28 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>April</strong> <strong>2013</strong> Sexismus Frauen sind auch nur Menschen Wider den heuchlerischen Sexismus von Hermann Strasser Foto: Florian Schott, wikimedia commons
<strong>April</strong> <strong>2013</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 29 Dass die sexuellen Anzüglichkeiten des im Aufstieg befindlichen FDP-Politikers Rainer Brüderle einen stürmischen Schwarm im Internet ausgelöst haben und damit die Aufmerksamkeitsmaschine von jetzt auf gleich in Gang gesetzt wurde, war wohl der eigentliche Grund für die Debatte. Warum erfolgt aber ein „Aufschrei“ hier und nicht auch bei Altersarmut, Ungleichheit, Rassismus, Behinderung und Eurokrise, wo doch jeder weiß, nicht zuletzt die aufschreienden Feministinnen, dass Sexismus nicht isoliert von anderen Problemen gesehen werden kann? Sind es etwa keine ins mediale Quotenprofil passende Themen? Oder wird ohnehin nur berichtet, was gefällt? Natürlich stößt die Meldung über Brüderles Verhalten <strong>heute</strong> auf mehr Beachtung, weil er jetzt ein neues Amt inne hat, Deutschland Neuwahlen entgegengeht und es damit mehr Aufmerksamkeit erzeugt. Politisches oder persönliches Kalkül? Sind die Sorgen der Frauen allein dem Zeitgeist unterworfen? Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die feministische Empörungsmaschinerie keine besseren Inhalte zu bieten hat als zwei- und mehrdeutige Äußerungen. Eine Gruppe von Menschen, in diesem Falle die Männer, unter Generalverdacht zu stellen, war noch nie eine gute, Ziel führende Strategie. Sie lenkt einerseits vom tatsächlichen Sexismus ab, den viele Frauen tagtäglich am Arbeitsplatz durch sexuelle Gefügigkeit und männlich dominierte Netzwerke, aber auch in der Familie durch Drohungen und Gewalt erleben. Deshalb ist meines Erachtens auch die Frauenquote keine Lösung, eher ein Bumerang. Auf lange Sicht schadet sie den Frauen, wenn sie zu Quotenfrauen abgestempelt und ihre beruflichen Qualitäten nicht Ernst genommen werden. Letztlich verführt uns der zitierte Generalverdacht aber zu einem Wenn Lappalien zu Skandalen hochgeschraubt werden, dann richten wir uns eine Gesellschaft ein, die nicht mehr lebenswert ist, weil sie uns von den menschlichen Beziehungen, den eigentlichen Grundlagen unserer Gesellschaft, entfernen. Nichtverstehen der Gesellschaft, denn den „alten Sack“ gäbe es nicht ohne die „flotte Biene“. Auch Frauen bringen ihre Stärken, auch ihre sexuellen Vorzüge, im beruflichen und privaten Leben zur Geltung. Oder, um ein extremes, aber umso deutlicheres Beispiel zu nehmen: Wie ist die geschlechtliche Rekrutierung oder so manches Techtelmechtel am europäischen Hofstaat zu verstehen, wenn nicht auch, wahrscheinlich sogar vorwiegend unter sexuellen Vorzeichen? Da findet Kate Middleton, die Mitarbeiterin im elterlichen Unternehmen „Party Pieces“, endlich ihren geliebten Prinz William vom britischen Königshaus. Mary Donaldson hat es bestimmt nicht geschadet, dass sie Marketingfachfrau war, bevor sie den Kronprinz Frederik von Dänemark heiratete. Ähnliches dürfte auch für die Ökonomin Máxima Zorreguieta Cerruti gelten, die Frau des neuen niederländischen Königs Willem-Alexander. Natürlich war Fürst Albert II. von den sportlichen Leistungen der Schwimmerin Charlene Wittstock so sehr beeindruckt, dass er sie zur Frau nahm. Für den Weg ins Königshaus kann allerdings der Beruf einer TV-Journalistin wie im Falle von Letizia Ortiz, der Frau des Kronprinzen Felipe von Spanien, ebenso wichtig sein wie das gemeinsame Hochschulparkett, wie die Studentin Mette-Marit Tjessem Hoiby bei der Wahl ihres Ehepartners, des norwegischen Kronzprinzen Haakon, unter Beweis gestellt hat. Wenn sich aber die hübsche Kate im britischen Königshaus, um nur ein Beispiel herauszugreifen, als bloße Gebärmaschine entpuppen sollte, wie das von der royalen und medialen Maschinerie erwartet wird, dann sind wir wieder beim seelenlosen Püppchen angelangt. Wer schreit dann auf? Der Boulevard und die Politik bestimmt nicht. Natürlich schließen diese Fälle den umgekehrten Weg nicht aus, wie wiederum der Fitnesstrainer und spätere Ehemann von Kronprinzessin Victoria von Schweden, Daniel Westling, demonstriert. Natürlich gilt das für die bürgerliche Heiratsspur genauso, wenn ich nur an die tüchtige Rezeptionistin Ingrid in einem Tiroler Hotel denke, die sich den Milliardär Friedrich Karl Flick als Ehepartner angelte. Immerhin räumen <strong>heute</strong> Schauspielerinnen wie Senta Berger ein, dass sie früher von ihrem guten Aussehen profitiert hätten. Wie gesagt: Fast nichts ist unmöglich! Wenn aber Lappalien zu Skandalen hochgeschraubt werden, dann richten wir uns eine Gesellschaft ein, die nicht mehr lebenswert ist, weil sie uns von den menschlichen Beziehungen, den eigentlichen Grundlagen unserer Gesellschaft, entfernen. Entscheidend ist nicht, was nur die Frau empfindet, wenn ich ihr in den Mantel helfe oder die Tür aufhalte, sondern was Sitte und Brauch ist. Denn Sitte und Brauch stiften Sinn, und dieser Sinn braucht Zeit, um in die Welt zu kommen und uns Orientierung zu geben. Sitten und Bräuche, Gesetze und Symbole sind aber Menschen gemacht, also dem Wandel unterworfen, der nicht von <strong>heute</strong> auf morgen zustande kommt. Das betrifft auch den Unterschied zwischen Flirten und