Jenseits von PISA Verantwortung der Lehrpersonen - beim LCH
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BILDUNG SCHWEIZ: Was än<strong>der</strong>t sich für<br />
die Arbeitnehmenden mit dem Abschluss<br />
eines GAV?<br />
Roland Misteli: Bisher wurde das Anstellungsrecht<br />
einseitig <strong>von</strong> <strong>der</strong> Regierung<br />
und vom Parlament, dem Kantonsrat<br />
festgelegt. Neu werden die Bedingungen<br />
partnerschaftlich ausgehandelt.<br />
Der GAV ist ein Instrument, das aus <strong>der</strong><br />
Privatwirtschaft kommt. Was bedeutet<br />
er für die Sicherheit <strong>der</strong> Stellen?<br />
Der kantonale Beamtenstatus, <strong>der</strong> den<br />
Staatsbeschäftigten beson<strong>der</strong>e Arbeitsplatzgarantien<br />
bot, wurde bei uns im<br />
Jahr 2001 aufgehoben. Die frühere<br />
Anstellungssicherheit war aber schon<br />
1993 weggefallen; insbeson<strong>der</strong>e bei Aufhebung<br />
<strong>von</strong> Stellen konnte seither den<br />
Betroffenen gekündigt werden.<br />
Lohnklassen, Stufenanstiege, Dienstaltersgeschenke<br />
usw. waren Begriffe, die<br />
man früher mit dem öffentlichen Dienst<br />
verband. Fallen diese nun weg? Wird<br />
je<strong>der</strong> Lohn nun frei ausgehandelt?<br />
Ganz sicher nicht. Ein öffentlicher Arbeitgeber<br />
ist dem Gleichbehandlungsgebot<br />
unterworfen und kann Löhne<br />
nicht willkürlich festlegen. Deshalb hat<br />
er ein hohes Interesse an einem Lohnsystem,<br />
das auf rationalen Kriterien<br />
beruht und klar regelt, wer wie einzureihen<br />
ist. Wir hatten bereits 1996 eine<br />
Besoldungsrevision für die Kantonsangestellten<br />
und die Lehrerschaft, bei <strong>der</strong><br />
man die bis dahin je nach Personalgruppe<br />
unterschiedlichen Besoldungssysteme<br />
vereinheitlichte. Diese wurde nun<br />
praktisch unverän<strong>der</strong>t in den GAV übernommen.<br />
Die Staatsbediensteten mussten in den<br />
letzten Jahren immer wie<strong>der</strong> die Erfahrung<br />
machen, dass Regierungen und Parlamente<br />
willkürlich mit ihren Löhnen<br />
umsprangen: Teuerungsausgleich, Erfahrungsanstiege<br />
und an<strong>der</strong>e Bestandteile<br />
wurden je nach Situation gekürzt<br />
o<strong>der</strong> gestrichen. Bietet <strong>der</strong> GAV eine gewisse<br />
Sicherheit gegen solche Willkür?<br />
Was den Erfahrungsanstieg betrifft, so<br />
hatten wir schon bisher aufgrund <strong>der</strong><br />
Besoldungsrevision <strong>von</strong> 1996 eine ge-<br />
wisse Sicherheit. Bei <strong>der</strong> Teuerung hingegen<br />
waren wir <strong>der</strong> Willkür des Parlaments<br />
ausgeliefert. Mal wurde sie ausgeglichen<br />
o<strong>der</strong> es gab sogar etwas mehr,<br />
meistens aber gab es weniger o<strong>der</strong> gar<br />
nichts, so dass wir heute einen klaren<br />
Rückstand haben.<br />
Neu handelt <strong>der</strong> Regierungsrat mit den<br />
Personalverbänden den Teuerungsausgleich<br />
aus. Kann man sich nicht einigen,<br />
so entscheidet die Regierung. Die<br />
Personalverbände sind dann allerdings<br />
<strong>von</strong> <strong>der</strong> Friedenspflicht entbunden.<br />
Wichtig ist, dass das Parlament die Verhandlungsergebnisse<br />
o<strong>der</strong> Regierungsentscheide<br />
in diesem Bereich nicht mehr<br />
umstossen kann. Es kann allerdings das<br />
Kantonsbudget nicht akzeptieren, und<br />
dann ist die Regierung im Dilemma.<br />
Was bedeutet in diesem Zusammenhang<br />
«Friedenspflicht»?<br />
Die Friedenspflicht ist ein Teil des GAV<br />
und heisst: Wir haben das Recht über<br />
unsere Anstellungsbedingungen zu verhandeln<br />
und mitzubestimmen; dafür<br />
verpflichten wir uns, uns an die Verhandlungsergebnisse<br />
zu halten und so<br />
lange diese gelten keine Arbeitskampfmassnahmen<br />
dagegen zu ergreifen.<br />
AUS DEM <strong>LCH</strong><br />
«Entscheidend ist: mit einer Stimme sprechen»<br />
Seit 1. Januar 2005 gilt für die Angestellten im öffentlichen Dienst des Kantons Solothurn<br />
ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) – das erste Vertragswerk dieser Art in <strong>der</strong> Schweiz. Verhandlungspartner<br />
war auch <strong>der</strong> Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO). Über die<br />
Bedeutung des GAV unterhielt sich BILDUNG SCHWEIZ mit LSO-Geschäftsführer Roland Misteli.<br />
Roland Misteli, Geschäftsführer des Berufsverbandes Lehrerinnen und Lehrer<br />
Solothurn (LSO).<br />
25<br />
Von wem kam <strong>der</strong> Anstoss für einen<br />
GAV – <strong>von</strong> <strong>der</strong> Arbeitnehmerschaft<br />
o<strong>der</strong> vom Arbeitgeber?<br />
Im Zug <strong>der</strong> Einführung einer «wirkungsorientierten<br />
Verwaltungsführung» im<br />
Kanton Solothurn fanden Politiker im<br />
Kantonsrat, dazu gehöre auch ein GAV.<br />
We<strong>der</strong> wir noch die Regierung fanden<br />
das anfänglich eine gute Idee. Das<br />
än<strong>der</strong>te sich, nachdem die Rahmenbedingungen<br />
geklärt waren. Unser Hauptanliegen<br />
hiess: Nur ein GAV für das<br />
gesamte Staatspersonal. Für die Regierung<br />
war es wichtig, abschliessend, also<br />
ohne Eingriffsmöglichkeit des Parlaments,<br />
verhandeln zu können. Als dies<br />
feststand, waren wir bereit, in Verhandlungen<br />
einzutreten. Wir konnten dabei<br />
<strong>von</strong> den Erfahrungen <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
aus <strong>der</strong> Privatwirtschaft und beispielsweise<br />
Swisscom o<strong>der</strong> SBB profitieren.<br />
An<strong>der</strong>seits war doch vieles an<strong>der</strong>s<br />
und neu bei einem GAV, <strong>der</strong> für 9000<br />
Angestellte in unterschiedlichsten<br />
Funktionen gelten muss. Es war auch<br />
ein ganzer Berg <strong>von</strong> Gesetzen, Verordnungen<br />
und Vorschriften zu überprüfen:<br />
Was muss in den GAV hineingenommen<br />
werden und was lässt sich<br />
ersatzlos aufheben?<br />
Foto: Heinz Weber