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Die „langsamste“ Stadt Deutschlands - Elmar Hahn Verlag

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<strong>Die</strong> Hersbrucker Schweiz<br />

Herbe<br />

Hänge,<br />

dunkle<br />

Höhlen<br />

Romantische Täler und<br />

einsame Kletterfelsen kannte das<br />

Hersbrucker Land schon immer.<br />

Heute sieht es sich als<br />

Gesundheitsregion,<br />

die Natur- und Sporterlebnisse<br />

ebenso bietet wie individuelle<br />

Wellness und unterhaltsame<br />

Geschichtskunde.<br />

57


<strong>Die</strong> <strong>„langsamste“</strong> <strong>Stadt</strong><br />

<strong>Deutschlands</strong><br />

Ebenso wie Lauf verdankt Hersbruck, das<br />

Zentrum der Hersbrucker Schweiz, seine<br />

frühe Bedeutung der Lage an der Goldenen<br />

Straße von Nürnberg nach Prag. Davon<br />

kündet bis heute die vom Marktplatz nach<br />

Osten laufende Prager Straße. Marktrechte<br />

hatte Hersbruck schon 1057, <strong>Stadt</strong>rechte<br />

ab 1297. Wie fast das gesamte Gebiet der<br />

Hersbrucker Alb kam die <strong>Stadt</strong> 1504 zu<br />

Nürnberg und wurde erst 1806 bayerisch.<br />

Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

entstand in Hersbruck das größte Außenlager<br />

des KZ Flossenbürg. Im Felsmassiv<br />

der Houbirg beim nahen Happurg sollten<br />

Häftlinge eine unterirdische Rüstungsfabrik<br />

errichten. 4 000 der 10 000 Menschen,<br />

die ins Hersbrucker Lager kamen,<br />

überlebten die Torturen nicht.<br />

Das Hersbrucker Land war bis in die<br />

1950er Jahre geprägt von Schaf- und Rinderweiden.<br />

Das Hersbrucker Hirtenmuseum<br />

gibt heute mit lokalen Beständen<br />

58<br />

moderne didaktische Einblicke in diese<br />

Heimatgeschichte. Wechselnde Themenausstellungen<br />

stellen aber auch die europäische<br />

Hirtenkultur dar. Hersbruck ist<br />

die erste „Citta Slow“ <strong>Deutschlands</strong>. Anliegen<br />

dieser aus Italien kommenden Initiative<br />

für ein „entschleunigtes Leben“ ist<br />

es, ein gesundes, lebensfreundliches und<br />

regionaltypisches Lebensumfeld in einer<br />

attraktiven <strong>Stadt</strong> zu schaffen. Hersbruck<br />

bietet dazu eine Wellness-Therme, regionale<br />

Bauernmärkte und Gaststätten („Heimat<br />

auf’m Teller“) sowie die EU-gestützte<br />

Initiative einer „Gesundheitsregion Hersbrucker<br />

Alb“. <strong>Die</strong> <strong>Stadt</strong> versteht sich als<br />

Mittelpunkt einer Region, die Bewohnern<br />

wie Gästen die Vorzüge eines regionalen<br />

Wirtschaftens und einer intakten Landschaft<br />

schmackhaft machen will.<br />

Eine Nacht im Heuhotel<br />

So werden etwa seit Jahren stillgelegte<br />

Weiden (die früheren Hutanger) wieder<br />

mit Schafen und Rindern bewirtschaftet,<br />

um die Vielgestalt der Landschaft zu erhalten<br />

und eine Verwaldung zu vermeiden.


Vorherige Seiten: Blick von der Burg Hohenstein<br />

ins Tal.<br />

Linke Seite: <strong>Die</strong> Maximiliansgrotte bei Neuhaus<br />

an der Pegnitz.<br />

Ganz oben: <strong>Die</strong> Ruinen der Festung Rothenberg<br />

bei Schnaittach.<br />

Oben: Das Wassertor, Wahrzeichen für Hersbruck.<br />

Weil große Teile der Hersbrucker Schweiz<br />

unter Landschaftsschutz stehen, wird eine<br />

Zersiedelung vermieden. Den Beinamen<br />

Schweiz bekam die Region ähnlich wie<br />

die angrenzende Fränkische Schweiz im<br />

frühen 19. Jahrhundert, als Romantiker<br />

wie die Berliner Studenten Tieck und Wackenroder<br />

die Vielgestalt der fränkischen<br />

Mittelgebirgslandschaft entdeckten.<br />

Heute ist die Hersbrucker Schweiz gefragt<br />

wegen ihrer Tropfsteinhöhlen, Kletterfelsen,<br />

Wandertouren und Mountainbike-<br />

Routen. Dazu kommen für den großstadtmüden<br />

Urlauber naturnahe Angebote wie<br />

Übernachten im Heuhotel, Erforschen<br />

von Kräutergärten oder Exkursionen zu<br />

seltenen Pflanzen und Tieren auf einsamen<br />

Hochflächen und in verwinkelten<br />

Tälern, deren Bäche bei Hersbruck in die<br />

Pegnitz münden.<br />

<strong>Die</strong> Burg Hohenstein ist mit 634 Metern<br />

nicht nur der höchste Punkt der Hersbrucker<br />

Alb und der höchste bewohnte Ort<br />

in ganz Mittelfranken. Von seinem Bergfried<br />

aus hat man auch einen einmaligen<br />

Rundblick, der bei klarem Wetter bis zum<br />

Fichtelgebirge reicht. Ältester Teil der 1163<br />

59


erstmals erwähnten Burg ist die Kapelle.<br />

Lange im Besitz der Reichsstadt Nürnberg,<br />

wurde die Burg mehrfach zerstört. Erhalten<br />

blieben der Palast mit möblierter Burgstube<br />

und das Pflegamtsgebäude unterhalb.<br />

Heute müht sich ein Heimatverein<br />

um den Erhalt von Gebäude und Mauern<br />

auf dem steilen Dolomitfelsen.<br />

Bayerische Burg<br />

Der 588 Meter hohe Rothenberg im benachbarten<br />

Schnaittachtal trägt ebenfalls<br />

eine die ganze Gegend beherrschende<br />

Burgruine. Unter ihren sechs Kasematten<br />

und Festungswällen verläuft bis<br />

heute eine unterirdische Halle. Der wild<br />

gezackte Grundriss ist der Topographie<br />

geschuldet. <strong>Die</strong> mächtige Festung aus dem<br />

13. Jahrhundert bot auf einem breiten Plateau<br />

bis zu 400 Soldaten Platz. <strong>Die</strong> Burg<br />

war immer wieder umkämpft und wurde<br />

mehrmals von den Nürnbergern eingenommen.<br />

1662 fiel sie an Bayern, das sie<br />

zum Stützpunkt an der Straße nach Am-<br />

berg ausbauen wollte. Der unerwünschte<br />

Pfahl im Fleisch Frankens wurde 1703<br />

von fränkischen Truppen zerstört. Der<br />

bayerische Kurfürst Karl Albrecht ließ sie<br />

aber nach französischem Vorbild als letzte<br />

große Rokoko-Festung in Europa neu aufbauen.<br />

Bis heute ist Schnaittach anders als<br />

die Umgegend katholisch geprägt.<br />

Aus Kostengründen allerdings verloren<br />

die Bayern die Lust an dem Bauwerk und<br />

ließen es ab 1837 verfallen. Steine der<br />

Anlage wurden verkauft und finden sich<br />

beispielsweise im Simmelsdorfer Schloss.<br />

Erst um 1960 begann man, Rothenberg<br />

instandzusetzen. Heute kann man dort<br />

wieder einen Eindruck von der architektonischen<br />

Struktur des Bauwerks gewinnen<br />

– und hat eine herrliche Aussicht ins<br />

Links: Das Glockentürmchen entstand erst 1815<br />

auf Burg Hohenstein.<br />

Oben: Im Morgennebel scheint die Burg über dem<br />

engen Sittenbachtal zu schweben.<br />

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Schnaittachtal. Ein Heimatverein und<br />

die bayerische Schlösserverwaltung bemühen<br />

sich um den Erhalt der Veste. In<br />

den letzten Jahren entdeckten auch junge<br />

Popmusiker und das nahe Dehnberger Hof<br />

Theater die großzügige Kulisse als sommerlichen<br />

Veranstaltungsort.<br />

<strong>Die</strong> Burg Strahlenfels in <strong>Die</strong>poltsdorf<br />

bei Simmelsdorf stand einst auf einem<br />

Schlossberg und sollte eine Handelsstraße<br />

sichern, die von Forchheim über Auerbach<br />

nach Böhmen führte. <strong>Die</strong> Burg aus<br />

dem 13. Jahrhundert war einst Besitz von<br />

Kaiser Karl IV. Vom späteren Besitzer König<br />

Rupprecht Strahlenfels ist der Name geblieben,<br />

doch seit 1615 ist die Burg ver lassen.<br />

Heute steht nur noch eine roman tische<br />

Ruine, die von Bäumen und Pflanzen<br />

malerisch umrankt wird. <strong>Die</strong> drei Burggebäude<br />

und die Kapelle sind kaum noch<br />

zu erkennen.<br />

Der größte Tropfstein<br />

<strong>Die</strong> Maximilianshöhle muss schon in<br />

der Hallstattzeit bestanden haben, wie<br />

Scherbenfunde belegen. Dokumentiert ist<br />

die Höhle allerdings erst ab 1596. Damals<br />

ließ Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz<br />

zahlreiche der von der Decke wachsenden<br />

Stalaktiten abschlagen und wollte sie zu<br />

Gold oder wenigstens Schießpulver verarbeiten.<br />

Beides schlug fehlt. Schließlich<br />

ließ der Fürst das Höhlenwasser als Wundermittel<br />

verkaufen.<br />

Erst im 19. Jahrhundert wurde die Höhle<br />

dann wirklich erkundet, als man eher<br />

zufällig auf einen Zugang stieß, ein Windloch<br />

von 26 Meter Tiefe. Kletterer stiegen<br />

dort 1852 ab und entdeckten den heute<br />

genutzten ebenen Eingang. Teile der<br />

1 200 Meter langen Höhle sind begehbar.<br />

Ein verzweigtes Gangsystem führt bis 68<br />

Meter unter den Eingang und zeigt Sin-<br />

Links: In Lungsdorf schlängelt sich die Pegnitz<br />

vor steilen Felswänden an den noch erhaltenen<br />

Fachwerkhäusern vorbei.<br />

Unten: <strong>Die</strong> Natur erobert sich die Burgruine<br />

Strahlenfels zurück.<br />

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terschmuck und Stalagmiten. Ein sechs<br />

Meter hoher und dreieinhalb Meter dicker<br />

Tropfstein gilt als größter derartiger Fund<br />

in Deutschland.<br />

Weil die Grotte im Niemandsland zwischen<br />

Neuhaus (Mittelfranken) und Auerbach<br />

(Oberpfalz) liegt, führten die beiden<br />

Gemeinden einen jahrzehntelangen<br />

Disput, wohin das Ausflugsziel gehören<br />

soll. Den Streit entschieden jüngst die<br />

Franken für sich. Unter dem Label „FrankenPfalz“<br />

haben sich zwischenzeitlich<br />

allerdings alle Gemeinden entlang des<br />

oberen Pegnitztals darauf verständigt,<br />

ihre Dorf- und Naturschönheiten gemeinsam<br />

zu vermarkten. Höhlenwanderwege<br />

64<br />

wie Buslinien verbinden Franken und die<br />

Oberpfalz und führen von beiden Seiten<br />

zu den schönsten Flecken der Region.<br />

Neben der Maximiliansgrotte ist Neuhaus<br />

auch wegen des meistbesuchten Kletterfelsens<br />

der Region beliebt, dem nahen Weißenstein.<br />

Freunde des fränkischen Biers<br />

lieben Neuhaus auch wegen der bis heute<br />

erhaltenen Tradition des privaten Braurechts,<br />

der sogenannten Kommune. Drei<br />

Familien nutzen noch das einst vom katholischen<br />

Bischof verliehene Recht, reihum<br />

Gästen in der eigenen Wohnstube das<br />

privat gebraute Bier auszuschenken. Ein<br />

sechseckiger Stern am Haus verrät dem<br />

Wanderer, wo er einkehren kann.


Feste auf der Burg<br />

Besser bekannt ist die große Kaiser-Bräu<br />

mit ihrem Veldensteiner Bier. <strong>Die</strong> Brauerei<br />

ist Pächter von Schloss Veldenstein,<br />

der Neuhauser Burg. <strong>Die</strong> schenkte der<br />

Kaiser einst dem neuen Bistum Bamberg.<br />

Sie sollte den Ort Neuhaus und den angrenzenden<br />

Veldensteiner Forst schützen,<br />

heute ein großes Naturschutz- und Erholungsgebiet.<br />

<strong>Die</strong> Nürnberger eroberten<br />

Neuhaus und die Burg zwischen 1288 und<br />

1635 mehrmals.<br />

<strong>Die</strong> letzte Zerstörung der Burg allerdings<br />

besorgte 1708 ein Blitzschlag. Unter Bayern<br />

von Privathand wieder aufgebaut,<br />

gelangte Burg Veldenstein im Dritten<br />

Reich in den Besitz des damaligen Reichsforstmeisters<br />

und späteren Reichsfeldmarschalls<br />

Hermann Göring. Heute hat der<br />

Freistaat die Burg an die Brauerei verpachtet,<br />

die dort ein Hotel betreibt. Im<br />

Sommer eignet sich das Freigelände für<br />

Open-Air-Konzerte und Mittelalterfeste.<br />

Geblieben ist über die Jahrhunderte der<br />

Blick von der Pegnitz auf die größte<br />

Burg anlage des Tales mit ihren Türmen,<br />

Wällen und Bastionen.<br />

Oben: <strong>Die</strong> Burg Veldenstein überragt bei Neuhaus<br />

das obere Pegnitztal und den Veldensteiner Forst.<br />

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