Luise Schiewe - Herrnhuter Missionshilfe
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2. Rundbrief Dezember 2011<br />
Gerade sitze ich auf unserer Terasse und genieße die warme Adventssonne. Im Hintergrund höre<br />
ich eine Blaskapelle die „Oh Tannenbaum“ schmettert und rieche die Weihnachtsplätzchen, die<br />
Rebekka gerade aus dem Ofen holt. Doch irgendwie kann ich mich immer noch nicht richtig<br />
weihnachtlich fühlen. Die Sonne scheint jeden Tag heißer und die Visitations werden mittags<br />
dadurch echt erschwerend.<br />
Jede Woche besuchen wir nun 3 Gemeinden. Wenn wir ankommen, müssen wir meist noch etwas<br />
warten, da wir – auch wenn wir selbst zu spät kommen- fast immer früher da sind als der<br />
Fieldworker. :-)<br />
Eine Pfarrerin sagte einmal zu Rebekka und mir als wir über eine 3- stündige Beerdigungsansprache<br />
redeten, dass in Tansania nicht die Zeit, sondern das Ereignis im Vordergrund steht. Eigentlich eine<br />
schöne Einstellung, bei der man das Leben viel mehr genießen kann und im Jetzt lebt.<br />
Ich werde hier auf jedenfall lernen, das Leben mehr zu geniessen, Geduld zu üben und die Zeit<br />
nicht immer so wichtig zu nehmen.<br />
Wenn wir nach einem Tee und etwas kleinem zu Essen dann mit dem Fieldworker loslaufen, gehen<br />
wir zu 3 bis 8 Familien mit Waisenkindern.<br />
Erst letzte Woche besuchten wir eine Mutter mit ihrer 16-jährigen schwerbehinderten Tochter, die<br />
zusammen in einem labilen Haus,<br />
das einem deutschen Schuppen<br />
ähnelt, wohnen. Die Tochter Pendo<br />
kann weder sprechen noch laufen<br />
und liegt den ganzen Tag nur im<br />
Bett, welches sie sich nachts mit<br />
ihrer Mutter teilt. Obwohl ich<br />
schon so viele Waisenfamilien<br />
besucht habe, hat mich der Besuch<br />
bei dieser Familie sehr bewegt. Vor<br />
allem wenn ich daran denke, in<br />
was für einem großen Haus<br />
Rebekka und ich hier wohnen<br />
dürfen...oder was für einen<br />
Reichtum wir in Deutschland<br />
haben.<br />
Dies wurde mir auch bewusst, als ich eine Woche in einer tansanischen Familie mitgelebt habe.<br />
Ich durfte die Gastfreundschaft der Tansanier kennenlernen und jeden Tag beim Essenkochen über<br />
der Feuerstelle zusehen. Die einfachen<br />
Lebensumstände, die das Leben viel mehr<br />
erschweren, weil es keine<br />
Waschmaschine, Geschirrspüler,<br />
Mikrowelle oder Mähdrescher gibt,<br />
haben mich sehr fasziniert, da die<br />
Menschen trotz alledem ihr Leben sehr<br />
genießen können.<br />
Obwohl die Familie Matemba mitten im<br />
Bananenwald wohnt und man glaubt, man<br />
ist allein, kennen sie alle Nachbarn und<br />
man geht sich gern besuchen. Der<br />
Zusammenhalt von Familie und Nachbarn<br />
scheint viel stärker zu sein, als bei den<br />
meisten Deutschen.
Gerade deshalb, ist es schon fast paradox, wenn es so viele Waisenkinder in der Region um den<br />
Kilimanjaro gibt, die dieses Familienzusammengehörigkeitsgefühl nicht mehr haben. Um diesen<br />
Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, können die Kinder Partnerschaften in Deutschland<br />
bekommen, die ihnen die Secondary School bezahlen. Zwar ist die Grundschule in Tansania Gott<br />
sei Dank kostenlos (bis auf die Schuluniform), jede weiterführende Schule muss jedoch pro<br />
Semester mit ca. 350€ bezahlt werden, was umgerechnet für die meisten Menschen ein Vermögen<br />
bedeutet.<br />
Für Rebekka und mich war es eine schöne Aufgabe, von verschiedenen Teenagern kurze Profile zu<br />
erstellen, die wir inzwischen nach Deutschland verschickt haben. Die Mädchen und Jungen sind<br />
anfangs oft verschlossen und eher schüchtern, aber nach einer Weile ergeben sich oft nette<br />
Gespräche, bei denen die Jugendlichen auch Persönliches von sich erzählen.<br />
Wie der Junge Wilnesses. Obwohl er erst 14 Jahre alt ist, hat er schon die Rolle des<br />
Familienoberhauptes übernommen. Er lebt bei seiner blinden Oma, da sein Vater an Aids gestorben<br />
und seine Mutter daraufhin abgehauen ist. Zu Hause muss er kochen - was eigentlich<br />
Mädchensache ist - den Haushalt erledigen und die Tiere versorgen, da die Oma das nicht mehr<br />
schafft. Wenn ich daran denke, wie oft ich mich zu Hause bei meiner Mutter wegen kleinen<br />
Hausarbeiten beschwert habe... Der Junge bemüht sich nach seinen vielen Aufgaben außerdem noch<br />
zu lernen, da er später Arzt werden möchte. Bei solchen Geschichten der Kinder, würde ich mich<br />
am liebsten selbst Martin Burkhardt -dem Gründer von HuYaMwi- eine E-mail<br />
(martin.burkhardt@elkb.de) schreiben, dass ich eine solche Partnerschaft übernehmen möchte. Ich<br />
hoffe sehr, dass sich genügend Spender finden, um vielen der Schüler ihren Berufswunsch<br />
ermöglichen zu können.<br />
Einige der Kinder, die wir für die Unterstützer in Deutschland interviewten sahen Rebekka und ich<br />
letztes Wochenende bei unserem Kinderseminar wieder. Zusammen mit drei Studenten von der<br />
Bibelschule und Gesa, der Freiwilligen aus dem Nachbardorf haben wir eine Kinderfreizeit zu dem<br />
Thema „Einer für alle und alle für Einen“ veranstaltet. Von jeder der 19 Gemeinden durften ein<br />
Mädchen und ein Junge im<br />
Alter zwischen10 und 15<br />
Jahren nach Mwika<br />
kommen. Wir hatten<br />
zusammen sehr viel Spass<br />
bei den Spielen und den<br />
Unterrichtseinheiten und mir<br />
sind die Kinder richtig ans<br />
Herz gewachsen, sodass mir<br />
beim Abschied am Sonntag<br />
schon etwas mulmig zu<br />
Mute war.<br />
Mich hat das Seminar sehr<br />
an die jährlichen <strong>Herrnhuter</strong><br />
Kinderrüsten erinnert, bei<br />
denen ich schon oft als<br />
Mitarbeiter geholfen habe.<br />
Nur das dann immer Schnee gelegen hat und hier in Tansania trotz 4. Advent keine Winter-<br />
Weihnachtsstimmung aukam.<br />
Aber genau deshalb bin ich ja hier, um Weihnachten mal anders zu erleben!<br />
Ich wünsche Euch, ihr Lieben, eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit und gesegnetes<br />
Neues Jahr!<br />
Mungu awabariki, Gott segne Euch!<br />
Eure <strong>Luise</strong>
Nun zum Schluss noch zwei kleine Hühneranekdoten:<br />
Neulich saßen wir in einem Dala, einem vollgeladenen Kleinbus, der normalerweise nur für 15 Personen<br />
ausgelegt ist, aber in den sich auch gern mal 30 Passagiere quetschen und wollten nach Hause fahren. Auf<br />
dem Beifahrersitz saß ein Mann mit seiner Henne auf dem Schoß. Als er ausstieg mussten wir kurz warten<br />
und alle Mitfahrenden standen auf um zu sehen warum wir nicht weiterfuhren. Der Grund für die<br />
Verzögerung: Das Huhn hatte vor Aufregung ein Ei auf dem Beifahrersitz gelegt, weshalb der Mann noch<br />
mal zurückkommen musste um sein Ei entgegen zu nehmen!<br />
Eine andere Hühnergeschichte ist uns Vorgestern passiert, als Rebekka und ich Spiegelei machen wollten.<br />
Rebekka wollte das Ei an der Pfanne aufschlagen, doch es floss nichts raus... als wir reinsahen, war ein fast<br />
fertiges Küken (schon mit Federn, Schnabel, Augen,....) in dem Ei! Da kann einem der Appetit auf ein<br />
Spiegelei vergehen. :)<br />
(wer möchte, kann gern ein Foto von dem Küken geschickt bekommen)