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RAL 1015 taxi news Heft 5-2017

RA Decker

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der Ortskunde im Mietwagen- und<br />

Krankenkraftwagenverkehr künftig für<br />

vertretbar erachtet wird“.<br />

Dankenswerterweise wird dieser Beschluss<br />

auch noch begründet:<br />

„Im Gegensatz beispielsweise zum<br />

Taxifahrer ist das Fahrtziel in der Regel<br />

im Vorfeld bekannt. Eine geeignete<br />

Fahrtroute kann somit bereits vor<br />

Fahrtantritt ausgewählt werden. In der<br />

Praxis werden die Fahrpreise meist<br />

im Voraus verhandelt oder von den<br />

Krankenkassen vorgegeben. Umwege<br />

wirken sich nicht auf den Fahrpreis<br />

aus“.<br />

Im nächsten Absatz folgt jedoch der Passus:<br />

„Diesem Umstand trägt unter anderem<br />

auch § 40 … BOKraft Rechnung,<br />

wonach im Mietwagenverkehr die Beförderungsentgelte<br />

nach der Anzeige<br />

des Wegstreckenzählers (§ 30 Abs. 1)<br />

zu berechnen sind, wenn nichts anderes<br />

vereinbart ist“.<br />

Aha. Das soll einer verstehen. Also, dass<br />

der Mietwagenfahrer ohne nachgewiesene<br />

Ortskunde fortan, vor Auftragsausführung,<br />

die Fahrt auf dem Reisbrett austüftelt, geht<br />

doch deutlich an der Lebenswirklichkeit –<br />

Spontanverkehr mit Mietwagen a la Uber<br />

etc. – vorbei. Und, wenn der Mietwagenfahrer<br />

wegen fehlender Ortskunde stundenlang<br />

im Kreis fährt, dann darf er sich in<br />

Zukunft die Folgen seiner Unkenntnis auch<br />

noch über den Wegstreckenzähler vergolden<br />

lassen. Hmmh. So richtig überzeugend<br />

ist die Begründung nicht.<br />

Ich war bisher der Ansicht, dass der<br />

Verordnungsgeber durch die Ortskundeprüfung<br />

verhindern wollte, dass Mietwagenkunden<br />

und Kranke mit unkundigen<br />

Fahrern durch die Gegend irrlichtern. Egal,<br />

ob Festpreis oder nicht. Auch Kranke und<br />

Mietwagenkunden möchten zügig ihr Ziel<br />

erreichen und nicht auf der B1 oder der<br />

Stadtautobahn „verrecken“, weil das Navi<br />

den Fahrer dorthin gelotst hat.<br />

Aber bevor man sich über die Begründung<br />

aufregt, sollte noch hinterfragt werden,<br />

ob der Bund-Länder-Fachausschuss Fahrerlaubnis/Fahrlehrerrecht<br />

(BLFA) oder die<br />

Verkehrministerien der Länder überhaupt<br />

Rechtsetzungsbefugnis besitzen, die<br />

Ortskundeverpflichtung abzuschaffen.<br />

Der Verordnungsgeber ist und bleibt – wie<br />

oben dargelegt – der Bundesverkehrsminister.<br />

Anzunehmen ist, dass die Bayern ihre Befähigung<br />

zur Abschaffung der Ortskunde auf<br />

§ 73 FeV stützen, da sie hiernach zur Ausführung<br />

der Vorschriften des FeV berechtigt<br />

sind und nach § 74 FeV auch Ausnahmen<br />

zulassen können.<br />

Der Wortlaut des § 74 FEV klingt so:<br />

(1) Die nach Landesrecht zuständigen<br />

Behörden können in bestimmten Einzelfällen<br />

oder allgemein für bestimmte<br />

einzelne Antragsteller Ausnahmen<br />

von den Vorschriften dieser Verordnung<br />

genehmigen.<br />

Wie Sie richtig lesen, steht dort also nicht,<br />

dass die Landesbehörde ganze Bestimmungen<br />

der Verordnung abschaffen kann,<br />

sondern, dass die Landesbehörde in<br />

bestimmten Einzelfällen oder allgemein<br />

für bestimmte Antragsteller Ausnahmen<br />

von den Vorschriften dieser Verordnung<br />

genehmigen kann. Der Wegfall der Ortskundeprüfung<br />

für Krankenwagenverkehr und<br />

Mietwagen ist jedoch weder ein Einzelfall,<br />

da es in Bayern für alle ab sofort gilt, noch<br />

gilt es allgemein für bestimmte einzelne<br />

Antragsteller. Und eine Genehmigung im<br />

Sinne der Verordnung stellt das Vorgehen<br />

der Bayern auch nicht da, vielmehr handelt<br />

es sich um eine Allgemeinverfügung für deren<br />

Erlass die einzelnen Landesbehörden<br />

gerade keine Kompetenz haben dürften.<br />

Nach meinem Dafürhalten ist daher der<br />

Alleingang der Bayern, dem Berlin noch<br />

vor Änderung der FeV nachhoppeln will,<br />

rechtswidrig.<br />

Was ist insgesamt von der<br />

Abschaffung der Ortskundeverpflichtung<br />

zu halten?<br />

Richtig ist, dass mittlerweile wohl alle<br />

Taxen und Mietwagen mit einem Navi<br />

ausgestattet sind. Fraglich bleibt, ob das<br />

wirklich die Ortskunde ersetzt. Im Medizinstudium<br />

bleibt die Anatomielehre hoffentlich<br />

auch noch länger Bestandteil, obwohl<br />

der Mediziner noch am OP-Tisch alles über<br />

den menschlichen Körper googeln könnte.<br />

Jeder Fahrer wird nach einiger Fahrpraxis<br />

bemerken, dass die Lernerei auch etwas<br />

Gutes hatte. Im Hirn entsteht nämlich ein<br />

Orientierungsplan der Stadt, der stetig abzurufen<br />

ist – auch offline und ohne Strom!<br />

In einer Stadt wie Berlin, in der Straßenführungen<br />

wegen Großveranstaltungen,<br />

Politikerbesuchen, Baustellen und anderen<br />

Katastrophen oft geändert werden, ist der<br />

Fahrer, gleich ob Taxi-, Miet- oder Krankenwagenfahrer,<br />

ohne eigene, fundierte<br />

Ortskenntnis verloren.<br />

Fraglich bleibt auch, warum zwischen<br />

Taxen und Mietwagen hinsichtlich der<br />

Berufswahl nunmehr ein so deutlicher Unterschied<br />

geschaffen werden soll, obwohl<br />

die Flotte der Mietwagenunternehmer und<br />

Vermittler (call it Uber, baby) immer stärker<br />

in den Taxenmarkt dringt – zumindest in<br />

Berlin und München.<br />

Oder anders: Welcher Trottel lernt noch<br />

drei Monate stramm für die Ortskunde<strong>taxi</strong>prüfung,<br />

wenn er sich als Mietwagenfahrer<br />

sofort hinter das Steuer schwingen kann?<br />

Wenn man sich dann noch neueste Gutachten<br />

aus dem Hause des Verkehrsministeriums<br />

ansieht und die Diskussion um die<br />

Erforderlichkeit der Rückkehrverpflichtung<br />

für Mietwagen verfolgt, muss man kein<br />

Prophet sein, um zu erkennen: Das Taxengewerbe<br />

sieht einer ungemütlichen Zukunft<br />

entgegen und diese kann schneller kommen<br />

als man denkt. Es ist anzuraten, die<br />

Ressentiments der Verbände und Einzelner<br />

untereinander nun hinten anzustellen und<br />

flugs gemeinsam Strategien zu entwickeln.<br />

Rechtsanwältin<br />

Alexandra Decker<br />

DECKER & KOLLEGEN<br />

Rechtsanwälte und Steuerberaterin<br />

<br />

<br />

Verkehrsrecht · Immobilienrecht<br />

Wettbewerbsrecht · Urheberrecht<br />

Familienrecht<br />

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5/<strong>2017</strong> · <strong>RAL</strong> <strong>1015</strong> <strong>taxi</strong><strong>news</strong> 7

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