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Wenn man ihn in <strong>de</strong>r Schlussszene sieht, versteckt<br />
hinter dieser merkwürdigen Sonnenbrille, muss man<br />
das sehr bezweifeln. »Wir haben jetzt American<br />
Burger, was sagen Sie dazu?«, fragt ihn <strong>de</strong>r junge<br />
Vietnamese. Gar nichts. Thomas hat nichts mehr zu<br />
sagen. Aber das Leben geht weiter.<br />
Ist Thomas tatsächlich »zu nett«, wie es einmal<br />
heißt, um mit <strong>de</strong>r Situation wirklich umgehen<br />
zu können, o<strong>de</strong>r fehlt ihm schlichtweg <strong>de</strong>r Mut, sich<br />
zu entschei<strong>de</strong>n?<br />
Klar, er ist irgendwo ein Feigling, drückt sich lange vor<br />
einer Entscheidung, möchte nieman<strong>de</strong>m wehtun,<br />
einfach nett sein. Deshalb sind nette Leute ja so nett,<br />
weil sie uns nicht vor <strong>de</strong>n Kopf stoßen. An<strong>de</strong>rerseits<br />
kann er sich in diesem Zustand zwischen Frau und<br />
Geliebter nicht einrichten, dafür ist er, wie Cornelia<br />
sagt, nicht zynisch genug. Als er sich dann doch entschei<strong>de</strong>t,<br />
ist es zu spät.<br />
Mit Thomas und Huong begegnen sich nicht nur zwei<br />
unterschiedliche soziale Klassen, son<strong>de</strong>rn auch zwei<br />
unterschiedliche Kulturen. Ist »<strong>Jahr</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Drachen</strong>«<br />
auch ein Kommentar zum Zustand unserer globalisierten<br />
Welt?<br />
Mit solchen Kommentaren tue ich mich schwer. Aber<br />
natürlich spiegeln sich im Privatesten, in dieser Liebesbeziehung,<br />
die sozialen und politischen Verhältnisse<br />
wi<strong>de</strong>r, wenn Sie so wollen, die alten kolonialen<br />
Strukturen. Cornelia, die ja nun im Unterschied zu<br />
Thomas wun<strong>de</strong>rbar zynisch ist, bringt es auf <strong>de</strong>n<br />
Punkt, wenn sie die Beziehung zwischen Thomas und<br />
Huong »eine Art Joint Venture« nennt. Wir haben<br />
das Geld, sie haben ihre Körper. Das ist nicht die ganze<br />
Wahrheit über diese Liebe, aber es ist ein Aspekt, <strong>de</strong>r<br />
immer wie<strong>de</strong>r mit hineinspielt.<br />
Einst flogen die USA Napalm-Angriffe gegen die<br />
Truppen Nordvietnams, heute gibt es US-amerikanische<br />
Fastfood-Ketten in Vietnam – das wird in<br />
Ihrem Buch ja auch thematisiert. Sind es diese Wendungen,<br />
die dieses Land zu einem i<strong>de</strong>alen Schauplatz<br />
Ihrer Geschichte machen?<br />
Ich hätte mit <strong>de</strong>r Geschichte zum Beispiel auch nach<br />
Thailand gehen können. Aber Thailand ist nie kolonisiert<br />
wor<strong>de</strong>n, hat nie gegen »uns« Krieg geführt, gegen<br />
Franzosen und Amerikaner. Der »amerikanische<br />
Krieg« ist in Vietnam noch sehr präsent. Denken Sie<br />
nur an dieses Entlaubungsmittel, Agent Orange. Es<br />
wer<strong>de</strong>n immer noch Kin<strong>de</strong>r mit schwersten Behin<strong>de</strong>rungen<br />
geboren. Wenn man als westlicher Auslän<strong>de</strong>r<br />
nach Vietnam fährt, wird man damit konfrontiert.<br />
Erst recht, wenn man dort eine Liebe gefun<strong>de</strong>n hat<br />
wie Thomas o<strong>de</strong>r Geschäfte machen will. Man muss<br />
nur hinter die Maske <strong>de</strong>r Höflichkeit blicken.<br />
Wie gut kennen Sie Vietnam? Waren Sie vor Ort, um<br />
für das Buch zu recherchieren?<br />
Ich war mehrfach in Vietnam. Einen großen Teil <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Drehbuchs habe ich in Saigon geschrieben. Torsten C.<br />
Fischer kam zum ersten Mal zur Drehvorbereitung in<br />
die Stadt. Er war überwältigt.<br />
Thomas Eichner ist stolz darauf, als Jugendlicher gegen<br />
<strong>de</strong>n Vietnam-Krieg protestiert zu haben, begegnet<br />
jetzt aber Vietnamesen, die wegen <strong><strong>de</strong>s</strong> Siegs <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
kommunistischen Nor<strong>de</strong>ns ihre Heimat verlassen<br />
mussten. Geht es Ihnen hier um die Selbstgewissheit<br />
<strong>de</strong>r Menschen im reichen Westen, irgendwie schon<br />
das Richtige zu tun, auch wenn sie die komplexe<br />
Wirklichkeit gar nicht richtig durchschaut haben?<br />
Wie gesagt, es geht mir nicht darum, etwas zu kommentieren<br />
o<strong>de</strong>r zu kritisieren. Man fin<strong>de</strong>t diese Dinge<br />
und stößt auf diese Fragen, wenn man einfach nur<br />
seinen Personen folgt.<br />
Bei <strong>de</strong>r ersten Begegnung mit Huong weiß Thomas<br />
nicht, dass sie von seinen Geschäftspartnern<br />
bezahlt wur<strong>de</strong>. Später verschweigt er seine Ehe, sie<br />
verschweigt ihm ihre Tochter. Wollen die bei<strong>de</strong>n<br />
die Wahrheit nicht sehen, o<strong>de</strong>r sind sie sich einfach<br />
zu fremd?<br />
Ich <strong>de</strong>nke, dass bei<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>de</strong>r Fall ist. Thomas und Huong<br />
wissen nicht viel voneinan<strong>de</strong>r. Vielleicht können sie<br />
sich <strong><strong>de</strong>s</strong>halb so viel voneinan<strong>de</strong>r erhoffen? Die Wahrheit<br />
ist, fürchte ich, dass diese Beziehung letztlich<br />
keine Chance gehabt hätte.<br />
Auch wenn die bei<strong>de</strong>n miteinan<strong>de</strong>r sprechen, gibt es<br />
doch viel Unausgesprochenes. Ist die Liebesszene<br />
gewissermaßen <strong>de</strong>r wahrhaftigste, weil nonverbale<br />
Moment in ihrer Beziehung?<br />
Vielleicht, ja. Und Huong legt Thomas sogar die Hand<br />
<strong>Jahr</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Drachen</strong> | 5