Kapsar Ausgabe 16

Am Frühstückstisch ist für
jeden etwas dabei
STADTKERN
Es ist 8.30 Uhr morgens. Seit einer halben Stun-
nötigen. »Sie sind oft erstaunt, was für Stärken
de findet an der Inklusiven Montessori Grund-
diese Kinder haben«, sagt Schuster begeistert.
schule in Ansbach Unterricht statt. Stefan* sitzt über
Seit diesem Schuljahr ist beispielsweise Gregor* ein-
einem Blatt Papier gebeugt alleine an einem Tisch.
mal wöchentlich an Schusters Grundschule. Der Elf-
Seine Aufgabe heute: Rechenübungen. In der
jährige ist Autist und kommt vom Förderzentrum
rechten Hand hält der Neunjährige einen Stift
Neuendettelsau. »Wir lernen jedes Mal dazu, wenn er da
und überträgt damit Zahlen aus einem Mathe-
ist. Es ist ein Geben und Nehmen. Das muss den
Übungsbuch. Stefan leidet seit der Geburt am
Schülern erstmal bewusst werden«, sagt Schuster.
ADHS-Syndrom. Er ist einer von sechs Lernbe-
Gregor kommuniziert mit Gestik, Tönen und Schrei-
hinderten, die gemeinsam mit 33 Kindern ohne
en. Wenn er etwas schreiben will, macht er ein
Beeinträchtigung unterrichtet werden. »Für uns ist es
bestimmtes Geräusch. Die Schüler lernen, diese
wichtig, eine Schule für alle zu sein«, sagt
Zeichen zu deuten und achten darauf, besonders
Rektorin Elke Goppelt.
ruhig zu bleiben, wenn Gregor da ist. Er reagiert
Seit 2009 ist das Konzept an staatlichen
sehr empfindlich auf Lärm.
allgemeinbildenden Schulen in den Fokus ge-
Für solche Schüler, die Schwierigkeiten oder be-
rückt. Die damals beschlossene Behindertenrechts-
sonderen Förderbedarf haben, erstellen die Lehr-
konvention der Vereinten Nationen verpflichtet die
kräfte je nach erbrachter Leistung individuelle Pläne.
Bundesregierung und die Bundesländer dazu, ein
möchten. »Besonders Kinder mit ADHS-Störung
Nachdem die ehemalige Schulleitung erhöhten
Hat ein Kind Schwierigkeiten in der Geometrie, wird
inklusives Bildungssystem zu schaffen. Gingen
fördert diese Art von Unterricht«, erklärt die
sonderpädagogischen Förderbedarf festgestellt hatte,
es außerhalb des Unterrichts am Nachmittag einzeln
Schüler mit Lernschwierigkeiten, geistigen oder
Sonderpädagogin. »Sie können einfach aufstehen und
beantragte sie beim Kultusministerium das Schul-
oder in Gruppen gefördert. »Außerdem brechen
schwereren körperlichen Beeinträchtigungen
herumlaufen, wenn sie möchten.«
profil Inklusion. Mit Erfolg: Im Herbst 2012
wir die Klassenstrukturen auf«, sagt Schuster. Das
früher meist auf spezielle Förderschulen, haben sie
Fünf Pädagogen betreuen im Schnitt je acht Schüler.
wurde es verliehen. Den Lehrermangel konnten
helfe, jeden gezielt zu fördern.
inzwischen ganz verschiedene Möglichkeiten.
Kinder mit schweren Behinderungen haben für
die Lichtenauer daraufhin durch eine Kooperation
Es gibt aber Grenzen, wenn eine Klasse
In Bayern können Menschen mit Förderbedarf
die ganztägige Betreuung eine zusätzliche Lern-
mit der Förderschule Neuendettelsau überbrücken.
ausgelastet ist und ein weiteres Kind mit Förder-
beispielsweise zwischen dem Besuch einer allgemein-
begleitung. An der Regelschule kommen dagegen
Martin Schuster ist der Überzeugung, Inklusion sei
bedarf aufnehmen soll. Eltern können auch
bildenden Schule oder einer offenen Klasse der
etwa 20 Schüler auf eine Lehrkraft. »Wir brauchen
eine Chance, das Kind zu unterstützen und
andere Wege wählen, als ihr Kind auf eine Regel-
Förderschule wählen. Oder sie besuchen eine
entsprechend geschultes Personal«, sagt Goppelt.
ihm zu helfen. »Dabei sind wir auf Kräfte ange-
schule zu schicken. »Eine Unterbringung im Förder-
Schule mit dem Profil »Inklusion«. Seit 2009
Einen Mangel an Pädagogen gibt es zurzeit nicht.
wiesen, die sich bereit erklären, Ja zu sagen um
zentrum soll immer offengehalten werden«, sagt
sind bayernweit 248 solcher Bildungseinrichtungen
Dennoch entstehen Engpässe, wenn jemand
diese besondere Art der Zuwendung zu leisten«,
Schuster. Die Gesellschaft verbinde jedoch mit ei-
dazugekommen. Im Landkreis Ansbach tragen
umzieht, eine andere Stelle annimmt oder
so der 50-Jährige. Ehemalige Lehrkräfte kommen
nem Förderzentrum schwächere Schüler. Daher
sieben
das Wort Inklusion im Namen. In der
in Elternzeit geht.
daher noch heute regelmäßig an die Schule, um zu
lehnen viele Eltern von behinderten Kindern sie ab.
Montessori-Schule lernen die Kinder, indem
Das weiß auch Martin Schuster, Schulleiter
unterrichten. »Ohne dieses Engagement wäre gera-
Stefan aus der Inklusiven Montessori Grundschule
sie eigenverantwortlich an Projekten arbeiten.
der Inklusiven Grund- und Mittelschule in Lichtenau
de die Integration von jungen Migranten schwierig«,
ist am Ende der Übung. Er ist mit jeder Rechnung
Rechenbrett, goldene Kugeln und Symbolkarten
mit 114 Schülern. Eine Lehrkraft betreut bis zu
sagt Martin Schuster.
besser und ein bisschen schneller geworden. In
stehen in den Klassenräumen bereit. »Damit
20 Kinder. Knapp ein Fünftel von ihnen benö-
Auch die Schüler ohne Beeinträchtigung können
seinem Heft dokumentiert er, an welcher Stelle er
sind dem Wissensdrang der Kinder kaum
tigt spezielle Förderung. Gerade Weiterbildungen
von der Inklusion profitieren. Im Schulalltag sowie
weitermachen muss. Er stellt das Buch zurück
Grenzen gesetzt«, sagt Elke Goppelt.
gestalten sich oft als Zwickmühle: Einerseits sind
bei klassenübergreifenden Aktionen lernen sie
und verlässt mit den anderen Kindern
Wenn die Schüler Freiarbeit haben, dürfen sie
die Lehrkräfte auf sie angewiesen, andererseits sind in
Rücksichtnahme und den Umgang mit Mädchen
den Raum: Auf dem Stundenplan steht Essens-
selbst entscheiden, für welches Fach sie arbeiten
dieser Zeit ihre Stunden unbesetzt und fallen aus.
und Jungen, die eine spezielle Förderung be-
und Draußenspielzeit.
*Alle Schülernamen von der Redaktion geändert
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