Festival-Programm "Bach333-Wir feiern Bach!"
Das offizielle Festival-Program zu Bach333.
Das offizielle Festival-Program zu Bach333.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Einführung<br />
Kein Dogma<br />
In einer Denkschrift an den Leipziger<br />
Rat erklärte Johann Sebastian <strong>Bach</strong>,<br />
dass er für die Aufführung einer figuralen<br />
Kirchenmusik (einer Kantate, Messe<br />
oder einem Magnificat) 12 bis 16 Sänger<br />
(4 bis 8 Solisten und 8 Ripienisten) benötige<br />
− mithin drei bis vier pro Stimmlage.<br />
Inwieweit diese Besetzung tatsächlich<br />
erreicht wurde, ist aufgrund der<br />
Aktenlage nicht zu sagen. Das Vorhandensein<br />
von nur wenigen Vokalstimmen<br />
wurde von einigen Musikwissenschaftlern<br />
dahingehend gedeutet, <strong>Bach</strong> habe<br />
in Leipzig überwiegend mit einem Vokalchor<br />
von vier Sängern musiziert. Freilich<br />
sind dieser Hypothese verschiedene<br />
Argumente entgegenzuhalten: Zunächst<br />
ist davon auszugehen, dass nicht alle<br />
der einst geschriebenen Aufführungsstimmen<br />
überliefert sind. Andererseits<br />
hat <strong>Bach</strong> wohl nur dann Zweitstimmen<br />
angefertigt oder ausschreiben lassen,<br />
wenn er diese für zwingend notwendig<br />
hielt. Darüber hinaus waren für ihn<br />
solche zusätzlichen Arbeiten überaus<br />
zeitraubend. Zudem ergaben sich durch<br />
das Ausschreiben von Dubletten neue<br />
Fehler, die in mühevoller Revisionsarbeit<br />
hätten korrigiert werden müssen.<br />
Letztlich sind die Originalstimmen wohl<br />
bewusst so weiträumig und großformatig<br />
geschrieben, damit sie mühelos<br />
auch von zwei oder drei hinter einem<br />
Pult stehenden Sängern zu lesen sind.<br />
Das gemeinsame Singen hinter festinstallierten,<br />
etwa 2,30 Meter langen Pulten<br />
ist in verschiedenen Leipziger Dokumenten<br />
belegt. Tatsächlich bot diese<br />
Art der Aufstellung hinreichend Platz<br />
für mehrere neben- beziehungsweise<br />
hintereinander stehende jugendliche<br />
Sänger. Grundsätzlich stand die relativ<br />
kleine Sängerschar direkt am Geländer<br />
der Chorempore und war dadurch im<br />
Kirchenraum besser zu hören. An dieser<br />
Aufstellung ist im Prinzip bis zum Ende<br />
der Amtszeit des Thomaskantors Günther<br />
Ramin (1956) festgehalten worden.<br />
Geändert wurde sie erst durch seinen<br />
Nachfolger Kurt Thomas. Seitdem singen<br />
die Thomaner direkt vor der großen<br />
Sauerorgel, also hinter dem Orchester.<br />
Zur Zeit <strong>Bach</strong>s war die Aufstellung der<br />
Instrumentalisten eine gänzlich andere:<br />
Links und rechts über dem Sängerchor<br />
hatte der Leipziger Rat schon 1632 zwei<br />
„Emporkirchen“ (also zwei separate<br />
Emporen) errichten lassen, eine für die<br />
Stadtpfeifer, eine weitere für die Kunstgeiger.<br />
Jede bot 10 Stellplätze, sodass<br />
insgesamt 20 Musiker dort bequem<br />
Platz finden konnten. Im Frühsommer<br />
1739 kam es zu einer baulichen Erweiterung<br />
jener Emporen, sodass fortan<br />
mehr als 20 Stellplätze für die Musiker<br />
existierten. Mit diesem Umbau war die<br />
Voraussetzung geschaffen, dass der<br />
Thomaskantor bei Bedarf auch mit größeren<br />
Besetzungen musizieren konnte,<br />
beziehungsweise der bisherige Mangel<br />
an Stellplätzen für die Musiker behoben<br />
war.<br />
<strong>Bach</strong> hatte in Leipzig mit einem heterogenen<br />
Ensemble von Stadtpfeifern,<br />
Kunstgeigern, Chorschülern, Studenten<br />
und sonstigen Adjuvanten auszukommen.<br />
Eine stabile Aufführungsqualität<br />
wurde schon deshalb kaum erreicht,<br />
weil die musikalischen Fähigkeiten der<br />
Ausführenden (insbesondere die der<br />
28 Johannes-Passion