du Dein Lebenswerk erfüllt hast. Hast Du ein Leben gelebt, das Dich freut, und ein<br />

Jubiläum einer Tat Dich ehrt, dann erhebe Dein Herz zum Allerhöchsten: "Er hat es Dir gegeben.“<br />

KARL WERDER & ANNA MÜLLER<br />

Die Jubilare vom 2. September 1955 waren vor 77 Jahren die absolute Freude ihrer Eltern. Denn beide<br />

entschwanden ihren Wiegenjahren unbewusst, nur das Telefonbuch gibt einen bestimmten Beweis ihres Wiegenund<br />

Geburtsortes. Karl Werder der Erste, der damalige Jubilar, Sohn des Josef Werder und der Elisa Bühler,<br />

geboren am 28. November 1878 im Bad Giesshubel in Rothrist im Aargau, nannte damals noch mit Stolz seinen<br />

Geburtsort Giesshubel.<br />

Die Anna-Helena, seine Wegbegleiterin, war die Tochter des bekannten Schuhmachermeisters Alois Müller und der<br />

Maria Arnold, hatte ihre Geburtsstätte Cham nie verlassen und freute sich ihrer Heimat. Geboren am 18. September<br />

1878 in der den älteren Chomern noch wohlbekannten alten Post neben dem Blumenladen von Franz Schoch an<br />

der Rigistrasse, also direkt neben dem heutigen Rigiplatz. Ihr Heimatort wäre zwar Sankt-Gallen-Kappel und<br />

Ernetswil SG, das sie aber nur vom Hörensagen kannte. Wie könnte es auch anders sein, denn 44 Jahre lang hatte<br />

sie in diesem alten, ehrwürdigen Haus, dem Postgebäude, ihr Leben gelebt. Die Post wurde dann im Jahre 1924 ein<br />

Raub der Flammen. Eine grosse Zahl Geschwister war damals ihre Freude, von denen aber 1955, am Tag der<br />

Jubilare, nur noch deren drei am Leben waren.<br />

Zum damaligen Zeitgeschehen im Juli 1887<br />

Am 5. Juli 1887 brach das Ufer der Zuger Vorstadt ein. 35 Gebäude versanken im Zugersee.<br />

Bei dieser Katastrophe fanden 11 Personen den Tod. Die historische Aufnahme aus dem<br />

Buch "ZUGERLAND" dokumentiert das Ausmass der Katastrophe von damals.<br />

Im Juli 1978 würdigte Regierungsrat Dr. Anton Scherer das gelungene Buch.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 9


Karl Werder der Erste: Nicht Rothrist blieb des Jubilars zukünftige bleibende Stätte. Er hatte diese Ortschaft<br />

im Aargau nur als seine in Ehren gehaltene Geburtsstätte in dankbarer Erinnerung. Sein Vater als einfacher und<br />

unbemittelter Maurer- und Gipserarbeiter vermochte seinen Kindern nur wenig zu bieten, denn der Verdienst war zu<br />

mager. Sie wurden nicht verwöhnt, und bescheiden war der Weg, der den Kindern bevorstand. Die nicht rentable<br />

Arbeit in Rothrist veranlasste den Vater, sein Domizil zu wechseln. Er siedelte mit seiner Familie nach Steinhausen<br />

in den Kanton Zug über: in ein anderes Milieu und, was besonders zu erwähnen ist, in eine konfessionell streng<br />

katholische Gegend. Steinhausen war sein eigentlicher Heimatort. Hier in Steinhausen liessen sich die Eltern<br />

katholisch trauen, denn Mutter war protestantisch. Karl der Erste wurde darum auch katholisch getauft, dieser<br />

Konfession blieb er auch sein Leben lang treu.<br />

Auch am neuen Wohnort blieb des Vaters Verdienst nur spärlich. Elisa, die Mutter, musste als Seidenweberin<br />

nachhelfen, die Familie auch nur notdürftig durchzuschlagen. Trotz der einfachen und schmalen Erziehung<br />

entschwanden dem Jubilar seine Kinderjahre ohne nachteilige Folgen. Noch sind ihm auch Spielkameraden in froher<br />

Erinnerung, von denen jedoch der grössere Teil längst unter geweihter Erde ruht.<br />

Mit dem zunehmenden Alter begann dann auch die Schulzeit. Es war das Jahr 1886, als Karl mit seinem<br />

Schulsack in das Kaplanenhaus, das damalige Schulhaus, einzog. Als sein Lehrer amtete Hochwürden Kaplan Rölli<br />

in den unteren Klassen, und in der vierten Klasse war es die ehrwürdige Schwester Franziska vom Kloster<br />

Heiligkreuz. Das waren wohl liebe und gute Lehrkräfte, doch die straffe Schulordnung von heute war noch weit weg.<br />

Als Pfarrer und Schulinspektor wirkte Hochwürden Speck, der es auch verstand, erzieherisch auf die Schüler<br />

einzuwirken. Bereits nach sechseinhalb Jahren musste der junge Karl die Schule verlassen, um mit etwas Verdienst<br />

die Familie zu unterstützen. Da war wieder Schulinspektor und Hochwürden Speck, der dem Junior nebenbei<br />

Nachhilfeunterricht erteilte, damit die fehlende Schulzeit ausgeglichen werden konnte. Noch heute sagt er ihm Dank<br />

für diese weit blickende und uneigennützige Tat, die, wie er selber öfter sagt, ihm im späteren Leben sehr<br />

zustattenkam.<br />

Aber schon während der Schuljahre drängte die Familiennot, wie immer, möglichst mitzuhelfen, den schwachen<br />

Verdienst der Eltern zu ergänzen. Dazu bot besonders das obstreiche Jahr 1886 Gelegenheit, bei den Bauern<br />

während der freien Schulzeit und ganz besonders in den Schulferien auszuhelfen. Noch ist Karl in guter Erinnerung<br />

des damaligen Letten-Bauern Herr Burkart Hausheer, bei dem er täglich 10 Rappen Lohn verdiente. Wirklich kein<br />

grosses Salär, aber er war doch daheim von der Kost weg. Jede Kleinigkeit war damals für die Familie willkommen.<br />

Ab der vierten Klasse war Karl Altardiener in der Kirche. Es war ein Ehrenamt, auf das man besonderen Stolz<br />

und Wert legte. Eine Sekundarschule zu besuchen, war ihm leider nicht gegönnt, der Verdienst der Familie hat dazu<br />

nicht ausgereicht. So ging Karls Schul- und Jugendzeit zu Ende, die neben all den vielen Beanspruchungen<br />

gleichwohl manch schöne und angenehme Erinnerung zurückliessen. Nebenbei denkt er auch an das düstere<br />

Ereignis, als die Spinnerei in Hagendorn 1888 in Flammen aufging. Die Auswirkungen waren damals weiträumig<br />

spürbar.<br />

Lassen wir nun diese Jahre zurück. Jetzt galt es für Karl, ins Leben zu treten, um selbst Brot und Verdienst zu<br />

finden. Am 23. Januar 1892 trat er als junges Bürschlein in die Milchsüdi, so wie man die Milchfabrik auch nannte,<br />

zum Arbeiten ein. 15 Rappen betrug sein erster Stundenlohn, der sich dann im Herbst 1892 auf 17 Rappen<br />

steigerte. Bis zu 100 000 Büchsen Milch wurde aus der Südi täglich abgeliefert. Karls Arbeitszeit dauerte bis zu 14<br />

Stunden täglich. Ein noch ungezwungener Fabrikbetrieb, deren Ansehen schweizweit grossen Anklang fand, war<br />

also Karls erster richtiger Arbeitgeber. Mit diesem Zusatzverdienst konnte sich dann auch die Familie erholen.<br />

Das Rubelihaus meiner Ur Familie mit im Eichholz<br />

Auf den Bildern sind meine Cousinen Renata & Gaby Wyss<br />

Das Zutrauen wuchs sichtlich heran. Es wurde für die Familie möglich, wenn auch mit fremder Hilfe, das kleine<br />

weisse Häuschen im Eichholz in Steinhausen mit dem auffälligen Schrägdach zum Preis von Fr. 3100.-- käuflich zu<br />

erwerben. Diese Errungenschaft, ein eigenes Heim mit eigenem Herd, war der Stolz der Familie zur<br />

Jahrhundertwende, dem sie bis zur Auflösung der Familie treu blieben. Warum das sicher nicht den Normen<br />

entsprechende Haus den Übernamen Pulverturm trug, konnte der Schreibende nicht in Erfahrung bringen. Karl<br />

denkt noch immer an diese schöne Zeit seiner Jugend zurück, von wo aus die Kinder zur Arbeit gingen. Es war die<br />

Zeit, in der die Familie dank des Verdienstes von Karl und seiner Schwester Rosa erstarkte.<br />

10 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein weiser Blick in die Zukunft veranlasste den Jubilar, auch neben der Arbeit in der Milchsüdi etwas<br />

Zusätzliches zu lernen. Mit Eifer widmete Karl sich der Musik. Den grossen Bass blasen hörten ihn die Nachbarn oft.<br />

Begeistert beschäftigte er sich zusätzlich mit der Trommel. Im Sommer 1900 wurde der musikalisch begabte Karl<br />

Werder als aktives Mitglied in die Musikgesellschaften Cham und Steinhausen aufgenommen, aus Letzterer er leider<br />

schon nach sechs Jahren wieder austrat, um sich zeitlich intensiver der Musikgesellschaft Cham zu widmen. Diese<br />

Epoche nützte er auch reichlich aus, und so wurde Karl bald zum beliebtesten und gesuchtesten Musikanten der<br />

Region. Aus allen benachbarten Musikvereinen wurde er zur Aushilfe gerufen. So erlebte er manch gemütliche<br />

Stunde in freundschaftlichen Gesellschaften, was ihm bis zum heutigen Tag unvergesslich in Erinnerung blieb. Unter<br />

der Direktion des damaligen Dirigenten Iten und seinem späteren Nachfolger Julius Schnurrenberger erreichte Karl<br />

die höchste Stufe seines Könnens. Fünf eidgenössische Musikfeste in Vevey, Zug, Bern, Luzern und Schwyz hat er<br />

mit seinen Musikkameraden erfolgreich besucht. Für Karl waren dies eindrückliche Tage schöner Erinnerung. Mit<br />

herrlichen und grosszügigen Empfängen wurden die Musikanten jeweils von der Chamer Bevölkerung an dem mit<br />

Blumen geschmückten Bahnhof empfangen.<br />

Die Musikanten aus Cham galten damals als eine der erfolgreichsten Musikgesellschaften im weiteren<br />

Umkreis. 24 Jahre lang hat Karl der Musik treu gedient und dem Verein sein Können zur Verfügung gestellt. Im Jahr<br />

1944 ist die Zeit gekommen, seinen Platz einer jüngeren Generation zu überlassen. 17 Jahre hat Karl aktiv im<br />

Vorstand der Musikgesellschaft Cham mitgewirkt, davon war er drei Jahre Präsident. Heute ist er Ehrenmitglied, und<br />

so bleibt Karl mit der Musik und seinen Freunden auch weiter verbunden.<br />

Im Militär wurde er bei der Aushebung in Zug der Abteilung Tambouren zugeteilt. In Luzern besuchte er die<br />

Rekrutenschule, die damals sieben Wochen dauerte. In zusätzlichen, amtlichen Kursen zu je drei Wochen diente er<br />

der Armee, bis dann im Jahre 1914 der unselige Krieg ausbrach: Man rief Karl zur Fahne. Ganze vier Jahre dauerte<br />

das Elend, in dessen Zeitfenster er die ganze Schweiz vom Boden- bis zum Genfersee kennen lernte.<br />

Wäre es nicht das Unheil gewesen, das ein Krieg unwillkürlich mit sich bringt, wäre die Zeit lehrreich, sogar<br />

angenehm gewesen. Jetzt liegen die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit. Ein neuer<br />

unheilvoller weiterer Krieg von 1939 bis 1945 steht der ganzen Welt bevor: der Zweite Weltkrieg, ein Gemetzel,<br />

welches die Toten vor Angst von den Lebenden sogar erzittern liess.<br />

Das Alter hat Karl von den Soldatenpflichten erlöst. Als Verfasser dieser Chronik schweige ich zu diesem üblen<br />

Geschehen des Zweiten Weltkrieges, man spricht vom Holocaust. Mein Grossvater erzählte, dass er nie "heil<br />

Hitler!", sondern immer "ein Liter!" aussprach, was fast gleich klingt. An dieser Stelle setze ich den Zeilen zum<br />

Kriegsgeschehen einen festen Punkt.<br />

Zu Hause wurden Karls Lasten und Aufgaben nicht geringer. Mit Schaffen und vielen Entbehrungen überstand<br />

er mit seinen Eltern und seiner Schwester Rosa die ungewissen Jahre. Ein weiterer Krieg, eine Auseinandersetzung<br />

ohne Waffen und auch ohne Soldaten, war 1913 angesagt: Es war der Milchkrieg, der zwischen seinem Arbeitgeber,<br />

der Milchsüdi, und den Bauern ausgebrochen war. Der Milchpreis war die Ursache dieser bedrohlichen<br />

Unstimmigkeiten. Wo sonst der grosse mit Pflastersteinen beschlagene Vorplatz der Milchsüdi die Pferdefuhrwerke<br />

kaum zu fassen vermochte, wurde es still und leer. Einzig drei Fuhrwerke hielten den Milchverarbeitern in Cham<br />

noch die Treue.<br />

Die Bauern als streikende Partei waren sich untereinander selbst nicht einig. Eine unerwartete andere<br />

Verwendung der Milch führte dann nach kurzer Zeit sehr überraschend zu einer Einigung zwischen den<br />

Streitparteien der Milchsüdi und den Bauern. Mit einem gewaltigen Gelächter aller Beteiligten vergass man den<br />

Streit der damaligen Milchgiganten.<br />

Aufmarsch der Bauern auf dem Vorplatz der Milchsüdi Cham. Zwei Bilder aus der Sammlung von Hermann Steiner<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 11


Kehren wir zurück zu Karls ungebundener Jugendzeit. Denn wie schon erwähnt konnte sich die Familie mit dem<br />

Heranwachsen der Kinder Karl und Rosa erholen. Der Verdienst der Jubilare in der Milchsüdi war zwar klein,<br />

erlaubte jedoch zur damaligen Zeit auch das eine oder andere Vergnügen. Manch schöne Stunde blieb Karl dem<br />

Ersten in guter Erinnerung. Der tägliche Weg durch das Sumpfried von Steinhausen nach Cham zur Arbeit war für<br />

ihn mehr Vergnügen als Last. In der Fabrik selbst wurde Karl in die verschiedenen Abteilungen eingeführt und so<br />

zum Heizer und Maschinisten ausgebildet. Zwei Direktoren waren in dieser Zeitepoche die Leiter des Unternehmens<br />

Milchsüdi. Das waren die Herren Direktoren Stuber-Stutz und Weibel. Als Karls direkte Vorgesetzten walteten die<br />

Herren Pfister, Gyger sowie der spätere langjährige Werkmeister Leonz Bucher. Eine angenehme, schöne Zeit, aus<br />

der dem Jubilar noch manch heiteres Stücklein in frischer Erinnerung schlummert.<br />

In dieser frohen und sorglosen Zeit lenkte Karl seine Blicke auch auf die andere Seite des Lebens. Das ist<br />

ihm auch bald gelungen. Schon längst fiel ihm unter den Mittarbeitenden eine ihm zugetane Frau, die Anna-Helena<br />

Müller, auf. Sie war eine arbeitsame, treue Person, die Gewähr bot, eine gute und tüchtige Frau zu werden. Auch<br />

Anna-Helena hatte die vielen Arbeitsprozesse der Milchsüdi durchlaufen. Sie stand zu dieser Zeit als Vorsteherin der<br />

Kaffeeküche im Einsatz. Anna wohnte in der schon beschriebenen alten Post, inmitten des Dorfes Cham. Für ein<br />

neues Zuhause hatten Karl und Anna-Helena also nicht zu sorgen. So entschlossen sie sich zum treuen Bund der<br />

Ehe. Am 2. September 1905 war der grosse Tag der heutigen Jubilare. In der Pfarrkirche St. Jakob zu Cham, wo<br />

damals Hochwürden Kaplan Josef Elsener (1865 bis 1933) die Herrschaft pflegte, wurde die Hochzeit mit Karl und<br />

Anna-Helena standesgerecht gefeiert. Als Brautführer amteten der heute noch lebende Engelbert Meier und die<br />

Schwester der Anna-Helena, Karoline (Lina) Müller. An diesem denkwürdigen schönen Septembertag im Jahre 1905<br />

nahmen nebst vielen Freunden auch alle seine Musikkameraden teil. Diese wüssten sicher noch mehr über die<br />

gelungenen Festivitäten der Hochzeit zu erzählen. Doch wie man so sagt: Darüber schweigt des Sängers<br />

Höflichkeit! Leider ruhen zum heutigen Tag der Jubilare die meisten der damaligen Hochzeitsgäste in Frieden. Das<br />

junge Paar, der Karl und die Anna-Helena von der Milchsüdi, trat jetzt mit Frohgemut seine Hochzeitsreise an.<br />

Mailand mit Rückreise über Luzern und Seelisberg war der beiden Ziel. In Seelisberg gastierte das frisch vermählte<br />

Paar in der Pension Truttmann. Für die damaligen Zeiten gewiss ein grosszügiger Plan.<br />

Anmerkung zum damaligen Zeitgeschehen<br />

Man schreibt das Jahr 1915, wo aus der Hauptstadt Zug folgende Neuigkeit bekannt wurde: Ein gewisser Heinrich Höhn<br />

hätte ein Feingebäck, einen mit Kirsch getränkten Kuchen, erfunden. Heinrich Höhn hätte anscheinend Monate an der<br />

speziellen Rezeptur herumgetüftelt, bis dass er zu Weihnachten 1915 ein erstes Inserat dieser zugerischen Spezialität, der<br />

ZUGER KIRSCHTORTE, in den "Zuger Nachrichten" schaltete. Noch heute ist die Rezeptur - zwei Japonaisböden,<br />

verbunden mit einer mit Kirschlikör getränkten Biskuitschicht, gezeichnet mit einem feinen Rautenmuster im Puderzucker<br />

- bei den Zuger Zuckerbäckern erhältlich. Zeitzeugen erzählten sich, dass ein gewisser Carl Müller an der Seite des<br />

Heinrich Höhn gestanden habe. Zuckerbäcker Carl Müller war einer der drei Brüder meiner Grossmutter. Carl führte<br />

später sehr erfolgreich seine eigene Zuckerbäckerei in Basel.<br />

Nun begann ein neues Leben für Karl und Anna zu zweit im neuen Heim der alten Post an der Rigistrasse in<br />

Cham. Täglich traten sie gemeinsam zur Arbeit in der Milchsüdi an. Für Karl eine grosse Erleichterung, denn der<br />

tägliche Fussmarsch von Steinhausen nach Cham und zurück war Vergangenheit. Die Ehe von Karl Werder-Müller<br />

blieb nicht ohne Folgen. So erblickte im Jahre 1908 ihr erster Sohn Hans das Licht der Welt. Etwas später, am 29.<br />

Dezember 1916, folgte ihr zweiter Sohn, Karl der Zweite. Beide Söhne sind am heutigen Tag der Jubilare dank der<br />

Weitsicht ihrer Eltern, also des Karl des Ersten und der Anna-Helena, erwachsene Geschäftsmänner. Sie befinden<br />

sich mit ihren angetrauten Ehefrauen unter der Gästeschar an der feierlich gestalteten Festtafel.<br />

Die Gedanken des Karl und der Anna-Helena an die Zukunft liess den beiden keine Ruhe. Zeitlebens in der<br />

Milchsüdi in der Fabrik für fremde Leute zu arbeiten, war nicht ihr Lebensziel. Im Jahr 1920 erwarben sie<br />

gemeinsam das zum Verkauf stehende Wohn- und Geschäftshaus an der Knonauerstrasse 7 (KS-7) in Cham (249<br />

Quadratmeter) zum Preis von Fr. 40 000.--. Das Gebäude mit einem Laden im Hochparterre und zwei Stockwerken<br />

wurde 1903 durch den Kupferschmied Meier erbaut. Zeitzeugen behaupten, das Haus sei zu dieser Zeit überteuert<br />

im Handel gestanden. Die Anna, die nach jahrelanger Arbeit in der Milchfabrik müde geworden war, übernahm mit<br />

Freuden und Geschick die Führung des Spezereiladens im eigenen Haus. Der Kolonialwarenladen an der KS-7<br />

wurde eine einträgliche Stütze für die Familie. Karl der Erste arbeitete indessen weiter im bisherigen Betrieb der<br />

Milchsüdi, welche nur gerade zwei Gehminuten vom Wohnhaus entfernt war. Übrigens, die Knonauerstrasse wurde<br />

im Jahr 1846 angelegt. Schon 1847 marschierten hier 10 000 Mann der eidgenössischen Truppen aus Zürich durch<br />

das Dorf Cham nach Luzern.<br />

12 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ende 1927 kam die Zeit, in der die Milchsüdi der Liquidation entgegenschmorte. Die grossen Kamine rauchten<br />

immer weniger. Für Karl, der des Fabrikdaseins langsam müde geworden war, kam die Zeit, aus dem Betrieb<br />

auszutreten. Ohne Zeugnisse und ohne Pensionskasse neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen, war<br />

angesagt. Zu Hause in Annas Laden war noch kein Platz für Karls Engagement. So arbeitete der ehemalige<br />

Milchsüdiler vorerst als Hilfsarbeiter im Betrieb des Wimmergeschäftes von Vater Muggli und im Baugeschäft von<br />

Nachbar Emil Reggiori. Klar war von Anfang an, dass ihm diese Arbeiten langfristig keinen Spass machten. Auch im<br />

Vereinsleben entpuppten sich grössere, eher unangenehme Veränderungen. Für Karl kam die Zeit, sich von seinem<br />

lieb gewordenen Verein, der Musikgesellschaft, zu trennen.<br />

Das waren eben noch Zeiten!<br />

Die alte Dampflokomotive der Papierfabrik mit den Papieri-Bähnlern vor ihrer E-Lok am Bahnhof Cham,<br />

auf dem Bild links Tony Schnider als Lokführer<br />

Zu erwähnen sei, dass sich am 9. März 1920 die grüne Akkumulator-Lokomotive mit dem ersten Papieri-<br />

Güterzug zum Bahnhof Cham bewegte. 1927 übernahm die Maschinenfabrik Cham zur Herstellung von Zentrifugen<br />

die Gebäulichkeiten der ehemaligen Nestlé-Käserei. Im Zeitfenster von 1957 bis 1964 transportierte mein Vater Karl<br />

der Zweite die Zentrifugen von der Maschinenfabrik zum Bahnhof Cham. 1979 brannte der gesamte<br />

Gebäudekomplex der Maschinenfabrik nieder. Auf dem Areal öffnete 1983 das Dorfcenter "NEUDORF" seine Türen.<br />

Mitte Oktober 2015 wurden die Industriegeleise nach 95 Betriebsjahren entfernt, weil es weder die Milchsüdi noch<br />

die Maschinen- noch die Papierfabrik mehr gibt. Den frei gewordenen Landstreifen übernahm die Gemeinde Cham.<br />

Die Dampfloki wurde nach längerem Herumstehen regelrecht geplündert, ja fast ausgehöhlt. Im Anschluss verkaufte<br />

man den schrottreifen Eisenklumpen an einen Industriebetrieb ins Val de Travers. Ähnliches geschah im Jahr 2015<br />

mit der ehrwürdigen Akkumulator-Lokomotive, welche, von grün auf gelb bemalt, stillschweigend ebenfalls mit<br />

unbekanntem Ziel aus Cham verschwand.<br />

Von der Strassenbahn zum Bus auf den Fahrplanwechsel im Mai 1953<br />

Im Frühjahr 1907 nahmen die Strassenbahnen Zug-Schönegg und die 1264 Meter lange Standseilbahn auf den Zugerberg<br />

ihren Betrieb auf. Später wurden weitere Linien der Strassenbahn nach Aegeri und Baar erschlossen. Die historischen<br />

Strassenbahnen verkehrten bis zum 21. Mai 1955 auf dem Strassennetz nach von Oberägeri nach Baar. Doch bereits zum<br />

Fahrplanwechsel am 17. Mai 1953 übernahmen die ersten Busse der ZVB die Dienste des Personentransports auf dem<br />

Strassennetz der Region Zug.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 13


Karl der Erste, Mitbegründer und Präsident des Rabattvereins Cham<br />

Im Rabattverein, den Karl 1923 zusammen mit einem Kaffeebohnenröster, dem Vater von Fritz Wolf, gründen<br />

half, wurde Karl Präsident. Dieses Amt als Vorsitzender verwaltete er ganze 12 Jahre mit Erfolg, dessen<br />

Auswirkungen dem Verein zu grossem Ansehen verhalf. Mit der Abgabe von Rabattmarken versuchten die Pioniere<br />

eine Kundenbindung zu den Fachgeschäften im Dorf herzustellen.<br />

Randbemerkung in eigener Sache:<br />

Auch meine Eltern waren mit ihrem USEGO-LADEN aktive Mitglieder des Rabattvereins. Später, 1968, übernahm ich die<br />

Stellung und wurde mit meiner Firma CHARLY WERDER PRODUKTIONSBETRIEBE ebenfalls in den Verein der Rabättler<br />

aufgenommen. Darauf erfolgte eine Namensänderung vom Rabattverein zur Vereinigung Fachgeschäfte Cham. Heute, im<br />

Mai 2016, fand die 93. Generalversammlung im Hotel Raben statt, und ich bin immer noch dabei als aktives Mitglied in der<br />

Vereinigung der Fachgeschäfte Cham.<br />

Anlässlich einer der ersten Generalversammlungen des Rabattvereins machte Karl der Erste als Weitsichtiger<br />

und Vorausschauender die anwesenden Mitglieder auf die Einführung der ersten Verkaufslastwagen der MIGROS<br />

aufmerksam. Visionär Gottlieb Duttweiler (Gründer der Migros) realisierte 1925 seine Idee, mobile<br />

Verkaufslastwagen mit Frischprodukten in die Dörfer, direkt vor die Haustüre seiner Kunden, zu beordern. In der<br />

Startphase kamen erste fünf LKW zum Einsatz, welche den Grossraum Zürich bedienten. Die Einführung der<br />

Ladenbusse entstand aus einer Zwangssituation. Grossisten wie z. B. die Nestlé boykottierten den<br />

heranwachsenden Lebensmittelhändler Duttweiler. Er fand keine Ladenlokale. Im Detailhandel löste seine<br />

Marketingerfindung regelrechte Unruhen aus.<br />

Mit offenen Augen sah Karl der Erste in die Zukunft mit dem Ziel, bald seine eigene Existenz zu finden.<br />

Nachdem immer mehr Güter durch den Gotthard-Bahntunnel die Zentralschweiz erreicht hatten, bewarb sich Karl in<br />

der Folge bei den Schweizerischen Bundesbahnen, um die offizielle Bahn-Camionage zu übernehmen, was ihm<br />

schlussendlich auch gelang. Im Dienste der Bahnkunden für die Feinverteilung und die Zustellung der stetig<br />

wachsenden Paketberge tätig zu sein, befriedigte seine berufliche Neugier. Gleichzeitig stand der Konkurs der<br />

Mineralwasserhandlung Matter im Felde. Karl und Anna-Helena kauften die ganze Firma aus der Konkursmasse<br />

heraus und machten daraus einen zusätzlichen gewinnbringenden Familienbetrieb.<br />

Als dann noch die ständigen Unruhen zwischen den Bauern und der Milchsüdi zum Rücktritt des amtierenden<br />

Direktors Ochsner führten, offerierte dieser Mr. Ochsner Karl dem Ersten den aus dem Kohlenhandel entstandenen<br />

Kohlenschopf der Milchsüdi für einen Jahreszins von Fr. 600.-- zur Pacht. Mit Unterstützung seines älteren Sohnes<br />

Hans konnte Karl sich vollumfänglich eigenständig seinen Aufgaben widmen. Ohne die Mithilfe von Sohn Hans wäre<br />

es Karl dem Ersten nicht möglich gewesen, alle anfallenden Aufgaben verantwortungsbewusst zu meistern und zum<br />

Erfolg zu bringen. Der Ankauf eines ersten Transportwagens drängte sich zusehends auf, der dann Sohn Hans als<br />

gelernter Mechaniker mit Freude zu bedienen wusste. 1937 übergab Karl mit Stolz seinem Sohn Hans einen Teil<br />

des Transportgeschäftes.<br />

Auch Sohn Karl der Zweite ist inzwischen herangewachsen und wurde in Vaters Geschäft ein guter Mitarbeiter,<br />

denn Arbeit war jetzt zur Genüge da. Der stetig zunehmende Bahn-Camionage-Betrieb machte die Anschaffung<br />

eines zweiten Transportfahrzeuges unumgänglich. Aus Gründen der wegen des Krieges herrschenden<br />

Brennstoffknappheit entschlossen sich die Werders zum Kauf eines Elektromobils der Firma SIG Neuhausen,<br />

welches sich hervorragend bewährte. Dieses etwas kuriose Transportfahrzeug bestand aus einer Ladefläche in der<br />

Grösse von 140 x 300 cm, unter der sich ein gewaltiger Batterienstrang befand. Die Führerkabine hatte Platz für drei<br />

schmale Personen, und eine stufenförmige Zweigangschaltung (analog eines damaligen Tramwagens) brachte den<br />

Elektrotransporter auf eine maximale Geschwindigkeit von 28 km/h.<br />

Damit das Elektrofahrzeug fahren konnte, musste an der KS-7 extra eine Ladestation errichtet werden<br />

Jede Nacht wurde das Gefährt am Stromgenerator für den nächsten Tag angeschlossen und nachgeladen<br />

14 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


1923 bis 1973: Der Rabattverein feiert ein halbes Jahrhundert<br />

Wenn ich Ihnen hier eine kleine Chronik des Rabattvereins Cham vorlege, so erhebt diese auf keinen Fall den<br />

Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr soll sie ein kurzer Rückblick, eine Zusammenfassung und ein Inventar über<br />

die wichtigsten Begebenheiten der ersten 50 Jahre sein. Dieser kurze Marschhalt, festgehalten und geschrieben von<br />

Robert Nussbaumer, soll uns Zeit zu einer kurzen Besinnung geben. Wir verneigen uns vor dem Mut und der<br />

Tatkraft unserer Gründer und Vorfahren. Wir stärken uns für eine Geschlossenheit in der Zukunft.<br />

Als sich am Anfang des Jahres 1923 die beiden Kolonialwarenhändler Fridolin Wolf und Karl Werder (Karl<br />

der Erste) mit dem Eisenwaren- und Kohlenhändler Edmund Locher zu einer ersten Besprechung trafen, war es ihr<br />

ernster Wunsch, dem leidigen Kreditverkauf Abhilfe zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits eine<br />

Grossverteilerorganisation in der Schweiz die Rabattmarke eingeführt, und so ging man auf die Suche nach weiteren<br />

Geschäftsinhabern im Dorf Cham. Man war sich von allem Anfang an bewusst, dass man einen Grossteil der<br />

Platzgeschäfte für die neue Idee begeistern musste, um einen wirksamen Start gewährleisten zu können. Am 31.<br />

Juli 1923 war es dann so weit.<br />

Zwecks Gründung und Inbetriebsetzung der Vereinigung lud man am besagten 31. Juli 1923 auf 20 Uhr alle<br />

Geschäftsinhaber und deren Angehörige in den Saal des Gasthofes zum Raben ein. 14 Mitglieder vom Dorf Cham<br />

und 1 Interessent von Hagendorn nahmen die ersten Statuten und je ein Couvert Rabattmarken in Empfang. Mit<br />

einem Flugblatt "Anzeige an die geehrte Käuferschaft" machte man die Bevölkerung von Cham, Hünenberg, Risch<br />

und Steinhausen auf den ersten Rabattverein im Kanton Zug aufmerksam.<br />

Von den 15 Gründerfirmen sind heute, 1973, noch die Nachfolger von 6 Vertretern in unserem Verein. "Wenn<br />

es nur einer einzigen Person vergönnt war, volle 50 Jahre Chamer Rabattmarken abzugeben, so freut es mich ganz<br />

besonders, meine Mutter, Frau J. Nussbaumer-Widmer, als Jubilarin zu bezeichnen", meinte Robert.<br />

Die erste Auflage des Marken-Büchleins von 2000 Exemplaren war bereits per Anfang 1924 vergriffen. Das<br />

war der Grund, dass die Aktuarin Frl. Anna Blaser verlangte, dass bis spätestens am 15. Januar 1924 die Inserate<br />

für die zweite Auflage von 5000 Exemplaren, die für die kommenden zweieinhalb Jahre ausreichen müssten,<br />

bestätigt sein sollten. Als weiterer Werbeträger gab die Rabattvereinigung Cham und Umgebung auf den 1. Januar<br />

1924 den ersten Chamer Hauskalender mit integrierten Inseraten heraus. Dieser wurde an alle Haushaltungen der<br />

vier Gemeinden gratis abgegeben. Auf den gleichen Zeitpunkt hatte sich durch die Bäckermeister von Cham,<br />

Hagendorn und Steinhausen der Mitgliederbestand um fünf Einheiten erhöht.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 15


1925 traten die ersten Geschäftsinhaber von Rotkreuz dem Verein bei, sodass sich die Vereinsbezeichnung<br />

"Cham und Umgebung" bereits im zweiten Vereinsjahr anpassen musste. Der Mitgliederbestand von einst 15 Firmen<br />

vergrösserte sich in den Nachkriegsjahren auf 42 Geschäfte und schrumpfte 1971 wieder auf 30 Mitglieder. Was<br />

sich aber bis 1971 andauernd gesteigert hatte, war der Rabattmarkenumsatz des Vereins. Im Jahr 1972 war<br />

erstmals ein Stillstand zu verzeichnen. Bargeld für die Hausfrauen im Betrag von Fr. 53 000.-- wurde von 1923 bis<br />

1973 durch die Geschäfte des Rabattvereins Cham und Umgebung an die Kundinnen ausbezahlt.<br />

Dass die Chamer Rabattmarken nicht nur abgegeben, sondern auch fleissig gesammelt wurden, bewies eine<br />

Erhebung im Jahr 1967, in der festgehalten wurde, dass von 2000 in alle Haushaltungen verteilten Rabattbüchlein<br />

nahezu 1600 Exemplare im gleichen Jahr voll geklebt wieder zurückkamen. Eine erfreuliche Statistik zeigt auf, dass<br />

in den vergangenen ersten 50 Jahren seit Bestehen des Vereins rund 538 000 Chamer Rabattbüchlein eingelöst<br />

und demnach über 5 Millionen Franken an die treuen Märklikleber rückvergütet wurden.<br />

Dass es mit dem Abgeben von Rabattmarken allein nicht getan war, hat der Verein längst erkannt. Der<br />

Zusammenschluss der Detaillisten im Kampf um das Kreditwesen von damals ist in der Neuzeit der Siebzigerjahre<br />

zur Interessen- und Werbegemeinschaft herangewachsen. Unzählige Aktionen, besonders in den vergangenen 25<br />

Jahren, gaben dem Verein die Verbundenheit zur Kundschaft und die lebenswichtige Popularität.<br />

Der Wunsch nach organsierten Reisen beim Publikum wurde aktiver. Carfahrten mit Fabrikbesuchen zu Hero<br />

nach Lenzburg, zu Maggi nach Kempthal, zu Steinfels nach Zürich, aber auch zur Confiseriefabrik ins aargauische<br />

Reinach, zur Mineralquelle Elm und nach Morges zu Qulevay waren Grosserfolge. Ausflüge zu Ausstellungen wie<br />

zur Züka nach Zürich, zur Hospes nach Bern, zur Gartenausstellung G-59 und zur Saffa ebenfalls nach Zürich<br />

waren durchsetzt mit rein touristischen Zielen, so an den Neuenburger- und den Bielersee auf die Rosenlaui, auf die<br />

Göscheneralp und zu einer Sauserfahrt nach Hallau.<br />

1959 wurden drei Swissair-Maschinen mit Chomern gefüllt. Cham aus der Vogelperspektive war angesagt.<br />

Einige dieser Reisen wurden sogar doppelt bis vierfach geführt, um die grosse Nachfrage zu befriedigen. Den<br />

absoluten Rekord bildeten damals die Maggi-Fahrten mit über 800 Teilnehmern. Zwischen all diesen Reisen wurden<br />

die beliebten Dezemberaktionen durchgeführt mit Rabattbüchlein-Umtausch für Fr. 11.-- oder Fr. 12.--.<br />

Ab 1961 löste der Verein diese sehr arbeitsintensive Reiserei durch die Weihnachtsaktion ab, die für<br />

frühzeitigen Weihnachtseinkauf vor Ort beste Erfolge zeigte. Im Jubiläumsjahr 1973 beschenkten die<br />

Rabattgeschäfte ihre Kunden mit Geburtstagskalendern und mit alten Stichen von Cham, Hünenberg und Buonas.<br />

Zum Jahreswechsel erhielten die Kunden zusätzlich doppelte Rabattmarken.<br />

Als erster Rabattverein der Schweiz machte der Verein im Sommer 1972 einen Versuch nach amerikanischem<br />

Vorbild, für volle Rabattbüchlein statt Fr. 10.-- in bar wahlweise fünf Qualitätsartikel des täglichen Gebrauchs<br />

abzugeben. Der Erfolg war grossartig, die Aktion ging in die zweite Auflage.<br />

Mit Chamer Rabattmarken um die Welt! Wären zum Beispiel von 1923 bis 1973 alle Chamer Rabattmarken nur in<br />

10-Rappen-Marken ausgegeben worden, so ergäben diese ein Band von 19 171 Kilometern oder die Strecke von<br />

Cham zum Südpol. Seit 1970 begrüsste der Verein zusammen mit der Gemeindeverwaltung und den anderen<br />

Ortsvereinen alle Neuzuzüger der Gemeinde Cham mit der eigenen Broschüre "Willkommen in Cham".<br />

Wie man sieht, hat es der Verein nicht nur beim Abgeben von Marken bewenden lassen. Der Chamer<br />

Rabattverein darf sich als einer der aktivsten Rabattvereine der Schweiz rühmen. Alle diese Erfolge waren nur<br />

möglich, weil die Mitglieder spontan und solidarisch an den gesteckten Zielen mitarbeiteten. Leider sind wir heute an<br />

der Wende eines Zeitalters angekommen, wo man aktive Detaillisten vor Ort vermisst, wo man übrig gebliebene<br />

selbstständige Geschäfte wieder zu schätzen beginnt. Gleichzeitig ist auch der Staat zur Erkenntnis gekommen,<br />

dass er den selbstständigen Detailhandel braucht, um in Zukunft nicht grossen Versorgungslücken entgegensehen<br />

zu müssen. Dass wir alle diesem Staat auch die Mittel zur Verfügung stellen, beweisen die Steuererträge von 1972:<br />

Die Mitglieder des Rabattvereins Cham bezahlten Fr. 227 000.-- an Steuern, während damals die Grossverteiler<br />

(MIGROS) nur gerade Fr. 7450.-- und (COOP) Fr. 5247.-- entrichteten. Mit Sicherheit will man auf diese Erträge<br />

nicht verzichten, und man wird in Zukunft vermehrt am Bestehen des Detailhandels interessiert sein. Gestärkt durch<br />

das Bewusstsein, dass die Detaillisten ihren Platz im heutigen Wirtschaftsleben behaupten müssen, und mit der<br />

Garantie, dass wir in Zukunft auf die Zusammenarbeit unserer Rabattvereinsgeschäften zählen können, braucht es<br />

uns, um den Schritt in ein neues Jahrtausend mutig zu gehen.<br />

Gezeichnet zum 50-Jahr-Jubiläum am 1. August 1973<br />

Robert Nussbaumer, Cham<br />

Präsident Fachgeschäfte<br />

im Zeitfenster von 1970 bis 1980<br />

Auszug aus dem Protokoll der 93. Generalversammlung der Vereinigung Fachgeschäfte Cham und Umgebung im Jahr<br />

2016. Unter den neun gelisteten Traktanden habe ich mich zum Thema Diverses beim Präsidenten Martin Keller gemeldet.<br />

Dabei machte ich auf die lange Mitgliedschaft meiner Familie seit der Mitbegründung 1923 durch meinen Grossvater Karl<br />

den Ersten aufmerksam. Gleichzeitig stellte ich den anwesenden 17 Personen mein fast fertig geschriebenes Buch in<br />

Form eines Kurzreferates vor. Im Protokoll hielt Bernhard Rebsamen meinen Auftritt wie folgt fest:<br />

"Martin Keller gibt das Wort an <strong>Charly</strong> Werder, damit er über sein im nächsten Jahr erscheinendes Buch orientieren kann.<br />

In seiner Familienchronik findet man auf 550 A4-Seiten über 1700 Fotos, Anekdoten, Fakten, Geschichten sowie Zitate aus<br />

dem Leben von vier Generationen, so auch aus der Gründerzeit des Rabattvereins Cham. Ein spezielles Kapitel unter dem<br />

Titel CHOMEREIEN bringt Geschichten an den Tag, über die man hauptsächlich hinter vorgehaltener Hand oder gar nicht<br />

sprach. Die Buchvernissage würde dann am Sonntag, 5. März 2017, stattfinden."<br />

16 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Reproduktion des ersten Flugblattes 1923 an die Nachbargemeinden<br />

Anmerkung zur Mitgliedschaft im Rabattverein Cham und Umgebung<br />

Als Mitbegründer und Präsident führte mein Grossvater Karl der Erste während 24 Jahren (1923 bis 1947)<br />

den Rabattverein. Im Anschluss übernahmen meine Eltern Karl der Zweite und Rosa Werder-Scherer die<br />

Mitgliedschaft bis zur GV 1964. Nach einer Lücke wurde ich dann an der Generalversammlung 1978 mit meinem<br />

Musikgeschäft und der Agentur in die Vereinigung aufgenommen. Da ich keine Rabattmarken im Angebot hatte,<br />

stufte mich die Vereinigung zur Klientel der Dienstleister und Banken ein.<br />

Nach dem Verkauf der Musikbetriebe an meinen ehemaligen Geschäftsführer Yves Bussat im Jahr 1992<br />

übernahm Yves die Mitgliedschaft als Detaillist der Musikbranche. Mit meiner Agentur, den <strong>Charly</strong> Werder<br />

Produktionsbetrieben, blieb ich bis zur Generalversammlung 2017 dem Rabattverein Fachgeschäfte Cham treu.<br />

Gleichzeitig mit mir wird auch Yves Bussat, Inhaber der Musikgeschäfte, 2017 in den verdienten Ruhestand treten.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 17


Der unter Sohn Hans zugenommene Kohlenhandel stellte den von der Milchsüdi gemieteten Kohlenschopf<br />

zusehends in Frage. Für die Lastwagen benötigte das Familienunternehmen Garagen und mehr Stauraum für die<br />

Lagerung. So entschloss sich Karl, der Jubilar, in der Folge, das von der Einwohnergemeinde Cham unter Bauchef,<br />

dem Einwohnerrat B. Gretener, zum Verkauf stehende Grundstück auf der Löberen-Matte käuflich zu erwerben.<br />

Der Kaufpreis war damals Fr. 12 000.--. Karl und seine zwei Söhne erstellten darauf einen neuen Kohlenschopf<br />

und die nötigen Gebäulichkeiten (Wohn- und Geschäftshaus) zur Verwirklichung der Kohlenhandlung und des<br />

Transportunternehmens WERDER & SÖHNE CHAM.<br />

Das bittere Ende des Kohlenschopfs: Er musste 1986 für eine familieneigene Überbauung von Heinz Werder weichen<br />

Jetzt arbeitete Vater Karl der Erste mit seinen Söhnen Hans und Karl dem Zweiten gemeinsam im eigenen<br />

Betrieb. Sein zweiter Sohn Karl junior entwickelte sich zum fleissigen Mitarbeiter, der zuverlässig vom frühen<br />

Morgen bis zum späten Abend für das Geschäft, den Mineralwasserhandel und die Camionage, im Einsatz stand.<br />

Für Vater Karl war nun die Zeit gekommen, sich Gedanken zu machen, auch diesen Teil der Geschäfte an Sohn<br />

Karl junior zu übergeben. Das war ja ursprünglich das Ziel des Vaters, seinen beiden Söhnen eine eigene rentable<br />

Existenz zum Erhalt der Familie zu übergeben.<br />

Im öffentlichen und im politischen Leben bekannte sich Jubilar Karl schon in früher Jugend zur freisinnigen Seite.<br />

Im Jahre 1942 wählte ihn die Gemeinde als Vertreter in den römisch-katholischen Kirchenrat, dem er als Mitglied<br />

zwölf Jahre angehörte. Noch heute denkt er mit grosser Genugtuung an diese Zeit zurück. Gesundheit und<br />

Wohlergehen, verbunden mit viel Arbeit der ganzen Familie, haben Karl und Anna-Helena Werder-Müller, die<br />

heutigen Jubilare, auf ihrem ganzen Lebensweg begleitet. Für diese grossen Gaben erheben die zahlreichen Gäste<br />

im Hause Knonauerstrasse 7 zu Ehren der Jubilare ihre Gläser.<br />

Die Anna-Helena Werder-Müller, ebenfalls Jubilarin, hat ununterbrochen bis zur heutigen Stunde ihr Geschäft<br />

betrieben und erfolgreich geführt. Ihre Haare haben den jugendlichen Glanz verloren. Etwas matt und müde ist<br />

durch die Kast der Jahre und der Arbeit ihr Antlitz geworden.<br />

In gemeinsamem Entschluss mit ihrem Jubilar Karl haben die beiden bestimmt, von ihren Arbeiten und<br />

Aufgaben zurückzutreten und den Betrieb zwischen den Söhnen Hans und Karl junior (dem Zweiten) aufzuteilen.<br />

Das Alter drängt die zwei zu handeln. Auf den 1. Januar 1955 sind sie ihrem Willen gefolgt und haben ihr Vorhaben<br />

umgesetzt. Mögen Hans und Karl der Zweite im gleichen Sinn und Geist erfolgreich weiterschaffen und ihre<br />

Geschäfte führen, dann würde das Lebensziel der Jubilare erreicht.<br />

Das ist das Lebenswerk zweier Menschen, die es verdienen, an ihrem heutigen Ehrentag in Dankbarkeit und<br />

Ehrfurcht zurückzublicken. Mit ihrem Schaffen geben Karl der Erste und Anna-Helena ihren Söhnen, Enkeln und<br />

Urenkeln eine ehrende Wegleitung, den ihnen bestimmten Lebensweg sinngemäss weiter zu begehen. Mögen nun<br />

den beiden Jubilaren noch einmal reichlich viele Jahre unbesorgten Lebens ihren Abschluss bilden, bis dann einst<br />

aus dem himmlischen Ätherblau die wohlklingende Stimme ertönt:<br />

So, Ihr guete liebe Lüt, Vater Karl und Mutter Anna, Ihr händ Eures Läbe i gegesitigem<br />

Verständnis, Treue und Redlichkeit abgschlosse, Ihr händs verdient. Chömed Ihr jetzt hei zu mer<br />

is Paradies.<br />

18 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Fazit zum Tag der Jubilare aus meiner Sicht, also aus der persönlichen<br />

Perspektive des Enkels<br />

Der Schreibende als Partybeobachter<br />

Eine der alten Schellackplatten aus den 50er-Jahren<br />

Nun sitze ich da, neben Karl dem Ersten, meinem Götti, und Karl dem Zweiten, meinem Vater, als gerade<br />

achtjähriger Enkel ebenfalls mit demselben Vornamen Karl aus der dritten Generation der Familie Werder. Mit<br />

welchen Problemen ich dadurch bald zu kämpfen habe, findet man in späteren Kapiteln dieser ausgedehnten<br />

Familienchronik.<br />

An diesem denkwürdigen Tag, den ich noch heute in guter Erinnerung habe, betreute mich Onkel Werner<br />

Naunheim. Karl der Erste war übrigens der Götti von Onkel Werner. Nach einem Marschmusik-Ständli (einem<br />

kleinen Strassenkonzert) der Musikgesellschaft Cham mitten auf der noch mit Pflastersteinen belegten KS-7<br />

bemühte sich mein Betreuer Onkel Werner, mir den sogenannten klassischen Teil des Abends zu erklären. Er wurde<br />

beauftragt, gemeinsam mit meinem Vater Karl dem Zweiten den Abend mit klassischer Musik zusätzlich zu<br />

verschönern. Mittels eines alten Grammofons versuchten Werner und mein Vater, den Gästen einen vertieften<br />

Einblick in die Welt von Beethoven, Brahms und Mozart zu vermitteln. Dies gelang den Initianten nur schwerlich. Die<br />

Stimmung der Gäste war an dem Abend zu locker, denn die vielen konsumierten Spirituosen machten sich langsam<br />

bemerkbar.<br />

Kulinarisch wurden die Gäste reichlich verwöhnt. Als kleiner Knirps kam ich erstmals in den Genuss, die zum<br />

Dessert aufgetischte Zuger Kirschtorte zu probieren. Anna-Helena belieferte die zur Familie gehörende Bäckerei<br />

Henggeler in Steinhausen mit Dutzenden von Eiern. Alfons Henggeler, der Bäcker und Onkel aus der<br />

Nachbargemeinde, überbrachte sein Kunstwerk, eine Torte mit 50 brennenden Kerzen, nach Cham. Die 50 Kerzen<br />

liess man bis zum schmelzenden Marzipandeckel niederbrennen. Erstmals durfte ich auf Wunsch meines Göttis bis<br />

zum Ausklang der Feierlichkeiten um Mitternacht mit dabei sein. Dass ich sehr müde war und viele Dialoge, welche<br />

an diesem Abend zwischen den vielen Onkeln und Tanten ausgetauscht wurden, nicht einordnen konnte, war mir<br />

egal. Ich war dabei und zehre noch heute von den Erinnerungen an diesen Tag der Jubilare, an dem meine Oma<br />

Anna-Helena meinte, dass sie es liebe, Oma zu sein. Bei all den Beobachtungen stand ich oft im Türrahmen<br />

zwischen der Wohnstube und dem Gang im ersten Stock der KS-7, dem Ort des Geschehens.<br />

Anmerkung zum damaligen Tagesgeschehen<br />

Karl der Zweite war damals stolzer Besitzer einer mit mehr als 200 Schallplatten bestückten<br />

auserlesenen alten Sammlung, eines umfassenden Repertoires grosser, klassischer Meister.<br />

Zum Abspielen der kostbaren Schellackteile mit 78 Touren diente ein altes Grammofon,<br />

welches ausschliesslich von Onkel Werner und meinem Vater bedient werden durfte.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 19


Blick in die Zeitepoche meiner Grossmutter Anna-Helena Müller<br />

Die alte Post von Cham stand damals am Rigiplatz. Es war das ehemalige Elternhaus von Anna-Helena Werder-Müller und<br />

ihren Schwestern. Ebenfalls im Bild Anna-Helena mit Karl dem Ersten an ihrer Hochzeit vom 2. September 1905<br />

Das sind weitere Schwestern meiner Grossmutter Anna-Helena<br />

Marie, im Bild links, heiratete in die Familie Henggeler nach Unterägeri. Josy, Bild Mitte in Front, zog es zu<br />

den Burris nach Luzern, und Lina fand ihr Glück bei Maurus Wyss in der Nachbargemeinde Steinhausen<br />

Die fünf Müllerinnen hatten noch drei Brüder, von denen es leider keine Fotos gibt<br />

Da waren der Postbeamte Alois Müller, Carl, der Zuckerbäcker, und Jan, der in die USA auswanderte und sich<br />

im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine gehobene Position erarbeitete. Dank Jan Müller gelang es dem Sohn<br />

Maurus von Lina Wyss, in den USA erfolgreich Fuss zu fassen und eine eigene Karriere zu starten. Als kleiner<br />

Junge bekam ich brockenweise vom Aufstieg der Karriereleiter von Maurus Wyss mit. Sophie lernte in Zürich den<br />

Tonhalle-Musiker Paul Naunheim kennen.<br />

Mit Sicherheit verdankt auch die Tochter von Marie, Hermine Henggeler, ihren eigenen Erfolg in Chicago USA Jan Müller<br />

20 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Anna-Helena und ihre Müller-Familie<br />

Die Müller-Familie, von der in den nachstehenden Aufzeichnungen die Rede ist, lebte in der zweiten Hälfte des<br />

vorletzten Jahrhunderts. Diese Angaben beruhen einzig auf Recherchen, Wahrnehmungen und Erinnerungen des<br />

Schreibenden. Deshalb sind diese Aussagen weder vollständig noch verbindlich.<br />

Die Familie Müller lebte, wie bereits genannt, in Cham, im Haus zur alten Post an der Rigistrasse, welches im<br />

Jahr 1924 einem Brand zum Opfer fiel. An diesem Tag im Februar war es so kalt, dass sogar das Wasser in den<br />

Feuerwehrschläuchen gefror. Das Gebäude wurde nicht wieder aufgebaut. Nicht betroffen von diesem Brand war<br />

Anna-Helena. Sie zog bereits 1920 mit Karl dem Ersten in die eigene Liegenschaft an der Knonauerstrasse 7 ein.<br />

Übrigens, der erste Posthalter von Cham war Jost Burri-Suter. Er zügelte seine Post 1870 von der<br />

Rabenscheune zum Haus Rigistrasse. Anna-Helenas Vater, Alois Müller, war Schuhmacher. Ob eher Macher oder<br />

Flicker ist leider nicht bekannt. Jedenfalls lebten die Müllers in sehr bescheidenen Verhältnissen. Gattin Marie-<br />

Anna, geborene Arnold, gebar fünf Töchter und drei Söhne. Die exakte Reihenfolge ist mir leider nicht bekannt.<br />

Anna-Helena, meine Grossmutter, feiert Geburtstag Marie, Lina, Sophie mit Josy Müller<br />

Meine Oma Anna-Helena wurde geboren am 19. September 1878, im selben Jahr, in welchem die NZZ erstmals<br />

einen Wetterbericht veröffentlichte. Nach der Heirat im September 1905 mit Karl Werder dem Ersten aus<br />

Steinhausen und Cham gebar Anna-Helena die zwei Söhne Hans und Karl.<br />

Hans, rechts im Bild, geboren 1908 und Karl der Zweite, links, geboren 1916<br />

Letzterer war auch bekannt als "de Büebi". Anna-Helena ist in Erinnerung als energische, in<br />

Familienangelegenheiten dominante, bestimmende, aber dennoch gütige Frau. An der KS-7 führte sie ihren eigenen<br />

Kolonialwarenhandlung in einer Zeit, als man Migros, Coop und Konsorte überhaupt noch nicht kannte.<br />

Ab und zu füllte sie einer bedürftigen Familie einen Korb Lebensmittel in Form einer Schenkung. Anna-<br />

Helena war mit ziemlicher Sicherheit eine ALPHAFRAU und bestimmt die Gründerin des schwarzen Kabinetts,<br />

welches hauptsächlich aus ihren stets schwarz bekleideten Schwestern Marie, Lina, Sophie und Josy bestand. Das<br />

sogenannte schwarze Kabinett traf sich regelmässig in der kleinen Stube mit dem ockerfarbenen Kachelofen im<br />

Hochparterre der KS-7 direkt hinter dem Lebensmittelladen. Anna an der Ladenkasse ihrer Kolonialwarenhandlung,<br />

in der die Kunden auch anschreiben durften, war bekannt für den folgenden Spruch:<br />

"Bring mir dann bitte morgen den noch fehlenden Fünfer, aber vergiss es nicht"<br />

Anna-Helena Müller wurde am 19. September 1878 geboren. Sie verstarb 78-jährig am 3. Dezember 1956 in Cham<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 21


Tante Marie Henggeler<br />

Das war meine Tante, Marie Müller, verheiratet mit dem Briefträger Wolfgang Henggeler aus Unterägeri. Sie war<br />

eine gütige und äusserst fromme Frau aus dem Clan der "Müllerinnen". Das ergab sich besonders daraus, dass sie<br />

zu den eigenen Söhnen und Töchtern Alfons, Ernst und Wolfgang sowie zu Trudy und Hermine zusätzlich noch<br />

Marily Späne und Carlo Andermacher in die Familie aufnahm und ihnen allen die nötige mütterliche Wärme<br />

schenkte. So wurden Marily und Carlo voll in die Familie Henggeler-Müller integriert.<br />

Das Fenster zur Familie von Carlo und Alice-Ida Andermacher-Oegger. Sie lebten<br />

im Elternhaus von Schuhmacher Fritz Oegger an der Knonauerstrasse 13, Cham<br />

Carlo Andermacher war Heizungsmonteur. Er machte seinen Lehrabschluss bei der Firma Zeberle in Cham mit<br />

Bravour. Carlo wurde am 2. August 1926 geboren. Seine Mutter verstarb, als Carlo noch sehr jung war. Er wurde,<br />

wie aufgeführt von Tante Marie aus Unterägeri in die Familie Henggeler-Müller aufgenommen. Carlo heiratete die<br />

am 19. Dezember 1928 geborene Alice-Ida Oegger aus Cham. Am 9. Dezember 1951 kam Tochter Béatrice zur<br />

Welt. Béatrice, heute Rechtsanwältin, heiratete Hansruedi Grob. 1984 gebar sie Tochter Marie-Louise, und 1987<br />

kam Sohn Gabriel Grob zur Welt. Vater Carlo war bekannt als aktives Mitglied beim Pilzverein sowie beim<br />

Fischerverein Cham.<br />

Fünf Jahre später, am 31. März 1956, kam Sohn Viktor-Carlo zur Welt. Dem erlernten Beruf als<br />

Werkzeugmacher blieb Viktor treu. Das Fischen im Zugersee übernahm er von seinem Vater Carlo. Noch immer<br />

bewohnt Viktor das Elternhaus, wo einst der ehemalige Schuhmacher Fritz Oegger (Vater von Alice-Ida) an der<br />

Knonauerstrasse 13 in Cham wirkte. Das Haus der Familie Oegger ging durch Erbschaft an die Andermachers.<br />

Carlo mit Alice-Ida Andermacher-Oegger am Tag ihrer Heirat in Unterägeri, die Tochter Beatrice und Sohn Viktor<br />

Carlo Andermacher-Oegger verstarb am 16. Oktober 1985 unerwartet und leider viel zu früh. Seine Frau Alice-Ida,<br />

die Mutter von Béatrice und Viktor, verstarb am 13. Dezember 2014 in Cham. Übrigens, Carlos Mutter reiste damals<br />

aus dem Deutschsprachigen Raum des Südtiros in die Schweiz ein.<br />

Das Hochzeitsbild von Carlo und Alice wurde im Fotoatelier Bürgi in Unterägeri produziert.<br />

Die Aufnahmen von Béatrice und Viktor wurden am 29. April 2011 gemacht.<br />

22 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Hermine und Hermineli Henggeler<br />

Mutter Hermine mit ihrer Tochter Hermineli Henggeler<br />

Im Bild Hermineli, die Schwester von Wolfgang<br />

Hermine und Trudi waren die Töchter von Marie Henggeler. Trudi lebte in Zürich. Hermine Henggeler hatte eine<br />

Tochter, das Hermineli. Sie war die Gotte von Viktor Andermacher. Hermineli heiratete in den USA den<br />

Gastronomen Bob. Gemeinsam lebte sie mit Ehemann Bob in der City von Chicago. Einige Angehörige aus unserer<br />

Familie besuchten das Paar in den USA, so zum Beispiel 1982 Béatrice Grob-Andermacher. Auch Gaby Wyss und<br />

Dury trafen Hermineli in Chicago. Und da waren noch Maria und Alfred Schlatter, die Posthalterfamilie aus<br />

Regensberg bei Zürich, mit Tochter Monika. Alfred Schlatter bediente zu seiner Zeit die Postautolinie Dielsdorf -<br />

Regensberg. In guter Erinnerung ist noch Hund Ella geblieben.<br />

Gelungener Schnappschuss von 1950, festgehalten vor der Empfangsbaracke<br />

beim Flugfeld in Kloten noch vor dem Bau des offiziellen Flughafens<br />

Carl Müller, Willy mit Maria Wyss und Töchterchen Gisela, Karl der Erste mit Anna-Helena, Hermine,<br />

die Schwestern Sophie Naunheim und Lina Wyss. In Front die Kinder Karli, Angela und Margreth.<br />

Fotografiert hat damals mein Vater Karl der Zweite<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 23


Montag war Waschtag: zwei Geschichten mit üblem Nachgeschmack<br />

Um in die Waschküche zu gelangen, musste man das Haus verlassen und durch die 1936 angebaute Garage<br />

laufen. Eine weitere zusätzliche Türe war dann der Zugang zu dem Raum, in dem jeden Montag grosse Wäsche<br />

gewaschen wurde. In der Front des mit grauen Sichtbacksteinen gepflasterten Raumes waren drei in Holz gefertigte<br />

Waschbecken, welche innen mit Weissblech wasserfest ausgekleidet waren. Rechts stand eine Trockenwinde, und<br />

oben auf drei Metern Höhe rotierte ein Ventilator die stickigen Dämpfe zum Haus von Bäckermeister Hans Schüssler<br />

in Richtung Backstube.<br />

Die Wäsche wurde mit Seifenblöcken von Hand eingeseift und in dem mit Holz aufgeheizten Kesselofen gekocht<br />

Zur Linken stand ein alter Kesselofen mit einer eingebauten Holzfeuerung. Darin wurde die Kochwäsche<br />

vorgekocht, bevor diese in den Holztrögen mit Steinfels-Seife behandelt wurde. Im Rücken waren zwei<br />

Arbeitsplätze, damit die Kleider ausgebreitet und kontrolliert werden konnten, und ein Holzgestell mit Waschmitteln,<br />

Blockseifen und anderen Utensilien. Nebst Wasserzubern in verschiedenen Grössen standen Kessel, Schöpfgeräte,<br />

Wasserstampfer und Besen einsatzbereit. Am Boden stand man auf einem Holzrost, damit man beim Arbeiten nicht<br />

nasse Füsse bekam.<br />

Um 7 Uhr betrat unsere Waschfrau, Frau Troxler, die Waschküche und begann mit ihrer strengen Arbeit in eigener<br />

Regie. Bereits eine Stunde zuvor musste mein Vater Karl der Zweite den Heizkessel kräftig einheizen. Nun begann<br />

das ganze Prozedere: Frau Troxler trennte einen Riesenberg von Übergwändli von Vater, Arbeitsschürzen der<br />

Dienstmädchen und privaten Kleidern der Familie. Es wurde eingeseift, gerieben, gestampft, abgekocht und<br />

ausgespült. Um 9 Uhr war Pause, Frau Troxler kam in die Küche im Hochparterre der KS-7, wo Oma Anna-Helena<br />

und Mutter Rosa mit einem kräftigen Frühstück aufwarteten. Auf der Speisekarte fand man gebratenen Maiskuchen,<br />

Rösti mit Speck, Spiegeleier, aber auch Butterbrote mit Konfitüre standen auf dem Tisch. Der Milchkaffee servierte<br />

Oma in grossen Kacheltassen. Vor und nach dem reichhaltigen Frühstück wurde stehend gebetet. Nachdem die<br />

Wäsche mühsam gewaschen worden war, musste die ganze Bagage durch das Haus zum Balkon getragen werden.<br />

Dafür war Vater mit seinen Gehilfen zuständig. Im Vorfeld baute Karl der Zweite mit Gefolge die Wäscheleinen auf.<br />

Mit alten gekreuzten Bohnenstangen aus Holz wurde das Gewicht der nassen Wäsche, welche an den<br />

improvisierten Leinen hing, abgefangen.<br />

Eines Tages im Sommer 1956, es war wieder mal ein Waschtag, zeigte die Waschfrau Troxler der Rosa in der<br />

Küche ihr offenes Bein. In dem Augenblick betrat meine kleine Schwester Christina den Frühstücksraum. Der<br />

Anblick dieser offenen Beinwunde erschreckte meine feinfühlige Schwester derart, dass sie einen Schock bekam<br />

und sich in ärztliche Behandlung begeben musste. Es dauerte Monate, bis Christina mit der erlebten Situation<br />

umgehen konnte. Meine Eltern machten sich während Wochen Vorwürfe zu den Geschehnissen mit der Waschfrau,<br />

die ja nichts dafürkonnte.<br />

24 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Eine Leiche in unserer Waschküche<br />

Mario hat seinen Grossvater soeben frisch ausgegraben<br />

Der Totenkopf im ausgekochten Zustand<br />

Im Frühling 1967 besuchte mich mein Freund Mario Pfister aus Zürich an der KS-7 in Cham. Der aus dem<br />

Thurgau stammende äusserst attraktive junge Mann wollte unsere Waschküche für vier Tage mieten. Weil ein<br />

Umbau der Garage wie auch der Waschküche auf Herbst 1967 eingeplant war, stand die Nasszelle ungenutzt und<br />

leer da. Nichts Böses ahnend, stimmte ich nach Rücksprache mit meinen Eltern dem mit einem Fragezeichen<br />

belasteten Handel zu. Einige Wochen später, ich hatte die Abmachung schon fast vergessen, fuhr Mario Pfister mit<br />

seinem alten schwarzen Peugeot 203, Jahrgang 1950, an der KS-7 vor. Ich begleitete den kuriosen Waschküchenmieter<br />

durch die leere Garage zum Ort des Geschehens. Mister Pfister bemühte sich, einen grösseren Plastiksack<br />

von seinem Auto in die Waschküche zu schleppen, während ich mich anderen Tätigkeiten widmete. Etwa eine<br />

Stunde war vergangen, bis ich einen ekligen Geruch in meiner Nase verspürte. Auch Frau Stirnimann vom<br />

Nachbarhaus beklagte sich über die unangenehmen Düfte, welche aus unserer Waschküche kamen.<br />

Umgehend begab ich mich zur Waschküche, in der ich den attraktiven Mario beim Auskochen einer Leiche<br />

vorfand. Pfister, ein angehender Medizinstudent, hat es gewagt, in einer kleinen Thurgauer Gemeinde seinen vor<br />

25 Jahren verstorbenen Grossvater eigenhändig auszugraben und die sterblichen Überreste (das intakte Skelett) in<br />

unserer Waschküche auszukochen. Trotz der Reklamationen, welche ich bei den Nachbarn herunterspielte, liess ich<br />

Pfister seine Arbeit zu Ende bringen. Bei einem späteren Besuch in seiner Wohnung in Zürich hing dann das sauber<br />

verarbeitete Skelett des Grossvaters von Mario völlig intakt zusammengebaut im Arbeitszimmer des Medizinstudenten.<br />

Fritz Wolf, der Kaffeeröster von Cham, witterte ein neues Geschäft: Er eröffnete in seiner Liegenschaft am<br />

Bärenplatz den ersten öffentlichen Waschsalon im Ennetsee. Für meine Mutter ein willkommenes Geschenk. Ab<br />

sofort pilgerte meine ganze Familie mit der schmutzigen Wäsche über die Bärenbrücke zum Salon von Fritz Wolf. Zu<br />

der Zeit sah man viele Dorfbewohner mit Wäschekörben in Richtung Bärenplatz laufen, was die Aussage bestätigte,<br />

dass der geschäftstüchtige Fritz Wolf mit seiner Idee wirtschaftlich gesehen richtig lag. Es dauerte dann noch einige<br />

Jahre, bis Mutter Rosa im ersten Stock eine eigene Waschmaschine in Betrieb nehmen konnte.<br />

Die Liegenschaften Knonauerstrasse 5 und 7 wurden jahrzehntelang durch einen kleinen Gehweg auf Seite<br />

Nr. 5 und einen kleinen lang gezogenen Garten auf der Parzelle der Nr. 7 getrennt. An der Front beim Trottoir stand<br />

ein grosses zweiteiliges Schmiedeeisentor, welches den Zugang zu dem mit sieben bunten Rhododendron-<br />

Sträuchern bestückten Kleingarten meiner Grosseltern trennte. Am Kopf, also direkt vor der Waschküche, pflanzte<br />

mein Grossvater Karl der Erste anlässlich meines Geburtstags am 31. August 1947 eine junge Tanne (Zypresse). Es<br />

war der Baum, der gleichzeitig mit mir vom Kind zum Mann heranwuchs und gross wurde.<br />

Der Baum meines Lebens. Während 65 Jahren begleitete mich die Zypresse durch alle Lebenslagen. Bis zu jenem<br />

Freitag, dem 14. Dezember 2012, als der neue Hausbesitzer mir im Treppenhaus kurz und knapp erklärte, dass er<br />

den Baum in drei Tagen fällen würde. Trotz mündlicher Vereinbarung anlässlich der Überschreibung der<br />

Liegenschaft und der Auflage, dass die inzwischen auf 14 Meter herangewachsene Zypresse stehen bleiben soll,<br />

wurde mein Baum am Montag, 17. Dezember, in den frühen Morgenstunden brutal gefällt: angeblich weil die Tanne<br />

krank sei, das meinten die damaligen Baumfäller. Der von mir beauftragte Forstingenieur konnte später bei bestem<br />

Willen keine Krankheiten am zurückgebliebenen Strunk der gefällten Zypresse feststellen. Übrigens, die Zypresse<br />

war eine im offiziellen Baumregister eingetragene Tanne, welche ohne Einwilligung der Gemeindebehörden nicht<br />

hätte gefällt werden dürfen. Zum Glück war ich am besagten Tag der Vollstreckung für kurze Zeit in der<br />

Andreasklinik, so bekam ich von dieser Baumfällaktion, die mich heute noch beschäftigt, nicht allzu viel mit.<br />

In den Sechzigerjahren wurde der Garten zurückgebaut, und aus dem Gehweg wurden drei Parkplätze, wovon<br />

einer mir gehörte. Ich brauchte den Platz nicht, und so kam mein Nachbar, Bäckermeister Schüssler, auf die Idee,<br />

die Parkfläche zu vermieten. Es dauerte vier Jahre, bis ich Hans Schüssler auf die Schliche kam. Vom<br />

unrechtmässig kassierten Geld (monatlich Fr. 80.--, also Fr. 3840.--) haben meine Familie, auch ich nie was gesehen.<br />

1965 wurden der Gehweg und der Garten in eine für Autos zugängliche Parkanlage umgebaut und asphaltiert.<br />

Das schmiedeeiserne Gartentor wurde versetzt. Es steht noch heute als Grenzabschluss zwischen den Liegenschaften.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 25


Sophie & Philipp Naunheim<br />

Das Hochzeitsfoto mit Sophie und Philipp-Paul produzierte das Studio Hirsbrunner 1910 in Luzern. Auf den anderen<br />

Bildern zeigt sich Sophie mit ihren Enkelkindern, wie zum Beispiel mit Sigfried, Werner und mit Cousine Karin<br />

Tante Sophie Müller heiratete 1910 Philipp-Paul Naunheim. Sophie ist mir als absolute Frohnatur in Erinnerung<br />

geblieben, obwohl sie von schweren Schicksalsschlägen hart getroffen wurde. 1918 ging eine schwere<br />

Grippeepidemie durch die Landen, der die damalige Medizin nicht gewachsen war. Innert vier Wochen verloren<br />

Tante Sophie und ihr Mann Philipp-Paul drei ihrer Kinder. Später stellte sich das Familienglück mit der Geburt der<br />

Söhne Werner und Kurt wieder ein. Doch kurz darauf verlor Sophies Gatte, Berufsmusiker im Tonhalleorchester<br />

Zürich, sein Engagement. Philipp-Paul blieb in der Folge stellenlos. Anschliessend gründete Philipp mit einem<br />

Bekannten ein Schuhgeschäft. Sophie stellte sich als Schuhverkäuferin zur Verfügung. Leider war der<br />

Geschäftspartner nicht ganz Lupenrein, darum ging die Firma damals Konkurs. Deswegen musste Tante Sophie<br />

wohl oder übel ihre Familie als Raumpflegerin allein durchbringen.<br />

Eine grosse Erleichterung trat ein, als meine Grosseltern Sophies Sohn, Werner Naunheim, in die Familie in<br />

Cham aufgenommen haben. Sein Götti, Karl der Erste, verhalf Werner zu einer Lehrstelle als Elektromonteur im<br />

Unternehmen von August Sidler in Cham. An dieser Stelle sei vermerkt, dass Werner später an der Elektrifizierung<br />

des Kirchturms St. Jakob zu Cham in einer Führungsposition beteiligt war. Werners Bruder, Kurt Naunheim, lebte an<br />

der sogenannten Goldküste am Zürichsee. Kurt war im September 1946 Nebenhochzeiter anlässlich der<br />

Vermählung von Karl dem Zweiten mit Rosa Scherer am 21. September 1946 in Cham.<br />

Maurus Wyss lebte in den USA<br />

Eine ganz besondere Reise unternahm Tante Sophie im August 1960. Aufgrund einer Einladung von Maurus<br />

Wyss, dem Sohn ihrer Schwester Lina, reiste die liebe Sophie in die USA. Dort traf man die illustre Lady aus dem<br />

Clan der "Müllerinnen" in Wells im Staate Wisconsin. Fünf Jahre später, im Jahre 1965, starb Sophie Naunheim-Müller.<br />

Philipp-Paul Naunheim, geboren 1871, von Coblenz ehemals Preussen.<br />

Er lebte bis zum November 1913 in Cham. Verstorben ist Philipp-Paul 1958 in Zürich.<br />

Sein Grab fand man damals auf dem Friedhof Realp, Zürich.<br />

26 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein Blick in die Jugend- und die Militärzeit von Werner Naunheim<br />

Der jugendliche Werner Naunheim als Junioren-Schwimmtalent in den Medien und im Aktivdienst in den Bergen<br />

Werner Naunheim, geboren am 22. Januar 1920, Sohn des Musikers Philipp-Paul Naunheim aus Koblenz (BRD)<br />

und der Sophie-Rosina, geborene Müller aus Cham ZG. Werner musste nach der Primarschule das Elternhaus in<br />

Zürich verlassen, da seine Tante, die Anna-Helena, Gattin seines Patenonkels Karl, plötzlich schwer erkrankte. Die<br />

Werder-Müllers betrieben im zugerischen Cham einen eigenen Kolonialwarenladen mit angegliedertem<br />

Transportgeschäft. Werners Aufgabe bestand darin, im Laden mitzuhelfen. Dank seiner Zuverlässigkeit und der<br />

sauberen Führung der Finanzen wurde ihm bald die Verantwortung zur Führung des ganzen Verkaufsladens<br />

übertragen. Wie sich später herausstellte, war die ganze Aktion mit Werner ein Beschluss des schwarzen Kabinetts.<br />

Das waren die Schwestern seiner Mutter Sophie mit den anderen vier "Müllerinnen". Fortan wohnte der junge<br />

Werner an der KS-7, wo er auch die Sekundarschule besuchte. Ungewollt wurde also Cham zur zweiten Heimat von<br />

Werner Naunheim. Sein Götti, Karl Werder-Müller, kaufte ihm sein erstes Fahrrad, damit er pünktlich das Training<br />

zum Schwimmen im Schwimmclub Zug besuchen konnte. Als Juniorschwimmer erreichte er erste Ränge, und so<br />

wurde Werner in der Folge an den Schweizer Schwimmmeisterschaften in der Klasse 200 Meter Freistil ehrenhaft<br />

der Titel des Schweizer Meisters übergeben. Werner schwamm an diesen Meisterschaften bei einer<br />

Wassertemperatur von gerade 16 Grad Celsius. Ab 1943 besuchte Werner in einem Zug die Rekruten- und die<br />

Unteroffiziersschule mit anschliessendem Aktivdienst. Werner kannte man als äusserst naturverbundenen<br />

Zeitgenossen.<br />

Werner und Frieda verlassen die Kirche St. Jakob in Cham. Die Familie Naunheim wuchs auf neun Kinder.<br />

Im Bild rechts zu sehen sind noch Ingrid und Karin, zwei Kinder von Kurt und Esther Naunheim.<br />

Am 7. April 1945 heiratete Werner Naunheim in der Pfarrkirche St. Jakob in Cham Frieda Werder. Frieda war<br />

der Kunst angetan und als Malerin in etablierten Kreisen sehr beliebt. Der Ehe von Werner und Frieda entsprossen<br />

am 27. Februar 1946 die Söhne Sigfried, 1947 Werner jun. und 1948 Helmuth. Später folgten Elisabeth (1949),<br />

Hubert, Rosmarie, Beatrice, Christoph sowie Franziska. Werner Naunheim wurde vom Regierungsrat des Kantons<br />

Zug zum Fachlehrer im Vollamt für Elektroberufe an der damaligen Gewerbeschule des Kantons Zug angestellt.<br />

Noch heute erinnern sich einige Senioren an die Zeit ihrer Ausbildung bei Werner Naunheim zurück.<br />

Nach einem erfüllten Leben verstarb Werner Naunheim im Kreise seiner Familie am 24. Mai 2014<br />

im Alter von stolzen 94 Jahren in der Andreasklinik Kirchbühl in Cham.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 27


Die Familie Naunheim, einst und heute<br />

V.l.n.r.: Mutter Frieda mit Rosmarie, Hubert, Helmut, Werner jun.<br />

Franzisca, Elisabeth. Vater Werner mit Christoph und dessen<br />

Frau Nadja. Auf dem Foto fehlen Sohn Sigfried u. Tochter Beatrice<br />

Auf dem Bild aus dem Studio Russi, Cham, sind<br />

Werner, Sigfried, Helmut, Elisabeth, Hubert mit<br />

Rosmarie und Beatrice zu sehen<br />

Sigfried (Sigi) Naunheim, Frieda Naunheim-Werder, Kurt Kurt Naunheim-Müller,<br />

27. Februar 1946 bis 22. Januar 2007 4. Januar 1920 bis 14. Januar 2005 29. März 1921 bis 3. Juli 2002<br />

Die persönlichen Daten der Familie von Sophie und Philipp-Paul Naunheim, Zürich<br />

Mutter Sophie Naunheim, geborene Müller geboren 1882 gestorben am 5. Mai 1963<br />

Vater Philipp-Paul Naunheim geboren 1871 gestorben im Jahr 1958<br />

Tochter Gertrud Naunheim > (Grippe-Opfer) geboren 1912 gestorben im Jahr 1917<br />

Tochter Marta Naunheim > (Grippe-Opfer) geboren 1913 gestorben im Jahr 1917<br />

Sohn Paul Naunheim > (Grippe-Opfer) geboren 1915 gestorben im Jahr 1917<br />

Sohn Werner Naunheim (Gewerbeschullehrer) geboren 1920 gestorben am 24. Mai 2014<br />

Sohn Kurt Naunheim (Techniker bei Siemens) geboren 1921 gestorben am 3. Juli 2002<br />

Sophie und Philipp-Paul Naunheim lebten ab 1913 an der Fröhlichstrasse 39 in Zürich-Riesbach,<br />

später dann an der Dufourstrasse 174, heute Kreis 8 in Zürich.<br />

Recherchen durch das Zivilstandesamt Stadthausquai 17, 8022 Zürich,<br />

Bildnachweise und Beglaubigung by Werner Naunheim junior im Januar 2016.<br />

Die Naunheim-Family in Elisabeths Gärtli am Froschenweg in Zug<br />

28 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Naunheim-Family in Elisabeths Gärtli am Froschenweg in Zug<br />

V.l.n.r.: Christof, Helmuth, Hubert, Elisabeth, Werner, Franziska, Rosmarie, mit anderen Worten "The Naunheims"<br />

Christof ist verheiratet und hat eine Tochter namens Chiara. Helmuth ist stolzer Vater von den drei Töchtern<br />

Evelyne, Nicole und Chantal. Hubert hat einen Sohn Tobias sowie zwei Töchter, Marianne und Daria. Elisabeth blieb<br />

kinderlos. Sie lebte für eine längere Zeit mit Oskar Ibarra in New York, wo sie für eine Grossbank tätig war. Werner<br />

ist verheiratet. Er hat drei Kinder: Susanne, Regina und Adrian. Rosmarie, ebenfalls verheiratet, ist Mutter von<br />

Simone, Olivia und Dani. Franziska ist verheiratet und hat eine Tochter namens Lea.<br />

Nicht auf dem Foto ist Beatrice Woodward. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern James und<br />

Miranda in Melbourne im fernen Australien. Nicht vergessen will ich an dieser Stelle Sigfried (SIGI), den<br />

Ältesten der Naunheims aus meiner Generation. Er ist leider im Januar 2007 viel zu früh gestorben.<br />

In guter Erinnerung bleibt mir das Datum vom Abend des 28. Mai 2016, an dem ich in Elisabeths Gärtli<br />

den Naunheims mein Buchprojekt in bereits fortgeschrittenem Stadium vorstellen durfte.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 29


Tante "Mamma" Karolina (Lina)<br />

Karolina (Lina) Wyss-Müller<br />

Und schliesslich Tante "Mamma" Karolina Müller, so ihr Name, wie er im offiziellen Familienbüchlein erscheint.<br />

Später wurde daraus unsere Tante Lina. Kaum aus der Schule, musste Lina als Kindermädchen und Nurse bei<br />

einer vornehmen Familie in Genf und Pruntrut Geld verdienen. In dieser Zeit lernte Lina nicht nur die französische<br />

Sprache. Die Gesellschaft und die Umgebung formten Lina zeitlebens zu einer äusserst feinfühligen, aber auch sehr<br />

toleranten, fast noblen Frau. Bei der Hochzeit ihrer Schwester Anna-Helena Müller 1905 in Cham lernte Lina den<br />

Steinhauser Maurus Wyss kennen, was wiederum zu einer weiteren Hochzeit führte. 1908 gebar Lina den ersten<br />

Sohn Maurus junior. Kurz vor Kriegsende kam Wilhelm als Sohn Nummer zwei zur Welt. Eigentlich hätte er Willy<br />

Wyss heissen sollen. Doch der Herr Pfarrer wollte den Kurznamen Willy nicht akzeptieren. Trotzdem war von einem<br />

Wilhelm Wyss später nie die Rede.<br />

Als Willy Wyss wurde er weit über die Kantonsgrenzen bekannt und ebenso beliebt. Darauf komme ich zu<br />

einem späteren Zeitpunkt ausführlich zu sprechen. Das etwas schmale Einkommen besserte Lina mit dem Besticken<br />

von Kissen etwas auf. Als dann der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde auch Vater Maurus Wyss zum Dienst<br />

eingezogen. Damit folgte eine sehr schwierige Zeit für Mamma Lina. Wie sie diesen Lebensabschnitt überstanden<br />

hat, ist nicht so ganz erkennbar. Sicher ist nur, dass Maurus junior, Bub genannt, von Onkel Carl, der in Unterägeri<br />

das Restaurant Post führte, aufgenommen wurde. Zu Kriegsende trat dann auch noch Walter in die Familie ein.<br />

1925 musste Mamma Lina den Abschied vom inzwischen 17-jährigen Maurus junior verkraften. Sie schickte Maurus<br />

jede Woche einen handgeschriebenen Brief an seine neue Destination in den USA.<br />

Ein schwerer Schlag in Linas Leben war der Verlust ihres 17-jährigen Sohnes Walter. Ohne die Stütze ihrer<br />

Schwester Marie Müller wäre Lina in dieser Schicksalsphase mit Sicherheit vor seelischem Schmerz zerbrochen.<br />

Die Sonnenseite schickte Lina ein paar Hoffnungsstrahlen: die Besuche von Maurus nach heil überstandenem<br />

Kriegsdienst und ihre Reise nach Amerika. Später betrieb Tante Lina in Steinhausen ein eigenes kleines<br />

Lebensmittellädeli, das sich mitten im Dorf im Parterre eines Hauses befand. Mit unregelmässigen Öffnungszeiten<br />

versorgte Lina die Steinhauser mit Nahrungsmitteln. Angeliefert wurden die Fressalien hauptsächlich von ihrer<br />

Schwester Anna-Helena aus Cham, was anlässlich einer Zusammenkunft des schwarzen Kabinetts beschlossen<br />

worden war. Wo einst das Haus mit dem Laden von Lina Wyss-Müller stand, ist nach dessen Abriss der<br />

Liegenschaft 2014 ein kleiner Park mit Sitzbank entstanden.<br />

Onkel Jan Müller, der in Amerika lebte, hatte anfangs in einer Fabrik eine für damalige Zeiten gehobene Anstellung.<br />

Jans Ehefrau Marie stammte aus dem Kanton Bern. Jan Müller tauchte nur einmal in Steinhausen auf. Das war beim<br />

Tod von Lina Wyss, Mutter von Maurus junior. Onkel Jan erkannte die hohe Intelligenz von Maurus junior. Darum lud<br />

er ihn nach Amerika ein. Jan war überzeugt, dass Maurus im Gelobten Land, den USA, bessere Bildungs- und<br />

Aufstiegsmöglichkeiten haben würde. Heute wissen wir alle, dass Onkel Jan recht hatte. An dieser Stelle sei ihm<br />

nachträglich dafür gedankt.<br />

1931 wurde die SWISSAIR gegründet. Diese Tatsache nahm man in den Kreisen der Werder-Müllers mit grossem<br />

Interesse zur Kenntnis. Die Familie pflegte schon immer internationale Beziehungen. Unter anderem darum, weil<br />

Maurus Wyss in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte und damit Onkel Jan Müller folgte.<br />

Zum damaligen Zeitgeschehen:<br />

1882 begann der Architekt Antonio Gaudì mit seinem Lebenswerk,<br />

dem Bau der Basilika Sagrada Familia in Barcelona. Seine Zielsetzung:<br />

dieses gigantische Bauwerk nach 144 Jahren Bauzeit, also 2026, fertiggestellt zu haben.<br />

Der aktuelle Projektleiter Jordi Faulì, heute 56-jährig, ist seit 2012 im Amt und ist bereits der neunte Architekt<br />

30 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Haus mit dem Lebensmittelladen von<br />

Tante Lina Wyss in Steinhausen 1945<br />

Die Brüder Walter und Friederich mit Josef Scherer auf dem Weg in die<br />

Kirche zur Hochzeit von Willy und Maria Wyss in Steinhausen.<br />

Im Hintergrund das Haus mit Linas Lebensmittelladen im Dorfzentrum<br />

2014 wurde Linas Haus mit dem kleinen Laden dem Erdboden gleichgemacht.<br />

Heute findet man an der Stelle einen kleinen Park mit Bäumen und Bänkli zum Ausruhen<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 31


Die illustre Tante Josy aus der Leuchtenstadt<br />

Josephine (Josy) Burri-Müller mit Sophie Naunheim, Hermine und Gritli Die alte Hutbox einer meiner Tanten<br />

Tante Josy Burri-Müller heiratete Fritz Burri, Lokführer bei den Brünig-Bahnen. Sie bleibt mir in Erinnerung als<br />

liebenswürdige, etwas eigensinnige Tante, einfach etwas anders als die im Vor- und Nachfeld genannten Damen,<br />

die sogenannten Müllerinnen. Durch die Heirat wurde sie gleichzeitig die Stiefmutter von Werner und Margrith, den<br />

Kindern von Fritz Burri aus erster Ehe. Josy gebar die Söhne Hermann und Robert. Sohn Hermann Burri betrieb<br />

eines der angesehensten Lederwarengeschäfte in der Luzerner Altstadt mit Filialbetrieb. Josy Burri-Müller war unter<br />

anderem die Gotte von Ursula Werder. Onkel Hermann besuchte vor allem meine Oma, die Tante Anna-Helena in<br />

Cham, und die Lina in Steinhausen. Wem die alte Hutbox im Bild oben rechts zugeordnet werden kann, weiss ich<br />

nicht.<br />

Diese zwei Fotos repräsentieren Augenblicke vom 80. Geburtstag von Tante Josy<br />

Burri-Müller, festgehalten am 21. Juni 1957 durch Onkel Hans Werder, Cham<br />

V.l.n.r. Elisabeth Burri, Ursula Werder und Beatrice Burri.<br />

Elisabeth und Beatrice sind die zwei Burri-Töchter.<br />

Links im Bild ist Irene, die Ehefrau von Hermann Burri, mit<br />

Tante Josy. Positionen 5 u. 6: Augusta mit Ursula Werder.<br />

Ebenfalls in guter Erinnerung waren die zwei Töchter von Hermann, die jeweils im Heck des VW-Käfers<br />

herumturnten. Aufgefallen war Hermann mit seinem knallroten VW, ausgestattet mit dem noch geteilten Heckfenster,<br />

aus dem mir Elisabeth und Beatrice beim Wegfahren jeweils zuwinkten.<br />

Noch vor der Pensionierung erkrankte Fritz Burri schwer, was seinen Tod zur Folge hatte. Tante Josy hatte<br />

immerhin die Genugtuung, dass ihre Söhne Hermann und Robert erfolgreiche Geschäfts- und Berufsleute geworden<br />

waren. Im Jahr 1959 verstarb Tante Josy in Luzern. Anfang der Sechzigerjahre brachen leider alle Kontakte ab.<br />

Von Onkel Alois, welcher Postbeamte war, weiss man leider wenig zu berichten. Als Nachkommen sind die Tochter Lorli<br />

und Sohn Max bekannt. Und da war noch Alfons, ein Sohn aus erster Ehe. Weil man sich damals nicht so oft besuchen<br />

konnte, blieben die Kontakte spärlich, und damit fehlen mir auch hier weitere Erinnerungen, schade!<br />

32 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Carl und sein Wirken als Zuckerbäcker<br />

Die mit viel Liebe gestaltete Zeigemappe des Konditors Carl Müller<br />

Überreste einer Neujahrskarte für Hans Werder<br />

Onkel Carl, von Beruf Zuckerbäcker und Konditor, war ein äusserst liebenswürdiger gütiger Mensch. Wie schon<br />

im Vorfeld erwähnt, führte er zeitweise das Restaurant Post in Unterägeri. Die Nähe zur Familie Wolfgang Henggeler<br />

war leider nicht glücklich. Vermutlich hing das mit seiner Lisa zusammen. Darunter musste Carl sehr leiden, weil<br />

seine Schwestern vom schwarzen Kabinett, mit Ausnahme von Lina, ihm für immer den Rücken zukehrten.<br />

Onkel Carl zog es im Anschluss nach Basel, wo er erfolgreich eine eigene Confiserie führte. Mit seinen süssen<br />

Leckereien, Pralinen und Torten belieferte er namhafte Firmen und Hotels zwischen Basel, St. Moritz, Lugano und<br />

Zürich. Davon profitierten nicht zuletzt auch seine Verwandten. Nach dem Tod von Lisa verband sich Onkel Carl mit<br />

Meta Fischer aus dem aargauischen Wohlen. Dann brachen leider sämtliche Kontakte ab.<br />

Inzwischen schreibt man das Jahr 1915, in dem aus der Hauptstadt Zug folgende Neuigkeit bekannt wurde:<br />

Ein gewisser Heinrich Höhn hatte ein Feingebäck, einen mit Kirsch getränkten Kuchen, erfunden. Er hätte<br />

anscheinend Monate an der speziellen Rezeptur herumgetüftelt, bis er zu Weihnachten 1915 ein erstes Inserat der<br />

ZUGER KIRSCHTORTE in den "Zuger Nachrichten" schaltete. Noch heute ist die Torte - zwei Japonaisböden,<br />

verbunden mit einer mit Kirschlikör getränkten Biskuitschicht und verziert mit einem feinen Rautenmuster im<br />

Puderzucker - bei den Zuger Zuckerbäckern erhältlich und erfreut die Gaumen vieler Schleckmäuler im ganzen<br />

Land. Zeitgenossen von Onkel Carl, unserem Familienkonditor aus Unterägeri und Basel, erzählten, dass Carl mit<br />

dem Kirschtorten-Erfinder Heinrich Höhn in einer Partnerschaft oft zusammengearbeitet haben soll.<br />

Konditorei Höhn in Zug 1917 Die Sujets von Onkel Carl Peter Speck, Zug Kirschtortenplatz, 2016<br />

Anlässlich eines spontanen Besuchs bei meiner Cousine Gisela Emmenegger-Wyss kamen wir auf unseren<br />

Zuckerbäcker Carl Müller zu sprechen. Bei diesem historischen Dialog präsentierte mir Gisela die von<br />

Tante Maria Wyss vererbte handgemachte Zeigemappe des Konditors aus Basel. Die Sujets sind alle mit kleinen<br />

Nummern versehen, sodass der Kunde seine eigene Auswahl der Leckereien treffen konnte<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 33


Symbolbilder als Rückblende in die Zeit der goldenen Zwanzigerjahre<br />

Models Jastina-Doreen und Darsteller Dario geben eine Szene beim Nachmittagstee aus den Zwanzigerjahren wieder<br />

Mit diesen Symbolbildern, welche ich in Zusammenarbeit mit der Shabby-Chic-Künstlerin Teresa Riederer im<br />

Sommer 2016 produziert habe, möchte ich die Leserinnen und Leser meines Buches "Wer ? der <strong>Charly</strong>" an die<br />

Anfänge der Zwanzigerjahre zurück erinnern. Es war die Zeit, in der mein Grossvater und meine Grossmutter das<br />

Haus an der Knonauerstrasse 7 in Cham von Frl. Elsener käuflich erworben haben. Meine Grosseltern machten sich<br />

selbstständig, für das Paar begann eine neue Zeitepoche ins Ungewisse.<br />

Dass wir in Omas Kolonialwarenladen auch Produkte aus dem Sortiment Kentaur verkauft haben, ist noch<br />

gut in meinen Erinnerungen präsent. Zum Beispiel die Kentaur-Haferflocken sie standen immer wieder auf dem<br />

Frühstücksplan von Oma Anna-Helena.<br />

Ob Jayden hier Hausaufgaben macht? Wir wissen es nicht. Die "Illustrierte Schweizer Hauszeitung" vom 17. Juni 1922<br />

34 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Haus Knonauerstrasse 7 war nicht nur Mittel zum Zweck<br />

Als Dreigenerationenhaus hat es viele spannende Familiengeschichten miterlebt.<br />

Einige davon sind in meinem Buch enthalten.<br />

Erbaut wurde das Wohn- und Geschäftshaus im Jahr 1903 durch den damaligen Kupferschmied Meier. Es<br />

handelte sich um einen Teilriegelbau mit Dachkreuzgebälk. 1920 erwarben meine Grosseltern die Liegenschaft<br />

durch die Vermittlung einer Frau Elsener-Schöni zum Preis von Fr. 40 000.--. Zur Zeit der Kaufverhandlungen und<br />

der Übernahme bewohnte Adolf Temperlin noch einzelne Räume der Liegenschaft 288 a. Diese Information stammt<br />

aus dem handgeschriebenen Kaminfegerheft, datiert vom 18. März 1919, welches noch als Original bei mir vorliegt.<br />

Das Dreigenerationenhaus meiner Familie war im Zeitfenster von 1920 bis 2010,<br />

also während 90 Jahren, der offizielle Firmen- und Familiensitz der Werder-Familien.<br />

Die Knonauerstrasse 7 (KS-7) war gleichzeitig mein Geburts- und Elternhaus in Cham<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 35


Reklame zu Omas Zeiten<br />

Die siebenstufige Doppeltreppe aus Granitstein führte vom Pflasterstein-Trottoir direkt zum bereits bestehenden<br />

Kolonialwarenladen meiner Grossmutter Anna-Helena, die mit viel Leidenschaft ihr Geschäft betrieb. In den zwei<br />

hochgestellten Schaufenstern mit sogenannten Montern aus Wellblech wurden Markenprodukte wie zum Beispiel<br />

MAGGI- und KNORR-Suppen oder Kaffee HAG wie auch Nestlé-Kondensmilch präsentiert. Oma Anna-Helena hat<br />

es verstanden, mit einfachen Reklamen die Arbeiter der umliegenden Fabriken in ihren gut bestückten<br />

Kolonialwarenladen zu locken.<br />

Nestlé: Milchmädchen in Reklametafel<br />

Mit Reklametafeln, wie man auf dieser Seite sehen kann, war Grossmutters Kolonialwarenladen gut bestückt<br />

36 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Knonauerstrasse mit dem Milchsüdi-Kamin und dem -Pförtnerhaus<br />

sowie der Einfahrt zur Milchsüdi, in der meine Grosseltern arbeiteten<br />

Übrigens: Die Knonauerstrasse, der direkte Weg ins Säuliamt nach Affoltern am Albis, wurde im Jahr<br />

1846 angelegt. Schon ein Jahr später, 1847, marschierten über 10 000 Mann der eidgenössischen<br />

Truppen, von Zürich her kommend, über die Pflastersteine der neuen Knonauerstrasse durch das<br />

Milchsüdidorf Cham am See nach Luzern.<br />

Das historische Bild aus dem Archiv von Lehrer Hermann Steiner zeigt die mit Pflastersteinen belegte<br />

Knonauerstrassse, fotografiert im Jahr 1920, als die Liegenschaft KS-7 an unsere Familie überging<br />

Bei gröberen Umbauarbeiten 1992 kam meine Cousine Ursula Müller-Werder in den Besitz des im<br />

Bild links fotografierten Grenzstempels aus dem Jahre 1910. Das andere Dokument rechts ist ein<br />

Zeitzeuge von Omas Verkaufsladen, in dem Nestlé-Produkte im Vordergrund standen.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 37


Das sind Originalauszüge aus dem von Hand geschriebenen Kaminfegerheft, das<br />

am 18. März 1919 von Fräulein Elsener, der damaligen Besitzerin der KS-7, AS.<br />

288 A, angelegt und verwaltet wurde.<br />

Die letzten Eintragungen berufen sich auf den 26. Mai 1976, an dem Kaminfeger Heinrich Ulmann den Kamin,<br />

die Rohrleitungen und die Zentralheizung zum Preis von Fr. 40.-- überprüfte. Die Kaminfegerverordnung im<br />

genannten Kaminfegerheft stammt vom 12. November 1917 und wurde von Landammann J. Hildebrand und<br />

Landschreiber A. Keiser im Namen des damals amtierenden Regierungsrates des Kantons Zug in Kraft gesetzt.<br />

Briefpost von Cham an Onkel Willy Wyss<br />

Diese Rechnung erhielt unser Onkel Willy Wyss, der aufgrund diverser Fakturen ein guter Kunde<br />

unserer Vorfahren war. Im Vorfeld der oben aufgeführten Rechnung vom 28. April 1945 zügelte<br />

mein Grossvater zum Preis von Fr. 74.-- diverses Umzugsgut von Zürich nach Steinhausen.<br />

Auch Heizmaterialien wie Balkankohle, Unionbriketts und Koks in Säcken wurde an die Familie Wyss geliefert.<br />

Im Jahr 1955 bezogen Willy und Maria Wyss-Scherer das im Eichholz 5 in Steinhausen neu gebaute Einfamilienhaus.<br />

Ab diesem Zeitpunkt belieferte mein Vater Karl der Zweite die stetig wachsende Familie Wyss<br />

mit Lebensmitteln aus dem USEGO-Laden in Cham.<br />

38 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Im Adressbuch des Kantons Zug aus dem Jahr 1945 konnte ich folgende Daten finden:<br />

Gemeinde Cham, 4645 Einwohner auf 1775 Hektaren Flächenanteil - 420 m ü. M.<br />

Gemeinde Steinhausen, 787 Einwohner auf 504 Hektaren Flächenanteil - 430 m ü. M.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 39


Unser Familienwappen: Wir Werders sind Bürger der<br />

Gemeinde Steinhausen im Kanton Zug<br />

Quelle aus dem Wappenbuch des Kantons Zug, gesichert von Albert Iten,<br />

Wilhelm J. Meyer und Ernst Zumbach im Jahre 1942<br />

Das Werder-Familienwappen, beschrieben im Wappenbuch der Bürger von Steinhausen<br />

Wappenbeschrieb: in Rot auf grünem Dreiberg, grünes Kleeblatt, begleitet von zwei sechsstrahligen goldenen<br />

Sternen und überhöht von silbernem Kreuz. Das im Bild gezeigte Wappen wurde 1956 gefertigt. Es zierte während<br />

25 Jahren den Grabstein von Karl Werder-Müller auf dem Friedhof Cham. 1980 habe ich aufgrund der befohlenen<br />

Grabräumung das für die Familie wertvolle Familienwappen der Werders in Besitz genommen.<br />

In Erinnerung an die Raumaufteilung der Liegenschaft<br />

Die Räumlichkeiten im Innern des Ladens bestanden hauptsächlich aus dem Kolonialwarenladen selbst und<br />

einem Rüstmagazin, das mit zwei grösseren Waagen ausgestattet war. Auch ein aus Holz gebauter Eiskasten, der<br />

stetig mit grossen Eisblöcken wie hier im Bild gefüttert werden musste, befand sich im Haus.<br />

Der Lebensmittelladen war damals verbunden mit der Wohnstube und der Familienküche. Die Stube war<br />

ausgestattet mit einem Kachelofen inklusive einer Sitzecke sowie eines kleinen Fachs zum Aufwärmen von<br />

Kirschsteinen. Die Stube war gleichzeitig das berühmte Sitzungszimmer der Damen vom schwarzen Kabinett. Nicht<br />

vergessen darf man das alte, schwarze Wandtelefon mit den Telefonnummern (6‘1435), später (36‘1435).<br />

Wandtelefone gab es von 1929 bis 1952. Die KS-7 war zu der Zeit noch vollständig mit Pflastersteinen belegt.<br />

40 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Der Stammbaum meiner Familie, der Werders von Steinhausen Zug<br />

Der Werder-Familienstammbaum, der seine Wurzeln im Jahre 1658 geschlagen hatte<br />

Der Werder-Familienstammbaum geht zurück ins Jahr 1658, in dem Johan-Jakob Werder die Maria Hildebrand<br />

aus Steinhausen heiratete. Der Stammbaum wurde in den frühen 1980er-Jahren von Annemarie Werder, Tochter<br />

des Küfers und Schreinermeisters Ernst Werder, in eigener Regie erforscht und mit viel Feingefühl entwickelt.<br />

Noch gut in meiner Erinnerung ist, wie uns der Milchmann Anton Renggli mit Pferd und Wagen, später dann die<br />

Herren Amstutz und Peter mit ihren Elektrowagen täglich ab 8.30 Uhr direkt vor dem Haus mit Frischprodukten<br />

bedienten. Von ihren Wagen schöpften sie Milch mit dem Litermass direkt aus der Kanne. Fast gleichzeitig tauchte<br />

der alte EHRLER mit seinem Handkarren auf. Bestückt mit diversen Besen und Schaufeln, sammelte er die<br />

Rossbollen ein, welche die Pferde vom Milchmann und vom Bauer Wittenbach auf dem Weg zur Molkerei<br />

hinterlassen hatten. Der alte Strassenputzer, zu Fuss aus dem Ehrli, Steinhausen, kommend, beseitigte sämtlichen<br />

auf der Pflastersteinstrasse und dem Trottoir liegenden Unrat. Geduldig beförderte Ehrler mit seinen Werkzeugen<br />

den Dreck in seinen aus Holz gefertigten alten Karren und zog von dannen. Herr Ehrler, den ich jeweils als Onkel<br />

Ehrler ansprach, war etwa 160 cm gross, eher schlank gebaut und äusserst nett. Während er vor der KS-7 sein<br />

Bierchen aus Omas Laden trank, hatte er oft ein kleines Schauermärchen für mich erzählbereit.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 41


Das fragwürdige Wirken des schwarzen Kabinetts<br />

Meine Tanten, die Anna-Helena Werder, Josy Burri, Sophie Naunheim und Karolina (Lina Wyss), also die<br />

Müller-Schwestern, waren eng Verbündete des Familienclans von Karl dem Ersten, der Werder-Müllers. Sie alle<br />

waren immer in Schwarz mit Netzhut gekleidet. Dazu waren sie mit edlen schwarzen Lederhandtaschen aus dem<br />

Hause Burri (Tante Josy) aus Luzern bestückt. Nachdem meine holden Tanten mit dem Zug aus Luzern, Zürich und<br />

Steinhausen angereist waren, holte mein Vater Karl der Zweite sie jeweils mit der ebenfalls schwarzen Ford-<br />

Limousine vom Bahnhof Cham ab. Denn von Zeit zu Zeit hielten die illustren, etwas in die Jahre gekommenen<br />

schwarzen Frauen eigens organisierte Zusammenkünfte, welche immer im Hause KS-7 in Cham stattfanden, ab.<br />

Oben am Stubentisch sass jeweils die Wortführerin, die meistens meine Grossmutter, die Anna-Helena, war. Sie galt<br />

als die Alphafrau der Familie. An diesen Sitzungen des sogenannten schwarzen Kabinetts hielt man Familienrat, bei<br />

dem die Tanten wichtige familieninterne Angelegenheiten berieten. Diese entschieden sie dann auch selbst und<br />

setzten sie durch. Eine Entscheidung des schwarzen Kabinetts war, dass Werner Naunheim, Sohn von Sophie, zum<br />

Arbeiten in Anna-Helenas Kolonialwarenladen beordert werden soll. Für Werner eine harter, nicht einfacher<br />

bevorstehender Lebensabschnitt.<br />

Zu dieser Zeit war zum Ärger der Ladys in Black das Frauenstimmrecht noch weit entfernt. Obwohl ich noch<br />

klein war, habe ich verstanden, dass manchmal politische Themen traktandiert waren. Die dem Freisinn (FDP)<br />

zugeneigten Damen entschieden also am Tisch, was ihre Männer auf dem Stimmzettel zu schreiben hätten. Durch<br />

einzelne Onkels und Tanten aus dem Scherer-Lager und weitere Recherchen konnte ich herausfinden, dass die<br />

Hochzeit zwischen Karl dem Zweiten und der Rosa (meinen Eltern) mit Sicherheit am Tisch des schwarzen<br />

Kabinetts verhandelt und schlussendlich so bestimmt wurde. Ein weiterer Stein des Anstosses war die bunt bemalte<br />

Hausfassade, der Schriftzug aus der Hand von Malermeister Paul Rast senior. Die Streitigkeiten zwischen den<br />

Behörden und den Verursachern des farbigen Übels am Haus KS-7 löste das schwarze Kabinett anlässlich einer<br />

extra einberufenen Sitzung in eigener Regie zu Gunsten meines Grossvaters. Dass Karl der Erste sich heimlich eine<br />

Nestlé-Aktie kaufte, nahm ihm das Kabinett in Black sehr übel. Die Damen zwangen Karl, seine Aktie umgehend<br />

wieder zu verkaufen. Nach den Sitzungen wurde Karl der Erste in die Stube gebeten. Sein Platz war auf der<br />

Ofenbank des 1938 von Emil Scherer erbauten Kachelofens. Als kleiner Junge durfte ich nur selten an den<br />

geheimnisvollen Treffen teilnehmen. Ich genoss es, jeweils bei der Ankunft und der Abreise mit meinem Vater Karl<br />

dem Zweiten im schwarzen Ford als Begleiter zum Bahnhof und wieder zurück an die KS-7 zu fahren. An den<br />

jeweiligen Stimmungsbildern, an der Mimik der Damen aus dem schwarzen Kabinett, konnte ich oft den Ernst der<br />

Situation erahnen. Sicher war, dass Grossvater nach den Sitzungen immer einen kräftigen Schnaps benötigte, den<br />

er aus seinem in der Stube stehenden Schreibtisch hinter dem hölzernen Rollladen hervorzauberte.<br />

Anna-Helena Vom Ford-Sedan, Jahrgang 1950, konnte ich leider kein Foto finden. Karl der Erste<br />

Im Bild ist der Nachfolger, unser Ford-Mainline aus dem Jahr 1956<br />

Einmal trafen sich die holden Tanten (das schwarze Kabinett) im Haus von Hans und Augusta Werder-Häfner in<br />

den Löbern, Cham. Dort sassen die Müllerinnen vergnügt auf einer Sitzbank im Garten und widmeten sich ihren<br />

Müllereien. Zu welchem Thema sich die Damen unterhielten, ist nicht bekannt. Sicher ist folgende Szene: Die<br />

Tanten schaukelten anscheinend auf der Sitzbank, bis diese kippte. Zum Schrecken der Anwesenden landete das<br />

illustre Quartett in dem hinter der Bank blühenden Brombeerstrauch.<br />

Die Mitglieder des schwarzen Kabinetts waren Anna-Helena als Vorsitzende, Lina als Vertreterin im Bereich des<br />

Kolonialwarenladens, Josy aus Luzern und Sophie aus Zürich. Nur in seltenen Fällen nahm Marie aus Unterägeri an<br />

den illustren Sitzungen teil, zum Beispiel, als Carlo Andermacher der Familie von Marie Henggeler anvertraut wurde.<br />

Susi Werder aus den Löbern, meine Cousine, freute sich immer, wenn Anna-Helena die beliebten<br />

Schrumpfäpfel aus dem Keller der KS-7 an die Familienmitglieder verteilte<br />

42 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein Schriftzug von Malermeister Paul Rast passte den Behörden nicht<br />

Paul Rast: Von jung an bis ins hohe Alter beschäftigte er sich mit dem Schriftzug an der KS-7 in Cham.<br />

Das berechtigte den Malermeister ab und zu, seinen Ärger mit flüssigen Prozenten zu tilgen.<br />

Ein aus der Hand gemalter Schriftzug C. WERDER-MÜLLER, mit viel Feingefühl gefertigt von Nachbar und<br />

Malermeister Paul Rast senior, war zu dieser Zeit ein Zeichen des Fortschritts. Es war ebenfalls Paul Rast, der an<br />

der linken Hausecke den rot-blau-gelb-grünen Schriftzug C. WERDER gestaltete. Diese bunten Buchstaben an der<br />

Hausfassade der KS-7 passten der Obrigkeit im Gemeindehaus gar nicht ins Dorfbild. Mit bösen Briefen fand ein<br />

unschöner Schriftverkehr zwischen dem Gemeindehaus und Paul Rast sowie Karl Werder-Müller statt. Karl der<br />

Erste und Paul Rast waren nicht einfach nur Nachbarn, sie waren auch gut befreundet.<br />

Zeit für das schwarze Kabinett, die Müllerinnen, die Streitigkeiten selbst an die Hand zu nehmen. Wie es die<br />

Müller-Schwestern geschafft haben, die Streitigkeiten zu begraben, ist leider nicht bekannt. Tatsache ist, dass die<br />

bunten Schriftzüge unverändert während mehrerer Jahrzehnte bis 1957 am Haus lesbar blieben. Und genau diese<br />

und weitere Schriftzüge der nächsten Generationen waren immer wieder für Auseinandersetzungen zwischen<br />

Behörden und Familienmitgliedern gut. Die farbigen Buchstaben, die Schriften waren und blieben ein unsinniger<br />

Zankapfel für weitere 50 Jahre.<br />

Neuer Schriftzug entstand im Oktober 1975<br />

Im Januar 1976 brach der Streit um den Schriftzug am Haus der KS-7 erneut aus. Die damals vom schwarzen<br />

Kabinett erzwungene Bewilligung war nur für den Schriftzug im Zusammenhang mit dem Kolonialwarenladen gültig.<br />

Eine Reklame für die Musikschule wollten die zuständigen Gemeindeväter nicht bewilligen. Hartnäckig wie mein<br />

Grossvater liess ich die Buchstaben diesmal durch den Sohn von Paul Rast, Ernst Rast, an die Hausfassade malen.<br />

Es dauerte nicht lange, bis ich auch mit den Werbegesetzen konfrontiert wurde. In meiner Familie gab es<br />

deswegen ebenfalls gröbere Diskussionen. Ich persönlich war der Meinung, dass, wenn einmal ein Schriftzug<br />

bewilligt wurde, dieser auch für weitere zeitlich angepasste Logos Gültigkeit haben sollte. Nach weiteren mühsamen<br />

und aufwendigen Abklärungen bekam ich dann vom Regierungsrat den positiven Bescheid, meine Schriftzüge an<br />

der Hausfassade nutzen zu dürfen. Der Streit wurde zur Jahrtausendwende zu meinen Gunsten geklärt. Im August<br />

2010 ging die Geschichte im Mandelhof von neuem los. Im Anschluss wurde die Liegenschaft nach 90 Jahren an<br />

Adrian und Edith Lässer verkauft. Wie es wohl mit den Schriftzügen weitergeht?<br />

Die Fotos von Paul Rast stellte mir sein Enkel Ernst Rast in dritter Generation am 10. Februar 2016 zur Verfügung<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 43


Zur Entstehung der Post und der Bahnpost im Dorf Cham<br />

Das Postgebäude mit der Apotheke Anklin an der Poststrasse beim Rabenplatz im Zeitfenster von 1910/12<br />

Im Jahr 1843 wurde erstmals eine Poststelle in Cham errichtet. 1852 erweiterte man die Ablage in<br />

Unterhünenberg mit Zustellgebiet in Ober- und Unterhünenberg durch Posthalter J.J. Wirt. 1854 fand in der<br />

Ortsgemeinde Cham täglich einmal eine Briefzustellung statt. Zweimal täglich wurden die Postwagenkurse auf der<br />

SBB-Linie Luzern - Zürich bedient. 1866 folgte die Einführung des Telegrafendienstes. 1870 übernahm Jost Burri die<br />

Post Cham. 1897 wurde der Albis-Tunnel eröffnet: Die Züge fuhren jetzt über Baar-Sihlbrugg und nicht mehr über<br />

Affoltern am Albis. 1903 wurde die Poststelle Cham durch Philip Burri in ein offiziell anerkanntes Postamt<br />

umgewandelt. 1905 wurde Joh. Babtist Baumann neuer Posthalter. Die Post hielt 1906 an der Hünenbergerstrasse<br />

(Raben-Schür) Einzug. Das Postoffice Cham wurde 1911 definitiv dem Postkreis Luzern zugeteilt. Emil Pfister wurde<br />

Posthalter. Er zügelte am 1. April 1913 die Post in das neue Geschäftshaus am Rabenplatz (Bild), wo die Nutzfläche<br />

135 Quadratmeter betrug. Der damalige Jahresmietzins betrug Fr. 3000.--. 1917 ging der Besitzer der Immobilie in<br />

Konkurs, das Geschäftshaus wurde damals von der Hypothekargenossenschaft Cham übernommen. 1940 erfolgte<br />

der Einbau einer stets zugänglichen Postfachanlage im Bereich des mittleren Fensters mit total 55 Fächern.<br />

Posthalter wurde Bernhard Freimann, der dann 1943 von Rudolf Vollenweider abgelöst wurde.<br />

1954 erfolgte der Anbau eines Paket- und Einstellraumes mit einer Nutzfläche von 93 Quadratmetern. Es<br />

folgten eine Vergrösserung der Postfachanlage und die Modernisierung des Publikumseingangs. Nach diesem<br />

Umbau auf Kosten der PTT standen der Post Cham Lokalitäten im Ausmass von 278 Quadratmetern zur Verfügung.<br />

1957 verzichteten die PTT-Betriebe, verwaltet durch Johann Schär, auf den Erwerb der Immobilie Posthaus Cham,<br />

das von den Erben Schweizer im Angebot stand. Grund dafür war, weil keine weiteren Ausbaumöglichkeiten für die<br />

Zukunft bestanden. 1967 gründete <strong>Charly</strong> Werder seine Firma. Er wurde Besitzer von Postfächern mit den Nummern<br />

18 und 55. 1973 übernahm Walter Schär die Leitung der Post Cham.<br />

Am 27. April 1983 wurde die Überbauung Neudorf-Center feierlich eröffnet. Nebst diversen Geschäften befand<br />

sich nun auch die Hauptpost Cham mit einer Raumnutzfläche von 716 Quadratmetern im Gebäudekomplex. Das<br />

Grundstück Nr. 2105 von total 1403 Quadratmetern an der Knonauerstrasse hatte die Post bereits im Jahr 1981<br />

käuflich erworben. Nebst der Zuger Kantonalbank war auch <strong>Charly</strong> Werder mit seinem Musikgeschäft und seinen<br />

Produktionsbetrieben auf einer Fläche von 150 Quadratmetern Mieter im Westsektor der Ladenstrasse. Dabei sei<br />

festgehalten, dass Werder damals noch vor der Post als allererster Mieter der Vereinigung Neudorf-Geschäfte den<br />

Mietvertrag für seine Lokalitäten (das Musikhaus) direkt mit dem Bauherrn Rainer Peikert persönlich unterzeichnete.<br />

Die statistischen Unterlagen aus dem Jahr 1983 belegen eindrücklich die Entwicklung der letzten 30 Jahre: Die<br />

Bevölkerung von Cham wuchs in dieser Zeit von 5500 auf über 9000 Einwohner an. Die Zahl der Haushaltungen<br />

nahm um ein Dreifaches zu. Im gleichen Ausmass vergrösserte sich auch die Briefpost, nämlich von jährlich 2 auf<br />

6,5 Millionen Sendungen (Aufgaben und Zustellungen). Die Post wurde 1997 in eine neue Geschäftsform, die<br />

Postfinance, umgewandelt. Zur Bekanntmachung der neuen Geschäftsbezeichnung wurde <strong>Charly</strong> Werder mit seinen<br />

Models in den Jahren 1998 und 1999 an die Tour de Suisse beordert. Jacqueline Blume, Leiterin der Model-Crew,<br />

realisierte im Auftrag der Postfinance die jeweiligen Siegerehrungen, welche jeden Abend in der "Tagesschau" des<br />

Schweizer Fernsehens ausgestrahlt wurden. Im Jahr 2003 wurde die 1983 eröffnete Post im EKZ Neudorf, Cham,<br />

infolge einer gröberen Fehlplanung gänzlich abgerissen und unter der Regie von Rita Wismer nach einem von Bern<br />

vorgeschriebenen modernen Konzept neu aufgebaut. Während des zweiten Neubaus war Jürg Kläntschi Posthalter.<br />

Dieses Amt übte er bis 2007 in der heute mit Accessoires bestückten Post Cham aus. Im Zeitfenster meiner<br />

Recherchen, 2015, leitete Urs Krummenacher mit seinem 12-köpfigen Team die Poststelle in der inzwischen auf<br />

15 000 Einwohner angewachsenen Ennetsee-Metropole. Noch im Jahr 2016 ist das EKZ Neudorf mit einer<br />

öffentlichen Telefonkabine ausgerüstet. Das aktuelle Postfach von <strong>Charly</strong> Werder trägt heute die Nummer 628.<br />

44 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Karl der Erste und sein Glück auf der Ofenbank im Hause KS-7<br />

Eines Nachmittags, man schrieb das Jahr 1950, sass Grossvater auf der Bank des in der Wohnstube verankerten<br />

Kachelofens, um in Ruhe sein offizielles Mittagsnickerchen zu halten. Plötzlich kam ihm in den Sinn, dass er seine<br />

Tabakpfeife in der Küche liegen gelassen hatte. So schritt er also von der Stube zur Küche, als gerade in diesem<br />

Augenblick ein grosser, schwerer Balken vom Hausdach der Schüssler-Baustelle aus der Nachbarschaft stürzte und<br />

durch das Stubenfenster direkt in die Sitzbank des Kachelofens einschlug. Wäre Grossvater nicht zur Küche<br />

gegangen, hätte dieses Ereignis mit Sicherheit zu seinem sofortigen Tod geführt. Es war eine grosse Aufregung,<br />

welche ich als "Büebi" persönlich miterleben konnte. Oma Anna-Helena hatte einen Schock, darum wurde sofort<br />

Familien- und Hausarzt Dr. Walter Spiller (1904 bis 1983) ins Haus bestellt. Vater, Karl der Zweite, der gerade am<br />

Bahnhof sein Elektromobil mit Kisten für die Maschinenfabrik belud, wurde per Telefon an die Unfallstelle beordert,<br />

und Mutter Rosa organisierte Sohn Hans und dessen Frau Augusta. Auch Polizist Freimann war vor Ort, um das<br />

ganze Geschehen protokollarisch festzuhalten. Verursacher dieses Missgeschicks waren Arbeiter (Zimmerleute) der<br />

Firma Rempfler, welche beim Nachbarhaus der Liegenschaft von Bäckermeister Hans Schüssler einen grösseren<br />

Um- und Anbau durchführten.<br />

Am 2. Juni 1953 wird in der Westminster Abbey London Königin Elisabeth II. feierlich gekrönt. Grund für meine<br />

Mutter Rosa, das Modemagazin „SIE & ER“ aus dem Hause Ringier in Zofingen zu abonnieren.<br />

1953: Die Tour de Suisse durfte ich Mitte Juni gemeinsam mit meinem Vater zum ersten Mal besuchen. Hugo<br />

Koblet wurde wie schon im Sommer 1950 Sieger dieses grössten Radrennens der Schweiz. Zwei Jahre zuvor, 1951,<br />

gewann der legendäre Ferdy Kübler, der als Champion in die Geschichte des Radrennsports einging. Ferdy national<br />

wurde damals von VIVI KOLA, einem Markenprodukt der Mineralquelle Eglisau, gesponsert. Dass dieser<br />

Grossanlass, die Tour de Suisse, in meinem späteren Leben eine äusserst wichtige Position einnehmen würde,<br />

konnte ich damals als gerade sechsjähriger Knirps noch nicht erahnen.<br />

Die Disney-Figuren am Tag der Eröffnung des Parks in Anaheim CA<br />

Walt Disney und Mickey<br />

Am 17. Juli 1955 feierte meine Mutter, die Rosa, ihren 35. Geburtstag. Am gleichen Tag eröffnete der damals<br />

54-jährige Walt Disney am 1313 Disneyland Drive in Anaheim California sein erstes DISNEYLAND (Kostenfaktor<br />

1955: 17 Millionen US-Dollar). Dass ich 35 Jahre später, also im Zeitfester 1988 bis 1991, exakt dort in Anaheim<br />

wohnen würde, hätte ich mir selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.<br />

Ronald Reagan, 1981 bis 1989 der 40. US-Präsident, war zu dieser Zeit im Einsatz als Radioreporter für eine<br />

lokale Radiostation in Los Angeles. Zur Eröffnung besuchten damals 50 000 Neugierige die 20 Attraktionen. 1990,<br />

ebenfalls am 17. Juli, war ich persönlich zum 35. Geburtstag des Disney-Themenparks in Los Angeles als Gast<br />

eingeladen. Bemerkenswert ist die Zahl 35: einerseits Mutters Geburtstag und andererseits das Disney-Jubiläum.<br />

Die Walt Disney Company war in den Jahren 1988 bis 1991, ebenfalls 35 Jahre später, teilweise einer meiner<br />

Geschäftspartner in den USA.<br />

Im Sommer 1955 wird das erste Autobahnteilstück der Schweiz zwischen Luzern und Horw eröffnet. Ein<br />

wichtiger Schritt, um die Besuche unserer Verwandten in Alpnach Dorf und Stans besser erreichen zu können. Auf<br />

dem Vierwaldstättersee wurde das neue Passagierschiff MS RIGI in Betrieb genommen. Nach 60 Betriebsjahren,<br />

also im Jahr 2015, hat der Kahn runde 2 Millionen Kilometer auf dem Buckel.<br />

Am 1. Januar 1955 erfolgte die endgültige Aufteilung der verschiedenen Geschäfte an die zwei Söhne Hans<br />

und Karl. Das Transportunternehmen mit der Kohlenhandlung mit Domizil am Löbernweg 2 in Cham ging an Sohn<br />

Hans Werder-Häfner. Das Kolonialwarengeschäft, die offizielle Bahncamionage, das Bier- und Mineralwasserdepot<br />

an der KS-7, ging an Karl Werder-Scherer, der auch die verbindlichen Abmachungen der USEGO-Verträge<br />

übernahm. Im gleichen Jahr, am 30. Oktober 1955, starb Karl der Erste in seinem Haus in Cham.<br />

Die zwei Fotos auf dieser Seite sind aus dem Bildarchiv der Walt Disney Company Los Angeles CA.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 45


Der Flughafen Zürich-Kloten ist noch in Planung, das offene Flugfeld in Betrieb<br />

Im Bild v.l.n.r. Onkel Carl Müller, Maria und Willy Wyss mit Tochter Gisela, Sophie Naunheim, Hermine Kunz-Henggeler,<br />

Karl der Erste mit Anna-Helena Werder-Müller, die Kinder Margreth und Angela Wyss sowie Karli Werder.<br />

Das Gruppenbild schoss mein Vater Karl der Zweite 1950 auf dem Flugfeld in Zürich-Kloten.<br />

In Erinnerung geblieben sind mir die Autofahrten meines Vaters aus den Anfängen der Fünfzigerjahre, der<br />

mit Tante Lina Wyss in Begleitung der Anna-Helena nach Zürich-Kloten fuhr, um Onkel Maurus aus Amerika<br />

abzuholen. Zu der Zeit war der Flughafen in Planung, teils bereits im Bau. Die Ankunft der Passagiere wurde noch in<br />

Holzbaracken abgewickelt. Vor den Provisorien verkaufte ein Italiener Bratwürste mit Brot und Süssmost. Während<br />

die Onkels und Tanten auf der Sitzbank vor dem offenen Rollfeld warteten, genoss ich mit Vater Karl dem Zweiten<br />

die Zwischenverpflegung vom Grill. Gleichzeitig beobachteten wir die Bewegungen der Flugzeuge.<br />

1953, der Flughafen in Zürich-Kloten wird feierlich eröffnet<br />

1953 war es dann so weit, der Flughafen Zürich-Kloten wurde offiziell eingeweiht. Von der Aussichtsterrasse<br />

konnten die Besucher die spektakulären Starts und Landungen der immer grösser werdenden Flugzeuge der<br />

SWISSAIR-Flotte bewundern. Oft kamen auch sehr prominente Gäste wie zum Beispiel Louis Armstrong in die<br />

Schweiz, wodurch auf dem Flugplatz ein echter Medien- und Publikumsrummel entstand. Aufgefallen ist mir, dass<br />

damals alle Leute am Flughafen, speziell die Fluggäste, sehr gut gekleidet waren.<br />

46 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Inzwischen wurde der Flughafen Zürich-Kloten zur internationalen Drehscheibe<br />

Es kam die Zeit, in der auch ich Kunde des Flughafens Zürich-Kloten und der SWISSAIR wurde. Es waren<br />

Reisen mit Hazy Osterwald, aber auch als Fotograf, die ich mit der modernen Flotte der Swissair unternahm. Im Jahr<br />

1989 eröffnete die SWISSAIR ihre offizielle Fluglinie zur Westküste der USA nach Los Angeles und San Francisco<br />

California. Als Fotograf durfte ich in Zusammenarbeit mit der Swissair-Werbeabteilung einige von mir produzierte<br />

Bilder der USA-Westküste zu Werbezwecken liefern. Im Gegenzug musste ich Flugtickets kaufen, die ich damals als<br />

Vielflieger gut nutzen konnte, denn in diesem Zeitfenster war ich mit meinen Models Pendler zwischen den USA und<br />

der Schweiz.<br />

Mit dem Hazy Osterwald Sextett<br />

Eines meiner ungezählten Flugtickets mit der SWISSAIR nach New York<br />

Diese Aufnahme habe ich im Sommer 2014 gemacht<br />

Grossvaters Spruch ist mir heute noch gut in Erinnerung.<br />

Zum Geschehen, den Flugbewegungen in Zürich-Kloten, meinte Karl der Erste, am Bierglas nippend:<br />

"Ich kann nicht glauben, dass so viel Blech in der Luft halten kann, da muss irgendwo ein Trick dahinterstecken."<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 47


Ein Wehrmachtsford, ein Kipper aus dem Jahr 1942, erweiterte die<br />

Werder-Lastwagenflotte<br />

1942 kaufte mein Grossvater Karl Werder-Müller einen grösseren Lastwagen. Dabei handelte es sich um ein<br />

ganz spezielles Modell, einen Ford Wehrmacht LKW, G 995 der Deutschen Armee. Der Brückenlaster, ausgerüstet<br />

mit einem 3,9-Liter-Benzinmotor, 8 Zylindern und V8 mit Seitenventilen, verfügte über 95 PS. Wie und zu welchem<br />

Preis mein Grossvater das geschichtsträchtige Vehikel erworben hatte, ist leider unbekannt. Tatsache hingegen war,<br />

dass mein Vater Karl der Zweite bis zur Firmensplittung im Januar 1955 mit diesem Wehrmachtsford die offizielle<br />

Post- und Bahncamionage in Cham und Umgebung bediente. Doch eines Tages, man schreibt das Jahr 1944,<br />

wurde der Ford mit dem Merkmal der getrennten Frontscheibe von den Behörden als Einsatzfahrzeug in<br />

Militärbereitschaft zu Gunsten unserer eigenen Armee sichergestellt. Anstelle des LKWs überbrachten die<br />

Verantwortlichen Schreibtischtäter der Gemeinde Cham ein Pferd mit Wagen an die Haustür meines Vaters. Damit<br />

sollte also Papa, der keine Ahnung vom Umgang mit Pferdefuhrwerken hatte, die Post- und Bahncamionage<br />

bewältigen. Nach ein paar missglückten Versuchen brach Karl die Übung eigenmächtig ab.<br />

Ausweis zur Übernahme und zur Weiterführung der Post- und<br />

Bahncamionage als Vertreter von Karl dem Ersten<br />

Man beachte den Eintrag "Elektromobile": Vater war einer der<br />

Ersten, der nebst der Papierfabrik ein E-Mobil besass<br />

Indessen stand der Wehrmachtslaster nutzlos auf dem Gemeindehausplatz, angeblich für einen möglichen<br />

Mobilmachungseinsatz. Vater erkannte die Gelegenheit und handelte mit seinem klaren Menschenverstand.<br />

Er tauschte in der Nacht das Pferdefuhrwerk mit dem ihm gehörenden Laster aus. Mit anderen Worten, er<br />

klaute mit seinem Zweitschlüssel sein eigenes Fahrzeug zurück. Es dauerte nur wenige Stunden, bis die<br />

Heerespolizei an der KS-7 in Cham erschien. Vater Karl wurde auf der Stelle verhaftet und mitgenommen, er<br />

landete für eine Woche in der sogenannten Kiste im Spritzenhaus am Rigiplatz. Am Rande sei vermerkt, dass der<br />

Wehrmachtsford am Tage seiner Auslieferung im Jahr 1942 damals an Grossvaters Unternehmen Karl Werder-<br />

Müller & Söhne von Fotograf Marfurt aus Cham abgelichtet wurde.<br />

Die Aufnahme oben entstand auf dem damaligen Parkplatz bei der Friedhofmauer an der Seestrasse,<br />

direkt neben der ehemaligen Kaffeerösterei von Fritz Wolf. Im Hintergrund noch knapp sichtbar das ehemalige Ritterhaus.<br />

48 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Fototermin mit dem Wehrmachtsford in der Baugrube<br />

Der Wehrmachtsford des Unternehmens Karl Werder-Müller & Söhne im Einsatz bei Aushubarbeiten der<br />

Überbauung Schlosshof Cham, erste Etappe. An der Türe des heute historischen Lastwagens sehen wir Sohn Hans<br />

Werder. Die Arbeiter, zur Hauptsache italienische Einwanderer, sind aus dem Bautrupp von Nachbar und<br />

Bauunternehmer Emil Reggiori, Cham. Die Autonummer ZG 571 könnte man heute teuer vermarkten.<br />

Das Wohn- und Geschäftshaus des Transportunternehmers Hans Werder in Cham<br />

Die neue Adresse Löbern<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 49


Der Zügelwagen Magirus Deutz mit austauschbarem Holzaufbau<br />

Dieses Archivbild aus dem Jahr 1944 zeigt den Zügelwagen Magirus Deutz des Familienunternehmens Karl<br />

Werder-Müller & Söhne. Laut Akten aus dem Familienarchiv überschrieb mein Grossvater per 1. Januar 1955 das<br />

Transportunternehmen samt der Kohlenhandlung an Vaters Bruder, Onkel Hans Werder-Häfner.<br />

Im Herbst 1940, damals nach der sehr harzigen Wahl des neuen Dorfpfarrers Franz-Josef Muff am<br />

8. September 1940, mussten die Muskelmänner das Mobiliar des frisch gewählten katholischen Pfarrers von Luzern<br />

in sein neues Domizil nach Cham ins Pfarrhaus zügeln. Unter den diversen Utensilien befand sich auch ein älteres,<br />

sehr schweres Hochklavier. Da Hochwürden Pfarrer Muff beim Umzug stets anwesend war, durfte nicht geflucht<br />

werden, was sich bei den Umständen für das Zügelteam als äusserst schwierig erwies.<br />

Besondere Merkmale am Fahrzeug Magirus sind zum Beispiel die aufklappbare Frontscheibe und das massive<br />

Trittbrett mit der Werkzeugkiste. Nicht zu vergessen die Telefonnummer 99 und die Autonummer 3365 M, welche<br />

aus der Zeit der Mobilmachung stammt. Aufgenommen hat das Foto ebenfalls wie den Wehrmachtslaster Fotograf<br />

Marfurt. Das Bild entstand in der noch heute existierenden Linkskurve an der Seestrasse. Im Hintergrund ist noch<br />

die Bootshütte beim Lorzenausfluss erkennbar.<br />

Der Magirus als Schweinetransporter, bereit zur<br />

Abfahrt in den Schlachthof nach Zürich<br />

Der Magirus als Kipper, ein Bild aus der Kiesgrube<br />

in Maschwanden mit Onkel Hans auf der Brücke<br />

Die Flotte der Werder-Lastwagen wurde zur Hauptsache von den Söhnen Hans und Karl gefahren.<br />

Ende der Vierzigerjahre kam Fridel Stuber ins Team der Chauffeure, welche Transporte von Möbeln, Baustoffen,<br />

Kies, Kohle offen und in Säcken und von weiteren Utensilien wie Bier und Mineralwasser realisierten.<br />

50 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Last- und Zügelwagen vom Typ L 4 der Marke Berna mit Anhänger<br />

Mit dem Kennzeichen ZG 572 war das der modernste Lastwagen von Hans Werder, dieser BERNA L4, ursprünglich,<br />

wie es der Name aussagt, von Joseph Wyss in Bern gebaut. Später wurden die Berna-Werke nach Olten verlegt.<br />

Die Kontrollschilder ZG 571 und ZG 572 von Hans Werder wurden im Jahr 1973 an das Unternehmen<br />

Risi Transport, und zwar ohne eine finanzielle Abgeltung übergeben.<br />

1902 begann Joseph Wyss in Bern mit der Herstellung von Kraftfahrzeugen unter dem Namen BERNA. Im<br />

Jahr 1929 erwarb die Adolph Saurer AG aus Arbon, damals Marktführerin der Schweizer Lastwagenproduktion, die<br />

Aktienmehrheit bei Berna. Unter der Saurer-Führung wurden die später in Olten gebauten Fahrzeuge mit den in<br />

Arbon entwickelten Lastwagen zusammengeführt. Das wirkte sich auch auf die Produktion und die Kompetenzen<br />

aus. Synergien von Berna und Saurer konnten gegenseitig optimal genutzt werden. Wie sich aus der<br />

Beschaffungsphilosophie meiner Familie zeigt, legten meine Vorfahren damals schon grossen Wert auf die Qualität<br />

von Schweizer Produkten. 1907 verliess Joseph Wyss die Firma. An seiner Stelle übernahm ein gewisser Herr<br />

Locher die Firmenführung.<br />

Der Werder-Berna im Einsatz für die Schweizer Filmszene<br />

Wie Vaters Bruder, Hans Werder, zum Film kam und beinahe den Sprung nach Hollywood geschafft hätte:<br />

Im Jahre 1961 erhielt Hans Werder einen Zügelauftrag der besonderen Art. In der Zuger Altstadt wurde unter der<br />

Regie von Karl Suter der Film "Chikita" gedreht. Die Schweizer Bordellbesitzerin Chikita Hausmann, dargestellt von<br />

Hanne Wieder, musste ihr Etablissement in Südamerika schliessen, weil dort eine Revolution zur Wiederherstellung<br />

der Moral und der guten Sitten im Gang war. Sie entschloss sich, in ihre alte Heimat zurückzukehren. In einem<br />

verschlafenen Kleinstädtchen - eben Zug - wollte sie sich und ihr Gewerbe neu einrichten. Da kam sie also mit ihrem<br />

Papagei und all ihrem Hab und Gut. Für diese Szene brauchte das Filmteam Zügelmänner und einen passenden<br />

Zügelwagen. Das war der Augenblick, die Stunde und gleichzeitig der grosse Moment von Onkel Hans. Wir alle, die<br />

ganze Familie, ist heute noch überzeugt, dass das Zügelteam Werder hervorragend gespielt hat. Nur war der Film<br />

damals nicht der durchschlagende Leinwanderfolg, wie es sich die Macher vorgestellt hatten. Darum blieb die<br />

Berufung für Hans, nach Hollywood zu gehen, in den Träumen hängen. Er blieb als Transportunternehmer bei seiner<br />

Familie in den Löbern in Cham.<br />

Eine Kopie des genannten Filmes schenkte Annagret am 12. August 2016<br />

ihrer Schwester Ursula zum Geburtstag.<br />

Später, im Dezember 1987, versuchte ich, der Schreiberling, an der Westküste der USA Fuss zu fassen.<br />

Wie sich diese Geschichte damals in Los Angeles weiterentwickelte, kann man meinem Buch<br />

in der angefügten Rubrik "USA" in Kurzform entnehmen.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 51


Aktuelles aus den Löbern in Cham<br />

Saurer-Lastwagen aus der Epoche der Vierzigerjahre<br />

Fahrausweis von Transportunternehmer Hans Werder<br />

Die noch grüne Boog-Wiese mit der Gartenstrasse.<br />

Im Hintergrund das überbaute Grundstück Werder, Löbern<br />

Diese Aufnahme stammt vom Mai 1993, als die grüne<br />

Boog-Wiese kurz vor der Fertigstellung stand<br />

Karl Werder-Müller und Söhne<br />

Das waren die Junioren von Karl dem Ersten, Hans und Karl, welche bis Januar 1955 gemeinsam das<br />

Transportunternehmen in Cham betrieben. Das Foto ganz oben zeigt einen weiteren neuen Lastwagen (Saurer,<br />

Baujahr zweite Hälfte der Vierzigerjahre) aus dem Familienunternehmen Werder & Söhne bei Bauarbeiten auf der<br />

ehemaligen Boog-Wiese an der Gartenstrasse Cham. Im Hintergrund zu sehen ist eines der sechs bekannten<br />

Riegelhäuser aus den goldenen Zeiten der damals noch blühenden Papierfabrik Cham.<br />

Die Luftaufnahmen dokumentieren die noch nicht verbaute Boog-Wiese mit den sechs Riegelhäusern an der<br />

Gartenstrasse und dem Grundstück des Bauernhofes von Karl Boog. Auf dem Foto links ersichtlich das bereits von<br />

Heinz Werder neu überbaute Grundstück Werder, Löbern.<br />

Karl der Erste mit seinen Söhnen Hans und Karl dem Zweiten<br />

Werder-Wappen Karl der Erste mit Christina Erster Sohn, Hans Werder, und sein Bruder Karl der Zweite<br />

Anmerkung: Schon vor der Splittung des Familienunternehmens im Januar 1955 engagierte sich Sohn Hans<br />

finanziell so, dass er mit grösseren Geldeinlagen eigene Lastwagen erwerben konnte.<br />

52 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Karl der Erste, als Hüter seiner Enkel Christina und Heinzli<br />

Karl der Erste 1954 mit meiner Schwester<br />

Christina vor dem Haus KS-7. Behütend sitzt<br />

das illustre Duo vor Omas Kolonialwarenladen.<br />

Grossvater mit Heinzli auf dem Leiterwagen, beobachtet<br />

beim Ausliefern von Getränken auf dem Weg zur Familie Iten<br />

zum benachbarten Gasthaus Hirschen.<br />

Auf dem Foto links gut zu sehen eines der damaligen "Gstältli", mit denen die Kinder wie heute die Hunde noch an der<br />

Leine geführt wurden. Auf der Sitzbank vor dem Kolonialwarenladen trafen sich ab und zu auch Nachbarn zum Smalltalk.<br />

Das historische Gasthaus Hirschen in Cham: Die Wirtefamilie Iten war einst ein guter Kunde<br />

Dieses Bild von Hermann Steiner zeigt das legendäre Gasthaus Hirschen am sogenannten "scharfe Egge"<br />

direkt an der Kreuzung zwischen der Zuger- und der Knonauerstrasse mit der Haferkrippe für die Pferdefuhrwerke.<br />

Zwischen den Itens und meiner Familie bestand ein freundschaftliches Verhältnis.<br />

Grossvater und später auch mein Vater durften das Gasthaus, welches 1960<br />

der Strassenkreuzung weichen musste, mit Getränken, teils auch mit Lebensmitteln beliefern.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 53


Ein US-Kriegsbomber vom Typ B-17G wasserte<br />

notfallmässig im Zugersee<br />

Foto: Quelle "Neue Zuger Zeitung" vom Montag, dem 5. Oktober 2015, im Bild die Schaffner-Crew und der Bomber<br />

Diese drei Männer, v.l.n.r.: Martin Schaffner, ein umtriebiger Unternehmer und technisch sehr versierter Mann (alias<br />

Bomber-Schaffner), sein Taucher Gottlieb Scherrer und Mitarbeiter Josef Schnellmann (ein ehemaliger Kranzschwinger<br />

und Wirt), waren die damaligen Pioniere und waren massgeblich für die Bergung des US-Bombers<br />

aus dem Zugersee im Jahr 1952 verantwortlich. Schaffner selbst hatte eben den Riecher zum Geld.<br />

Mein Vater Karl der Zweite war einer der vielen Zeitzeugen der Wasserung<br />

Am 16. März 1944 tobten über Hitler-Deutschland brutalste Luftschlachten. Die achte US-Flotte griff die Städte<br />

Augsburg, Ulm, aber auch Friedrichshafen an. Ein Flugzeug, ein US-Bomber B-17G mit der Seriennummer 42-<br />

38160, wurde beim Angriff von der deutschen Luftabwehr über Augsburg schwer beschädigt. Darum flüchtete der<br />

Pilot mit seiner Mannschaft in die Schweiz, um eine Notlandung zu vollziehen.<br />

An diesem 16. März 1944 fuhr mein Vater Karl der Zweite mit seinem Lastwagen (Wehrmachtsford G 997) von<br />

Zug in Richtung Baar. Auf der Höhe der damaligen Kistenfabrik fiel ihm auf, dass alle Leute stillstanden und nach<br />

oben schauten. Er parkierte seinen Lastwagen an der rechten Seite der Baarerstrasse, stieg aus und blickte selbst<br />

auch zum Himmel. Dort sah er neun Fallschirmspringer - es waren US-Soldaten in Vollmontur - und einen US-<br />

Bomber im Tiefflug in Richtung Zugersee gleiten. Dabei kam einer der Springer ums Leben. Der Pilot konnte sein<br />

Flugzeug geistesgegenwärtig zu den Gestaden des Zugersees lenken, wo die viermotorige Maschine fast<br />

unbeschädigt im Wasser versank. Vater wendete seinen LKW und begab sich zum Unfallort, wo er noch sehen<br />

konnte, wie der Pilot, noch immer in Vollmontur, unverletzt aus dem Wasser zum Ufer schwamm. Zur gleichen Zeit<br />

war der Vater meines späteren Schulfreundes Urs (Samy) Fischer, Albert Fischer, mit seinem Fahrrad unterwegs<br />

nach Zug. Auch er, Albert Fischer, radelte sofort zum Ort des Geschehens, wo er mit seinen Sprachtalenten in<br />

Englisch als Übersetzer zwischen dem Piloten, den Springern und den Untersuchungsbehörden zum Einsatz kam.<br />

Die Unfallstelle war ungefähr dort, wo heute das Hafenrestaurant steht.<br />

Und so lag der US-Kriegsbomber auf dem lehmigen Grund des Zugersees, bis im Jahr 1952 ein mutiger<br />

Garagist aus dem aargauischen Suhr namens Martin-Hugo Schaffner das Wrack in einem spektakulären Aufwand<br />

aus dem schlammigen See zog. Mit einem grossflächigen Floss, Marke Eigenbau, drei speziellen Seilwinden und<br />

einem zusätzlichen Hilfsfloss mit einer 45 Meter langen Eisenleiter stieg Taucher Gottlieb Scherrer bis zum<br />

Seegrund hinunter. Dort lag der US-Bomber mit überschlagener Nase tief im lehmigen Seegrund. Der Bug steckte<br />

laut Taucher Scherrer mehrere Meter in einer schlammigen Masse. Nach einem ersten Versuch, das Wrack zu<br />

heben, rissen die Zugseile. Erst der zweite Versuch war erfolgreich, sodass das Flugzeug mit viel Aufwand an Land<br />

gezogen werden konnte.<br />

Im Anschluss wurde die viermotorige Maschine, die B-17G, auf der verlängerten Schützenmattwiese ausgestellt<br />

und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Stolz führte mich Vater in Begleitung von Mutter Rosa zum Ort des<br />

Geschehens, an dem er uns erstmals die Geschichte erzählte. Laut einer speziell erstellten Broschüre besuchten<br />

am ersten Tag weit über 10 000 Schaulustige den gestrandeten US-Bomber, der am Seeufer auf Holzböcken<br />

ausgestellt war. Schaffner verkaufte damals die extra gefertigte achtseitige Broschüre vor Ort zum Preis von Fr. 1.10<br />

inklusive Eintritt zur Besichtigung der Flugruine. Auch die Zeitungen berichteten ausführlich über die Notwasserung.<br />

Später baute Martin-Hugo Schaffner in der Chollermühle eine eigene Tankstelle und stellte einen der vier Motoren<br />

auf dem Garagenareal aus. Dadurch wurde die Tankstelle BOMER-SCHAFFNER für einige Jahre zum Begriff eines<br />

zur damaligen Epoche spektakulären Zeitgeschehens.<br />

Nach Recherchen des Zugers Oskar Rickenbacher, der bei der Notwasserung 1944 gerade 13 Jahre alt wurde, verstarb<br />

der Selfmademan und Pionier Martin Schaffner am 5. Oktober 1965 an einer Lungenentzündung mit nur 42 Jahren.<br />

Der sogenannte Zugersee-Bomber wurde 1972 in St. Moritz verschrottet.<br />

54 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Erinnerung an Grossvaters Beerdigung 1955<br />

Der alte Leichenwagen mit dem damaligen Kutscher Karl Zimmermann<br />

Am Todestag, es war am Sonntag, 30. Oktober 1955, fuhr ich mit Vater und Mutter nach Aegeri. Dort<br />

besuchten wir Grossmutter Anna-Helena, die sich im Klösterli in einer Erholungskur befand. Grossmutter wollte nach<br />

Hause, ihr Gefühl sagte, dass sie nicht mehr länger in Aegeri bleiben wollte. Mit unserem schwarzen Ford, dessen<br />

Modell vorne noch getrennte Scheiben hatte, fuhren wir so gegen 14 Uhr in Richtung Cham. Kaum bogen wir von<br />

der Zuger- in die Knonauerstrasse ein, kam auch schon mein Cousin Heinz Werder aus dem Haus gerannt. Er<br />

meldete uns noch während des Einparkens des Wagens: „DER GROSSVATER IST TOD!“ Ich erinnere mich noch<br />

ganz genau, welche ein Schock diese Aussage bei Oma Anna-Helena auslöste.<br />

Anwesend im Haus waren Onkel Hans mit seiner Frau Augusta, die meinen Opa im Beisein von Hausarzt Dr.<br />

Walter Spiller ins Sterben begleitet haben, und eben Heinz. Auch Dorfpfarrer Franz-Josef Muff war inzwischen<br />

wegen der heiligen Ölung am Sterbebett im ersten Stock links eingetroffen. Dort war Karl der Erste bis zu seiner<br />

Beerdigung im offenen Sarg, umgeben von einem Blumenmeer, aufgebahrt. Zahlreiche Leute gingen die drei<br />

Treppen hoch und runter, um sich von Karl dem Ersten zu verabschieden. Nebst Familienmitgliedern stand auch<br />

Vorbeter Gretener in den Tagen der Trauer Totenwache.<br />

Am 2. November 1955, also am Tag von Allerseelen, einem leicht in Nebel gehüllten Mittwochmorgen, war es<br />

dann so weit. Die Beerdigung meines geliebten Grossvaters und Göttis stand bevor. Vor dem Haus KS-7 fuhr Karl<br />

Zimmermann mit seinem Zweipferdegespann den alten Leichenwagen vor. Die Pferde trugen schwere schwarze<br />

Decken. Hochwürden Pfarrer Josef Muff mit seinen Ministranten stellten sich am Seiteneingang bei der Haustür auf,<br />

wo man den Sarg mit dem Leichnam für die Segnung aufbahrte. Der Leichenzug wurde durch den Vorbeter<br />

Gretener formiert.<br />

In Front der Leichenwagen, gefolgt von einem Altardiener mit Kreuz. Dann kam Pfarrer Franz-Josef Muff mit<br />

Gefolge und viel Weihrauch. Im Anschluss reihte sich die Musikgesellschaft mit einer grösseren Fahnendelegation<br />

verschiedener Vereine ein. Nun nahmen mich Vater und Mutter, die zu dieser Zeit mit Ludmilla gerade<br />

hochschwanger war, an der Hand. Die Familie mit Onkel Hans, Tante Augusta in Begleitung von Hansjörg, Heinz,<br />

Annagret und Ursula mit Susi schritt hinter der Musikgesellschaft her. Die Töchter von Onkel Hans trugen alle<br />

Schwarze-Ärmel-Schürzen mit weissen Punkten. Dann übernahm Vorbeter Gretener die Regie. Frauen und Männer<br />

wurden getrennt. Als Erstes kamen die Männer, dann die Frauen. Jetzt begann Gretener laut, sehr laut zu beten.<br />

Gleichzeitig gliederten sich Verwandte, Anverwandte, Freunde und Nachbarn, aber auch viele Geschäftsleute in die<br />

Prozession ein. Es war ein beeindruckender Leichenzug, der sich auf Kommando Greteners in Bewegung setzte. Im<br />

Trauerschritt bewegte sich die Gemeinschaft von der Knonauerstrasse zur Luzernerstrasse in Richtung der<br />

katholischen Kirche St. Jakob, wo die Trauergemeinde am Gottesdienst zu Ehren von Karl dem Ersten teilnahm.<br />

Soviel ich weiss, fasst die Kirche in Cham rund 800 Leute. Am Tag des 2. Novembers 1955 war das Gotteshaus im<br />

Kirchbühl bis zum letzten Platz belegt. Auch an der Totenmesse waren Frauen und Männer getrennt. Grossmutter<br />

wurde in Begleitung ihrer noch lebenden Schwestern durch Herrn Reck im schwarzen Ford zur Kirche gefahren.<br />

Nach der Grabsegnung verabschiedete sich die Musikgesellschaft Cham mit dem Trauerstück „Ich hat' einen<br />

Kameraden“. Gegen Mittag traf sich die Trauergemeinde im Saal des Restaurants Bären, wo die "Bären"-Anna,<br />

Rosa Baumgartner, ein ausgiebiges Mittagessen auftischte.<br />

Karl Werder-Müller, geboren am 28. November 1878, gestorben am 30. Oktober 1955 in Cham, wurde 77 Jahre alt.<br />

Zur selben Zeit, am 30. Oktober 1955, als mein Grossvater verstarb, kam Maria-Magdalena Gschwend,<br />

die Frau, welche ich Jahre darauf, also am 8. August 1981, in Zug heiratete, zur Welt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 55


Ich stelle vor:<br />

Familie Hans Werder-Häfner in den Löbern<br />

mit ihren Söhnen Hansjörg und Heinz<br />

sowie den Töchtern Annagreth, Ursula und Susi<br />

Hans war der ältere Bruder meines<br />

Vaters Karl Werder-Scherer<br />

56 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Fenster zur Familie Hans Werder-Häfner, Löbern in Cham<br />

Johann-Carl, das war Hans Werder, geboren am 30. September 1908 in Cham.<br />

Hans war der erste Sohn von Karl dem Ersten und der Anna-Helena Werder-Müller.<br />

Hans heiratete 1938 Augusta Häfner, die aus dem Kanton Thurgau kam<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 57


Augusta, eine Tochter von Karl und Christina Häfner-Urig<br />

Augusta (Gusti) Häfner von Veltheim ZH, geboren am 23. Dezember 1909<br />

Tochter des Karl Häfner und der Christine Urig von Steckborn. Vater Karl Häfner-Urig war gelernter Giesser. Er<br />

hatte nebst seiner Tochter Augusta weitere Kinder. Das war Fritz Häfner, geboren 1897, er lebte in Winterthur und<br />

verstarb 1980. Hans Häfner, geboren 1898, er verstarb durch einen Unfall mit einer falsch platzierten Schrotflinte im<br />

Jahr 1919. Dann kam Karl Häfner, geboren 1900, er wanderte nach Frankreich aus. Sohn Karl verstarb 1966. Seine<br />

Schwester Anna Häfner, geboren 1901, verunfallte 1970 mit dem Auto im Grossraum Egg ZH. Weiter ist bekannt,<br />

dass Christina Urig, die Frau von Karl Häfner, noch eine uneheliche Tochter namens Elise mit in die Ehe brachte.<br />

58 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Augusta Häfner, bereits in ihren jungen Jahren verbunden mit Cham<br />

Nach Beendigung der Sekundarschule hätte Augusta sich gerne zur Kindergärtnerin ausbilden lassen. Doch<br />

nun hiess es: Geld verdienen und zu Hause der leicht pflegebedürftigen Mutter beistehen. Nach Erreichen des 20.<br />

Lebensjahres durfte sie für ein Jahr nach Lausanne, um als Mädchen für alles bei zwei Damen im Haushalt zu<br />

arbeiten.<br />

Obwohl Augusta im Welschland nicht zur Schule konnte, lernte sie die französische Sprache so gut, dass sie<br />

bis zum Lebensende mit ihren Verwandten korrespondieren konnte. Zurück in der Zentralschweiz, arbeitete das<br />

Fräulein Häfner in Brunnen, in Schwyz, Menzingen, Horgen und im Restaurant Vorstadt in Zug. Hier im Herzen der<br />

Schweiz gefiel es ihr, denn ihre beiden Schwestern waren schon in Cham ansässig.<br />

Wirtin Rosa Baumgartner Augusta und Hans Werder Hansjörg mit Annagret an der Knonauerstrasse 7<br />

Die eine Schwester war damals bereits verheiratet, die andere arbeitete bei Rosa Baumgartner im Restaurant<br />

Bären. Die Familie Werder-Müller und die Familie Baumgartner vom "Bären" waren zu dieser Zeit geschäftlich<br />

verbunden und auch eng befreundet.<br />

Es kam, wie es kommen musste. Eines Tages lernte Augusta Häfner Hans Werder kennen, den Mann, der schon<br />

bald ihr Lebensgefährte wurde. Im Jahr 1938 heirateten Hans und Augusta, und als junges Paar Werder-Häfner<br />

bezogen sie gemeinsam die Dachwohnung im Elternhaus von Hans bei Karl dem Ersten an der KS-7. Während<br />

Hans im väterlichen Transportgeschäft arbeitete, machte sich Augusta im Kolonialwarenladen von Anna-Helena bei<br />

ihrer Schwiegermutter nützlich. Gleichzeitig kümmerte sie sich um ihre pflegebedürftige eigene Mutter.<br />

Noch in den Kriegsjahren kamen die ersten vier Kinder zur Welt: 1939 Hansjörg, 1941 Annagret, 1943 Heinz<br />

und 1944 Ursula. Die Wohnung an der KS-7 wurde zu klein, und so beschloss die Familie trotz unsicheren<br />

wirtschaftlichen Zeiten, im Löbern-Quartier ein Wohn- und Geschäftshaus in eigener Regie zu bauen. 1945 konnten<br />

Hans und Augusta mit ihren vier Kindern das neue Eigenheim, das Wohn- und Geschäftshaus mit grossem Garten,<br />

in den Löbern beziehen.<br />

1948 erblickte dann Susi noch das Licht der Welt. Mit viel Liebe zu ihren fünf Kindern und ungezählten<br />

Märchenstunden kann man sagen, dass die fünf Werderlein der ganze Stolz der Familie von Hans und Augusta<br />

Werder-Häfner waren. Das Leben ging weiter, die Kinder wurden erwachsen, und sie heirateten. Es kamen die<br />

ersten Enkelkinder, und somit entwickelte sich auch wieder neues Leben, welches den Alltag von Augusta und Hans<br />

als Grosseltern im Löbern-Haus interessant machte.<br />

Anmerkungen<br />

Augusta feierte jeweils immer am 23. Dezember inmitten ihrer ganzen Familie ihren Geburtstag. An diesem<br />

für die Familie denkwürdigen Tag trank man jedes Jahr denselben Tischwein (Vinocello), und auf der Speisekarte<br />

dominierte die Salami. Der sogenannte SALAMI-TAG, dieser Familienbrauch, wird laut meinen Informationen bis<br />

heute noch zu unbestimmten Zeiten ganz spontan von den Familienmitgliedern durchgeführt. Einen entsprechenden<br />

Szenenausschnitt vom 13. Februar 2016 findet man ein paar Seiten weiter. Denn am besagten 13. Februar 2016<br />

hielt ich mit meiner Kamera den traditionellen SALAMI-TAG fest.<br />

Im Jahr 1953 musste sich Augusta einer Mandeloperation unterziehen. Anlässlich der Voruntersuchung beim<br />

Hausarzt Dr. Bruno Meier im Sonnenhof war auch Töchterchen Susi dabei. Der Herr Doktor in seiner weissen<br />

Schürze meinte damals, man sollte doch gleichzeitig auch bei Susi die Mandeln entfernen, das würde in einem Zug<br />

gehen. Und so kam es, dass sich im Krankenasyl Cham Mutter Augusta und Töchterchen Susi gemeinsam auf die<br />

Besuche ihrer Familie freuten.<br />

Nach dem Tod meiner Tante Augusta Werder-Häfner: Sie verstarb 88-jährig in Cham.<br />

Augusta wurde am 30. September 1997 auf dem Friedhof im Kirchbühl beerdigt.<br />

An dem besagten Tag hätte Ehemann Hans seinen 89. Geburtstag feiern können<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 59


Impressionen aus dem Leben von Hans und Augusta Werder-Häfner<br />

Mein Vater Karl, das Brautpaar Augusta und Hans mit Lohrly<br />

Karl der Zweite, das Brautpaar Augusta, Hans,<br />

Tante Rosa mit Anna-Helena und Karl d. Ersten<br />

Hans und Augusta (Gusti) Werder-Häfner, sie heirateten im Jahr 1938. Mit den firmeneigenen Oldsmobilen fuhr<br />

die Gesellschaft zu Tante Rosa nach Morschach, wo der festliche Teil der Hochzeit stattfand. Rosa, die Schwester<br />

meines Grossvaters, führte zu der Zeit die Pension Betschart in Morschach. Mein Vater Karl der Zweite war<br />

Brautführer und gleichzeitig einer der Fahrer der mit Blumen geschmückten Limousinen. Die anschliessende<br />

Hochzeitsreise führte das Paar wie einst die Eltern des Bräutigams nach Lugano, Locarno und Montreux.<br />

Hans und Augusta haben zwei Söhne. Das sind Hansjörg und Heinz Werder sowie drei Töchter, Annagret, Ursula und<br />

Susi, die von 1945 bis 1987 im eigenen Haus an der Löbern lebten und alle dort gross wurden.<br />

Augusta mit ihren Kindern beim kurzen Picknick<br />

anlässlich einer Autofahrt ins Grüne.<br />

Hans und Augusta mit den Söhnen Heinz und<br />

Hansjörg sowie den Töchtern Annagret,<br />

Ursula und Susi vor dem Löbern-Haus.<br />

Mit der legendären Autonummer ZG 544 ist auch im Jahr 2016 noch immer Heinz Werder unterwegs.<br />

Selbst Susis private Telefonnummer beginnt noch heute mit 544 …<br />

60 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Söhne und die Töchter von Hans und Augusta Werder-Häfner<br />

Hansjörg Annagret Heinz Ursula Susi<br />

Johann-Georg = Hansjörg Werder, geboren am 29. Oktober 1939. Es folgt die Heirat mit Lisbeth Hängi. Aus der<br />

Ehe Werder-Hängi entspriessen Tochter Nicole (Ärztin) und Sohn Beat (Jurist). Hansjörg und Lisbeth leben getrennt.<br />

Hansjörg Werder wurde 1983 als Stadtrat und als Bauchef (CVP) der Stadt Zug gewählt, wo er 12 Jahre, bis 1994,<br />

in der Kolinstadt seines Amtes waltete. Hansjörg Werder war Studienkollege des inzwischen bekannten Politikers<br />

und alt Bundesrats Christof Blocher (SVP), mit dem ich seit dem Jahr 2013 auf politischer Ebene als Fotograf zu tun<br />

habe.<br />

Anna-Margareta = Annagret, geboren am 13. Mai 1941, war Lehrerin und heiratete Beno Kohler, ebenfalls Lehrer,<br />

der am 11. April 1979 viel zu jung an MS verstarb. Aus der Ehe stammen zwei Töchter: Luzia (Lehrerin und<br />

Psychologin), geboren am 3. Juli 1967, und Evelyne (Dr. für Neurophysiologie, Hirnforschung), geboren am 26.<br />

August 1968.<br />

Heinrich-Fritz = Heinz Werder, geboren am 12. April 1943, machte eine Lehre als Maurer und Bauzeichner. Er<br />

wurde später Architekt. Heinz Werder heiratete Helen Stadelmann aus Rotkreuz. Heinz und Helen leben heute an<br />

der Knonauerstrasse in der Überbauung von Karl Boog in Cham. Die Ehe von Heinz und Helen blieb kinderlos. Nach<br />

der Erbaufteilung übernahm Heinz Werder die Liegenschaft Löbern, wo er eine neue Überbauung mit<br />

Einfamilienhäusern realisierte. Exakt am Chamer Jahrmarkt 1986 bezog Mutter Augusta ein für sie eingerichtetes<br />

Appartement in der neuen Überbauung, wo sie noch 11 Jahre Seite an Seite mit Sohn Heinz lebte. Am 25.<br />

September 1997 vierliess Augusta ganz friedlich ihre Familie, leider auch unsere Mutter Erde.<br />

Ursula-Josefine = Ursula, geboren am 12. August 1944, ist seit dem 13. Juni 1970 verheiratet mit dem<br />

Vermessungsingenieur Kurt Müller. Am Tag der Heirat meinte Onkel Hans, dass es früher mal WERDER-MÜLLER<br />

geheissen hätte. Heute hiesse es MÜLLER-WERDER, was ebenso gut klingen würde. Hauptsache, die Namen sind<br />

wieder vereint. Das Paar blieb kinderlos und lebt im Grossraum Winterthur. Gotte und Götti von Ursula waren Tante<br />

Josy Burri-Müller und Wolfgang Henggeler aus Unterägeri. Da der heutige SVP-Politiker und alt Bundesrat Christof<br />

Blocher mit Ursulas Bruder Hansjörg studierte, kannten sich Ursula und Christof, darum waren die zwei in ihrer<br />

Jugend auch mal gemeinsam im Kino.<br />

Susanna-Helena = Susi, geboren am 19. Juni 1948, ist verheiratet mit dem Radrennfahrer und Sanitärfachmann<br />

Urs Röthlisberger aus Cham-Hagendorn. Als sogenanntes Nesthäkchen profitierte die kleine Susi bei ihrem Vater<br />

Hans oft vom Bonusbereich. So schaffte sie es, dass Familienhund Nummer zwei, TONI, ein Appenzeller, seinen<br />

Vorgänger ALDO ersetzen durfte. Nach der Schulzeit 1964 liess sich die tierliebende Susi im Tierasyl von Dr.<br />

Margrith Scheitlin in Zürich zur Tierpflegerin ausbilden. Am 13. Mai 1968 heiratete das jüngste Werderlein in Blatten<br />

bei Malters ihren geliebten Urs Röthlisberger. Bereits am 8. September 1968 kam dann Sohn Urs junior zur Welt.<br />

Tochter Judith folgte am 10. April 1970 nach. Judith machte die Familie Röthlisberger-Werder komplett. Als erstes<br />

Domizil bezeichneten die tierliebende Susi und der Radrennfahrer Urs die Horwerstrasse in Luzern, wo Susi von<br />

1972 bis 1986 einen eigenen Hundesalon führte. Zu ihren Kunden zählten auch die Artisten der Zirkusfamilie Knie,<br />

die jeweils von Ende Juli bis Anfang August nur einen Steinwurf entfernt auf der Luzerner Allmend gastierte. Im Jahr<br />

1988 zog es die Familie in den SCHIFFBAU der Vierwaldstättersee-Schifffahrtsgesellschaft, wo Susi während 22<br />

Jahren, also bis 2010, das Amt der Hauswartin ausübte. Nach ihrer Pension und nachdem die Kinder flügge<br />

geworden waren, zogen die Röthlisbergers ins aargauische Thalheim, wo sie an der Kirchgasse 14 genüsslich auf<br />

das Treiben ihrer Jungmannschaft zurückblicken. Sohn Urs junior besuchte nach dem Lehrerseminar noch die<br />

Hochschule für Wirtschaft in Luzern. Er leitet heute als CEO eine Informatikfirma. Tochter Judith machte nach der<br />

Matura den Lehramtskurs und studierte an der Kunstgewerbeschule in Luzern. Judith ist heute als heilpädagogische<br />

Lehrerin tätig. Mit viel Freude verfolgt die Familie Röthlisberger-Werder das Heranwachsen der kommenden<br />

Generation, der drei Enkelkinder Sophie, Anna und Emma, welche oft in Thalheim zu Besuch sind.<br />

Onkel Hans, seine Kinder und die MUBA – dieses Thema kam immer wieder dann auf den Tisch, wenn die Sek-<br />

Prüfung bevorstand. Der Handel bestand darin, dass immer derjenige, welcher die besagte Prüfung erfolgreich<br />

abschloss und ein gutes Zeugnis vorlegen konnte, mit Hans die MUBA in Basel besuchen durfte. Am 15. April 2016<br />

eröffnete Bundesrat Alain Berset die 100. MUBA, dessen Besucherzahl zurzeit um 20 Prozent sinkt. Das wiederum<br />

war für die Morgensendung bei Radio SRF 1 das Diskussionsthema der Sendung "Treffpunkt". Die Ursachen für den<br />

Rückgang seien die Digitalisierung und das Internet, meinten die Verantwortlichen.<br />

Seit 1946 erinnerte ein weisser Grabstein mit der Aufschrift Karli Werder auf dem Kinderfriedhof Cham an die Tatsache,<br />

dass am 12. Januar 1946 bereits ein Karli Werder gelebt hat. Es war ein Sohn von Hans und Augusta Werder-Häfner,<br />

der leider kurz nach der Geburt, nach nur zwei Stunden, im Beisein von Hebamme Stuber verstarb<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 61


Onkel Hans, sein Leben und Wirken in Cham<br />

Welche Schwingerhose darf es sein? Als Lehrling in der Maschinenfabrik Hans, der Geschäftsmann, 1972<br />

Hans Werder, beobachtet aus dem Blickwinkel seiner Schwingerfreunde. Hans, geboren 1908, hatte sein<br />

ganzes Leben in Cham verbracht, wo seine Eltern an der Knonauerstrassse 7 eine Kolonialwarenhandlung,<br />

verbunden mit einem Transportgeschäft, betrieben. Nach erfolgreicher Absolvierung einer Mechanikerlehre trat<br />

Hans in die Firma seiner Eltern ein. Die Chance zur Mitarbeit im eigenen Transportunternehmen seines Vaters (Karl<br />

des Ersten) bot sich direkt an. Und so war Hans am Aufbau wie auch an den Erfolgen des Unternehmens, welches<br />

er am 1. Januar 1955 von seinem Vater in eigener Regie und Verantwortung übernahm, mit seinem Wissen und<br />

Können wesentlich beteiligt.<br />

Obwohl in seiner Jugend an seinem Wohnort Cham noch kein Schwingclub bestand, fand Hans sofort Anschluss<br />

bei seinen Schwingerfreunden in der Stadt Zug. Während er im Turnverein Cham das Nationalturnen zu fördern<br />

suchte, war er gleichzeitig Aktivmitglied im Schwingclub Oberwil und Mitbegründer des Schwingclubs Zug. 1961<br />

gründete er mit einigen seiner Freunde den Schwingclub Cham-Ennetsee, dessen erster Präsident er wurde.<br />

Mitbegründer des Schwingclubs Cham-Ennetsee waren damals ebenfalls Heinrich (Heiri) Baumgartner und Hans<br />

Trottmann.<br />

Innert kürzester Zeit brachte Hans den Schwingclub Cham-Ennetsee zu einem blühenden Verein. Seine<br />

Aktivitäten beschränkten sich jedoch nicht nur auf Vereine, er stellte sein Organisationstalent und seine ganze<br />

Schaffenskraft auch dem Zuger Schwingerverband zur Verfügung. In den Jahren 1956 bis 1966 war der fleissige<br />

Transportunternehmer von den Löbern in Cham Kassierer des Schwingerverbands und bis zu seinem Ableben 1973<br />

amtierender Präsident. Hans Werder war im privaten Leben und auch als Vereinsfunktionär ein äusserst geselliger<br />

und fröhlicher Zeitgenosse, dem es gelang, mit seinem Humor alle Schwierigkeiten zu überwinden. Es kam nicht von<br />

ungefähr, dass er überall, wo er sich engagierte, sehr geschätzt und beliebt war.<br />

1984 drehte ich in Zusammenarbeit mit dem von Hans Werder 1961 gegründeten Schwingclub Cham-<br />

Ennetsee einen Dok-Film mit dem Titel „Das 78. Innerschweizer Schwing- und Älplerfest vom 15. Juli 1984“. Als<br />

Filmsprecher stand der national bekannte TV-Moderator WYSEL GYR vor meiner Kamera. OK-Präsident der<br />

Festivitäten war Dr. Heinrich Baumgartner, und im damaligen OK funktionierte unter anderem Josef Huwiler mit den<br />

Brüdern Fredy und Josef Hegglin. Vorsitz hatte ISV-Präsident Edi Reinhard, und als Ehrengäste war nebst Adolf<br />

Durrer und Alois Steiner auch Regierungsrat Urs Kohler zu treffen. Als Schiedsrichter amtete Josef Duss, der Vater<br />

meines Models Caroline Duss.<br />

Die Stimme des Platzsprechers stellte OK-Mitglied Walter Manhart, der gleichzeitig noch Unterhaltungschef war.<br />

Auch Werner Anderegg, der kurz nach diesem Volksfest verstarb, war noch äusserst engagiert. Nicht zu vergessen<br />

die Musikgesellschaft Cham, dirigiert von Ernst Rohrer: Sie eröffnete den Unterhaltungsabend, an dem man im<br />

Anschluss zu den Klängen des Original Alpenland-Quintetts das Tanzbein schwang. Das berühmte Quintett aus<br />

Österreich stand im Auftrag meiner Agentur auf der Festbühne im Röhrliberg. Sieger des 78. Innerschweizer<br />

Schwing- und Älplerfestes wurde der Muotathaler Richard Heinzer mit 58,25 Punkten. Leider war Petrus dem<br />

Schwingclub nicht sehr positiv gesinnt, denn es regnete an diesem Sonntag andauernd.<br />

Sicher hätte es Onkel Hans gefreut, dass ich dem Schwingclub Cham-Ennetsee meine Schaufensterfront<br />

an der KS-7 zur Präsentation des reichhaltigen Gabentempels für vier Wochen zur Verfügung gestellt habe.<br />

Es war ja mal das Elternhaus, in dem Onkel Hans seine Jugend verbrachte.<br />

TV und Filmmoderator Wysel Gyr, geboren am 7. September 1927 in Zürich, verstarb am 12. Mai 1999 ebenfalls in Zürich.<br />

62 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Der Feuerwehrmann Hans Werder 1935 in Action<br />

Kranzturner Hans, 1933<br />

Hans Werder war, wie uns das Bild aus dem Jahr 1935 zeigt, aktives Mitglied der Feuerwehr Cham, dazumal<br />

noch mit Pferd und Wagenspritze im Übungseinsatz. Wie mein Vater Karl der Zweite konnte auch Hans nicht so<br />

perfekt mit Pferden umgehen. Das bewog die Brüder schon bald, ihre eigenen Autos zu kaufen. Hans erarbeitete<br />

sich sein erstes Auto der Marke Oldsmobil als eine gute Occasion vom damaligen Zahnarzt Ritter.<br />

Der stolze Kranzturner Hans Werder auf dem Foto ganz vorne in vierter Position von rechts<br />

Im Jahr 1962 machte sich seine Herzkrankheit bemerkbar. Hans musste aus gesundheitlichen Gründen seine<br />

Geschäfte, das Transportunternehmen und die Kohlenhandlung aufgeben beziehungsweise an die Firma Furrer &<br />

Hübscher verkaufen. Man wusste von der angeschlagenen Gesundheit des Schwinger- und Turnerfreundes, doch<br />

sein plötzliches Ableben als Folge eines Herzschlages war für seine Familie, die Angehörigen und auch für seine<br />

zahlreichen Freunde sehr überraschend. Hatte er sich in den letzten Wochen seines Lebens doch recht wohl gefühlt.<br />

Am 7. Februar 1973 unternahm Onkel Hans mit seinen befreundeten Turnerkollegen einen Ausflug. Er<br />

besuchte das Thermalbad in Zurzach. Im Umkleideraum der Bäderanlagen brach Hans zusammen und verstarb am<br />

7. Februar 1973 vor den Augen seiner Freunde. Paul Twerenbold, Vater des ehemaligen Regierungsrates und<br />

Baudirektors (CVP), ebenfalls Paul Twerenbold (Säuli) genannt, überbrachte der Familie in den Löbern zu Cham die<br />

traurige Nachricht persönlich. Am 10. Februar 1973 wurde in Cham der amtierende Präsident des Zuger Kantonalen<br />

Schwinger-Verbandes, Hans Werder-Häfner, unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung und seiner Schwinger- und<br />

Turnerfreunde zu Grabe getragen. Die "Zuger Nachrichten" berichteten in ihrer Ausgabe vom Freitag, 13. April 1973,<br />

über das Leben meines Onkels.<br />

Parallele zum Tod meiner Mutter, der Rosa Werder-Scherer:<br />

Sie wurde auf den Tag genau 37 Jahre nach Hans Werder, am 10. Februar 2010, auf dem Friedhof Cham beigesetzt.<br />

Ein Zufall? Die Aufzeichnungen dieser Buchseite erfolgten ebenfalls am 10. Februar 2016 um 10.15 Uhr<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 63


Annagret mit ihrem Bruder Hansjörg Werder<br />

Das sind Annagret und Hansjörg am Tag der ersten heiligen Kommunion.<br />

Das Foto wurde in der romantischen Gartenlaube in den Löbern aufgenommen.<br />

Klar ersichtlich ist die Mode der Jungs von damals: die Knickerbockerhose mit der dazu passenden<br />

Jacke und den grossen Seitentaschen. Hansjörg freut sich, mit seiner Schwester in Pose stehen zu dürfen.<br />

Ganz in Weiss, die Annagret mit dem Rosenkranz, der Taufkerze und dem Laudate in ihrer Hand.<br />

Jahre später wurde Hansjörg mein Firmgötti<br />

64 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Hochzeit von Hansjörg und Lisbeth Werder-Hänggi 1967<br />

Anlässlich der Hochzeit von Hansjörg und Lisbeth 1967 wurde dieses Symbolbild im Hirsgarten, Cham, gemacht.<br />

Mit dem Kinderwagen wollten die Geschwister die Verbindung zur Kinderkrankenschwester<br />

Lisbeth vom Liebfrauenhof in Zug zum Ausdruck bringen.<br />

Hansjörg, der Älteste der Familie Werder vom Löbernweg, trat nach Abschluss der Sekundarschule bei Landis &<br />

Gyr in Zug seine Lehre als Maschinenzeichner an. Später bildete er sich weiter zum Maschineningenieur. Er war<br />

immer wieder für eine längere Zeit geschäftlich in der DDR und in Rumänien tätig.<br />

1967 heiratete er die Kinderkrankenschwester Lisbeth Hänggi. Das Paar zog es an die St.- Johannes-Strasse ins<br />

Hertiquartier in Zug. Im Dezember 1969 wurde Tochter Nicole geboren, und im Juli 1975 kam Sohn Beat zur Welt.<br />

Nebst Familie und Beruf engagierte sich Hansjörg sehr aktiv für die Schaffung eines Kinderspielplatzes im stark<br />

wachsenden Herti-Quartier in Zug-West. Im Frühjahr 1979 wurde Hansjörg für die CVP in den grossen Gemeinderat<br />

(GGR) der Stadt Zug gewählt. Die Geschwister freuten sich enorm und gratulierten ihrem Bruder mit folgendem<br />

Glückwunschtelegramm:<br />

Potztuusig, me ghörts flüschtere, mer händ jetzt Prominänz. Der ältischt vo Eus Gschwüschterte schtod do mit Rang und<br />

Chränz. S Volk hed em grüeft: "Söll emol cho!" S schtod hüt i de "Zuger Zitig". Liebs Brüderherz, das freut üs so, denn<br />

mer händ biberet sid em Fritig. Du ziesch is Rothus und vertritsch det eus, de Souverän. Und mer, d Familie, sind ab hüt<br />

agfrässeni CVP-Fän.<br />

Vier Jahre späte kandidierte Hansjörg als Stadtrat, er wurde gewählt und stand von 1983 bis 1990 der<br />

Bauabteilung vor, und von 1991 bis 1994 war er Vorsteher der Polizeiabteilung.<br />

Seine Tochter Nicole ist nach langem Aufenthalt in Norwegen in den Kanton Zug zurückgekehrt,<br />

wo sie als Ärztin tätig ist. Sohn Beat, Jurist, wohnt und arbeitet im Kanton Zürich.<br />

Seine Frau Kathrin hat ihm zwei Kinder geboren: Leoni und Tim. Dieser kleine Tim wird möglicherweise<br />

einmal den Stammbaum von seinem Ururgrossvater Karl dem Ersten weiterführen.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 65


Annagret u. Benno im Löbern-Garten<br />

Annagret und Benno im Mai 1964 im blühenden Löbern-Garten<br />

Annagret ist das zweite Kind und die erste Tochter von Hans und Augusta. Da sie eine gute Schülerin war,<br />

durfte sie im Heiligkreuz das Lehrerinnenseminar besuchen, obwohl dies für die Familie eine finanzielle Belastung<br />

war. Nach dem Diplom 1961 trat sie in ihrer Heimatgemeine Steinhausen in den Schuldienst ein. Im dritten Jahr als<br />

Lehrerin betreute sie eine 2. Klasse mit 50 Schülern. Steinhausen war zu der Zeit im Bauboom. Die Leute zogen zu<br />

und weg, und so wusste Annagret oft nicht, wie viele Kinder am nächsten Tag vor dem Schulzimmer des<br />

Schulhauses Sunnegrund warten würden. Benno Kohler war damals Lehrer der 5./6. Klasse. Bald waren die beiden<br />

ein Paar. Benno fand 1965 eine Stelle in Gossau SG. Er machte den Abschluss als Organist und studierte weiter,<br />

um das Diplom als Konzertorganist zu erreichen. Gleichzeitig betreute er noch einen Kinderchor.<br />

Am 19. Juli 1966 heirateten Annagret und Benno und bezogen eine Wohnung an der Kirchstrasse. Im<br />

Sommer 1967 kam Tochter Luzia zur Welt, ein Jahr später Evelyne. Leider machte sich bei Benno eine MS-<br />

Krankheit bemerkbar, und schon bald musste er deswegen seinen Beruf aufgeben. Benno wurde bettlägerig und<br />

musste von seiner Frau Annagret betreut und gepflegt werden. Das war dann auch der Grund, dass die Familie im<br />

Dezember 1972 zurück nach Cham zog, wo sie an der Jakobstrasse in eine neue Eigentumswohnung einzog. Es<br />

kam die Zeit, in der Benno nicht mehr daheim betreut werden konnte. Darum kam er zuerst ins Krankenasyl Cham,<br />

später dann ins Pflegeheim Baar, wo er am 11. April 1979 im Alter von 38 Jahren verstarb.<br />

Annagret nahm ihren Beruf wieder auf und bildete sich weiter als Legasthenie- und Dyskalkulie-Therapeutin.<br />

Sie fand eine Teilzeitanstellung in Cham. Als ihre beiden Töchter grösser wurden, konnte Annagret wieder Vollzeit-<br />

Einsätze leisten. Grund war auch, weil Grosi Augusta die Aufgabe als Hüterin wahrnahm. Tochter Luzia besuchte<br />

wie einst Annagret das Seminar im Heiligkreuz und studierte anschliessend in Zürich Psychologie und<br />

Sonderpädagogik. Luzia heiratete 1995 den Elektroingenieur Daniel Hänny. Heute sind Luzia und Daniel Eltern von<br />

vier Kindern. Die beiden Töchter Anna-Carina und Evalina sind bereits erwachsen und studieren. Sohn Gian-Andri<br />

ist in Ausbildung zum Informatiker und Sohn Tobias besucht die Sekundarschule.<br />

Evelyn studierte nach der Matura in Zürich Biologie. Danach zog sie nach Parma, wo sie vier Jahre als<br />

Neurobiologin forschte und mit dem Doktortitel abschloss. An der Uni in Zürich lernte Evelyn Rainer Steiger kennen.<br />

Im Jahr 2001 heirateten Evelyn und Rainer, leider wohnten sie damals weit entfernt voneinander, in Müllheim an der<br />

Ruhr und in Parma. 2003 zog das Paar gemeinsam nach Zürich. Im Januar doktorierte Rainer in Quantenmechanik,<br />

und im Februar kam Sohn Flurin zur Welt. Anderthalb Jahre darauf folgte Sohn Ramun. Dieser besucht zurzeit die 6.<br />

Klasse. Es sieht fast so aus, als ob die zwei Söhne ihren Eltern nacheifern. Ob man Flurin und Ramun ebenfalls in<br />

der Uni trifft, wird sich zeigen.<br />

66 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


So präsentiert sich 2016 das Schulhaus Sunnegrund 1 in Steinhausen<br />

Das Schulhaus Sunnegrund 1 an der Blickensdorferstrasse in Steinhausen nach seiner umfassenden Renovation<br />

Lehrerin Annagret Werder Lehrer Benno Kohler Rektor und Namensgeber Josef Iten<br />

Im Schulhaus Sunnegrund, Steinhausen, unterrichteten im Zeitfenster zwischen 1961 und 1964 Lehrerin<br />

Annagret Werder und Lehrer Benno Kohler. Hier im Schulhaus Sunnegrund gingen meine sieben Cousinen, die<br />

hübschen Töchter von Onkel Willy Wyss, zur Schule.<br />

Zur selben Zeit unterrichtete ein Lehrer namens Josef Iten in Steinhausen. Iten war Lehrer, Rektor,<br />

Schulhausvorsteher und Organist in der Kirche in Personalunion. Er, der Herr Rektor und Generalist, hatte während<br />

Jahren das Sagen in Steinhausen, auf jeden Fall was die Schule anbelangte. Das war dann auch der Grund, dass er<br />

das Schulhaus auf den Namen Sunnegrund taufte.<br />

Nicht zu vergessen: Im Sunnegrund 1 bei Lehrer Benno Kohler ging auch Madlen Gschwend,<br />

meine spätere Ehefrau, die Nummer zwei, zur Schule<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 67


Heinz Werder am Tag seiner Hochzeit mit Helen Stadelmann<br />

Die Hochzeitsgesellschaft von Heinz und Helen Werder-Stadelmann am 23. Mai 1975 nach der kirchlichen Trauung<br />

Heinrich-Fritz = Heinz Werder wurde am 12. April 1943 in Cham geboren. Er war der zweite Sohn oder der dritte<br />

Nachkömmling von Augusta und Hans Werder-Häfner. Später gesellten sich noch Ursula und Susi zur Familie. Zu<br />

der Zeit lebte die noch junge Transportunternehmer-Familie gemeinsam mit den Grosseltern und den Werderlingen<br />

im väterlichen Geschäftshaus an der Knonauerstrasse 7 in Cham in einer Dreizimmerwohnung im obersten Stock.<br />

Gut erinnert sich Heinz an die Zeit, in der er im Kolonialwarenladen seiner Grossmutter stand und fleissig mithalf,<br />

fehlende Waren in die leeren Gestelle nachzufüllen. Dass er da ab und zu ein Schoggistängeli stibitzte, kann ich gut<br />

nachvollziehen, denn genau das tat ich auch. Später bezogen die Werders ihr eigenes Haus, welches sich nur einen<br />

Steinwurf weit entfernt, in den Löbern befand. Heinz und alle seine Geschwister besuchten die obligaten Schulen in<br />

Cham. Sie gründeten wertvolle Freundschaften im Dorf, welche noch heute funktionieren.<br />

Einmal als Pilot die Strassen der Lüfte zu beherrschen, blieb für Heinz ein Traum. Stattdessen erlernte er den<br />

Beruf eines Maurers und besuchte fleissig das Abendtechnikum in Zürich. Im Anschluss machte er eine<br />

Zweitausbildung als Hochbauzeichner, wo er als Lehrling, knapp 20-jährig, gerade mal einen Monatslohn von Fr.<br />

50.-- ausbezahlt bekam. Als junger Erwachsener war Heinz Werder im Jahre 1968 aufgrund eines Grümpelturniers<br />

Mitbegründer des Frytigclubs. Dazu gehören noch heute seine Freunde Ruedi Sidler, Kuno Steiger, Armin Pelli,<br />

Eugen Greter, Erwin Baumgartner und Erich Oegger, alles gestandene Chomer, welche ich persönlich kenne. Am<br />

besagten Grümpelturnier gewann der Frytigsclub als Mannschaft den Humoristenpreis, ein Spanferkel, welches<br />

natürlicherweise ein triftiger Grund für ein weiteres Fest der jungen Männer war.<br />

1972 begann für Heinz ein neuer Lebensabschnitt. Er lernte an der Fasnacht in Rotkreuz die hübsche<br />

Postangestellte Helen Stadelmann kennen. Am 23. Mai 1975 heirateten Heinz und Helen in den Parkanlagen des<br />

Schlosses St. Andreas in Cham. Helen Werder-Stadelmann wechselte fast zur selben Zeit ihr berufliches<br />

Tätigkeitsfeld: Sie arbeitete damals für viele Jahre als Sekretärin im Baugeschäft von Angelo Reggiori.<br />

1973 eröffnete Heinz Werder als selbstständiger Unternehmer sein Büro für Architektur und Bauleitung. Als<br />

am Dienstag, 15. Juli 1975, die Liegenschaft Knonauerstrasse 7, das Haus meiner Familie, brannte, übernahm mein<br />

Cousin Heinz spontan die Bauleitung für den Wiederaufbau, dessen Arbeiten im Zeitfenster vom 1. August bis zum<br />

30. Oktober 1975 über die Bühne gingen. So erhielt unser Haus an der KS-7 ein neues Gesicht. Unternehmer Heinz<br />

Werder führte sein eigenes Büro für Architektur und Bauleitung bis zu seinem 67. Lebensjahr in den Gebäulichkeiten<br />

der ehemaligen Milchsüdi, wo einst unser Grossvater Karl der Erste als Heizer arbeitete.<br />

Im Alter von 25 Jahren nutzte er seine Freizeit: Heinz wurde ein leidenschaftlicher Bootsbesitzer. Als Segler<br />

haben ihn im Zeitfenster von 1968 bis zur Jahrtausendwende vier verschiedene Schiffe über die Wellen getragen.<br />

Das waren zwei Jollen und zwei Yachten. Als Präsident des Segelclubs Cham amtierte der Wassersportler ebenfalls<br />

eine längere Periode, wo er den Club erfolgreich durch wichtige Zeitepochen führte. Nachdem er 30 Jahre unter den<br />

Segeln seiner Jollen und Yachten geglitten ist, widmet sich Heinz heute neuen spannenden Hobbys: Er geht<br />

wandern, fotografiert und sammelt Pilze. Auch Ballonfahrten in und über die Schweizer Alpen wie auch nach<br />

Deutschland standen gerade eben noch auf seiner Liste der Freizeiterlebnisse.<br />

Da Vater Hans 1973 sehr früh verstarb und für Mutter Augusta neue Wohnverhältnisse geschaffen werden<br />

mussten, nutzte Heinz die Gelegenheit, die elterliche Liegenschaft in den Löbern 1984 käuflich zu erwerben. Im<br />

November 1986 bezogen die Werders ihr neues Haus, wo es auch Platz für Tante Augusta hatte, die sich in<br />

unmittelbarer Nähe von Heinz und Helen in neuer Umgebung bis zu ihrem Tod im September 1997 sehr wohl fühlte.<br />

68 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Heinz Werder im Jahr 2004 auf dem 5895 Meter hohen Kilimanjaro<br />

Heinz ganz oben: Stolz darf er sein, nach all den Strapazen endlich den Gipfel des Kilimanjaros erreicht zu haben<br />

Als eines seiner grössten Erlebnisse bezeichnet Heinz die Besteigung des über 5900 Meter hohen Kilimanjaros,<br />

dessen Massiv aus drei schlafenden Vulkanen besteht. Das sind der SHIRA, der MAVENZI und der KIBO. Dieses<br />

abenteuerliche Unternehmen meines Cousins, als er an einem Herbsttag zwischen dem 2. und dem 17. Oktober<br />

2004 auf dem Dach von Afrika, auf dem Uhuru Peak des Kilimanjaros, in die Weite über den Afrikanischen Kontinent<br />

blickte, schaffte meines Wissens keiner meiner Verwandten aus meiner grossen Familie ausser eben der Heinz.<br />

Von alpinen Touren hat der heute in Rente lebende Ex-Segler Distanz genommen. Nach dem Verkauf seiner<br />

Liegenschaft in den Löbern zogen Heinz und Helen in die Überbauung von Karl Boog an die Knonauerstrasse 29.<br />

Dort geniessen sie den Ausblick über die Dächer von Cham von der Terrasse ihrer Attikawohnung, die in<br />

Zentrumsnähe praktisch mitten in Cham liegt. Fast gleichzeitig, im August 2010, erwarben Heinz und Helen im<br />

klimatisch angenehmeren Süden im Tessin, genauer gesagt in Muralto in unmittelbarer Nähe zum See und zur<br />

bekannten Piazza Grande von Locarno, eine Zweitwohnung, welche sie zuvor in eigener Regie nach eigenem Gusto<br />

umgebaut hatten. Nicht zu vergessen: Heinz Werder ist stolzer Besitzer des begehrten Kontrollschildes ZG 544.<br />

Im Augenblick übt mein Cousin Heinz das Amt des stellvertretenden Friedensrichters der Stadt Cham aus<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 69


Die abenteuerliche Autofahrt von Hans und Augusta Werder-Häfner<br />

zu ihrer Tochter Ursula nach Paris<br />

Hansjörg Werder, der Chauffeur in der Not<br />

Hans und Augusta warten auf den Pass<br />

Es war im Sommer 1959, als Onkel Hans und Tante Augusta beschlossen, Töchterchen Ursula in Frankreich zu<br />

besuchen. Ursula weilte damals für ein Jahr als Au-pair in einem Mädcheninternat im französischen Trappes (Nähe<br />

Paris). Schon Tage vor der Abreise war Aufregung im Löbernhaus. So kann ich mich noch gut erinnern, wie Onkel<br />

Hans seine liebe Frau, die Augusta, durchs Haus hetzte und immer wieder darauf aufmerksam machte, man dürfe ja<br />

nichts vergessen. Die Koffern gepackt, trat man die besagte Reise ins ferne Paris an. Im familieneigenen Oldsmobil,<br />

einem viereckigen dunkelbraunen Kasten, ausgestattet mit dem Kennzeichen ZG 544 und dem Zeichen CH,<br />

verabschiedeten sich die Reiselustigen bei meinem Vater Karl dem Zweiten und seiner Frau Rosa an der KS-7.<br />

Dann fuhren Hans und Augusta in Richtung Basel bis zur Grenze, wo der Zöllner die Pässe sehen wollte. Mit<br />

Schrecken bemerkte Hans, dass er sein persönliches Passdokument vergessen hatte. Gerade er, der Tage zuvor<br />

seine Augusta genervt hatte, ja nichts vergessen zu dürfen. Tante Augusta obsiegte, sie gewann dadurch Oberhand<br />

und machte ihrem Ehemann, dem lieben Hans, eine gerechtfertigte Szene mit entsprechender Akustik.<br />

Im USEGO-Laden an der KS-7 stand ich hinter dem Ladentresen und machte aus 50 kg Zucker per Waage<br />

Kilogrammsäcke, Briefträger Rölli brachte soeben die Morgenpost ins Haus, als das Telefon klingelte. Meine Mutter,<br />

die Rosa, nahm den Hörer ab und konnte auf der anderen Seite die Stimme von Onkel Hans erkennen. Er, der<br />

Hans, hätte seinen Pass im Löbernhaus liegen gelassen, man möchte doch bitte Sohn Hansjörg aufsuchen und<br />

diesen als Überbinger des wichtigen Dokuments beordern. Dazu soll einer der Lastwagen eingesetzt werden.<br />

Meine Mutter, die Rosa, musste also sofort Vater suchen, der gerade unterwegs war. In der Zeit traf Hansjörg an<br />

der KS-7 ein. Mit dem Pass und per Lastwagen (ZG 4734) fuhr Sohn Hansjörg nach Olten, wo sich Vater und Sohn<br />

Werder zur Übergabe des wichtigen roten Reisedokuments, des Passes, trafen. Die Welt der Werders war wieder in<br />

Ordnung, und die Reise in Richtung Paris konnte leicht verspätet fortgesetzt werden.<br />

Im Anschluss reisten die Werder-Häfners in die Seinestadt Paris und weiter zu Ursula nach Trappes, dann<br />

nach Niort, wo ein Besuch bei Augustas Bruder Charles eingeplant war. Nach der spektakulären Reise, die für die<br />

damalige Zeit ein Tagesgespräch in unserer Region war, berichteten Onkel Hans und meine liebe Tante Augusta<br />

zuerst im Löbernhaus in der gemütlichen Veranda, dann auch in den Schulen von Cham über die Geschehnisse in<br />

Frankreich, welches noch tief in den Nachkriegsjahren steckte.<br />

Meine erste Reise in die Stadt der Liebe nach Paris machte ich im November 1965<br />

zusammen mit Jean-Pierre Morger in seinem R8<br />

70 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Lassen wir doch Ursula selbst zu Worte kommen<br />

Sie erzählt uns über ihr Zeitfenster in Frankreich aus ihrer eigenen Perspektive<br />

Nach Abschluss der 2. Sekundarschule – damals gab es für Mädchen noch keine 3. Sek. – verliess ich im<br />

Frühling 1959 mein Elternhaus, um ein Jahr als Au-pair in einem Mädchenpensionat in Frankreich zu verbringen,<br />

genauer gesagt in Trappes, dem damaligen Ort des Güterbahnhofs von Paris.<br />

Ich weiss noch, wie ich am Badischen Bahnhof staunte, dass die französischen Züge noch mit Dampf fuhren,<br />

und in allen Wagen gab es ein Abteil „reservé pour les mutilés de la guerre“. In Paris angekommen, lernte ich auch<br />

gleich noch die Metro kennen, das Gedränge in den Zügen und das Gehetze durch die endlosen unterirdischen<br />

Korridore. “A Paris on court toujours!“ Das war das Erste, was die "mère supérieure" zu uns (mit mir war noch ein<br />

Mädchen aus Luzern) sagte. Das verstand ich, aber später dann vieles nicht, und kein Mensch sprach ein Wort<br />

Deutsch. Zu jener Zeit sprach kein Franzose deutsch, selbst wenn er es gekonnt hätte.<br />

Die Ecole St. Marie war ein Pensionat für Mädchen aus Paris und Umgebung. Sie trafen am Sonntagabend ein<br />

und blieben bis Samstagmittag. Ein nagelneues Gebäude stand zu ihrer Verfügung: unten Klassenzimmer, oben<br />

Schlafsäle. Das Kloster war zum Teil von Bomben zerstört worden. Die Nonnen hingegen wohnten im alten Haus<br />

bzw. in dem Teil, der übrig geblieben war. Der Speisesaal war irgendwie an die weggerissene Fassade angeklebt<br />

worden. Alles war sehr einfach. Die Küche verfügte weder über Kühlschrank noch über Tiefkühler oder<br />

Abwaschmaschine, obwohl täglich für etwa 80 Personen gekocht wurde.<br />

Die Nonnen und natürlich auch wir wuschen die persönliche Wäsche selbst im Lavabo. Die grossen Stücke<br />

und das, was javelwasserverträglich war, wurden in Netzen in die Wäscherei gegeben, feucht wieder abgeholt und<br />

im Garten an die Leine gehängt. Im Winter hing die Wäsche in mehreren Schichten an den Radiatoren in den<br />

Gängen. Die gestärkten Hauben der Nonnen bügelte die Küchenschwester mit kleinen Eisen, die auf dem riesigen<br />

schwarzen Herd in der Küche erhitzt wurden und die sie abwechslungsweise benutzte. Das Bild links vermittelt<br />

einen Blick in den Schlafsaal von uns Mädchen. Mein Bett befand sich ganz rechts beim Radiator am Fenster.<br />

Anmerkung zu Trappes<br />

Anlässlich einer Begegnung mit meiner Cousine Gisela Emmenegger-Wyss im August 2016 kam heraus,<br />

dass Gisela einst als angehender Teenager im selben Internat in Trappes war wie einst die Ursula<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 71


Fortschrittlich hingegen war der tägliche ganz private Gang zur<br />

„petite toilette“, d. h. in ein Kabäuschen, wo sich nur ein Bidet befand<br />

Neu für mich war auch das Einkaufen auf dem Markt. Ich lernte Artischocken kennen, entsetzte mich darüber,<br />

dass die Kundschaft ungeniert auf dem Camembert herumdrückte, um den Reifegrad festzustellen, und ich staunte,<br />

dass die gesalzene Butter offen verkauft wurde. Von einem Mocken, der aussah wie ein riesiger Mohrenkopf, wurde<br />

mit einem dünnen Draht die gewünschte Menge abgesägt. Um 12 Uhr ging die Sirene los, was mich das erste Mal<br />

sehr erschreckte, und der Markt war beendet. Und da waren noch „les baguettes“, die wir täglich in der Bäckerei um<br />

die Ecke einkaufen gingen. Stets zerbrachen davon ein paar und waren dann erstaunlicherweise kürzer. Ich hab mir<br />

in diesem Jahr zehn Kilo angefressen!<br />

Frankreich hatte sich so weit vom Krieg erholt, dass man nicht mehr hungern musste. Es gab aber noch<br />

vieles, was an die schreckliche Zeit erinnerte, nicht nur das Monument de la guerre mit den Namen aller Gefallenen<br />

der beiden Kriege. Von der Kirche in der Stadt stand nur noch der Turm, und die Messe wurde in einer zügigen<br />

Holzbaracke gehalten. Einmal kam ich an einem riesigen, trichterförmigen Loch vorbei, so etwas wie eine kleine<br />

Kiesgrube, aber es war ein Bombenloch. Trappes war wie gesagt der Güterbahnhof von Paris und war entsprechend<br />

bombardiert worden. Inzwischen fuhren die Züge wieder, und das "Tschschpfff, Tschschpfff, Tschschpfff" der<br />

Dampfloks lullte mich jeden Abend in den Schlaf.<br />

Es war aber auch die Zeit des Algerienkrieges. Ich erinnere mich an eine junge, schwarz gekleidete Frau, die<br />

weinte, als sie der Kindergartenschwester ihr dreijähriges Mädchen übergab. Die Kinder gingen schon mit drei<br />

Jahren in den Kindergarten, und ich war für die jüngsten zuständig. Die Vier- und Fünfjährigen wurden von der<br />

Klosterfrau betreut. Das war eine schöne Aufgabe, mit diesen Kindern habe ich recht schnell Französisch gelernt.<br />

Einmal an einem Sonntag durften wir nach Paris an ein Konzert in der Sacré Coeur. Wie verzaubert stand ich<br />

vor dieser monumentalen weissen Basilika. Drinnen dann funkelte das riesige Goldmosaik in der Nachmittagssonne,<br />

und eine glockenreine Sopranstimme erfüllte den ganzen Kirchenraum.<br />

Sommer: Les grandes vacances! Juli und August sind Schulferien in Frankreich. Gleich Anfang Juli 1959<br />

fuhren wir zusammen mit drei Nonnen und einer riesigen Schar Mädchen aus Trappes und Umgebung in die<br />

Ferienkolonie nach Blainville-sur-Mer am Ärmelkanal. Hier sah ich zum ersten Mal das Meer, dessen Wellen aus<br />

weiter Ferne heranrollten und plötzlich da waren mit grossen Schubwellen, in die wir hineinsprangen und uns<br />

überspülen liessen. Das Meer, das sich langsam wieder weit hinaus zurückzog und eine riesige Sandfläche<br />

hinterliess, bot uns die Möglichkeit, Muscheln zu suchen und Sandburgen zu bauen. Ich war Leiterin einer kleinen<br />

Gruppe. Wegen der Gezeiten waren wir zwei Wochen morgens und zwei Wochen nachmittags am Meer.<br />

Wir wohnten in einem alten dreistöckigen Steinhaus, der Speisesaal war draussen, ein riesiges Zelt! Und immer<br />

stand feine Limonade auf dem Tisch, nicht nur das übliche, sondern ein mit einem gelbbraunen Konzentrat<br />

„veredeltes“ Wasser, um den Chlorgeruch zu eliminieren.<br />

Dann, im August, kamen meine Eltern zu Besuch, natürlich per ZG 544, d. h. mit dem Auto. Ich war ganz<br />

„stigelisinnig“ vor Freude, als ich sie nach so vielen Monaten wiedersah. Ich habe die paar Tage mit Dädy und Muetti<br />

in Paris, auf dem Eiffelturm, in der Kulisse der Sacré Coeur und in Versailles, unendlich genossen. Im Anschluss<br />

fuhren meine Eltern dann weiter nach Niort im Südwesten von Frankreich zu Muettis Bruder Charles.<br />

Eine weitere Erinnerung ist der Staatsbesuch des russischen Präsidenten Nikita Chruschtschow bei General<br />

Charles de Gaulle. Zusammen mit vielen anderen Schaulustigen standen wir an der Route nationale, wo die beiden<br />

Präsidenten in den offenen Staatskarossen von Versailles nach Rambouillet fahren würden. Und da waren sie,<br />

aufrecht im Wagen: zuerst Nikita Chruschtschow und dann Charles de Gaulle. Und als unabhängige Schweizerin<br />

schwenkte ich mein „Tricolörchen“ auch für den Erzkommunisten, was vielleicht nicht ganz im Sinn der Nonnen war.<br />

Später, im August 2002, suchte ich die Gegend nochmals auf,<br />

den Ort, wo ich im Internat auf mein zukünftiges Leben hätte vorbreitet werden sollen!<br />

72 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ursula und Kurt Müller-Werder traf ich am 9. Juni 2016 in Winterthur<br />

Zurück aus Paris, ging es zur Berufsberatung, die der jungen Dame leider auch keine verbindlichen Tipps<br />

vermitteln konnte. Als technische Zeichnerin machte Ursula die ersten beruflichen Gehversuche bei der<br />

renommierten Firma Rittmeyer in Baar. Im Januar 1964 zog es das eben flügge gewordene Werderlein nach<br />

Winterthur, wo es sich im Stadtteil Wülflingen niederliess. Im Vermessungsbüro LEISINGER trat sie ihre Stelle als<br />

Alleinsekretärin an. Dort lernte Ursula im September 1968 den Mitarbeiter Kurt Müller kennen, in den sie sich schon<br />

bald verliebte. 1982 machte sich Kurt selbstständig, er gründete seine eigene Informatikfirma, in die auch Ursula ihr<br />

Wissen und Können einbrachte. Übrigens: Kurt ist immer noch ein leidenschaftlicher Modelleisenbähnler, seine<br />

Züge kreuzen noch heute Strassen und Schranken, und sie verschwinden in Tunneln. In ihrer Wohnung an der<br />

Gotzenwilerstrasse in Winterthur geniessen Ursula und Kurt ihren verdienten Lebensabend.<br />

Augusta mit den Kindern 1950 Ursula am ersten Schultag 1951 Heinz mit Ursula im April 1954<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 73


Die Familie von Susi Röthlisberger-Werder<br />

Die tierliebende Susi Röthlisberger-Werder mit ihrem Kater Stritzi Susi, Urs mit ihren Kindern Judith u. Urs 1968<br />

Urs Röthlisberger, einst ein erfolgreicher Radrennfahrer des RMV Cham<br />

Radrennfahrer Urs Röthlisberger in seinem Element als erfolgreicher Sprinter, der damals in Pfaffnau den Ton angab<br />

Urs Röthlisberger, Ehemann von Susi, war in seinen jungen Jahren dem Radrennfahren verschrieben. So<br />

war Urs in den Jahren zwischen 1961 und 1967 im Eliteteam. Er bestritt das bekannte Radrennen Grand Premio-<br />

Toscanelli Brisago und fuhr damals als Erster unter viel Applaus über die weisse Ziellinie. Urs gewann 1962 das<br />

besagte Rennen.<br />

Im Weiteren bestritt der erfolgreiche Hagendörndler, welcher zu der Zeit im RMV CHAM-HAGENDORN ein<br />

beliebtes aktives Mitglied war, im Zeitfenster der Jahre 1964 und 1965 die TELLSTAFETTE im Ehrenamt.<br />

1966 pedalte Urs am bekannten Rennen in Pfaffnau, wo er erfolgreich am ELITE-KRITERIUM-RENNEN<br />

teilnahm. An der schweizweit bekannten, gleichzeitig auch berüchtigten ZÜRI-METZGETE war Urs oft mit dabei<br />

und war immer unter den ersten zehn Fahrern zu finden.<br />

Im seinem Schicksalsjahr 1967 qualifizierte sich Urs Röthlisberger für die Olympiaden in Mexico. Leider<br />

machte ihm am 1. Oktober 1967 an der Zuger Kantonalmeisterschaft ein unverschuldeter Unfall einen dicken Strich<br />

durch seine Rechnung. Weil eine Strassenaufsicht nicht aufmerksam genug war, kam dem eifrigen Pedaleur in<br />

Hausen am Albis plötzlich ein Fahrzeug entgegen. Damit war das endgültige Aus seiner Radrennkarriere besiegelt.<br />

Urs Röthlisberger absolvierte 1963 die Rekrutenschule als Radfahrer in Winterthur.<br />

74 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Kindergartentante Lydia, welche einst auch Susi Werder betreute<br />

Das Foto mit der mehr als 40-köpfigen Kindergartengruppe von Tante Lydia, aufgenommen von Frau Blatter im Jahr 1953<br />

Das war die gemischte Gruppe des Kindergartens, die damals im sogenannten Sprützenhüsli untergebracht war.<br />

Der Name Sprützenhüsli darum, weil im Parterre die Feuerwehr mit ihrem bescheidenen Equipment einquartiert war.<br />

Beim Eingang führte eine steile Treppe zu den zwei Räumen des Kindergartens. Direkt darunter befand sich<br />

eine Strafzelle der Gemeindepolizei. Es kam vor, dass die Zelle durch einen Betrunkenen zur Ausnüchterung oder<br />

gar durch einen echten Straftäter kurzfristig belegt war. Die entsprechenden Geräusche verrieten jeweils, zu welcher<br />

Kategorie wir die Herren im Untergeschoss einteilen durften.<br />

Susis Erste Kommunion am Sonntag, 13. April 1958, bei St. Jakob zu Cham<br />

Das Foto mit Pfarrer Franz-Josef Muff wurde vom Fotografen J. Russi vor dem Schulhaus Kirchbühl in Cham produziert<br />

Und wieder treffen wir unseren Dorfpfarrer Franz-Josef Muff: auf der bekannten Schulhaustreppe, welche sich<br />

immer für solche Aktionen, in denen Fotografen ins Spiel kommen, als idealer Platz zum Strammstehen eignet.<br />

Das denkwürdige Schulhaus Kirchbühl in Cham kann im Jahr 2017 seinen 100-jährigen Geburtstag feiern<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 75


Augusta am Werken in ihrer geliebten Löbern-Küche<br />

Die Gäste warten auf der Veranda auf ihren Kaffee, welcher von Augusta in der Küche eiligst zubereitet wird.<br />

Damals, im August 1983, als dieses Bild geknipst wurde, gab es noch keine Kaffeekapseln,<br />

und Nespresso war zu der Zeit noch ein unbekanntes Fremdwort mit Fragezeichen.<br />

76 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


G E S C H W I S T E R W E R D E R S S A L A M I - D A Y 2 0 1 6<br />

Augusta feierte jeweils immer am 23. Dezember inmitten ihrer ganzen Familie ihren Geburtstag.<br />

An diesem für die Familie denkwürdigen Tag trank man jedes Jahr denselben Tischwein Vinocello,<br />

und auf der Speisekarte dominierte die Salami. Diese Familientradition, der sogenannte SALAMI-TAG,<br />

wird laut meinen Informationen bis heute noch zu unbestimmten Zeiten ganz spontan<br />

von den Familienmitgliedern aufrechterhalten und entsprechend gefeiert.<br />

Im Jahr 2016 war das am Samstag, 13. Februar, an dem sich die Familienmitglieder Hansjörg, Annagret,<br />

Ursula, Susi und Heinz zu Ehren ihrer Mutter Augusta vor meiner Kamera in Position brachten.<br />

Die Salami ist nach wie vor Tradition, der Wein, damals ein Merlot San Siro 2009, wurde zeitlich neu angepasst.<br />

Hans und Augusta wären sicher erfreut über die Tradition des SALAMI-TAGS ihrer Söhne und ihrer Töchter.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 77


Ich stelle vor:<br />

Familie Karl Werder-Scherer, Cham,<br />

mit Sohn Karl (<strong>Charly</strong>)<br />

sowie den Töchtern Christina, Ludmilla<br />

und Cécilia<br />

Karl der Zweite war der jüngere Bruder<br />

meines Onkels Hans Werder-Häfner<br />

78 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein Dokument von der Bürgergemeinde Steinhausen<br />

Dieses Dokument, der Heimatschein meines Vaters Karl Werder, wurde am 10. April 1931 von<br />

den Herren Bürgerräten Jakob Schlumpf und Johann Hausheer der Bürgergemeinde<br />

Steinhausen unterzeichnet und an Karl den Zweiten persönlich ausgehändigt.<br />

Warum Vater dieses wichtige Dokument nie unterzeichnet hat, ist mir nicht bekannt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 79


Die Hochzeit von Karl und Rosa Werder-Scherer im September 1946<br />

Karl der Zweite mit seiner Braut Rosa Scherer am Tag ihrer Hochzeit,<br />

fotografiert am 21. September 1946, im Fotostudio Russi in Cham<br />

80 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Auf dem politischen Parket spielte sich 1946 folgende Szene ab<br />

Am 19. September 1946 nur zwei Tage vor der Hochzeit meiner Eltern zelebrierte Sir Winston Churchill in<br />

Zürich seine beeindruckende Rede. Dabei lieferte er den Medien eine Showeinlage, indem er auf dem Münsterhof<br />

auf seinem Spazierstock seinen Hut balancieren liess. Als man dem britischen Premier ein Glas Champagner<br />

reichte, meinte Churchill: „Bei einem Sieg hat man ihn verdient, bei einer Niederlage braucht man den<br />

Edelschaumwein erst recht." Diese Bilder und Worte gingen damals durch die ganze Weltpresse.<br />

Beide Gesten des britischen Premiers, die Balance mit dem Hut und den Champagner-Spruch, passten im<br />

Nachhinein gesehen zum Leben meiner Eltern. Sie balancierten und meisterten das Eheleben, die Zweisamkeit fast<br />

gekonnt, und sie gründeten ihre eigene Familie, gleichzeitig floss auch ab und zu der Champagner aus dem eigens<br />

angelegten gut bestückten Weinkeller im Untergrund an der KS-7 in Cham.<br />

Diese historischen Bilder entstanden in den Morgenstunden des 21. Septembers 1946 im Café Schultheis in Cham,<br />

bevor die Trauung von Karl und Rosa in der Kirche St. Jakob zelebriert wurde.<br />

Am 21. September 1946, nur gerade zwei Tage nach Churchills Auftritt in Zürich, heirateten meine Eltern.<br />

Karl Werder junior der Zweite führte seine hübsche Rosa Scherer in der Pfarrkirche zu St. Jakob in Cham an den<br />

Traualtar. Begleitet von Lina Scherer, einer der Schwestern meiner Mutter, und Kurt Naunheim, dem Bruder von<br />

Werner Naunheim, als Nebenhochzeiter sowie flankiert durch Hansjörg und Annagret Werder in Funktion von<br />

Blumenkindern.<br />

Für die Taxifahrten verpflichtete das Brautpaar das Autohaus der Firma Reck an der Sinserstrasse, Cham.<br />

Diverse Oldsmobile standen am Hochzeitstag für die Gäste im Einsatz. Gross gefeiert wurde im Restaurant Bären<br />

im ersten Stock. Dort wartete schon dessen Wirtin Rosa Baumgartner-Brandenberg (1895 bis 1958), genannt Bären-<br />

Anna, eine gute Freundin der Familie Werder-Müller, auf das frischgebackene Brautpaar mit dessen Gefolge. Die<br />

hochzeitslustige Rosa trug ein weisses langes Tüllkleid mit aufgestelltem Schleier. Eine aus Gold gefertigte<br />

Halskette, versehen mit einem Kreuz, und ein Strauss weisser Nelken schmückten damals die Braut. Karl der<br />

Zweite, ausgestattet in schwarzer Schale und weisser Krawatte, gefertigt im Schneideratelier der Geschwister<br />

Widmer aus Cham, war an der Seite der schönen Rosa sichtlich stolz. Das Geschehen der Festivitäten hielt Fotograf<br />

Marfurt mit seiner Kleinbildkamera in Schwarz-Weiss fest. Im Anschluss ging es dann auf die Hochzeitsreise nach<br />

St. Moritz und Milano, exakt auf den Pfaden meiner Grosseltern, welche dieselbe Hochzeitsreise in ihrer Erinnerung<br />

mittrugen.<br />

Eine Statistik aus dieser Zeitepoche sagt uns, dass rund 60 Prozent der Bekanntschaften auf Hochzeiten<br />

gemacht würden. Das trifft auch perfekt auf meine Eltern zu. Karl Werder und Rosa Scherer lernten sich anlässlich<br />

der Hochzeit von Willy und Maria Wyss-Scherer (Mutters Schwester) am Donnerstag, 17. Mai 1945, an deren<br />

Festivitäten im benachbarten Steinhausen kennen.<br />

Karl und Rosa wurden damals kurzfristig als Nebenbrautpaar zu dieser Hochzeit aufgeboten.<br />

Mit ziemlicher Sicherheit hat das schwarze Kabinett kurzfristig eine eigene Entscheidung mit der Zielsetzung,<br />

den Karl und die Rosa zu verkuppeln, getroffen. Das behaupteten damals mehrere Zeitgenossen,<br />

die an besagter Hochzeit im Gasthaus Rössli in Steinhausen Gäste waren.<br />

Auch meine Eltern haben mir den nicht durchschaubaren Handel mit ihnen als Menschen bestätigt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 81


Das Gruppenbild vom Hochzeitstag im September 1946<br />

Am Tag der legendären Hochzeit von Karl Werder mit seiner Rosa Scherer<br />

stellten sich am 21. September 1946 Nebenhochzeiter Kurt Naunheim mit Brautführerin<br />

Lina Scherer sowie die Blumenkinder Annagret und Hansjörg Werder, zwei<br />

Nachkommen von Hans und Augusta Werder-Häfner, vor die Kamera von Fotograf Russi.<br />

Nach der Trauung, Auszug aus St. Jakob: ganz vorne die Blumenkinder Hansjörg mit Annagret, das Brautpaar Karl der<br />

Zweite mit seiner Rosa, gefolgt von Kurt Naunheim und Lina Scherer als Nebenhochzeitern.<br />

Links im Bild Anna-Helena und zur Rechten die Rosa-Cecilia Scherer. Während die Kirchenglocken läuteten,<br />

bekamen die Kinder die beliebten Feuersteine, was zu der Zeit noch Tradition war.<br />

82 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ankunft der Gästeschar im Restaurant Bären in Cham:<br />

Szenen vom Tag der Hochzeit am 21. September 1946<br />

Das denkwürdige Gasthaus Bären in Cham,<br />

geführt von Paul und Rosa Baumgartner-Brandenberg,<br />

war damals FDP-Hochburg und Stammhaus meiner Familie.<br />

Grossvater Karl der Erste im Gespräch mit den Eltern<br />

meiner zukünftigen Mutter, Rosa-Cecilia und<br />

Ferdinand Scherer-Studer, vor dem "Bären" in Cham.<br />

Lina Scherer, Oma Rosa-Cecilia mit Ehemann Ferdinand,<br />

der Tochter Margaritha. Ganz rechts aussen Karl der Erste.<br />

Die Frischvermählten, die Rosa und der Karl,<br />

rechts im Bild Brautführer Kurt Naunheim.<br />

Karl der Erste, im Gespräch mit Limousinenfahrer Reck,<br />

orientierte über die Fahrroute nach Morschach.<br />

Die auffällige Wagenkolonne auf dem Weg nach<br />

Morschach, wo die Hochzeitsgesellschaft in der<br />

Pension Betschart von Tante Rosa erwartet wurde.<br />

Die ganze Fotoreportage der Hochzeit produzierte das Fotostudio Russi, welches beim Hotel Raben<br />

einquartiert war, in eigener Regie. Das Bild mit der Wagenkolonne zeigt die Luzernerstrasse im September 1946<br />

mit dem Haus von Uhrenmacher Schmidli links, dem Hotel Raben direkt in der Front sowie<br />

dem Schuhhaus von Hans Gretener mit dem Kaplanenhaus im Hintergrund.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 83


Ein erstes Familienfoto zeigt mich mit meinen Eltern Karl und Rosa<br />

Das Foto mit meinen Eltern Karl und Rosa entstand 1952 im Atelier von Frau Blatter, der damaligen<br />

Hausfotografin unserer Familien, zu einem Zeitpunkt, in dem mein Grossvater Karl Werder-Müller der Erste die<br />

Weichen für die Zukunft seiner Söhne Hans und Karl stellte. Ebenfalls zu dieser Zeit befasste ich mich mit dem<br />

Anschauen meines ersten Buchs „RÖSSLI HÜ“, welches ich zu Weihnachten von meinen Eltern bekommen hatte.<br />

Ich lade Sie ein, mit mir gemeinsam in die Zeitepoche einzutauchen, welche uns meine Eltern als die sogenannten<br />

goldenen Zwanzigerjahre schmackhaft machten.<br />

Der Kleinlaster, ein Ford der Serie 30-AA-Truck aus den Dreissigerjahren, mit Sicherheit aus den Anfängen des<br />

Unternehmens Karl Werder-Müller, aufgenommen vor dem Kolonialwarenladen meiner Oma, der Anna-Helena, an<br />

der Knonauerstrasse 7 (KS-7) in Cham.<br />

Im Bild zu sehen: mein Grossvater als stolzer Besitzer seines ersten Kleinlasters in Funktion der offiziellen<br />

Post- und Bahncamionage und beim Holzsägen mit Klein Hansjörg.<br />

84 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Karl der Zweite, die Rosa und der "Pösseler" Karli, später <strong>Charly</strong>!<br />

Das sind meine Eltern, der Karl und seine Rosa, im Jahr 1950 nach dem obligaten sonntäglich Kirchgang zu<br />

St. Jakob in Cham. Auf den Armen meines Vaters fühlte ich mich sicher, aber auch sehr wohl. An dieser Stelle eine<br />

kleine modische Anmerkung. Vater trägt einen für die damalige Zeit sehr modischen Mantel, darunter einen seiner<br />

Nadelstreifenanzüge, gefertigt im Schneideratelier der Geschwister Widmer in Cham. Meine Mutter, die Rosa,<br />

marschiert im Mantel aus der Edelboutique MASON DE BOER, Luzern. Wir drei sind hier im Gleichritt auf dem Weg<br />

zum Mittagessen im Hotel Raben, Cham.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 85


Karl u. Rosa Werder in Produktion der<br />

neuen dritten Generation der Werders<br />

Karl (<strong>Charly</strong>), 1947, Ludmilla, 1955, und Christina Werder, 1953 Rosa Werder-Scherer, 1920 Karl der Zweite, 1916<br />

Die Bilder dokumentieren das Zeitfenster 1948 bis 1958. Meine Eltern, Karl der Zweite und die hübsche Rosa<br />

aus dem Entlebuch, waren stolz auf die drei Kinder, welche damals dem Haus KS-7 neues Leben einhauchten.<br />

Rosa mit Christina Christina vor dem Laden Rosa mit Kindermädchen Hildy Lier und Klein <strong>Charly</strong><br />

Am 20. August 1958 kam meine Schwester Cécilia-Maria als viertes Werderlein zur Welt. Die zwei Bilder mit<br />

Rosa und meiner Schwester Christina oben links, aufgenommen von Vater Karl, entstanden kurz nach der Geburt<br />

von Cécilia. Leider fehlen Fotos der damals neugeborenen Erdenbürgerin, meiner Schwester Nummer drei, die wir<br />

jedoch später in dieser Dokumentation noch kennen lernen werden.<br />

<strong>Charly</strong> mit Christina beim Hirsgarten <strong>Charly</strong> vor der KS-7 in Cham <strong>Charly</strong>, Abfahrt ins Jungwachtlager<br />

Mit Stolz chauffierte ich meine Schwester Christina im gleichen Kinderwagen durch das Dorf zum Hirsgarten, in<br />

dem auch ich einmal das Fahrvergnügen erleben durfte. Erkennbar auf dem Stimmungsbild vom Winter sind die<br />

Gebäude der Maschinenfabrik, welche im Juni 1979 durch Herrn Brändli warm beseitigt wurden. Das Foto rechts<br />

unten zeigt die Verabschiedung von Mutter Rosa. Im Sommer 1959 ging es nach Vättis GR ins Jungwachtlager, in<br />

dem ich der Gruppe WINKELRIED angehörte.<br />

86 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die neue Generation meiner Familie wächst sichtlich heran<br />

Mit meiner Schwester Ludmilla im Hirsgarten.<br />

Für uns Jungs kamen die Kniesocken in Mode.<br />

Mit Mutter und Cécilia auf der Terrasse der KS-7.<br />

Ich wurde unfreiwillig zum Brillenträger.<br />

Mit Mutters Fahrrad im Areal der Maschinenfabrik<br />

Ludmilla mit Christina im Städtlerwald<br />

Das sind Cécilia mit einem mir unbekannten Onkel und Christina beim Spaziergang durch den Hirsgarten.<br />

Die kleine Erdenbürgerin ist eine Cousine, welche ich leider nicht erkennen kann.<br />

Die einheitlichen Kleider meiner Schwestern wurden durch den Fadenschlag der Schneiderin Emilia Birrer in<br />

deren Wohnstube an der Schmidstrasse gefertigt. Die fleissige Emilia ist noch immer in meinem Kopf präsent.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 87


Erinnerungen an meine Schulzeit im Schulhaus Kirchbühl<br />

Diese Aufnahme stammt aus dem Jahre 1956, und sie wurde vom damaligen Dorffotografen Russi produziert<br />

Am ersten Schultag, es war im April 1954, da habe ich mich zum Inseli im Villettepark verkrochen. Ich wollte nicht<br />

zur Schule gehen. Nach gut einer Stunde fand mich meine Mutter Rosa und brachte mich gegen meinen Willen ins<br />

Schulzimmer des Kirchbühlschulhauses Cham, wo mich im ersten Stock 49 staunende Erstklässler und das<br />

hübsche Fräulein Lüber erwarteten. Die Lehrerin verteilte gerade die ersten Schiefertafeln mit Kreidestift und<br />

Schwamm, welche mein Nachbar J. J. Bühlmann an die Dorfschulen Cham liefern durfte. Unter dem Gequietsche<br />

der Kreidestifte auf der Wandtafel widmete ich mich dann mit meinen Schulkameraden dem beginnenden<br />

sogenannten Ernst des Lebens.<br />

Von diesen 49 Jungs der Jahrgänge 1947/ 48 findet man mich auf der linken hintersten Bank in der Mitte,<br />

neben Josef Huwiler und Bruno Rüttimann. Unsere Lehrerin war Helene Lüber. Als Aushilfe stand jeweils Lehrer<br />

Heinzer, damals weit über 60-jährig, am Pult. Zu dieser Zeit gab es noch Tatzen und andere Schläge, was bei uns,<br />

auch nicht bei mir, keinen bleibenden Schaden verursacht hatte. Wenn wir uns zu Hause beklagen wollten,<br />

bekamen wir noch eine Zugabe auf den hinteren Teil, was man noch heute als Arsch bezeichnet.<br />

Eine Aufnahme aus den Anfängen meiner Schulzeit mit meiner Schwester Christina und unserer lieben Mutter<br />

88 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Dokumente der ersten Schuljahre meiner Schwestern<br />

Sr. Maria-Patrizia mit der 2. Klasse der Primarschule im Schulhaus Kirchbühl, Cham.<br />

Die Schulklasse mit meiner Schwester Christina war noch mit Schiefertafeln ausgerüstet.<br />

Christina Werder<br />

Ludmilla Werder<br />

Lehrer Paul Liechtsteiner mit der 3. Primarschulklasse im Schulhaus Städtli, Cham.<br />

Ludmilla, bereits im modernen 1958 in Betrieb genommenen Städtli-Schulhaus.<br />

Lehrerin Frl. Hobby mit der 3. Klasse der Primarschule im Schulhaus Kirchbühl, Cham.<br />

Wie auf den Bildern dokumentiert wurde die Klasse mit Cécilia kleiner.<br />

Cécilia Werder<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 89


Impressionen mit Rosa vom Vierwaldstättersee und von der Rigi<br />

Hier sehen wir meine Mutter in Funktion als Model, als sie im Auftrag des Fotostudios H. Niedecken aus Weggis<br />

und St. Moritz für die Herstellung von Postkarten vor der Kamera posierte. Diese zwei Ansichtskarten fand ich im<br />

Verlag BLAU unter der Code-Nummer 89/27 im Bildarchiv. Die gelungenen Bildsouvenirs waren im Zeitfenster 1944<br />

bis 1946, also vor der Heirat mit Karl, offiziell im Handel. Wer die zweite Lady im Ruderboot ist, konnte ich leider<br />

nicht ausfindig machen.<br />

Auf dieser Postkarte steht meine Mutter etwas im Hintergrund auf der verschneiten Rigi mit<br />

weiteren mir nicht bekannten Personen vor der Kamera des Studios Niedecken<br />

90 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Dorfpfarrer Franz-Josef Muff am Weissen Sonntag in Cham<br />

Nach einer umstrittenen und langen Debatte im Herbst 1940 fiel die Wahl unseres<br />

neuen Dorfpfarrers auf den aus Luzern stammenden Franz-Josef Muff.<br />

Meine Beziehungen zu Pfarrer Muff waren in meiner Jugend vielseitig. In seiner Kirche in Cham heirateten<br />

1946 meine Eltern. Mein Grossvater mit seinen Söhnen Hans und Karl organisierten den Umzug von Luzern nach<br />

Cham. 1955 und 1956 fanden die Bestattungen meiner Grosseltern in der Kirche St. Jakob statt. 1947 wurde ich in<br />

Cham getauft, später empfing ich die Sakramente der Beichte und der Kommunion. Pfarrer Muff war mein<br />

Religionslehrer und gleichzeitiger Förderer in meiner Schulzeit als Ministrant. Am 16. November 1958 schrieb der<br />

geistliche Herr zu meiner Person eine Titelgeschichte im Pfarrblatt von Cham: EIN ZWEITKLÄSSLER ZAUBERT!<br />

In meinen Jahren als Teenager teilten sich dann unsere Meinungen und Ansichten zur Kirche.<br />

Dass ich im Konkubinat lebte, mich im Showbusiness aufhielt und andauernd mit hübschen Mädchen<br />

zu tun hatte, konnte Pfarrer Muff damals nicht nachvollziehen. 1967 kam es zum Kirchenaustritt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 91


Die erste heilige Kommunion erteilte uns Hochwürden Pfarrer Josef<br />

Muff am 13. April 1958 in der Kirche St. Jakob zu Cham<br />

Im Bild, fotografiert von Frau Blatter, in Reihe drei von unten links als Vierter, zwischen Philip Luthiger und Urs (Samy)<br />

Fischer, wäre ich, eingekleidet vom Modehaus Widmer, Cham, zu finden. Gross in Mode der Jungs von damals waren die<br />

Knickerbockerhosen. Unser Pfarrer Franz-Josef Muff war zu der Zeit mit seinem blauen VW-Käfer ZG 1551 unterwegs.<br />

An diesem Weissen Sonntag, so nannte man damals den Tag der ersten heiligen Kommunion, bei mir war es der<br />

13. April 1958, besammelten wir uns im Schulhaus Kirchbühl, Cham. Knaben und Mädchen strikte getrennt. Dafür<br />

war die ehrwürdige Schwester Maria-Patrizia besorgt, denn so hatte es die Kirchenobrigkeit von ihr verlangt. Nach<br />

Anweisung von Lehrer Jakob Müller folgte die Aufstellung des Festzuges mit anschliessendem Abmarsch der<br />

formierten Prozession zur Hünenbergerstrasse, zum Raben- über den Kirchenplatz in die Pfarrkirche St. Jakob.<br />

Begleitet vom eindrucksvollen Klang der sieben Glocken und von der uniformierten Musikgesellschaft Cham unter<br />

der Direktion von Hans Schwerzmann schritten wir in Begleitung von Pfarrer Franz-Josef Muff mit ernster Miene den<br />

Weg zum Empfang dieses heiligen Sakramentes im Weihrauchnebel dem Hochaltar entgegen.<br />

Nach den fast zweistündigen Feierlichkeiten in der von der Firma Schoch mit schönen Blumen geschmückten<br />

Kirche gab es ein entsprechendes Festessen im Kreise meiner Familie, das wir im "Hirschen" aus der Küche von<br />

Frau Iten zu uns nahmen. Im Anschluss mussten wir erneut in einer geschlossenen Formation nach Hünenberg<br />

laufen, um dort erneut zu beten.<br />

Es war eine intensive Zeit damals zum Thema Religion, mussten wir doch wöchentlich nebst dem<br />

Religionsunterricht und der Christenlehre mehrmals die heilige Messe besuchen: jeden Dienstag- und<br />

Freitagmorgen um 7 Uhr und an den Sonntagen um 9.45 Uhr. Das war für mich und ein paar Kollegen etwas zu viel.<br />

Wir beschlossen, statt in die Kirche zum nahe gelegenen Bahnhof zu gehen, um dort die Zeit etwas<br />

spannender zu gestalten. Auf dieselbe Idee kam auch mein Vater. Er gönnte sich im Restaurant Bahnhof mit Josef<br />

Bisang und Ernst Rast sowie weiteren Vätern von Schulkameraden einen kräftigen Kaffee. Unsere lieben Väter<br />

waren sehr erstaunt, als ich an einem schönen Sonntagmorgen mit meinen Freunden die mit Rauch benebelte<br />

Bahnhof-Beiz betrat.<br />

Gemeinsam entschied ich auf Rat meines Vaters Karl des Zweiten, dass dieses nicht geplante Treffen zwischen<br />

Vater und Sohn unser beider Geheimnis bleiben soll. Nachdem wir zu Hause angekommen waren, servierte uns<br />

Mutter Rosa ein feines Mittagessen. Beiläufig fragte sie mich, wer denn in der Kirche gepredigt hätte. Rasch<br />

entschlossen antwortete ich: "Hochwürden Kaplan Langenegger!"<br />

Vater schaute mich an und bestätigte meine Antwort: "Ja, ja, der Langenegger, er redete wieder mal viel zu<br />

lange von seiner Kanzel." - "So, so, der Schlossherr Langenegger", wiederholte meine Mutter mit ernstem Tonfall.<br />

"Herr Langenegger ist seit zwei Wochen im Urlaub", meinte Mutter Rosa, und sie schimpfte mit uns so laut, dass die<br />

Nachbarmädchen der Familie Schneiter von nebenan den ganzen Schwindel mitbekamen. Schon bald machte die<br />

Geschichte die Runde im Dorf, und in der Schule wurden wir von den Lehrern getadelt.<br />

Fazit dieser Notlüge von Vater und Sohn:<br />

Nach diesem Schwindelakt, welcher sich auch in der Schule wie ein Lauffeuer verbreitete, trafen sich wöchentlich immer<br />

mehr Jugendliche im "Bahnhöfli" statt in der Kirche. Ich zählte natürlich auch zu dieser verrufenen Gruppe,<br />

welche laut den Dorfbewohnern dem Teufel ab den Karren geflogen sei!<br />

92 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die erste heilige Kommunion: ein beeindruckender Tag im Leben der<br />

neuen, jungen Werder-Generation<br />

Die erste heilige Kommunion für Christina<br />

Die erste heilige Kommunion für Karl (<strong>Charly</strong>)<br />

Die erste heilige Kommunion für Ludmilla<br />

Die erste heilige Kommunion für Cécilia<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 93


Das breite Tätigkeitsfeld meiner Eltern, Karl und Rosa, im eigenen<br />

Familienbetrieb als Kleinunternehmer<br />

Die offizielle Post- und Bahncamionage, Kleintransporte, die Mineralwasserhandlung, verbunden mit dem<br />

Lebensmittelgeschäft (USEGO), welches von meiner Mutter Rosa in eigener Regie geführt wurde, war das<br />

umfassende und auch spannende Tätigkeitsfeld der frischgebackenen Geschäftsleute. Viel Einsatz für meine Eltern<br />

im eigenen Betrieb, das tägliche Brot zu meinem Wohlbefinden und zum Wohlergehen meiner noch<br />

heranwachsenden Geschwister zu erarbeiten. Im August 1957 eröffneten Karl und Rosa nach einem Umbau des<br />

Kolonialwarenladens von Anna-Helena das erste Selbstbedienungsgeschäft im Dorf Cham. Die Leute konnten mit<br />

einem Körbchen die Ware des täglichen Bedarfs selbst aus dem Gestell nehmen und diese im Anschluss an der<br />

Kasse bezahlen.<br />

Meine Mutter, die Rosa, war sichtlich stolz auf ihr eigenes Lebensmittelgeschäft. Viel Wert legte sie auf die<br />

Auswahl von Saisonfrüchten und Gemüse, welche von Bauern aus der Umgebung täglich frisch angeliefert wurden.<br />

Bekannt war Mutters Lebensmittelgeschäft unter anderem durch die vielfältig bestückten und liebevoll dekorierten<br />

Früchtekörbe, wo sie immer wieder Komplimente von zufriedenen Kunden entgegennehmen durfte. Unterstützt<br />

wurde Rosa durch Emma Schmied, die zu der Zeit meine Mutter in allen geschäftlichen Belangen mit Rat und Tat<br />

kompetent unterstützte. Es war das Zeitfenster, als meine Schwestern Christina, Ludmilla und Cécilia heranwuchsen.<br />

Mit Freude stellte ich fest, dass Mutter als Erste in Cham den 1942 von Rolf Bloch (Camil Bloch) erfundenen<br />

Schokoriegel in ihrem Sortiment führte. Ragusa, der Riegel, der in Schokolade gegossene grosse Haselnüsse<br />

enthielt, war damals der erste Snackriegel, der im Handel erhältlich war. Der Erfinder Rolf Bloch, 1930 bis 2015, war<br />

der Sohn des Schokoladier Camil Bloch. Das damalige Marken-Süssgetränk VIVI KOLA, eingestuft als Lifestyle- und<br />

Genussgetränk, auch Rennfahrerbier genannt, stand ebenfalls im Angebot unseres USEGO-Ladens. Geliefert wurde<br />

das Cola durch die 1938 gegründete Mineralquelle Eglisau, die zu der Zeit den beliebten Radrennfahrer Hugo Koblet<br />

und seine Teilnahme an der Tour de Suisse sponserte.<br />

Schokolade, besonders die blaue Caillier mit Nuss, mochte auch meine Lieblingscousine, die Gisela Wyss.<br />

Heimlich belieferte ich die hübsche Gisela mit ihrer bevorzugten Marke, indem ich bei jeder Gelegenheit ein paar<br />

Tafeln vom Laden in Cham ins Eichholzhaus nach Steinhausen schmuggelte. Dort deponierte ich die süssen mit<br />

Nuss bestückten Leckereien in einem Putzkästchen hinter dem Vorhang im WC. Gisela wusste genau, wenn ich das<br />

WC im Eichholz verliess, dann fand sie ihre Lieblingsschokolade hinter besagtem Vorhang. Noch heute erinnern wir<br />

uns an diese Heimlichkeiten, welche damals unsere Gesichtsbacken jeweils rot und röter färbten.<br />

Der meistverkaufte Wein war damals der Valpolicella. Aber auch flüssige SAIS-Öle und -Fette (in Tafeln) zählten<br />

zum reichhaltigen Sortiment. Ab und zu befasste ich mich damit, aus Steinfels-Seifenblöcken verkaufsanimierende<br />

Türme zu bauen. Schmierseife, Stahlwolle und Konservendosen von HERO schleppte ich täglich vom Lager zum<br />

Laden. Im Keller 1 links befand sich ein Lager von flüssigem Petrolium, welches damals noch oft in Literflaschen<br />

verkauft wurde. Zu der Zeit nutzten noch viele Leute den flüssigen Brennstoff im eigenen Haushalt.<br />

Mit seinem ersten und einzigen Elektromobil des Kantons Zug, welches 1961 durch einen modernen VW-Pickup<br />

ersetzt wurde, musste Vater zum Service bei der Herstellerfirma SIG in Neuhausen vorfahren. Das<br />

Lieferfahrzeug, mit Batterien betrieben, hatte eine Stufenschaltung und war akustisch wie eine Strassenbahn<br />

wahrzunehmen. Um zu den Serviceleistungen der SIG nach Neuhausen zu kommen, benötigte Vater zwei Tage mit<br />

einer Übernachtung in Winterthur. Das kuriose Elektrofahrzeug leistete damals maximal 25 Stundenkilometer. Mit<br />

dem offiziellen Kennzeichen ZG 4734 versehen, wurde dann das Elektromobil 1961 an die Firma ABNOX AG in<br />

Cham verkauft. Die ABNOX benötigte dieses spektakuläre Transportvehikel für dorfinterne Kleintransporte zum<br />

Bahnhof und zurück. Im Anschluss wurde das Elektromobil durch die ABNOX an die Gebrüder Rüttimann in Cham,<br />

welche im Sektor von Hochspannungsleitungen tätig waren, weiterverkauft.<br />

Meines Wissens gibt es leider keine Bilder dieses einzigartigen Fahrzeuges, welches zur damaligen Zeit das<br />

rollende Wahrzeichen von Cham darstellte. 1961 übernahm Vater von Alfred Staub den in Creme lackierten VW-<br />

Pick-up, angetrieben mit einem Benzin-Heckmotor und einer Dreigangschaltung. Vater unterlag der Macht der<br />

Gewohnheit und nutzte zum Leidwesen der anderen Verkehrsteilnehmer bei seinem Volkswagen nur die Gänge eins<br />

und zwei. Diese merkwürdige Eigenschaft weitete sich auch ins Private aus. Obwohl er die schönsten Amerikaner<br />

Autos mit V-8-Motoren besass, fuhr er sie alle nur im zweiten Gang. Dem Elektromobil sei Dank!<br />

Beruflich war Vater äusserst exakt. Zum Beispiel nahm er sich die Zeit, die Abfalleimer (Ochsner-Kübel) vor dem<br />

Haus in Reih und Glied wie Soldaten zu positionieren. Fragte jemand, warum er denn so viel Aufwand betreiben<br />

würde, meinte Vater: "Die Abfallmänner sollen den Griff des Eimers immer vorne finden, das wird ihnen die Arbeit<br />

erheblich erleichtern!" So seine Meinung, wo er ja auch Recht hatte.<br />

Öfters schickte er mich mit meinen Schulfreunden und dem Leiterwagen über fünf Kilometer weit zu Fuss nach<br />

Hagendorn, um Getränke und Lebensmittel zu liefern. Auf dem Heimweg begegneten wir ihm in seinem VW-Pickup.<br />

Er brachte mit dem Auto die Rechnung und meinte etwas höhnisch, so hätten wir wenigstens was zu tun gehabt<br />

und hätten somit weniger Zeit gehabt, über einen Blödsinn nachzustudieren, der uns höchstens Ärger eingebracht<br />

hätte. Gute Kunden waren unter anderen die Markt- und Händlerfamilie Schäfer in Hagendorn und Sattlermeister<br />

Josef Niffeler in Friesencham und das Schuhhaus von Hans Gretener. Aber auch die Maschinenfabrik in Cham<br />

beauftragte den Camioneur, die schweren in Holzkisten verpackten Zentrifugen pünktlich zum Bahnhof zu fahren.<br />

94 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Der Ladenumbau – mit dem Kostenvoranschlag vom 16. April 1957<br />

Im Februar 1957 beauftragten Karl und Rosa Werder-Scherer das Architekturbüro Hans Büchler an der<br />

Weinbergstrasse 20 in Cham, einen Kostenvoranschlag für den Umbau des in die Jahre gekommenen<br />

Kolonialwarenladens der Anna-Helena Werder-Müller auszufertigen. Zielsetzung war, dass die steinerne alte<br />

Kreuztreppe mit dem auffälligen Eisengeländer, welche vom Trottoire zum Ladeneingang führte, durch einen<br />

direkten wettergeschützten Eingang ersetzt werden sollte.<br />

Zuhanden der Zuger Kantonalbank, Herrn Föry, Filiale Kirchbühl, Cham<br />

Sehr geehrter Herr Föry<br />

Höflich bezugnehmend auf die mit Ihnen und Herrn Karl Werder-Scherer geführte Besprechung unterbreite ich Ihnen<br />

den verbindlichen Kostenvoranschlag für den geplanten Ladenumbau auf der Liegenschaft KS-7, (ASSEK 288 a) in<br />

Cham. In der Beilage finden Sie den Projektplan Nr. 128/1a zum folgenden Vorhaben. Ich ersuche Sie höflichst, die<br />

Finanzierung mit Karl und Rosa Werder-Scherer zu prüfen und diesbezüglich das Bauprojekt zu bewilligen. Für<br />

weitere Auskünfte bin ich für Sie jeder Zeit erreichbar.<br />

Am 18. April 1957 unterbreitete Hans Büchler folgende verbindliche Preisoffert:<br />

Abbruch- und Baumeisterarbeiten (alte Treppe): E. Reggiori, Cham Fr. 5‘000.--<br />

Eisenkonstruktion für die Fassadenabstützung: Mächler Schlosserei, Cham Fr. 1‘200.--<br />

Fassadenverkleidung und Treppenbelag Fr. 2‘000.--<br />

Änderungsarbeiten Zentralheizung: Fritz Zeberle, Cham Fr. 2‘200.--<br />

Elektrische Installationen/Laden, Telefon, Lampen: Wismer Ferdinand, Cham Fr. 2‘300.--<br />

Anpassen der ganzen Hausinstallation: diverse Handwerker Fr. 2‘000.--<br />

Transparente Ladenbeschriftung beim Eingang Fr. 1‘000.--<br />

Schaufensteranlage inkl. Eingangstüre (Metall): Josef Mächler, Cham Fr. 6‘000.--<br />

Lamellenstoren ganze Schaufensterfront Fr. 1‘200.--<br />

Schreinerarbeiten ohne Ladeneinrichtung Fr. 2‘000.--<br />

Bodenbeläge inklusive Unterlagsböden: Ernst Gärtner, Cham Fr. 1‘800.--<br />

Malerarbeiten: Paul Rast & Söhne, Cham Fr. 1‘500.--<br />

Abbrechen der alten Ladeneinrichtung/Entsorgung: E. Reggiori, Cham Fr. 2‘000.--<br />

Architekturhonorar Fr. 3‘800.--<br />

Ladeneinrichtung (Massarbeit Schreiner): USEGO, Olten Fr. 9‘500.--<br />

Kühlschrank, Waage und Kasse Fr. 1‘500.--<br />

Belagsarbeiten, Asphalt vor dem und um das Haus Fr. 1‘500.--<br />

----------------<br />

Total: Ladenumbau KS-7 in Cham Fr. 46‘500.--<br />

=========<br />

Hans Büchler - Architekt<br />

Weinbergstrasse 20, Cham<br />

Tel. 042/ 612‘38<br />

Nur vier Wochen später, im Mai 1957, gab die Zuger Kantonalbank Cham grünes Licht.<br />

Im Sommer desselben Jahres konnte der Umbau realisiert werden, und schon<br />

Ende August 1957 wurde der erste Selbstbedienungsladen<br />

an der Knonauerstrasse 7 in Cham feierlich eröffnet.<br />

Die auf dieser Seite aufgeführten Zahlen und Textnoten in Briefform sind originalgetreu nachgestellt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 95


96 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Vater Karl der Zweite und seine Leidenschaft zu Richard Wagner<br />

Seine Freunde positionierten meinen Vater als absoluten Kenner der klassischen Musik. Richard Wagner und<br />

Furtwängler waren seine Fachgebiete. Insider und Kenner der Oper behaupteten sogar, er hätte das absolute<br />

Musikgehör gehabt! Zu dieser Zeit gab es im Schweizer Fernsehen eine der ersten Quiz-Sendungen unter dem Titel<br />

„Dopplet oder nüt“, moderiert wurde die Sendung vom damals schönsten Mann der Schweiz, dem Mäni Weber.<br />

Vater erschien vor diesem äusserst populären Quizmaster mit dem Thema Richard Wagner zum Casting. Leider<br />

wurde die Sendung nicht realisiert, weil man beim Fernsehen der Meinung war, das Thema Richard Wagner sei zu<br />

schwer für die zu der Zeit noch spärlichen TV-Zuschauer, mit anderen Worten am Feierabend-TV nicht zumutbar.<br />

In den Sechzigerjahren brachte Vater die Musikgesellschaft Cham mit seinem Lieblingsmusikverein Helvetia<br />

Rüti-Tann zusammen. Gemeinsam und Open Air musizierten die beiden Spitzenvereine auf höchstem Niveau und<br />

vor grossem Publikum in den Parkanlagen des Hirsgartens, Cham. Es war das Classic-Spektakel, ein Konzert der<br />

Superlative, welches nicht nur die Chamer Bevölkerung sichtlich genoss. Der Anlass wurde zum Erfolg. Ohne je ein<br />

Musikinstrument gelernt zu haben, dirigierte mein Vater Karl der Zweite den mit der Auszeichnung HÖCHSTKLASS<br />

bewerteten Musikverein Hevetia Rüti-Tann vor über 1000 Konzertbesuchern, was ihm mit grossem Applaus<br />

ehrenhaft und vor Ort verdankt wurde.<br />

Meine Schulfreunde, das waren unter anderen Erich Oegger, Christian Bühlmann und Urs Fischer, um nur einige<br />

zu nennen, und ich waren sichtlich beeindruckt, aber auch stolz, jeweils mit Vater am selben Tisch gemeinsam im<br />

Kreise von Kennern der klassischen Musik sitzen zu können und dessen spannende Kommentare verfolgen zu<br />

dürfen. Es bildete sich damals einen richtigen Fanclub um Karl den Zweiten. Zum Erstaunen vieler aussenstehender<br />

Mitbürger kannte mein Vater den Stardirigenten Herbert von Karajan (geboren am 5. April 1908 in Salzburg,<br />

gestorben am 16. Juli 1989 in Aif, Österreich). Mit Karajan traf er sich jeweils an den Musikfestwochen im Luzerner<br />

Hotel Schweizerhof, wo sie sich gegenseitig zum Thema, zu den Werken von Richard Wagner ausführlich<br />

austauschten. An den internationalen Musikfestwochen in Luzern kannte man meine Eltern, den Karl mit seiner<br />

bildhübschen Rosa aus Cham. Hätte es dazumal ein JETSET gegeben, meine Eltern, das gut aussehende Paar aus<br />

Cham mit der dunkelroten Plymouth-Limousine, hätten bestimmt in diesen Kreisen verkehrt.<br />

Ebenfalls an den Musikfestwochen in Luzern lernte Vater eine Frau aus Zurzach kennen. Diese geheimnisvolle<br />

Schöne aus der Grenzstadt am Rhein trug den Namen Oberle, und sie war ebenfalls eine Kennerin der Opern von<br />

Richard Wagner. Tannhäuser war damals ihr Fachgebiet, was für Vater das sogenannte Absolute bedeutete, Frau<br />

Oberle näher kennen zu lernen. Wenige Jahre später, im September 1964, kam ich persönlich in den Genuss, die<br />

Meistersinger von Nürnberg während fünf Stunden in einer Loge der Staatsoper in Wien live erleben zu dürfen.<br />

Der Name Oberle wurde für Rosa zum Reizwort, welches meine Mutter ganz schön ins Schwitzen brachte. Diese<br />

Verehrerin begleitete Karl den Zweiten durch sein ganzes Leben bis an sein Grab. Seit seinem Todestag, dem 6.<br />

Juni 1973, ist Frau Oberle spurlos verschwunden. Ein schöner Kranz, bestückt mit roten Rosen und mit beschrifteter<br />

Schleife von Frau Oberle, die an diesem Tag von ihrer Tochter begleitet wurde, schmückte als letzte Erinnerung<br />

Vaters Ruhestätte auf dem Friedhof Kirchbühl in Cham. Für meine Familie hinterlassen die Anwesenheit der beiden<br />

Frauen und die Geste mit dem Kranz bis heute ein grosses Fragezeichen. Vater starb mit nur 57 Jahren genau dort,<br />

wo er am 29. Dezember 1916 geboren wurde, im Spital Cham an Krebs.<br />

Die Eigenheiten von Karl dem Zweiten, die jeder im Dorf kannte.<br />

Wenn Vater jeweils seine Nase putzte, erschrak die ganze Nachbarschaft, sein Luft- und Atemorgan war extrem laut!<br />

Die geräuschintensive Zeremonie dauerte meist über Minuten. Am Bahnhof Cham war es das Erkennungszeichen seiner<br />

Anwesenheit, Vater war vor Ort. Wenn sich auf der Strasse im Ennetsee eine Kolonne bildete,<br />

war bestimmt mein Vater mit einem seiner Fahrzeuge im zweiten Gang unterwegs<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 97


Christina Werder: Sie war und ist noch immer viel auf Achse<br />

Christina, meine jüngere Schwester, angetroffen am 7. November 2016 am Bahnhof in Zug<br />

Christina Werder engagierte sich in ihrer Jugend für den Blauring. Mitte der Siebzigerjahre war Christina sogar<br />

für kurze Zeit Scharführerin, und sie übte das Amt als Lagerleiterin im Camp Obersaxen in Graubünden aus. Meine<br />

Erinnerungen an diese Zeit gehen so weit zurück, dass ich noch weiss, wie ich zusammen mit Max Lang und<br />

seinem grauen Opel-Blitz sowie meinem roten Fiat, dem <strong>Charly</strong>bus, die Koffern der Blauring-Mädchen in die<br />

Lagerbasis nach Urnäsch und in einem anderen Jahr ins bündnerische Münstertal transportiert habe.<br />

Ebenfalls, bereits als Kind und in ihren jungen Jahren, war sie eine leidenschaftliche Sportlerin und Mitglied<br />

des Leichtathletik-Clubs Zug. Christinas sportliches Vorbild war damals Meta Antenen<br />

98 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Christinas Tipp zur Hausmischung heisst Zufriedenheit<br />

Christina informiert sich bei Reiseverkäuferin Nadine Burri am Bahnhof Zug über eine weitere Tour<br />

Christina-Anna, geboren am 10. Januar 1953 in Cham, Christina-Anna - nach Grossmutter Anna-Helena<br />

Werder-Müller. Bereits als Jugendliche hat sich Christina für die Politik interessiert. Nach der KV-Lehre 1973 bei der<br />

Staatskanzlei in Zug zog es die wissenshungrige Chomerin zuerst nach Fribourg. Von September bis Dezember<br />

1975 verweilte meine reiselustige Schwester dann in Indien. Nach der Rückkehr machte sie von 1976 bis 1980 die<br />

Ausbildung zur Sozialarbeiterin in Luzern. Im Zeitraster von 1984 bis Juli 1985 bildete sich Christina in den USA,<br />

genauer gesagt in San Francisco, weiter. Sie wohnte damals an der Carl Street 294 im Apartment 10. Noch lange<br />

Zeit danach schwärmte unsere Mutter Rosa vom fünfwöchigen Aufenthalt im Januar 1985 bei ihrer Tochter in der<br />

kalifornischen Hippie-Stadt am Pazifik. Auch von der eindrücklichen Autofahrt, welche sie mit Christina gemeinsam<br />

auf der sogenannten Traumstrasse, dem Pacific Coast HWY Nr. 1 von San Francisco, der Küste entlang nach Los<br />

Angeles unternehmen durfte, konnte uns Mutter Rosa immer wieder spannende Geschichten erzählen.<br />

Schon früh interessierte sich Christina für die politischen Angelegenheiten der Schweiz. Als Fachsekretärin in<br />

der SP-Fraktion Schweiz positionierte sie sich in der Bundesstadt Bern. Später stand sie im Engagement als<br />

Zentralsekretärin beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Lebensmittelpunkt meiner Schwester Christina<br />

war jedoch Zürich. Darum zählte sie lange Zeit zu den Pendlerinnen zwischen Zürich und Bern.<br />

Christinas Abenteuer in den Walliser Alpen<br />

Die reiselustige Christina liebt die Bergwelt, vor allem die Walliser Alpen. Die Bilder oben repräsentieren unter<br />

anderem Erlebnisse auf dem Weg zur Hörnli-Hütte und einem Abstecher zum Weissmies<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 99


Ludmilla und Werner Bommer-Werder mit den Töchtern Vera u. Livia<br />

Ludmilla-Johanna Werder, geboren am 20. November 1955 in Cham, kurz (Milla) genannt. Ludmilla deshalb,<br />

nach einer bildschönen russischen Primaballerina, welche von unserem Vater äusserst verehrt wurde. Ludmilla ist<br />

zusammen mit Werner Bommer, Galerist und Maler, ursprünglich aus Rickenbach TG. Werner ist Inhaber der<br />

gleichnamigen Galerie an der Kirchgasse mitten in der Altstadt von Zürich, dort wo die Familie auch ihr Zuhause hat.<br />

Livia Bommer<br />

Vera Bommer<br />

Aus der Verbindung Bommer-Werder stammen zwei Töchter: Das sind Vera, geboren am 26. Oktober 1982,<br />

und Livia, die am 27. November 1984 in Zug zur Welt kam. Livia, dessen Taufpate ich bin, wurde am Sonntag, 3.<br />

Februar 1985, in der im 13. Jahrhundert erbauten Liebfrauenkapelle in der Zuger Altstadt getauft.<br />

Die hübschen Bommer-Töchter besuchten die Hochschule der Künste in Zürich, Vera mit dem Fach für<br />

Theater, und Livia bildete sich in Gestaltung weiter.<br />

Werner Bommer, 1948, Lehrerseminar Zug 1968 Primarlehrer-Diplom, 1970 bis 1974 Hochschule für Gestaltung<br />

und Universität Basel, Zeichenlehrer-Diplom. 1974 bis 1989 Lehrauftrag Pädagogische Hochschule Luzern und Zürich.<br />

Seit 1975 Galerie für Zeitgenössische Kunst Zug und Zürich.<br />

100 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Haus in der Sonnenstube von Vico Morcote im Tessin<br />

Im Zeitfenster von 1980 bis 2008 war das Haus in Vico Morcote mit Garten und Seesicht der Lebensmittelpunkt<br />

Cécilia mit Livia und Vera als Kinder, die Familie Bommer mit den Töchtern sowie Mutter Helene mit Werner und Ludmilla<br />

In Vico Morcote verbrachten meine Nichten Vera und Livia den grössten Teil ihrer Kindheit. Das Morcote-<br />

Haus verfügte über mehrere grosszügige, vor allem hohe Räume mit Cheminées, in denen man sogar stehen<br />

konnte. Hier, im Tessin, gingen die Töchter von Ludmilla und Werner Bommer, Vera und Livia zur Schule.<br />

Gleichzeitig lernten sie die italienische Sprache, was den jungen Damen heute und in ihrem späteren Leben sichtlich<br />

zu Gute kommt.<br />

Das Morcote-Haus war aber auch ein echter Ruhepol der Familien. So schwärmten damals die Grossmütter<br />

Helene und Rosa, die oft das Gastrecht im Haus in Vico Morcote geniessen durften, von den erholsamen Tagen mit<br />

ihren Enkelkindern im Süden unseres Landes.<br />

In Vico Morcote auf 442 Metern über Meer hatte ich oft Fotoshootings mit meinen Models.<br />

Der alte Ortskern ist sehr gut erhalten und zeichnet sich durch enge Gässchen und Laubengänge aus.<br />

Historische Gebäude aus dem 17. und 18. Jahrhundert und die Piazza della Funtana mit dem Dorfbrunnen<br />

boten mir eine natürliche Kulisse für die Modeaufnahmen mit südlichem Charakter.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 101


Meine jüngste Schwester, Cécilia, mit Lebenspartner Mario Grendene<br />

Eine Leidenschaft von Mario und Cécilia ist das Minigolfen. Hier in den Anlagen Breitfeld mit Blick auf den Zugersee<br />

Cécilia-Maria Werder, geboren am 20. August 1958 in Cham, genannt (Cily): Cécilia-Maria, nach unserer<br />

Grossmutter mütterlicherseits Rosa-Cäcilia. Cécilia ist seit 1986 liiert mit Mario Grendene, geboren am 13. Oktober<br />

1946 von Dallenwil NW. Nebst dem Minigolfen wie unter anderem an Ländermeisterschaften in Ascona trifft man<br />

Cécilia und Mario seit 2006 oft auch an Sportanlässen wie zum Beispiel am Stadtlauf in Bern oder Luzern.<br />

Das historisch Gebäude, das sogenannte Technikum, in dem Mario mit Cécilia im Block rechts viele Jahre wohnte<br />

102 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


1978 bis 1980 schnupperte mein Schwesterlein Cécilia Zirkusluft<br />

Am 1. Dezember 1977 trat Cécilia ihre Stelle als Pferdepflegerin beim Zirkus Knie an. Ab dieser Zeit galten die<br />

räumlichen Verhältnisse als sehr eingeschränkt. Nur ganz wenige Quadratmeter Wohnraum standen ihr damals zur<br />

Verfügung. Am 15. April 1978 startete Cécilia in Zusammenarbeit mit dem Zirkus Knie ihre Tournee in Hagen<br />

(Deutschland) mit dem Zirkusunternehmen Busch Roland. Als allgemeine Tierpflegerin betreute sie zum Beispiel die<br />

Zebras, Kamele und natürlich die Pferde. Beim Gastspiel in Luxemburg im Zeitraum von 13. bis 21. Mai 1978 lernte<br />

Cécilia den heute sehr bekannten TV-Moderator von "Wetten, dass …?" persönlich kennen. Auch Fredy Quinn,<br />

Roberto Blanco und Désirée Nosbusch waren damals die grossen Stars in der Zirkusmanege bei Busch Roland.<br />

Post von Mutter Rosa ist da Mit Zirkuspfarrer von Busch Roland Hausarbeit im Zirkuswagen<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 103


Ein kurzes Gastspiel bei Busch Roland<br />

Meine Frau Madlen beim Relaxen auf dem Zirkusgelände<br />

Die Elefanten schreiten zum Sattelgang<br />

Im August 1978 besuchte ich für ein paar Tage meine Schwester Cécilia im Zirkus, der gerade in Stuttgart zu<br />

Gast war. Gemeinsam mit meiner Frau Madlen verbrachte ich ein kurzes, aber sehr spannendes Zeitfenster mit den<br />

illustren Künstlern und den TV-Stars, aber auch mit meiner Schwester. Eine Kaffeepause mit dem Feuerfresser blieb<br />

aus dem Gastspiel in Stuttgart in Erinnerung. Im Anschluss reisten wir mit unserem Bus weiter nach Sylt.<br />

Am Schlagzeug mit der Popgruppe Los Hidalgos in Zürich<br />

1976 stand Cécilia mit der spanischen Gruppe Los Hidalgos auf der Bühne. Am Abend, als dieses Foto<br />

entstand, waren Los Hidalgos die Vorgruppe der damaligen Hitparadenstürmer Santa Barbara, die mit dem<br />

vielverspechenden Titel CHARLY Schlagzeilen machten, den man heute noch auf vielen Sendern hören kann.<br />

Am 19. Juli 1976 reiste meine Schwester für drei Monate nach Kanada. Dort wirkte sie als Kinderbetreuerin<br />

bei Familie Steiner in der Provinz Alberta. Eine gute Gelegenheit, sich der englischen Sprache zu widmen.<br />

Diese kurze Visite in Kanada war für Cécilia ein Wunschtraum, der damals für sie in Erfüllung ging.<br />

104 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Mario mit Cécilia am 31. August 1997 im Parkhotel<br />

Mario und Cécilia an der Feier meines 50. Geburtstags im Parkhotel Zug<br />

Mit Mario unternahm ich vor einigen Jahren einen ausgedehnten Helikopterflug. Gestartet sind wir damals auf<br />

der Boogwiese an der Knonauerstrasse. Wir überflogen die Zentralschweiz zu unserem Ziel in den Jura, genauer<br />

gesagt nach Les Brenlenx. Dort hatte ich die Aufgabe zum Rekognoszieren einige Fotos für Mario aus dem Heli zu<br />

schiessen. Im Anschluss gleitete der Helikopter wieder zurück zum Ausgangspunkt nach Cham zurück.<br />

Cécilia am Berner Frauenlauf 2009<br />

Seit 2008 nimmt Cécilia an diversen Frauenläufen teil. Das war zum Beispiel in Horw Luzern und am Rotseelauf.<br />

Die Bilder oben dokumentieren den Frauenlauf aus dem Jahr 2009 in Bern. Die Strecke in Bern war auf 10 Kilometer<br />

ausgesteckt, und Cécilia lief den Stadtparcours in einer Stunde und fünf Minuten. Im Jahr 2011 lief meine jüngste<br />

Schwester Cécilia den Frauenlauf Horw Luzern. Das waren damals acht Kilometer. Cécilia bewältigte die Strecke in<br />

einer Zeit von 51 Minuten. Auf ihrem grauen T-Shirt trug sie damals die Startnummer 10 063.<br />

Bei allen diesen Einsätzen wurde Cécilia stets von ihren Schwestern Christina und Ludmilla begleitet.<br />

Dass Mario ebenfalls als Wegbegleiter bei der Zielankunft mit fieberte, versteht sich von selbst.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 105


Das sind die Nachkommen von Karl und Rosa Werder-Scherer<br />

Ein fröhliches Erinnerungsbild, geknipst von meinem Schwager Werner Bommer an Weihnachten 2012, repräsentiert<br />

die neue Generation meiner Familie. Im Bild v.l.n.r. der Schreibende, Ludmilla mit Tochter Livia, Christina,<br />

Mario mit Partnerin Cécilia sowie mit Vera in Front, ebenfalls einer Tochter von Werner und Ludmilla.<br />

Stimmungsbilder meiner Familie, die zu Weihnachten 2012 entstanden sind<br />

Vera, Livia und Christina erheben ihr Glas auf die Zukunft<br />

Cécilia überlegt, und dieses illustre Trio erfreut sich<br />

Schön ist es immer, wenn sich meine Familie trifft. Weihnachten feiern wir möglichst im engsten Kreise der Familie.<br />

Aber auch unter dem laufenden Jahr trifft sich der Werder-Clan in regelmässigen Abständen in Cham.<br />

Ein Besuch am Familiengrab auf dem Friedhof mit anschliessendem Kaffeeplausch<br />

steht dann auf der obligaten Traktandenliste.<br />

106 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ferdinand und Rosa-Cécilia Scherer-Studer aus Schüpfheim<br />

Die Dachdeckerfamilie vom Wolfgang aus Schüpfheim im Entlebuch hatte acht Kinder:<br />

vier Söhne, das waren Franz, Friederich, Josef und Walter,<br />

sowie vier Töchter, Maria, Gritli, Rosa und Lina.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 107


Ferdinand Scherer<br />

Familienchronik<br />

Teil Nr. 2<br />

Übersicht zum zweiten Kapitel<br />

Im zweiten Kapitel lernen wir die Familie meiner<br />

Mutter Rosa Scherer kennen.<br />

Seite 107 bis 205 mit 332 Bildern zu Kapitel Nr. 2<br />

Dazu begeben wir uns ins Entlebuch, besser gesagt nach<br />

Schüpfheim im Kanton Luzern. Dort lernten sich einst die<br />

Eltern meiner Mutter, Dachdeckermeister Ferdinand Scherer<br />

und Rosa-Cécilia Studer, die Tochter von Franz und Anna-<br />

Maria Studer-Vogel aus Eschholzmatt, kennen.<br />

Ferdinand und seine Frau Rosa-Cécilia heirateten und<br />

gründeten in der Folge eine eigene Spenglerei mit einem<br />

angegliederten Dachdeckerbetrieb. In den Anfängen lebte das<br />

Paar auf dem Brügghof etwas ausserhalb von Schüpfheim.<br />

Der Ehe von Ferdinand und Rosa-Cécilia Scherer-Studer<br />

entsprossen im Zeitfenster zwischen 1911 und 1924 acht<br />

Kinder: vier Jungs, das waren Franz, Friderich, Josef und<br />

Walter, sowie vier Töchter, Maria, Gritli, Rosa und Lina. Das<br />

ergab im Resultat die acht Schererlinge.<br />

Ferdinand u. Rosa Scherer-Studer<br />

Schon bald erwarb Rosa-Cécilia von Bauer Balmer ein Stück<br />

Land im Wolfgang, wo die Scherer-Studers ein eigenes<br />

Häuschen für die schell heranwachsende Familie bauten. Die<br />

Kinder, die sogenannte Achterbande, ging in Schüpfheim zur<br />

Schule. Die Herren Franz, Friederich und Walter halfen im<br />

väterlichen Betrieb, sie erlernten alle den Dachdecker- und<br />

Spenglerberuf. Josef hingegen fand am Gärtnern Gefallen,<br />

darum wurde Josef Scherer Landschaftsgärtner.<br />

Die vier Herren genossen ihr Junggesellenleben. Dabei lernte<br />

Franz seine Hedwig kennen, und Friederich verliebte sich in<br />

Christine. Walter traf in seinem Postauto Hedi, welche damals<br />

ihren Schirm vergessen hatte, und Josef konnte sich nicht<br />

entscheiden, darum blieb er ledig.<br />

Die vier Mädchen zogen bald in die Fremde. Man fand sie im<br />

Hotel Bellevue bei der Familie Dahinden auf Rigi Kaltbad in<br />

verschiedenen Dienstleistungspositionen, unter anderem im<br />

Service oder in der Lingerie.<br />

Auch im Tessin machten die attraktiven Scherer-Töchter<br />

Station, um die Italienische Sprache zu lernen. Auf der Rigi, im<br />

Tessin und in Graubünden lernten die Schererlinge bald ihre<br />

zukünftigen Ehemänner kennen.<br />

Maria verliebte sich in Willy, Gritli war in Paul verknallt, und<br />

meine Mutter Rosa wurde an Marias Hochzeit mit Karl bekannt<br />

gemacht. Lina jedoch nahm sich etwas Zeit, bis sie ihr Herz an<br />

Hans verschenkte.<br />

Was sich sonst noch alles abgespielt hat im grössten Buch der<br />

Welt, dem sogenannten Entlebuch, habe ich in meinem Buch<br />

"Wer ? der <strong>Charly</strong>" in Kapitel zwei ausführlich für die Nachwelt<br />

festgehalten.<br />

Erklärung<br />

Schererlinge ist ein von mir frei erfundener Ausdruck, den ich<br />

ausschliesslich in Zusammenhang mit dem Familienclan der<br />

Scherers und dessen Nachkommen verwende.<br />

Ferdinand Scherer<br />

Rosa-Cécilia Studer<br />

108 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Fenster zur Familie Scherer-Studer, Dachdecker, Schüpfheim<br />

Nicht ganz vollständig, die Familie von Ferdinand und Rosa-Cécilia Scherer-Studer mit Lina, Franz, Gritli,<br />

Maria, Friederich, Walter und Rosa in Bildmitte. Auf dem Foto, welches im Jahr 1933 auf dem Brügghof in<br />

Schüpfheim produziert wurde, fehlt Josef, der jedoch auf dem Bild unten zu sehen ist. Das Foto rechts unten zeigt<br />

meine Mutter, die Rosa, mit Irene Scherer auf ihren Armen.<br />

Rosa-Cécilia mit Ferdinand Scherer, Tochter Gritli und Sohn Josef Scherer vor dem Haus Wolfgang in Schüpfheim<br />

Rosa-Cécilia Scherer-Studer, geboren am 14. Juli 1888, war verheiratet mit Ferdinand Scherer, dem<br />

Dachdeckermeister, später wohnhaft im Haus Wolfgang in Schüpfheim. Rosa-Cécilia war eine der Töchter des<br />

Franz Studer vom Brügghof. Vater Franz, also der Senior, war damals verheiratet mit einer Tochter der Familie<br />

Thalmann vom 10 Hektaren umfassenden Chnübelihof, der Thalmanns, einer ehemaligen Escholzmatter Familie,<br />

mit Köbi Thalmann, zu der Zeit Knecht bei der Balmer-Familie im Wolfgang und Bruder von Franz junior, der durch<br />

einen Unfall ein versteiftes Bein hatte. Die Brüder waren gerade 2 von 15 Kindern der Thalmanns aus Escholzmatt,<br />

welche nach meinen Recherchen den Chnübelihof bewirtschafteten.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 109


Einst auf dem Brügghof der Familie Studer-Vogel in Schüpfheim<br />

Franz Studer mit Anna-Maria Studer-Vogel, Gritli Scherer sowie mit mir nicht bekannten Leuten auf dem Brügghof<br />

Gruppenbild mit den Studers<br />

Maria mit Klein Angela, Rosa-Cécilia und Anna-Maria Studer-Vogel<br />

Maria mit Rosa, Walter und Franz<br />

Ferdinand mit Maria Lina und Rosa-Cécilia<br />

110 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Franz Studer-Emmenegger vom Brügghof in Schüpfheim<br />

Franz Studer vom Brügghof Den Eingang vom Brügghof Schüpfheim fotografierte ich im August 2016<br />

Franz Studer-Emmenegger verstarb in den frühen Morgenstunden des 26. Juni 1988 in seinem 90.<br />

Lebensjahr. Als jüngstes Kind der Eltern Franz und Marie Studer-Vogel erblickte er damals auf dem Brügghof in<br />

Schüpfheim das Licht der Welt. Der am 28. Januar 1898 geborene Franz erlebte mit seinen vier Schwestern und<br />

seinen drei Brüdern eine einfache und dennoch glückliche Jugendzeit. Nach dem Besuch der Primar- und der<br />

Sekundarschule im Dorf hiess es, sich auf dem elterlichen Brügghof, zu dem gleichzeitig noch das Knübeli-Heimetli<br />

gehörte, voll in den Arbeitsprozess einzuordnen.<br />

Da aber nicht alle daheim auf dem Hof bleiben konnten, begann Franz eine Bäckerlehre in Kriens. Doch die<br />

Liebe zur heimatlichen Scholle war stärker, und Franz kehrte schon bald wieder in den Bauernstand zurück. Mit<br />

20 Jahren erlitt er beim Holzen auf der Alp Chäsboden einen schweren Unfall, der ihm fast ein Bein gekostet hatte.<br />

Durch das Eigenverschulden, die Verzögerung des Arztbesuches, blieb in der Folge das Kniegelenk steif, was Franz<br />

sein ganzes Leben lang behinderte.<br />

Wie es früher nicht selten vorkam, wurde auch bei den Studers die beiden Heimetli durch Zufallsmethoden<br />

verteilt. So erhielt Franz das Knübeli zugesprochen, während Adolf 1925 das väterliche Heimetli übernahm. Doch<br />

bereits zehn Jahre später konnte Franz von seinem Bruder den Brügghof übernehmen. Das Gut Knübeli verkaufte er<br />

an seinen Schwager Kobi Thalmann. Nun war sein Lebenswunsch in Erfüllung gegangen, doch es war ein schweres<br />

Unterfangen damals in den krisenhaften Dreissigerjahren. Mit viel Mut und etwas Gottvertrauen meisterte der Franz<br />

alle Schwierigkeiten selbst. Der umfangreiche Betrieb erforderte dringend eine junge Bäuerin, zumal die eigenen<br />

Eltern die üblichen Altersbeschwerden verspürten. Man war froh um jede Hilfe.<br />

Am 30. April 1938 trat Franz mit Marie Emmenegger vom Riederweg an den Traualtar. In der Wesmelinkirche<br />

in Luzern gaben sie sich das Jawort für ein ganzes Leben mit- und füreinander. Diese glückliche Verbindung im<br />

Entlebuch wurde mit sechs Kindern, drei Söhnen und drei Töchtern, gesegnet, welche heute alle selbstständig im<br />

Leben stehen und zum Teil schon wieder eigene Familien gegründet haben.<br />

Franz war seinen Kindern nicht nur ein treubesorgtes Familienoberhaupt, er war auch ein gerechter Erzieher<br />

und Lebensberater in allen Lebenslagen. Das Wohlergehen seiner Familie war ihm ein Herzensanliegen. Trotz<br />

seiner Behinderung, die ihm die tägliche Arbeit sichtlich erschwerte, hörte man ihn nie murren oder gar klagen. Mit<br />

seinem Leiden lernte Franz sogar noch Velo fahren, was ihm doch den langen Weg ins Dorf und zur Kirche etwas<br />

erleichterte. Seine Behinderung liess leider nicht die Hilfe eines Pferdegespanns zu. So bewältigte der Bauer seine<br />

Arbeiten mit einem Kuhgespann.<br />

Der "Gfäuer-Fränz", wie er überall genannt wurde, war nicht nur ein unermüdlicher Schaffer, er war auch ein gern<br />

gesehener Gesellschafter. Mit seinen treffenden Sprüchen und seinem goldenen Humor, die ihm bis ins hohe Alter<br />

eigen waren, hat er auch manche Schwierigkeiten überwunden. Im Mai 1965 übergab er die Liegenschaft Brügghof<br />

seinem ältesten Sohn, ohne aber seine Hände müssig in den Schoss zu legen. Franz half noch immer mit, solange<br />

es seine Kräfte erlaubten. Es kam die Zeit, als auch im Brügghof eine neue Generation heranwuchs, und so zog er<br />

sich mit seiner Frau Marie in den oberen Stock zurück. Gemeinsam freuten sie sich über die Besuche der Kinder,<br />

und sie nahmen Anteil an Freud und Leid der Familien.<br />

Am 15. April 1977 wurde Franz seine liebe Frau durch den Tod entrissen. Dazu kamen vermehrte<br />

Altersbeschwerden, die den guten Franz gänzlich ans Haus fesselten. Er wurde zum Pflegefall, was eine<br />

Übersiedlung ins Alters- und Pflegeheim notwendig machte. Im Januar 1988 konnte er noch im Kreise seiner Kinder<br />

und der 15 Grosskinder seinen 90. Geburtstag feiern. Dieses unvergessliche Fest war sein letztes Aufflackern seiner<br />

müde gewordenen Kräfte. Der Studer Franz vom Brügghof verstarb am 26. Juni 1988 in liebevoller Umgebung<br />

seiner Familie.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 111


Auch das waren unsere Vorfahren aus dem sogenannten Entlebuch<br />

Lady Katharina Vogel-Zihlmann,<br />

Anna-Maria Studer-Vogel,<br />

Ehefrau des Jakob Vogel,<br />

Tochter des Jakob und der Katharina Vogel,<br />

1837 bis 1915 1858 bis 1950, meine Urgrossmutter<br />

Ferdinand Scherer-Studer,<br />

Rosa-Cécilia Scherer-Studer,<br />

1877 bis 1951, mein Grossvater 1888 bis 1949, meine Grossmutter<br />

112 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


ANNA-MARIA STUDER-VOGEL<br />

Auszug aus dem Nachlass vom 12. Februar 1952<br />

Am 12. Februar 1952 erhielten die unten genannten Familienmitglieder folgenden Teilungsvertrag im Nachlass der<br />

am 9. Mai 1950 verstorbenen<br />

Frau Anna-Maria Studer-Vogel<br />

geboren am 13. Dezember 1858, Tochter des Jakob und der Katharina, geborene Zihlmann,<br />

Witwe des Studer Franz seit 12. Februar 1925, von und wohnhaft gewesen<br />

auf dem Brüggerhof in Schüpfheim, Kanton Luzern<br />

ERBVERZEICHNIS:<br />

Vogel-Studer Maria, Bühlti, Schüpfheim. Studer Fridolin c/o Thalmann, Chnübelihof, Schüpfheim LU. Studer-<br />

Sidler Josef, Schmiedgasse 26, Riehen bei Basel.<br />

Scherer-Studer Rosa-Cécilia, bereits verstorben, deren Nachkommen:<br />

Scherer-Travnicek Franz-Josef, geboren am 23. 12. 1911, Inselistrasse 4, Luzern. Wyss-Scherer Anna-Maria,<br />

geboren am 1. 3. 1914, Oberdorf, Steinhausen ZG. Kälin-Scherer Margaritha, geboren am 20. 11. 1915,<br />

Bohlstrasse 3, Zug. Scherer Friederich-Gottfried, geboren am 14. 1. 1917, Grünau, Schüpfheim. Scherer Josef,<br />

geboren am 5. 8. 1918, Obsthaldenstrasse 136, Zürich. Werder-Scherer Rosa, geboren am 17. 7. 1920,<br />

Kolonialwarenhandlung, Cham ZG. Scherer Lina, geboren am 2. 11. 1921, Grünau, Schüpfheim. Scherer Walter,<br />

geboren am 26. 8. 1924, Grünau, Schüpfheim.<br />

Schmid-Studer Karoline, bereits verstorben, deren Nachkommen:<br />

Schmid Franz Josef, Ey, Schüpfheim. Schmid Hans c/o Müller-Siegfied Josef, Ligschwil bei Hochdorf LU.<br />

Studer-Stalder Adolf, bereits verstorben, dessen Nachkommen:<br />

Studer Maria, 1931, Bäckerei, Flüeli LU. Studer Alfred-Adolf, geboren am 5. 2. 1941, Bäckerei, Flüeli. Letzterer,<br />

weil minderjährig, vertreten durch Mutter Maria Studer-Stalder, Bäckerei, Flüeli LU. Thalmann-Studer Anna,<br />

Chnübelihof, Schüpfheim. Studer-Emmenegger Franz, Brügghof, Schüpfheim LU.<br />

Vorbericht:<br />

Anlässlich der zweiten Erbschaftsverhandlung vom 3. November 1950 konnte bezüglich Verteilung der Erbschaft<br />

eine verbindliche Einigung erzielt werden. Franz Studer-Emmenegger, Brügghof, fällt gemäss Ziffer 9 der<br />

genannten Verhandlung für die Erbfolge ausser Betracht. Franz Studer Emmenegger hat dagegen die im Nachlass<br />

befindliche Obligation der Luzerner Kantonalbank von Fr. 5000.-- erhalten. Damit hat er sämtliche anfallenden<br />

Totenkosten zu übernehmen. Das Mobiliar und die Effekten der Erblasserin haben alle Erben unter sich privat<br />

geteilt. Die Teilungsbehörden sind somit jeder Verantwortung entlastet. Der Verstorbene Adolf Studer-Stalder, Flüeli<br />

bei Schüpfheim, wurde am 19. Februar 1934 vom mütterlichen Nachlass ausgekauft. Seine Nachkommen fallen<br />

daher für dessen Erbgang ausser Betracht. Dagegen hat sich Franz Studer-Emmenegger anlässlich der<br />

Erbverhandlung vom 3. November 1950 bereit erklärt, den oben genannten Erben laut Ziffer VI, 1 und 2, je einen<br />

Betrag von Fr. 100.-- zu verabfolgen.<br />

Vom teilbaren Guthaben gehen ab:<br />

Vogel-Studer Maria, Schüpfheim LU, Fr. 307.70 / Studer Fridolin, Chnübelihof, Schüpfheim, Fr. 304.60 Studer-<br />

Sidler Josef, Riehen bei Basel, Fr. 304.60 / Scherer-Travnicek Franz-Josef, Luzern, Fr. 38.45 / Wyss-Scherer<br />

Anna-Mari, Steinhausen ZG, Fr. 38.45 / Kälin-Scherer Margaritha, Zug, Fr. 38.45 / Scherer Friederich,<br />

Schüpfheim, Fr. 38.05 / Scherer Josef, Zürich, Fr. 38.05 / Werder-Scherer Rosa, Cham ZG, Fr. 38.45 / Scherer<br />

Lina, Schüpfheim, Fr. 38.45 / Scherer Walter, Schüpfheim, Fr. 38.55.<br />

Schlussbemerkung dieses Teilungsvertrages:<br />

Jeder Erbe erhält ein Exemplar dieses Teilungsvertrages per Post zugestellt. Dieser wird mit der Unterzeichnung und<br />

durch die Anerkennung aller Erben rechtsverbindlich und vollstreckt. Das heisst, die Erbguthaben werden ausbezahlt, sie<br />

kommen zum Versand. Auf die Zustellung der Erbschaftssteuer an die erbschaftspflichtigen Erben wurde wegen<br />

Geringfügigkeit der kleinen Beträge verzichtet. Die Erbschaftsakten liegen den Erben während der gesetzlichen Frist von<br />

14 Tagen auf der Gemeindekanzlei Schüpfheim im Entlebuch zur Einsicht auf.<br />

Versiegelt zugestellt am 14. Februar 1952<br />

Im Namen der Teilungsbehörden<br />

Der Gemeindepräsident / der Gemeindeschreiber<br />

(beide Unterschriften sind auf dem Original nicht lesbar)<br />

Anmerkung des Schreibenden:<br />

Das Originaltestament befindet sich vollumfänglich in meinem Besitz. Der in dieser Chronik abgedruckte Auszug ist nicht<br />

vollständig. Es werden nur die direkten Zusammenhänge der Familien Studer, Scherer-Studer und deren Nachkommen<br />

aufgeführt.<br />

Dieses Testament der Erblasserin liess möglicherweise die Erben erblassen!<br />

Anna Läubli, geboren am 23. Oktober 1875, ebenfalls Mitglied der Familie Scherer-Studer, verstarb im Jahre 1942.<br />

Genauere Zusammenhänge in Bezug auf die Familienzugehörigkeit sind dem Schreibenden nicht näher bekannt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 113


114 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein weiteres Haus: das Scherer-Haus beim Bahnhof in Schüpfheim<br />

Vor dem Haus beim Bahnhof Schüpfheim trafen sich Ferdinand und Rosa-Cécilia mit ihren Söhnen und ihren Töchtern<br />

Am 10. September 1927 erwarb Ferdinand Scherer aus der Konkurssteigerung von Werner<br />

Stalder die in Riegelwerk erbaute Liegenschaft beim Stationsareal Schüpfheim mit 4 Aren<br />

Landanteil zum Preis von Fr. 54 000.-- samt Zubehör.<br />

Die Wirtschaftskrise machte sich deutlich spürbar, was dazu führte, dass Vater Ferdinand Scherer-Studer mit<br />

seiner Familie das Haus am Bahnhof wieder verkaufen musste und sich darum erneut mit seiner ganzen Familie in<br />

der Landbrügg niederliess. Dort lebten alle Schererlinge im obersten Stock des grosselterlichen Bauernhauses auf<br />

engstem Raum. Diese unangenehme Situation, die Tatsache, prägte sich bei den Kindern, hauptsächlich bei Maria<br />

so stark ein, dass sie ihr ganzes Leben lang darunter litt und immer wieder aus dieser Zeit vom Haus beim Bahnhof<br />

erzählte.<br />

Zum Zeitgeschehen eine Rückblende ins Jahr 1943<br />

Bilder der zertrümmerten RE 4/4 und der Leichtstahlwagen vom damaligen Zugsunglück beim Bahnhof in Schüpfheim<br />

Am 17. Oktober 1943 ereignete sich auf der SBB-Station (Bahnhof Schüpfheim) ein folgenschweres Eisenbahnunglück.<br />

Der Schnellzug Nr. 369 Luzern - Bern streifte den Regionalzug Nr. 3392, der sich auf Gleis Nr. 2 befand. In<br />

der Folge der Streifkollision gab es viele Schwerverletzte und insgesamt sechs Tote zu beklagen.<br />

Einer der Getöteten war der Betreuer des FC La Chaux-de-Fonds, Charles Daepp, der sich mit seiner<br />

Mannschaft von einem Spiel in Lugano auf der Heimreise befand. Noch bis ins hohe Alter erzählten Rosa, aber auch<br />

Maria und Lina von der Katastrophe am Bahnhof. Es habe zuerst einen gewaltigen „Chlapf“ gegeben, dann, nach<br />

einer kurzen Zeit der Stille, konnte man das Schreien der verletzten Passagiere wahrnehmen.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 115


Ferdinand Scherer: seine Identität auf der Strasse im Jahr 1926<br />

116 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Bereit zum Gruppenfoto: Ferdinand Scherer mit seinen Kumpels<br />

Ferdinand Scherer, bereit zum Gruppenfoto betreffend einen Meisterkurs der Dachdecker 1920/21.<br />

In diesem Zeitfenster, also 1920, kam am 17. Juli meine Mutter zur Welt.<br />

Maria Wyss beim Klassentreffen<br />

Maria Wyss anlässlich einer Klassenzusammenkunft mit unbekanntem Datum auf der Kirchentreppe in Schüpfheim<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 117


Portmann-Hochzeit im Oktober 1949<br />

Anna Schmid heiratete am 17. Oktober 1949 in der Wallfahrtskirche Hergiswald ihren Schatz Franz<br />

Portmann. Die Familie zog zuerst nach Oberrüti, wo Franz als Bahnhofvorstand agierte. Anna und Franz Portmann-<br />

Schmid zogen vier Kinder gross: Willy kam 1950 in der Vordermühle in Schüpfheim zur Welt. 1953 folgten die<br />

Zwillinge Beat und Rita, welche in Oberrüti geboren wurden. 1958 kam noch das vierte Kind Guido. Später<br />

dislozierten die Portmanns nach Cham, wo Franz im Büro der SBB, der Güterex, eine Stelle in kaufmännischer<br />

Funktion antrat. Franz Portmann und mein Vater Karl der Zweite als offizieller Bahncamioneur hatten damals täglich<br />

beruflich miteinander zu tun. Die Familie Franz und Anna Portmann-Schmid mit den Kindern wohnte lange Zeit an<br />

der Birkenstrasse 11 in Cham im eigenen Haus. Gestorben ist Anna Portmann-Schmid, einst eine gute Freundin der<br />

Rosa Werder-Scherer, nach einem Aufenthalt von gut 20 Monaten im Chlösterli, Unterägeri, am 8. November 2012.<br />

Heute leben die Brüder Willy und Beat mit ihren Familien im eigenen Geschäftshaus im Bösch 63 in Hünenberg.<br />

Franz und Anna Portmann-Schmid in ihren jungen Jahren; Franz mit den Kindern Willy, Beat, Rita und Guido<br />

Persönliche Anmerkung: Es war Franz Portmann, der in mir die Liebe zur Eisenbahn erweckte. Nach den<br />

Besuchen im Bahnwärter-Hüsli wusste ich die Bezeichnungen der einzelnen SBB-Lokomotiven. Ich kannte den<br />

Unterschied zwischen einer “Ae 3-6" und einer "Ae 4-7“, was zur Folge hatte, dass meine Eltern mich zu<br />

Weihnachten mit einer Erstausrüstung, einem Einstiegsbaukasten der Märklin-Modellbahnen, beschenkten. Von den<br />

Zügen sind mir leider nur die Schranken geblieben. Franz Portmann, sein ganzes Leben ein leidenschaftlicher<br />

Eisenbahner, verstarb im Mai 1974 im Alter von knapp 59 Jahren viel zu früh an Krebs.<br />

Mutter Anna Schmid-Felder, geboren im Jahr 1882, verstarb am 29. Mai 1947.<br />

Annas Vater Johann Schmid, geboren am 30. Juli 1879, verstarb am 2. Februar 1966.<br />

Rechts im Bild ist Ernst Schüpbach, der 80-jährig im Jahr 1971 verstarb.<br />

Nach 52 Jahren Treue als Sattlermeister gehörte Ernst zur Familie.<br />

118 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Seitenblick zur Familie Anna u. Franz Portmann-Schmid, Schüpfheim<br />

Anna Schmid, geboren am 3. Februar 1922 in Schüpfheim, Tochter des Sattlermeisters Josef Schmid, war eine<br />

sehr gute Freundin meiner Mutter, der Rosa Werder-Scherer.<br />

Das alte Bahnwärter-Hüsli der Familie Portmann in Schüpfheim<br />

Rosa Werder mit Anna Portmann<br />

Wenn meine Mutter Rosa mit Anna Portmann den telefonischen Dialog suchte,<br />

konnte das lange, ja, sogar sehr lange dauern!<br />

Oft besuchte ich zusammen mit meiner Mama die Anna Schmid im legendären Bahnwärter-Hüsli der Familie<br />

Portmann. Anna, gleichzeitig auch Nachbarin, war liiert mit dem Sohn Franz der Bahnwärter-Familie. Bei Kaffee und<br />

Kuchen unterhielten sich die zwei Damen zu den aktuellen Geschehnissen aus dem Entlebuch. Ihre eifrigen Dialoge<br />

wurden dann unterbrochen, wenn ein Zug die mit einer Barriere gesicherte Hauptstrasse zwischen Bern und Luzern<br />

überqueren musste. Mit viel Kraft drehte die klein gebaute Anna Schmid das grosse eiserne Rad, welches zum<br />

Herunterlassen der Schranken von ihr als Aushilfe bedient wurde. Als kleiner Mann stand ich, an meinem Sirupglas<br />

nippend, vor dem Bahnwärter-Häuschen und grüsste stolz und in Achtungstellung den Lokführer des vorbeirasenden<br />

Zuges. Im Anschluss ging der Damenschwatz weiter. Meine Erlebnisse der Bahnwärter-Szenen gehen<br />

zurück in die Jahre 1952 bis 1954. Anna Schmid hatte noch zwei Geschwister. Eines war ihr Bruder Josef Schmid,<br />

welcher mit einer Frau Hurni verheiratet war. In seinem Beruf als praktizierender Arzt ging der Herr Doktor Schmid<br />

sichtlich auf.<br />

Annas Schwester, das Marielie (Sattlermarielie), wurde eine echte Freundin von mir. Mit dem Sattlermarielie<br />

verbrachte ich während meines 21-wöchigen Aufenthalts in Schüpfheim viel Zeit in der interessanten Werkstatt ihres<br />

Vaters Johann. Gleichzeitig bewunderte ich den Mitarbeiter Ernst Schüpbach, der mit viel Feingefühl die Pferdesättel<br />

und die Lederausrüstungen der Dorfpferde reparierte und zum Teil auch neu fertigte. Ernst Schüpbach verstarb<br />

1971 im Alter von 80 Jahren. Er hielt der Sattlerei Schmid während 52 Jahren ohne Vertrag die Treue. Nachdem<br />

1964 die neue Strassenführung eröffnet worden war, bezog das Sattlermarielie das neue Haus. Die inzwischen mit<br />

Edi Stirnimann verheiratete Marie Schmid habe ich in ihren neuen Geschäftsräumen mit modernem Verkaufsladen<br />

und einer grossen Auswahl von Kuhglocken im Nachhinein noch oft besucht.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 119


Was unsere Familien damals auch noch tief bewegte<br />

"Ein ganzes Dorf in Trauer", so lauteten Mitte Oktober 1944 verschiedene Meldungen in den Medien. Es war mit<br />

Sicherheit das grösste Schiffsunglück, welches sich je auf einem der Schweizer Seen ereignet hatte. Am<br />

12. Oktober 1944 ertranken am Haslihorn auf dem Vierwaldstättersee 20 Gäste einer Hochzeitsgesellschaft, welche<br />

fast ausschliesslich aus dem Entlebucher Dorf Escholzmatt kamen. Die Folge dieser Katastrophe: 14 Vollwaisen.<br />

Es war die Hochzeit des Escholzmatter Lehrers Gottfried Studer, der mit seiner Frau Pia Portmann und<br />

weiteren 33 Gästen aus dem engeren Kreis seiner Familie den Eintritt in die Ehe feierte. Kurz nach 20.30 Uhr<br />

steuerte der stark alkoholisierte Kapitän des Motorschiffs SCHWALBE sein Schiff in Richtung Luzern.<br />

Die letzten Fotos mit dem Brautpaar Gottfried und Pia Studer-Portmann auf der "Schwalbe"<br />

Auf der Höhe Haslihorn kollidierte der Kahn der Hochzeitsgesellschaft mit einem entgegenkommenden<br />

Lastenschiff. Die "Schwalbe" mit der fröhlichen Gästeschar aus Escholzmatt sank innert Minuten. Retten konnte sich<br />

der Bräutigam Gottfried Studer mit einer seiner Schwestern. Rosmarie Unternährer erinnert sich: "Meine Mutter<br />

konnte nicht schwimmen. Als sie im Wasser war, legte sie sich mit ausgestreckten Armen auf den Rücken." So<br />

konnte sie glücklicherweise in letzter Minute gerettet werden. Das die Aussage einer Zeitzeugin.<br />

Die Toten aus Escholzmatt, aufgebahrt in der Dorfkirche St. Jakob, vor der feierlichen Bestattung im Oktober 1944<br />

Dieses Unglück im Oktober 1944 stürzte eine ganze Dorfgemeinschaft, vor allem aber die Familie Studer, in<br />

tiefe Trauer. Nach der Aufbahrung der 20 ertrunkenen und der Totenehrung in der Pfarrkirche St. Jakob trug man<br />

unter grosser Anteilnahme der Luzerner Regierung und des Zuger Bundesrates Philipp Etter am 17. Oktober 1944<br />

die Toten zu Grabe.<br />

Immer wieder erzählte mir meine Mama Rosa, wie damals ihre eigene Mutter, die Rosa-Cécilia Studer, in die<br />

Schicksalsgemeinschaft der Studer-Familien aus Escholzmatt einbezogen wurde. Denn Rosa-Cécilia, ebenfalls eine<br />

geborene Studer, kam ursprünglich aus der vom Leid getroffenen Gemeinde, und sie war eine direkte Verwandte<br />

der Eltern des damaligen Hochzeiters Gottfried Studer. Der unglückliche Bräutigam machte sich sein ganzes Leben<br />

lang Vorwürfe, er kam mit den Folgen, welche der Schiffscrash an seiner Hochzeit ausgelöst hatte, nie klar, denn er<br />

verlor nicht nur seine geliebte Pia, es ertranken damals auch sein Vater und mit ihm weitere vier seiner Geschwister.<br />

Gottfried Studer kümmerte sich noch Jahre danach um die 14 Vollwaisen, welche das Schiffsunglück auf dem<br />

Vierwaldstättersee hinterliess.<br />

Die in meiner Chronik veröffentlichten Fotos der Katastrophe vom Oktober 1944 stellte mir Willy Portmann zur Verfügung.<br />

Der Vater der Braut Pia Portmann war ein Onkel zu Willys Vater, dem Franz Portmann.<br />

Somit kreuzt sich das Schicksal vom Schiffsunglück mit der Familie Portmann<br />

und der Familie meiner Mutter, der Studers.<br />

Recherchiert und beglaubigt am Montag, 8. Februar 2016, von Willy Portmann in Hünenberg.<br />

120 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Beim traurigen Anblick dieser Bilder braucht es nicht viele Worte<br />

Familiengrab Portmann-Jenny (Familie der Braut) in Escholzmatt<br />

Familiengrab Studer (Bräutigam) in Escholzmatt<br />

Dieser Zeitungsausschnitt dokumentiert die Bergung des gesunkenen Schiffes SCHWALBE,<br />

das 1944 in St. Niklausen am Vierwaldstättersee geborgen wurde.<br />

Die Passagiere und Opfer waren Familienmitglieder der Familien Portmann und Studer<br />

aus dem verwandtschaftlichen Grad meiner Grosseltern mütterlicherseits der Familie Studer.<br />

Das historische Bildmaterial stammt aus der privaten Sammlung von Willy Portmann,<br />

der mit dem überlebenden Bruder der Braut, Gottfried Portmann, in persönlichem Kontakt stand.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 121


Fototermin mit dem Personal des Hotels Bellevue auf Rigi Kaltbad<br />

Dieses Gruppenfoto mit dem Personal des Hotels Bellevue auf Rigi Kaltbad entstand im Frühling 1943<br />

Einige Jahre ihrer Jugend verbrachte meine Mutter Rosa gemeinsam mit ihren Schwestern Gritli, Maria und Lina<br />

im Hotel Bellevue auf Rigi Kaltbad. Streng sei er gewesen, der Chef namens Dahinden. Oft seien nach seinen<br />

lautstarken Monologen im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen geflogen, verlautete Rosa, wenn sie vom<br />

Zeitfenster ihrer Jugend erzählte und zurück auf ihre spannenden Erlebnisse auf dem bekanntesten Berg der<br />

Zentralschweiz blickte und in Erinnerungen schwelgte. Dass sie damals mit vielen hohen Militärs der deutschen<br />

Armee in Kontakt kam, erwähnte sie in ihren Erzählungen ebenfalls.<br />

Später, ich erinnere mich an die Zeit so Anfang der Fünfzigerjahre, fuhren wir oft als Kleinfamilie zu dritt via<br />

Vitznau mit der legendären Dampfbahn auf die Rigi. Mein Vater erklärte mir die Gegend aus der Sicht von Rigi Kulm<br />

in Richtung Kanton Zug. In guter Erinnerung liegt mir, wie ich mich aufregte, weil man unser Haus, die KS-7, einfach<br />

nicht sehen konnte. Nach einem feinen gut bestückten Zvieri im Restaurant auf Rigi Kulm brachte uns die ratternde<br />

rote Vitznau-Rigi-Bahn mit den alten noch offenen Wagen zur Talstation. Dort, im Hafen des Kurorts, legte meistens<br />

noch die GALLIA am Steg an. Im Anschluss, nachdem das grosse Vierwaldstätterseeschiff ebenfalls dampfend den<br />

Hafen verlassen hatte, steuerte mein Vater Karl der Zweite seinen dunkelroten Plymouth V8 die felsige Seestrasse<br />

via Weggis und Küssnacht ins zugerische Cham zurück. In dieser riesigen Limousine verkroch ich mich in der<br />

Velourlandschaft der Rückbank. Dann freute ich mich darauf, meine Grosseltern, Karl den Ersten und die Oma Anna-<br />

Helena, zu sehen, um ihnen zu erzählen, dass ich unser Haus, die KS-7, wieder nicht gesehen hätte.<br />

Diese zwei Bilder wurden im Tessin aufgenommen<br />

Maria und Rosa Scherer im Tessin, 1945<br />

Rosa mit Karl Werder im Jahr 1946 in Lugano<br />

122 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ich stelle vor:<br />

Familie Franz Scherer-Travnicek aus Luzern<br />

mit Sohn Peter<br />

und den Töchtern Irene, Rita und Marliese<br />

Franz Scherer war der ältere Bruder<br />

meiner Mutter Rosa Werder-Scherer<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 123


Hier sehen wir Lady Elisabeth Travnicek-Eckhart<br />

Das war Lady Elisabeth Travnicek-Eckhart. Sie wurde 1878 als Tochter eines Forstverwalters in Wien geboren<br />

und stammte aus adeliger Familie. Im Jahre 1908 verehelichte sich Elisabeth Eckhart mit dem Friseur und<br />

Lebemann Fritz Travnicek. In ihrer Ehe schenkte sie dem Fritz drei Mädchen: Das waren Hedwig (Hedy), Antonia<br />

(Tonely) und Lieseli. Nach einer glücklichen Zeit inmitten von Galabällen, Theater- und Konzertbesuchen erlebte sie<br />

das schreckliche Zeitfenster des Ersten Weltkrieges. Als vortreffliche Rezitatorin liebte sie anspruchsvolle Literatur.<br />

Elisabeth hatte eine hervorragende Stimme, was ihre Familie oft genüsslich zu Ohr bekam. Seit ihrer Jugend liebte<br />

sie Tiere und die Natur. Nach längerer Krankheit verstarb sie am 23. Juli 1961 in Luzern.<br />

124 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Kurze Chronik einer Travnicek-Legende, verfasst 1995 von Antonia<br />

Es soll nicht eine Geschichte sein, die die Tränendrüsen der Leser aktivieren soll. Nein, es sind nur einzelne<br />

Etappen aus dem Leben von zwei ungleichen Schwestern, welche den gleichen wohlklingenden Namen Travnicek<br />

vererbt bekamen. Der Inhalt der folgenden Zeilen, geschrieben vom schönen Toneli, der Oma von Jacqueline<br />

Blume, meiner Partnerin, soll interessant, kurzweilig und mit Humor gespickt zum Schmunzeln anregen.<br />

Nun, unser Vater Fritz Travnicek war ein echter Wiener. Er war schlank, schwarzhaarig, ein echter Draufgänger<br />

und leidenschaftlicher Spieler, aber auch ein tapferer Verfechter unseres geliebten Vaterlandes, erhielt er doch 1916<br />

von seinem Kaiser das "silberne Verdienstkreuz am Bande der Tapferkeitsmedaille"! Unsere Mutter, eine (fast)<br />

adelige frühere von Eckhart, war eine Wienerin. Sie war blond, mit aufrechter Haltung und fast unnahbar, dennoch<br />

gütig, alles opfernd! Ja, das waren oder sind die Erinnerungen an unsere Eltern.<br />

Eigentlich sollten wir vier Geschwister sein; unser Brüderchen lernten wir kaum kennen, sein Leben war viel zu<br />

kurz. Auch unsere kleine Elisabeth zog es vor - zwar unfreiwillig -, mit 7 Jahren die Reise ins Jenseits vorzeitig<br />

anzutreten. Übrig geblieben sind noch meine Schwester, die Hedy, und ich, die Antonia. Trotz Hunger und<br />

Entbehrung dachten wir nicht daran, diesen merkwürdigen Planeten so schnell wieder zu verlassen.<br />

Ja, dann kam der Tag, an dem Vater Fritz Travnicek uns verliess: Er starb für unser Vaterland im Kriegsjahr 1917.<br />

Hedy war damals 8 und ich, die Antonia, knapp 5 Jahre alt. Mama stand mit uns zwei "Gegensätzen" da. Der Krieg<br />

hatte ihr alles genommen; unsere Grosseltern haben wir nie gekannt, denn auch sie hatten sehr früh den Erdball<br />

verlassen. Erben konnten wir nichts, da waren andere etwas schneller als wir. So viel zur Vorgeschichte.<br />

1920 kam Mama mit mir und meiner Schwester Hedy in die Schweiz. Doch auch dieses schöne vom Krieg<br />

verschonte Land hat uns kein Glück gebracht! Hedy, die eher Ruhige und Bedächtige, und ich, die Lebhafte, wurden<br />

in ein Heim verfrachtet, in dem wir nur schwer zu erahnende Lieblosigkeiten erfuhren. Der unfreiwillige Aufenthalt in<br />

diesem religiösen Gefängnis dauerte ganze drei Jahre; diese Zeit möchte ich grosszügig aus meinen noch im Kopf<br />

schlummernden Erinnerungen streichen.<br />

Einige Monate diente ich für eine Familie und kam dann 1924 nach Steinen in ein weiteres Heim für<br />

epileptische Kinder. Hedy zog nach Solothurn, wo sie in einer Papeterie arbeitete. Ja, und die Mama hielt zu der Zeit<br />

eine ganze Villa samt Garten in Ordnung. Unsere gegenseitigen Kontakte bestanden aus schönen Briefen und<br />

netten Postkarten, mit denen wir uns gegenseitig aufbauten. Das Heim, in dem ich meine kostbare Jugend<br />

verbrachte, wurde von Nonnen geleitet. Aus diesem Klosterleben möchte ich an dieser Stelle kleine Müsterchen<br />

herauspicken, die möglicherweise ein wenig Heiterkeit auslösen.<br />

Zu unserem Erziehungsteam gehörte auch ein Spiritual, der unsere Seelen formen sollte, und bei Gott, er tat<br />

dies ausgiebig! Er war so streng, dass wir schon bei seinem Anblick zum Zittern kamen, denn die kleinste Unart<br />

beichteten wir ihm. Ich war 12 Jahre, als er mich lehrte, sein Essgeschirr zu waschen, und das nach aller guten<br />

Regeln, ja, er hämmerte mir jede Bewegung ein. Und merkwürdig: Bis heute habe ich diese Vorgänge so stehen<br />

lassen. Dann kam das Schönste: Das Heim besass sehr viel Land, also auch kräftige, hochstämmige Obstbäume,<br />

die mich magisch anzogen. Die Freude war gross, als ich beim Kirschenpflücken helfen durfte. Im Nu war ich in der<br />

Krone des Kirschbaumes und sah die herrlichen reifen Früchte vor meinen Augen. Da ertönte die Stimme des<br />

Spirituals: "Tonely, jetzt wird gebetet, und zwar laut und deutlich!" Den ganzen Psalter, das waren drei Rosenkränze,<br />

musste ich den vor meinen Augen hängenden schwarzen Kirschen zurufen. Keine einzige prall glänzende<br />

Kirschkugel gelangte in meinen vertrockneten Mund. Der Zorn, wenn ich an die Zeit zurückdenke, erfüllt mich noch<br />

heute. Überall fand dieser fromme Gottesmann Mittel und Wege, uns gefügig zu machen. Wir durften nicht turnen,<br />

nicht schwimmen, dafür mussten wir andauernd die Hände falten und beten. Zum Glück blieb mir noch das Singen<br />

und Theaterspielen. Mit Hingabe widmete ich mich bei jeder Gelegenheit den für mich wenigen schönen Dingen.<br />

Die darauf folgenden Jahre wurde ich geformt und wie ein Brotteig zurechtgeknetet, besser gesagt reif<br />

gemacht für das nächste Klosterleben auf Baldegg. Ich wollte Lehrerin werden, dann empfahl man mir, ins Kloster<br />

einzutreten. Man begann religiöses Wissen in mich hineinzupressen. Das Ziel war, dass ich das vierte Seminarjahr<br />

als Novizin absolvieren sollte, obwohl ich das überhaupt nicht wollte. Schon immer habe ich mich gefragt, wie das ist<br />

beim Eintritt ins Kloster. Wird den Novizinnen das Haar geschnitten, kurz oder gar ganz? Diese und andere Fragen<br />

liessen mir keine Ruhe, ich wollte es wissen.<br />

Das Schwesternhaus war mit dem Institut durch einen langen Gang verbunden. Heute und hier bot sich für<br />

mich die Gelegenheit, das Geheimnis zu lüften, auf meine innigste Frage die Antwort zu finden. Eine Kameradin war<br />

bereit, den unerlaubten Schritt mit mir gemeinsam zu wagen. Als alles ruhig und dunkel wurde, schlichen wir<br />

barfuss, nur mit unserem langen weissen Nachthemd bekleidet, durch den langen Korridor ins Schwesternhaus.<br />

Dort verschanzten wir uns hinter einer Säule und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Unsere Geduld wurde<br />

auf eine harte Probe gestellt, und mit Stirnrunzeln fragten wir uns, wann denn endlich eine Schwester ohne Schleier<br />

zur Toilette gehen musste. Dann, endlich öffnete sich eine Türe, und eine Schattengestalt huschte an uns vorbei -<br />

aber, o Schreck, wohl ohne Schleier, aber den Kopf säuberlich mit einem weissen Häubchen bedeckt.<br />

Meine Enttäuschung war so gross, dass ich mich fast verraten hätte. Also nichts wie schnell zurück ins Zimmer<br />

zurück. Aber auch da erwartete uns nichts Erfreuliches. Die Tür war fest verriegelt, uns blieb nur die Flucht, durch<br />

ein offenes Fenster ins Freie zu klettern. Wie zwei zum Leben erweckte Gespenster bewegten wir uns durch die<br />

Dunkelheit der Nacht. Es kostete uns viel Mut, auf Umwegen über die Fassade zurück in unser Zimmer zu kommen.<br />

Der nächtliche Ausflug blieb unser Geheimnis, und ebenso blieb meine Frage zur Haartracht der Nonnen bis jetzt<br />

unbeantwortet. Den Zwang, ins Kloster zu gehen, konnte ich zu Gunsten meiner Freiheit erfolgreich abwenden.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 125


Damit genug zu meiner Person, reden wir von meiner Schwester Hedy, sie hat ja auch so ihre eigenen<br />

Erfahrungen gemacht. Bei Hedy verlief alles viel ruhiger und gemächlicher bis zu dem Zeitpunkt, als wir zwei<br />

Schwestern uns entschlossen, ein paar Tage in unserer Heimat, der Walzerstadt Wien, zu verbringen. Dort dinierten<br />

wir im "Kerzenstüberl", wo wir von drei jungen Kellnern umschwärmt wurden. Wir waren ja ebenfalls jung, im besten<br />

Alter, dazu noch hübsch. Wir konnten auch gut mit unserem Charme umgehen. O wie haben wir diesen einen Abend<br />

in Freiheit genossen!<br />

Am anderen Tag bummelten wir durch die romantischen Gassen der Wiener Altstadt und genehmigten uns da<br />

und dort ein Gläschen, bis es dunkel wurde. Dann überlegten wir uns, in welchem Etablissement wir zwei Hübschen<br />

uns niederlassen möchten. Unser Blick fiel auf eine diskrete Leuchtschrift OPIUMHÖHLE. Diesem Lokal mit dem viel<br />

versprechenden Namen wollten wir sein Geheimnis entlocken. Und schon liefen wir die in diffuses Licht getunkte<br />

Treppe hinunter. Dabei stürzten wir beinahe in die Arme einer geheimnisvollen Dame, welche uns lächelnd, aber<br />

verdächtig freundlich den Weg zum Ort des Geschehens zeigen wollte.<br />

Wie eine Furie schrie Hedy mich an und zerrte mich zurück nach oben. Begleitet von einem fragenden Blick der<br />

netten Dame, erreichten wir wieder die Oberfläche, wo wir unseren Trip nach Hause in Angriff nahmen. Noch Jahre<br />

später bis ins hohe Alter sagte mir Hedy, dass sie mir damals auf der Treppe ins Verderben das Leben gerettet<br />

hätte. Nur sei gesagt, dass ich bis heute nicht herausgefunden habe, was uns im Keller der "Opiumhöhle" wirklich<br />

erwartet hätte.<br />

Wieder verflogen einige Jährchen, wir heirateten und setzten einige Kinder auf den fruchtbaren Boden der freien<br />

Schweiz. Hedy wählte mit ihrem Ehemann Franz Scherer die Zahl vier, ein Knabe namens Peter und drei Töchter,<br />

Irene, Rita und Marliese. Ich persönlich entschloss mich für das Dreimädelhaus mit Erika, Ruth und Claudia. Auch von<br />

den sieben Kindern mit dem Blut der Travniceks könnte man einige Geschichten erzählen, kleine Episoden sind ja in<br />

<strong>Charly</strong>s angekündigtem Buch "Wer ? der <strong>Charly</strong>" festgehalten. Doch bleiben wir an dieser Stelle bei Hedy und mir.<br />

Meine Schwester Hedy entpuppte sich als ausgezeichnete Schneiderin und exzellente Köchin. Was Hedy in<br />

die Hände nahm, gelang, und von diesen Fähigkeiten profitierten einige ganz gut. Besonders stolz war meine<br />

Schwester darüber, dass sogar ihr Arzt mit Gattin eines Tages zum Essen erschien und dass sich dieser<br />

kulinarische Vorgang nicht nur einmal wiederholte.<br />

Ja und ich? Ich wollte eben Lehrerin werden, doch auf keinen Fall im Kloster landen. Kurzum entschloss ich<br />

mich für den Einsatz mit Kindern, und so wurde ich Krankenschwester. Vielen Kranken durfte ich helfen, gesund zu<br />

werden, andere konnte ich beruhigend in die Ewigkeit begleiten. Eine kleine Story aus dieser Zeit will ich hier<br />

erzählen. Als Kathja Osterwald, die Frau des weltbekanten Jazz-Musikers Hazy Osterwald, 1965 in Arosa verstarb,<br />

hinterliess sie drei kleine Kinder: Rolf, Linda und Sven hiessen die drei Osterhäschen. Als Krankenschwester durfte<br />

ich die Nachkömmlinge der Osterwald-Dynastie für einige Zeit liebevoll betreuen.<br />

Nach vielen harten Arbeitsjahren verliess unsere gute Mutter Elisabeth im Jahre 1961 diese schöne Welt, in<br />

der doch gerade der Weltfriede im Anmarsch war. Elisabeth Travnicek war eben schon eine spezielle Frau und<br />

Mutter, an die ich immer wieder denken muss.<br />

Eines Tages wechselte mein Schwager Franz den Wohnsitz, um unerwartet in eigener Regie das Jenseits zu<br />

ergründen. Ja Hedy, zu der Zeit rumorte oft ein Gedanke in deinem Kopf: Du und ich zusammen eine Wohnung, du<br />

besorgst den Haushalt und sammelst Kräuter, und ich sorge für unseren Unterhalt! So hätte das niemals funktioniert!<br />

Mein Mann Gody wäre damit nie zurechtgekommen.<br />

Wie das so ist im Leben, die Zeit brachte eine andere, eine bessere Lösung. Mit dem Wechsel meiner<br />

Wohnung an die Voltastrasse waren wir plötzlich nur noch Minuten voneinander entfern. Von jetzt an sahen wir uns<br />

wieder fast täglich, und unsere Gedanken und Wünsche eilten oft in Richtung Österreich. Doch es kam, wie es<br />

kommen musste; wir zwei Gegensätze waren nicht immer gleicher Meinun, und trotzdem hatten wir schöne Zeiten.<br />

In all den Jahren hatte Hedy immer den gleichen Wunsch, noch einmal das Städtchen Heidenreichstein zu<br />

besuchen, welches sie in ihrer Jugend mit einer Freundin kennen gelernt hatte. In allen Farben schilderte sie die<br />

Vorteile des Ortes, die Vorzüge der lieben Menschen, und sie wurde nicht müde, dieses Juwel in Niederösterreich<br />

zu preisen. Am 18. Juli 1993 erfüllte sich Hedys Wunsch. Im Alter von 84 Jahren flog meine Schwester mit mir nach<br />

Wien. Viermal mussten wir umsteigen, immer das Gepäck im Schlepptau, bis uns am Abend um 19.30 Uhr der letzte<br />

Bus auf einer Fahrt von zweieinhalb Stunden zum ersehnten Bestimmungsort nach Heidenreichstein brachte. Ich<br />

war müde, und meine Stimmung war ganz unten im Keller angekommen.<br />

Dann geschah etwas Seltsames. Diese Fahrt wurde zu einer der schönsten meines Lebens. Die untergehende<br />

Abendsonne tauchte die einzigartige Landschaft in ein magisches Licht, links die Sonnenblumenfelder, kein Mensch<br />

weit und breit störte die eindrückliche Idylle. Da rief Hedy lauthals: "Jetzt ins Nirwana und nie mehr zurück!" Wir<br />

ahnten nicht, wie schnell sich so ein Wunsch erfüllen kann. Nur zwei Monate später, es war am Samstag,<br />

27. September 1993, waren wir zu einem kleinen Lunch verabredet. Doch dieses gemütliche Beisammensein fand<br />

nicht mehr statt. Ohne Abschied zog es dich in dein gewünschtes Nirwana, wo du hoffentlich weitere ausgedehnte<br />

Sonnenblumenfelder in der Abendsonne bewundern kannst und deinen Franz wiedertriffst.<br />

Leb wohl, Schwesterherz, ich vermisse dich. Die letzte Travnicek, die Antonia, klebt noch immer auf dem Boden<br />

dieser kriegslustigen Erde fest. Lass dich wissen, dass ich mir wünsche, dass in jedem unserer sieben Kinder einen<br />

Tropfen Travnicek-Blut pulsiert.<br />

Gezeichnet im Mai 1995<br />

Antonia, die letzte Travnicek, von der Voltastrasse aus Luzern<br />

126 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das schöne Tonely Travnicek: Es war die Schwester von Hedy Scherer<br />

Antonia, geboren am 15. März 1912, war eine der drei Töchter von Elisabeth Travnicek-von Eckhart.<br />

Das Dreimädelhaus bestand aus Hedwig (Hedy), Antonia (Tonely) und Liseli.<br />

Ruth mit ihrer Mutter Antonia, Irene Scherer und Grossmutter Elisabeth Travnicek<br />

beim sonntäglichen Familienspaziergang am Vierwaldstättersee<br />

Grossmutter Elisabeth<br />

Antonia u. Jacqueline 1. Kommunion Jacqueline mit Oliver, Weihnachten 74 Antonia mit Ehemann Gottfried Gut<br />

Die attraktive Antonia Travnicek, welche oft auch bei den Thalmanns auf dem Chnübelihof in Schüpfheim<br />

anzutreffen war, war die Grossmutter von Jacqueline Blume, die seit dem 17. Juli 1990 die rechte Hand in meiner<br />

Firma, den <strong>Charly</strong> Werder Produktionsbetrieben in Cham, ist. Dass Antonia den Kontakt zu den Scherers im<br />

Wolfgang in Schüpfheim fand und warum sie jeweils auf dem Chnübelihof verweilte, ergab sich durch die Kontakte<br />

mit der Familie ihrer Schwester Hedy. Antonia Travnicek war in zweiter Ehe verheiratet mit Gottfried Gut. Aus erster<br />

Ehe (Zoppé) brachte Antonia zwei Mädchen, die Ruth und die Erika, mit in die Ehe. Ruth heiratete Rolf Blume. Aus<br />

dieser Verbindung stammen Jacqueline und Oliver Blume. Antonia war eine sehr hübsche, schlanke und gross<br />

gebaute Dame, die ich persönlich kennen lernen durfte. Sie verstarb mit 87 Jahren an der Voltastrasse in Luzern<br />

infolge eines Treppensturzes.<br />

Mitte der Sechzigerjahre betreute Antonia die Kinder meines Freundes Hazy Osterwald, Rolf, Sven und Linda, nachdem<br />

deren Mutter Käthe Maschetzke (Kathja) Osterwald, ein ehemaliges Model aus Berlin, 1965 in Arosa verstorben war.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 127


Fritz Travnicek war ein Gambler, der 1918 im Ersten Weltkrieg starb<br />

Das Bild zeigt Fritz Travnicek als Gambler mit seinen Spielerfreunden. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich,<br />

dass Fritz an bestimmten Abenden zwischen den Wetten nach Hause ging, um neue Wertgegenstände<br />

auf dem Gambler-Tisch zu platzieren.<br />

Im Ersten Weltkrieg 1918 wurde Fritz zum Kriegsopfer, er fiel im Kugelhagel seiner Einheit<br />

128 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Eine Urkunde des Kaisers von Österreich, datiert vom 9. Juni 2016<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 129


Fenster zur Familie Franz und Hedy Scherer-Travnicek aus Luzern<br />

Das Brautpaar Franz und Hedy Scherer-Travnicek am 15. November 1936<br />

130 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Am Tag der Hochzeit der hübschen Schneiderin mit dem Dachdecker<br />

Franz mit seiner soeben geheirateten Frau, Hedy Scherer-Travnicek. Rechts im Bild sehen wir Antonia Travnicek,<br />

genannt das schöne Tonely, die spätere Grossmutter meiner Partnerin Jacqueline Blume<br />

Franz Scherer, der Älteste der Schererlinge, wurde in Schüpfheim am 23. Dezember 1911 geboren. Er war<br />

gelernter Spengler- und Dachdeckermeister. 1935 begegnete Franz der Hedy Tranvnicek, die er am 25. November<br />

1935 in Luzern heiratete. Aus der Ehe wuchsen vier Kinder heran. Das waren Irene, Rita, Peter und Marliese. Später<br />

arbeitete Franz als Galvaniker und Metallveredler bei der Firma Wilhelm AG in Zug. Eine weitere neue<br />

Herausforderung fand der Entlebucher bei Sarnafil in Sarnen. Dort wurde er beauftragt, Isolationsmaterial im<br />

Gotthard-Autotunnel zu montieren. Seine Familie lebte im Luzerner Inseliquartier nahe der Frohburg, direkt hinter<br />

dem Bahnhof Luzern. Am 29. Juni 1974 verstarb Franz Scherer-Travnicek in Luzern.<br />

Franz Scherer mit Blick in Richtung seiner zukünftigen Frau Hedy Travnicek, geboren am 5. August 1909.<br />

Sie war eine der drei Töchter von Fritz und Elisabeth Travnicek-Eckhart, die im Grossraum Wien aufwuchsen.<br />

Hedy Scherer-Travnicek verstarb am 26. September 1993 in Luzern.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 131


Die Schererlinge mit Gross- und Urgrossmutter bei den Thalmanns<br />

Der stolze Vater Franz Scherer mit seiner Mutter Rosa-Cécilia, der Grossmutter Anna-Maria Studer-Vogel<br />

und seinen Kindern Irene, Rita, Peter und Marliese zu Besuch auf dem Chnübelihof in Schüpfheim.<br />

Links im Bild in Tracht das Chnübeli-Marielie Thalmann mit ihrem Vater, dem Chnübeli-Bauern.<br />

Der stolze Vater Franz mit seiner Frau Hedy und Tochter Irene 1938 in Luthern<br />

Hedy mit Franz am Löwendenkmal<br />

132 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Der Nachwuchs ist im Anmarsch<br />

Irene, Rita, Peter und Marliese Scherer am Rotsee<br />

Irene mit Rita Scherer, Foto by Jan Schneider, Luzern<br />

Irene-Elisabetha Scherer, geboren am 23. Februar 1938, in Luthern LU: Irene war gelernte Schmuckverkäuferin<br />

und arbeitete über Jahre bei der angesehenen wie auch international bekannten Firma Gübelin in Luzern. Ein<br />

Engagement an der Weltausstellung 1967 führte sie nach Montreal (Kanada), und von 1972 bis 1978 war Irene im<br />

Grossraum Südafrika in beruflicher Mission als Schmuckverkäuferin auf Achse. Eine Heirat ging die hübsche<br />

Scherer-Tochter trotz Angeboten nie ein. Irene genoss die Jugend, darum lebte sie ganz einfach "á la carte".<br />

Hier zeigen sich die zwei Schwestern in Porträts aus den Fünfzigerjahren, festgehalten von Foto Jan Schneider, Luzern<br />

Rita-Antonia Scherer, geboren am 10. Juli 1939 in Schüpfheim LU: Sie ist verheiratet mit dem Konstrukteur für<br />

allgemeinen Maschinenbau, Gery Lange. Rita Scherer ist gelernte Service- und Saalfachfrau mit Diplomabschluss,<br />

und sie hat ihren Beruf nach einem Aufenthalt in Schottland im Hotel Hermitage wie auch im Kursaal in Luzern<br />

ausgeübt. Rita und Gery Lange-Scherer heirateten am 10. Oktober 1964 in Buchrain. Sie haben eine Tochter<br />

Daniela, geboren am 13. März 1965, und einen Sohn Norbert, geboren am 1. Juli 1967. Die Familie Lange lebte bis<br />

1969 in Buchrain, später an der Höchweidstrasse 4, in Ebikon LU. Taufpaten waren Antonia, genannt Tonely, und<br />

Onkel Friederich Scherer aus Schüpfheim, der Bruder von Franz.<br />

Die Hochzeitsgesellschaft von Gery und Rita am 10. Oktober 1964 in Buchrain<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 133


Das ist Marliese Scherer<br />

Marliese Scherer, geboren am 25. März 1945 in Luzern: Marliese war in ihrer Jugend diplomierte Kosmetikerin,<br />

übte diesen Beruf aber nur kurze Zeit aus. Sie ist seit dem 3. September 1966 mit dem Berufsviolinisten Clarence<br />

Myersscough verheiratet. Die Hochzeit mit den Familien fand in der Franziskanerkirche in Luzern statt, wo auch<br />

Hans und Lina Kasper anwesend waren. Aus dieser Ehe stammen am 29. Juli 1967 die Tochter Nadia und am 19.<br />

November 1971 Sohn Lucian, beide in England geboren. Im Zeitfenster von 1968 bis 2015 managte Marliese nebst<br />

ihrem Mann und ihrer Tochter weitere Berufsmusiker, und sie organisierte Konzerte in Europa, Asien und anderen<br />

Ländern. Von 1989 bis 1993 erstand sie das Sprachdiplom "Englisch als Zweitsprache" und unterrichtete<br />

anschliessend für acht Jahre als Englischlehrerin an einer Fachschule in London. Seit 2013 ist Marliese eine<br />

qualifizierte Tagesmutter.<br />

Starviolinist Clarence Myerscough in London Tochter Nadia mit Vater Clarence nach ihrem Auftritt in London<br />

Am 29. März 1986 war ich persönlich Gast bei Marliese und Clarence Myerscough in England. Dort besuchte<br />

ich meine Cousine. Gemeinsam mit meinem Model Janine Fischbach genoss ich das Osterkonzert, die "Matheus<br />

Passion", wo ich zum ersten Mal das Können des Violinisten Clarence Myerscough mit Tochter Nadia auf der Bühne<br />

bewundern durfte.<br />

Ebenfalls Berufsviolinistin ist die hübsche Tochter Nadia, die mit Ian Welsh verheiratet ist.<br />

Immer wieder kamen wir in den Genuss, Nadia an Konzerten in der Schweiz bewundern zu dürfen.<br />

Sohn Lucian ist mit Nicola Mairs verheiratet.<br />

Die Familie Myerscough lebt seit 1965 an der 17 Salterton Road in London N7 6BB.<br />

134 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Peter und Ruth Scherer<br />

Peter an seiner ersten Kommunion<br />

Die Hochzeit mit Ruth Melliger, rechts im Bild die Eltern Hedy und Franz<br />

Peter Scherer, geboren am 8. Oktober 1942, in Luzern: Er heiratete im September 1967 Ruth-Rosa Melliger,<br />

geboren am 19. Dezember 1944. Peter war bereits als Schüler ein leidenschaftlicher Hobbyelektriker. Er war so<br />

begabt, dass er alles, was zwei Drähte hatte, flickte, zusammenbaute oder weiterentwickelte. In guter Erinnerung<br />

geblieben ist mir seine Modelleisenbahn. Das war schlussendlich der Auslöser für Peters Berufswahl. Bei der Firma<br />

Ehrensberger lernte er viel Wissenswertes von Leo Fischer, was ihn dazu bewog, sich selbstständig zu machen.<br />

Peter eröffnete sein eigenes Radio- und Fernsehgeschäft an der Ecke Kloster-/Zähringerstrasse, welches er<br />

erfolgreich bis zu seiner Pension in eigener Regie führte. Peter und Ruth Scherer-Melliger lebten am Rebstockrain 9.<br />

Er verstarb, leider erst 68-jährig, am 16. Juni 2010 in Luzern.<br />

Aus der Ehe mit Ruth Melliger entstand Tochter Sonja, heute ist sie Juristin und selbst verheiratet mit Florian<br />

Bommer, darauf folgten Sohn Thomas, ebenfalls verheiratet mit Hanne Nygard aus Norwegen, und Sohn Philip<br />

Scherer, auch verheiratet mit Martha aus Tennee, Spanien.<br />

Peter mit seinen Schwestern: ein denkwürdiges Gruppenbild aus dem Jahr 2005<br />

Das sind Irene, Rita, Nadia, Peter und Marliese; die Schererlinge sind wie wir alle etwas älter geworden<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 135


Rund um die "Frohburg" in Luzern wurden wir gross und erwachsen<br />

Das Restaurant Frohburg hinter dem Bahnhof Luzern im April 1981, kurz vor dem Abbruch, hier die Rückansicht<br />

Zwei hübsch Schwestern: Marliese und Irene<br />

Stolz waren wir damals alle auf Vaters Führerschein<br />

Augenblicke der Erinnerungen in die Zeit der Vergangenheit<br />

Schwester Irene mit Bruder Peter Rita, Irene und Marliese in Pose, Chnübeli-Bauer Thalmann mit Marliese<br />

an einem feuchtfröhlichen Abend festgehalten an der Claridenstrasse und Friederich Scherer beim Tafeln<br />

136 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Irene mit Marliese und Rita zu Gast im "Trumpf-Buur" in Ebikon<br />

Wir schreiben den 12. Juni 2016, es war an einem Sonntag, als ich die Schererlinge im Restaurant Trumpf-Buur<br />

zum Gedankenaustausch traf. Während Marliese vom Kauf ihres Hauses in Canterbury erzählte, welches sie<br />

damals 1964 für 1700 Pfund erworben hatte, erinnerte sich Irene an die Zeiten in Südfrankreich. Rita wiederum ging<br />

mit ihren Gedanken weit in die Kindheit, zur Inselistrasse und zur "Frohburg", zurück. Gleichzeitig stand generell die<br />

mit Spannung geladene Abstimmung zum Brexit in England zur Debatte am runden Tisch.<br />

Marliese mit Franz und Lucian Das Haus in Canterbury im Jahr 1964 Nadia und Lucian am 20. 2. 1978<br />

V.l.n.r.: Marliese, Peter, Rita, Irene<br />

Irene mit dem Mercedes ihres damaligen Basler Freundes in Südfrankreich<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 137


Ich stelle vor:<br />

Familie Willy Wyss-Scherer<br />

vom Eichholz 5 in Steinhausen<br />

mit den Töchtern Angela, Margaretha, Gisela,<br />

Elisabeth, Renata, Gabrielle und Wilma<br />

Familie<br />

Paul Kälin-Scherer aus Walchwil<br />

mit den Töchtern Helene, Gret, Cécile<br />

und Marianne<br />

Maria Wyss und Gritli Kälin waren Schwestern<br />

meiner Mutter Rosa Werder-Scherer<br />

138 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Fenster zur Familie Willy Wyss-Scherer, Eichholz 5 in Steinhausen<br />

Willy und Maria Wyss-Scherer heirateten am 17. Mai 1945 in der Pfarrkirche St. Matthias in Steinhausen. Der<br />

Schlossermeister und die Entlebucherin bezogen ihre erste gemeinsame Wohnung im sogenannten Püntener-Haus<br />

im Oberdorf an der Blickensdorferstrasse in Steinhausen. Das junge Paar gründete schon bald eine Familie. Maria<br />

Wyss schenkte ihrem Mann Willy im Zeitfenster von 1946 bis 1961 sieben hübsche Töchter.<br />

Das sind die Angela, Margaretha, Gisela, Elisabeth, Renata, Gabriele und Wilma.<br />

Bis 1953 lebte die Familie im Oberdorf, Steinhausen. Im Anschluss bezogen Willy und Maria<br />

mit den ersten vier Töchtern ihr eigenes Haus, welches sie bis an ihr Lebensende<br />

an der Eichholzstrasse 5 in Steinhausen selbst bewohnten.<br />

Im Bildhintergrund ist das Brautführerpaar Karl der Zweite mit seiner Freundin, der Rosa Scherer, zu sehen.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 139


Zwei Generationen der Familie Wyss im Hochzeitsfieber<br />

Hier posieren Maurus und Lina Wyss-Müller,<br />

beobachtet bei ihrer Hochzeit im Jahr 1907<br />

Das sind Willy und Maria Wyss-Scherer anlässlich<br />

ihrer Hochzeit am 17. Mai 1945 in Risch<br />

Sohn Maurus Wyss, Offizier der US-Armee,<br />

Mutter Lina Wyss in stolzer Begleitung<br />

Hochzeitsgast in Steinhausen ihres Sohnes Maurus im Mai 1945<br />

140 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein historisches Gruppenbild, festgehalten von Eugen Grau, Zug<br />

Das Hochzeitspaar Willy und Maria mit den Nebenhochzeitern Rosa Scherer und Karl Werder<br />

sowie den Blumenkindern Irene und Rita Scherer aus Luzern<br />

Anmerkungen zur damaligen Hochzeitstafel<br />

Gefeiert haben Willy und Maria mit ihren Gästen im Restaurant Rössli bei Alois Hüsler in Steinhausen. Dort<br />

verköstigten sich laut einer noch vorliegenden Rechnung 29 Personen zum Preis von Fr. 4.20 pro Menü, im Total<br />

sind das Fr. 121.80. Dazu kamen noch Getränke und zwei Übernachtungen, was einen Endbetrag von insgesamt Fr.<br />

229.-- ausmachte. Inbegriffen in dieser Rechnung waren noch 10 Prozent Trinkgeld.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 141


Impressionen zur Hochzeit von Willy und Maria Wyss-Scherer, 1945<br />

Das sind Karl Werder und Rosa Scherer in ihrer Funktion<br />

als Brautführerpaar, im Hintergrund Maurus Wyss<br />

Die Scherer-Schwestern Maria und Rosa;<br />

das Foto entstand beim Kirchlein in Risch<br />

Auszug aus den lokalen Medien zur Hochzeit von damals<br />

Am vergangenen Donnerstag, dem 17. Mai 1945, feierte in Steinhausen der zweitälteste Sohn Willy des<br />

amtierenden Kirchenratspräsidenten Maurus Wyss Hochzeit. Dass an diesem Familienfest der vor 17 Jahren in die<br />

Vereinigten Staaten Nordamerikas ausgewanderte ältere Sohn von Lina und Maurus teilnehmen würde, hätte sich<br />

wohl bis vor wenigen Tagen keiner der Familienangehörigen vorstellen können.<br />

Zwar nutzte ihm diese Gelegenheit dank einer Mitteilung der amerikanischen Gesandtschaft in Bern, dass Maurus<br />

Wyss junior, der in den USA verheiratet und in guter Stellung bei General Motors (GM) war, aber anderthalb Jahre<br />

lang nichts mehr hatte von sich hören lassen, als Offizier der US-Armee in Europa eingetroffen war und daher über<br />

kurz oder lang die Möglichkeit bestehen könnte, ihn wiederzusehen.<br />

Am 15. Mai 1945, also zwei Tage vor der Hochzeit seines jüngeren Bruders Willy, kam dann unverhofft ein Anruf<br />

von Maurus Wyss junior aus St. Margrethen mit dem Bescheid, dass er dort eingetroffen sei und dass er fünf Tage<br />

Urlaub habe. Nur wenige Stunden nachher konnte Offizier Maurus Wyss nach Verständigung der speziellen<br />

Familienumstände seine Ankunft per 16. Mai 1945 im heimatlichen Steinhausen anmelden.<br />

Der im Alter von 35 Jahren stehende Offizier der amerikanischen Armee hatte, aus den USA kommend, mit<br />

seiner Einheit die Landung bei Anzio zwischen Rom und Neapel mitgemacht. In der Folge nahm Maurus Wyss am<br />

Feldzug jener Armee teil, die in Marseille ausschiffte, durchs Rhonetal und durch die Juradepartemente nach der<br />

Pforte von Belfort vorstiess und nach der siegreichen Aufrollung des deutschen Widerstandes von Süddeutschland<br />

bis nach Salzburg gelangte.<br />

142 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Maria, Lina und Rosa Scherer, einst in ihren jungen Jahren<br />

Im Bild links Vater Ferdinand Scherer mit den Töchtern Lina und Maria im Haus St. Wolfgang. Daneben Maria und Rosa<br />

Maria wurde am 1. März 1914 als zweites Kind von Rosa-Cécilia und Ferdinand Scherer-Studer im Schächli in<br />

Schüpfheim geboren. Ihr Vater Ferdinand hatte damals ein eigenes Dachdeckergeschäft. Dadurch waren die<br />

Aussichten der noch jungen Familie recht viel versprechend. Die Kinderschar wuchs, und so zählte die<br />

Dachdeckerfamilie aus Schüpfheim bald vier Mädchen und vier kräftige Jungs, was zum Umzug in ein grösseres<br />

Haus beim Bahnhof Schüpfheim führte. Maria und einige Geschwister durften ein Musikinstrument erlernen. Oft<br />

erzählte Maria vom kleinen Familienorchester, in dem sie die Saiten ihrer Mandoline zupfte und gleichzeitig dazu<br />

sang, während Schwester Rosa die Knöpfe der Ziehharmonika bediente. Weitsichtig denkend besuchte Maria die<br />

Handelsschule in Luzern, um sich möglicherweise später im elterlichen Betrieb nützlich zu machen.<br />

In ihren jungen Jahren zog es Maria in eine Klinik ins Tessin und auf die Rigi, wo sie mit ihren Schwestern<br />

Rosa und Gritli im Kaltbad unter dem strengen Patron Dahinden als Weissnäherin arbeitete. Dieses Zeitfenster auf<br />

der Rigi prägte Maria mit ihren Schwestern besonders. Das Scherer-Trio litt unter Heimweh, den Gepflogenheiten<br />

und den Bräuchen im Entlebuch. In ihren späten Jahren erzählte Maria trotzdem oft und gerne von diesen<br />

damaligen strengen Zeiten auf Rigi Kaltbad, wo sie in der Lingerie in wichtigen Positionen mit viel Verantwortung<br />

ihre Funktionen wahrnahm.<br />

Dank des grossen Engagements ihrer Schwiegermutter Karolina (Lina) Wyss-Müller, die im Dorfzentrum von<br />

Steinhausen einen kleinen Lebensmittelladen führte, war es Willy und Maria möglich, 1953 mit Familie vom Oberdorf<br />

ins eigene Haus am Eichholz 5, ebenfalls in Steinhausen, zu ziehen. Das Haus von Willy und Maria im Eichholz<br />

grenzte damals an das Geburtshaus meines Vaters Karl Werder des Zweiten, welcher im September 1946 Marias<br />

Schwester Rosa heiratete.<br />

Die Bedeutung von Glaube und Religion war immer wieder ein Thema im Haus der inzwischen sehr attraktiven<br />

Damen aus dem Eichholz. Maria war sicher eine religiöse Mutter, doch niemals frömmlich. Im Gegensatz zu Willy,<br />

der ein regelmässiger Kirchgänger war, entschied Maria stets aus freiem Empfinden, ob sie zur Predigt gehen würde<br />

oder eben nicht.<br />

Maria wurde nie müde, den nächsten Tag wie den vergangenen zu nehmen. Sie war beschäftigt, die sieben<br />

heranwachsenden Mädchen zu Töchtern grosszuziehen. Nebst der Erziehung der beachtlichen Kinderschar<br />

versuchte Maria das kleine Haushaltsbudget der Familie mit Heimarbeit etwas aufzubessern. Aber auch die Töchter<br />

Angela, Margreth, Gisela, Renata und Elisabeth waren besorgt, das Budget zu unterstützen. Mit freiwilligen<br />

Einsätzen im Kolonialwarenladen von Karl und Rosa in Cham setzten die jungen heranwachsenden Damen<br />

Präsenz. Dafür lieferte mein Vater Lebensmittel und Getränke ins Eichholz-Haus, welche die Speisetafel der<br />

Grossfamilie Wyss reichhaltig ausglichen.<br />

Maria wurde Grossmutter, noch bevor ihre jüngste Tochter Wilma aus der Schule kam, und so kündigte sich eine<br />

für sie noch unbekannte Zeitepoche an. Das inzwischen so geliebte Eichholz-Haus erwachte ein weiteres Mal zu<br />

neuem Leben. Enkelkinder mit internationalem Touch und Sprachhintergrund gaben sich in Steinhausen die<br />

Türklinke, was dem Willy und der Maria Freude und Stolz bereitete. Es war immer wieder ein Highlight, wenn<br />

Tochter Angela mit ihren drei Töchtern für ein paar Wochen aus London kam und das Eichholz belebte.<br />

Sie sei ab und zu mit einer Kollegin statt eben zur Schule ins Kaufhaus Nordmann zur Schallplattenabteilung gegangen.<br />

Dort hätten sie zusammen eine sogenannte Lachplatte entdeckt und natürlich laut mitgelacht.<br />

Diese Lachfreude übertrug sich später auf ihre Schwester Rosa, denn Maria und Rosa waren bis zum Lebensende<br />

mit Lachattacken in den unmöglichsten Situationen in Konfrontation.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 143


Die Familien Wyss-Müller und Wyss-Scherer aus Steinhausen<br />

Die Familien Wyss-Müller und Wyss-Scherer aus Steinhausen<br />

Im Bild zu sehen sind Maurus junior und Maurus senior, Mama Karolina mit Willy und Maria Wyss<br />

Im Bild zu sehen sind Maurus junior und Maurus senior, Mama Karolina mit Willy und Maria Wyss<br />

Willy Wyss kam 1914 als zweites Kind der Familie Karolina und Maurus Wyss-Müller in Steinhausen zur<br />

Welt. Zu dieser Zeit zählte man im zugerischen Steinhausen knapp 500 Einwohner. Es gab kaum ein Auto in der<br />

Gemeinde. Gleichzeitig stand der Erste Weltkrieg unmittelbar vor der Türe. Willys Eltern waren einfache Leute, und<br />

ich persönlich habe Karolina (Lina) als liebenswürdige sehr engagierte Frau in guter Erinnerung. Willy hat sie denn<br />

auch bis zu seinem eigenen Tod stets verehrt. Er lebte an der Seite seiner zwei Brüder: Der ältere, Maurus, zog es<br />

in die USA, und der jüngere, Walter, starb viel zu früh, was Willy sehr schmerzte.<br />

Die Jugendjahre waren für Willy nicht ganz einfach. Es war seiner Familie zwar möglich, ihrem ersten Sohn<br />

Maurus<br />

Willy Wyss<br />

eine<br />

kam<br />

höhere<br />

1914<br />

Ausbildung<br />

als zweites<br />

zu ermöglichen,<br />

Kind der Familie<br />

er selbst<br />

Karolina<br />

musste<br />

und<br />

einen<br />

Maurus<br />

handwerklichen<br />

Wyss-Müller<br />

Beruf<br />

in<br />

erlernen.<br />

Steinhausen<br />

Er machte<br />

zur<br />

die<br />

Welt.<br />

Lehre<br />

Zu dieser<br />

als Schlosser.<br />

Zeit zählte<br />

Pflichtbewusst<br />

man im zugerischen<br />

arbeitete<br />

Steinhausen<br />

Willy in seinem<br />

knapp<br />

Beruf<br />

500<br />

über<br />

Einwohner.<br />

Jahrzehnte<br />

Es gab<br />

bis<br />

kaum<br />

zur Pension<br />

ein Auto<br />

bei<br />

in der<br />

der<br />

Gemeinde.<br />

Firma Gysi<br />

Gleichzeitig<br />

in Baar. Noch<br />

stand<br />

gut<br />

der<br />

in meiner<br />

Erste Weltkrieg<br />

Erinnerung<br />

unmittelbar<br />

liegt die<br />

vor<br />

Tatsache,<br />

der Türe.<br />

dass<br />

Willys<br />

Willy<br />

Eltern<br />

mit seinem<br />

waren einfache<br />

Fahrrad,<br />

Leute,<br />

später<br />

und<br />

mit<br />

seinem<br />

ich persönlich<br />

Moped<br />

habe<br />

jeden<br />

Karolina<br />

Morgen<br />

(Lina)<br />

um 6<br />

als<br />

Uhr<br />

liebenswürdige<br />

zur Arbeit nach<br />

sehr<br />

Baar<br />

engagierte<br />

losfuhr, zur<br />

Frau<br />

Mittagspause<br />

in guter Erinnerung.<br />

um 12 Uhr<br />

Willy<br />

mit<br />

hat<br />

seiner<br />

sie denn<br />

Frau<br />

auch<br />

Maria<br />

bis<br />

und<br />

zu<br />

den<br />

seinem<br />

Töchtern<br />

eigenen<br />

am Familientisch<br />

Tod stets verehrt.<br />

sass und<br />

Er lebte<br />

nach<br />

an<br />

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der<br />

Essen<br />

Seite seiner<br />

um 13<br />

zwei<br />

Uhr erneut<br />

Brüder:<br />

in<br />

Der<br />

seine<br />

ältere,<br />

Werkstatt<br />

Maurus,<br />

nach<br />

zog<br />

Baar<br />

es<br />

fuhr.<br />

in die<br />

Dieses<br />

USA, und<br />

Ritual<br />

der<br />

prägte<br />

jüngere,<br />

sein<br />

Walter,<br />

Leben<br />

starb<br />

Tag<br />

viel<br />

für<br />

zu<br />

Tag<br />

früh,<br />

von<br />

was<br />

Woche<br />

Willy sehr<br />

zu Woche<br />

schmerzte.<br />

jeden Monat über Jahrzehnte. Darüber<br />

beklagt hat er sich nie. Doch im Laufe der Zeit sickerte durch, dass der fleissige Schlossermeister nur zu gerne den<br />

Die Hammer Jugendjahre mit der Schreibfeder waren für Willy getauscht nicht ganz hätte, einfach. denn dort Es war schlummerten seiner Familie seine zwar bis möglich, zu diesem ihrem Zeitpunkt ersten Sohn noch<br />

Maurus verborgenen eine höhere Talente. Ausbildung Leider gelang zu ermöglichen, es Willy nicht, er sich selbst beruflich musste in einen handwerklichen andere Richtung Beruf zu bewegen erlernen. und Er machte sich an<br />

die der Zunft Lehre der als Schreiberlinge Schlosser. Pflichtbewusst zu orientieren. arbeitete Willy in seinem Beruf über Jahrzehnte bis zur Pension bei der<br />

Firma Gysi in Baar. Noch gut in meiner Erinnerung liegt die Tatsache, dass Willy mit seinem Fahrrad, später mit<br />

Ob<br />

seinem<br />

gerade<br />

Moped<br />

dies<br />

jeden<br />

der Grund<br />

Morgen<br />

war,<br />

um 6<br />

dass<br />

Uhr<br />

Willy<br />

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nach<br />

seinem<br />

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älteren<br />

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Bruder<br />

zur Mittagspause<br />

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Augen<br />

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nach<br />

Frau<br />

der<br />

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Maria und den Töchtern<br />

in die USA<br />

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Familientisch<br />

erfolgreicher<br />

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und<br />

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nach dem<br />

ist,<br />

Essen<br />

deswegen<br />

um 13 Uhr<br />

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erneut<br />

zuletzt<br />

in<br />

hoch<br />

seine<br />

verehrt<br />

Werkstatt<br />

wurde,<br />

nach<br />

war<br />

Baar<br />

mit<br />

Sicherheit<br />

fuhr. Dieses<br />

nicht<br />

Ritual<br />

nur<br />

prägte<br />

eine Vermutung.<br />

sein Leben<br />

Für<br />

Tag<br />

Willy<br />

für<br />

und<br />

Tag<br />

Maria<br />

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war die<br />

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Monat<br />

welche<br />

über<br />

sie<br />

Jahrzehnte.<br />

gemeinsam<br />

Darüber<br />

in den<br />

Siebzigerjahren<br />

beklagt hat er sich<br />

unternahmen,<br />

nie. Doch im<br />

einer<br />

Laufe<br />

der<br />

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Höhepunkte<br />

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durch,<br />

Leben.<br />

dass<br />

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der fleissige<br />

er doch<br />

Schlossermeister<br />

in Begleitung seiner<br />

nur zu<br />

lieben<br />

gerne<br />

Frau<br />

den<br />

Hammer<br />

Maria die Spuren<br />

mit der<br />

seines<br />

Schreibfeder<br />

bereits verstorbenen<br />

getauscht hätte,<br />

Bruders<br />

denn<br />

Maurus<br />

dort schlummerten<br />

aufsuchen und<br />

seine<br />

teilweise<br />

bis<br />

nachverfolgen.<br />

zu diesem Zeitpunkt noch<br />

verborgenen Talente. Leider gelang es Willy nicht, sich beruflich in eine andere Richtung zu bewegen und sich an<br />

der Zunft der Schreiberlinge zu orientieren.<br />

Ob gerade dies der Grund war, dass Willy oft von seinem älteren Bruder Maurus, der in seinen Augen nach der<br />

Auswanderung in die USA ein erfolgreicher Mann geworden ist, deswegen bis zuletzt hoch verehrt wurde, war mit<br />

Sicherheit nicht nur eine Vermutung. Für Willy und Maria war die Reise nach Amerika, welche sie gemeinsam in den<br />

Siebzigerjahren unternahmen, einer der Höhepunkte im Leben. Konnte er doch in Begleitung seiner lieben Frau<br />

Maria die Spuren seines bereits verstorbenen Bruders Maurus aufsuchen und teilweise nachverfolgen.<br />

144 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Musikgesellschaft Steinhausen 1949 mit Maurus Wyss in Zug<br />

Vor dem Regierungsgebäude in Zug trafen sich 1949 die Musikanten der Musikgesellschaft<br />

Steinhausen. Sie alle blickten stramm für ein Gruppenbild in die Kamera von Eugen Grau.<br />

Richard Zürcher, Josef Bütler, Fritz Marti, Alois Sigrist, Alois Steiner, Paul Röllin, Othmar Hausheer, Josef Fischer,<br />

Anton Püntener, Walter Püntener, Alois Röllin, Paul Müller, Jakob Rüttimann,<br />

Josef Greter, Eugen Greter, Josef Schleiss, Josef Hüsler, Niklaus Schleiss, Walter Wyss, Hans Tschümperlin,<br />

Leo Jans, Anton Fähndrich, Konrad Iten, Hermann Scherrer, Alfred Tanner,<br />

Dominik Walker, Johann Hausheer, Maurus Wyss, Leonz Egli, Karl Wyss, Jakob Freimann, Alfred Moser.<br />

Grund für diese historische Aufnahme der Musikanten aus Steinhausen war die Teilnahme am Zuger<br />

kantonalen Musiktag 1949 in der Kolinstadt. Jungmusikant Anton Püntener erzählte mir 67 Jahre später, dass man<br />

damals die Gelegenheit nutzen wollte, endlich mal ein richtiges Foto der MGS zu knipsen. Diese Idee setzte dann<br />

Fotograf Eugen Grau in die Realität um, was heute im Jahr 2016 auch mir noch zu Nutzen kommt.<br />

Auf dem Bild oben in Front gut erkennbar die Ehrenmitglieder Maurus Wyss, Ehemann von Lina, und Leonz Egli.<br />

Auch erkennbar ist Tambour Hans Tschümperlin, mein ehemaliger Trommellehrer aus Cham, den ich dann 20 Jahre<br />

später als Jungtambour der MGS ablösen durfte.<br />

Im Bild, zweite Reihe links aussen am Bass, mein Grossvater Karl der Erste<br />

Karl war von 1900 bis 1906 Bassist<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 145


Die ersten Wyss-Töchter wachsen heran<br />

Hallo! Ich bin Angela Wyss, die Tochter Nummer eins, im Jahr 1946<br />

Willy und Maria 1945 in Davos<br />

Die Nähe zu Rosen fand Willy bereits 1944 trotz der unsicheren Zeiten und der auch in der Schweiz spürbaren<br />

Vorkommnisse des Zweiten Weltkrieges. Willy entwickelte sich hobbymässig zum Rosengärtner. Damals, zur Zeit<br />

der Rosen, lernte er seine Maria Scherer aus dem Entlebuch kennen. Mit anderen Worten: Amors Pfeil hat ihn<br />

damals mitten ins Herz getroffen und schon bald nach der Hochzeit vom 17. Mai 1945 die Geburt von Angela, seiner<br />

ersten Tochter, ankündigt.<br />

In den Anfängen, also zur Zeit der Familiengründung, wohnten Willy und Maria Wyss-Scherer noch im<br />

Dorfzentrum von Steinhausen, im sogenannten Püntener-Haus an der Blickensdorferstrasse in Miete.<br />

Im Bild sehen wir die Töchter Angela, Elisabeth mit Gisela und Margaretha Wyss<br />

146 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Fünf der sieben Töchter von Willy und Maria Wyss-Scherer<br />

Angela (Angi) Margaretha (Mar) Gisela (Giselli) Elisabeth (Lissi) Renata (Rench)<br />

Ich stelle vor: Angela (Angi), gefolgt von Margaretha (Mar) und Gisela (Giselli). Es folgten Elisabeth (Lissi) und<br />

Renata. Die ersten vier Töchter erblickten im Oberdorf an der Blickensdorferstrasse in Steinhausen das Licht der<br />

Welt. Die Nummer fünf, das war Renata, kam dann bereits im neuen, eigenen Haus im Eichholz 5 zur Welt.<br />

Das Püntener-Haus im Oberdorf<br />

Das neue Eigenheim, das Haus im Eichholz 5, in Steinhausen<br />

1953 kam der Umzug ins Eigenheim. Die inzwischen vierköpfige Familie Wyss verliess die Wohnung im Püntener-<br />

Haus, welches im Jahr 1929 als Riegelhaus erbaut wurde. Willy und Maria bezogen im Eichholz 5 ihr Eigenheim mit<br />

Garten und Umschwung, was der heranwachsenden Jungmannschaft zugutekam. Nach Renata gesellte sich am 8.<br />

Oktober 1956 Gabriele (Gaby) dazu, und am 4. Februar 1961 machte Wilma die Familie komplett. Renata, Gabriele<br />

und Wilma wurden im eigenen Haus im Eichholz, Steinhausen, geboren, wo Willy mit viel Feingefühl seinen<br />

gepflegten Rosengarten zum Wohl der Familie verwirklichen und realisieren konnte.<br />

Das sind Angela mit Gisela und Margaretha 1950<br />

Sieben sind gut, jetzt ist die Familie Wyss komplett<br />

Aus den Akten der Familie Wyss-Scherer ist ersichtlich, dass Maria und Willy noch ein weiteres gemeinsames Baby,<br />

einen Sohn, hatten, der laut Recherchen gestorben ist. Genauere Angaben sind mir nicht bekannt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 147


Ein neues Schulhaus in Steinhausen wird bezogen<br />

Fotos: Bildarchiv Pfarrer Josef Hess<br />

Schülerinnen wie Maria Huwiler, Josi Walker, Rosemarie Marti, Frida Zurfluh, Helen Vetter,<br />

Pia Wyss, Ruth Zürcher, Paula Rüttimann und Rosmarie Jans bereiten den Umzug vor.<br />

Der Kalender zeigt das Jahr 1936, in welchem Steinhausen ein neues Schulhaus benötigt. Das Bürgerheim,<br />

welches dazumal als Schulhaus genutzt wurde, wies Platzmangel auf. Nach den Plänen des Architekten Emil Weber<br />

aus Zug durfte der Chamer Bauunternehmer Emil Reggiori mit seinem Bautrupp den Neubau im Sunnegrund an der<br />

Blickensdorferstrasse erstellen. Am 13. Juli 2016 diskutierte ich mit Angelo, dem Sohn von Emil Reggiori, welcher im<br />

Dezember 2016 88-jährig wurde. Angelo erzählte mir, dass er Jahre später mit dem Sohn des Architekten Paul<br />

Weber aus Zug wieder ein neues Schulhaus für die Schüler von Steinhausen erstellen durfte.<br />

Die Profile sind erstellt, die Bewilligung ist erteilt<br />

Der Kipper von Emil Reggiori bringt Baumaterial<br />

Das ausführende Bauunternehmen Emil Reggiori wurde 1912 in Cham gegründet.<br />

Das neue Schulhaus der Gemeinde Steinhausen, hier kurz vor der Fertigstellung, wurde im Jahr 1937 eingeweiht.<br />

148 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Familienfoto der Dynastie von Willy und Maria Wyss-Scherer<br />

Angela (Angi) Chak-Wyss, geboren am 27. April 1946, in Zug: Angela heiratete im April 1972 Kam Ho Chak in<br />

Canterbury, England. Das Ehepaar Angela und Kam Ho hat drei hübsche Töchter: Kam Gi wurde im September<br />

1972 geboren, Kam Mei erblickte im August 1974 und Kam Lyn im Mai 1977 das Licht der Welt. Alle drei Töchter<br />

von Angela und Chak sprechen dank den vielen Besuchen bei den Grosseltern im Eichholz, Steinhausen, nebst<br />

Englisch auch ein fast perfektes "Schwyzerdütsch". Angela machte die Familie mobil, indem sie Mitte der<br />

Sechzigerjahre bei der Garage Schlotterbeck in Zürich einen knallroten Citroën 2-CV erwarb. Die Familie lebt seit<br />

Jahren in 10 St Peters Crove, Canterbury England.<br />

Margaretha (Mar) Schlatter-Wyss, geboren am 2. Mai 1947 im Oberdorf, Steinhausen, ist verheiratet mit Kurt<br />

Schlatter. Sie haben zwei Töchter, Sabine und Renata. Die Familie lebt in Oberweningen im Kanton Zürich.<br />

Margreth war in ihren jungen Jahren ein aktives Mitglied im Ziehharmonika Club von Werner Keller in Zug. Meine<br />

Mutter Rosa war die Gotte van Margreth. Zu den Geburtstagen schenkte meine Mama der Ziehharmonika-Spielerin<br />

jeweils eine Gabel, einen Löffel oder ein Messer. Das zur Vervollständigung ihres Tafelservices in späteren Jahren.<br />

Gisela (Giselli) Emmenegger-Wyss, geboren am 20. September 1948 im Oberdorf, Steinhausen, ist verheiratet<br />

mit Hanspeter Emmenegger aus Gelfingen: Sie haben eine Tochter, Liliane, und drei Söhne, Patrik, Fabian und<br />

Tobias. Die Familie lebt in Gelfingen im Kanton Luzern.<br />

Elisabeth (Lissi) Camenzind-Wyss, geboren am 9. Februar 1951 im Oberdorf, Steinhausen, ist verheiratet mit<br />

Thomas Camenzind: Das Paar hat zwei Söhne, Valentin und Lorenz, sie sind in Bolligen, Kanton Bern,<br />

aufgewachsen und auch dort zu Hause.<br />

Renata Wyss, geboren am 23. Juli 1953 im Eichholz, Steinhausen, ist verheiratet mit Arnolf Haga. Renata und<br />

Arnolf haben zwei Kinder: Lavrans und Rebekka. Die Familie lebt in Verdal, Norwegen. Renata ist gelernte<br />

Goldschmiedin und Künstlerin mit eigenem Atelier.<br />

Gabriele (Gaby) Wyss, geboren am 8. Oktober 1956 im Eichholz, Steinhausen, ist seit 2002 verheiratet mit<br />

Arthur Bachmann. Die Ehe blieb kinderlos, ihr Zuhause ist Ebertswil im Kanton Zürich.<br />

Wilma Wyss, geboren am 4. Februar 1961 im Eichholz, Steinhausen, hat zwei Töchter: Lisa und Anna. Die<br />

Familie findet man im Restaurant Albishorn in der Gemeinde Hausen am Albis.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 149


Willy und Maria Wyss in lockerer Ferienstimmung<br />

Familieninventar mit den sieben Wyss-Töchtern vom Eichholz im August 1985<br />

Angela Margreth Gisela Elisabeth<br />

Renata Gabriele Wilma<br />

So präsentierte sich die Familie von Willy und Maria 1985. Mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, die sieben<br />

attraktiven Rehlein vor den bösen Wölfen zu schützen. Während Vater Willy die Zügel eher etwas konservativer und<br />

straffer zog, lockerte Maria mit ihrer modernen Einstellung in manchen Situationen das Familienleben in Richtung<br />

Grosszügigkeit auf. Ob Willy jeden Abend Appell machte, weiss ich nicht. Aus heutiger Sicht betrachtet machte das<br />

Damenseptett aus dem Eichholz die Eltern mit 15 Enkelinnen und Enkeln zu stolzen Grosseltern. Zudem sind die<br />

Töchter aus Steinhausen weltweit und international verheiratet, was eine Reisewelle auslöste.<br />

Wie man sieht, war ich mit meinen vielen Cousinen in meiner Jugend rundum von hübschen Frauen umgeben.<br />

Ob mich diese vorgegebenen Strukturen bewegt haben, eine Modelagentur zu gründen, ist nicht bewiesen.<br />

150 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Kam Ho Chak und Angela Wyss: Sie leben in Canterbury, England<br />

Angela (Angi) Chak-Wyss wurde am 27. April 1946 in Zug geboren. Sie heiratete im April 1972<br />

Kam Ho Chak in Canterbury, England. Das Ehepaar Angela und Kam Ho hat drei in ihrem<br />

Erscheinungsbild ganz spezielle Töchter.<br />

Family Chak, direkt aus London ins Eichholz angereist, feiert gemeinsam mit Oma Maria Weihnachten 1983.<br />

Gespannt erwarten die Töchter Kam Mei, Kam Gi und Kam Lyn den Stundenschlag zum neuen Jahr 1984.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 151


Die Wyss-Schwestern, fotografisch festgehalten im Jahr 2016<br />

Angela Chak-Wyss<br />

Kurt und Margreth Schlatter-Wyss<br />

Hanspeter und Gisela Emmenegger-Wyss<br />

Elisabeth und Thomas Camenzind-Wyss<br />

Renata Haga-Wyss<br />

Gaby und Arthur Bachmann-Wyss<br />

152 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Wilma mit ihren Töchtern Lisa und Anna Wyss<br />

Lisa, Wilma mit Anna Wyss und ihr Berner Sennenhund Orpheus vom Gränzweg<br />

Lisa mit Schwester Anna Wyss am 4. August 2016<br />

Die Mama, Wilma Wyss<br />

Wilma Wyss ist die jüngste von den sieben Töchtern von Willy und Maria. Als Bürgerin von Oberrüti kam sie<br />

am 4. Februar 1961 in der Klinik Liebfrauenhof, Zug, zur Welt. In der Neustadtpassage Zug, bei Hermann Christen in<br />

der Herrenboutique Sharks, konnte man Wilma im Zeitfenster von 1978 bis 1995 als Modeberaterin treffen. 2010 bis<br />

2013 genoss die Nummer sieben im Altersheim Neustadt eine Zweitausbildung in Hauswirtschaft. Als Pächterin<br />

führte Wilma Wyss von 2013 bis 2016 gemeinsam mit Tochter Lisa und Partner Hans Kryenbühl das beliebte<br />

Ausflugsrestaurant am Albishorn. Leider wurde ihr der Pachtvertrag wegen Eigenbedarf nicht verlängert, und so zog<br />

es die Familie nach Morgarten. Als ihre erste Tochter setzte Lisa am 17. April 1990 ihre hübschen Füsse auf den<br />

Erdboden. Etwas später, am 14. August 1995, folgte Tochter Nummer zwei, Anna. Während Lisa heute die<br />

Berufsmatura macht, widmet sich Anna der Erwachsenenmatura. Ich fotografierte das Trio Triple AAA am 4. August<br />

2016 in Steinhausen.<br />

Weil die Namen des Trios Wyss alle mit dem Buchstaben A enden, nenne ich sie das Triple-AAA-Trio.<br />

Noch wissenswert ist, dass Wilma eine fantastische Chnöpfli-Köchin ist,<br />

oft und immer wieder durfte ich das Gastrecht in Wilmas Chnöpfli-Küche ausgiebig geniessen.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 153


Blende zurück auf teilweise bereits erloschene Generationen<br />

Drei der Ladys erkennen wir auf diesem Bild aus der Jugendzeit<br />

der Schererlinge wieder: Das sind Maria (oben) und Lina mit Rosa,<br />

ebenfalls im Bild sind Friederich, Josef und Walter<br />

Schnappschuss, in einer Pause geknipst:<br />

Rosa mit Kollegin im August 1943 im<br />

Hotel Bellevue bei Dahindens auf der Rigi<br />

Maurus mit Walter und Willy Wyss Angela mit Wilma Wyss Schlossermeister Willy Wyss, Juni 1979<br />

Treffpunkt bei Familie Wyss im Eichholz in Steinhausen<br />

Maria, Willy, Renata u. Gaby, 1962 Marie mit Gabriele und Wilma, 1961 Wilma Wyss im Eichholzbad, Oktober 1964<br />

154 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Sehenswerte Bilder aus dem Archiv der Familie Wyss<br />

Zwei gelungene Momentaufnahmen<br />

Das Foto mit Maurus Wyss und Sophie Naunheim, datiert vom<br />

8. Juli 1962, im Eichholzgarten von Willy in Steinhausen<br />

Elisabeth Wyss an der Hochzeit ihrer Schwester Wilma Wyss und meine Schwester Cécilia Werder 1973<br />

Gisela mit Hanspeter Emmenegger in Risch<br />

Die nächste Generation wächst zügig heran<br />

Patrik Emmenegger, Lorenz und Valentin Camenzind, Fabian und Tobias Emmenegger,<br />

Kam Gi Chak, Lavranz Haga, Liliane Emmenegger, Kam Mei und Kam Lyn Chak,<br />

Sabine und Renate Schlatter<br />

Auf dem Foto fehlen die Kinder von Wilma, Lisa und Anna, und die Tochter von Renata, Rebekka<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 155


Grösser und immer grösser: der Familien-Clan von Willy und Maria<br />

Ein gelungenes Familienfoto, welches anlässlich der Hochzeit von Renata mit Arnolf in Verdal, Norwegen, entstand<br />

Im Laufe der Zeit entwickelten sich die sieben Mädchen der Familie Wyss zu hübschen jungen Damen, welche<br />

sich nach Abschluss der Primar- und Sekundarschule mit angegliederter Berufslehre rund um den Globus<br />

niederliessen. Die Töchter verheirateten sich international und schenkten dem Willy und der Maria 15 Grosskinder.<br />

Zu jedem von ihnen hatte Willy eine spezielle Beziehung, auch wenn er dies oft nur schwer ausdrücken konnte. Willy<br />

pflegte die Kontakte mit seinen Enkelkindern sichtlich, indem er sich über jeden Schul- und Berufsabschluss wie<br />

auch über weitere angegliederte Erfolge im Leben der neuen Generation freute.<br />

Ein Highlight in Willys Leben war auch die Tatsache, dass er noch miterleben durfte, wie vier Urgrosskinder in<br />

seine Grossfamilie aufgenommen werden konnten. Nur zu gerne hätte Willy den 17. Mai 2005 noch erlebt, er wäre<br />

an diesem Tag exakt 60 Jahre mit seiner Maria verheiratet gewesen. Wie viel an gegenseitigem Verständnis,<br />

Toleranz und Achtung einer 60-jährigen Ehe in die Waagschale des Lebens geworfen wird, können Aussenstehende<br />

wie ich nur erahnen.<br />

Eigentlich begann das wirklich spannende Leben von Willy Wyss erst nach seiner Pensionierung. Endlich<br />

fand Willy Zeit, neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Im Zeitfenster seiner fast 30-jährigen Pension fand er<br />

den Weg über die Musik zur Fotografie. Er befasste sich mit der Politik und konnte sich fast gleichzeitig im selbst<br />

gestalteten Rosengarten mit edlen Düften und neuer Energie versorgen. Möglicherweise lag das Geheimnis in<br />

seinen Rosen, denn Willy war ein Kenner und Liebhaber dieser bewundernswerten Blume, welche er in seinem<br />

gepflegten Garten mit viel Geduld und Feingefühl aufzog und pflegte.<br />

Noch zu gut erinnern sich seine Töchter, wie Willy eines Tages mit seinem ersten kleinen Fotoapparat nach<br />

Hause kam. In der Folge wurden es Markenkameras, mit denen er Landschaften, aber auch seine geliebten Rosen<br />

nach eigenen Ideen ins Bild setzte. Ich, der Schreiberling, lud Willy im Juni 1986 mit seiner Kamera zu einem<br />

ausgiebigen Helikopter-Rundflug über den Grossraum Ennetsee ein. In einer Maschine der Marke Bell hoben wir an<br />

einem Samstag zur Mittagszeit von der Hirsgartenwiese in Cham ab. Ich war dafür besorgt, dass Willy den besten<br />

Platz vorne direkt neben dem Piloten Krähenbühl bekam. Bei traumhaftem und tollem Flugwetter schwebten wir<br />

zuerst über die Stadt Zug nach Steinhausen, wo wir auf seinen Wunsch über seinem Eichholz-Haus kreisten. Dort<br />

stand Tante Maria im Garten und winkte mit einem roten Tuch ihrem geliebten Willy entgegen. Dann flog unsere<br />

knallrote Belle in Richtung Cham über den Schlosspark St. Andreas rund um den Kirchturm, dem Seeufer entlang<br />

nach Buonas, Rotkreuz, der Reuss entlang über das Naturschutzgebiet zum Reussspitz und zurück zum<br />

Villettepark, wo unser Heli zur Landung ansetzte. Willy war begeistert, sodass er zeitweise das Fotografieren<br />

vergass. In den "Zuger Nachrichten" erschien die Woche darauf eine zweiseitige Bildstory zu Willys Heliflug.<br />

Besonders stolz war mein Onkel Willy, als er seine Fotos im Rahmen einer Ausstellung im Altersheim Steinhausen<br />

einem breiten Publikum präsentieren durfte.<br />

156 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die "Zuger Nachrichten" über Willy Wyss an seinem 75. Geburtstag<br />

Obwohl Willy am letzten Freitag seinen 75. Geburtstag feiern konnte, wurde er<br />

keineswegs schreibmüde.<br />

Willy Wyss war der Senior unter den freien Mitarbeitern der "Zuger Nachrichten". Dabei sah es Anfang der<br />

Fünfzigerjahre, als er aus Steinhausen zu berichten begann, gar nicht danach aus, dass die Zeitungsarbeit nebst<br />

seinem Beruf in der Metallbranche zu einer Hauptbeschäftigung würde.<br />

Es begann damit, dass Willy Wyss für seinen kranken Vater (Maurus Wyss) einspringen musste, der damals als<br />

gemeindlicher Berichterstatter für die Zeitung tätig war. Seit Willys Pensionierung vor zehn Jahren ist daraus noch<br />

mehr geworden. Der Jubilar selbst bezeichnet diesen Zeitabschnitt als einen der schönsten und vielseitigsten in<br />

seinem Leben. "Die Arbeit für die Zeitung hat mir zu ungezählten interessanten Kontakten verholfen und mich mit<br />

Themen konfrontiert, die mich packten", meint Willy Wyss.<br />

Nicht selten hat Willy sich mit einer Sache derart intensiv auseinandergesetzt, dass daraus ein engagierter<br />

Leserbriefwechsel entstand. Viele der Gratulanten hätten ihn ermuntert, weiterhin für die "Zuger Nachrichten" zu<br />

schreiben, erzählt der Jubilar beim Interview. Auch wenn der 75-Jährige noch nicht ans Aufhören denkt, macht er<br />

sich doch gelegentlich Gedanken über seine weitere Tätigkeit als Lokalberichterstatter. Willy Wyss hat sich<br />

vorgenommen, wenn die Redaktion ihn zu sehr einspannen wollte, auch mal Nein zu sagen, nicht zuletzt mit<br />

Rücksicht aus seine Frau (Maria), die in all den Jahren seiner "Leidenschaft" viel Verständnis entgegenbrachte.<br />

Zudem hat der Familienvater von sieben erwachsenen Töchtern noch andere Beschäftigungen, welche ihm viel<br />

bedeuten: seine Enkelkinder, die Liebe zu seinem Rosengarten, das Interesse an der Fotografie, dessen Ursprung<br />

wieder zur Zeitung und zum Schreiben führt. Man wird also auch in Zukunft weitere Zeilen aus der Feder des<br />

Steinhausers in unserer Zeitung finden können.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 157


Rosenzüchter, Fotograf und Journalist: Das war Willy Wyss<br />

Onkel Willy war für mich immer ein guter Gesprächspartner. Wir unterhielten uns oft über Politik und Wirtschaft.<br />

Obwohl wir unterschiedliche Meinungen vertraten, unsere Diskussionen fanden immer einen fairen Ausgang.<br />

Wichtig war ihm auch die Politik. Lokale und nationale Ereignisse, aber auch die Weltbühne der ganz grossen<br />

Stimmungsmacher interessierten den Rosengärtner aus Steinhausen. Mit spitzer Feder und gezielten Sätzen<br />

machte er sich mit Leserbriefen, aber auch mit eigenen Artikeln zum täglichen Geschehen bemerkbar. In seinen<br />

Zeilen schilderte Willy die Zusammenhänge der einzelnen Themen so klar und deutlich, dass man sich oft die Frage<br />

stellen musste, woher er die teils komplizierten Zusammenhänge erkennen konnte. Auch wenn es manchmal zum<br />

Ausdruck kam, dass er sich in einen Themenbereich verbissen hätte. Willy kämpfte stets für die Gerechtigkeit, den<br />

Weltfrieden und den Fortschritt. Als Bürger der Gemeinde Steinhausen erlebte ich meinen Onkel Willy oft auch an<br />

den jährlich wiederkehrenden Generalversammlungen der Bürgergemeinde und des ortsansässigen Gewerbes. Mit<br />

Statements und kurzen, aber sachlichen Berichten fütterte er die Zuger Lokalpresse mit seinen Rückblenden aus<br />

dem Geschehen vor Ort und aus der Region Zug West.<br />

Er selbst bezeichnete sich damals als echten "Euroturbo". Mit einleuchtenden Argumenten setzte er sich<br />

öffentlich für den Beitritt der Schweiz in die EU ein, was ihm oft zum Verhängnis wurde. In seinem Briefkasten<br />

tauchten deswegen plötzlich bedrohende Briefe von Leuten auf, welche nicht seiner Meinung waren. Das waren für<br />

Willy keine Hindernisse, er setzte sich gerade deswegen spontan für seine politische Linie ein. Er gab nie auf, im<br />

Gegenteil: Mit seiner hervorragend geführten Feder verfügte er über einen ausgezeichneten Wortschatz, der ihm<br />

das Leiden der Schwerhörigkeit etwas angenehmer machte. Aus meiner Perspektive kann ich die Meinung der<br />

Familie teilen: Willy hätte mit einem Beruf in der Zunft der Schreiberlinge mehr Freude am Zusammenfügen von<br />

Buchstaben und Zahlen gehabt, als den eisernen Hammer zu schwingen. Denn im Gestalten von Worten zu Sätzen<br />

war er besonders kreativ und stark.<br />

Die Musik fand einen ganz besonderen Platz im Leben des siebenfachen Familienvaters und Rosenzüchters.<br />

Immer intensiver begann Willy, sich mit der klassischen Musik zu befassen. In ausgiebigen Dialogen mit meinem<br />

Vater (Karl dem Zweiten) und mit Werner Naunheim unterhielt sich das Herrentrio bei einem Glas Wein im<br />

Musikzimmer meines Vaters an der KS-7 in Cham zum Thema Richard Wagner. Mit der Zeit legte sich Willy ein<br />

eigenes Grammofon und eine auserlesene Plattensammlung zu. Nun konnte er die Klänge von VERDI oder Mozarts<br />

ZAUBERFLÖTE gemeinsam mit Maria in seiner gemütlichen Stube im Eichholz geniessen. Besonders erfreut war<br />

Onkel Willy, wenn er von Helen Tischhuser-Kälin zu den Luzerner Musikfestwochen ins KKL eingeladen wurde.<br />

Bezeichnend für seine Liebe zur Musik war, dass Willy noch kurz vor seinem Tod den zweiten Satz "Un pocco piu<br />

mosso" aus Dvoraks 9. Symphonie hören durfte.<br />

158 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Maria Wyss: 1997 an meinem 50. Geburtstag in Zug<br />

Nebst Marias Verantwortung im eigenen Familienleben fand sie noch die Zeit, einen eigenen Bekanntenkreis<br />

aufzubauen. Sie verstand es innert Kürze, mit Nachbarn ins Gespräch zu kommen und so spannende neue<br />

Kontakte ins Leben zu rufen. Sehr erstaunt war meine liebe Tante Maria, als ich eines Tages mit dem weltbekannten<br />

Bandleader Hazy Osterwald (Kriminaltango) in ihrem Garten erschien. Diesen überraschenden Augenblick kann<br />

man nicht beschreiben, man muss die Situation einfach so, wie ich sie selbst erlebt habe, einordnen. Die Momente<br />

waren köstlich, und sie bleiben für mich persönlich unvergesslich. Weil Maria eben Menschen liebte, konnte sie<br />

denen auch immer ohne Vorurteile begegnen, egal welcher Nationalität oder welcher Herkunft, sie fand immer den<br />

passenden Gesprächsstoff und wenn nötig fragte Maria einfach nach! Es war Maria, welche aus dem Eichholz ein<br />

offenes Haus gestaltete. Sie machte das weisse Eichholz-Haus zur Oase für alle, und sie fand immer Zeit und Platz,<br />

die Anliegen von Familie, Verwandten, Freunden und Bekannten, egal aus welchem Kulturkreis ihre Gäste auf Zeit<br />

zur Visite kamen, stand sie wie ein Fels in der Brandung. Maria konnte zuhören. Sie war nie nachtragend, weil sie<br />

von Grund auf die Harmonie liebte und mit Rücksicht auch das eine oder andere "Sörgeli" zur Seite schob. Dass sie<br />

bestimmte Erlebnisse aus ihrer Ursprungsfamilie bis ins hohe Alter noch beschäftigten, spürte ich aus den fast<br />

endlosen Diskussionen, welche ich in regelmässigen Abständen mit ihr führen durfte.<br />

Eine schwere Zeit für Maria brach dann an, als ihr geliebter Willy an ihrer Seite am 30. April 2005 nach fast<br />

60 Jahren Ehe für immer diese Welt verliess. Das Leben im Alleingang zu bewältigen, wurde plötzlich mit Problemen<br />

verbunden. Marias Augenlicht wurde immer schwächer, und die Unsicherheit, allein im Eichholz-Haus zu leben,<br />

machte nicht nur ihr Sorgen, die unsichere Situation gab auch ihren Angehörigen zu denken. So bot sich Ende<br />

August 2006 die Gelegenheit, dass Maria im Alterszentrum Steinhausen im Zimmer Nr. 314 einen Platz mit guter<br />

Pflege antreten konnte. Mit fast täglichen Besuchen von ihrer Familie, ihren Freunden und Bekannten konnten die<br />

guten Kontakte bis knapp vor ihrem Tod aufrechterhalten werden.<br />

Meine liebe Tante Maria Wyss-Scherer verstarb 97-jährig nach einer sternenklaren Nacht in den frühen<br />

Morgenstunden des 4. Julis 2011. Unwiderruflich traten die Gesetze der Natur in Kraft.<br />

Maria begab sich auf den Weg, den wir wohl alle mal abschreiten werden.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 159


Maurus Wyss aus Steinhausen war im Generalstab der GM in USA<br />

Im Bild eine meiner damaligen Traumkarossen, ein Cadillac, Series 61 454 V8, mit Jahrgang 1950<br />

Onkel Maurus Wyss, Sohn der Lina Wyss-Müller aus Steinhausen, schaffte den Sprung über den Atlantik. Er<br />

machte die sogenannte Tellerwäscherkarriere bis hinauf zum Stab des Generaldirektoriums bei General Motors in<br />

den USA. Maurus bekleidete einen der höchsten Positionen bei einem US-Automobilgiganten, der GM, in einem<br />

Zeitfenster, als die amerikanischen Schlitten den höchsten Stellenwert der Mobilisierung genossen. Fast<br />

selbstverständlich war deshalb, dass in unseren Familien ausschliesslich amerikanische Autos gekauft und gefahren<br />

wurden. Maurus und seine Frau Angela lebten in der Stadt Baltimore. Maurus selbst arbeitete in der damaligen<br />

Autometropole Detroit im Bundesstaat Michigan. Die Familie hatte zwei Adoptivkinder: Das waren Tochter Carolina<br />

und Sohn John. Maurus verstarb im März 1971 in Baltimore, wo er mit seiner Familie auch lebte.<br />

General Motors wurde am 16. September 1908 von William C. Durant gegründet. Zum Verbund der GM<br />

gehörten verschiedene Automobilhersteller der Marken Cadillac, Pontiac, Buick, Oldsmobil, Plimouth, Chrysler,<br />

Ford, Opel und weitere. Mein Vater fuhr von 1950 bis 1955 einen Plimouth Delux. Von 1955 bis 1959 sah man ihn<br />

mit dem viertürigen schwarzen Ford Sohe, später war es ein Ford Meinline, mit dem uns Vater ausführte.<br />

Das war einst unser Plimouth de luxe, Jahrgang 1950 Das war damals unser Ford Sohe, Jahrgang 1950<br />

Die Fotos oben zeigen zwei der amerikanischen Wagen, welche mein Vater Karl der Zweite Anfang der<br />

Fünfzigerjahre vom Autohaus Küng, damals an der Rigistrasse in Cham, käuflich erwarb. Das wiederum schätzte<br />

Maurus Wyss an seinen Besuchen in der Schweiz, wo er im "Rössli", Steinhausen, die ganze Verwandtschaft einlud<br />

und entsprechend verwöhnte. Offiziell war er zu der Zeit ein gern gesehener Gast im Haus der GM in Biel.<br />

160 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die katholische Kirche St. Mathias im zugerischen Steinhausen<br />

In einer eindrücklich gestalteten Beerdigung und unter grosser Anteilnahme vieler Weggefährten des<br />

Rosenkavaliers, begleitet von seiner lieben Frau Maria, wurde Willy Wyss am 6. Mai 2005 von seinen sieben<br />

Töchtern nach einer Gedenkfeier in der Kirche St. Mathias auf dem Friedhof in Steinhausen zu Grabe getragen. An<br />

diesem Tag der Trauer verabschiedeten sich zahlreiche Verwandte, Freunde und Bekannte von einem Mann, der<br />

während seiner 91 Jahre nicht nur in Steinhausen Geschichte schrieb. Jahre später, am Morgen des 4. Juli 2011,<br />

folgte ihm seine Frau Maria. Heute findet man das Familiengrab Wyss-Scherer auf dem Friedhof Erli in Steinhausen.<br />

Willy Wyss verstarb am 30. April 2005 zu Hause in seinem Eichholz-Haus in Steinhausen<br />

und in Anwesenheit seiner Frau Maria Wyss und seiner Tochter Margreth<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 161


Paul und Gritli Kälin-Scherer, festgehalten an ihrer Hochzeit 1945<br />

Das Foto dokumentiert die Hochzeit von Paul und Gritli Kälin-Scherer vom 7. April 1945,<br />

festgehalten von Eugen Grau in seinem Fotostudio in Zug<br />

162 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Fenster zur Familie Paul und Gritli Kälin-Scherer in Walchwil<br />

Helene-Margareta Cécile-Anna Margaretha-Paula Marianne<br />

Die Familie Kälin-Scherer wohnte bis zum 1. Dezember 1951 an der Bohlstrasse in Zug. Mit ihren drei Kindern<br />

Helene-Margareta, geboren am 10. August 1946, Cécile-Anna, geboren 5. April 1948, und Margaretha-Paula,<br />

geboren 14. Januar 1949, zogen Paul und Gritli später in ihr eigenes Haus Sonnheim nach Walchwil. Am 18. Juli<br />

1952 wurde dann noch Marianne, Tochter Nummer vier, geboren. Nur wenige Jahre darauf, am 26. August 1957,<br />

verstarb Gritli leider viel zu früh an einer Krebskrankheit im Sanatorium Adelheid in Unterägeri.<br />

1959 heiratete Paul Gertrud Hürlimann. Aus dieser, der zweiten Ehe stammen zwei weitere Töchter: Adriana,<br />

geboren 1960, und Myrtha, geboren 1962. In seinen besten Jahren verwirklichte Paul sein eigenes Baugeschäft, das<br />

er bis zum Pensionsalter erfolgreich in eigener Regie in Walchwil führte und dann an Kurt Birrer verkaufte.<br />

Das glückliche Brautpaar Paul und Gritli Kälin-Scherer 1945 Gritli mit Helene, Gret, Cécile und Marianne 1952<br />

Gesichtszüge und Ausdrücke: Gritli Kälin mit ihren heranwachsenden Kindern, aufgenommen in den Fünfzigerjahren<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 163


Einst, im Jahr 1953, war das Gritli mit ihren vier Mädels in Walchwil<br />

V.l.n.r.: Helene, Gret, Mutter Gritli mit Marianne und Cécile im Garten vor ihrem Haus Sonnenheim in Walchwil<br />

Gret, Helene, Marianne und Cécile: Sie erheben ihre Gläser!<br />

Das Bild mit den Kälin-Töchtern aus Walchwil entstand im August 2002 an der Hochzeitsfeier<br />

von Grets Sohn Adrian im Restaurant Talacher in Zug<br />

164 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Paul Kälin-Scherer<br />

Paul Kälin an Weihnachten 1938<br />

Paul mit seinen Töchtern Helene, Gret, Marianne und Cécile im Hörnli, Walchwil<br />

Paul Kälin wurde am 28. September 1913 in Baar geboren. Er arbeitete als Maurerpolier bei der Firma Josef<br />

Kaiser in Zug. Im April 1945 heiratete der attraktive Polier die Dachdeckerstochter Gritli Scherer aus Schüpfheim im<br />

Entlebuch aus dem Kanton Luzern.<br />

Dank Pauls unermüdlichem Fleiss und seinen beruflichen Erfolgen konnten er mit Ehefrau Gritli an einem<br />

prächtigen Plätzchen für seine heranwachsende Familie in Walchwil ein eigenes, neues Haus bauen. Dort wirkte<br />

Gritli als Gattin und Mutter, wo sie sich liebevoll ihren vier Kindern annahm. 1955 machte sich bei ihr leider eine<br />

heimtückische Krankheit bemerkbar. Doch es schien, dass diese durch einen operativen Eingriff überwunden sei.<br />

Gritli und die Familie machten sich wieder Hoffnung auf Genesung. Leider blieb der Zustand nicht von langer Dauer.<br />

Nach kurzer Zeit folgte die nicht aufschiebbare Überführung in ein Krankenhaus. Die grosse Hoffnung auf eine<br />

Wiederkehr zu ihrer Familie nach Walchwil blieb ungehört. Gritli verstarb am Abend des 26. August 1957 im<br />

Sanatorium Adelheid in Unterägeri im Beisein ihrer Familie.<br />

Vater Ferdinand Scherer mit Tochter Gritli Rosa-Cécilia, Ferdinand, Gritli und mit Karl dem Ersten, 1946<br />

Margarita (Gritli) Scherer, geboren am 20. November 1915, war die Tochter und das dritte Kind von Ferdinand<br />

und Rosa-Cécilia Scherer-Studer in Schüpfheim. Im Kreise ihrer sieben Geschwister erlebte sie eine schöne<br />

Jugendzeit. So war die lebensfrohe Margarita auf der Kirchenempore beim Singen, bei klassischen Reigen mit der<br />

Trachtengruppe und natürlich auch beim traditionellen Wyberschiessen anzutreffen. Doch bald wurde es Margarita<br />

im Entlebuch zu eng. Sie riskierte einen grossen Sprung in den Süden an die italienische Riviera, wo sie während<br />

eines ganzen Jahres im Dienste einer Schweizer Familie stand. Von dort gings zurück in die vertraute<br />

Zentralschweiz nach Steinhausen, wo Gritli als Serviertochter im Restaurant Rössli bei Familie Hüsler tätig war.<br />

Durch ihre Frohnatur und auch durch ihren seriösen Charakter war Gritli Scherer überall sehr beliebt und gern<br />

gesehen. Etwas später arbeitete die fleissige Entlebucherin im Club zur Geduld in Winterthur. Dort verkehrten<br />

hauptsächlich angesehene Gäste aus der damaligen Gesellschaft. Wieder in Zug, lernte Margarita ihren zukünftigen<br />

Ehemann Paul Kälin kennen. Im April 1945 heirateten die beiden in der Gut-Hirt-Kirche in Zug. Das Paar zog an die<br />

Bohlstrasse, und das Resultat dieser harmonischen Verbindung waren vier liebe Töchter: Helene, Cécile, Margareta<br />

und Marianne.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 165


Die Nachkommen von Gritli und Paul Kälin-Scherer<br />

Helene-Margareta Kälin, geboren am 10. August 1946 in Zug: Sie war Air-Hostess bei Swissair, später war Helene<br />

im kaufmännischen Bereich bzw. in der Finanzbranche und im Family Office tätig. Verheiratet ist sie mit Jakob<br />

Tischhauser, Mitglied der Schweizer Ski-Nationalmannschaft/Weltcup, Betriebsökonom und selbstständiger<br />

Geschäftsmann. Das kinderlose Ehepaar lebt in Hünenberg See im Kanton Zug.<br />

Cécile mit Steve an einer Hochzeit im Februar 1981<br />

Cécile 1970, unterwegs auf Mykonos (Griechenland)<br />

Cécile-Anna Kälin war im Zeitfenster von 1981 bis 2014 mit Steve Missler aus Phoenix, Arizona USA,<br />

verheiratet. Aus dieser Ehe mit Stephen Missler stammt Sohn Thomas-Paul, geboren am 7. August 1984. Cécile<br />

lebt an der Rufibachstrasse 7 im zugerischen Walchwil. Am Taufbecken von Cécile Kälin standen damals die Gotte,<br />

Rosa-Cécilia Scherer-Studer, und der Götti, Josef Kälin, welcher der älteste Bruder von Vater Paul war.<br />

166 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Da wären noch Gret und Albert Iten-Kälin<br />

Die Hochzeit von Albert Iten mit Gret Kälin: Tausch der Eheringe Die lockere, aufgestellte Gret im Jahr 1990:<br />

in der Schutzengel-Kapelle Zug (Foto by Studio Grau, Zug)<br />

So wie wir sie halt in Erinnerung haben<br />

Margareta-Paula Kälin (Gret), geboren am 14. Februar 1949 in Zug. Aus der Ehe mit Albert Iten aus Zug, die am<br />

14. August 1969 geschlossen wurde, stammen die zwei Söhne Adrian und Philipp. Gret war eine erfolgreiche<br />

Immobilientreuhänderin, die ihr eigenes Geschäft im Herti-Center in Zug mit viel Leidenschaft und in eigener Regie<br />

führte. In ihrer Freizeit reiste Gret gerne durch viele Länder dieser Welt. So besuchte Gret auch die Eisbären in der<br />

Arktis. Als Weinkennerin widmete sie der Rebenkultur viel Aufmerksamkeit, indem sie oft an Weinreisen teilnahm.<br />

Gerne zog sich Gret in ihre Wohnung im Hasenbühl, Zug, zurück. Dort fand sie den Ort zum Entspannen und um in<br />

sich zu gehen.<br />

Gret Iten-Kälin verstarb leider viel zu früh am 4. Oktober 2015 im Kantonsspital Luzern an Krebs.<br />

Sie wurde von ihrer Familie, den Verwandten und zahlreichen Freunden am Freitag, 9. Oktober 2015,<br />

auf dem Friedhof St. Michael in Zug für immer verabschiedet.<br />

Marianne ist die jüngste der Kälin-Töchter<br />

Marianne Kälin, geboren am 18. Juli 1952 in Walchwil. Marianne war mit mir 1957 im Sanatorium Adelheid in Unterägeri.<br />

Später arbeitete sie in der Immobilienfirma ihrer Schwester Gret. Seit einigen Jahren pflege ich gemeinsam mit der<br />

jüngsten Kälin-Tochter das Kulinarische. Wir gehen mindestens zweimal im Jahr fein essen<br />

und tauschen uns gegenseitig zu den Geschehnissen in unseren Familien aus.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 167


Friederich Scherer, dipl. Spenglermeister vom Wolfgang, Schüpfheim<br />

Friederich Scherer, geboren am 14. Januar 1917 im Schächli zu Schüpfheim, war das vierte von acht Kindern. Friederich,<br />

Sohn des Ferdinand und der Rosa-Cécilia Scherer-Studer, ist verheiratet seit dem 23. November 1952 mit Christine<br />

Schmidiger von der Twerenegg aus Menzberg. Das Paar hat zwei Söhne, Fredy und Ruedi.<br />

Friederich Scherer besuchte die Primar- und die Sekundarschule in Schüpfheim. Anschliessend liess er sich<br />

bei der Firma Prassé in Luzern zum dipl. Bauspengler ausbilden. Darauf arbeitete er im väterlichen Dachdecker- und<br />

Spenglereibetrieb. Nach der mit Bravour abgeschlossenen Lehrabschlussprüfung ermöglichten ihm seine Eltern,<br />

schon bald den in Schüpfheim ansässigen Familienbetrieb in eigener Regie zu führen. Für Friederich keine leichte<br />

Aufgabe, denn der Zweite Weltkrieg stellte den Kleinbetrieb des Dachdecker-/Spengler-Meisters oft vor fast<br />

unlösbare Probleme. So konnte zum Beispiel das Rohmaterial nur unter erschwerten Umständen beschafft werden.<br />

Dank Fleiss und seiner unermüdlichen Eigenleistung gelang es dem jungen KMU vom Wolfgang, die an ihn<br />

gestellten Herausforderungen der Krisenjahre in den Griff zu bekommen. Durch sein tüchtiges Engagement wie<br />

auch seiner Loyalität wuchs Friederichs Geschäft, und er konnte seine Kundschaft im Wesentlichen vergrössern.<br />

Einer seiner beruflichen Höhepunkte war, als er den in die Jahre gekommenen Turm der Pfarrkirche Johannes &<br />

Paul in Schüpfheim Anfang der Fünfzigerjahre renovieren durfte. Dabei halfen und unterstützten ihn seine Brüder<br />

Franz und Walter Scherer, welche ebenfalls im Beruf der Dachdeckerei tätig waren.<br />

Freizeit für den Friederich<br />

Friederich Scherer mit seinem geliebten Motorrad plus Seitenwagen war ein leidenschaftlicher Passfahrer.<br />

Selbst ich durfte ab und zu als kleiner Knirps und als Beifahrer das Open-Air-Fahrgefühl geniessen.<br />

Rechts im Bild sehen wir die Brüder Franz und Friederich Scherer in bester Laune.<br />

168 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Hochzeit im November 1952<br />

Am 23. November 1952 heiratete Friederich seine ins Herz geschlossene Christine Schmidiger. Sein<br />

ehemaliger Klassenkamerad, Pfarrer Josef Graf, segnete damals den Bund der Ehe. Das Paar lebte in den<br />

Anfängen im Quartier Grünau. Schon bald entsprossen der Familie zwei Söhne: 1954 kam Fredy und 1956 Ruedi<br />

zur Welt.<br />

Das Wohn- und Geschäftshaus von Friederich Scherer mit dem 1960 angegliederten neuen Wohnblock<br />

an der Wolfgangstrasse in Schüpfheim; im Hintergrund das Dach des Wolfganghauses der Scherer-Studers<br />

Zeit für die Scherers, in den 1954 neu erbauten Wohn- und Geschäftsblock an der Wolfgangstrasse einzuziehen.<br />

Im Geschäftshaus (Bildmitte) befindet sich noch heute die Werkstatt mit der Spenglerei, welche damals von meinem<br />

Grossvater Ferdinand Scherer in Betrieb genommen wurde. Sohn Ruedi löste im April 1985 die seit den<br />

Siebzigerjahren von August Lustenberger (ehemaliger Arbeiter von Friederich Scherer) in Pacht geführte<br />

Dachdeckerei wieder in die eigene Familie zurück. Seit dieser Zeit führt Ruedi offiziell und eigenständig die<br />

Spenglerei, den väterlichen Betrieb, als Familienunternehmen im Entlebuch.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 169


Christine mit Friederich Scherer<br />

Christine mit Friederich Scherer am 21. Mai 1978<br />

Das offizielle Scherer-Wappen<br />

Friederich Scherer-Schmidiger war nicht nur ein tüchtiger Geschäftsmann, er war gleichzeitig auch ein froher<br />

Gesellschafter, der oft in seinen geliebten Bergen anzutreffen war, wo er neue Kräfte, aber auch die nötige Erholung<br />

fand. In Schüpfheim kannte man Friederich auch als aktiven Feuerwehrmann und Mitglied der Männerriege, der es<br />

sichtlich genoss, mit seinen Kameraden auch einen Jass zu klopfen. Nach dem Tode seiner Eltern, als er 1949<br />

seine Mutter, die Rosa-Cécilia, dann 1951 seinen Vater Ferdinand zu Grabe trug, pflegte Fiederich die Kontakte zu<br />

seinen Geschwistern vertieft. Leider verstarben seine Brüder Josef und Franz wie auch seine geliebte Schwester<br />

Gritli schon in jungen Jahren. Das löste in seinem Bewusstsein die Tatsache aus, dass zum Leben auch der Tod<br />

gehört. Wenn man mit Friederich in Gespräche verwickelt wurde, konnte man feststellen, dass es ihm am nötigen<br />

Humor nicht fehlte. Er hatte stets seine eigene Meinung, und er vertrat in seiner politischen Linie seine klare<br />

tolerante Meinung nach aussen und in die Familie. Leider erkannten die Ärzte viel zu spät seinen unheilbaren<br />

fortgeschrittenen Hirntumor. Nach einem vorübergehenden ersten Aufenthalt im Spital Aarau wurde Friederich am 6.<br />

Juli 1986 ins Spital nach Wolhusen verlegt, wo er im Alter von 72 Jahren am 11. September 1989 von seinen Leiden<br />

erlöst wurde. Es waren schwere Tage und Stunden für seine Familie, die Angehörigen und für die Freunde, das<br />

Leiden Friederichs am Sterbebett mit ansehen zu müssen.<br />

Christine Scherer-Schmidiger wurde am 23. Juli 1918 geboren. Die Erziehung der zwei Söhne Fredy und Ruedi<br />

sowie den ganzen Haushalt meisterte sie mit Bravour. Christine wurde als Geschäftsfrau sehr geschätzt, und sie<br />

unterstützte ihren Mann auch im Familiengeschäft. Christine war eine begabte Schneiderin und eine beispielhafte<br />

Sportlerin. Bis ins hohe Alter absolvierte Christine ihren geliebten Morgenlauf, am liebsten früh am Morgen, bevor es<br />

Tag wurde. Mit der Familie ihres Sohnes Ruedi durfte Christine in ihrem geliebten Haus im Wolfgang bis ins hohe<br />

Alter in sehr guter Gesundheit leben. Nach einer kurzen Krankheit verstarb Christine am 25. Februar 2015 im Alter<br />

von 96 Jahren.<br />

Fredy mit Ruedi Scherer im September 1982<br />

Christine mit Ruedi Scherer sowie Maria Wyss mit Fredy Maria Wyss mit Ruedi Scherer im September 1982<br />

170 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Fredy Scherer: Aus meiner Sicht ist er der geborene Optimist<br />

Fredy trat beruflich zuerst in die Fussstapfen seines Vaters und seines Grossvaters. Er liess sich als<br />

Spengler- und Sanitärinstallateur ausbilden. 1979 zog Fredy in die Westschweiz, wo er heute noch lebt. Nach einem<br />

gemeinsamen Entscheid, dass sein Bruder Ruedi das familiäre Spengler- und Dachdeckergeschäft übernimmt, liess<br />

sich Fredy zum diplomierten Psychiatrie-Krankenpfleger ausbilden. Nach dem Abendgymnasium und dem<br />

Universitätsabschluss in Lausanne wurde Fredy Scherer beim IUMSP (Institut Universitaire de Medecine Sociale et<br />

Preventive) in Lausanne engagiert. Hier evaluiert er die Pflege- und Behandlungsqualität in den Spitälern und<br />

erforscht auch die Patientenzufriedenheit.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 171


Das sind Ewa und Fredy im Mai 1992<br />

Fredy mit seiner Frau Ewa, aufgenommen im Mai 1992 Erinnerung an die Firmung 1968<br />

Das ist die Familie von Fredy und Ewa, aufgenommen am Sonntag, 27. November 2016, im eigenen Garten.<br />

Im Bild rechts festgehalten sind Sohn Alek, Mutter Ewa, Tochter Lena mit Hund Tomi und Vater Fredy Scherer.<br />

Friederich (Fredy) Scherer-Kuzniak ist am 23. September 1954 in Schüpfheim LU geboren. Er ist seit dem<br />

5. Januar 1991 mit Ewa-Bozena Kuzniak (Polen) verheiratet. Sohn Alek, Jahrgang 1999, und Tochter Lena, Jahrgang<br />

2001, sind die zwei Kinder von Fredy und Ewa. Die Familie wohnt am Chemin des Charmilles 7, 1008 Prilly.<br />

Im Besitz einer Universitätslizenz in Wirtschaft, ist Fredys Frau Ewa mit den Jahren zur Sängerin und Gitarristin<br />

geworden. Von 2012 bis 2017 spielt Ewa die Gitarre in der Big Band von EJMA in Lausanne. Als Sängerin<br />

interpretiert sie mit ihrer Stimme Jazz und Negro-Spirituel in den Lausanner Gruppen Evening Sisters von 2014 bis<br />

2016 und Madrijazz von 2000 bis 2016.<br />

Die Hobbys der beiden Kinder. Alek (6. November 1999) widmet sich dem Eishockey. Er spielt zurzeit bei Morges<br />

bei den Elitejunioren B. Die Meisterschaft findet in der ganzen Schweiz statt. Er ist dabei, die Matura<br />

abzuschliessen. Lena (18. Juli 2001) hat diesen Herbst die klassische Tanzschule an der Tanzakademie in Zürich<br />

gestartet. Sie schreibt auch eigene Bücher und macht Videoaufnahmen.<br />

Fredy Scherer mit Sohn Alek, Tochter Lena sowie seiner Frau Ewa am Familientag<br />

172 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ruedi und Marianne Scherer-Thomi blicken in ihre Vergangenheit<br />

Ruedi und Marianne am Tag der Hochzeit<br />

Beim Nachtessen im Restaurant Bad kommen die Erinnerungen<br />

Ruedi Scherer-Thomi, geboren am 15. September 1956, bildete sich zuerst als Maschinenmechaniker in<br />

Zofingen aus. Es war schlussendlich Sohn Ruedi, der in die Fussstapfen des Vaters trat. Zuerst arbeitete er in Bern<br />

und Thun, wo er die Bauspenglerlehre und auch die Spenglermeisterprüfung erfolgreich bestanden hat. 1985 kam<br />

Ruedi zurück nach Schüpfheim und übernahm die Spenglerei.<br />

Ruedi und Marianne Scherer-Thomi: Sie sind seit dem 17. September 1983 verheiratet. Seine Frau Marianne liebt<br />

und pflegt das Gärtnern, übt sich in Kaligrafie und fotografiert nicht nur die Familie. Aus der Ehe stammen drei<br />

Kinder: Michael, geboren am 31. Juli 1984, Cornelia, geboren am 5. September 1986, und Thomas, geboren am<br />

7. September 1990.<br />

Sohn Michael Scherer ist zurzeit in der Ausbildung zum Helikopter-Piloten.<br />

Tochter Cornelia Scherer wurde Detailhandelsfachfrau, und Sohn Thomas könnte möglicherweise als dipl.<br />

Spenglermeister dereinst die Firma seines Vaters übernehmen. Somit wäre eine weitere Generation der von<br />

Grossvater Ferdinand gegründeten Dachdeckerei Scherer gesichert. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.<br />

Das waren noch Zeiten, meint Fredy<br />

Vater Friederich mit Sohn Fredy Scherer<br />

Christine und Friederich Scherer in Festlaune<br />

Lina Kasper mit Ruedi Scherer im April 1994<br />

Friederich feiert 1987 seinen Siebzigsten<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 173


Die Brüder Ruedi und Fredy Scherer in Ruedis eigener Spenglerei<br />

Ich besuchte die zwei Scherer-Brüder im August 2016 in Schüpfheim. Dort zeigte mir Ruedi seine Werkstatt,<br />

die Spenglerei, welche er im April 1985 in eigener Regie als. dipl. Spenglermeister übernommen hatte. In seiner<br />

Freizeit beschäftigt sich Ruedi hobbymässig mit Velofahren, oder er widmet sich den Interessen des Hockeysports.<br />

Die Liegenschaft, das Wohnhaus mit Ruedis Werkstatt in Schüpfheim<br />

Einst war es die Spenglerei seines Grossvaters Ferdinand, dann übernahm sein Vater Friederich Scherer<br />

das Geschäft, und heute, im Jahr 2016, führt Sohn Ruedi das Kleinunternehmen. Spezielle Arbeiten von<br />

Ruedi Scherer sind zum Beispiel das 1/4-Kugeldach des Zwiebelturmes am Wolfgang-Kapelli,<br />

welches er mit seinem Team vor gut 12 Jahren in seiner Spenglerei neu gestaltete.<br />

174 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Josef Scherer, einer der vier Söhne der Schererlinge<br />

Josef Scherer, geboren am 5. August 1918, war nach Friederich<br />

der fünfte Nachkomme in der Scherer-Familie aus Schüpfheim.<br />

Seine Wohnadresse lautete im Jahre 1952:<br />

Obsthaldenstrasse 136, Zürich.<br />

In seinem Beruf als Gärtner und Landschaftsgestalter arbeitete<br />

Josef Scherer einst für die Gärtnerei Arnold in Cham.<br />

Josef Scherer verstarb unverhofft sehr früh.<br />

Weitere Daten oder Angaben zu Josef sind mir leider nicht bekannt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 175


6170 Schüpfheim im Entlebuch, festgehalten am 21. August 2016<br />

Im Dorf Schüpfheim im Entlebuch lebten im Jahr 1930 gerade 3601 Personen. Heute, 2016, sind es knapp 4200 Leute.<br />

Wappen<br />

Das Schüpfheimer Gemeindewappen zeigt drei seitwärts gerichtete weisse Flügel auf rotem<br />

Grund. Ihre Bedeutung ist leider ungeklärt, was immerhin die Fantasie zu beflügeln vermag. Die rot-weisse<br />

Farbkomposition deckt sich mit derjenigen des Schweizer Wappens. Schüpfheim fügt sich, eingebettet in dessen<br />

Herz, tatsächlich nahtlos ins Land ein. Einfügen heisst in diesem Fall auch Verbundensein.<br />

Dank der «herzigen» Lage erhielt man bereits 1875 Anschluss ans nationale Schienennetz.<br />

Mit seinem Rot als Farbe der Liebe und seinen weissen Flügeln als Symbol von reiner Lebensqualität liesse sich das<br />

Schüpfheimer Wappen heute, allen heraldischen Zweifeln zum Trotz, zweifellos am besten verkaufen! Immerhin<br />

findet man Schüpfheim im grössten Buch der Welt, im luzernischen Entlebuch!<br />

Der Name Schüpfheim ist urkundlich erstmals 1150 erwähnt worden. Vermutlich wurde er von «schipf»<br />

abgeleitet, was einen Ort bedeutete, den man für die Errichtung einer Siedlung gegen das Wasser durch<br />

Verbauungen geschützt hat. In Schüpfheim ist die Entwicklung des Dorfes eng mit derjenigen der Strassen<br />

verknüpft. Reihten sich die Häuser vor dem Dorfbrand von 1829 fast ausschliesslich entlang der Dorfstrasse,<br />

nämlich von der Lädergass bis ins Trüebbachgebiet, entstand beim Wiederaufbau ein grosszügiges, stattliches Dorf,<br />

das im Zusammenhang mit der Neuanlage der Kantonsstrasse und der Bahnstation in die entstandenen<br />

Strassengabelungen hineinwuchs. Durch eine fortgesetzte rege Bautätigkeit bis in die jüngste Gegenwart<br />

verwandelte sich Schüpfheim im Laufe der Jahre in ein Haufendorf mit den «Auslegern» Bienz, Brüggmöösli und<br />

Schwändi. Vom Dorf aus erschliesst ein dichtes Netz von Gemeinde- und Güterstrassen das weitläufige<br />

Gemeindegebiet. Seit dem Grossbrand des Dorfes 1829 gilt der Agatha-Tag als offizieller Feiertag in Schüpfheim.<br />

Schüpfheim ist Geburtsort und Lebensmittelpunkt der Familie von Ferdinand und Rosa-Cécilia Scherer-Studer<br />

und ihren acht Kindern (vier Söhne und vier Töchter), an dieser Stelle genannt: meine Mutter, die Rosa Scherer.<br />

Hier auf dem Brügghof und im Wolfganghaus erlebte Rosa mit ihrer Familie ein geprägtes Zeitfenster der Jugend.<br />

Im Dorf Schüpfheim ging sie mit ihren Geschwistern zur Schule, und im Wolfganghaus wurden sie alle flügge.<br />

176 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Haus Brügghof 2016: noch immer im Besitz der Familie Studer<br />

Am 28. März 2008, kurz vor 10 Uhr, vernichtete ein Grossbrand die Scheune des Brügghofs. 75 Feuerwehrleute<br />

bekämpften das Feuer während Stunden. Zum Glück kamen beim Vollbrand weder Menschen noch Tiere zu Schaden.<br />

Die Pfarrei Schüpfheim umfasst fast das ganze Gemeindegebiet von Schüpfheim und liegt in der Biosphäre<br />

Entlebuch. Von den gut 4000 Einwohnerinnen und Einwohnern gehören circa 90 Prozent der katholischen<br />

Konfession an. Vom reichen kulturellen Leben können Pfarrei wie Gemeinde profitieren. Die herrliche Landschaft<br />

zwischen Napf und Voralpen lädt zum Wandern und Verweilen ein. Die Pfarrei Schüpfheim kann auf eine lange<br />

Geschichte zurückblicken. Im Jahre 1275 wird sie urkundlich zum ersten Mal erwähnt. Die Pfarrkirche Johannes &<br />

Paul mitten im Dorf ist nicht zu übersehen. Der Baubeginn geht auf das Jahr 1805 zurück. Baumeister Niklaus<br />

Purtschert schuf eine grosse Hallenkirche mit einem mächtigen Turm, die im Jahr 1829 den Dorfbrand überlebte. In<br />

den Jahren 1977 bis 1979 erfuhr die Kirche eine totale Innen- und Aussenrestaurierung. Die neueste Renovation<br />

von 2009/10 mit der Neugestaltung des Altarbezirks verleiht dem lichtdurchfluteten Raum eine einladende, frohe<br />

Atmosphäre.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 177


Seitenblick zum ehemaligen Hof, zu Josef Balmer im Wolfgang<br />

Josef Balmer bei meinem Besuch vom 2. Juli 2015 in seinem Garten<br />

Seitenansicht des Balmer-Hauses in Schüpfheim<br />

Vater Josef und Maria Balmer-Lötscher bewirtschafteten damals den Hof St. Wolfgang in Schüpfheim. Die<br />

Grossfamilie bestand aus acht Kindern. Das waren Franz, Trudy, Hans, Marlis, Sepp, Käthi, Mathilda und Richard<br />

Balmer. Eine bedeutende Rolle in der Familie spielte auch der Karrer und Knecht Köbi Thalmann, der während 50<br />

Jahren sein ganzes Leben im Dienste der Familie Balmer verbrachte und mit dem ich in meiner Jugend viel Zeit<br />

verbringen durfte. Vater Josef Balmer war Sektionschef und politisch auf der katholisch-konservativen Seite. Josef<br />

wurde in den Gemeinderat gewählt, er verweigerte jedoch sein Amt wegen des noch amtierenden<br />

Gemeindepräsidenten Hermann Roos. Josef Balmer-Lötscher, geboren am 26. März 1893, verstarb 1971 in<br />

Schüpfheim. Seine Frau Maria Balmer, geborene Lötscher, erblickte das Licht der Welt am 19. August 1910, sie<br />

lebte bis 1990 auf dem Hof in Schüpfheim.<br />

Vater Josef und Mutter Maria Balmer-Lötscher waren sehr liebenswürdige Leute. Fast wöchentlich deckten sie<br />

die grosse Scherer-Familie mit Fleisch und weiteren Lebensmitteln vom Wolfganghof ein. Für Ferdinand und Rosa<br />

Scherer waren die Gaben vom Hof der Balmers Luxusgüter, welche sich die Familie Scherer mit ihren acht Kindern<br />

zu dieser Zeit nie hätte leisten können.<br />

Aus Franz, dem ältesten Sohn der Familie, geboren am 2. April 1933, wurde, wie es sich damals in<br />

Bauernfamilien gehörte, Pater Frohmund. Als katholischer Priester wurde Franz (Frohmund) in der katholischen<br />

Kirche Johannes & Paul in Schüpfheim in Form seiner Primizfeier zum Kapuziner des Franziskanerordens geweiht.<br />

Sein ganzes Leben verbrachte Frohmund im Kloster Wesmeli in Luzern, wo er am 5. März 2014 verstarb.<br />

Trudi Balmer, als zweitälteste Tochter der Balmer-Familie, geboren am 8. März 1934, trat am 1. Oktober 1955<br />

ganz im Sinne ihrer Familie ins geschlossene Frauenkloster Frauental bei Cham ein. Als Schwester Cordula wurde<br />

Trudy Balmer am 31. Juli 1960 mit dem ewigen Gelübde feierlich in den Stand des Klosterordens aufgenommen,<br />

was Edi Schmid veranlasste, mit seiner alten Knarre ein paar Schüsse in die Luft zu feuern. Anlässlich der<br />

Dreharbeiten zu meinem Film „Zuger VIDEOSCOPE“ standen im Juni 1994 auch die ehrwürdigen Schwestern des<br />

Klosters Frauental beim „Chriesnen“ vor meiner Kamera. Das Wiedersehen mit Schwester Cordula berührte mich<br />

damals sehr. Vor wenigen Tagen, am Donnerstag, 2. Juli 2015, empfing mich Schwester Cordula in der Klausur des<br />

Klosters Frauental zu einem historischen Dialogaustausch, zu einem Rückblick in unsere gemeinsame<br />

Vergangenheit. Es gab viel zu berichten, denn die Klosterfrau konnte sich noch gut an mich und die Zeit auf dem Hof<br />

erinnern. Am Klostertisch bestätigte Cordula meine Recherchen für die hier vorliegende Familienchronik.<br />

Hans Balmer, geboren am 18. April 1935, verbrachte sein Leben als Baumeister im Grossraum Ennetbaden, wo er<br />

zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Chronik noch immer lebt. Seine Schwester Käthi wanderte im Jahr 1964 nach<br />

Australien aus.<br />

Sepp Balmer übernahm den väterlichen Hof Wolfgang. Er wurde am 1. Juli 1975 zum Gemeindepräsidenten von<br />

Schüpfheim gewählt. Das Amt führte Sepp bis zum 1. September 2009 aus. Am Mittwoch, 15. Juli 2015, besuchte<br />

ich den ehemaligen Häuptling von Schüpfheim. Im Garten seines Hauses tauschten wir bei Sonnenschein und<br />

Süssmost Erinnerungen aus. Sepp bestätigte mir die Recherchen aus Mutter Rosas Heimat. Gleichzeitig erhielt ich<br />

weitere Informationen zum Zeitgeschehen der Dachdecker Scherers vom nachbarlichen Wolfganghaus.<br />

Richard Balmer, der Jüngste der Bauernfamilie, zog es in die weite Welt. Heute lebt er mit seiner Frau Vreni<br />

und Familie an der Zentrumstrasse 12 in Hünenberg. Richard und Vreni Balmer betreuen ihr eigenes Kavanza -<br />

Projekt in Afrika, wo sie sich um den Aufbau einer Schule für Handwerk und Landwirtschaft im Dorf Mivumoni<br />

(Tansania) bemühen.<br />

Am 2. Juli 2015 recherchierte ich in Form von persönlichen Gesprächen mit Trudy Balmer (Sr. Cordula)<br />

im Kloster Frauental, Cham, und mit Richard Balmer an der Zentralstrasse in Hünenberg.<br />

Am Mittwoch, 15. Juli 2015, fuhr ich zu Sepp Balmer, einem Bruder von Trudy und Richard, nach Schüpfheim<br />

um weitere wertvolle Informationen zu erhalten, aber auch das bereits Geschriebene bestätigen zu lassen.<br />

178 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Der ehemalige Hof der Familie Balmer, heute das Wohnhaus<br />

von Josef Balmer im Wolfgang zu Schüpfheim<br />

Im Vorgarten dieses Wohnhauses von Josef Balmer unterhielt ich mich mit dem damaligen Bauernsohn.<br />

Wir zauberten gegenseitig wissenswerte alte Geschichten aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart.<br />

Als kleiner Junge verbrachte ich 21 Wochen im Wolfgang-Haus. Ich wurde damals betreut von Mutters<br />

Schwester, der Lina, es war eine tolle Zeit, und das Abseitssein von zu Hause machte mich damals schon sehr<br />

selbstständig, nutzte ich doch oft die Gelegenheit, auf dem Nachbarshof der Balmer-Familie meine ersten<br />

Erfahrungen mit Tieren zu sammeln. Trudy und Richard Balmer, zwei der Kinder des Josef und der Maria Balmer,<br />

haben mich dannzumal liebevoll in die Grossfamilie aufgenommen. So durfte ich auf dem Wolfgang-Hof am<br />

reichhaltig gedeckten Tisch mit der Familie und dem Hausknecht (Köbi) Frühstück, Mittagessen und Abendbrot<br />

geniessen. Mit Köbi Thalmann, dem Karrer und Knecht, ging es zum Grasen und Heuen. Ich konnte damals weder<br />

das eine noch das andere, denn ich war zu klein. Aber meinen Hunger stillen durfte ich jeweils am offenen reich<br />

gedeckten Feldpicknick. Trudy und Richard kümmerten sich immer grossartig um mich, den kleinen Karli aus Cham.<br />

Als Kind besuchte ich mit meiner Tante Lina oft die Wolfgangkapelle, welche nur einen Steinwurf entfernt vom<br />

Hof Balmer und vom Wolfganghaus meiner Grosseltern stand und heute noch steht. Wann genau die erste Kapelle<br />

erbaut wurde, weiss man leider nicht. St. Wolfgang wird erstmals 1523 als Messekapelle aufgeführt.<br />

Die heutige Wolfgangkapelle entstand in den Jahren 1696 bis 1700. Die Einweihung durch den damaligen<br />

Weihbischof von Konstanz erfolgte dann 1701. Anlässlich der Renovation 1937 baute man an der Ostseite eine<br />

kleine Sakristei an. Die Albert-Koechlin-Stiftung finanzierte die damalige Restaurierung von 1997/98 grosszügig.<br />

Der Dachreiter erhielt gleichzeitig seine ursprüngliche barocke Form wieder zurück.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 179


Filmaufnahmen mit Trudy Balmer (Schwester Cordula) im Frauental<br />

Die Schwestern vom Kloster Frauental im Juni 1994 anlässlich der Dreharbeiten zum Film "VIDEOSCOPE",<br />

in Reihe zwei hinten rechts zu sehen ist Trudy Balmer (Schwester Cordula)<br />

Im Sommer 1994 realisierte ich in Zusammenarbeit mit den ehrwürdigen Schwestern des Klosters<br />

Frauental, Cham, die Filmszene "Chriesne im Zugerland" für meinen Film "VIDEOSCOPE"<br />

Zuger Kirsch und nicht zu vergessen die beliebte Zuger Kirschtorte zählen zu den Genussmitteln, welche die<br />

Region Zug weit über die Grenzen bekannt machen. Das war der Grund, dass ich das hochprozentige Thema in<br />

einer originellen Szene in meinem Film "VIDEOSCOPE" einbauen wollte. Um die Szenen etwas speziell zu<br />

gestalten, nahm ich die ehrwürdigen Schwestern des Klosters Frauental ins Engagement meiner Produktionsfirma.<br />

Speziell daran war, dass ich bei den Dreharbeiten nach 40 Jahren wieder Trudy Balmer begegnen durfte. Sie war<br />

damals die Bauerntochter vom Balmer-Hof in Schüpfheim, die mich als kleiner Junge über viele Wochen oft<br />

betreute. Sie zeigte mir damals das Leben auf dem Bauernhof, machte mich mit den Tieren vertraut und nahm mich<br />

mit zum Heuen. Auf dem Feld verpflegte sie mich damals köstlich direkt aus der damaligen Bauernhofküche. 40<br />

Jahre später durfte ich wieder mit Trudy, besser gesagt mit Schwester Cordula, im Gras sitzen und die soeben frisch<br />

geernteten Kirschen geniessen. Das nenne ich Szenen, die das Leben schreibt.<br />

Während die einen die Kirschen pflücken, tut eine der Schwestern Busse: Sie putzt das steinerne Kreuz.<br />

Am Marktstand werden die prallen Kirschen sortiert, abgewogen und direkt verkauft.<br />

180 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Das Wolfganghaus der Scherers war einst das Elternhaus meiner<br />

Mutter Rosa und ihrer sieben Geschwister, der Schererlinge<br />

Das renovierte Wolfganghaus in Schüpfheim, aufgenommen im August 2016, gehört heute der Familie Schnider-Dahinden<br />

Das Wolfganghaus, es war damals im Jahr 1926, als Bauer Josef Balmer-Lötscher vom Hof St. Wolfgang in<br />

Schüpfheim der Dachdeckersfrau Rosa-Cécilia Scherer-Studer einen Fleck Land (560 Quadratmeter) zum Preis von<br />

Fr. 4.-- pro Quadratmeter verkaufte. Ferdinand und Rosa-Cécilia bauten dann auf dem Grundstück ihr erstes Haus.<br />

Das war ein chaletähnliches kleines Holzhäuschen mit einer grosszügigen Laube, in dem die Dachdeckersleute ihre<br />

Kinder, die acht Schererlinge, grosszogen. In Schüpfheim urkundlich beglaubigt und bestätigt am 28. Juli 1938.<br />

Direkt vom Haus führte eine steile Treppe zum angrenzenden Vormühlebach, bei dem ich mich in meiner<br />

Jugend als Ferienkind oft aufhielt. In dieser Zeit erlebten die Räume dieses idyllischen Holzhäuschens mit<br />

angegliedertem Holzschopf viele Geschichten, welche in dieser Chronik sporadisch aufgelistet sind.<br />

In den Sechzigerjahren ging die Liegenschaft an Sohn Friderich Scherer. Später wurde das Haus an Frau Ida<br />

Wegmüller vermietet, welche später die Liegenschaft von Friderich Scherer erwarb. 1985 erbte Linda Bieri das<br />

Wolfganghaus von ebendieser Frau Wegmüller.<br />

Die Familie Andreas und Patricia Schnider-Dahinden, welche genanntes Wolfganghaus im September 2004<br />

von Frau Linda Bieri-Wittwer käuflich erworben hatte, baute den angrenzenden Holzschopf im Jahr 2006 um.<br />

Noch heute wohnt Familie Schnider-Dahinden im geschichtsträchtigen Wolfganghaus der Scherers.<br />

Andreas und Patricia Schnider bestätigten mir die Angaben zur Geschichte des Hauses,<br />

welche ich am 15. und 23. Juli 2015 in Schüpfheim persönlich recherchiert habe.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 181


182 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong><br />

Die Originalurkunde vom Landkauf 1938 ist im Besitz von Fredy Scherer,<br />

der das historische Dokument für meine Chronik zur Verfügung stellte.


Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 183


Sie haben gelesen von:<br />

Familie Friederich Scherer-Schmidiger,<br />

Schüpfheim,<br />

und den Söhnen Fredy und Ruedi<br />

Ich stelle vor:<br />

Familie Hans Kasper-Scherer aus Alpnach Dorf<br />

mit den Söhnen Hansruedi, Markus,<br />

Peter, Paul und Philip sowie Tochter Monika<br />

Friederich Scherer und Lina Kasper<br />

waren zwei weitere Geschwister<br />

meiner Mutter Rosa Werder-Scherer<br />

184 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Fenster zur Familie Hans und Lina Kasper-Scherer aus Alpnach Dorf<br />

Lina Kasper-Scherer, eine Momentaufnahme von 1986<br />

Hans Kasper, sein Leben war vom Schicksal gezeichnet<br />

Lina Scherer kam am 2. November 1921 als zweitjüngste Tochter der Scherer-Familie im Schächli in Schüpfheim<br />

zur Welt. Die Eltern, Ferdinand und Rosa-Cécilia Scherer-Studer, die sogenannten Dachdecker, gründeten damals<br />

eine Grossfamilie, bestehend aus vier Söhnen und vier Töchtern, in dessen Gemeinschaft Lina aufwachsen durfte.<br />

Nach diversen Einblicken in fremde Haushaltungen schloss Lina sich ihren beiden älteren Schwestern, der Maria<br />

und der Rosa, an. Das Scherer-Damentrio arbeitete gemeinsam auf Rigi Kaltbad für den damaligen strengen<br />

Hotelier Dahinden. Von dieser anspruchsvollen. aber auch sehr schönen Zeit in der Endphase des Zweiten<br />

Weltkrieges schwärmte Lina noch bis in ihre alten Tage. Etwas später zog Lina in den Kanton Obwalden nach<br />

Alpnach Dorf zu Tante Marie Burch. Dort arbeitete sie vorerst im „Chliteil“ in Giswil. Zu dieser Zeit lernte Lina ihren<br />

zukünftigen Ehemann, Hans Kasper, kennen, der ebenfalls einen Bezug zur Tante Marie Burch hatte. Am 20. März<br />

1954 heiratete das Paar Hans und Lina Kasper-Scherer und bekam noch im gleichen Jahr seinen ersten Sohn, den<br />

Hansruedi. Im Folgejahr erlitt die kleine Familie einen Schicksalsschlag: Die jungen Eheleute verloren ihren zweiten<br />

Sohn Otto nach nur gerade 15 Minuten.<br />

Kurz darauf, im August 1957, traf die Nachricht ein, dass Linas Schwester Margarita (Gritli) im<br />

Lungensanatorium Adelheid in Unterägeri ZG schwer erkrankt sei. Schnell entschlossen reiste Lina mit Sohn<br />

Hansruedi zur Schwesterfamilie Kälin-Scherer nach Walchwil, um unterstützend für die vier Kinder zu sorgen. Den<br />

Tod ihrer geliebten Schwester Gritli, welche an Krebs nach nur 42 Lebensjahren am 26. August 1957 verstarb,<br />

machte der ganzen Scherer-Familie, besonders aber Lina, schwer zu schaffen.<br />

V.l.n.r.: Philip, Paul, Markus, Monika, Peter und Hansruedi Kasper im Januar 1979 Hans und Lina im Jahr 1984<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 185


Hans und Lina mit ihrer Kasper-Familie in Alpnach Dorf<br />

Fotos: Bildarchiv Paul Kasper<br />

V.l.n.r.: Mutter Lina und Vater Hans, Hansruedi, Philip, Paul, Monika, Markus und Peter<br />

Wir stellen vor: die Familie Kasper aus Alpnach Dorf<br />

Hansruedi Kasper-Burch, geboren am 13. Juli 1954: Seit Juli 1974 ist der Hundeliebhaber mit Daniela Burch von<br />

Schwändi OW verheiratet. Hansruedi und Daniela haben zwei Jungs, das sind Roger und Patrik. Der Vater der<br />

beiden Söhne war Sicherheitsbeamter. Leider erlitt er im April 2011 einen Schlaganfall, von dem er sich jedoch<br />

wieder gut erholt hat. Die Familie lebt im neu renovierten Haus am Gässli 2 in Alpnach Dorf.<br />

Markus Kasper-Imhof, geboren am 27. August 1958, verheiratet mit Pia Imhof: Die Familie lebt an der<br />

Zürichstrasse 19 in Pfaffhausen ZH. Markus und Pia haben zwei Knaben, das sind Roman und Simon.<br />

Peter Kasper, geboren am 12. November 1957, ist geschieden. Peter, genannt "Wandervogel", lebt mit Tochter<br />

Tess und Sohn Dean im fernen Australien (Tasmanien). In seiner Jugend, welche Peter hauptsächlich in Alpnach<br />

Dorf verbrachte, traf er sich oft mit meiner Schwester Cécilia, die früher ganz unregelmässig im Haus am Gässli 2<br />

bei Lina ein paar Ferientage genoss. Peter und Cécilia verstehen sich ausserordentlich gut.<br />

Monika Furrer-Kasper, geboren am 7. Juli 1959, verheiratet seit dem 20. September 1986 mit Klaus Furrer:<br />

Monika und Klaus haben drei Kinder: Tina, Yannik und Nathascha. Die Familie wohnt an der Seestrasse 3 in Sarnen<br />

auf dem 4-Hektaren-Pachtbetrieb St. Andreas. Nebenbei führen Klaus und Monika noch ein Architekturbüro für<br />

Zweckbauten.<br />

Paul Kasper-Zuberbühler, geboren am 24. August 1962, verheiratet mit Ruth Zuberbühler: Paul und Ruth<br />

wohnen im Haus am Gässli 4, ebenfalls in Alpnach Dorf, und sie haben drei Kinder: Stephanie, Lukas und Tobias.<br />

Ende 1976 übernahm Paul mit dem historischen Dreirad und dem Handwagen seines Vaters die Bahncamionage in<br />

Alpnach Dorf. 1978 wechselte Paul zum Schienentraktorfahrer bei den SBB, ebenfalls in Alpnach. In eigener Regie<br />

renovierte Paul sein Haus, erstmals im Jahr 1985 und 30 Jahre später im Jahr 2015 ein zweites Mal.<br />

Philip Kasper-Stäger, geboren am 24. Oktober 1964, verheiratet mit Valeria Stäger: zwei Kinder Jonah und<br />

Lena, die an der Sonnmattstrasse 2 a in Alpnach Dorf zu Hause sind. Philip verdient sein Geld als gelernter<br />

Flugzeugspengler bei den bekannten Pilatus-Werken in Stans. In seiner verdienten Freizeit trifft man den<br />

Familienvater mit seinem Boot beim Fischen auf dem Sarnersee.<br />

186 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Hans Kasper-Scherer<br />

Hans in seiner Jugend Das Familienwappen Kasper Ein Bild vom 15. März 1953<br />

Hans Kasper, geboren am 17. Mai 1914 in Mellingen AG, war ein ehemaliger Verdingbub, er war Rangierer und<br />

gleichzeitig Schienentraktorfahrer bei den SBB im Bahnhof Alpnach Dorf. Es kam vor, dass Hans mit dem Fahrrad<br />

und dem Anhänger mit seinen Jungs, dem Hansruedi und dem Peter, zum nahe gelegenen Hof Ennetmoos fuhr.<br />

Dort besuchte das Trio Kasper die Familie Zimmermann. Nach Verpflegung und einigen Tassen Kaffee Schnaps für<br />

Vater Hans ging es mit einer Ladung frischer Dörrbirnen zurück zu Lina ins vertraute Haus am Gässli.<br />

Fotos aus dem Bildarchiv Paul Kasper<br />

Das waren die Eltern von Hans Kasper, Otto mit seiner Frau Hulda. Sie fanden ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof im<br />

aargauischen Mellingen, wie das Foto der Grabstätte, aufgenommen am 14. Oktober 1954, zeigt. Vater Otto verstarb am<br />

7. März 1918 mit nur 40 Jahren an einer Lungenentzündung.<br />

Hans Kasper-Scherer, 1914 bis 1985, dessen Personalien ich dem mir vorliegenden Taufschein entnommen habe,<br />

kam als zweitjüngstes von insgesamt fünf Geschwistern in Mellingen AG zur Welt. Im Jahre 1918, gerade als Hans<br />

vier Jahre alt wurde, brach grosses Unheil über die Familie herein. Der Vater Otto-Johann Kasper starb unerwartet<br />

an einer Lungenentzündung. Der Schock für die Mutter Hulda Kasper-Schweizer, die mit dem sechsten Kind<br />

schwanger war, löste eine Frühgeburt aus. Das kleine Kasperlein starb nach einer knappen Stunde und wurde in die<br />

Arme des Vaters im Sarg gelegt. Die Mutter, vom Kinderfieber erfasst, folgte den beiden nur nach wenigen Tagen<br />

ins Familiengrab. Noch lange sprach man im Dorf über das grenzenlose Elend der Kasper-Familie. Es blieb nichts<br />

anderes übrig, als die fünf Vollwaisen auf die Verwandten zu verteilen. Hans kam vorerst zu seinen Grosseltern<br />

nach Mühlethal. Nach dem Schulantritt wurde er aber zu seinem Onkel nach Kölliken beordert, wo eben sein<br />

jüngstes Brüderchen Arnold an Diphterie unerwartet verstorben war. In Kölliken bei seinem Onkel und im Kreise von<br />

dessen fünf eigenen Kindern wuchs Hans auf. Er besuchte die Schulen wie auch den kirchlichen Unterricht dort, wo<br />

er 1929 in der Dorfkirche konfirmiert wurde. Im kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, den sein Onkel bewirtschaftete,<br />

lernte Hans tüchtig mitarbeiten. Gleichzeitig erwachte in ihm die Liebe zu den Tieren und zum Landleben, was ihn<br />

für das ganze weitere Leben geprägt hatte. Das bereits Erlebte, den unverhofften Tod seiner Eltern, die plötzliche<br />

Trennung von seinen Geschwistern und die nochmalige Verpflanzung in einen für Hans total fremden Familienkreis,<br />

ging nicht spurlos an dem jungen Mann vorbei. Er wusste nicht, was Ausgelassenheit und Fröhlichkeit bedeuteten.<br />

Man hörte ihn nie singen oder johlen. Ernst waren seine Gesichtszüge, und seiner Sprache fehlten die Gefühle.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 187


Die besten Zeugnisse hatte Hans nicht, kein Wunder, bei der Jugend<br />

Es folgte die Weltwirtschaftskrise mit über 100 000 Arbeitslosen, was für Schulentlassene keine gute Voraussetzung<br />

für eine Lehrstelle war. Für Jahre schlug sich Hans mit verschiedenen Beschäftigungen, zum Beispiel in<br />

einem Sägewerk, bei der Schuhfabrik BALLI und in einer Ziegelei, aber auch als Drainagearbeiter im Akkordlohn,<br />

durch. Weil er trotz viel Einsatz, Fleiss und solider Arbeit auf keinen grünen Zweig kam, zog es Hans ins<br />

Welschland. Im damals noch bernischen Jura fand er schlussendlich auf einem abgelegenen Hof eine Arbeit als<br />

Knecht; ja, er glaubte sogar, hier sein Glück gefunden zu haben. Nur zu spät merkte Hans Kasper, dass er von<br />

seinen Meistersleuten schamlos ausgenutzt wurde, dass man ihm den letzten sauer verdienten Sparbatzen<br />

regelrech geklaut hatte. Es kam sogar vor, dass er aus den gleichen Töpfen wie die Hunde und Schweine essen<br />

musste. Les Enfers hiess das Dorf am Doubs, zu Deutsch DIE HÖLLE, aus welcher ihn schliesslich seine<br />

Angehörigen befreiten.<br />

Zurück in der deutschen Schweiz, fand Hans eine Stelle als Gramper. Das war eine sehr schwere Arbeit an den<br />

Bahngeleisen der SBB, im Einsatz bei jeder Hitze und Kälte, bei Wind und Regen und vor allem noch äusserst<br />

gefährlich. Doch mit dieser schweren Arbeit schuf er sich das Tor zu seinem Glück. Er bewarb sich um eine<br />

Anstellung für eine andere Berufsgruppe bei den Bundesbahnen SBB, und obwohl er altersbedingt für eine<br />

Festanstellung nicht in Frage kam, bot man ihm, dem „Chrampfer“, eine Chance. Aufgrund seiner Zeugnisse, seines<br />

Arbeits- und Durchhaltewillens, aber auch wegen seiner Zuverlässigkeit wurde Hans offiziell in den Bahndienst<br />

aufgenommen. 1953 fasste der frischgebackene Bähnler in Alpnach Dorf festen Wohnsitz im Hause von Marie<br />

Burch am Gässli 2.<br />

Ebenfalls in Alpnach Dorf lernte Hans Kasper seine zukünftige Frau, die Lina Scherer aus Schüpfheim, kennen.<br />

Sein ganzes Vertrauen schenkte er damals der Lina von den Scherers, von deren Clan nahm er jedoch Abstand. Mit<br />

40 Jahren trat Hans Kasper mit Lina Scherer vor den Traualtar, an dem sie den Bund der Ehe und der Treue<br />

schlossen. Die Gewissheit, eine liebe, gute Frau gefunden zu haben, und die Tatsache, eine sichere Anstellung bei<br />

den SBB geniessen zu dürfen, beflügelten den schwer geprüften Hans derart, dass er sich gemeinsam mit der Lina<br />

ein eigenes Heim aufbauen konnte.<br />

188 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ein bemerkenswertes Schreiben der Kreisdirektion ll aus Luzern<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 189


Die Kasper-Kinder beim Entdecken ihrer Elemente und Talente<br />

Waschtag für Sohn Hansruedi Die Familie feiert Neuankömmling Philip Vater Hans mit seinen drei Kasperli<br />

Weitere Kinder, Markus, Peter, Monika sowie Paul und Philip, kamen in den Folgejahren zur Welt. Das war<br />

eine echte Herausforderung für Hans und Lina, das Haus am Gässli 2 in zwei Etappen familiengerecht umzubauen.<br />

Zuerst die eine, dann die andere Hälfte, was für Lina damals mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden war.<br />

Ein Güterzug der Schmalspurbahn macht Halt im Bahnhof Alpnach Dorf, Foto vom Juni 96 Lina mit Pflegekind Alexandra<br />

Weil Hans bei der Bahn (SBB) arbeitete, konnte Lina mit ihren Kindern von diversen Fahrvergünstigungen<br />

profitieren. An ungezählten Sonntagen, schon in aller Frühe, unternahm Lina mit ihrer Jungmannschaft<br />

Tagesausflüge kreuz und quer durch die schöne Schweiz. Damit die Fahrkarten bis ins letzte Detail ausgeschöpft<br />

werden konnten, war es meist Mitternacht, bis im Kasper-Haus am Gässli 2 wieder die Lampen angingen.<br />

Hans, immer wieder mit Freunden in den Bergen unterwegs<br />

Die Familie am Weissen Sonntag von Monika<br />

190 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Nach der Arbeit verbrachte Hans seine Freizeit oft in den Bergen<br />

Hans, beim Wandern getroffen, in seiner vertrauten Umgebung<br />

Ein ganz besonderer Fahrausweis für sein Dreirad<br />

Hans liebte die Natur. Das war der Grund, dass man ihn oft in den Bergen beim Wandern und Rasten treffen<br />

konnte. Wie fleissig der tierliebende Hündeler seinen Hausberg, den Pilatus, bestieg, kann niemand genau sagen.<br />

Bei seinen Arbeitseinsätzen konnte man Hans als Camioneur ab und zu mit seinem dreirädrigen Lastmotorrad, für<br />

das er einen speziellen Ausweis benötigte, im Dorf antreffen.<br />

Nachdem Hans von einer Hirnstreife überrascht worden war, rollten für Lina weitere Aufgaben ins Haus.<br />

Hans musste umsorgt und gepflegt werden. Trotz allem, das Paar reiste noch öfter nach Locarno (St. Agnesa) in<br />

den Urlaub. Das gefiel der Lina und dem Hans besonders gut. Mehrere Jahre pflegte Lina ihren Hans im Haus am<br />

Gässli 2, bis er dann am 14. Dezember 1985 im Kreise seiner Familie diese Erde für immer verliess.<br />

Nach dem Tod von Hans hatte Lina plötzlich viel Zeit, die sie teils mit Bekannten im Dorf verbrachte. Ihre<br />

grosse Kontaktfreudigkeit konnte die noch rüstige Alpnacherin nun voll ausschöpfen. Mit Einkäufen bei Beyeler und<br />

einer guten Tasse Kaffee bei „Heiniger“ in Luzern gönnte sich Lina selbst ein paar erholsame und verdiente<br />

Stunden.<br />

Mit meinen Tanten und mit Onkel Willy in Swinging London<br />

Ende März 1986 reiste Lina zusammen mit ihrer Schwester Maria und dessen Ehemann Willy Wyss für einen<br />

Kurzurlaub nach London. Dort trafen Lina und Maria den Schreiberling dieser Zeilen, der zur selben Zeit geschäftlich<br />

in England weilte. Gemeinsam besuchten wir unsere in England lebenden Verwandten, die Angela und die Marliese.<br />

Dabei liessen wir uns das Kulinarische, die Spezialitäten der Insel, durch den Gaumen flutschen.<br />

Im Jahr 2000 erreichte Lina die Diagnose Brustkrebs, was eine Operation mit anschliessender Chemotherapie<br />

zur Folge hatte. Lina trug ihr Leiden sehr tapfer und mit grosser Zuversicht, sodass sie den schlimmen Tumor<br />

wenigstens kurzfristig besiegen konnte.<br />

Nach ihrem 80. Geburtstag fand Lina den Weg ins Altersheim Schärmä in Sarnen. Es war kein leichter Schritt,<br />

doch sie versuchte auch in dieser Situation das Positive zu sehen. In der Zeitepoche Schärmä, Sarnen, betreute<br />

Lina diverse kleine Aufgaben. Sie kaufte für ihre Mitbewohner ein, die sich dann mit einem kleinen Geschenk<br />

erkenntlich zeigten. Lina strickte Socken und arbeitete zwischendurch wie damals auf der Rigi in der Lingerie. Fast<br />

regelmässig war Lina aktive Jasserin in der sogenannten Montagsgruppe. Doch auch über jeden Besuch freute sich<br />

die ins Alter gekommene Frau Kasper-Scherer. Neben ihrer Familie, den Kindern mit ihren Enkelkindern, besuchten<br />

auch die beiden Schwestern Maria Wyss und Rosa Werder aus Steinhausen und Cham ihre stets aufgestellte<br />

jüngere Schwester Lina im „Schärmehus“, Sarnen. Bald jedoch wurde Lina schwächer und schwächer, bis zu<br />

diesem Samstagmorgen, an dem sich die ganze Familie Kasper im Spital von Lina ehrenhaft verabschieden musste.<br />

1992 wagte die Lina aus Alpnach Dorf einen grossen Schritt in die weite Welt.<br />

Mittels eines Langstreckenfluges in das ferne Tasmanien besuchte sie ihren Sohn Peter und seine Familie.<br />

Dieses Zeitfenster inmitten eines anderen für sie fremden Kontinents wurde für Lina ein unvergessliches<br />

Erlebnis, von dem sie bis an ihr Lebensende berichten konnte.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 191


Hans wird 70: Im Beisein seiner Schwestern wirft er einen Blick zurück<br />

Seine lieben Schwestern, die Muldi Buser mit Röösi Wyss, im März 1985 in feierlicher Stimmung anlässlich einer Rückblende<br />

Seine Musikfreunde mit den Handorgeln Mit Wildhüter Ottiger Mit den Fischerfreunden vom Blausee<br />

Die zwei Häuser am Gässli 2 und 4 in Alpnach Seine Lina mit den Kindern auf dem Dreirad<br />

Die Schwestern mit Familie<br />

192 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Train-Soldat Hans Kasper liebte und pflegte seine Pferde<br />

Wie fast alle Schweizer Männer trat auch Hans Kasper anlässlich der Mobilmachung<br />

als Train-Soldat in den Aktivdienst ein.<br />

Hans war immer ein tierliebender Mensch. Nicht nur in der Armee, auch später im privaten Leben widmete er viel<br />

Zeit seinen 40 Hasen, den 50 Legehühnern, seinen Hunden und anderen Kleintieren. Darum war Hans im<br />

Zeitfenster von 1957 bis 1985 ein langjähriges geschätztes Mitglied der Kleintierfreunde des Kantons Obwalden.<br />

In seinem Haus am Gässli 2 fühlte er sich geborgen. Meine Erinnerungen an Hans Kasper sind, dass er sich mit<br />

meinem Vater Karl dem Zweiten äusserst gut verstand. Sie, der Hans und Vater Karl, hatten ein gemeinsames<br />

Thema: die Eisenbahn, die SBB und die Post- und Bahncamionage. Hans übernahm in Alpnach Dorf selbst die<br />

Bahncamionage. In meinem Hinterkopf sehe ich ihn noch heute, wie er mit seinem dreirädrigen Kleintransporter die<br />

Pakete zum Verteilen ordnete. Auch bin ich davon überzeugt, dass in dieser Angelegenheit mein Vater seine Hände<br />

im Spiel hatte. Nach 35-jähriger Dienstzeit bei den SBB-Betrieben wurde Hans bei der Ausführung seiner<br />

Bahndienste von einer Hirnstreife überrascht. Er konnte nur schwer damit umgehen, dass er bereits im Alter von 62<br />

Jahren in Pension gehen musste. Sein emotionaler Rucksack des Lebens war bis zum Rand mit Schicksalsschlägen<br />

belastet.<br />

Hans Kasper-Scherer verstarb im Alter von nur 71 Jahren am 14. Dezember 1985 ganz seinem Willen entsprechend<br />

im Kreise seiner Angehörigen in Stille. In aller Ehre verabschiedeten sich seine Familie,<br />

die Freunde vom SRB sowie die Kameraden vom Velo-Club am offenen Grab.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 193


Der Weltenbummler, Abenteurer und Grossvater Peter Kasper<br />

Peter Kasper mit Enkelin Franky 2015 in Australien<br />

Peter nach seiner Arbeit 2016 in Switzerland<br />

Am Montag, 24. Oktober 2016, besuchte ich Paul und Hansruedi Kasper in Alpnach, damit diese meine<br />

Vorlage zur Familiengeschichte der Kasper-Familie Bezug nehmend zu meinem Buch "Wer ? der <strong>Charly</strong>" absegnen<br />

konnten. Als ich die Heimfahrt antrat, fuhr ich mit meinem <strong>Charly</strong>bus durch die engen Strassen von Alpnach Dorf in<br />

Richtung Autobahn. Plötzlich hörte ich eine laute Stimme nach mir rufen. Beim Blick in den Rückspiegel sah ich<br />

einen Mann, im Arbeitstenü winkend, meinem Bus nachrennen. Ich stoppte mein Fahrzeug und erkannte Peter<br />

Kasper, der gerade kurz von Australien in Alpnach Dorf Aufenthalt machte. Peter erzählte mir bei einer Tasse Kaffee<br />

von seiner Tochter Tess und seinen Enkelkindern.<br />

Ben mit Ehefrau Tess und Franky: Sie bekamen am 26. September 2016 mit Raphael Familienzuwachs<br />

194 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Ich stelle vor:<br />

Familie Walter Scherer-Hurni aus Ennetbürgen<br />

mit den Söhnen Hanspeter und Stefan<br />

sowie den Töchtern Susanna und Gabriela<br />

Ebenfalls haben Sie das Foto von<br />

Josef Scherer gesehen.<br />

Leider wurden keine verbindlichen Unterlagen<br />

über das Leben von Josef Scherer gefunden.<br />

Josef Scherer und Walter Scherer-Hurni<br />

waren zwei weitere Brüder<br />

meiner Mutter Rosa Werder-Scherer.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 195


Auch der jüngste Schererling, Walter, zog es in den Hafen der Ehe<br />

Walter, der jüngste Schererling, heiratete am 22. April 1954 Hedi Hurni aus Feldmeilen.<br />

Die attraktive Modistin hatte ihre familiären Wurzeln an der heutigen Goldküste<br />

am Ufer des Zürichsees, wo sie auch ihre Kindheit verbrachte.<br />

196 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Bilderbogen der Hochzeit von Walter und Hedi Scherer-Hurni<br />

Das Brautpaar mit den Blumenkindern Marliese und Peter Scherer, den Nebenhochzeitern Josef Scherer und<br />

Anna Keller-Hurni, den Eltern der Braut, Robert und Lina Hurni-Mauchle, sowie weiteren Gästen.<br />

In der hinteren Reihe rechts zu erkennen ist Lina Scherer, die Schwester von Walter.<br />

Aufgenommen am Tag der Hochzeit vom 22. April 1954 vor der Kirche in Kriens.<br />

Die Hochzeitsgesellschaft macht Halt an der Knonauerstrasse, Cham<br />

Die Blumenkinder Peter und Marliese<br />

Die hübsche Braut nimmt Gratulationen entgegen<br />

Anna Keller-Hurni mit Josef Scherer<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 197


Erinnerungen an Fahrlehrer Walter Scherer-Hurni aus Ennetbürgen<br />

Walter Scherer, der Fahrlehrer<br />

Anlässlich eines Familientreffens unterhielt ich mich mit Onkel Walter<br />

Walter Scherer, geboren am 26. August 1924 in Schüpfheim, war der jüngste aus der zehnköpfigen Dynastie um<br />

Ferdinand und Rosa Scherer-Studer. Nach seiner Schulzeit arbeitete Walter kräftig im Dachdeckergeschäft seines<br />

Vaters Ferdinand mit. So war er auch auf dem grossen Ziegeldach und dem mächtigen Kirchturm der Pfarrkirche in<br />

Schüpfheim zu sehen, als die Kirche in den Fünfzigerjahren einer grösseren Renovation unterzogen wurde.<br />

Dachdecker- und Spenglermeister Scherer-Studer, der Vater, war nach gelungener Arbeit sichtlich stolz auf das<br />

damalige Werk seiner Söhne.<br />

Als Postautochauffeur in Messen, Schüpfheim, Sörenberg und Stans kannte man Walter Scherer bestens. In<br />

guter Erinnerung an diese Zeit ist mir, dem Schreibenden, als Walter sein Postauto zwischen Stans und Beckenried<br />

im Fahrplantakt lenkte und ich, der kleine Büebi, durfte stolz neben dem Führerstand stehen und den mitfahrenden<br />

Gästen die Billette von der Rolle zehren und diese mit der Lochzange gleichzeitig auch noch entwerten. Anlässlich<br />

einer Postautofahrt nach Sörenberg lernte Walter eine junge Dame aus Feldmeilen am Zürichsee kennen.<br />

Walter, der Jüngling, verliebt in seine Hedi Walters hübsche Braut Hedi Hochzeitsbus an der KS-7<br />

Die hübsche Hedi hatte ihren Schirm im gelben Postvehikel liegen gelassen. Es kam, wie es eben in solchen<br />

Situationen kommen musste: Walter verliebte sich in die attraktive Passagierin Hedi Hurni. Am 22. April 1954 wurde<br />

dann in Kriens geheiratet. Als siebenjähriger Knirps erlebte ich, wie die Hochzeitsgesellschaft in einem<br />

geschmückten Autobus vor dem USEGO-Laden meiner Eltern in Cham Zwischenhalt machte. Auf dem Bild rechts<br />

zu erkennen ist Grossvater Karl der Erste, meine Mutter Rosa mit Christina auf dem Arm und Onkel Josef in Schale.<br />

Zu dieser Zeit lebte die Familie Scherer-Hurni bereits in Stans, wo ich schon bald als kleiner Feriengast Logie<br />

beziehen durfte.<br />

Onkel Walter fuhr zu dieser Zeit sein erstes eigenes Auto, einen blauen Citroën 2-CV (Döschwo). Ich sah<br />

Walter oft in Wolldecken gewickelt an der KS-7 vorfahren, weil der "Wellblech-Gummihund", wie wir den 2-CV eben<br />

damals nannten, keine Heizung hatte. In Stans kam dann im Jahr 1955 das erste Töchterchen, die Susanna, zur<br />

Welt. Zwei Jahre darauf folgte Sohn Hanspeter. 1960 zog die Familie in ihr neues Heim nach Buochs, wo nach<br />

sechs Jahren Töchterchen Gaby zur Familie Scherer-Hurni stiess. Walter arbeitete zu dieser Zeit während zweier<br />

Jahre bei den Pilatus-Werken in Stans. Gleichzeitig stellte er die Weichen zur Selbstständigkeit. Er machte den<br />

eidgenössisch diplomierten Fahrlehrer. Walter und Hedi zogen schon bald mit ihrer Familie nach Ennetbürgen.<br />

198 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Walter, immer in guter Laune<br />

Walter und seine Freunde beim Schlemmen<br />

Erinnerungen an die guten alten Zeiten des Postautos<br />

Von nun an betrieb er als Fahrlehrer der Region mit seinem Simca, Kontrollschild NW 9075, sein eigenes<br />

Unternehmen. 1971 meldete sich der zweite Sohn, Nachzügler Stefan, an. Nun sei die Familie komplett, meinten<br />

die Scherer-Hurnis und freuten sich über ihre Schererlinge, welche der Familie viel Freude bereiteten.<br />

Als Juniorenobmann des Fussballclubs Buochs und als Tourenwanderer gemeinsam mit seinen Freunden<br />

war Fahrlehrer Walter Scherer-Hurni äusserst beliebt. 1989 fuhren Walter und Ehefrau Hedi zum ersten Mal ins<br />

Ausland zum Gardasee in die verdienten Ferien. Inzwischen wuchs ihre Familie durch die Geburten der geliebten<br />

Enkelkinder Stephanie, Fabian, Daniel und Manuela weiter an.<br />

Alibaba "Achabyby", <strong>Charly</strong> im September 1978<br />

V.l.n.r.: Hedwig, Friederich, Rosa, Lina, Maria und Walter Scherer<br />

Die neue Scherer-Generation wächst heran<br />

Susanna und Peter führen die Polonaise an<br />

Bei den obligaten Scherer-Treffen war Bruder Friederich der Organisator. Walter half gelegentlich mit. Dank<br />

Friederich und Walter kamen unsere Familien, die Schererlinge, unregelmässig, jedoch immer gut gelaunt zu den<br />

vereinbarten Festorten, wie die vier Bilder vom September 1978 zeigen. Die Fotos wurden in Buochs am<br />

Vierwaldstättersee gemacht. Als verkleideter ALIBABA "ACHABYBY" sprang ich damals zum Vergnügen der<br />

zahlreichen Gäste in den kühlen Vierwaldstättersee. Leider fehlten an den Treffen bereits Gritli sowie die Brüder<br />

Franz und Josef, weil das Trio viel zu früh von uns gegangen war.<br />

Als jüngster Sohn der Scherer-Familie musste Walter, nur mit einem Hanfseil gesichert, die Dachspitze des<br />

Turms der Pfarrkirche St. Johannes & Paul in Schüpfheim neu mit Kupferplatten belegen. Es war damals das<br />

Spektakel im ganzen Entlebuch, welches sogar Schaulustige aus den Nachbardörfern anzog.<br />

Ansonsten galt Walter eher als der Lausbub in der Familie. Er musste immer wieder aufs<br />

Neue durch seine Geschwister in den Senkel gestellt werden<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 199


Die Nachkommen von Walter und Hedi Scherer-Hurni aus Ennetbürgen<br />

Walter Scherer und Hedi Hurni sind seit dem 22. April 1954 verheiratet. Walter und Hedi haben<br />

vier Kinder: die Söhne Hanspeter und Stephan sowie die Töchter Susanna und Gaby.<br />

Hochzeit von Susanna Scherer mit Andreas Bürki<br />

Hochzeit von Hanspeter Scherer mit Anita Dittli<br />

Susanna Bürki-Scherer, geboren am 19. Februar 1955 in Stans: Sie ist verheiratet seit dem 28. Juli 1984 mit<br />

Andreas-Johannes Bürki von Radelfingen BE. Andreas und Susanna haben eine Tochter, Stéphanie Bürki, geboren<br />

am 16. Dezember 1984, und einen Sohn, Fabian Bürki, geboren am 7. Dezember 1988. 1996 wurde die Ehe<br />

geschieden. Susanna lebt mit ihrer Familie im Quartier Oberseeburg in Luzern.<br />

Hanspeter Scherer-Dittli, geboren am 31. März 1957 in Stans: Er ist verheiratet seit dem 24. September 1988 mit<br />

Anita Dittli, geboren am 22. August 1960 von Gurtnellen UR. Die Kinder aus der Ehe Scherer-Dittli sind Sohn Daniel,<br />

geboren am 25. Juli 1989, und Tochter Manuela Scherer, geboren am 28. Juni 1991. Die Familie wohnt wie einst die<br />

Eltern in Ennetbürgen im Kanton Nidwalden.<br />

Gaby Scherer und Steve heirateten in Stans<br />

Stefan Scherer u. Sonja Schupp nach der Trauung<br />

Gabriela-Karolina Pavey-Scherer, geboren am 9. Oktober 1966: Im Jahre 1989 reiste Gaby nach Australien, wo<br />

sie in Perth einen Sprachaufenthalt machte. Dort verliebte sich die Tellen-Tochter aus Helvetien spontan in ihren<br />

Englischlehrer. 1993 entschieden sich die Gaby und der Steve für Australien und gleichzeitig auch zur Ehe. Gaby ist<br />

verheiratet mit Steve-Mark-Francis Pavey-Scherer, geboren am 10. Oktober 1959. Durch die internationale<br />

Verbindung kamen drei Kinder zur Welt: Java Pavey, geboren am 7. Juni 1996, Oliver Pavey, geboren am 18.<br />

November 1998, und Luke Pavey, geboren am 2. Februar 2001. Die Familie lebt weit weg im fernen Westaustralien.<br />

Stefan Scherer-Schupp, geboren am 15. Februar 1971, ist seit dem 12. Juni 2004 mit Sonja Schupp<br />

verheiratet. Sonja kam am 13. September 1976 zur Welt. Die Kinder, Tochter Aline-Sophie Scherer, geboren am<br />

13. September 2006, und Sohn Marc Scherer, geboren am 12. Januar 2010. Die Familie lebt im luzernischen<br />

Hochdorf.<br />

200 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Die Familie von Walter und Hedi Scherer-Hurni im Jahr 2015<br />

Hedi Scherer-Hurni, geboren am 3. August 1932, aus Feldmeilen am Zürichsee ist gelernte Modistin. Seit<br />

dem 22. April 1954 ist sie mit Walter Scherer verheiratet. Am Sonntag, 4. April 1993, musste Walter Scherer-Hurni<br />

notfallmässig ins Spital eingeliefert werden. Tochter Gaby, die in Australien lebt, reiste damals ans Krankenbett ihres<br />

lieben Vaters. Am 13. April 1993 verabschiedete sich Walter Scherer-Hurni in Frieden von seiner ganzen Familie. Er<br />

verstarb im Spital Stans.<br />

In guter Erinnerung geblieben sind mir Hedi und Walter<br />

Hedi Hurni mit Walter Scherer kurz vor ihrer Hochzeit im April 1954<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 201


Zwei ganz bemerkenswerte alte Damen<br />

Links im Bild: Marie Burch in Gesellschaft von Lady Travnicek<br />

Marie Burch-Scherer, Alpnach Dorf<br />

Frau Marie Burch-Scherer, geboren am 10. Februar 1876 in Alpnach Dorf, war eine liebenswürdige alte Tante,<br />

der die Liegenschaft, das Haus am Gässli 2, in Alpnach Dorf gehörte. Bekannt ist das genannte Haus mit dem<br />

uralten Plumpsklo, welches sich ausserhalb des Wohnbereichs befand, auch durch die bevorzugte Lage der<br />

Liegenschaft direkt beim Bahnhof. Meine vielen Cousinen reden noch heute von ihren Erlebnissen im Haus am<br />

Gässli 2, in dem Marie Burch später das Wohnrecht geniessen durfte. Marie Burch-Scherer starb am 27. Oktober<br />

1963 in Alpnach Dorf.<br />

Mit Feingefühl nahm sich Marie Burch zwei Hausiererdamen (Zigeunerinnen = Resentera) an, welche mit<br />

Putzwaren und Schuhbändeln von Haus zu Haus zogen. Auch ich erinnere mich noch gut an Marie Burch, die immer<br />

ein kleines „Mümpfeli“ aus irgendeiner Schublade zaubern konnte. Eines Tages verführte Tante Marie Burch den<br />

gerade 12-jährigen Hansruedi zum Zigarettenrauchen. Vater Hans kam dem schlotenden Duo auf die Schliche. Für<br />

Hansruedi gab es derart Haue, dass er die Strafe bis zum heutigen Tag nicht vergessen konnte. Marie Burch liebte<br />

es, Hans Kasper auf die Palme zu bringen, was ihr mit ihren hinterlistigen Streichen immer wieder gelang.<br />

Marie Burch ist am 27. Oktober 1963 ebenfalls in Alpnach Dorf gestorben. Und wie das zu dieser Zeit eben<br />

Brauch war, wurde die alte Dame im offenen Sarg im Haus am Gässli 2 aufgebahrt. Monika Kasper, gerade<br />

vierjährig, musste zusehen, wie Tante Burch in den Sarg gebettet wurde. Anschliessend kam die Vorbeterin (Marie<br />

Kathriner) und betete Rosenkranz für Rosenkranz. Eine Zumutung für Monika, die ja damals noch ein Kind war und<br />

das Geschehen des strengen Katholizismus in Reinkultur, auf einem Taburettli sitzend, für mehr als zwei Stunden<br />

mit ertragen musste.<br />

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Dem am 21. August 1959 ausgestellten Testament konnte ich folgenden Wortlaut<br />

entnehmen:<br />

Walter Scherer, Ebenmatte, trifft nach meinem Todesfall sämtliche Anordnungen nach ortsüblicher Ordnung und<br />

Brauch, nach seinem eigenen Ermessen. Walter führt alle Rechnungen mit ausgewiesenen Belegen. Sollte ein<br />

eventueller höherer Vermögensstand vorhanden sein, soll dieses Guthaben an meinen Götti, Walter Scherer,<br />

Ebenmatte, für seine immerwährende Hilfsbereitschaft seinem Eigentum zufallen. Im Falle einer<br />

Vermögensverminderung sollen die Testamentsbedachten sowie das Pflichtkapital prozentual gekürzt werden. Bei<br />

vorzeitigem Ableben eines Testamentsbedachten sollen dessen gesetzliche Erben testamentsberechtigt sein. Als<br />

Willensvollstrecker ernenne ich Herrn A. Küchler, Gemeindeschreiber, oder im Falle einer Verhinderung Herrn Urs<br />

Küchler, ebenfalls Gemeindeschreiber der Kanzlei Alpnach Dorf im Kanton Obwalden.<br />

Gezeichnet am 21. August 1959<br />

Frau Marie Burch<br />

B. Wallimann & Margrit Odermatt<br />

Anmerkung des Schreibenden in eigener Sache<br />

Das Originaltestament befindet sich vollumfänglich in meinem Besitz,<br />

der in dieser Familienchronik abgedruckte und eingeflochtene Auszug ist nicht vollständig.<br />

202 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Diese illustre Damenrunde posierte 2006 vor meiner Kamera<br />

Am 3. September 2006 lud ich, der Schreiberling, den Scherer-Clan ins Gasthaus Bad nach Schüpfheim ein.<br />

Es war der letzte Treff, an dem sich Tante Maria Wyss von Steinhausen, Tante Lina Kasper aus Alpnach Dorf,<br />

meine Mutter, die Rosa Werder aus Cham, Christine Scherer, die Ehefrau des bereits verstorbenen Onkels<br />

Friederich Scherer, und Rosa Schmid-Gauch aus der Ey, Schüpfheim, in Einheit für ein gemeinsames Foto vor<br />

meine Kamera stellten. Alle diese genannten und in die Jahre gekommenen liebenswerten Damen sind in der<br />

Zwischenzeit ihren Weg himmelwärts gezogen. Am Tag der letzten Zusammenkunft erinnerten sich die Ladys<br />

nochmals an ihre Jugend. Für mich war es sehr spannend, damals am Tisch der ehrenwerten Tanten deren<br />

Vergangenheit Revue passieren zu lassen.<br />

Gruppenbild mit den Scherer-Damen, 2006<br />

V.l.n.r.: ( hinten) Ludmilla, Elisabeth, Angela, <strong>Charly</strong> mit Thomas,<br />

(Mitte) Marianne, Lina, Rosa, Maria und das Chnübeli-Marieli,<br />

(Front) Livia, Cécile Missler und Cécilia Werder.<br />

Ort des Geschehens: das Gasthaus Bad Schüpfheim<br />

Es war in jeder Beziehung ein wunderbarer Sonntag, dieser 3. September 2006, damals im Gasthaus Bad in Schüpfheim.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 203


Die Treffen der Scherer-Family, des Scherer-Clans<br />

Ein erstes sogenanntes Scherer-Familientreffen fand am 1. September 1978 in Buochs statt. Onkel Friederich<br />

Scherer aus Schüpfheim organisierte das Familienfest, an dem sich vier Generationen neu kennen lernen durften.<br />

Die Scherer-Party bleibt in guter Erinnerung. Sie wurde dann Jahre später ebenfalls von Friederich Scherer ein<br />

zweites Mal erfolgreich ins Leben gerufen.<br />

Bei einem Nachtessen anlässlich der Bildvernissage meines Schwagers Werner Bommer-Werder am Samstag,<br />

10. März 2012, im Restaurant Aklin in Zug wurde ich von meiner Cousine Gisela Emmenegger-Wyss überzeugt, am<br />

3. März 2013 zum vierten Scherer-Treffen einzuladen. Und so erschienen am besagten Sonntag bei frühlingshaften<br />

Temperaturen zahlreiche Scherers und Scherlinge zu Älplermagronen mit Apfelmus im Restaurant Löwen in<br />

Steinhausen, wo wir gemeinsam auch unserer verstorbenen Vorfahren gedachten.<br />

Das Bild vom 3. März 2013 dokumentiert die Ankunft der zahlreichen Gäste im Restaurant Löwen in Steinhausen<br />

Etwas spektakulär fotografierte ich die zahlreich erschienene Verwandtschaft des inzwischen gross<br />

gewachsenen Scherer-Clans auf dem Sockel des Hauptkreisels mitten in Steinhausen City, welches zurzeit auf<br />

knapp 10 000 Einwohner angewachsen ist. Die Gemeinde, die gleichzeitig auch die Bürgergemeinde meiner<br />

Familie, der Werders, ist, wurde in den vergangenen sehr bewegten Jahren zur Drehscheibe unserer Familien. Nicht<br />

zuletzt weil sich dort, im Eichholz-Haus von Willy und Maria, die ganze Verwandtschaft zum Smalltalk, aber auch zu<br />

ernsthaften Diskusionen traf. Ich stelle fest, diese spannenden Treffen fehlen mir heute.<br />

204 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>


Stimmungsbilder vom Sonntag, dem 3. März 2013<br />

Zum Gedenken an unsere lieben Vorfahren, die Scherers aus dem Entlebuch,<br />

Franz, Maria, Gritli, Friederich, Josef, Rosa, Lina und Walter Scherer,<br />

entzündet Jacqueline Blume je eine Kerze.<br />

Christina, Cécile und Marianne diskutieren<br />

Thomas, Cécile und Gret mit Kurt, Renata und Pablo<br />

Susanna mit Bruder Hanspeter Scherer<br />

Margreth Schlatter, Lissi Camenzind mit Vera Bommer<br />

Die nächste Generation feiert bereits die ersten Geburtstage: Inmitten der verwurzelten Schererlinge<br />

sehen wir Wilma Wyss, Gret Iten mit Mathilda und Hannah, den Töchtern von Valentin und Aky Camenzind.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 205

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