Sachwert Magazin Ausgabe 63, Januar 2018
DIRK MÜLLER: Warum die Krise unausweichlich ist und welche Optionen sie bietet. GÖTZ WERNER: Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen. CLAUS VOGT: Der Nikkei Index
DIRK MÜLLER: Warum die Krise unausweichlich ist und welche Optionen sie bietet.
GÖTZ WERNER: Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen.
CLAUS VOGT: Der Nikkei Index
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Geldpolitik<br />
Bilder: Giacinto Carlucci, Cover: Bastei<br />
Veränderung ist bitter nötig, denn sonst<br />
knallt’s. Marc Friedrich: Wir alle spüren<br />
doch intuitiv, dass seit Jahren etwas nicht<br />
stimmt und die Welt aus den Fugen geraten<br />
ist. Es haben sich kapitale Fehler eingeschlichen,<br />
die wir nun konstruktiv angehen<br />
müssen. Bevor die Kollateralschäden<br />
der Finanz-Tsunamis der letzten Jahre<br />
noch schlimmer werden.<br />
Was stand am Anfang Ihres Gemeinschaftswerks?<br />
Welche konkreten Beobachtungen<br />
waren Auslöser für Ihr<br />
Buch?<br />
Matthias Weik: Die Gesellschaft driftet<br />
immer weiter auseinander. Viele Parteien<br />
vertreten nicht mehr die Interessen der<br />
Bürger, sondern die von Konzernen und<br />
Finanzlobbys. Aus diesem Grund haben<br />
wir uns entschieden, ein überparteiliches<br />
„Programm“ zu schreiben. Ein Programm<br />
für die Menschen. Marc Friedrich: Obwohl<br />
Deutschland seit Jahren wirtschaftlich auf<br />
der Überholspur fährt, kommt dies er<br />
Wohlstand bei den meisten Menschen<br />
nicht an. Hier läuft etwas gewaltig schief.<br />
Parallel erleben wir immer schlimmere Krisen<br />
und eine Finanzmarktblase nach der<br />
anderen. Der Euro und die EU wanken bedenklich.<br />
Nachhaltige Lösungsvorschläge<br />
aus Wirtschaft und Politik? Fehlanzeige!<br />
Unsere Schlussfolgerung: Das muss „von<br />
unten“ kommen, aus der Gesellschaft.<br />
Götz Werner: Ich trete ja seit längerem für<br />
die Ideen eines BGE und einer ausschließlichen<br />
Besteuerung<br />
des Konsums<br />
ein. Und ich versuche<br />
den Menschen<br />
zu erklären,<br />
dass unsere Wirtschaft<br />
viel zu sehr<br />
von der Illusion<br />
getrieben ist, Geld sei ein Wert an sich.<br />
Weil wir ständig aufs Geld starren, sehen<br />
wir meist nur „Finanzierungsprobleme“.<br />
Dabei sollte die eigentliche Frage doch<br />
lauten: Wie machen wir es möglich, dass<br />
jeder seine ureigenen Fähigkeiten und<br />
Ideen in eine Wirtschaft einbringen kann,<br />
die so leistungsfähig ist, wie keine zuvor –<br />
und die doch unsinniger Weise allzu viele<br />
Menschen zurück lässt.<br />
Was alarmiert Sie momentan am meisten?<br />
Matthias Weik: Das sich die Bürger von<br />
der Politik nicht mehr abgeholt und vertreten<br />
fühlen. Marc Friedrich: Ja, nicht<br />
nur unser Wohlstand steht auf dem Spiel<br />
sondern auch die Demokratie. Das bereitet<br />
mir große Bauchschmerzen. Die Parteien<br />
versagen am laufenden Band, und<br />
zeitgleich betreibt die EZB ein einmaliges<br />
Notenbankexperiment, um das Geldkarussell<br />
am Laufen zu halten – was jedoch<br />
zum Scheitern verurteilt ist. Götz Werner:<br />
Mich stört, dass viele politische und wirtschaftliche<br />
Scheindebatten sehr laut geführt<br />
werden – und Diskussionen über die<br />
Grundlagen einer wirklich sozialen Marktwirtschaft<br />
viel zu wenig.<br />
„Radikal neu denken“, fordern Sie im<br />
Untertitel. Welche Bereiche betrifft<br />
das konkret?<br />
Matthias Weik: Die Finanzwelt, das Thema<br />
Steuern und unsere Wirtschafts- und<br />
Arbeitswelt, welche durch die „Industrie<br />
4.0“ komplett auf den Kopf gestellt und<br />
für viele Menschen zu heute noch kaum<br />
vorstellbaren Veränderungen führen<br />
wird. Marc Friedrich: Wir müssen komplett<br />
neu denken! Wir brauchen wieder<br />
Politiker anstelle von Berufspolitikern und<br />
Parteien, die nicht in Schubladen denken<br />
und ihren jeweiligen Ideologien verhaftet<br />
sind. Sondern die im Sinne der Menschen<br />
und des Landes agieren. Wir müssen die<br />
Wirtschaft wieder menschlicher gestalten<br />
und mit Sinn füllen, ansonsten fahren wir<br />
komplett gegen die Wand. Noch ist Zeit<br />
das Ruder herumzureißen. Götz Werner:<br />
Ich versuche in meinen Vorträgen immer<br />
deutlich zu machen, dass vieles in unserer<br />
Wirtschaft darum falsch läuft, weil wir<br />
es falsch denken. Nämlich betriebswirtschaftlich<br />
verengt statt volksund gemeinwirtschaftlich.<br />
Nur Unternehmen haben<br />
Kosten. Volkswirtschaftlich betrachtet<br />
lösen sich alle Kosten bis auf den letzten<br />
Cent in<br />
Einkommen<br />
auf.<br />
Weshalb-<br />
Gesellschaften<br />
vor allem<br />
darüber<br />
entscheiden müssen, wie sie ihre Einkommensströme<br />
regulieren wollen.<br />
Es ist eine Illusion,<br />
Geld sei ein<br />
Wert an sich.<br />
Ein wichtiges Schlagwort in Ihrem<br />
Buch sind die Steuern. Wie würden<br />
Sie folgenden Satzanfang weiterformulieren:<br />
„Die Steuern sprudeln,<br />
aber….“<br />
Götz Werner: …wir leisten uns trotzdem<br />
noch immer Armut. Das ist ein Skandal!<br />
Matthias Weik: …viele internationale<br />
Großkonzerne und Superreiche bezahlen<br />
kaum Steuern. Was läuft da falsch? Marc<br />
Friedrich: …trotzdem zahlt Deutschland<br />
keinen Cent Schulden zurück. Da frage<br />
ich mich als Ökonom: Wenn nicht in<br />
Rekordjahren - wann dann? Wer, wenn<br />
nicht wir als „Exportweltmeister“? Und<br />
wie können wir obendrein erwarten, dass<br />
krisengeplagte Länder wie Griechenland,<br />
Italien oder Spanien jemals ihre Schulden<br />
zurückzahlen werden?<br />
Was ist nötig, um unser Wirtschaftssystem<br />
und unsere soziale Grundordnung<br />
zukunftsfähig zu machen?<br />
Matthias Weik: Eine strikte Regulierung<br />
des Finanzsystems, eine Insolvenzordnung<br />
für Banken und für Staaten, ein faires<br />
Steuersystem – und die Abschaffung des<br />
Euro. Marc Friedrich: Alle Steuern abschaffen<br />
bis auf eine - die Konsumsteuer.<br />
Parallel: Einführung eines bedingungslosen<br />
Grundeinkommens. Götz Werner:<br />
In Deutschland und Europa gäbe es längst<br />
„Wohlstand für alle“, wenn es ein Einkommen<br />
für alle gäbe. Wenn die Mehrheit<br />
der Menschen das denken kann,<br />
können wir ein BGE notfalls über Nacht<br />
einführen.<br />
Ein großes Thema in Ihrem Buch ist<br />
das „bedingungslose Grundeinkommen“<br />
(BGE). Wie definiert sich das genau?<br />
Was umfasst es und was soll es<br />
bewirken?<br />
Götz Werner: Jeder Mensch hat das Recht