die deutsche jugendbewegung - AFP (Kommentare)
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Es herrschte eine ausgeprägte Prüderie, der eigene Körper durfte nicht<br />
betastet werden, sodaß sich Mädchen im Dunkel an- und ausziehen<br />
mußten. In besser gestellten katholischen Familien mit Töchtern und<br />
Söhnen gab es spezielle Aufsichtspersonen, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Sittlichkeit unter<br />
den Geschwistern sorgen mußten. In Regensburg wurden öffentlich im<br />
Auengebiet der Donau badende Kinder dem Bischof Michael Wittmann<br />
als nichtsnutzig gemeldet, wobei der jeweilige Denunziant mit<br />
einer Belohnung von 10 Kreuzern rechnen konnte. In Straubing<br />
herrschte helle Empörung, da der Schularzt <strong>die</strong> Kinder nackt sehen<br />
wollte. In Augsburg wurde ein Mädchen mit 14 Jahren der Schule<br />
verwiesen, weil es in männlicher Begleitung – ihren Schulweg teilte sie<br />
mit einem zwölfjährigen Nachbarsbuben – beobachtet worden war. In<br />
einer hessischen Stadt wurde der Vers „mein Liebchen ist verschwunden“<br />
umgetextet auf „mein Onkel ist verschwunden“, da das Wort<br />
„Liebchen“ ein verdorbenes Frauenzimmer war. Die Eltern einer<br />
Schule in Berlin forderten vom Schulinspektor, daß <strong>die</strong> gleichzeitige<br />
Anwesenheit von Hühnern und Hähnen auf dem Schulhofe abzustellen<br />
sei, da sich <strong>die</strong> Hähne den Hühnern gegenüber unanständig verhielten.<br />
Und <strong>die</strong>ses Verhalten stelle für <strong>die</strong> Moral der Kinder eine ungeheure<br />
Gefahr dar.<br />
Der Primaner Hermann Hoffmann, später Hoffmann-Völkersamb<br />
genannt, wurde im Jahre 1875 in Straßburg (Elsaß) geboren und erschien<br />
1890 am Gymnasium in Magdeburg, um das Abitur zu erlangen.<br />
In einer Deutschstunde las sein Professor einen Beitrag mit dem<br />
Titel „Hoch das Wandern“. Da <strong>die</strong> Aufmerksamkeit der Schüler unter<br />
der Hitze litt, schlug Professor Sträter mit der Faust urplötzlich auf <strong>die</strong><br />
Kathederfläche und sagte zu seinen aufschreckenden Schülern: „Jungens,<br />
was seid ihr für Schlafmützen? Was ihr da hört, ist euch wohl<br />
völlig egal? Als wir Jungen waren, da sparten wir unsere Groschen<br />
zusammen, und zu Pfingsten oder in den großen Ferien ging das Wandern<br />
los.“<br />
Diesen Ausbruch konnte Hoffmann nicht vergessen. Er beeinflußte ihn<br />
dermaßen, daß er in den folgenden Sommerferien mit seinem kleinen<br />
Bruder und einem Klassenkameraden zur Stadt hinauswanderte. Auf<br />
dem Rücken trug er den damals üblichen Tornister – kam doch der<br />
Rucksack erst am Beginn des 20. Jahrhunderts auf – und wanderte in<br />
Tagesmärschen von bis zu 40 km zum Harz, im Zickzack durch <strong>die</strong>sen<br />
und kehrte nach 18 Tagen durch das gleich Stadttor wieder heim.<br />
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