Rauszeit 2015-02
Das Kundenmagazin von Basislager, Camp4, Kletterkogel, Sack und Pack und SFU (Ausgabe 2015/02)
Das Kundenmagazin von Basislager, Camp4, Kletterkogel, Sack und Pack und SFU (Ausgabe 2015/02)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
RAUSZEIT<br />
RAUSZEIT<br />
Ausgabe<br />
Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
MENSCHEN. WEGE. ABENTEUER.<br />
FOTO Joachim Stark<br />
FOTO Stefan Bode<br />
FOTO Cecilie Skog<br />
FOTO Dan Patitucci<br />
ERLEBT<br />
BESSERWISSER<br />
NACHGEFRAGT<br />
Preis: 2,00 €<br />
Wildes Georgien. Mit Ski und Abenteuerlust<br />
im Gepäck auf den Gipfel des<br />
5.033 Meter hohen Kazbeg.<br />
Mehr auf S. 8<br />
Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn auf Tour<br />
ein Ausrüstungsdefekt in die Quere<br />
kommt, heißt es selbst reparieren<br />
oder improvisieren.<br />
Mehr auf S. 18<br />
Verrücktes Huhn oder Outdoor-Elfe?<br />
Die norwegische Abenteurerin Cecilie<br />
Skog im Porträt.<br />
Mehr auf S. 22
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
KUSCHEL-KNALLER<br />
FOTO antonivano/fotolia.de<br />
Hütte, heißer Kaffee, draußen tobt der Wintersturm.<br />
Was für ein Kleidungsstück wünscht<br />
man bzw. Frau sich da? Richtig: einen – sorry –<br />
»saugemütlichen« Wollpulli. Der »Minde Lady<br />
Jumper« von Bergans erfüllt diesen Wunsch.<br />
Er ist komplett aus Merinowolle und passt<br />
mit seiner dezenten Optik ebenso ans Lagerfeuer<br />
wie ins Szene-Café. Der hohe<br />
Kragen wärmt den Hals bis zum Haaransatz<br />
und ist über einen circa 20 Zentimeter<br />
langen Reißverschluss regulierbar – also<br />
je nach Bedarf zum Dampf ablassen oder<br />
Wärme speichern. Und was Frauen besonders<br />
lieben: Daumenschlaufen für warme Handrücken.<br />
Wenn’s mal zu warm oder anstrengend wird:<br />
Merinowolle kann bis zu einem gewissen Grad nicht<br />
nur Feuchtigkeit aufnehmen, ohne an Isolationskraft<br />
zu verlieren. Sie reduziert auch die Geruchsbildung<br />
in der Kleidung deutlich. Traumhafter Tragekomfort –<br />
das Lieblingsteil für die kalte Jahreszeit, versprochen!<br />
Bergans Minde Lady Jumper<br />
Preis: 119,95 Euro<br />
STANDPUNKT<br />
Einfach leben! Das klingt banal, aber ist es<br />
das auch? Man kann diese beiden Wörter in<br />
zweierlei Hinsicht lesen. Und gerade dann<br />
ergeben sie einen Zusammenhang. Unsere<br />
Welt ist weit entfernt davon, einfach zu sein.<br />
Es kommen zwar immer mehr Technologien<br />
und Produkte auf den Markt, die unser Leben<br />
vermeintlich einfacher machen sollen. Aber<br />
in Wirklichkeit nimmt es an Komplexität und Geschwindigkeit zu, mit jedem Jahr, mit jeder Innovation.<br />
Keineswegs soll das heißen, dass Innovationen und neue Technologien etwas Schlechtes<br />
wären. Mitnichten! Nur immer öfter stellt sich die Frage, ob wir sie auch wirklich für ein »besseres«<br />
Leben nutzen. Mit LTE-Geschwindigkeit lassen sich E-Mails noch schneller von unterwegs<br />
abarbeiten. Hochgeschwindigkeitsstrecken erlauben noch schnellere Transfers zwischen Großstädten.<br />
Modernere und größere Flughäfen ermöglichen noch mehr nationalen und internationalen<br />
Verkehr. Hochaktuelle Buchungsplattformen, Wetter-Apps und Tiefpreis-Shopping-Portale<br />
versorgen uns mit allem, was wir für einen erlebnis- und erfolgreichen Lifestyle brauchen …<br />
Dagegen steht, dass viele Menschen beim »Mithalten« ausbrennen und ausbrechen, dass noch<br />
nie so viele freiwillig Auszeiten auf Bergalmbetrieben gesucht haben. Und dass Wellnessangebote<br />
aus dem Boden sprießen, die klar in Richtung Enthaltsamkeit gehen. Diese Entwicklung erinnert<br />
an die Anekdote Heinrich Bölls von dem Touristen, der einen Fischer trifft: »Ein Tourist weckt in<br />
einem Hafen an der Küste Westeuropas einen in seinem Boot schlafenden Fischer auf, als er Fotos<br />
macht. Nachdem er ihm eine Zigarette geschenkt hat, befragt er ihn zu seinen heutigen Fängen<br />
und erfährt, dass dieser bereits fertig gefischt hat und mit seinem Fang zufrieden ist. Der Tourist<br />
begreift nicht, wieso der Fischer nicht öfter ausfahren möchte, um finanziell aufzusteigen und<br />
erfolgreich Karriere zu machen, und schildert ihm enthusiastisch, was er durch mehr Arbeit alles<br />
erreichen könnte. Am Gipfel seiner Karriere angekommen, könne er sich dann zur Ruhe setzen<br />
und in Ruhe im Hafen dösen. Der Fischer erwidert, dass er das auch jetzt schon könne. Der Tourist<br />
begreift, dass nicht nur mehr arbeiten zum Glück führen kann.«<br />
Das ist das Einmalige, Faszinierende und Inspirierende an den kleinen und großen Outdoor-Abenteuern:<br />
Ob ein spontanes Winterpicknick mit der Familie und guten Freunden am Geheimtipp-<br />
Fleckchen vor der Haustür (siehe auch ÜBRIGENS auf S. 5) oder eine Wintertour mit Zelt und Pulka<br />
im hohen Norden (siehe ERLEBT Inarisee auf S. 12) – sehr schnell reduzieren sich unsere Bedürfnisse<br />
auf das Wesentliche, und der Blickwinkel auf viele Dinge wird korrigiert: warm, satt, trocken,<br />
gesund, gute Freunde. Eigentlich nichts Besonderes, eher Selbstverständlichkeiten, einfache Dinge<br />
… einfach leben. Was eine kleine RAUSZEIT so alles bewirken kann ...<br />
Einen wunderbaren Winter wünschen Andreas Hille, Michael Bode und Teams<br />
FOTO Peter Wilson/HANWAG<br />
HIMALAYA AM FUSS<br />
Es weht ein Hauch von Tibet durch<br />
das bayerische Voralpenland. Denn<br />
seit Kurzem verbaut der oberbayerische Wander- und Bergschuhspezialist<br />
Hanwag – neben klassischem Rindsleder – in der limitierten<br />
Wanderschuhserie »Yak« robustes, tibetisches Yak-Leder.<br />
Wegen der klimatisch harten Bedingungen wachsen diese Hochlandrinder<br />
viel langsamer als ihre Verwandten in unseren Breiten.<br />
Ihr Leder ist dadurch sehr robust und strapazierfähig, gleichzeitig<br />
aber geschmeidig und anpassungsfähig. Das geprüfte Material<br />
stammt direkt und ausschließlich aus der Lhasa Leather Factory<br />
in Tibet. Vier Monate lang werden die Häute unter der Erde gelagert,<br />
um auszuhärten, danach gegerbt, gereinigt und getrocknet.<br />
Die Arbeiter produzieren dort nach westlichen Standards zu fairen<br />
Bedingungen. Ein Modell aus der Serie ist der Wanderschuh Lhasa.<br />
Eine leichte, aber bequeme Vibram-Sohle mit gutem Abrollverhalten<br />
sorgt für tagelanges Gehvergnügen. Gleichzeitig bietet der hohe,<br />
flexible Schaft einen festen Sitz. Das Innenfutter besteht aus chromfrei<br />
gegerbtem Leder und ist frei von allergieauslösenden Stoffen.<br />
Hanwag Lhasa<br />
Preis: 259,95 Euro<br />
Foto Titelseite<br />
Janine Patitucci genießt die verschneite<br />
östliche Sierra Nevada in einer heißen<br />
Quelle bei den Mammoth Lakes in<br />
Kalifornien.<br />
Fotografiert von Dan Patitucci<br />
2
FOTO Joel Jemander/HILLEBERG<br />
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
ALLZWECK-HAUS<br />
LADY-HANDGEPÄCK<br />
Das Allak von Hilleberg<br />
ist das Lieblingszelt von<br />
vielen, vielen Mehrtagesgästen<br />
in der freien Natur.<br />
Warum? Weil es sich für<br />
nahezu jeden Einsatzzweck<br />
eignet. Der größte Pluspunkt ist seine freistehende, stabile Konstruktion bei einem verhältnismäßig geringen Gewicht<br />
von maximal nur 3,3 Kilo. Aufstellen lässt sich das Allak nahezu überall und auf nahezu jedem Untergrund: auf<br />
einer kleinen Schäreninsel, auf einem Felsvorsprung, auf Sand, auf Schnee, auf einer Eisscholle, auf Kies, auf Tundra-Boden<br />
oder auf einer Verkehrsinsel. Die Bewohner dieser Zwei-Personen-FeWo werden durch ein sich drei Mal<br />
kreuzendes, 9 Millimeter starkes Aluminium-Gestänge von DAC sowie das fast schon legendäre Nylon-Ripstop-Gewebe<br />
Kerlon 1200 gegen intensive Wetterkapriolen geschützt. Zwei Eingänge mit zwei geräumigen Apsiden verhelfen<br />
zu Frieden und Ordnung auf Tour. Wir versprechen: Wer sich auf das Allak einlässt, erfährt Liebe auf den ersten Trip.<br />
Hilleberg Allak<br />
Preis: 994,95 Euro<br />
Man(n) fragt sich des Öfteren, was die besseren<br />
Hälften so alles in ihren Handtaschen verstauen.<br />
Zumindest der Frage nach dem »wie« hat sich<br />
Gepäck-Spezialist Osprey angenommen. In der auf<br />
weibliche Bedürfnisse zugeschnittenen Damen-<br />
Umhängetasche »Flap Jill Mini« hat alles seine Ordnung:<br />
Schlüssel, Handy, Geldbeutel, »Damen-Accessoires«,<br />
Jäckchen und genügend Platz für einen<br />
Tablet-PC oder einen kleinen Laptop in gepolstertem<br />
Fach. Der Schulterriemen aus rutschfestem Material<br />
ist auf die weibliche Anatomie zugeschnitten. Und für<br />
die nächste Flugreise: Der Flap Jill Mini ist auf die<br />
maximale EU-Handgepäcksgröße zugeschnitten.<br />
Osprey Flap Jill Mini<br />
Preis: 59,95 Euro<br />
ELEMENTARTEIL<br />
TROPFSTOPP<br />
Es gibt Jacken, die kann und will man immer und zu<br />
jeder Gelegenheit tragen. Das Atom LT Hoody gehört<br />
zu dieser Kategorie. Kuschelig weich, aber nicht zu<br />
warm, leicht (330 Gramm) und klein verpackbar,<br />
ausgestattet mit einer dezenten, alltagstauglichen<br />
Optik. Selbst innerhalb der vier Wände tut man<br />
sich schwer, das Teil wieder ausziehen zu<br />
wollen. Bei ambitionierten Frischluft-<br />
Aktionen in der kalten Jahreszeit spielt<br />
das Atom LT Hoody seine Stärken aus,<br />
egal, ob als oberste Lage oder als isolierende<br />
Zwischenschicht getragen.<br />
Die Kunstfaserfüllung transportiert<br />
Schwitzfeuchtigkeit vom Körper<br />
weg, ohne dadurch nennenswert<br />
an Isolationskraft zu verlieren.<br />
Seitliche Einsätze aus elastischem<br />
Fleece-Material (Polartec Power<br />
Stretch) erlauben Verrenkungen<br />
aller Art. Und auch wenn es keine<br />
Regenjacke ist, der Nylon-Außenstoff<br />
bietet einem Schauer ordentlich Paroli.<br />
Etwas vergessen? Ach ja: Halsabschluss<br />
und Kapuze halten dank Superschnitt und<br />
Gummizug richtig schön warm. Ein echtes<br />
Haben-und-nie-wieder-hergeben-wollen-Teil.<br />
Arc’teryx Atom LT Hoody Women’s<br />
Preis: 219,95 Euro<br />
Plötzlich war er da, der Regenschauer.<br />
Die Jeans völlig durchweicht,<br />
Jahre des Trocknens stehen<br />
bevor. Wer keinen Bock auf solche<br />
Szenarien hat, sollte sich die »Drop<br />
Pants II« von Vaude dauerhaft in seinen<br />
Rucksack packen. Die mit nur<br />
180 Gramm wirklich federleichte<br />
Regenhose ist die Notfalllösung für<br />
jegliche Draußen-Aktivitäten – ob<br />
Mehrtageswanderung oder täglicher<br />
Radl-Ritt ins Büro. Eine doppelte<br />
Stofflage im Gesäßbereich sichert<br />
gegen Durchscheuern. Der Beinabschluss<br />
ist regulierbar und auf die<br />
jeweilige Hose darunter einstellbar,<br />
so gerät nichts ins Kettengetriebe<br />
beim Radeln und die Hose dichtet<br />
nach unten ab. Reflektierende Teile<br />
auf Vorder- und Rückseite machen<br />
den Autofahrer auf den Träger aufmerksam.<br />
Mit einem integrierten<br />
Packbeutel passt die Drop Pants in<br />
jedes Rucksackfach. Nix für die ganz<br />
großen Outdoor-Abenteuer, aber für<br />
jedes kleine und alltägliche ...<br />
Vaude Drop Pants II<br />
Preis: 69,95 Euro<br />
Alle Produkte aus dieser Zeitschrift gibt es bei<br />
Basislager CAMP4 SFU SFU KLETTERKOGEL<br />
Kaiserstraße 231 Karl-Marx-Allee 32 Schmiedestraße 24 Neue Straße 20 Garde-du-Corps-Str. 1<br />
76133 Karlsruhe 10178 Berlin 30159 Hannover 38100 Braunschweig 34117 Kassel<br />
www.basislager.de www.camp4.de www.sfu.de www.sfu.de www.kletterkogel.de<br />
Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net .<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:<br />
Michael Bode, Andreas Hille<br />
Redaktion & Konzept: outkomm GmbH, Eichbergerstrasse 60,<br />
CH - 9452 Hinterforst, www.outkomm.ch, redaktion@rauszeit.net<br />
Layout & Produktion: ALPENBLICKDREI.com<br />
Druck: Bechtle Druck & Service GmbH<br />
Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung<br />
ist ohne Zustimmung der Herausgeber unzulässig und strafbar.<br />
3
BUCH-BESUCH<br />
Eine schöne Reise, gute<br />
Tipps, der richtige Weg, die<br />
optimale Tourenplanung – all<br />
das steht und fällt mit guter<br />
Literatur. Geht es abseits<br />
ausgetretener Pfade und jenseits<br />
überbuchter Urlaubsrouten,<br />
müssen Amazon<br />
& Co. die Segel streichen.<br />
Stattdessen hilft ein Buch-Besuch bei Dr. Jürgen Seifert.<br />
Sein Reich: der Buchladen »Land.Karten« im CAMP4. Sein<br />
Spezial-Fundus: riesig. Seine Beratung: unersetzlich!<br />
Warum lohnt sich ein Besuch in deinem Buchladen?<br />
Weil mein Sortiment für Outdoorer und Reisende eigentlich<br />
keine Wünsche offen lässt – von reichhaltiger<br />
Berg-, Fahrrad- und Wasserwanderliteratur über hoch<br />
aufgelöste Wanderkarten bis zu Individualreisefü hrern<br />
zu weltweiten Zielen. Und wer gern von fernen Abenteuern<br />
träumt: Spannende Reise- und Abenteuerberichte<br />
sowie Plano-Karten fü r die heimische Wohnzimmerwand<br />
habe ich natürlich auch.<br />
Das heißt in erster Linie Literatur für Reisende?<br />
Mitnichten. Die Auswahl an Wander- und Fahrradkarten<br />
fü r das Berliner Umland ist besonders umfangreich. Allerdings<br />
gebe ich zu: Die Beratung in puncto geeignete<br />
Literatur für Fernwanderungen zählt zu meinen »Spezialitäten«.<br />
Insbesondere von Hütte zu Hütte oder ganze<br />
Alpenüberquerungen. Aber auch viele weitere Trekking-<br />
Touren, sei es der 66-Seen-Weg rund um Berlin, von hier<br />
nach Paris oder die Planung individueller Touren.<br />
Aber wäre eine Bestellung bei Amazon nicht bequemer?<br />
Bequemer vielleicht, aber nicht immer zielführend. Ich<br />
habe wirklich viel Spezial-Reiseliteratur, z. B. sicherlich<br />
nicht alltägliche Titel wie der dänische Naturcamping-<br />
Fü hrer »Overnatning«, die Trekking-Karte »Torres del<br />
Paine« in Patagonien oder die Landkarte vom Mekong-<br />
Delta. Solche Schätze findet man am besten durch persönliche<br />
Beratung und beim gemütlichen Stöbern – das<br />
kann Amazon nicht bieten. Und wenn tatsächlich etwas<br />
nicht vorrätig sein sollte, kann ich es kurzfristig organisieren.<br />
Dein Buchtipp?<br />
Bill Brysons »Picknick mit Bären« – humorvolles und<br />
wirklichkeitsnahes Outdoor-Erlebnis zwischen Lachen<br />
und Weinen. Prädikat: sehr lesenswert!<br />
FOTO CAMP4<br />
FOTO Sherpa Adventure Gear<br />
WIEDERAUFBAU MIT KÖPFCHEN<br />
Sherpa Adventure Gear, das steht für hochwertige Ausrüstung made in Nepal. Hinter<br />
der 2003 gegründeten Outdoor-Marke steckt eine Vision. Der Firmengründer Tashi Sherpa<br />
möchte mit der lokalen Produktion von Outdoor-Bekleidung die nepalesische Bevölkerung wirtschaftlich<br />
teilhaben lassen. So stammen 80 Prozent der Artikel direkt aus Nepal. Für die Mützen schwingen in etwa 800<br />
nepalesische Frauen in den eigenen vier Wänden ihre Stricknadeln. Mit einem Fleece-Band versehen schmiegen<br />
sich diese feinen Mützen aus 100 Prozent Lammwolle kuschlig an und halten die eigene Schaltzentrale warm. Um<br />
die Menschen vor allem nach dem großen Erdbeben im Frühjahr <strong>2015</strong> noch besser zu unterstützen, geht ein Teil<br />
der Einnahmen aus dem Verkauf der Kleidung an die Paldorje Education Stiftung. Deren Mitarbeiter kümmern<br />
sich um hilfsbedürftige Familien und errichten Schulen in abgelegen Regionen Nepals.<br />
Sherpa Adventure Gear Wintermützen<br />
Preis: 29,95 Euro<br />
KLASSIK TRIFFT MODERNE<br />
Früher war alles besser ... Wir wissen, das stimmt natürlich nicht, aber im Umkehrschluss<br />
sind manche Dinge einfach klassisch schön. Wie etwa der Rucksack<br />
Nr. 21 von Fjällräven. Er ist Teil der »Numbers«-Linie von Fjällräven, die<br />
damit echte Klassiker wieder aufleben lassen. Unterschätzen sollte man das<br />
schwedische Retro-Teil aber nicht. Denn dass der Tagesrucksack nicht (nur)<br />
von gestern ist, das zeigt das durchdachte Laptop-Fach samt gepolstertem Boden.<br />
Daneben ist in einer speziellen Tasche Platz für eine Flasche/Thermosflasche,<br />
passend für Ausflüge in der kalten Jahreszeit. Das Material ist für Jahrzehnte<br />
gemacht: G-1000 Heavy Duty lautet die offizielle Bezeichnung. Übersetzt<br />
heißt das: die nahezu unkaputtbare Version des Fjällräven Baumwoll-Gewebes<br />
G-1000. Selbst die herausnehmbare Sitzmatte ist mit dem verstärkten Material<br />
überzogen. Verzurrt wird das nur 960 Gramm leichte gute Stück mit satten Lederriemen.<br />
Ein langlebiger Hingucker mit zweckmäßigem Innenleben.<br />
Fjällräven Rucksack Nr. 21<br />
Preis: 179,95 Euro<br />
UNTERNEHMUNGS-BERATER: Matthias Müller<br />
Ursprüngliche Natur, unendliche Weite, ausgiebige<br />
Ruhe – abseits vom »Zivilisations- und Wohlstandsgehechel«<br />
fühlt sich Matthias Müller am wohlsten.<br />
Perfekte Spielplätze sind für ihn Wintertouren im<br />
hohen Norden. Dass »ein bisschen Wohlstand im<br />
Rucksack« auch nicht schaden kann, wie er sagt, hat<br />
er nicht erst bei seiner Arbeit im CAMP4 lernen müssen.<br />
Er ist ein Outdoorer klassischer Schule, in Sachen<br />
Materialkunde und Produktweisheit macht ihm<br />
keiner etwas vor. Klar, denn besonders im Winter ist<br />
die passende Ausrüstung entscheidend für den Wohlfühl-<br />
und Überlebensfaktor unterwegs. Natürlich<br />
sucht Matthias auch in der warmen Jahreszeit so oft<br />
es geht die Ruhe der Natur, dann bevorzugt mit dem<br />
Kanu oder Fahrrad.<br />
Seit wann bei CAMP4?<br />
Seit 2000.<br />
Gelernter Beruf?<br />
Ich habe zuerst Tischler gelernt. Danach Krankenpfleger,<br />
u.a. in der Psychiatrie – ein guter Erfahrungsschatz.<br />
Dein Lieblingsverkaufsbereich und warum?<br />
Schuhe und Zelte. Schuhe, weil sie die Grundlage von jeder<br />
Draußen-Aktivität sind und hier intensive Beratung<br />
nötig ist. Zelte, weil sie DER Rückzugsort auf langen<br />
Touren sind. My tent is my castle, ist da meine Devise.<br />
Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du auf<br />
Tour nie verzichten?<br />
Einem »Vorruheständler« darf natürlich nie ein bequemer<br />
Sessel fehlen. Deshalb habe ich die Therm-a-Rest<br />
»Trekker Lounge« immer dabei.<br />
Welches Reiseziel steht ganz oben auf deiner Liste?<br />
Vermutlich wieder der hohe Norden ...<br />
4
ÜBRIGENS …<br />
FOTO shaiith/fotolia.de<br />
FEUER AUF EIS<br />
WOLLIGE WÄRME<br />
Merinowolle in gewobener oder gestrickter Form, klar,<br />
das kennen wir. Aber als luftige Füllung? Merinoloft von<br />
Icebreaker ist eine neue Form von flauschig-leichter Isolationsfüllung.<br />
Dafür werden Merinowolle und normale<br />
Schafschurwolle gemischt, zu einer Wollwattierung<br />
verarbeitet und mit einer kleinen Menge Bio-Kunststoff<br />
angereichert. Dadurch wird das Produkt leicht waschbar<br />
– was allerdings nicht oft nötig ist, denn Schafwolle<br />
wirkt antibakteriell und damit geruchshemmend. Eingebettet<br />
ist das Wollvlies zwischen einen wind- und wasserabweisenden<br />
Außenstoff aus 100 Prozent recyceltem<br />
Polyester und einem Innenstoff aus 100 Prozent Merinowolle.<br />
Fertig ist das »Helix LS Zip Hood«.<br />
Icebreaker Women’s Helix LS Zip Hood<br />
Preis: 229,95 Euro<br />
Astronomisch gesehen ist es über 90 Tage im Jahr kalt – so lange dauert zumindest der Winter offiziell auf unserer<br />
Erdhalbkugel. Was die Wissenschaft uns mit Zahlen aber nicht vermitteln kann: Genau in dieser sogenannten<br />
»kalten Jahreszeit« zeigt sich die Natur oft von ihrer besten Seite. Klare Luft, bizarre Frostgebilde, magische<br />
Lichtspiele, mystische Nebelszenen und einsame Landschaften. Ein guter Zeitpunkt, die Küche an die frische Luft<br />
umzuziehen – und seinen Gästen Feuer unter dem Hintern zu machen.<br />
Feuer, das machte vor etwa 5000 Jahren auch Ötzi, der Mann aus dem Eis. In seinem Transport-Ledersäckchen<br />
fanden Forscher Zunderwolle, ein leicht entflammbares Material, das er in Verbindung mit einem sogenannten Funkenstein<br />
nutzte. Während bei ihm das Feuermachen im direkten Zusammenhang mit Überleben stand, spielen bei<br />
modernen Frischluftfreunden andere Faktoren eine Rolle: Faszination, Geselligkeit und Abenteuer. Diese Gefühle<br />
machen sich meist schnell am Lagerplatz breit. Dieser sollte am besten an einer windgeschützten Stelle errichtet<br />
werden. Ein Wall aus Steinen oder Schnee grenzt den Feuerkegel ein und schafft eine gemütliche Sitzecke. Als<br />
»Zunder« eignen sich trockene Äste, Gras oder kleine Holzscheite. Vor allem die Rinde der Birke brennt dank des<br />
natürlich hohen Teergehalts besonders gut und hilft, das Feuer zu entfachen. Es lodert? Dann kann der Naturkoch<br />
ans Werk schreiten – mit Kochtopf, Teekessel oder Grillrost. Was kommt nun auf den Tisch?<br />
Warme Getränke sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße in Magen und Darm erweitern und Flüssigkeit schneller<br />
vom Körper aufgenommen werden kann. Denn selbst wenn wir bei einem winterlichen Spaziergang gefühlt nicht<br />
unbedingt ins Schwitzen geraten, der Körper verliert trotzdem »dampfend« Feuchtigkeit. Auch beim Essen kommt<br />
es auf die Temperatur an. Durch Kochen, Braten oder Erhitzen spaltet sich nämlich das Eiweiß in den Nahrungsmitteln<br />
auf und wird von unserem Verdauungssystem besser aufgenommen. »Leicht zu verdauende Energie« sollte<br />
also das Menü lauten – der kreativen Interpretation sind dabei keine Grenzen gesetzt. So geben wir dem Körper Zeit<br />
und Kraft, sich der wichtigsten Aufgabe zu widmen: der Körperheizung. Und so – warm und wohlig – lassen sich die<br />
winterlichen Naturschauspiele am besten genießen. Dann können besagte 90 Tage gerne kommen!<br />
FEUER UND FLAMME<br />
Da sprühen die Funken, selbst bei Nässe und Kälte. Der Zündstahl mit Magnesiumlegierung<br />
lässt seinen Besitzer weder in der Höhe noch bei Regen oder eisigen<br />
Temperaturen im Stich. Bis zu 3.000 Zündungen gibt er her und produziert<br />
dabei bis zu 5.000 Grad heiße Funken. Einfach mit dem Anzünder über den legierten<br />
Stift in Richtung leicht entzündlichen Brennstoff reiben und die Funken<br />
sprühen lassen. Zum leichten Entfachen eines Lagerfeuers eigenen sich die circa<br />
15 Zentimeter langen »Tindersticks« aus dem Holz der Pino de Ocote, einer<br />
sehr harzhaltigen Kiefernart, besonders gut. Für ein kleines Grillgelage reichen<br />
ein bis zwei Sticks aus. 2 Tindersticks + 1 Zündstahl = knisterndes Abenteuer.<br />
Light my Fire Zündstahl Preis: 11,95 Euro<br />
Light my Fire Tindersticks Preis: 3,95 Euro<br />
FOTO Light my Fire<br />
ROLLKOFFER-TREKKING<br />
Nicht wundern, wenn demnächst im wilden Hinterland<br />
jemand mit Rollkoffer den Wanderpfad kreuzt. Vermutlich<br />
ist derjenige mit dem »Wood n Drift 75« von Bach<br />
unterwegs. Eine geniale Kombination aus Rollkoffer<br />
und Rucksack – stilecht und funktional mit Echtholzrahmen.<br />
Die Konstruktion aus Schichtholz und sehr<br />
robustem Cordura-Außenmaterial machen das Hybrid-<br />
Gepäck extrem stabil. Für Strecken abseits von planierten<br />
Untergründen liefern die höhergelegten, salzwasserfesten<br />
Hartgummiräder mit auf Dauereinsatz<br />
ausgelegten Kugellagern besonders viel Bodenfreiheit<br />
und nervenschonendes Rollverhalten. Kommen unterwegs<br />
von Felsbrocken übersätes Gelände, dreistellige<br />
Anzahlen von Treppenstufen oder ein Klettersteig in<br />
die Quere, lässt sich der Wood n Drift einfach in einen<br />
Rucksack mit Trekking-tauglichem Tragesystem umbauen.<br />
Dezente Verzurrriemen und umfangreiche Unterteilungen<br />
im Inneren machen den Hybrid-Roller zu<br />
einem Reisepartner für jedes Abenteuer.<br />
Bach Wood n Drift 75 l<br />
Preis: 299,95 Euro<br />
TRAPPER-TRÄNKE<br />
Im Winter nicht das Trinken vergessen! Stilecht in<br />
Trapper-Manier geht das besonders gut aus der<br />
stabilen Emaille-Tasse von Relags. In zwei unterschiedlichen<br />
Größen bietet sie Platz für 360 oder<br />
530 Milliliter heißen Kaffee, Tee, Suppe oder Glühwein.<br />
Was man sich am winterlichen Lagerfeuer<br />
eben gerne so einflößt für Stimmung und Wohlbefinden.<br />
Guter Nebeneffekt: Die Tasse ist dank Wärmeleitfähigkeit<br />
auch außen warm, kalte Hände sind<br />
also kein Thema. Auch direkt als kleiner Topf über<br />
dem Feuer oder Gaskocher einsetzbar.<br />
Relags Emaille-Tasse<br />
Preis: 3,75 Euro (360 ml)<br />
TURBOTOPF<br />
Das Ding hat Lieblingsteil-Potenzial! Außen Wasserkessel,<br />
innen Kaminofen. Der »Samovar« bringt mit<br />
dieser Konstruktion aus robustem Aluminium Wasser<br />
in drei bis fünf Minuten zum Kochen. Nicht mit Gas oder<br />
Benzin, sondern mit Holzstückchen, Gras, Laub oder<br />
sonstigen natürlichen Festbrennstoffen.<br />
Das bedeutet: sammeln vor<br />
Ort statt schleppen im Rucksack.<br />
Das Ganze funktioniert durch die<br />
geschlossene Bauweise<br />
weitgehend wetterunabhängig.<br />
Als Extrazubehör gibt<br />
es noch ein Drahtgestell,<br />
mit dem obendrauf im Topf<br />
schon mal die Milch für den<br />
Kaffee aufköcheln kann.<br />
Alb Samovar<br />
Preis: 0,5l/39,95 Euro,<br />
1,2l/49,95 Euro<br />
5
Dreisesselfels, Bayerischer Wald. FOTO Kilian Schönberger<br />
Domwächter, Elbsandsteingebirge. FOTO Thomas Ermer/elbsandsteinfotografen.de<br />
6<br />
Ravennaschlucht, Schwarzwald. FOTO Michael Arndt
RAUSBLICK<br />
WUNDERBAR<br />
WANDERBARES<br />
DEUTSCHLAND<br />
RAUSZEIT Winter 2014/<strong>2015</strong><br />
Berchtesgadener Hochthron, Untersbergmassiv. FOTO Pritz/F1 Online/Aurora Photos<br />
»SIEH’, DAS GUTE LIEGT SO NAH.«<br />
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE<br />
7
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
ERLEBT: Wildes Georgien – Skibesteigung Kazbeg<br />
ALLES BLEIBT ANDERS<br />
Es gibt sie noch, die wilden Flecken Europas. Wer sich nach Georgien aufmacht, erlebt den Charme des Ostblocks<br />
kombiniert mit westlichem Wandel. Ganz im Nordosten des Landes wartet der Kazbeg, das alpine Wahrzeichen<br />
Georgiens, auf abenteuerlustige Skibergsteiger.<br />
»Ski, Gudauri?« spricht uns ein finster dreinblickender<br />
Typ an. Es ist fünf Uhr morgens, seit zwei Stunden<br />
schon lümmeln wir in der fast menschenleeren Flughafenhalle<br />
in Tiflis herum und warten darauf, dass<br />
der Tag anfängt. Wir, das sind Sonja, Hans, Regine<br />
und ich. Der »finstere« Typ ist Giorgi, unser Chauffeur.<br />
Er ist pünktlich auf die Sekunde. Typisch georgisch,<br />
abgemacht ist abgemacht. Über den Freund<br />
eines Freundes hatten wir schon vor Wochen das Taxi<br />
gechartert, aber nie eine Bestätigung bekommen und<br />
auch keinen direkten Kontakt zu unserem Fahrer.<br />
Aber wenn ein Georgier etwas verspricht, dann passt<br />
das auch.<br />
Diese Erfahrung haben Regine und ich schon öfters<br />
gemacht. Sehr vieles hat sich in Georgien geändert<br />
seit 2005, als wir das erste Mal dort waren. Aber aus<br />
der Sicht eines Reisenden kann ich mir kein anderes<br />
Land vorstellen, das in so kurzer Zeit einen derartigen<br />
Wandel erlebt hat, was die Verbesserung der Lebensqualität<br />
und der inneren Sicherheit betrifft. Natürlich<br />
gilt dies nicht für alle Gegenden und Bevölkerungsschichten.<br />
Und ich möchte auch kein abschließendes<br />
Urteil fällen über die Verhältnisse im Land. Aber für<br />
einen Touristen macht es eben einen Unterschied, ob<br />
man sich weitgehend gefahrlos von der Kneipe zum<br />
Hotel bewegen kann, ob Straßen nur aus Schlaglöchern<br />
bestehen, ob es funktionierenden öffentlichen<br />
Verkehr, Elektrizität und sauberes Trinkwasser gibt –<br />
oder eben nicht. All dies hat sich in den Jahren nach<br />
der unblutigen »Rosenrevolution« 2003 zum Besseren<br />
gewendet. Nicht schlagartig und nicht überall.<br />
Aber keine Sorge, trotz aller Veränderung sind<br />
zwei Dinge gleich geblieben in Georgien: Da ist zum<br />
einen die wirklich großartige Natur. Die Berge stehen<br />
immer noch da, wo sie vorher standen. Sie sind immer<br />
noch wild, hoch und mit Eis und Schnee bedeckt.<br />
Zum anderen ist da die Seele dieses Landes, das<br />
auf eine jahrtausendealte, wechselhafte Geschichte<br />
zurückblicken kann. Der Kaukasus und besonders<br />
Georgien sind tief verwurzelt in ihrer Kultur und Vergangenheit.<br />
Den Menschen merkt man dies an, ihre<br />
Mentalität ist markant: selbstbewusst, stolz, etwas<br />
dominant, ein wenig impulsiv vielleicht und sehr vereinnahmend,<br />
dabei aber überaus gastfreundlich und<br />
verlässlich. Daran haben auch sowjetische Jahrzehnte,<br />
wirtschaftlicher Niedergang, flächendeckende Armut<br />
und jahrelange Korruption nichts geändert. Die<br />
Gastfreundschaft ist den Einheimischen heilig, sie ist<br />
herzlich und ein wenig ruppig zugleich. »Gaumardschoss!«<br />
lautet der Trinkspruch, der zum Wohle und<br />
mit Nachdruck ausgebracht wird: »Sei siegreich!«<br />
8
HIGH QUALITY OUTDOOR EQUIPMENT SINCE 1908<br />
HANS KRISTIAN KROGH-HANSSEN<br />
Links: Auf dem Weg zum Kazbeg-Gipfel. Atemberaubender Blick über die ossetische<br />
Bergwelt.<br />
Oben: Ostblock-Charme und Aufbruchstimmung – in Georgien trifft man auf beides.<br />
FLEECE<br />
Eine der höchsten Skitouren Europas<br />
2005 wollten wir zum ersten Mal auf den Kazbeg, diesen markanten, wunderschönen<br />
Berg. Er zeigte uns damals wahrhaftig die kalte Schulter: Whiteout! Auf 4.600 Metern<br />
Höhe mussten wir umkehren. Und nur dem GPS haben wir es zu verdanken, dass wir<br />
heil wieder runtergekommen und nicht in einer Spalte verschwunden sind ...<br />
Nun, wir sind also wieder da, im Kaukasus. Es ist Ostern, und wir haben die Tourenski<br />
im Gepäck. Dieses Mal, so haben wir uns fest vorgenommen, ist der Kazbeg,<br />
der »nationale« Berg Georgiens, fällig. Mit 5.033 Metern ist er – nach dem Elbrus<br />
– eines der höchsten europäischen Skitourenziele, je nach Definition, wie weit man<br />
die Grenze eines geografischen Europas in den Kaukasus zieht. Einen Fünftausender,<br />
das gibt es in Europa eben sonst nirgends, in den Alpen ist bei gut 4.800 Metern<br />
Schluss. Außerdem haben Regine und ich noch eine Rechnung mit ihm offen.<br />
Aber erst mal ankommen und akklimatisieren. Zwei Stunden nachdem uns Giorgi<br />
in Tiflis aufgelesen hatte, sind wir in Gudauri eingetroffen. Das größte und bekannteste<br />
Skigebiet Georgiens liegt auf über 2.000 Metern Höhe und ist sehr schneesicher<br />
– normalerweise. In diesem Jahr sind die Temperaturen mild, der Schnee schmilzt<br />
dahin, gerade noch können wir direkt am Hotel in die Bindung steigen, um eine erste<br />
kleine Eingehtour im Skigebietsumfeld zu unternehmen. Das Pistengelände reicht<br />
bis fast 3.300 Meter hinauf, und sobald man eine andere Abfahrtsroute wählt, ist man<br />
einsam und alleine mitten im wilden Kaukasus. Auch in Gudauri hat sich einiges verändert<br />
in den letzten zehn Jahren. Es wird Heliskiing mit modernen Hubschraubern<br />
angeboten, schon vor Jahren wurden die alten rostigen Liftreste durch Hightech-<br />
Versionen ersetzt und frisch gestaltete Buchungs-Webseiten präsentieren eine gan-<br />
Hareid Jacket<br />
Leichte, trageangenehme Jacke aus meliertem Polartec®-Fleece.<br />
EKSTREM TURGLEDE<br />
bergans.de
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
Bummeln durch Gudauri – und Staunen über den Schneemangel.<br />
Ganz oben: Morgensonne vor der Bethlemi Hütte.<br />
Oben: Massive Baukunst: die Kirche Zminda Sameba auf 2.100 Meter,<br />
im Hintergrund unser Ziel, der Kazbeg.<br />
ze Reihe neuer Unterkünfte. Aller Georgien-Charme<br />
gegessen? Keineswegs: Die Kühe stehen immer noch<br />
auf der Straße, das Taxi hat immer noch ziemlich abgefahrene<br />
Reifen und es sind noch längst nicht alle badewannengroßen<br />
Schlaglöcher verschwunden ...<br />
Am nächsten Tag gehen wir den knapp 3.000 Meter<br />
hohen Miketi an. Wie er sind viele dieser herrlichen<br />
Skiberge rund um Gudauri für die allermeisten ambitionierten<br />
Skitourenbergsteiger vor allem Akklimatisations-<br />
und Eingehtouren für den Kazbeg. Doch allein die<br />
Tour zum Miketi könnte der Grund dafür sein, immer wieder<br />
in den Kaukasus zu fahren: glitzernder Schnee am<br />
Morgen beim Aufstieg, vorbei an den Ruinen eines alten<br />
Wehrdorfs, blauer Himmel, eine grandiose Bergkulisse<br />
mit dem Kazbeg als Hauptdarsteller, cremiger Firn bei<br />
der Abfahrt. Als wir jenseits des Skigebiets auf der anderen<br />
Talseite auf dem Gipfelgrat sitzen, direkt auf der<br />
Grenze zu Südossetien, fühlen wir förmlich den Kontrast<br />
und Erinnerungen an das »alte« Georgien werden wach:<br />
Drüben in Gudauri haben sie neue Lifte und nette Hotels,<br />
Skilehrer verdienen ihr Geld und in den Restaurants wird<br />
vernünftiges Essen serviert. Hinter uns, auf der anderen<br />
Seite, in den Tälern Südossetiens, ist alles beim Alten.<br />
Der Konflikt, der 2008 in einen kurzen, blutigen Krieg<br />
mündete, schwelt noch. Zwischen alt und neu, Krieg und<br />
Frieden, liegt manchmal nur ein schmaler Grat. Wortwörtlich:<br />
In unserem Fall sitzen wir direkt darauf und<br />
können nach der Rast eine 800 Meter hohe, makellose<br />
Firnflanke nach Osten hinab in vollen Zügen genießen.<br />
Kazbeg – »Gaumardschoss!«<br />
Endlich können wir den Kazbeg in Angriff nehmen. Den<br />
ausgerauchten Vulkan mit der attraktiven Höhe muss<br />
man sich »ehrlich« erarbeiten, kein Lift führt hinauf.<br />
Gestartet wird auf knapp 1.700 Metern im Örtchen<br />
Stepanzminda, durch den die Georgische Heerstraße<br />
führt, die Russland mit Georgien verbindet. Oder man<br />
organisiert – wie wir – ein geländetaugliches Taxi. »Da,<br />
da, da«, ja, ja, ja, geht schon – der Fahrer spricht sich<br />
und seinem Allrad-Gefährt gut zu, als er es durch knietiefen<br />
Schneematsch die schlammige Strecke hinauf<br />
zur berühmten Kirche Zminda Sameba treibt. Vor ein<br />
paar Tagen wäre der Weg noch nicht befahrbar gewesen,<br />
aber durch die warmen Temperaturen sparen wir<br />
uns nun die ersten 400 Höhenmeter des Aufstiegs. Von<br />
dort aus geht es erst einmal ungewöhnlich schneefrei<br />
zu Fuß weiter. Das bedeutet für uns: ordentlich buckeln,<br />
denn im Rucksack befindet sich auch die komplette<br />
Biwak-Ausrüstung, die wir bis zur Bethlemi Hütte auf<br />
3.653 Metern schleppen. Der Begriff »Hütte« ist etwas<br />
geschönt: Die unbeheizte, kasernenartige Unterkunft<br />
wurde in den 1940er-Jahren als meteorologische Station<br />
erbaut. Komfort wie man ihn von Hütten in den Alpen<br />
kennt, gibt es nicht. Keine Küche, keine Heizung, aber<br />
immerhin viel Platz und Doppelstockbetten mit Matratzen.<br />
In Gudauri hatte uns der Wetterbericht bereits<br />
vorgewarnt: nicht wirklich prickelnd – mit der Chance<br />
auf einen guten Tag. So viel zum Thema Wandel: Die<br />
Herausforderungen einer hochalpinen Skitour werden<br />
zwar nicht geringer, nur weil das Hotel schnelles Wi-Fi<br />
anbietet, aber für die Tourenplanung ist ein detaillierter<br />
Wetterbericht natürlich Gold wert. Deshalb hatten wir<br />
beschlossen, den Aufstieg zur Bethlemi Hütte bei nicht<br />
ganz perfekten Bedingungen zu unternehmen und den<br />
angekündigten Schneesturmtag auf der Hütte auszusitzen.<br />
Mit einer kurzen Erkundungstour und endlosem<br />
Schneeschmelzen auf unseren Kochern vergeht dieser<br />
Tag erstaunlich schnell. Und trotz allem »Ostblock-<br />
Charme« können wir dank guter Schlafsäcke der Ex-<br />
Meteo-Station auch bei deftigen Minusgraden doch<br />
etwas Gemütliches abtrotzen. Schließlich sind wir drinnen<br />
– und draußen heult der Wind. Wie viel Schnee wird<br />
er uns wohl vor die Skispitzen fegen?<br />
Einmalig: auf Skiern zum Gipfel<br />
Aufbruch! Knirschend öffnet sich die Tür, feine Schneekristalle<br />
wirbeln herein. Der Wind hat aufgehört, uns<br />
empfängt eine sternenklare und eiskalte Nacht. Das<br />
bisschen Neuschnee behindert kaum, Hans legt seine<br />
Spur und zügig kommen wir vorwärts. Unsere Route<br />
führt fast um den ganzen Berg herum auf die Nordseite,<br />
der einfachsten Variante für Skitourengeher. Vor uns<br />
liegt eine trügerisch makellos weiße Fläche. Die Flanken<br />
des Kazbeg sind durchsetzt von Gletscherbrüchen<br />
und wir suchen nach der flachsten und einfachsten<br />
Stelle. Als wir im Sattel ankommen und vor dem über<br />
10
WE WERE BORN WILD<br />
Diese Saison entfesseln wir die Leistungsfähigkeit<br />
von Merino, damit du dich an die Bedingungen<br />
der Natur anpassen kannst.<br />
Geschafft – auf Skiern bis zum Gipfel. EIn seltener Genuss an den eisigen Flanken<br />
des Kazbeg.<br />
40 Grad steilen Gipfelhang stehen, sind wir skeptisch. Zwei Tage zuvor bestand die<br />
Flanke noch aus blankem Eis, jetzt ist sie komplett schneebedeckt. Meistens legt<br />
man hier das Skidepot an und muss die letzten 150 Meter zum Gipfel mit Steigeisen<br />
bewältigen. Aber wir versuchen es, lassen die Skier dran. Manchmal rutschen<br />
die Kanten auf dem Eis, aber es funktioniert. In engen Zickzacks spuren wir durch<br />
besten, frischen Pulver bis zum höchsten Punkt. Gaumardschoss! Ich bin mir sicher,<br />
dass noch nicht allzu viele in den Genuss gekommen sind, bei solch perfekten<br />
Bedingungen in der Bindung auf dem Kazbeg-Gipfel zu stehen. Stolz und glücklich<br />
genießen wir bei herrlichstem Wetter die Wahnsinnsaussicht. Lange verweilen können<br />
wir leider nicht, am Horizont (und in der Wettervorhersage) kündigt sich bereits<br />
die nächste Front an. Der krönende Abschluss – die Abfahrt – hält, was das Spuren<br />
versprach: In bestem Pulver ziehen wir unsere Linien in die Gipfelflanke des Kazbeg,<br />
fast schweben wir über die weiten, weißen, im Sonnenlicht glitzernden Flächen<br />
über den Gletscher hinunter. Der Kazbeg hat seine Rechnung bezahlt – und sogar<br />
reichlich »Trinkgeld« gegeben.<br />
Text und Fotos: Joachim Stark<br />
<br />
icebreaker.com
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
ANDERS ERLEBT: Solo-Wintertour über den Inarisee<br />
DER ALTE MANN UND DER SEE<br />
Von Sagen und Mythen ist er geprägt, der hohe Norden. So mancher verliert sein Herz an die raue Einsamkeit jenseits<br />
des Polarkreises. Für einen langen Augenblick wird man(n) zum Einzelgänger und erlebt die Einzigartigkeit der Natur in<br />
einer Art und Weise, wie man sie nur allein auf sich gestellt wahrnehmen kann. Eine Ode an den hohen Norden.<br />
Hier bin ich nun, ganz oben, im hohen Norden, dort,<br />
wo das Land bald aufhört! Von hier aus sieht die Welt<br />
schön aus. Ich stehe auf einem Berg, vor mir ein Fjord<br />
– ein Finger des Eismeeres, offenes Wasser gerahmt<br />
von verschneitem Fels. Hinter mir weites Land, schroff<br />
zerklüftet. Täler und Seen ruhen noch unter Schnee<br />
und Eis, aber auf glatt gefegten Bergkuppen künden<br />
erste kahle Stellen vom Ende des Winters. Und so wird<br />
es auch Zeit für den alten Mann mit seiner Geschichte,<br />
die bald an genau diesem Ort enden wird.<br />
Reise an den großen See<br />
In der großen Stadt waren die Bürgersteige schon<br />
längst wieder heruntergeklappt für den Frühling, für<br />
die Schönen und die Sonnenbrillen, als der alte Mann<br />
seine Sachen packt für die letzte Tour des Winters. Etwas<br />
verunsichert vom Laisser-faire der Frühlingswegelagerer<br />
vor seiner Haustür macht er sich mutig auf<br />
zum Flughafen. Später, angekommen in der finnischlappländischen<br />
»Metropole« Ivalo, mitten zwischen<br />
Nordkap und Polarkreis, erfüllt ihn mit der klaren, kalten<br />
Luft in den Lungen und dem Knirschen des Schnees<br />
unter den Füßen eine große Euphorie. Schnell kehrt<br />
das Vertrauen zu Ski, Eis und Schnee zurück. Mit der<br />
Ungeduld eines Schlittenhundes zieht er seine Pulka –<br />
Flusskrümmung um Flusskrümmung. Bis sich die Ufer<br />
öffnen zum großen See Inari: 1.040 Quadratkilometer,<br />
etwa 3.300 Inseln, bis zu 92 Meter tief und 80 Kilometer<br />
lang. Ihn, den großen Inari, will der alte Mann überqueren,<br />
um an sein Ziel, das gut 200 Kilometer entfernte<br />
Nordmeer-Städtchen Kirkenes, zu gelangen. Allein.<br />
Erst mit untergehender Sonne schlägt er sein Zelt auf.<br />
Und als er nachts noch einmal vor die Tür tritt, staunt er<br />
über Mond und Sterne und ein hellgrün wehendes Polarlicht.<br />
Er lohnt sich so sehr, der hohe Norden ...<br />
Demut vor der Dimension<br />
Am nächsten Morgen wird die eisige Stille von lautem<br />
Dröhnen durchbrochen. Ein Sami gleichen Alters mit<br />
seinem Motorschlitten. In einer fremden Sprache versucht<br />
er – nach oben zeigend – auf etwas hinzuweisen.<br />
Ein »samischer Wetterbericht« vermutet der alte Mann<br />
und bedankt sich, bevor der Bote mit heulendem Motor<br />
von dannen zieht. Und tatsächlich, das Wetter ändert sich<br />
schnell und hüllt alle und alles in Vorhänge leise wirbelnden<br />
Schnees. Aufkommender Wind verwandelt die<br />
fallenden Eiskristalle in einen Teppich aus fließendem<br />
Weiß. Erst am Ende des Tages gibt er die Sicht wieder frei<br />
und der Blick fällt auf eine unheimlich große Dimension:<br />
Unendlichkeit gesprenkelt mit Inseln, hinter jeder Landzunge<br />
eine neue Weite. Voller Demut entsteht im späten<br />
Licht der durchbrechenden Sonne ein neues Zeltlager. So<br />
ganz allein auf sich gestellt, in dieser wunderbar weißen<br />
Unendlichkeit, wirken die Dinge noch viel imposanter.<br />
Strahlendes Blau trifft den Blick aus dem Zelt am<br />
Morgen des dritten Tages. »Wetter zum Helden zeugen«,<br />
erinnert sich der alte Mann, das hatte seine<br />
Mutter früher immer gesagt. »Damals muss es wohl<br />
besonders schön gewesen sein«, spricht der Held<br />
schmunzelnd zu sich selbst und bricht auf meterdickem<br />
Eis gleitend auf zum nördlichen Horizont, um<br />
seine Zeugung zu rechtfertigen. Zur Mittagspause tauchen<br />
in der Ferne vom nächsten Land kündende Linien<br />
auf. »Ganz schön weit bis dahin«. Ob er das laut gesagt<br />
oder nur gedacht hat? Die Grenzen verschwimmen mit<br />
jeder Stunde der Einsamkeit. Plötzlich wieder eine Begegnung.<br />
Ein vorbeireisender Motorschlitten-Finne<br />
taucht aus der Weite des gefrorenen Sees auf. »Eine<br />
gemütliche Hütte mit Sauna, das wär’ doch was«, empfiehlt<br />
er zum Ansporn, »auf einer Insel in etwa 20 Kilometern«.<br />
Klingt verlockend, denkt der alte Mann und<br />
erobert tapfer See-Meile um See-Meile, bis sich der<br />
Tag seinem Ende neigt.<br />
12
RAUSZEIT Sommer Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
Die große Freiheit. Mitten auf dem Inarisee schlägt der alte Mann sein Zelt auf.<br />
Links: Selbstversorger und Alleinunterhalter – Solo-Touren haben ihren eigenen Reiz.<br />
Ganz oben: macht süchtig – das spektakuläre Nordlicht-Kino.<br />
Oben: Endstation Rollfeld. Am kleinen Flughafen von Kirkenes endet das<br />
Abenteuer des alten Mannes.<br />
One-Man-Show<br />
In der Sichtverschlechterung des Abends macht er<br />
sich auf die Suche nach der Hütte. Was jedoch so wohlig<br />
klang, bringt ihn erst ins Grübeln – und schließlich<br />
zu dem festen, ja euphorischen Entschluss, wieder<br />
sein Zelt aufzuschlagen. Die eigenen vier Wände, kein<br />
schnarchender Nachbar, nicht anderer Leute Witz und<br />
keine wohlgemeinten Ratschläge. Stattdessen: der<br />
Frieden, mit sich allein zu sein. Sehnsüchte, die man<br />
mit niemandem teilen muss. Und auch den Schnaps<br />
nicht. Welch’ Stille trotz Party!<br />
Selig schläft der alte Mann ein. Und als er mitten in<br />
der Nacht erwacht, hört er das schönste Geräusch der<br />
Welt, das zärtliche Streicheln und Flüstern wirbelnder<br />
Flocken an der Zelthaut und das leise Zischen vom Dach<br />
rutschenden Schnees. Glücklich wendet er sich wieder<br />
seinen Träumen zu und genießt die Geborgenheit seiner<br />
Winterwohnung bis weit in den nächsten Tag.<br />
Schluss mit Heldenwetter! Mit ungeduldigen Füßen<br />
geht es endlich weiter. Durch eine graue konturlose<br />
Welt aus tief hängenden Wolken und schneegetränkter<br />
Weite. Er motiviert sich, hat Musik im Ohr, Emotionen<br />
im Kopf – und plötzlich überwältigen ihn die großen Gefühle.<br />
Er lässt es geschehen, denn keiner hört sein befreiendes<br />
Schluchzen. Plötzlich scheint das ganze Leben<br />
so greifbar, es fließt durch die Bewegung, ist direkt<br />
an seiner Seite. Stationen und Begegnung, Hoffnung<br />
und Abschied, Traurigkeit und Glück. Und jetzt beginnt<br />
er endlich zu verstehen, warum es ihn immer wieder<br />
so rastlos in den Norden zieht: Hier geht es hinter dem<br />
Horizont noch weiter!<br />
EU-Austritt mit Schlitten<br />
Inzwischen rücken die Ufer näher und lassen den<br />
großen Inarisee allmählich ausklingen. Bald bestimmt<br />
Unwegsamkeit das Gelände. Kleine und große<br />
Seen, umgeben von steilen Ufern und tief verschneitem<br />
nordischen Urwald. Hier geht es selbst auf Skiern<br />
nur schwer voran. Aber was kann Helden schon<br />
stoppen?<br />
Gelegentlich verführen vom Nordwind verwehte<br />
Motorschlittenspuren zum Verfolgen, aber nur selten<br />
ist die Richtung die richtige. Ständig suchend, wie es<br />
wohl am besten weitergeht, steht der alte Mann plötzlich<br />
verblüfft vor einem mannshohen Zaun. Das wird<br />
wohl die Grenze zu Norwegen sein? Hoffentlich nicht<br />
die nach Russland, zweifelt er kurz, als er bereits<br />
sein Hab und Gut über den Maschendrahtzaun wirft,<br />
um dann selbst kletternd und mit dem Drahtgeflecht<br />
kämpfend die Europäische Union zu verlassen.<br />
Norwegen wird seinem Ruf bald gerecht. Fjorde und<br />
Berge folgen aufeinander. Von der Meereshöhe geht es<br />
noch einmal hoch hinaus, bis weit über die Baumgrenze.<br />
Es ist Ostern. Ganze Familien sind mit Schneemobilen<br />
unterwegs, campieren um kleine Feuer und angeln<br />
im Eis. Am Abend aber kehrt die Einsamkeit zurück und<br />
man hat das Fjell wieder für sich. Vom Zeltplatz aus sind<br />
bereits die Lichter der kleinen Hafenstadt Kirkenes zu<br />
sehen. Die letzte Nacht, der letzte Morgen. Bis zum Flughafen<br />
ist es nicht mehr weit. Obwohl ungeduldig des nahen<br />
Ziels, hält der alte Mann immer wieder inne, um an<br />
Zeit und Eindrücken festzuhalten. Doch bald hat er sein<br />
Ziel erreicht.<br />
Und nun stehen wir gemeinsam auf dieser letzten<br />
Höhe und werden, wie sich Land und Meer zu unseren<br />
Füßen vereinen, wieder zu einer Person. So sparen wir<br />
ein Flugticket und kehren gemeinsam, stolz und erfüllt<br />
mit großem Herzen zu euch zurück.<br />
Text und Fotos: Matthias Müller<br />
<br />
13
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
ERLEBT: Marokko – Trekking und Klettern im Nordwesten Afrikas<br />
MÄRCHENHAFTE BERBER-BERGE<br />
Maultiertaxis, gigantische Felswände zum Klettern, märchenhafte Oasen, schneebedeckte Gipfel und ein Tal, in dem das<br />
Glück zu Hause ist. Eine Trekkingtour durch den Hohen Atlas führt in eine längst vergangen geglaubte Zauberwelt aus<br />
Tausendundeiner Nacht.<br />
Die Augen sind geschlossen, anregend weht der Duft<br />
von Zimt, Koriander, Schwarzkümmel und Thymian um<br />
die Nasen. Der folgende Blick fällt auf bunt leuchtende<br />
Berge von Gewürzmischungen. Im Hintergrund, zwischen<br />
kantigen Felsen, suchen ein paar Dutzend Esel<br />
und Maultiere nach verdorrten Grashalmen. Am Rande<br />
bearbeitet ein Schmied mit einem schweren Hammer<br />
Hufeisen. Die Hitze steht ihm ins Gesicht geschrieben.<br />
Während zwei Männer ihr Muli festhalten, schlägt er<br />
die »Eisenschuhe« mit groben Stahlstiften an die Hufe.<br />
Autos sind Mangelware. Das Dörfchen Zaouiat Ahan sal<br />
mit seinen geduckten, spartanischen Steinhäuschen<br />
und seinem orientalischen Charme ist bezeichnend<br />
für die Bergtäler des Hohen Atlas. Am anderen Ende<br />
des Marktplatzes parkt eines der wenigen motorisierten<br />
Fahrzeuge. Ein Laster mit der Werbeaufschrift »Be<br />
digital«. Der Spruch klingt wie Ironie an einem Ort, an<br />
dem sich seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert nicht<br />
allzu viel geändert zu haben scheint. Lena und Flo spazieren<br />
ein Stück weiter: Stände mit Obst und Gemüse,<br />
daneben Hühner und Ziegen, zwischendrin ein buntes<br />
Gewühl aus Bergbewohnern, viele davon exotische Gestalten.<br />
Männer in langen Kaftanen, mit markanten Gesichtern<br />
unter den Turbanen. Frauen mit blau-grünen<br />
Augen. Im gleichen Ton sind die Tätowierungen in ihren<br />
Gesichtern und an den Händen gehalten.<br />
Outdoor auf orientalisch<br />
Trotz des Trubels herrscht eine entspannte Ruhe. Respektvolle<br />
Handküsse statt lautem Geschrei. Untypisch<br />
für das politisch derzeit unruhige Nordafrika. In der Tat<br />
ist Marokko im Moment wohl das sicherste Reiseland<br />
entlang der Südkante des Mittelmeers. Die Berber im<br />
Hohen Atlas waren schon immer ein Volk mit eigenen<br />
Riten. Aus ihrer Ruhe spricht Stolz. Der Stolz eines<br />
Bergvolkes, das sich seit Jahrtausenden in einer der<br />
kargsten Gebirgsregionen der Erde behauptet hat.<br />
Dass sie diese exotische Zeitreise angetreten haben,<br />
verdanken Flo und Lena Mohamad Ahansal. Einige Jahre<br />
hat der marokkanische Bergführer und Ultra-Läufer<br />
in Deutschland gelebt. Ab und zu kommt er immer noch<br />
auf Besuch in seine alte Wahlheimat. Und als er im vergangenen<br />
Sommer vom Hohen Altas als Trekking- und<br />
Kletterparadies geschwärmt hatte, stand für Weltenbummler<br />
Flo fest: »Das müssen wir uns ansehen.« Und<br />
nun befindet er sich mit seiner Freundin Lena schon<br />
mittendrin in einem Ausflug in eine ferne orientalische<br />
Vergangenheit.<br />
Etwa fünf Autostunden waren sie am Vortag von<br />
Marrakesch unterwegs ins von gewaltigen Felsmassi-<br />
14
Exotisch: Trekking in Marokko – ein Fest für die Sinne.<br />
ven umrahmte Zaouiat Ahansal. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß weiter. »Iihaaa,<br />
iihaaa!« Das Muli, auf dessen Rücken Flo nach dem Besuch des Souk die Rucksäcke<br />
packt, tönt wie eine eingerostete Hupe. Los geht’s! Zwei Stunden lang zieht sich ein<br />
Bergpfad durch eine Schlucht bergauf. Dann weitet sich das Tal zu einem Kessel.<br />
Hier auf 1.900 Metern Höhe liegt Taghia. Eine kleine grüne Oase inmitten monumentaler,<br />
rötlich schimmernder Felsmassive. Bis zu 1.000 Meter hohe Felswände umgeben<br />
das Dorf wie ein gigantisches Amphitheater. Es ist Herbst, Anfang November.<br />
Die am Talboden in kleinen Terrassen angeordneten Felder sind längst abgeerntet.<br />
Sternförmig zweigen enge, schluchtenartige Täler ab.<br />
»Wahnsinn!« Beindruckt, fast ehrfürchtig, legen Lena und Flo am nächsten Morgen<br />
den Kopf in den Nacken, um die Kletterrouten am Timghazine zu inspizieren.<br />
»Ihr schafft das schon, inshallah«, motiviert ihr Guide Mustafa. »Mit Allahs Hilfe«,<br />
entgegnet Flo voller Respekt. Denn die Taghia-Schlucht mit ihren imposanten Wänden<br />
ist in erster Linie ein Paradies für erfahrene Mehrseillängen-Kletterer und Big-<br />
Wall-Fans. Für Gelegenheits- und Plaisir-Kletterer dagegen ist das Gros der Routen<br />
eine ziemlich harte Nuss. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch einige leichtere<br />
kürzere Sportkletterrouten gibt. Doch wegen des grandiosen Canyon-Ambientes<br />
lohnen sich auch Trekkingtouren, die über steile, abenteuerliche Pfade teils bis auf<br />
die knapp 3.000 Meter hohen Gipfelplateaus führen. Wer sich an die abgesicherten<br />
Routen hält, findet dort rauen Kalk, wie man ihn sich in den oft abgespeckten Linien<br />
hochfrequentierter europäischer Klettergebiete kaum zu erträumen wagt.<br />
Mit etwas ausgedörrter Kehle erreichen Flo und Lena nach der Klettertour die<br />
Gîte, eine einfache Herberge, in Taghia. »Wiskey berbere?«, fragt Herbergsvater<br />
Saïd. Lena kuckt etwas irritiert. »Alkohol? Ist der hier nicht tabu?« Als Saïd wenig<br />
später die traditionellen kleinen Gläser auf den Tisch stellt, dämmert es ihr. Nein,<br />
das ist kein Schnaps, sondern Tee. In hohem Bogen gießt Saïd die belebende Mi-
Bismillah! Als Zeichen der Gastfreundschaft gibt's in<br />
Marokko Tee – im Namen Allahs, Prost!<br />
Zeitreise: Modernes Sportklettern und<br />
Feldarbeit wie vor Jahrhunderten.<br />
schung aus chinesischem Grüntee und Marokkanischer<br />
Minze in die Gläser. Je höher, desto besser, eine Zeremonie<br />
der Gastfreundschaft. »Ganz schön süß«, gibt<br />
Lena lächelnd zu, als sie ein erstes Mal nippt. Auch das<br />
ist ein Stück Gastfreundschaft: wenig Zucker – wenig<br />
Freundschaft, viel Zucker – viel Freundschaft. »Bismillah<br />
... im Namen Allahs, Prost!«<br />
Bei der Bergtour am nächsten Morgen deutet Mustafa<br />
nach oben in eine steile Rinne am Fuß der Wand,<br />
durch die auf den ersten, flüchtigen Blick kaum ein<br />
Durchkommen ist. »Ferrate Berbère«, sagt er mit einem<br />
Grinsen. Mit Ästen von Wacholderbäumen und<br />
Steinen haben die Einheimischen hier improvisierte<br />
klettersteigartige Routen angelegt, auf denen sie bisweilen<br />
samt ihrer Ziegen in abgelegene Hochtäler steigen.<br />
»Ein bisschen überausgerüstet komme ich mir da<br />
mit der modernen Kletterausrüstung schon vor«, sinniert<br />
Flo laut.<br />
Schnee in Afrika<br />
Auf dem Rückweg jagen stürmische Böen durch die<br />
Schlucht. Es beginnt zu regnen. Ein paar Wolkenlücken<br />
lassen es am nächsten Morgen oben in den Felswänden<br />
weiß durchschimmern. Schnee! Von wegen: Afrika, heiß<br />
und staubig – in den Bergen herrschen andere Gesetze.<br />
Rückzug! Unten in der Herberge in Zaouiat Ahansal<br />
empfängt Mohamads Verwandtschaft die beiden Trekker<br />
wie selbstverständlich mit Minztee und süßem Gebäck.<br />
Aufwärmen, Pläne schmieden. Draußen mischen<br />
sich Schneeflocken unter den Regen. »Wir müssen neu<br />
planen«, eröffnet Mohamad das Gespräch. Die geplante<br />
Trekkingtour über den gut 4.068 Meter hohen Jbel<br />
M’Goun auf die Südseite des Hohen Atlas wird nach den<br />
starken Schneefällen im Hochgebirge nicht machbar<br />
sein. Nach einer Stunde Kartenwälzen und einigen Telefonaten<br />
steht die neue Route: auf alten Berberpfaden<br />
durch den Felsriegel des Hohen Atlas.<br />
Ein makellos blauer Himmel spannt sich tags darauf<br />
über den Bergen. Die Gipfel sind dick mit Neuschnee<br />
eingezuckert – und sehen dem mit Zimt, Zucker und<br />
Nüssen garnierten Berg Berbernudeln, den die Frauen<br />
aus Mohamads Familie am Vorabend als Dessert<br />
servierten, beinahe ähnlich. Eine »kleine« Nachspeise<br />
nach der traditionellen Tajine mit Kartoffen, Huhn,<br />
Rindfleisch und Trockenpflaumen ...<br />
Seit Jahrtausenden schon ziehen Berber als Nomaden<br />
und Halbnomaden im Frühling mit ihren Schaf- und<br />
Ziegenherden durch die kargen, fast wüstenartigen<br />
Bergregionen des Hohen Atlas. Immer wieder tauchen<br />
unterwegs nun provisorische Steinmauern von Nomadenherbergen<br />
auf, so wie am fast ausgetrockneten<br />
Bergsee Lac d’Izourar. Sie zeugen von den Sommerlagern<br />
der Berber. Hier (er)leben sie mit ihren Herden<br />
eine ebenso raue wie landschaftlich faszinierende Seite<br />
der Freiheit. Völlige Stille. Ein Hauch von Tibet.<br />
Mit schweren Beinen erreichen Lena und Flo am<br />
Ende des Tages eine Gîte im etwa 500 Höhenmeter tiefer<br />
gelegenen Tal Aït Bougouemez. »Das Tal der Glücklichen«<br />
haben die ersten französischen Tekkingtouristen<br />
diesen Landstrich getauft. Ob die Menschen hier<br />
tatsächlich glücklicher sind? Viele jedenfalls haben ein<br />
Lächeln im Gesicht, wenn sie aufsehen. Mag sein, dass<br />
das nur ein Moment des Innehaltens im harten, arbeitsreichen<br />
Alltag ist. Doch vielleicht gibt es noch einen anderen<br />
Grund. »Es ist beinahe, als hätten wir die Hektik<br />
europäischer Großstädte auf einem anderen Planeten<br />
zurückgelassen«, bemerkt Flo. Berge von Äpfeln warten<br />
am Rande kleiner Plantagen auf den Abtransport.<br />
Es ist Erntezeit. Frauen klauben in bunt leuchtenden<br />
Gewändern Kartoffeln vom Feld. Auf dem nächsten<br />
Acker steht noch der Weizen. Mit einer Sichel schneidet<br />
eine Bäuerin Ähre für Ähre. Männer beackern mit Holzpflügen<br />
und Mulis kleine, von Hecken gesäumte Felder.<br />
Sie alle wirken tief versunken in ihr Tun.<br />
Lebendig wird die Vergangenheit auch beim Aufstieg<br />
zur alten Agadir Sidi Moussa in der Mitte des Tales. »Eine<br />
typische Wohnburg der Berber«, erklärt Mustafa. Das<br />
Bauwerk ist nur zu einem geringen Teil aus Stein gemauert.<br />
Als Basismaterial dient ein Mix aus getrocknetem<br />
Lehm, Schottersteinen und Spreu vom Weizen. Das hält<br />
im Sommer kühl und im Winter halbwegs warm. Drinnen<br />
in der Burg wartet ein alter Wächter im braunen Kaftan<br />
darauf, dass noch irgendetwas passiert. Als er die beiden<br />
Europäer bemerkt, zeigt er auf schmale Schlitze in<br />
den Wänden, durch die spärlich Licht in das dämmrige<br />
Innere der Burg dringt. Die Erklärung folgt auf marokkanisch.<br />
»Diese Licht- und Luftschlitze dienten früher<br />
auch als Schießscharten«, übersetzt ihr Guide.<br />
Zuckerbrot- und Peitschenwetter<br />
»Wir müssen nochmals umplanen!«, verkündet Mustafa<br />
am nächsten Morgen, während er sich einen Tafernout-Fladen<br />
zum Frühstück schmiert. »Das Wetter ...«,<br />
mischt sich die Zusatzinfo gerade noch hörbar zwischen<br />
die folgenden Kaugeräusche. Dicke Wolkenschwaden<br />
wabern um den Pass. Zwei Stunden später tobt oben an<br />
den Atlas-Graten ein Schneesturm. Unten gießt es wie<br />
aus Eimern. Ein Geländewagen bringt die Trekkingtruppe<br />
auf verschlammten und vermurten Umwegen, aber<br />
zumindest halbwegs trocken, auf die Südseite des Atlas.<br />
16
POWERSTATION<br />
HANDWARMER<br />
Alte Kasbahs in den Tälern des Hohen Atlas wirken wie Burgen<br />
aus Tausendundeiner Nacht.<br />
24 Stunden später ist es, als wäre das Unwetter nur ein Spuk gewesen. Die Sonne<br />
scheint vom makellos blauen Himmel. Eng windet sich ein Fluss durch die von<br />
steilen Klippen gesäumte Gorge du Aganti. Am Ende weitet sich die Schlucht in eine<br />
beeindruckende Szenerie. Mustafa zeigt auf die Felswände auf der gegenüberliegenden<br />
Talseite: Viereckige Öffnungen im Fels markieren die Eingänge zu Höhlenwohnungen.<br />
»Es ist noch gar nicht so lange her, dass darin Menschen gelebt<br />
haben«, erklärt er.<br />
Den Zauber aus Tausendundeiner Nacht vollenden Mohamad und Mustafa am<br />
letzten Tag. Sie entführen Lena und Flo nach einer Autofahrt auf eine Wanderung<br />
in die Dünen bei Zagora. Bald sind die Beine müde und beide glücklich, als sie sich<br />
in den Kamelsattel schwingen dürfen. Als der Mond aufgeht, erzählt Mohamad von<br />
früher. Hier ist er aufgewachsen. Und hier findet jedes Jahr der legendäre Wüstenlauf<br />
Marathon des Sables statt – rund 250 Kilometer in sechs Etappen. »Wir sind<br />
als Kinder immer viel gelaufen«, erzählt Mohamad mit leuchtenden Augen, »oft<br />
hinter Ziegen und Schafen her.« Er und sein Bruder Lahcen rannten beim Marathon<br />
des Sables oft lange Strecken nebenher und wunderten dann über die Langsamkeit<br />
der anderen Athleten. Irgendwann<br />
durften die beiden<br />
Wüstenfüchse dann selbst an<br />
<br />
dem Rennen teilnehmen. Und<br />
sie liefen tatsächlich schneller<br />
als alle anderen. Mohamad<br />
hat den Wüstenmarathon viermal,<br />
Lahcen gar zehnmal gewonnen<br />
... Aber das ist ein anderes<br />
Outdoor-Abenteuer aus<br />
dem Märchenland Marokko.<br />
Text und Fotos: Christian Penning<br />
KEA 5.000 mAh Power Station<br />
Charger with Battery Indicator<br />
High / Low Output<br />
Warmer<br />
Flashlight & Strobe<br />
Dual Charging<br />
TASCHENLAMPE<br />
More Infos: www.essential-elements.ch
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
FOTO Stefan Bode<br />
FOTO Martin Supplie FOTO Martin Supplie<br />
FOTO Grant Gunderson / McNett<br />
BESSERWISSER: reparieren und improvisieren auf Tour<br />
HILFE ZUR SELBSTHILFE<br />
Hochwertige Outdoor-Ausrüstung ist in der Regel sehr robust, hart im Nehmen und einfach in der Bedienung. Aber jede<br />
Regel hat ihre Ausnahme. Ob patagonischer Sturm, menschliches Versagen, schlummernder Verschleiß oder einfach<br />
Montagsmodell – manchmal geht’s daneben. Doch was tun, wenn die Ausrüstung unterwegs Schaden nimmt? RAUSZEIT<br />
gibt Hilfestellung zur Selbsthilfe.<br />
So lange war sie geplant, die Reise in die Karpaten, so<br />
groß die Vorfreude. Endlich weit weg von Leuchtreklamen,<br />
übervölkerten Wanderwegen und ständiger Konsumbereitschaft.<br />
Und dann das: Eine Karpaten-Kuh liegt<br />
auf dem Zelt! Das Ergebnis: Gestängebruch, Zeltstoff<br />
gerissen ... Zugegeben, ein Extremfall an Ausrüstungsdefekten,<br />
aber beruhend auf einer wahren Begebenheit.<br />
Doch auch schon wesentlich geringere Schäden an notwendigen<br />
Outdoor-Utensilien können einem die Tour<br />
vermasseln – oder einen ernsthaft in Bedrängnis bringen.<br />
Fällt z. B. der Kocher in abgelegenen und/oder kalten<br />
Situationen aus, hört der Spaß ziemlich schnell auf.<br />
Eine der wichtigsten Gegenmaßnahmen beginnt deshalb<br />
bereits zu Hause bei der Reiseplanung. Mögliche auftretende<br />
Defekte sollten im Vorfeld im Kopf durchgespielt<br />
werden. Und vielleicht packt man bei entlegenen Abenteuern<br />
lieber die einfach zu reparierende »Lowtech«-<br />
Variante als das hochkomplexe Technikspielzeug ein. Im<br />
Englischen gibt es treffende Adjektive, um den Ausfall-<br />
Handlungsspielraum von Dingen und Systemen zu beschreiben:<br />
»fail-safe«, was so viel bedeutet wie »trotz<br />
Fehler sicher«, steht gegen »fail-proof«, was quasi jeglichen<br />
Defekt ausschließt. Gut wäre sicher auch die Produkteigenschaft<br />
»fool-proof«, auf Deutsch: idiotensicher.<br />
Denn dadurch ließen sich einige der populärsten Defekte<br />
bei der Nutzung von Outdoor-Ausrüstung ausschließen.<br />
Zelt-Hilfe<br />
Wie etwa der Gestängebruch beim Zelten. Oft passiert er<br />
schon beim Aufbau, indem die Hülsen nicht sauber aufeinanderstecken<br />
und in dem Zustand abgespannt werden.<br />
In jedem Fall sollte man auf Tour (mindestens) eine<br />
Reparaturhülse und ein Ersatzgestängesegment<br />
mitführen. Die Anwendung ist weitgehend<br />
selbsterklärend: das gebrochene Ende<br />
mit einer kleinen Zange oder einem<br />
Stein ausrichten, Hülse drüber,<br />
mit Klebeband fixieren, fertig.<br />
Trickreich wird es, wenn man<br />
derlei Hilfsgegenstände<br />
nicht dabei hat. Dann<br />
kann man versuchen, das gebrochene Segment von außen<br />
mit einem frischen, biegsamen Zweig und Tape zu »schienen«.<br />
Aber Achtung: Der Gewebetunnel darf durch den<br />
dickeren Gestängebogen nicht beschädigt werden! Für<br />
Reparaturen des Zeltstoffes ist eine effiziente »Klebehilfe«<br />
die einzig funktionierende Lösung. Ein kurzer Riss<br />
oder ein kleines Loch (z. B. durch Funkenflug) kann je nach<br />
Außenzeltmaterial mit den Funktionsklebstoffen »Seamgrip«<br />
oder »Silnet« repariert werden. Größere Risse lassen<br />
sich z. B. mit einem Streifen »Tear-Aid-Patch Type A«<br />
kleben. Das Outdoor-Allzweckmittel Duct-Tape, bisweilen<br />
auch Panzerband genannt, funktioniert kurzzeitig, ist<br />
aber keine längerfristige Lösung. Die Klebeflicken sollten<br />
an den Ecken abgerundet werden und auf jeder Seite den<br />
Riss um mindestens drei Zentimeter ü berlappen. Wichtig<br />
ist, dass die betroffenen Flächen sauber und fettfrei sind –<br />
am besten mit Alkohol reinigen. Und für die Wintercamper<br />
gilt: SeamGrip anwärmen, Flicken mit Kleber einschmieren,<br />
aufbringen und mit einem Becher warmen Wassers<br />
beschweren. Dabei aber immer ein Tuch zwischen Becher<br />
und Flicken legen. Ein populäres Zelten-Phänomen<br />
ist der Verlust von Heringen. Abhilfe schaffen feste Äste<br />
oder Eispickel – oder ein Platz mit Bäumen oder Steinen<br />
zum Festbinden. Auf Sand oder Schnee können befüllte<br />
Packsäcke, Socken oder in T-Form angelegte Hölzer eingegraben<br />
werden. Auch hart gepresste Schneebälle, mit<br />
Zeltleine umwickelt, können im Notfall funktionieren.<br />
Rucksack-Notfälle<br />
Klassische »Sollbruchstellen« bei Rucksäcken sind<br />
Steckschließen und Reißverschlüsse. Entsprechend<br />
sollten Universalsteckschließen, wie z. B. »Field Repair<br />
Buckles«, als Ersatz mitgeführt werden. Sie haben anstelle<br />
eines festen Stegs eine Schraube an dem fixierten<br />
Ende der Schließe, so erspart man sich das Nähen.<br />
Komplette Stoffrisse sind dagegen extrem selten. Allerdings<br />
schätzen es die Schulterträger eines Rucksacks<br />
nicht, wenn dieser gnadenlos überladen ist, besonders<br />
bei wildem Zerren an nur einem Träger. Muss genäht<br />
oder genietet werden, ist oft eine Ahle oder auch ein<br />
Korkenzieher notwendig, um kleine Löcher vorzubereiten.<br />
Mit Zange – z. B. am Multitool –, Nadel und Zahnseide<br />
lassen sich Risse passabel schließen. Tragende<br />
Elemente können mit Schlagnieten per – falls zur Hand<br />
– Hammer oder Stein fixiert werden.<br />
Wenn die Schlappen schlapp machen<br />
Wirklich ernsthafte Defekte bei Schuhen sind extrem<br />
selten. Wenn sie allerdings geschehen, gibt es kaum<br />
Möglichkeiten, auf Tour tatsächlich zu reparieren – in der<br />
Regel muss improvisiert werden, was den Gehkomfort<br />
und die Sicherheit stark beeinträchtigt. Deshalb empfiehlt<br />
es sich, die Schuhe vor der Tour im Fachgeschäft<br />
prüfen zu lassen. Geschulte, erfahrene Spezialisten kontrollieren<br />
die essenziellen Bauteile. Somit erspart man<br />
sich böse und in der Folge unbequeme Überraschungen.<br />
Kommt es tatsächlich zu einem Schuhdefekt auf Tour,<br />
ist die beste Antwort: ein Ersatzschuh. Nein, natürlich<br />
sollte man kein zweites Paar Trekkingschuhe in den<br />
Rucksack werfen. Aber ein paar leichte Sandalen, z. B.<br />
Tevas, tragen einen im Notfall zumindest in die nächste<br />
menschliche Siedlung. Und dort wiederum ist die Wahrscheinlichkeit<br />
nicht gering, dass jemand helfen kann.<br />
Dem Klassiker – gerissene Schnürsenkel – kann man<br />
einfach durch Ersatzsenkel oder im Notfall eine dünne<br />
Reepschnur beheben. In Ausnahmefällen löst sich bei älteren<br />
Schuhen (7 Jahre oder älter) manchmal die Sohle.<br />
Unterwegs bleibt dann meist nur die Kurzzeitlösung, die<br />
Sohle mittels Tape, Reepschnur oder Kabelbinder zumindest<br />
für eine Weile am »Restschuh« zu fixieren.<br />
Küche bleibt kalt<br />
Wenn der Kocher streikt, muss im besten Fall länger gekaut<br />
werden. Im schlechten Fall, v. a. bei Wintertouren,<br />
kann dies ernsthafte Konsequenzen haben. Die Wahl des<br />
richtigen Kochers für die anstehende Tour ist deshalb<br />
ein Spagat aus unkomplizierter Technik, Verfügbarkeit<br />
von Brennstoff und Erreichbarkeit von Fremdhilfe. Keine<br />
leichte Entscheidung, denn Multifuel-Brenner sind zwar<br />
– im Vergleich zu Gas- und Spirituskochern – etwas komplexer<br />
aufgebaut, allerdings erhält man deren Brenn-<br />
18
AUSRÜSTUNGS-REPARATURBAUKASTEN<br />
Einen großen Reparaturbaukasten stellt man sich am besten für zu Hause zusammen<br />
– und wählt dann je nach Tour und Transportmöglichkeiten die essenziellen Bestandteile<br />
aus. Beratung gibt es im Fachhandel, fündig wird man dort und im Baumarkt:<br />
• Zange (in gutem Multitool integriert)<br />
• dünnes, aber festes Garn, Zahnseide, Reepschnur (2 mm, mind. 10 Meter)<br />
• Duct-Tape, Kabelbinder, Draht, Hohl- und andere Nieten, Nähzeug, Ahle<br />
• SeamGrip oder Silnet (je nach Zeltmaterial)<br />
• Tear-Aid-Patch Type A (Canvas, Nylon, Rubber, Plastic), Type B (Vinyl, PVC)<br />
• Reparaturhülse, Ersatzsegment für Zeltgestänge<br />
• Ersatz-Steckschließen, z. B. »Field Repair Buckle«<br />
• »ZlideOn« oder/und »FixnZip« Ersatz-Reißverschlussschlitten<br />
(Größen vorher prüfen)<br />
• kräftige D-Ringe, Schäkel (Segelbedarf), Schlüsselringe<br />
• Düsennadel, Düse, Dichtungen, Pumpenlederöl, Kriechöl, Backpulver<br />
• ggf. Dichtringe f. Kocher und Trinkflaschen<br />
• andere Kleinteile wie Ersatz-Hosenknöpfe, Sicherheitsklammern<br />
Hilleberg –<br />
ein Zelt für jede Tour<br />
und Jahreszeit!<br />
Hilfreiche Anwendungstipps unter<br />
www.mcnetteurope.com<br />
stoffe weltweit nahezu überall. Insofern sind sie für Reisen in ferne Länder und für<br />
Weltenbummler oft die bessere Wahl. Schwachpunkte können verstopfte Düsen, trockenes<br />
Pumpenleder oder verunreinigte Generatoren sein. Dichte Düsen lassen sich in<br />
der Regel mit der im Lieferumfang enthaltenen Düsennadel »freischaufeln«. Um das<br />
Pumpenleder wieder geschmeidig zu machen, verwendet man bestenfalls ein spezielles,<br />
im Fachhandel erhältliches Pumpenlederöl, zur Not – etwa auf Tour – geht auch<br />
Speiseöl. Verrußte Generatoren und Leitungen kann man ziemlich gut mit in warmem<br />
Wasser gelöstem Backpulver (Achtung, intensive Reaktion!) beheben. Unterwegs hilft<br />
auch ein Bad in einem nahezu weltweit erhältlichen, koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk,<br />
da die enthaltene Phosphorsäure so ziemlich alles auflöst ... Zwei Dinge sind bei<br />
dieser Notlösung wichtig: Zum einen darf man die Teile nicht zu lange in dem schwarzen<br />
Softdrink liegenlassen, da ansonsten das Zink an den Lötstellen gelöst wird. Zum<br />
anderen sollte nachher ordentlich mit Essigwasser gespült werden, denn Zucker und<br />
Hitze ergibt zwar auf dem Jahrmarkt eine leckere Mischung, im Kocher will man das<br />
Ergebnis aber lieber nicht haben. Defekte an reinen Gaskochern sind äußerst selten,<br />
höchstens eine verstopfte Düse. Und Spirituskocher, wie der Trangia, sind quasi unkaputtbar<br />
– außer man tritt drauf oder der Rucksack fällt vom Dach des Busses auf die<br />
Stelle, an der der Kocher liegt ... Ihre einzige Schwachstelle ist das Dichtungsgummi<br />
der Verschlusskappe, was aber maximal für Spiritusdampf im Rucksack sorgt.<br />
Matte Matten und schlüpfrige Schlafsäcke<br />
Ausfälle bei Isomatten und Schlafsäcken münden oft in unbequemen und durchzitterten<br />
Nächten. Deshalb die oberste Regel: Diese beiden Ausrüstungsgegenstände müssen<br />
wohlbehütet sein auf Tour. Bei selbst aufblasenden und aufblasbaren Unterlagen<br />
heißt das Zauberwort Prophylaxe. Generell mögen diese Matten übermäßige Wärme<br />
nicht besonders, was im Resultat zu Delamination und mitunter zu regelrecht kaputt<br />
gesprengten Exemplaren führt. Sowohl zu Hause als auch tagsüber auf Tour im Zelt<br />
muss die Matte zwingend mit offenem Ventil gelagert werden. Auch mit fliegenden Lagerfeuerfunken<br />
stehen jegliche luftunterstützten Schlafstätten auf Kriegsfuß. Löcher<br />
lassen sich mit den oben beschriebenen bzw. den im Lieferumfang enthaltenen Klebeflicken<br />
stopfen. Dafür die Flächen säubern und möglichst fettfrei machen, Kleber<br />
dünn auftragen, leicht antrocknen lassen, Flicken drauf und leichten Druck ausüben.<br />
Kaputte Ventile sind echte Not-OPs für Geübte, weil man beim Wechsel auch ziemlich<br />
viel falsch machen kann. Auch hier gilt: vor längeren Touren am besten die Matte vorher<br />
vom Fachhändler prüfen lassen. Wer wirklich auf Nummer sicher gehen will, greift<br />
zur Evazote-Schaumstoffmatte. Die hat zwar ein deutlich größeres Packmaß und ist<br />
weniger bequem, dafür aber sowohl nahezu »fail-proof« als auch »fool-proof«.<br />
Bei Schlafsäcken gelten wie für sämtliche Ausrüstungsgegenstände aus Stoff die<br />
gleichen Notfall-Reparaturhinweise wie bei Zelt- und Rucksackstoffen (und auch<br />
Jacken, Hosen …): je nach Art und Belastung nähen und/oder kleben. Beim Kleben<br />
von Rissen in der Schlafsackhülle ist allerdings besonders darauf zu achten, dass<br />
Innen- und Außenhülle nicht aneinanderhaften, da sonst Kältebrücken entstehen.<br />
Übung macht den Meister<br />
nammatj<br />
Das stabile, komfortable und bemerkenswert<br />
leichte Ganzjahreszelt in unserer black label<br />
Kategorie. Ein vielseitiger Allrounder, wenn es auf<br />
eine kompakte Stellfläche und niedriges Gewicht<br />
ankommt. Erhältlich für 2 und 3 Personen.<br />
Joe Stock/stockalpine.com<br />
seit über 40 jahren fertigt Hilleberg Zelte in höchster<br />
Qualität. Konzipiert und entwickelt in Nordschweden,<br />
bieten unsere Zelte die ideale Balance aus niedrigem<br />
Gewicht, absoluter Stärke und hohem Komfort. Bestelle<br />
unseren Katalog für weitere Informationen!<br />
Ähnlich der Ersten Hilfe bei Human-Unfällen sollten Ausrüstungsreparaturen<br />
– sofern möglich – zuerst zu Hause<br />
geübt werden. Denn wer sich auf Mike Horns Spuren begibt,<br />
tut dies mit ein bisschen MacGyver-Wissen gelassener.<br />
Das erhöht nicht nur das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />
und die Abenteuerlust, sondern auch Komfort<br />
und Sicherheit, wenn wirklich mal ein Ausrüstungsteil<br />
seinen Dienst verweigert.<br />
Text: Martin Supplie<br />
Mehr Informationen unter<br />
HILLEBERG.COM<br />
+ 46 (0)63 57 15 50<br />
Folge uns auf facebook.com/HillebergTheTentmaker
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
EINBLICK: Icebreaker<br />
VÖLLIG VON DER WOLLE<br />
1995 trat ein 24-jähriger Neuseeländer an, um der Outdoor-Gemeinde T-Shirts zu verkaufen – aus Wolle. 20 Jahre und<br />
zahllose Aha-Erlebnisse später hat Jeremy Moon mit den Produkten seiner Marke »Icebreaker« die Welt längst überzeugt,<br />
dass Merinowolle unser Leben bereichert: mit mehr Komfort, weniger Waschgängen und engeren Freundschaften.<br />
Ein wenig kann man das Misstrauen sogar nachvollziehen.<br />
Jeder, der eine Oma hatte (und das sind wohl die<br />
meisten), erhielt irgendwann einmal etwas aus Wolle<br />
geschenkt. Mit sehr viel Liebe selbst gestrickt, doch<br />
leider: kratzig ohne Ende. Und nun soll man Unterwäsche<br />
aus Wolle tragen? Direkt auf der Haut? Ein Hemd<br />
für den ganzen Trip? Wenn Verkäufer den Kunden das<br />
erste Mal die Vorteile von Merinowolle erklären, ernten<br />
sie nicht immer gleich Begeisterungsstürme. Zu<br />
tief wurzelt das Misstrauen gegenüber Wolle in den<br />
Köpfen. Der Enthusiasmus lässt aber meist nicht lange<br />
auf sich warten. Oft per E-Mail oder Postkarte: »Danke<br />
nochmal – zwei Shirts auf der gesamten Tour und<br />
trotzdem sind mein Reisepartner und ich noch Freunde<br />
...« Am häufigsten aber persönlich im Laden. Mit diesem<br />
Blick, der sofort verrät, dass da jemand seinen<br />
Icebreaker-Moment hatte, sich infiziert hat mit dem<br />
Merino-Virus. Fast sektenhaft breitet sich dieser aus:<br />
Partner, Freunde, die Schwiegermutter – alle werden<br />
sie Icebreaker-süchtig.<br />
Ohne diesen Mechanismus, diese einschneidenden<br />
Aha-Erlebnisse, gäbe es die Firma Icebreaker gar nicht,<br />
die sich seit 20 Jahren auf die Fahnen geschrieben hat,<br />
Naturliebhaber wieder in natürliche Kleidung zu stecken.<br />
Dabei wollte Jeremy Moon, der damals 24-jährige<br />
Gründer, eigentlich das Herz einer Frau erobern – und<br />
nicht sein Herz an Wolle verlieren. Doch deren Boss,<br />
ein Schaffarmer namens Brian Brackenridge aus der<br />
Region Marlborough, gab Moon ein T-Shirt, das er einfach<br />
nicht mehr ausziehen wollte. Weil es sich so prima<br />
anfühlte – und weil das Shirt partout nicht zu müffeln<br />
anfing, auch nach einer Woche noch nicht ...<br />
Merinowolle –<br />
ein Naturstoff erobert die Welt<br />
Farmer Brackenridge hielt auf seinen Weiden Merinoschafe,<br />
eine aus Spanien stammende Rasse, die bestens<br />
im rauen Klima des neuseeländischen Hochlandes<br />
zurechtkommt. Aus ihrer Wolle hatte er Hemden mit<br />
erstaunlichen Eigenschaften angefertigt: Zwischen den<br />
Kräuseln der nur 15 bis 24 Mikron (= Tausendstel Millimeter)<br />
feinen Merinofasern – normale Schurwolle hat<br />
30 bis 50 Mikron Dicke – hält sich eine Isolierschicht aus<br />
Luft. So wärmt die Wäsche, wenn es kalt ist, und kühlt,<br />
wenn es heiß ist. Ersteres tut sie auch noch, wenn sie<br />
feucht wird – das bleibt sie aber nie lange, weil sie sehr<br />
schnell trocknet. Zusammengefasst: Brackenridges<br />
Wäsche konnte es in allen Bereichen mit den damals<br />
allgegenwärtigen Synthetik-Leibchen aufnehmen. Mit<br />
einem entscheidenden Vorteil: Weil an den Wollfasern<br />
Bakterien schlecht haften, wirken sie im Gegensatz zur<br />
Kunstfaser geruchshemmend. Oder wie der Neuseeländer<br />
sagt: »With Merino, you don’t stink!« Und während<br />
Omas selbst gestrickte Pullis kratzten, waren die<br />
Merino-Shirts weich wie Seide. Allerdings interessierte<br />
dieses ganz natürliche Hightech-Produkt bis dahin<br />
niemanden. Vermutlich auch, weil Brackenridges erste<br />
Prototypen (im Gegensatz zu den Icebreaker-Teilen von<br />
heute) in Sachen Ästhetik noch Luft nach oben hatten ...<br />
Doch Jeremy Moon erkannte das Potenzial des Naturstoffes:<br />
Er kündigte seinen Job, flunkerte bei der Bank,<br />
dass er einen Kredit für eine neue Küche brauche – und<br />
startete seine Woll-Revolution.<br />
Allerdings: Still in seiner Ecke zu sitzen und zu warten,<br />
bis sich die Kunde von selbst verbreitet, wäre nicht<br />
Moons Art gewesen. Auch deshalb, weil Neuseeland der<br />
so ziemlich abgelegenste Fleck auf dem Planeten war.<br />
Nach vier Jahren wagt Icebreaker den Sprung nach Europa,<br />
der Chef fährt persönlich mit einem Kleinwagen<br />
voller Merino-Shirts von Händler zu Händler. Manche<br />
verstehen sofort, was für ein revolutionäres Produkt<br />
der Wuschelkopf mit den Huskey-Augen ihnen da zeigt,<br />
bei anderen dauert es etwas. Doch auch bei den Zweiflern<br />
bleiben die Icebreaker-Momente nicht aus. Eine<br />
Tour, ein Shirt – das überzeugt. Heute, 20 Jahre nach<br />
der Gründung, hat Icebreaker eine weltweite Fangemeinde.<br />
Eine Erfolgsstory, die viele staunen lässt – nur<br />
Jeremy Moon nicht. Denn der charismatische Neuseeländer<br />
strotzt nur so von Vertrauen in seine Garne. Und<br />
er hat überzeugende Argumente: Neben den körperlich<br />
spürbaren Aha-Effekten – Klimakomfort und Anti-Stink-Garantie<br />
– spricht eine ganz simple Tatsache<br />
für die Merinofasern: »Sie sind nicht aus Plastik«, sagt<br />
Moon knapp. Ein kurzer Satz nur, der aber viel Wirkung<br />
entfaltet, wenn man genauer darüber nachdenkt. Denn<br />
auch wenn es im Kunstfaserbereich viel Weiterentwicklung<br />
gab: Synthetik bleibt Synthetik. »Es macht<br />
einfach keinen Sinn, sich draußen zu bewegen, um der<br />
Natur näherzukommen und dabei Kunstfasern zu tragen«,<br />
meint der Merino-Pionier. Deshalb setzt er voll<br />
auf den im Wortsinne nachwachsenden Rohstoff Wolle.<br />
»Born in nature. Worn in nature.« lautet das Motto.<br />
Und dass Icebreaker seine Lieferanten – ausschließlich<br />
neuseeländische Farmer – verpflichtet, gänzlich<br />
auf Mulesing, das schmerzhafte, offene Beschneiden<br />
der Haut im Afterbereich der Schafe, zu verzichten, ist<br />
Ehrensache. Auch später beim Färben der Wolle werden<br />
nachweislich nur haut- und umweltverträgliche<br />
Mittel eingesetzt. Fast eine Million Merinos werden<br />
inzwischen exklusiv für Icebreaker geschoren. Um den<br />
derzeit 187 Farmern Planungssicherheit zu geben und<br />
sich selbst gleichbleibende Qualität zu sichern, werden<br />
langfristige Lieferverträge abgeschlossen.<br />
Kiwi-Humor als Markenzeichen<br />
Aber nicht nur die Merino-Produkte wollen Moon &<br />
Co. über den großen Teich bringen, auch ihre neuseeländische<br />
Lebenseinstellung. Und die ist geprägt von<br />
Lockerheit, Freundlichkeit – und viiieeel Kiwi-Humor.<br />
»Wir sind sicher unkonventionell«, erzählt Martina<br />
Weidel, die Marketingleiterin von Icebreaker Deutschland.<br />
»Auch wenn die Arbeit an unseren Produkten na-<br />
20
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
türlich im Vordergrund steht, sind die Meetings oft ein<br />
großer Spaß für alle.« Diese Unternehmenskultur trägt<br />
Icebreaker auch nach außen. Und so zeigt die Marke in<br />
ihrer Werbung mal brennende Ölquellen, um mit dem<br />
Schockeffekt darauf hinzuweisen, woraus Kunstfasern<br />
letztendlich gemacht sind. Ein anderes Mal geht es in<br />
die künstlerische Richtung, dann entführen »Merino-<br />
Mutanten« nackte Frauen in die Wildnis. Und noch öfter<br />
spielen die Neuseeländer mit ihrem landestypischen<br />
Humor: Schaubilder, die anhand eines mächtigen Bocks<br />
zeigen, wo genau Mensch und Schaf nicht stinken, wenn<br />
sie Merino tragen, und welche Bestandteile – auch im<br />
Sinne der Männlichkeit – beim Waschen nicht einlaufen<br />
... Irgendwann verkünden sie, ägyptische Wissenschaftler<br />
hätten herausgefunden, dass Ratten in Merino-Unterhosen<br />
deutlich mehr Sex hätten als solche mit<br />
Kunstfaser-Shorts. Und als 2004 das vor Jahren ausgebüchste<br />
Merinoschaf »Shrek«, das wegen des ausgebliebenen<br />
Scherens eher wie ein riesiger Blumenkohl<br />
aussah, in einer Höhle entdeckt wurde, spendierte Icebreaker<br />
diesem neuseeländischen Nationalhelden ein<br />
neues Merino-Kleid – nachdem es live im TV von seinen<br />
27 Kilogramm Wolle befreit wurde.<br />
Von der Unterwäsche zur<br />
Komplett-Bekleidung<br />
Trotz der weltweiten Beliebtheit ihrer Merinowolle haben<br />
die Neuseeländer einen wichtigen Spagat gemeistert:<br />
einerseits viele neue spannende Produkte zu entwickeln<br />
und andererseits authentisch und »typisch Icebreaker«<br />
zu bleiben. Denn aufgeschreckt vom vehementen Erfolg<br />
der Neuseeländer spinnen – im wahrsten Wortsinne<br />
– inzwischen auch fast alle anderen Hersteller den<br />
Merinofaden weiter, um auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen.<br />
Aus dem Nischenprodukt ist eine eigene<br />
Produktkategorie geworden: Funktionsbekleidung<br />
aus Merinowolle. Trotzdem: Bei Icebreaker bleibt<br />
man neuseeländisch locker. Gründer Jeremy<br />
Moon ist immer noch mittendrin und für jeden<br />
Mitarbeiter ansprechbar. Das mache es<br />
ja erst möglich, dass aus verrückten Ideen<br />
Wirklichkeit werde, erklärt Moon. So fertigen<br />
die Kiwis mittlerweile sogar Softshell- und<br />
wattierte Isolationsjacken aus Merinowolle.<br />
Und mit dezent-lässigen Kapuzenpullis und<br />
einer Yoga-Linie sind die Funktionsteile auch<br />
in der Stadt und im Alltag der Menschen<br />
angekommen. Was sich in »freier Wildbahn«<br />
angenehm trägt, macht auch jenseits von Outdoor-Akti-<br />
vitäten Spaß. Manchem mögen die samtigen Teile teuer<br />
erscheinen. Aber wer gegenrechnet, wie viele Waschgänge<br />
und Gepäckstücke auf Urlaubsreisen eingespart<br />
werden können, der wird erkennen, wie schnell sich die<br />
Investition amortisiert haben wird.<br />
Auch wenn unsere Welt sich immer schneller dreht,<br />
im abgelegensten Winkel der Erde, dem Hochland<br />
Neuseelands, da geht alles seinen gewohnten,<br />
alten Gang. Die Merinoschafe springen<br />
durch die Berge, fressen Gras und lassen<br />
ihre feine Wolle wachsen. Icebreaker hat<br />
die Outdoor-Welt verändert. Und je mehr<br />
Aha-Erlebnisse, desto weniger »Anstrengungs-Aroma«<br />
wird es auf engen Hütten<br />
und in Zelten geben. Rucksack- und Reisetaschengrößen<br />
werden schrumpfen. Und<br />
die Menschheit wird – positiv olfaktorisch<br />
bedingt – näher zusammenrücken. Was<br />
für eine schöne Vorstellung!<br />
Text: Moritz Baumstieger<br />
Fotos: Icebreaker<br />
21
RAUSZEIT Winter 2014/<strong>2015</strong> <strong>2015</strong>/2016<br />
NACHGEFRAGT: Cecilie Skog<br />
DIE OUTDOOR-ELFE<br />
Wilde Schönheit – Lockenmähne<br />
und eisblaue Augen.<br />
2006 – am Nordpol mit ihrem am<br />
K2 verunglückten Mann Rolf Bae.<br />
Sie bestieg als erste Frau der Welt die »Seven Summits«, die höchsten Gipfel aller sieben Kontinente. Erreichte in<br />
monatelangen Expeditionen als erste Frau auf Ski den Nord- und Südpol. Sie musste mitansehen, wie ihr Mann Rolf Bae<br />
am K2 in den Tod stürzte. Die 41-jährige Norwegerin Cecilie Skog kennt die Höhen und Tiefen eines Abenteuerlebens und<br />
stellt sich jetzt ganz neuen Herausforderungen: als Mutter.<br />
Das eiskalte Wasser kriecht ihr den Rücken hinauf, vor<br />
Schreck vergisst sie zu atmen. Ihr Fuß samt Ski hat sich<br />
an der Eissscholle verklemmt, die gerade unter ihr weggebrochen<br />
ist. Bis zur Brust versinkt Cecilie Skog im Polarmeer,<br />
kann sich nicht bewegen. Erst nach elf Minuten<br />
schaffen es ihre Begleiter, sie aus dem Eismeer zu ziehen.<br />
Fast wäre ihre Geschichte hier vor neun Jahren zu<br />
Ende gewesen, 40 Kilometer entfernt vom nördlichsten<br />
Punkt der Erde. Aber eben nur fast.<br />
»Adrenalinkicks sind nicht das, was mich antreibt. Ich<br />
hasse es, Angst zu haben. In der Natur suche ich etwas<br />
ganz anderes: Ruhe, Energie – und mich selbst.« Das<br />
sagt eine 1,60 Meter kleine Frau, die auf Ski 48 Tage bis<br />
zum Nordpol stapfte, über berstende Eisschollen, und<br />
dabei immer wieder im Neoprenanzug durch mörderisch<br />
kaltes Wasser schwamm. Eine Frau, die ebenfalls<br />
per Ski die Antarktis durchquerte und mehrere Achttausender<br />
wie zum Beispiel den Shisha Pangma, den Lhotse<br />
und den Cho Oyu bestieg.<br />
Sitzt man Cecilie Skog gegenüber, kann man kaum<br />
glauben, dass in dieser zierlichen Person eine fast unmenschliche<br />
Kondition und mentale Stärke stecken. Sie<br />
nestelt am Blümchen-Einband ihres Tagebuchs, das sie<br />
immer bei sich trägt. Ihre Lockenmähne fällt perfekt, die<br />
riesigen blauen Augen funkeln über einem Lächeln, das<br />
jedes Männerherz zum Schmelzen bringt. Sie wirkt verträumt<br />
und vor allem: süß. Eine Outdoor-Elfe in einem<br />
Osloer Großstadt-Café, in einer Welt, die nicht die ihre ist.<br />
»Ich bin nicht sonderlich gut darin, ein normales Leben<br />
in der Zivilisation zu führen«, sagt die 41-Jährige<br />
nachdenklich. Sie vergesse Termine, komme zu spät,<br />
verliere bei ihrer Buchhaltung den Überblick. »Job,<br />
Haushalt, Familie, Meetings – wie um Himmels Willen<br />
schaffen andere Leute das?«, fragt sie lachend. Wenn<br />
man sie anblickt, ist klar: Eine hippe Szene-Bar ist tatsächlich<br />
nicht ihr Element. Ihre Augen sind wie ein Spiegel<br />
aller schneebedeckten Gipfel und Sonnenuntergänge,<br />
die sie je gesehen hat. Cecilie gehört hinaus, weit<br />
weg – in die einsame Natur.<br />
Genau dort traf sie vor vielen Jahren jemanden, der<br />
mit der Zivilisation ebenso wenig anfangen konnte wie sie<br />
selbst. 2003 begegnete sie auf dem Gipfel des Elbrus, des<br />
höchsten kaukasischen Berges, einem vollbärtigen Mann,<br />
der ihre Sprache sprach – dem norwegischen Bergsteiger<br />
Rolf Bae. »Wir waren von Anfang an Seelenverwandte«,<br />
erzählt Cecilie. Bald unternahmen die beiden alle großen<br />
Expeditionen gemeinsam, 2007 heirateten sie. »Die Natur<br />
war für uns beide der einzige Ort, an dem wir die Glücksmomente<br />
fanden, die wir suchten«, sagt Cecilie. »Das<br />
vollkommene Leben im Hier und Jetzt.«<br />
Schon als Kind kraxelte sie in den Ferien am liebsten<br />
in den Sunnmøre Alps, einem Gebirgszug in der Nähe<br />
ihres Heimatortes Ǻlesund. Nach ihrer Ausbildung zur<br />
Krankenschwester, mit Anfang 20, arbeitete sie nur im<br />
Winter im Krankenhaus, im Sommer jobbte sie als Gletscherführerin.<br />
Und während andere samstags durch die<br />
Clubs zogen, brütete sie zu Hause über Karten vom Himalaya.<br />
Acht Jahre später stand sie selbst auf dem Gipfel<br />
des Mount Everest. Doch einer ihrer größten Träume war<br />
der K2.<br />
Der Berg auf der Grenze zwischen Pakistan und China<br />
gilt als technisch schwierigster Achttausender. Gut<br />
ein Jahr nach ihrer Hochzeit wagten Cecilie und Rolf den<br />
Aufstieg. Sie erreichte den 8.611 Meter hohen Gipfel, Rolf<br />
wartete einige Hundert Meter weiter unten. Er hatte sich<br />
nicht wohl gefühlt in der »Todeszone«, der Region über<br />
7.500 Metern, in der Körper und Psyche stark auf den<br />
Sauerstoffmangel reagieren. Beim gemeinsamen Abstieg<br />
geschah die Tragödie: Eine Eislawine löste sich, riss<br />
Rolf in den Tod, mit nur 33 Jahren. Cecilies Mutter dachte<br />
damals: Jetzt versteht sie endlich die Gefahr. Jetzt hört<br />
sie auf. »Aber gerade das hätte mich in das tiefste Loch<br />
gezogen«, sagt Cecilie rückblickend. »Ich brauchte einen<br />
Grund, jeden Morgen aufzustehen.« Regelmäßiges<br />
Training, neue Pläne und Ziele – das waren Cecilies Rettungsanker.<br />
Und: der Südpol. Gemeinsam mit Rolf war<br />
sie im Jahr vor dem Unglück auf Ski zum Südpol gelaufen.<br />
»In der endlosen Weite wollte ich mich den Erinnerungen<br />
und dem Schmerz ganz bewusst stellen«, erzählt<br />
sie. Und so durchquerte die damals 36-Jährige zusammen<br />
mit dem befreundeten Amerikaner Ryan Waters die<br />
Antarktis, by fair means: Auf Ski, ohne Nahrungsmitteldepots<br />
und ohne beschleunigende Hilfsmittel wie Snow-<br />
Kites, legten sie in 70 Tagen mehr als 1.800 Kilometer<br />
zurück. Cecilie zog allein eine 135-Kilo-Pulka. Dass die<br />
beiden die ersten Menschen waren, denen eine Expedition<br />
unter diesen Umständen gelang, bedeutet der Norwegerin<br />
allerdings nichts. »Für mich war diese Expedition<br />
einfach nur eine überlebenswichtige Therapie.«<br />
Trotz ihrer Liebe zu den besonders abgelegenen Orten<br />
dieser Welt beschloss Cecilie vor drei Jahren, zumindest<br />
das Höhenbergsteigen aufzugeben. Auch ihren Eltern und<br />
Freunden zuliebe. Für eine Fernsehshow durchquerte sie<br />
2014 noch einmal Grönland, gemeinsam mit dem norwegischen<br />
Komiker Truls Svendsen. Doch kurz vor der<br />
Abreise stellte sie fest, dass noch eine ganz andere Herausforderung<br />
auf sie wartete: Sie war im dritten Monat<br />
schwanger. Im Dezember letzten Jahres brachte sie ihre<br />
Tochter Vilja zur Welt. Der Vater ist ihr Verlobter Aleksander<br />
Gamme, ebenfalls Expeditionsleiter und Bergsteiger.<br />
»Unsere gemeinsamen Abenteuer als Familie sind kleiner<br />
geworden, aber ich genieße sie sehr«, sagt Cecilie lächelnd.<br />
Wann immer es geht, nehmen sie Vilja mit in den<br />
Klettergarten, sie schläft am Wandfuß in der Hängematte.<br />
Vor Kurzem lief Cecilie einen Marathon – mit ihrer Tochter<br />
im Sportkinderwagen. Ob die Kleine wohl einmal in die<br />
großen Fußstapfen ihrer Mutter treten wird? Ihr Name<br />
lässt jedoch einiges vermuten: Vilja bedeutet »der Wille«.<br />
Text: Mila Hanke<br />
Fotos: Cecilie Skog, Bergans<br />
22
ISOLIERT<br />
V O M A L L T A G<br />
2006 – Schwerstarbeit: mit<br />
der Pulka über Packeis-Berge.<br />
Die nächste Herausforderung: ihre<br />
Tochter Vilja im Alter von 5 Monaten.<br />
2011 – auf dem Weg zum Nordpol.<br />
10 Fragen an Cecilie Skog:<br />
Glaubst du an Schicksal und wenn ja, warum?<br />
Wenn schöne Dinge passieren, bin ich dankbar und frage mich schon manchmal,<br />
ob das Schicksal seine Hände im Spiel hatte. Aber wenn schlimme Dinge passieren,<br />
will ich nicht glauben, dass es »sein sollte«.<br />
Bitte vervollständige folgenden Satz: Ein Abenteuer ist, …<br />
... die Natur besonders intensiv zu erleben. Ich hoffe, dass sich durch solche Erfahrungen<br />
immer mehr Menschen in ihre Schönheit verlieben und sie schützen wollen.<br />
Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du unterwegs nicht verzichten?<br />
Auf mein Tagebuch.<br />
Was hat dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht?<br />
Lawinen und Steinschlag.<br />
Wer war der beeindruckendste Mensch, den du je kennengelernt hast, und warum?<br />
Meine Großmutter. Sie hat auf jeden um sie herum aufgepasst – obwohl sie blind war.<br />
Was hast du im Leben wirklich Relevantes gelernt?<br />
Folge deinen Träumen.<br />
Was ist Glück für dich?<br />
Zeit mit meinem Verlobten Aleksander Gamme, meiner Tochter Vilja und meinen<br />
Freunden zu verbingen. Klettern. Und mir immer wieder kleine oder große Ziele<br />
zu setzen, auf die ich hinarbeiten kann.<br />
Was für einen Kindheitstraum hast du dir erfüllt?<br />
Krankenschwester zu werden und anderen Menschen dabei helfen zu können,<br />
gesund zu werden.<br />
Photo: Florian Mayerhoffer Location: Stuttgart<br />
Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt?<br />
Materieller Besitz aller Art. Mein Ziel ist, mich von allen<br />
Gegenständen zu trennen, die ich nicht wirklich brauche.<br />
Weniger zu besitzen, bedeutet für mich Freiheit.<br />
Women’s Zanskar Coat<br />
Kleine Abenteuer liegen direkt vor Deiner Haustüre, ganz ohne weite<br />
Wege - jederzeit. Unser Zanskar Coat ist Dein „All-Zweck-Schutz” für kalte<br />
Wintertage, mit weichem Innenfleece und umweltfreundlich hergestellt.<br />
Der perfekte Begleiter für Dein Feierabenteuer. vaude.com<br />
Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten?<br />
Ich habe sie gerade geschrieben. Der Titel lautet:<br />
»Et friluftsliv« – »Ein Outdoor-Leben«<br />
(direkt übersetzt: ein Freiluft-Leben).
RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />
FOTO Fjällräven<br />
LIEBESERKLÄRUNG<br />
»WER DIE KOSTBARKEIT DES AUGENBLICKS<br />
ENTDECKT, FINDET DAS GLÜCK DES ALLTAGS.«<br />
( ADELBERT STIFTER )<br />
Liebe auf den ersten Blick? Nein, ich gebe es zu, das war<br />
es nicht. Meine Zuneigung kam mit der Erkenntnis. Doch<br />
zurück zum Anfang: Meine Beziehung mit dem »Övik Down<br />
Skirt« begann vor etwa drei Jahren. Es war einer dieser<br />
»Jahrhundertwinter«, wie die Medien sagen. Für mich als<br />
kälteempfindlichste Person im Freundeskreis war bis zu<br />
diesem Tag jeder Winter ein Jahrhundertwinter, nämlich<br />
eine physiologische Katastrophe. Genussvolles Wandern<br />
im Winter-Wonderland? Nicht erwünscht, weil »Genuss«<br />
nicht möglich. Das Warten am Bahnsteig, wenn verspätete<br />
Züge an Geduld und Körperkerntemperatur zerren.<br />
Noch einmal kurz mit dem Hund raus an Abenden, wenn<br />
das Thermometer gefühlt dreistellig im Minusbereich lag<br />
– unerträglich! Tausend Jacken übereinander hätte ich<br />
mir gewünscht, zahlreich legte ich sie übereinander an –<br />
und trotzdem fror ich irgendwie. Von November bis Mitte<br />
März dem Erfrierungstod nahe, »Der Kälte und Unwissenheit<br />
erlegen« hätte wohl die Inschrift gelautet. Wäre mir<br />
nicht – gerade noch rechtzeitig – an diesem Jahrhundertwintertag<br />
der Övik-Rock begegnet. Schlicht, dezent und<br />
durchaus elegant für ein Kältekleidungsstück – so kam<br />
er daher. Als Empfehlung einer Freundin, die sich selbst<br />
als Frostbeule bezeichnet. Meine erste Reaktion? Skepsis!<br />
Wie sollte ein einfacher Rock mein Leiden lindern? Doch<br />
dieses Kleidungsstück wurde zu meiner Rettung. Unaufdringlich<br />
schmiegte er sich vom ersten Tag an mich. Und<br />
so plötzlich wie er in mein bis dahin trostloses Winterleben<br />
gekommen war, so schnell verschwanden mit ihm Zittern<br />
und Kälte. Denn die Daunen in seinem Inneren zeigen<br />
dem Winter einfach die kalte Schulter. Nun streife ich mir<br />
an frostigen Tagen einfach meinen Daunenrock über die<br />
Beine und halte mir so die Eiseskälte von meinem empfindlichen<br />
Allerwertesten fern. Öffne ich den seitlichen<br />
Reißverschluss, wird aus ihm mit einem Handgriff eine<br />
Decke – als Unterlage oder über den Schoß gelegt, damit<br />
sich noch eine zweite Frostbeule darunter kuscheln kann.<br />
Und das Beste: Er passt ganz leicht in meinen Rucksack<br />
oder meine Handtasche, zwischen Handy und Lunch-Box.<br />
Deshalb trage ich ihn nun immer bei oder an mir. Kalte<br />
Tage am Bahnhof oder nächtliche Weihnachtsmarktbesuche?<br />
Alles gut! Sogar das Fahrrad hole ich nach dem<br />
1. Dezember noch aus der Garage. Denn mein flauschiger<br />
Begleiter geht auch an sportlichen Tagen nicht im<br />
Weg um. Er umgibt mich bei allem, was ich im Freien<br />
tue. Er macht mein Leben wärmer.<br />
Und mein Herz. Mit dieser<br />
Erkenntnis verliebte ich mich<br />
in ihn – und gleichzeitig in den<br />
Winter. Seitdem sind wir drei<br />
unzertrennlich, der Winter, der<br />
Övik-Rock und ich.<br />
Stephanie Zeiffer<br />
PRODUKTINFORMATION/ FJÄLLRÄVEN ÖVIK DOWN SKIRT<br />
Kleines Teil, große Wirkung. Der »Övik Down Skirt« bietet dort kuscheligen Kälteschutz, wo Frauen ihn meist<br />
vermissen: am Po und an den Beinen. Einschränkungen? Mitnichten! Der große durchgehende Zwei-Wege-Reißverschluss<br />
auf der einen, ein kurzer Reißverschluss auf der anderen Seite und ein Dehneinsatz am Bund liefern<br />
volle Bewegungsfreiheit. Und da die isolierende Füllung von leichtem, aber robustem G-1000 ® Lite Gewebe umgeben<br />
ist, ist er erstaunlich hart im Nehmen. Schlüssel, Handy und Klimpergeld verschwinden in den zwei Einschubtaschen<br />
mit Reißverschluss. Oder Frau steckt einfach die Hände rein, denn dank feinster Daune kann man<br />
sie herrlich darin wärmen. Öffnet man den großen Reißverschluss ganz, verwandelt sich der Övik Down Skirt in<br />
eine flauschige Decke. Schlechtes Gewissen braucht man übrigens nicht zu haben: Fjällräven arbeitet nur mit<br />
ausgewählten Lieferanten und achtet sehr streng auf die ethisch und moralisch einwandfreie Daunenproduktion.<br />
Er kann also kommen, der nächste »Jahrhundertwinter« …<br />
Preis: 289,95 Euro<br />
24