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Rauszeit 2015-02

Das Kundenmagazin von Basislager, Camp4, Kletterkogel, Sack und Pack und SFU (Ausgabe 2015/02)

Das Kundenmagazin von Basislager, Camp4, Kletterkogel, Sack und Pack und SFU (Ausgabe 2015/02)

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RAUSZEIT<br />

RAUSZEIT<br />

Ausgabe<br />

Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

MENSCHEN. WEGE. ABENTEUER.<br />

FOTO Joachim Stark<br />

FOTO Stefan Bode<br />

FOTO Cecilie Skog<br />

FOTO Dan Patitucci<br />

ERLEBT<br />

BESSERWISSER<br />

NACHGEFRAGT<br />

Preis: 2,00 €<br />

Wildes Georgien. Mit Ski und Abenteuerlust<br />

im Gepäck auf den Gipfel des<br />

5.033 Meter hohen Kazbeg.<br />

Mehr auf S. 8<br />

Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn auf Tour<br />

ein Ausrüstungsdefekt in die Quere<br />

kommt, heißt es selbst reparieren<br />

oder improvisieren.<br />

Mehr auf S. 18<br />

Verrücktes Huhn oder Outdoor-Elfe?<br />

Die norwegische Abenteurerin Cecilie<br />

Skog im Porträt.<br />

Mehr auf S. 22


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

KUSCHEL-KNALLER<br />

FOTO antonivano/fotolia.de<br />

Hütte, heißer Kaffee, draußen tobt der Wintersturm.<br />

Was für ein Kleidungsstück wünscht<br />

man bzw. Frau sich da? Richtig: einen – sorry –<br />

»saugemütlichen« Wollpulli. Der »Minde Lady<br />

Jumper« von Bergans erfüllt diesen Wunsch.<br />

Er ist komplett aus Merinowolle und passt<br />

mit seiner dezenten Optik ebenso ans Lagerfeuer<br />

wie ins Szene-Café. Der hohe<br />

Kragen wärmt den Hals bis zum Haaransatz<br />

und ist über einen circa 20 Zentimeter<br />

langen Reißverschluss regulierbar – also<br />

je nach Bedarf zum Dampf ablassen oder<br />

Wärme speichern. Und was Frauen besonders<br />

lieben: Daumenschlaufen für warme Handrücken.<br />

Wenn’s mal zu warm oder anstrengend wird:<br />

Merinowolle kann bis zu einem gewissen Grad nicht<br />

nur Feuchtigkeit aufnehmen, ohne an Isolationskraft<br />

zu verlieren. Sie reduziert auch die Geruchsbildung<br />

in der Kleidung deutlich. Traumhafter Tragekomfort –<br />

das Lieblingsteil für die kalte Jahreszeit, versprochen!<br />

Bergans Minde Lady Jumper<br />

Preis: 119,95 Euro<br />

STANDPUNKT<br />

Einfach leben! Das klingt banal, aber ist es<br />

das auch? Man kann diese beiden Wörter in<br />

zweierlei Hinsicht lesen. Und gerade dann<br />

ergeben sie einen Zusammenhang. Unsere<br />

Welt ist weit entfernt davon, einfach zu sein.<br />

Es kommen zwar immer mehr Technologien<br />

und Produkte auf den Markt, die unser Leben<br />

vermeintlich einfacher machen sollen. Aber<br />

in Wirklichkeit nimmt es an Komplexität und Geschwindigkeit zu, mit jedem Jahr, mit jeder Innovation.<br />

Keineswegs soll das heißen, dass Innovationen und neue Technologien etwas Schlechtes<br />

wären. Mitnichten! Nur immer öfter stellt sich die Frage, ob wir sie auch wirklich für ein »besseres«<br />

Leben nutzen. Mit LTE-Geschwindigkeit lassen sich E-Mails noch schneller von unterwegs<br />

abarbeiten. Hochgeschwindigkeitsstrecken erlauben noch schnellere Transfers zwischen Großstädten.<br />

Modernere und größere Flughäfen ermöglichen noch mehr nationalen und internationalen<br />

Verkehr. Hochaktuelle Buchungsplattformen, Wetter-Apps und Tiefpreis-Shopping-Portale<br />

versorgen uns mit allem, was wir für einen erlebnis- und erfolgreichen Lifestyle brauchen …<br />

Dagegen steht, dass viele Menschen beim »Mithalten« ausbrennen und ausbrechen, dass noch<br />

nie so viele freiwillig Auszeiten auf Bergalmbetrieben gesucht haben. Und dass Wellnessangebote<br />

aus dem Boden sprießen, die klar in Richtung Enthaltsamkeit gehen. Diese Entwicklung erinnert<br />

an die Anekdote Heinrich Bölls von dem Touristen, der einen Fischer trifft: »Ein Tourist weckt in<br />

einem Hafen an der Küste Westeuropas einen in seinem Boot schlafenden Fischer auf, als er Fotos<br />

macht. Nachdem er ihm eine Zigarette geschenkt hat, befragt er ihn zu seinen heutigen Fängen<br />

und erfährt, dass dieser bereits fertig gefischt hat und mit seinem Fang zufrieden ist. Der Tourist<br />

begreift nicht, wieso der Fischer nicht öfter ausfahren möchte, um finanziell aufzusteigen und<br />

erfolgreich Karriere zu machen, und schildert ihm enthusiastisch, was er durch mehr Arbeit alles<br />

erreichen könnte. Am Gipfel seiner Karriere angekommen, könne er sich dann zur Ruhe setzen<br />

und in Ruhe im Hafen dösen. Der Fischer erwidert, dass er das auch jetzt schon könne. Der Tourist<br />

begreift, dass nicht nur mehr arbeiten zum Glück führen kann.«<br />

Das ist das Einmalige, Faszinierende und Inspirierende an den kleinen und großen Outdoor-Abenteuern:<br />

Ob ein spontanes Winterpicknick mit der Familie und guten Freunden am Geheimtipp-<br />

Fleckchen vor der Haustür (siehe auch ÜBRIGENS auf S. 5) oder eine Wintertour mit Zelt und Pulka<br />

im hohen Norden (siehe ERLEBT Inarisee auf S. 12) – sehr schnell reduzieren sich unsere Bedürfnisse<br />

auf das Wesentliche, und der Blickwinkel auf viele Dinge wird korrigiert: warm, satt, trocken,<br />

gesund, gute Freunde. Eigentlich nichts Besonderes, eher Selbstverständlichkeiten, einfache Dinge<br />

… einfach leben. Was eine kleine RAUSZEIT so alles bewirken kann ...<br />

Einen wunderbaren Winter wünschen Andreas Hille, Michael Bode und Teams<br />

FOTO Peter Wilson/HANWAG<br />

HIMALAYA AM FUSS<br />

Es weht ein Hauch von Tibet durch<br />

das bayerische Voralpenland. Denn<br />

seit Kurzem verbaut der oberbayerische Wander- und Bergschuhspezialist<br />

Hanwag – neben klassischem Rindsleder – in der limitierten<br />

Wanderschuhserie »Yak« robustes, tibetisches Yak-Leder.<br />

Wegen der klimatisch harten Bedingungen wachsen diese Hochlandrinder<br />

viel langsamer als ihre Verwandten in unseren Breiten.<br />

Ihr Leder ist dadurch sehr robust und strapazierfähig, gleichzeitig<br />

aber geschmeidig und anpassungsfähig. Das geprüfte Material<br />

stammt direkt und ausschließlich aus der Lhasa Leather Factory<br />

in Tibet. Vier Monate lang werden die Häute unter der Erde gelagert,<br />

um auszuhärten, danach gegerbt, gereinigt und getrocknet.<br />

Die Arbeiter produzieren dort nach westlichen Standards zu fairen<br />

Bedingungen. Ein Modell aus der Serie ist der Wanderschuh Lhasa.<br />

Eine leichte, aber bequeme Vibram-Sohle mit gutem Abrollverhalten<br />

sorgt für tagelanges Gehvergnügen. Gleichzeitig bietet der hohe,<br />

flexible Schaft einen festen Sitz. Das Innenfutter besteht aus chromfrei<br />

gegerbtem Leder und ist frei von allergieauslösenden Stoffen.<br />

Hanwag Lhasa<br />

Preis: 259,95 Euro<br />

Foto Titelseite<br />

Janine Patitucci genießt die verschneite<br />

östliche Sierra Nevada in einer heißen<br />

Quelle bei den Mammoth Lakes in<br />

Kalifornien.<br />

Fotografiert von Dan Patitucci<br />

2


FOTO Joel Jemander/HILLEBERG<br />

RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

ALLZWECK-HAUS<br />

LADY-HANDGEPÄCK<br />

Das Allak von Hilleberg<br />

ist das Lieblingszelt von<br />

vielen, vielen Mehrtagesgästen<br />

in der freien Natur.<br />

Warum? Weil es sich für<br />

nahezu jeden Einsatzzweck<br />

eignet. Der größte Pluspunkt ist seine freistehende, stabile Konstruktion bei einem verhältnismäßig geringen Gewicht<br />

von maximal nur 3,3 Kilo. Aufstellen lässt sich das Allak nahezu überall und auf nahezu jedem Untergrund: auf<br />

einer kleinen Schäreninsel, auf einem Felsvorsprung, auf Sand, auf Schnee, auf einer Eisscholle, auf Kies, auf Tundra-Boden<br />

oder auf einer Verkehrsinsel. Die Bewohner dieser Zwei-Personen-FeWo werden durch ein sich drei Mal<br />

kreuzendes, 9 Millimeter starkes Aluminium-Gestänge von DAC sowie das fast schon legendäre Nylon-Ripstop-Gewebe<br />

Kerlon 1200 gegen intensive Wetterkapriolen geschützt. Zwei Eingänge mit zwei geräumigen Apsiden verhelfen<br />

zu Frieden und Ordnung auf Tour. Wir versprechen: Wer sich auf das Allak einlässt, erfährt Liebe auf den ersten Trip.<br />

Hilleberg Allak<br />

Preis: 994,95 Euro<br />

Man(n) fragt sich des Öfteren, was die besseren<br />

Hälften so alles in ihren Handtaschen verstauen.<br />

Zumindest der Frage nach dem »wie« hat sich<br />

Gepäck-Spezialist Osprey angenommen. In der auf<br />

weibliche Bedürfnisse zugeschnittenen Damen-<br />

Umhängetasche »Flap Jill Mini« hat alles seine Ordnung:<br />

Schlüssel, Handy, Geldbeutel, »Damen-Accessoires«,<br />

Jäckchen und genügend Platz für einen<br />

Tablet-PC oder einen kleinen Laptop in gepolstertem<br />

Fach. Der Schulterriemen aus rutschfestem Material<br />

ist auf die weibliche Anatomie zugeschnitten. Und für<br />

die nächste Flugreise: Der Flap Jill Mini ist auf die<br />

maximale EU-Handgepäcksgröße zugeschnitten.<br />

Osprey Flap Jill Mini<br />

Preis: 59,95 Euro<br />

ELEMENTARTEIL<br />

TROPFSTOPP<br />

Es gibt Jacken, die kann und will man immer und zu<br />

jeder Gelegenheit tragen. Das Atom LT Hoody gehört<br />

zu dieser Kategorie. Kuschelig weich, aber nicht zu<br />

warm, leicht (330 Gramm) und klein verpackbar,<br />

ausgestattet mit einer dezenten, alltagstauglichen<br />

Optik. Selbst innerhalb der vier Wände tut man<br />

sich schwer, das Teil wieder ausziehen zu<br />

wollen. Bei ambitionierten Frischluft-<br />

Aktionen in der kalten Jahreszeit spielt<br />

das Atom LT Hoody seine Stärken aus,<br />

egal, ob als oberste Lage oder als isolierende<br />

Zwischenschicht getragen.<br />

Die Kunstfaserfüllung transportiert<br />

Schwitzfeuchtigkeit vom Körper<br />

weg, ohne dadurch nennenswert<br />

an Isolationskraft zu verlieren.<br />

Seitliche Einsätze aus elastischem<br />

Fleece-Material (Polartec Power<br />

Stretch) erlauben Verrenkungen<br />

aller Art. Und auch wenn es keine<br />

Regenjacke ist, der Nylon-Außenstoff<br />

bietet einem Schauer ordentlich Paroli.<br />

Etwas vergessen? Ach ja: Halsabschluss<br />

und Kapuze halten dank Superschnitt und<br />

Gummizug richtig schön warm. Ein echtes<br />

Haben-und-nie-wieder-hergeben-wollen-Teil.<br />

Arc’teryx Atom LT Hoody Women’s<br />

Preis: 219,95 Euro<br />

Plötzlich war er da, der Regenschauer.<br />

Die Jeans völlig durchweicht,<br />

Jahre des Trocknens stehen<br />

bevor. Wer keinen Bock auf solche<br />

Szenarien hat, sollte sich die »Drop<br />

Pants II« von Vaude dauerhaft in seinen<br />

Rucksack packen. Die mit nur<br />

180 Gramm wirklich federleichte<br />

Regenhose ist die Notfalllösung für<br />

jegliche Draußen-Aktivitäten – ob<br />

Mehrtageswanderung oder täglicher<br />

Radl-Ritt ins Büro. Eine doppelte<br />

Stofflage im Gesäßbereich sichert<br />

gegen Durchscheuern. Der Beinabschluss<br />

ist regulierbar und auf die<br />

jeweilige Hose darunter einstellbar,<br />

so gerät nichts ins Kettengetriebe<br />

beim Radeln und die Hose dichtet<br />

nach unten ab. Reflektierende Teile<br />

auf Vorder- und Rückseite machen<br />

den Autofahrer auf den Träger aufmerksam.<br />

Mit einem integrierten<br />

Packbeutel passt die Drop Pants in<br />

jedes Rucksackfach. Nix für die ganz<br />

großen Outdoor-Abenteuer, aber für<br />

jedes kleine und alltägliche ...<br />

Vaude Drop Pants II<br />

Preis: 69,95 Euro<br />

Alle Produkte aus dieser Zeitschrift gibt es bei<br />

Basislager CAMP4 SFU SFU KLETTERKOGEL<br />

Kaiserstraße 231 Karl-Marx-Allee 32 Schmiedestraße 24 Neue Straße 20 Garde-du-Corps-Str. 1<br />

76133 Karlsruhe 10178 Berlin 30159 Hannover 38100 Braunschweig 34117 Kassel<br />

www.basislager.de www.camp4.de www.sfu.de www.sfu.de www.kletterkogel.de<br />

Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net .<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:<br />

Michael Bode, Andreas Hille<br />

Redaktion & Konzept: outkomm GmbH, Eichbergerstrasse 60,<br />

CH - 9452 Hinterforst, www.outkomm.ch, redaktion@rauszeit.net<br />

Layout & Produktion: ALPENBLICKDREI.com<br />

Druck: Bechtle Druck & Service GmbH<br />

Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung<br />

ist ohne Zustimmung der Herausgeber unzulässig und strafbar.<br />

3


BUCH-BESUCH<br />

Eine schöne Reise, gute<br />

Tipps, der richtige Weg, die<br />

optimale Tourenplanung – all<br />

das steht und fällt mit guter<br />

Literatur. Geht es abseits<br />

ausgetretener Pfade und jenseits<br />

überbuchter Urlaubsrouten,<br />

müssen Amazon<br />

& Co. die Segel streichen.<br />

Stattdessen hilft ein Buch-Besuch bei Dr. Jürgen Seifert.<br />

Sein Reich: der Buchladen »Land.Karten« im CAMP4. Sein<br />

Spezial-Fundus: riesig. Seine Beratung: unersetzlich!<br />

Warum lohnt sich ein Besuch in deinem Buchladen?<br />

Weil mein Sortiment für Outdoorer und Reisende eigentlich<br />

keine Wünsche offen lässt – von reichhaltiger<br />

Berg-, Fahrrad- und Wasserwanderliteratur über hoch<br />

aufgelöste Wanderkarten bis zu Individualreisefü hrern<br />

zu weltweiten Zielen. Und wer gern von fernen Abenteuern<br />

träumt: Spannende Reise- und Abenteuerberichte<br />

sowie Plano-Karten fü r die heimische Wohnzimmerwand<br />

habe ich natürlich auch.<br />

Das heißt in erster Linie Literatur für Reisende?<br />

Mitnichten. Die Auswahl an Wander- und Fahrradkarten<br />

fü r das Berliner Umland ist besonders umfangreich. Allerdings<br />

gebe ich zu: Die Beratung in puncto geeignete<br />

Literatur für Fernwanderungen zählt zu meinen »Spezialitäten«.<br />

Insbesondere von Hütte zu Hütte oder ganze<br />

Alpenüberquerungen. Aber auch viele weitere Trekking-<br />

Touren, sei es der 66-Seen-Weg rund um Berlin, von hier<br />

nach Paris oder die Planung individueller Touren.<br />

Aber wäre eine Bestellung bei Amazon nicht bequemer?<br />

Bequemer vielleicht, aber nicht immer zielführend. Ich<br />

habe wirklich viel Spezial-Reiseliteratur, z. B. sicherlich<br />

nicht alltägliche Titel wie der dänische Naturcamping-<br />

Fü hrer »Overnatning«, die Trekking-Karte »Torres del<br />

Paine« in Patagonien oder die Landkarte vom Mekong-<br />

Delta. Solche Schätze findet man am besten durch persönliche<br />

Beratung und beim gemütlichen Stöbern – das<br />

kann Amazon nicht bieten. Und wenn tatsächlich etwas<br />

nicht vorrätig sein sollte, kann ich es kurzfristig organisieren.<br />

Dein Buchtipp?<br />

Bill Brysons »Picknick mit Bären« – humorvolles und<br />

wirklichkeitsnahes Outdoor-Erlebnis zwischen Lachen<br />

und Weinen. Prädikat: sehr lesenswert!<br />

FOTO CAMP4<br />

FOTO Sherpa Adventure Gear<br />

WIEDERAUFBAU MIT KÖPFCHEN<br />

Sherpa Adventure Gear, das steht für hochwertige Ausrüstung made in Nepal. Hinter<br />

der 2003 gegründeten Outdoor-Marke steckt eine Vision. Der Firmengründer Tashi Sherpa<br />

möchte mit der lokalen Produktion von Outdoor-Bekleidung die nepalesische Bevölkerung wirtschaftlich<br />

teilhaben lassen. So stammen 80 Prozent der Artikel direkt aus Nepal. Für die Mützen schwingen in etwa 800<br />

nepalesische Frauen in den eigenen vier Wänden ihre Stricknadeln. Mit einem Fleece-Band versehen schmiegen<br />

sich diese feinen Mützen aus 100 Prozent Lammwolle kuschlig an und halten die eigene Schaltzentrale warm. Um<br />

die Menschen vor allem nach dem großen Erdbeben im Frühjahr <strong>2015</strong> noch besser zu unterstützen, geht ein Teil<br />

der Einnahmen aus dem Verkauf der Kleidung an die Paldorje Education Stiftung. Deren Mitarbeiter kümmern<br />

sich um hilfsbedürftige Familien und errichten Schulen in abgelegen Regionen Nepals.<br />

Sherpa Adventure Gear Wintermützen<br />

Preis: 29,95 Euro<br />

KLASSIK TRIFFT MODERNE<br />

Früher war alles besser ... Wir wissen, das stimmt natürlich nicht, aber im Umkehrschluss<br />

sind manche Dinge einfach klassisch schön. Wie etwa der Rucksack<br />

Nr. 21 von Fjällräven. Er ist Teil der »Numbers«-Linie von Fjällräven, die<br />

damit echte Klassiker wieder aufleben lassen. Unterschätzen sollte man das<br />

schwedische Retro-Teil aber nicht. Denn dass der Tagesrucksack nicht (nur)<br />

von gestern ist, das zeigt das durchdachte Laptop-Fach samt gepolstertem Boden.<br />

Daneben ist in einer speziellen Tasche Platz für eine Flasche/Thermosflasche,<br />

passend für Ausflüge in der kalten Jahreszeit. Das Material ist für Jahrzehnte<br />

gemacht: G-1000 Heavy Duty lautet die offizielle Bezeichnung. Übersetzt<br />

heißt das: die nahezu unkaputtbare Version des Fjällräven Baumwoll-Gewebes<br />

G-1000. Selbst die herausnehmbare Sitzmatte ist mit dem verstärkten Material<br />

überzogen. Verzurrt wird das nur 960 Gramm leichte gute Stück mit satten Lederriemen.<br />

Ein langlebiger Hingucker mit zweckmäßigem Innenleben.<br />

Fjällräven Rucksack Nr. 21<br />

Preis: 179,95 Euro<br />

UNTERNEHMUNGS-BERATER: Matthias Müller<br />

Ursprüngliche Natur, unendliche Weite, ausgiebige<br />

Ruhe – abseits vom »Zivilisations- und Wohlstandsgehechel«<br />

fühlt sich Matthias Müller am wohlsten.<br />

Perfekte Spielplätze sind für ihn Wintertouren im<br />

hohen Norden. Dass »ein bisschen Wohlstand im<br />

Rucksack« auch nicht schaden kann, wie er sagt, hat<br />

er nicht erst bei seiner Arbeit im CAMP4 lernen müssen.<br />

Er ist ein Outdoorer klassischer Schule, in Sachen<br />

Materialkunde und Produktweisheit macht ihm<br />

keiner etwas vor. Klar, denn besonders im Winter ist<br />

die passende Ausrüstung entscheidend für den Wohlfühl-<br />

und Überlebensfaktor unterwegs. Natürlich<br />

sucht Matthias auch in der warmen Jahreszeit so oft<br />

es geht die Ruhe der Natur, dann bevorzugt mit dem<br />

Kanu oder Fahrrad.<br />

Seit wann bei CAMP4?<br />

Seit 2000.<br />

Gelernter Beruf?<br />

Ich habe zuerst Tischler gelernt. Danach Krankenpfleger,<br />

u.a. in der Psychiatrie – ein guter Erfahrungsschatz.<br />

Dein Lieblingsverkaufsbereich und warum?<br />

Schuhe und Zelte. Schuhe, weil sie die Grundlage von jeder<br />

Draußen-Aktivität sind und hier intensive Beratung<br />

nötig ist. Zelte, weil sie DER Rückzugsort auf langen<br />

Touren sind. My tent is my castle, ist da meine Devise.<br />

Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du auf<br />

Tour nie verzichten?<br />

Einem »Vorruheständler« darf natürlich nie ein bequemer<br />

Sessel fehlen. Deshalb habe ich die Therm-a-Rest<br />

»Trekker Lounge« immer dabei.<br />

Welches Reiseziel steht ganz oben auf deiner Liste?<br />

Vermutlich wieder der hohe Norden ...<br />

4


ÜBRIGENS …<br />

FOTO shaiith/fotolia.de<br />

FEUER AUF EIS<br />

WOLLIGE WÄRME<br />

Merinowolle in gewobener oder gestrickter Form, klar,<br />

das kennen wir. Aber als luftige Füllung? Merinoloft von<br />

Icebreaker ist eine neue Form von flauschig-leichter Isolationsfüllung.<br />

Dafür werden Merinowolle und normale<br />

Schafschurwolle gemischt, zu einer Wollwattierung<br />

verarbeitet und mit einer kleinen Menge Bio-Kunststoff<br />

angereichert. Dadurch wird das Produkt leicht waschbar<br />

– was allerdings nicht oft nötig ist, denn Schafwolle<br />

wirkt antibakteriell und damit geruchshemmend. Eingebettet<br />

ist das Wollvlies zwischen einen wind- und wasserabweisenden<br />

Außenstoff aus 100 Prozent recyceltem<br />

Polyester und einem Innenstoff aus 100 Prozent Merinowolle.<br />

Fertig ist das »Helix LS Zip Hood«.<br />

Icebreaker Women’s Helix LS Zip Hood<br />

Preis: 229,95 Euro<br />

Astronomisch gesehen ist es über 90 Tage im Jahr kalt – so lange dauert zumindest der Winter offiziell auf unserer<br />

Erdhalbkugel. Was die Wissenschaft uns mit Zahlen aber nicht vermitteln kann: Genau in dieser sogenannten<br />

»kalten Jahreszeit« zeigt sich die Natur oft von ihrer besten Seite. Klare Luft, bizarre Frostgebilde, magische<br />

Lichtspiele, mystische Nebelszenen und einsame Landschaften. Ein guter Zeitpunkt, die Küche an die frische Luft<br />

umzuziehen – und seinen Gästen Feuer unter dem Hintern zu machen.<br />

Feuer, das machte vor etwa 5000 Jahren auch Ötzi, der Mann aus dem Eis. In seinem Transport-Ledersäckchen<br />

fanden Forscher Zunderwolle, ein leicht entflammbares Material, das er in Verbindung mit einem sogenannten Funkenstein<br />

nutzte. Während bei ihm das Feuermachen im direkten Zusammenhang mit Überleben stand, spielen bei<br />

modernen Frischluftfreunden andere Faktoren eine Rolle: Faszination, Geselligkeit und Abenteuer. Diese Gefühle<br />

machen sich meist schnell am Lagerplatz breit. Dieser sollte am besten an einer windgeschützten Stelle errichtet<br />

werden. Ein Wall aus Steinen oder Schnee grenzt den Feuerkegel ein und schafft eine gemütliche Sitzecke. Als<br />

»Zunder« eignen sich trockene Äste, Gras oder kleine Holzscheite. Vor allem die Rinde der Birke brennt dank des<br />

natürlich hohen Teergehalts besonders gut und hilft, das Feuer zu entfachen. Es lodert? Dann kann der Naturkoch<br />

ans Werk schreiten – mit Kochtopf, Teekessel oder Grillrost. Was kommt nun auf den Tisch?<br />

Warme Getränke sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße in Magen und Darm erweitern und Flüssigkeit schneller<br />

vom Körper aufgenommen werden kann. Denn selbst wenn wir bei einem winterlichen Spaziergang gefühlt nicht<br />

unbedingt ins Schwitzen geraten, der Körper verliert trotzdem »dampfend« Feuchtigkeit. Auch beim Essen kommt<br />

es auf die Temperatur an. Durch Kochen, Braten oder Erhitzen spaltet sich nämlich das Eiweiß in den Nahrungsmitteln<br />

auf und wird von unserem Verdauungssystem besser aufgenommen. »Leicht zu verdauende Energie« sollte<br />

also das Menü lauten – der kreativen Interpretation sind dabei keine Grenzen gesetzt. So geben wir dem Körper Zeit<br />

und Kraft, sich der wichtigsten Aufgabe zu widmen: der Körperheizung. Und so – warm und wohlig – lassen sich die<br />

winterlichen Naturschauspiele am besten genießen. Dann können besagte 90 Tage gerne kommen!<br />

FEUER UND FLAMME<br />

Da sprühen die Funken, selbst bei Nässe und Kälte. Der Zündstahl mit Magnesiumlegierung<br />

lässt seinen Besitzer weder in der Höhe noch bei Regen oder eisigen<br />

Temperaturen im Stich. Bis zu 3.000 Zündungen gibt er her und produziert<br />

dabei bis zu 5.000 Grad heiße Funken. Einfach mit dem Anzünder über den legierten<br />

Stift in Richtung leicht entzündlichen Brennstoff reiben und die Funken<br />

sprühen lassen. Zum leichten Entfachen eines Lagerfeuers eigenen sich die circa<br />

15 Zentimeter langen »Tindersticks« aus dem Holz der Pino de Ocote, einer<br />

sehr harzhaltigen Kiefernart, besonders gut. Für ein kleines Grillgelage reichen<br />

ein bis zwei Sticks aus. 2 Tindersticks + 1 Zündstahl = knisterndes Abenteuer.<br />

Light my Fire Zündstahl Preis: 11,95 Euro<br />

Light my Fire Tindersticks Preis: 3,95 Euro<br />

FOTO Light my Fire<br />

ROLLKOFFER-TREKKING<br />

Nicht wundern, wenn demnächst im wilden Hinterland<br />

jemand mit Rollkoffer den Wanderpfad kreuzt. Vermutlich<br />

ist derjenige mit dem »Wood n Drift 75« von Bach<br />

unterwegs. Eine geniale Kombination aus Rollkoffer<br />

und Rucksack – stilecht und funktional mit Echtholzrahmen.<br />

Die Konstruktion aus Schichtholz und sehr<br />

robustem Cordura-Außenmaterial machen das Hybrid-<br />

Gepäck extrem stabil. Für Strecken abseits von planierten<br />

Untergründen liefern die höhergelegten, salzwasserfesten<br />

Hartgummiräder mit auf Dauereinsatz<br />

ausgelegten Kugellagern besonders viel Bodenfreiheit<br />

und nervenschonendes Rollverhalten. Kommen unterwegs<br />

von Felsbrocken übersätes Gelände, dreistellige<br />

Anzahlen von Treppenstufen oder ein Klettersteig in<br />

die Quere, lässt sich der Wood n Drift einfach in einen<br />

Rucksack mit Trekking-tauglichem Tragesystem umbauen.<br />

Dezente Verzurrriemen und umfangreiche Unterteilungen<br />

im Inneren machen den Hybrid-Roller zu<br />

einem Reisepartner für jedes Abenteuer.<br />

Bach Wood n Drift 75 l<br />

Preis: 299,95 Euro<br />

TRAPPER-TRÄNKE<br />

Im Winter nicht das Trinken vergessen! Stilecht in<br />

Trapper-Manier geht das besonders gut aus der<br />

stabilen Emaille-Tasse von Relags. In zwei unterschiedlichen<br />

Größen bietet sie Platz für 360 oder<br />

530 Milliliter heißen Kaffee, Tee, Suppe oder Glühwein.<br />

Was man sich am winterlichen Lagerfeuer<br />

eben gerne so einflößt für Stimmung und Wohlbefinden.<br />

Guter Nebeneffekt: Die Tasse ist dank Wärmeleitfähigkeit<br />

auch außen warm, kalte Hände sind<br />

also kein Thema. Auch direkt als kleiner Topf über<br />

dem Feuer oder Gaskocher einsetzbar.<br />

Relags Emaille-Tasse<br />

Preis: 3,75 Euro (360 ml)<br />

TURBOTOPF<br />

Das Ding hat Lieblingsteil-Potenzial! Außen Wasserkessel,<br />

innen Kaminofen. Der »Samovar« bringt mit<br />

dieser Konstruktion aus robustem Aluminium Wasser<br />

in drei bis fünf Minuten zum Kochen. Nicht mit Gas oder<br />

Benzin, sondern mit Holzstückchen, Gras, Laub oder<br />

sonstigen natürlichen Festbrennstoffen.<br />

Das bedeutet: sammeln vor<br />

Ort statt schleppen im Rucksack.<br />

Das Ganze funktioniert durch die<br />

geschlossene Bauweise<br />

weitgehend wetterunabhängig.<br />

Als Extrazubehör gibt<br />

es noch ein Drahtgestell,<br />

mit dem obendrauf im Topf<br />

schon mal die Milch für den<br />

Kaffee aufköcheln kann.<br />

Alb Samovar<br />

Preis: 0,5l/39,95 Euro,<br />

1,2l/49,95 Euro<br />

5


Dreisesselfels, Bayerischer Wald. FOTO Kilian Schönberger<br />

Domwächter, Elbsandsteingebirge. FOTO Thomas Ermer/elbsandsteinfotografen.de<br />

6<br />

Ravennaschlucht, Schwarzwald. FOTO Michael Arndt


RAUSBLICK<br />

WUNDERBAR<br />

WANDERBARES<br />

DEUTSCHLAND<br />

RAUSZEIT Winter 2014/<strong>2015</strong><br />

Berchtesgadener Hochthron, Untersbergmassiv. FOTO Pritz/F1 Online/Aurora Photos<br />

»SIEH’, DAS GUTE LIEGT SO NAH.«<br />

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE<br />

7


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

ERLEBT: Wildes Georgien – Skibesteigung Kazbeg<br />

ALLES BLEIBT ANDERS<br />

Es gibt sie noch, die wilden Flecken Europas. Wer sich nach Georgien aufmacht, erlebt den Charme des Ostblocks<br />

kombiniert mit westlichem Wandel. Ganz im Nordosten des Landes wartet der Kazbeg, das alpine Wahrzeichen<br />

Georgiens, auf abenteuerlustige Skibergsteiger.<br />

»Ski, Gudauri?« spricht uns ein finster dreinblickender<br />

Typ an. Es ist fünf Uhr morgens, seit zwei Stunden<br />

schon lümmeln wir in der fast menschenleeren Flughafenhalle<br />

in Tiflis herum und warten darauf, dass<br />

der Tag anfängt. Wir, das sind Sonja, Hans, Regine<br />

und ich. Der »finstere« Typ ist Giorgi, unser Chauffeur.<br />

Er ist pünktlich auf die Sekunde. Typisch georgisch,<br />

abgemacht ist abgemacht. Über den Freund<br />

eines Freundes hatten wir schon vor Wochen das Taxi<br />

gechartert, aber nie eine Bestätigung bekommen und<br />

auch keinen direkten Kontakt zu unserem Fahrer.<br />

Aber wenn ein Georgier etwas verspricht, dann passt<br />

das auch.<br />

Diese Erfahrung haben Regine und ich schon öfters<br />

gemacht. Sehr vieles hat sich in Georgien geändert<br />

seit 2005, als wir das erste Mal dort waren. Aber aus<br />

der Sicht eines Reisenden kann ich mir kein anderes<br />

Land vorstellen, das in so kurzer Zeit einen derartigen<br />

Wandel erlebt hat, was die Verbesserung der Lebensqualität<br />

und der inneren Sicherheit betrifft. Natürlich<br />

gilt dies nicht für alle Gegenden und Bevölkerungsschichten.<br />

Und ich möchte auch kein abschließendes<br />

Urteil fällen über die Verhältnisse im Land. Aber für<br />

einen Touristen macht es eben einen Unterschied, ob<br />

man sich weitgehend gefahrlos von der Kneipe zum<br />

Hotel bewegen kann, ob Straßen nur aus Schlaglöchern<br />

bestehen, ob es funktionierenden öffentlichen<br />

Verkehr, Elektrizität und sauberes Trinkwasser gibt –<br />

oder eben nicht. All dies hat sich in den Jahren nach<br />

der unblutigen »Rosenrevolution« 2003 zum Besseren<br />

gewendet. Nicht schlagartig und nicht überall.<br />

Aber keine Sorge, trotz aller Veränderung sind<br />

zwei Dinge gleich geblieben in Georgien: Da ist zum<br />

einen die wirklich großartige Natur. Die Berge stehen<br />

immer noch da, wo sie vorher standen. Sie sind immer<br />

noch wild, hoch und mit Eis und Schnee bedeckt.<br />

Zum anderen ist da die Seele dieses Landes, das<br />

auf eine jahrtausendealte, wechselhafte Geschichte<br />

zurückblicken kann. Der Kaukasus und besonders<br />

Georgien sind tief verwurzelt in ihrer Kultur und Vergangenheit.<br />

Den Menschen merkt man dies an, ihre<br />

Mentalität ist markant: selbstbewusst, stolz, etwas<br />

dominant, ein wenig impulsiv vielleicht und sehr vereinnahmend,<br />

dabei aber überaus gastfreundlich und<br />

verlässlich. Daran haben auch sowjetische Jahrzehnte,<br />

wirtschaftlicher Niedergang, flächendeckende Armut<br />

und jahrelange Korruption nichts geändert. Die<br />

Gastfreundschaft ist den Einheimischen heilig, sie ist<br />

herzlich und ein wenig ruppig zugleich. »Gaumardschoss!«<br />

lautet der Trinkspruch, der zum Wohle und<br />

mit Nachdruck ausgebracht wird: »Sei siegreich!«<br />

8


HIGH QUALITY OUTDOOR EQUIPMENT SINCE 1908<br />

HANS KRISTIAN KROGH-HANSSEN<br />

Links: Auf dem Weg zum Kazbeg-Gipfel. Atemberaubender Blick über die ossetische<br />

Bergwelt.<br />

Oben: Ostblock-Charme und Aufbruchstimmung – in Georgien trifft man auf beides.<br />

FLEECE<br />

Eine der höchsten Skitouren Europas<br />

2005 wollten wir zum ersten Mal auf den Kazbeg, diesen markanten, wunderschönen<br />

Berg. Er zeigte uns damals wahrhaftig die kalte Schulter: Whiteout! Auf 4.600 Metern<br />

Höhe mussten wir umkehren. Und nur dem GPS haben wir es zu verdanken, dass wir<br />

heil wieder runtergekommen und nicht in einer Spalte verschwunden sind ...<br />

Nun, wir sind also wieder da, im Kaukasus. Es ist Ostern, und wir haben die Tourenski<br />

im Gepäck. Dieses Mal, so haben wir uns fest vorgenommen, ist der Kazbeg,<br />

der »nationale« Berg Georgiens, fällig. Mit 5.033 Metern ist er – nach dem Elbrus<br />

– eines der höchsten europäischen Skitourenziele, je nach Definition, wie weit man<br />

die Grenze eines geografischen Europas in den Kaukasus zieht. Einen Fünftausender,<br />

das gibt es in Europa eben sonst nirgends, in den Alpen ist bei gut 4.800 Metern<br />

Schluss. Außerdem haben Regine und ich noch eine Rechnung mit ihm offen.<br />

Aber erst mal ankommen und akklimatisieren. Zwei Stunden nachdem uns Giorgi<br />

in Tiflis aufgelesen hatte, sind wir in Gudauri eingetroffen. Das größte und bekannteste<br />

Skigebiet Georgiens liegt auf über 2.000 Metern Höhe und ist sehr schneesicher<br />

– normalerweise. In diesem Jahr sind die Temperaturen mild, der Schnee schmilzt<br />

dahin, gerade noch können wir direkt am Hotel in die Bindung steigen, um eine erste<br />

kleine Eingehtour im Skigebietsumfeld zu unternehmen. Das Pistengelände reicht<br />

bis fast 3.300 Meter hinauf, und sobald man eine andere Abfahrtsroute wählt, ist man<br />

einsam und alleine mitten im wilden Kaukasus. Auch in Gudauri hat sich einiges verändert<br />

in den letzten zehn Jahren. Es wird Heliskiing mit modernen Hubschraubern<br />

angeboten, schon vor Jahren wurden die alten rostigen Liftreste durch Hightech-<br />

Versionen ersetzt und frisch gestaltete Buchungs-Webseiten präsentieren eine gan-<br />

Hareid Jacket<br />

Leichte, trageangenehme Jacke aus meliertem Polartec®-Fleece.<br />

EKSTREM TURGLEDE<br />

bergans.de


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

Bummeln durch Gudauri – und Staunen über den Schneemangel.<br />

Ganz oben: Morgensonne vor der Bethlemi Hütte.<br />

Oben: Massive Baukunst: die Kirche Zminda Sameba auf 2.100 Meter,<br />

im Hintergrund unser Ziel, der Kazbeg.<br />

ze Reihe neuer Unterkünfte. Aller Georgien-Charme<br />

gegessen? Keineswegs: Die Kühe stehen immer noch<br />

auf der Straße, das Taxi hat immer noch ziemlich abgefahrene<br />

Reifen und es sind noch längst nicht alle badewannengroßen<br />

Schlaglöcher verschwunden ...<br />

Am nächsten Tag gehen wir den knapp 3.000 Meter<br />

hohen Miketi an. Wie er sind viele dieser herrlichen<br />

Skiberge rund um Gudauri für die allermeisten ambitionierten<br />

Skitourenbergsteiger vor allem Akklimatisations-<br />

und Eingehtouren für den Kazbeg. Doch allein die<br />

Tour zum Miketi könnte der Grund dafür sein, immer wieder<br />

in den Kaukasus zu fahren: glitzernder Schnee am<br />

Morgen beim Aufstieg, vorbei an den Ruinen eines alten<br />

Wehrdorfs, blauer Himmel, eine grandiose Bergkulisse<br />

mit dem Kazbeg als Hauptdarsteller, cremiger Firn bei<br />

der Abfahrt. Als wir jenseits des Skigebiets auf der anderen<br />

Talseite auf dem Gipfelgrat sitzen, direkt auf der<br />

Grenze zu Südossetien, fühlen wir förmlich den Kontrast<br />

und Erinnerungen an das »alte« Georgien werden wach:<br />

Drüben in Gudauri haben sie neue Lifte und nette Hotels,<br />

Skilehrer verdienen ihr Geld und in den Restaurants wird<br />

vernünftiges Essen serviert. Hinter uns, auf der anderen<br />

Seite, in den Tälern Südossetiens, ist alles beim Alten.<br />

Der Konflikt, der 2008 in einen kurzen, blutigen Krieg<br />

mündete, schwelt noch. Zwischen alt und neu, Krieg und<br />

Frieden, liegt manchmal nur ein schmaler Grat. Wortwörtlich:<br />

In unserem Fall sitzen wir direkt darauf und<br />

können nach der Rast eine 800 Meter hohe, makellose<br />

Firnflanke nach Osten hinab in vollen Zügen genießen.<br />

Kazbeg – »Gaumardschoss!«<br />

Endlich können wir den Kazbeg in Angriff nehmen. Den<br />

ausgerauchten Vulkan mit der attraktiven Höhe muss<br />

man sich »ehrlich« erarbeiten, kein Lift führt hinauf.<br />

Gestartet wird auf knapp 1.700 Metern im Örtchen<br />

Stepanzminda, durch den die Georgische Heerstraße<br />

führt, die Russland mit Georgien verbindet. Oder man<br />

organisiert – wie wir – ein geländetaugliches Taxi. »Da,<br />

da, da«, ja, ja, ja, geht schon – der Fahrer spricht sich<br />

und seinem Allrad-Gefährt gut zu, als er es durch knietiefen<br />

Schneematsch die schlammige Strecke hinauf<br />

zur berühmten Kirche Zminda Sameba treibt. Vor ein<br />

paar Tagen wäre der Weg noch nicht befahrbar gewesen,<br />

aber durch die warmen Temperaturen sparen wir<br />

uns nun die ersten 400 Höhenmeter des Aufstiegs. Von<br />

dort aus geht es erst einmal ungewöhnlich schneefrei<br />

zu Fuß weiter. Das bedeutet für uns: ordentlich buckeln,<br />

denn im Rucksack befindet sich auch die komplette<br />

Biwak-Ausrüstung, die wir bis zur Bethlemi Hütte auf<br />

3.653 Metern schleppen. Der Begriff »Hütte« ist etwas<br />

geschönt: Die unbeheizte, kasernenartige Unterkunft<br />

wurde in den 1940er-Jahren als meteorologische Station<br />

erbaut. Komfort wie man ihn von Hütten in den Alpen<br />

kennt, gibt es nicht. Keine Küche, keine Heizung, aber<br />

immerhin viel Platz und Doppelstockbetten mit Matratzen.<br />

In Gudauri hatte uns der Wetterbericht bereits<br />

vorgewarnt: nicht wirklich prickelnd – mit der Chance<br />

auf einen guten Tag. So viel zum Thema Wandel: Die<br />

Herausforderungen einer hochalpinen Skitour werden<br />

zwar nicht geringer, nur weil das Hotel schnelles Wi-Fi<br />

anbietet, aber für die Tourenplanung ist ein detaillierter<br />

Wetterbericht natürlich Gold wert. Deshalb hatten wir<br />

beschlossen, den Aufstieg zur Bethlemi Hütte bei nicht<br />

ganz perfekten Bedingungen zu unternehmen und den<br />

angekündigten Schneesturmtag auf der Hütte auszusitzen.<br />

Mit einer kurzen Erkundungstour und endlosem<br />

Schneeschmelzen auf unseren Kochern vergeht dieser<br />

Tag erstaunlich schnell. Und trotz allem »Ostblock-<br />

Charme« können wir dank guter Schlafsäcke der Ex-<br />

Meteo-Station auch bei deftigen Minusgraden doch<br />

etwas Gemütliches abtrotzen. Schließlich sind wir drinnen<br />

– und draußen heult der Wind. Wie viel Schnee wird<br />

er uns wohl vor die Skispitzen fegen?<br />

Einmalig: auf Skiern zum Gipfel<br />

Aufbruch! Knirschend öffnet sich die Tür, feine Schneekristalle<br />

wirbeln herein. Der Wind hat aufgehört, uns<br />

empfängt eine sternenklare und eiskalte Nacht. Das<br />

bisschen Neuschnee behindert kaum, Hans legt seine<br />

Spur und zügig kommen wir vorwärts. Unsere Route<br />

führt fast um den ganzen Berg herum auf die Nordseite,<br />

der einfachsten Variante für Skitourengeher. Vor uns<br />

liegt eine trügerisch makellos weiße Fläche. Die Flanken<br />

des Kazbeg sind durchsetzt von Gletscherbrüchen<br />

und wir suchen nach der flachsten und einfachsten<br />

Stelle. Als wir im Sattel ankommen und vor dem über<br />

10


WE WERE BORN WILD<br />

Diese Saison entfesseln wir die Leistungsfähigkeit<br />

von Merino, damit du dich an die Bedingungen<br />

der Natur anpassen kannst.<br />

Geschafft – auf Skiern bis zum Gipfel. EIn seltener Genuss an den eisigen Flanken<br />

des Kazbeg.<br />

40 Grad steilen Gipfelhang stehen, sind wir skeptisch. Zwei Tage zuvor bestand die<br />

Flanke noch aus blankem Eis, jetzt ist sie komplett schneebedeckt. Meistens legt<br />

man hier das Skidepot an und muss die letzten 150 Meter zum Gipfel mit Steigeisen<br />

bewältigen. Aber wir versuchen es, lassen die Skier dran. Manchmal rutschen<br />

die Kanten auf dem Eis, aber es funktioniert. In engen Zickzacks spuren wir durch<br />

besten, frischen Pulver bis zum höchsten Punkt. Gaumardschoss! Ich bin mir sicher,<br />

dass noch nicht allzu viele in den Genuss gekommen sind, bei solch perfekten<br />

Bedingungen in der Bindung auf dem Kazbeg-Gipfel zu stehen. Stolz und glücklich<br />

genießen wir bei herrlichstem Wetter die Wahnsinnsaussicht. Lange verweilen können<br />

wir leider nicht, am Horizont (und in der Wettervorhersage) kündigt sich bereits<br />

die nächste Front an. Der krönende Abschluss – die Abfahrt – hält, was das Spuren<br />

versprach: In bestem Pulver ziehen wir unsere Linien in die Gipfelflanke des Kazbeg,<br />

fast schweben wir über die weiten, weißen, im Sonnenlicht glitzernden Flächen<br />

über den Gletscher hinunter. Der Kazbeg hat seine Rechnung bezahlt – und sogar<br />

reichlich »Trinkgeld« gegeben.<br />

Text und Fotos: Joachim Stark<br />

<br />

icebreaker.com


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

ANDERS ERLEBT: Solo-Wintertour über den Inarisee<br />

DER ALTE MANN UND DER SEE<br />

Von Sagen und Mythen ist er geprägt, der hohe Norden. So mancher verliert sein Herz an die raue Einsamkeit jenseits<br />

des Polarkreises. Für einen langen Augenblick wird man(n) zum Einzelgänger und erlebt die Einzigartigkeit der Natur in<br />

einer Art und Weise, wie man sie nur allein auf sich gestellt wahrnehmen kann. Eine Ode an den hohen Norden.<br />

Hier bin ich nun, ganz oben, im hohen Norden, dort,<br />

wo das Land bald aufhört! Von hier aus sieht die Welt<br />

schön aus. Ich stehe auf einem Berg, vor mir ein Fjord<br />

– ein Finger des Eismeeres, offenes Wasser gerahmt<br />

von verschneitem Fels. Hinter mir weites Land, schroff<br />

zerklüftet. Täler und Seen ruhen noch unter Schnee<br />

und Eis, aber auf glatt gefegten Bergkuppen künden<br />

erste kahle Stellen vom Ende des Winters. Und so wird<br />

es auch Zeit für den alten Mann mit seiner Geschichte,<br />

die bald an genau diesem Ort enden wird.<br />

Reise an den großen See<br />

In der großen Stadt waren die Bürgersteige schon<br />

längst wieder heruntergeklappt für den Frühling, für<br />

die Schönen und die Sonnenbrillen, als der alte Mann<br />

seine Sachen packt für die letzte Tour des Winters. Etwas<br />

verunsichert vom Laisser-faire der Frühlingswegelagerer<br />

vor seiner Haustür macht er sich mutig auf<br />

zum Flughafen. Später, angekommen in der finnischlappländischen<br />

»Metropole« Ivalo, mitten zwischen<br />

Nordkap und Polarkreis, erfüllt ihn mit der klaren, kalten<br />

Luft in den Lungen und dem Knirschen des Schnees<br />

unter den Füßen eine große Euphorie. Schnell kehrt<br />

das Vertrauen zu Ski, Eis und Schnee zurück. Mit der<br />

Ungeduld eines Schlittenhundes zieht er seine Pulka –<br />

Flusskrümmung um Flusskrümmung. Bis sich die Ufer<br />

öffnen zum großen See Inari: 1.040 Quadratkilometer,<br />

etwa 3.300 Inseln, bis zu 92 Meter tief und 80 Kilometer<br />

lang. Ihn, den großen Inari, will der alte Mann überqueren,<br />

um an sein Ziel, das gut 200 Kilometer entfernte<br />

Nordmeer-Städtchen Kirkenes, zu gelangen. Allein.<br />

Erst mit untergehender Sonne schlägt er sein Zelt auf.<br />

Und als er nachts noch einmal vor die Tür tritt, staunt er<br />

über Mond und Sterne und ein hellgrün wehendes Polarlicht.<br />

Er lohnt sich so sehr, der hohe Norden ...<br />

Demut vor der Dimension<br />

Am nächsten Morgen wird die eisige Stille von lautem<br />

Dröhnen durchbrochen. Ein Sami gleichen Alters mit<br />

seinem Motorschlitten. In einer fremden Sprache versucht<br />

er – nach oben zeigend – auf etwas hinzuweisen.<br />

Ein »samischer Wetterbericht« vermutet der alte Mann<br />

und bedankt sich, bevor der Bote mit heulendem Motor<br />

von dannen zieht. Und tatsächlich, das Wetter ändert sich<br />

schnell und hüllt alle und alles in Vorhänge leise wirbelnden<br />

Schnees. Aufkommender Wind verwandelt die<br />

fallenden Eiskristalle in einen Teppich aus fließendem<br />

Weiß. Erst am Ende des Tages gibt er die Sicht wieder frei<br />

und der Blick fällt auf eine unheimlich große Dimension:<br />

Unendlichkeit gesprenkelt mit Inseln, hinter jeder Landzunge<br />

eine neue Weite. Voller Demut entsteht im späten<br />

Licht der durchbrechenden Sonne ein neues Zeltlager. So<br />

ganz allein auf sich gestellt, in dieser wunderbar weißen<br />

Unendlichkeit, wirken die Dinge noch viel imposanter.<br />

Strahlendes Blau trifft den Blick aus dem Zelt am<br />

Morgen des dritten Tages. »Wetter zum Helden zeugen«,<br />

erinnert sich der alte Mann, das hatte seine<br />

Mutter früher immer gesagt. »Damals muss es wohl<br />

besonders schön gewesen sein«, spricht der Held<br />

schmunzelnd zu sich selbst und bricht auf meterdickem<br />

Eis gleitend auf zum nördlichen Horizont, um<br />

seine Zeugung zu rechtfertigen. Zur Mittagspause tauchen<br />

in der Ferne vom nächsten Land kündende Linien<br />

auf. »Ganz schön weit bis dahin«. Ob er das laut gesagt<br />

oder nur gedacht hat? Die Grenzen verschwimmen mit<br />

jeder Stunde der Einsamkeit. Plötzlich wieder eine Begegnung.<br />

Ein vorbeireisender Motorschlitten-Finne<br />

taucht aus der Weite des gefrorenen Sees auf. »Eine<br />

gemütliche Hütte mit Sauna, das wär’ doch was«, empfiehlt<br />

er zum Ansporn, »auf einer Insel in etwa 20 Kilometern«.<br />

Klingt verlockend, denkt der alte Mann und<br />

erobert tapfer See-Meile um See-Meile, bis sich der<br />

Tag seinem Ende neigt.<br />

12


RAUSZEIT Sommer Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

Die große Freiheit. Mitten auf dem Inarisee schlägt der alte Mann sein Zelt auf.<br />

Links: Selbstversorger und Alleinunterhalter – Solo-Touren haben ihren eigenen Reiz.<br />

Ganz oben: macht süchtig – das spektakuläre Nordlicht-Kino.<br />

Oben: Endstation Rollfeld. Am kleinen Flughafen von Kirkenes endet das<br />

Abenteuer des alten Mannes.<br />

One-Man-Show<br />

In der Sichtverschlechterung des Abends macht er<br />

sich auf die Suche nach der Hütte. Was jedoch so wohlig<br />

klang, bringt ihn erst ins Grübeln – und schließlich<br />

zu dem festen, ja euphorischen Entschluss, wieder<br />

sein Zelt aufzuschlagen. Die eigenen vier Wände, kein<br />

schnarchender Nachbar, nicht anderer Leute Witz und<br />

keine wohlgemeinten Ratschläge. Stattdessen: der<br />

Frieden, mit sich allein zu sein. Sehnsüchte, die man<br />

mit niemandem teilen muss. Und auch den Schnaps<br />

nicht. Welch’ Stille trotz Party!<br />

Selig schläft der alte Mann ein. Und als er mitten in<br />

der Nacht erwacht, hört er das schönste Geräusch der<br />

Welt, das zärtliche Streicheln und Flüstern wirbelnder<br />

Flocken an der Zelthaut und das leise Zischen vom Dach<br />

rutschenden Schnees. Glücklich wendet er sich wieder<br />

seinen Träumen zu und genießt die Geborgenheit seiner<br />

Winterwohnung bis weit in den nächsten Tag.<br />

Schluss mit Heldenwetter! Mit ungeduldigen Füßen<br />

geht es endlich weiter. Durch eine graue konturlose<br />

Welt aus tief hängenden Wolken und schneegetränkter<br />

Weite. Er motiviert sich, hat Musik im Ohr, Emotionen<br />

im Kopf – und plötzlich überwältigen ihn die großen Gefühle.<br />

Er lässt es geschehen, denn keiner hört sein befreiendes<br />

Schluchzen. Plötzlich scheint das ganze Leben<br />

so greifbar, es fließt durch die Bewegung, ist direkt<br />

an seiner Seite. Stationen und Begegnung, Hoffnung<br />

und Abschied, Traurigkeit und Glück. Und jetzt beginnt<br />

er endlich zu verstehen, warum es ihn immer wieder<br />

so rastlos in den Norden zieht: Hier geht es hinter dem<br />

Horizont noch weiter!<br />

EU-Austritt mit Schlitten<br />

Inzwischen rücken die Ufer näher und lassen den<br />

großen Inarisee allmählich ausklingen. Bald bestimmt<br />

Unwegsamkeit das Gelände. Kleine und große<br />

Seen, umgeben von steilen Ufern und tief verschneitem<br />

nordischen Urwald. Hier geht es selbst auf Skiern<br />

nur schwer voran. Aber was kann Helden schon<br />

stoppen?<br />

Gelegentlich verführen vom Nordwind verwehte<br />

Motorschlittenspuren zum Verfolgen, aber nur selten<br />

ist die Richtung die richtige. Ständig suchend, wie es<br />

wohl am besten weitergeht, steht der alte Mann plötzlich<br />

verblüfft vor einem mannshohen Zaun. Das wird<br />

wohl die Grenze zu Norwegen sein? Hoffentlich nicht<br />

die nach Russland, zweifelt er kurz, als er bereits<br />

sein Hab und Gut über den Maschendrahtzaun wirft,<br />

um dann selbst kletternd und mit dem Drahtgeflecht<br />

kämpfend die Europäische Union zu verlassen.<br />

Norwegen wird seinem Ruf bald gerecht. Fjorde und<br />

Berge folgen aufeinander. Von der Meereshöhe geht es<br />

noch einmal hoch hinaus, bis weit über die Baumgrenze.<br />

Es ist Ostern. Ganze Familien sind mit Schneemobilen<br />

unterwegs, campieren um kleine Feuer und angeln<br />

im Eis. Am Abend aber kehrt die Einsamkeit zurück und<br />

man hat das Fjell wieder für sich. Vom Zeltplatz aus sind<br />

bereits die Lichter der kleinen Hafenstadt Kirkenes zu<br />

sehen. Die letzte Nacht, der letzte Morgen. Bis zum Flughafen<br />

ist es nicht mehr weit. Obwohl ungeduldig des nahen<br />

Ziels, hält der alte Mann immer wieder inne, um an<br />

Zeit und Eindrücken festzuhalten. Doch bald hat er sein<br />

Ziel erreicht.<br />

Und nun stehen wir gemeinsam auf dieser letzten<br />

Höhe und werden, wie sich Land und Meer zu unseren<br />

Füßen vereinen, wieder zu einer Person. So sparen wir<br />

ein Flugticket und kehren gemeinsam, stolz und erfüllt<br />

mit großem Herzen zu euch zurück.<br />

Text und Fotos: Matthias Müller<br />

<br />

13


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

ERLEBT: Marokko – Trekking und Klettern im Nordwesten Afrikas<br />

MÄRCHENHAFTE BERBER-BERGE<br />

Maultiertaxis, gigantische Felswände zum Klettern, märchenhafte Oasen, schneebedeckte Gipfel und ein Tal, in dem das<br />

Glück zu Hause ist. Eine Trekkingtour durch den Hohen Atlas führt in eine längst vergangen geglaubte Zauberwelt aus<br />

Tausendundeiner Nacht.<br />

Die Augen sind geschlossen, anregend weht der Duft<br />

von Zimt, Koriander, Schwarzkümmel und Thymian um<br />

die Nasen. Der folgende Blick fällt auf bunt leuchtende<br />

Berge von Gewürzmischungen. Im Hintergrund, zwischen<br />

kantigen Felsen, suchen ein paar Dutzend Esel<br />

und Maultiere nach verdorrten Grashalmen. Am Rande<br />

bearbeitet ein Schmied mit einem schweren Hammer<br />

Hufeisen. Die Hitze steht ihm ins Gesicht geschrieben.<br />

Während zwei Männer ihr Muli festhalten, schlägt er<br />

die »Eisenschuhe« mit groben Stahlstiften an die Hufe.<br />

Autos sind Mangelware. Das Dörfchen Zaouiat Ahan sal<br />

mit seinen geduckten, spartanischen Steinhäuschen<br />

und seinem orientalischen Charme ist bezeichnend<br />

für die Bergtäler des Hohen Atlas. Am anderen Ende<br />

des Marktplatzes parkt eines der wenigen motorisierten<br />

Fahrzeuge. Ein Laster mit der Werbeaufschrift »Be<br />

digital«. Der Spruch klingt wie Ironie an einem Ort, an<br />

dem sich seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert nicht<br />

allzu viel geändert zu haben scheint. Lena und Flo spazieren<br />

ein Stück weiter: Stände mit Obst und Gemüse,<br />

daneben Hühner und Ziegen, zwischendrin ein buntes<br />

Gewühl aus Bergbewohnern, viele davon exotische Gestalten.<br />

Männer in langen Kaftanen, mit markanten Gesichtern<br />

unter den Turbanen. Frauen mit blau-grünen<br />

Augen. Im gleichen Ton sind die Tätowierungen in ihren<br />

Gesichtern und an den Händen gehalten.<br />

Outdoor auf orientalisch<br />

Trotz des Trubels herrscht eine entspannte Ruhe. Respektvolle<br />

Handküsse statt lautem Geschrei. Untypisch<br />

für das politisch derzeit unruhige Nordafrika. In der Tat<br />

ist Marokko im Moment wohl das sicherste Reiseland<br />

entlang der Südkante des Mittelmeers. Die Berber im<br />

Hohen Atlas waren schon immer ein Volk mit eigenen<br />

Riten. Aus ihrer Ruhe spricht Stolz. Der Stolz eines<br />

Bergvolkes, das sich seit Jahrtausenden in einer der<br />

kargsten Gebirgsregionen der Erde behauptet hat.<br />

Dass sie diese exotische Zeitreise angetreten haben,<br />

verdanken Flo und Lena Mohamad Ahansal. Einige Jahre<br />

hat der marokkanische Bergführer und Ultra-Läufer<br />

in Deutschland gelebt. Ab und zu kommt er immer noch<br />

auf Besuch in seine alte Wahlheimat. Und als er im vergangenen<br />

Sommer vom Hohen Altas als Trekking- und<br />

Kletterparadies geschwärmt hatte, stand für Weltenbummler<br />

Flo fest: »Das müssen wir uns ansehen.« Und<br />

nun befindet er sich mit seiner Freundin Lena schon<br />

mittendrin in einem Ausflug in eine ferne orientalische<br />

Vergangenheit.<br />

Etwa fünf Autostunden waren sie am Vortag von<br />

Marrakesch unterwegs ins von gewaltigen Felsmassi-<br />

14


Exotisch: Trekking in Marokko – ein Fest für die Sinne.<br />

ven umrahmte Zaouiat Ahansal. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß weiter. »Iihaaa,<br />

iihaaa!« Das Muli, auf dessen Rücken Flo nach dem Besuch des Souk die Rucksäcke<br />

packt, tönt wie eine eingerostete Hupe. Los geht’s! Zwei Stunden lang zieht sich ein<br />

Bergpfad durch eine Schlucht bergauf. Dann weitet sich das Tal zu einem Kessel.<br />

Hier auf 1.900 Metern Höhe liegt Taghia. Eine kleine grüne Oase inmitten monumentaler,<br />

rötlich schimmernder Felsmassive. Bis zu 1.000 Meter hohe Felswände umgeben<br />

das Dorf wie ein gigantisches Amphitheater. Es ist Herbst, Anfang November.<br />

Die am Talboden in kleinen Terrassen angeordneten Felder sind längst abgeerntet.<br />

Sternförmig zweigen enge, schluchtenartige Täler ab.<br />

»Wahnsinn!« Beindruckt, fast ehrfürchtig, legen Lena und Flo am nächsten Morgen<br />

den Kopf in den Nacken, um die Kletterrouten am Timghazine zu inspizieren.<br />

»Ihr schafft das schon, inshallah«, motiviert ihr Guide Mustafa. »Mit Allahs Hilfe«,<br />

entgegnet Flo voller Respekt. Denn die Taghia-Schlucht mit ihren imposanten Wänden<br />

ist in erster Linie ein Paradies für erfahrene Mehrseillängen-Kletterer und Big-<br />

Wall-Fans. Für Gelegenheits- und Plaisir-Kletterer dagegen ist das Gros der Routen<br />

eine ziemlich harte Nuss. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch einige leichtere<br />

kürzere Sportkletterrouten gibt. Doch wegen des grandiosen Canyon-Ambientes<br />

lohnen sich auch Trekkingtouren, die über steile, abenteuerliche Pfade teils bis auf<br />

die knapp 3.000 Meter hohen Gipfelplateaus führen. Wer sich an die abgesicherten<br />

Routen hält, findet dort rauen Kalk, wie man ihn sich in den oft abgespeckten Linien<br />

hochfrequentierter europäischer Klettergebiete kaum zu erträumen wagt.<br />

Mit etwas ausgedörrter Kehle erreichen Flo und Lena nach der Klettertour die<br />

Gîte, eine einfache Herberge, in Taghia. »Wiskey berbere?«, fragt Herbergsvater<br />

Saïd. Lena kuckt etwas irritiert. »Alkohol? Ist der hier nicht tabu?« Als Saïd wenig<br />

später die traditionellen kleinen Gläser auf den Tisch stellt, dämmert es ihr. Nein,<br />

das ist kein Schnaps, sondern Tee. In hohem Bogen gießt Saïd die belebende Mi-


Bismillah! Als Zeichen der Gastfreundschaft gibt's in<br />

Marokko Tee – im Namen Allahs, Prost!<br />

Zeitreise: Modernes Sportklettern und<br />

Feldarbeit wie vor Jahrhunderten.<br />

schung aus chinesischem Grüntee und Marokkanischer<br />

Minze in die Gläser. Je höher, desto besser, eine Zeremonie<br />

der Gastfreundschaft. »Ganz schön süß«, gibt<br />

Lena lächelnd zu, als sie ein erstes Mal nippt. Auch das<br />

ist ein Stück Gastfreundschaft: wenig Zucker – wenig<br />

Freundschaft, viel Zucker – viel Freundschaft. »Bismillah<br />

... im Namen Allahs, Prost!«<br />

Bei der Bergtour am nächsten Morgen deutet Mustafa<br />

nach oben in eine steile Rinne am Fuß der Wand,<br />

durch die auf den ersten, flüchtigen Blick kaum ein<br />

Durchkommen ist. »Ferrate Berbère«, sagt er mit einem<br />

Grinsen. Mit Ästen von Wacholderbäumen und<br />

Steinen haben die Einheimischen hier improvisierte<br />

klettersteigartige Routen angelegt, auf denen sie bisweilen<br />

samt ihrer Ziegen in abgelegene Hochtäler steigen.<br />

»Ein bisschen überausgerüstet komme ich mir da<br />

mit der modernen Kletterausrüstung schon vor«, sinniert<br />

Flo laut.<br />

Schnee in Afrika<br />

Auf dem Rückweg jagen stürmische Böen durch die<br />

Schlucht. Es beginnt zu regnen. Ein paar Wolkenlücken<br />

lassen es am nächsten Morgen oben in den Felswänden<br />

weiß durchschimmern. Schnee! Von wegen: Afrika, heiß<br />

und staubig – in den Bergen herrschen andere Gesetze.<br />

Rückzug! Unten in der Herberge in Zaouiat Ahansal<br />

empfängt Mohamads Verwandtschaft die beiden Trekker<br />

wie selbstverständlich mit Minztee und süßem Gebäck.<br />

Aufwärmen, Pläne schmieden. Draußen mischen<br />

sich Schneeflocken unter den Regen. »Wir müssen neu<br />

planen«, eröffnet Mohamad das Gespräch. Die geplante<br />

Trekkingtour über den gut 4.068 Meter hohen Jbel<br />

M’Goun auf die Südseite des Hohen Atlas wird nach den<br />

starken Schneefällen im Hochgebirge nicht machbar<br />

sein. Nach einer Stunde Kartenwälzen und einigen Telefonaten<br />

steht die neue Route: auf alten Berberpfaden<br />

durch den Felsriegel des Hohen Atlas.<br />

Ein makellos blauer Himmel spannt sich tags darauf<br />

über den Bergen. Die Gipfel sind dick mit Neuschnee<br />

eingezuckert – und sehen dem mit Zimt, Zucker und<br />

Nüssen garnierten Berg Berbernudeln, den die Frauen<br />

aus Mohamads Familie am Vorabend als Dessert<br />

servierten, beinahe ähnlich. Eine »kleine« Nachspeise<br />

nach der traditionellen Tajine mit Kartoffen, Huhn,<br />

Rindfleisch und Trockenpflaumen ...<br />

Seit Jahrtausenden schon ziehen Berber als Nomaden<br />

und Halbnomaden im Frühling mit ihren Schaf- und<br />

Ziegenherden durch die kargen, fast wüstenartigen<br />

Bergregionen des Hohen Atlas. Immer wieder tauchen<br />

unterwegs nun provisorische Steinmauern von Nomadenherbergen<br />

auf, so wie am fast ausgetrockneten<br />

Bergsee Lac d’Izourar. Sie zeugen von den Sommerlagern<br />

der Berber. Hier (er)leben sie mit ihren Herden<br />

eine ebenso raue wie landschaftlich faszinierende Seite<br />

der Freiheit. Völlige Stille. Ein Hauch von Tibet.<br />

Mit schweren Beinen erreichen Lena und Flo am<br />

Ende des Tages eine Gîte im etwa 500 Höhenmeter tiefer<br />

gelegenen Tal Aït Bougouemez. »Das Tal der Glücklichen«<br />

haben die ersten französischen Tekkingtouristen<br />

diesen Landstrich getauft. Ob die Menschen hier<br />

tatsächlich glücklicher sind? Viele jedenfalls haben ein<br />

Lächeln im Gesicht, wenn sie aufsehen. Mag sein, dass<br />

das nur ein Moment des Innehaltens im harten, arbeitsreichen<br />

Alltag ist. Doch vielleicht gibt es noch einen anderen<br />

Grund. »Es ist beinahe, als hätten wir die Hektik<br />

europäischer Großstädte auf einem anderen Planeten<br />

zurückgelassen«, bemerkt Flo. Berge von Äpfeln warten<br />

am Rande kleiner Plantagen auf den Abtransport.<br />

Es ist Erntezeit. Frauen klauben in bunt leuchtenden<br />

Gewändern Kartoffeln vom Feld. Auf dem nächsten<br />

Acker steht noch der Weizen. Mit einer Sichel schneidet<br />

eine Bäuerin Ähre für Ähre. Männer beackern mit Holzpflügen<br />

und Mulis kleine, von Hecken gesäumte Felder.<br />

Sie alle wirken tief versunken in ihr Tun.<br />

Lebendig wird die Vergangenheit auch beim Aufstieg<br />

zur alten Agadir Sidi Moussa in der Mitte des Tales. »Eine<br />

typische Wohnburg der Berber«, erklärt Mustafa. Das<br />

Bauwerk ist nur zu einem geringen Teil aus Stein gemauert.<br />

Als Basismaterial dient ein Mix aus getrocknetem<br />

Lehm, Schottersteinen und Spreu vom Weizen. Das hält<br />

im Sommer kühl und im Winter halbwegs warm. Drinnen<br />

in der Burg wartet ein alter Wächter im braunen Kaftan<br />

darauf, dass noch irgendetwas passiert. Als er die beiden<br />

Europäer bemerkt, zeigt er auf schmale Schlitze in<br />

den Wänden, durch die spärlich Licht in das dämmrige<br />

Innere der Burg dringt. Die Erklärung folgt auf marokkanisch.<br />

»Diese Licht- und Luftschlitze dienten früher<br />

auch als Schießscharten«, übersetzt ihr Guide.<br />

Zuckerbrot- und Peitschenwetter<br />

»Wir müssen nochmals umplanen!«, verkündet Mustafa<br />

am nächsten Morgen, während er sich einen Tafernout-Fladen<br />

zum Frühstück schmiert. »Das Wetter ...«,<br />

mischt sich die Zusatzinfo gerade noch hörbar zwischen<br />

die folgenden Kaugeräusche. Dicke Wolkenschwaden<br />

wabern um den Pass. Zwei Stunden später tobt oben an<br />

den Atlas-Graten ein Schneesturm. Unten gießt es wie<br />

aus Eimern. Ein Geländewagen bringt die Trekkingtruppe<br />

auf verschlammten und vermurten Umwegen, aber<br />

zumindest halbwegs trocken, auf die Südseite des Atlas.<br />

16


POWERSTATION<br />

HANDWARMER<br />

Alte Kasbahs in den Tälern des Hohen Atlas wirken wie Burgen<br />

aus Tausendundeiner Nacht.<br />

24 Stunden später ist es, als wäre das Unwetter nur ein Spuk gewesen. Die Sonne<br />

scheint vom makellos blauen Himmel. Eng windet sich ein Fluss durch die von<br />

steilen Klippen gesäumte Gorge du Aganti. Am Ende weitet sich die Schlucht in eine<br />

beeindruckende Szenerie. Mustafa zeigt auf die Felswände auf der gegenüberliegenden<br />

Talseite: Viereckige Öffnungen im Fels markieren die Eingänge zu Höhlenwohnungen.<br />

»Es ist noch gar nicht so lange her, dass darin Menschen gelebt<br />

haben«, erklärt er.<br />

Den Zauber aus Tausendundeiner Nacht vollenden Mohamad und Mustafa am<br />

letzten Tag. Sie entführen Lena und Flo nach einer Autofahrt auf eine Wanderung<br />

in die Dünen bei Zagora. Bald sind die Beine müde und beide glücklich, als sie sich<br />

in den Kamelsattel schwingen dürfen. Als der Mond aufgeht, erzählt Mohamad von<br />

früher. Hier ist er aufgewachsen. Und hier findet jedes Jahr der legendäre Wüstenlauf<br />

Marathon des Sables statt – rund 250 Kilometer in sechs Etappen. »Wir sind<br />

als Kinder immer viel gelaufen«, erzählt Mohamad mit leuchtenden Augen, »oft<br />

hinter Ziegen und Schafen her.« Er und sein Bruder Lahcen rannten beim Marathon<br />

des Sables oft lange Strecken nebenher und wunderten dann über die Langsamkeit<br />

der anderen Athleten. Irgendwann<br />

durften die beiden<br />

Wüstenfüchse dann selbst an<br />

<br />

dem Rennen teilnehmen. Und<br />

sie liefen tatsächlich schneller<br />

als alle anderen. Mohamad<br />

hat den Wüstenmarathon viermal,<br />

Lahcen gar zehnmal gewonnen<br />

... Aber das ist ein anderes<br />

Outdoor-Abenteuer aus<br />

dem Märchenland Marokko.<br />

Text und Fotos: Christian Penning<br />

KEA 5.000 mAh Power Station<br />

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RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

FOTO Stefan Bode<br />

FOTO Martin Supplie FOTO Martin Supplie<br />

FOTO Grant Gunderson / McNett<br />

BESSERWISSER: reparieren und improvisieren auf Tour<br />

HILFE ZUR SELBSTHILFE<br />

Hochwertige Outdoor-Ausrüstung ist in der Regel sehr robust, hart im Nehmen und einfach in der Bedienung. Aber jede<br />

Regel hat ihre Ausnahme. Ob patagonischer Sturm, menschliches Versagen, schlummernder Verschleiß oder einfach<br />

Montagsmodell – manchmal geht’s daneben. Doch was tun, wenn die Ausrüstung unterwegs Schaden nimmt? RAUSZEIT<br />

gibt Hilfestellung zur Selbsthilfe.<br />

So lange war sie geplant, die Reise in die Karpaten, so<br />

groß die Vorfreude. Endlich weit weg von Leuchtreklamen,<br />

übervölkerten Wanderwegen und ständiger Konsumbereitschaft.<br />

Und dann das: Eine Karpaten-Kuh liegt<br />

auf dem Zelt! Das Ergebnis: Gestängebruch, Zeltstoff<br />

gerissen ... Zugegeben, ein Extremfall an Ausrüstungsdefekten,<br />

aber beruhend auf einer wahren Begebenheit.<br />

Doch auch schon wesentlich geringere Schäden an notwendigen<br />

Outdoor-Utensilien können einem die Tour<br />

vermasseln – oder einen ernsthaft in Bedrängnis bringen.<br />

Fällt z. B. der Kocher in abgelegenen und/oder kalten<br />

Situationen aus, hört der Spaß ziemlich schnell auf.<br />

Eine der wichtigsten Gegenmaßnahmen beginnt deshalb<br />

bereits zu Hause bei der Reiseplanung. Mögliche auftretende<br />

Defekte sollten im Vorfeld im Kopf durchgespielt<br />

werden. Und vielleicht packt man bei entlegenen Abenteuern<br />

lieber die einfach zu reparierende »Lowtech«-<br />

Variante als das hochkomplexe Technikspielzeug ein. Im<br />

Englischen gibt es treffende Adjektive, um den Ausfall-<br />

Handlungsspielraum von Dingen und Systemen zu beschreiben:<br />

»fail-safe«, was so viel bedeutet wie »trotz<br />

Fehler sicher«, steht gegen »fail-proof«, was quasi jeglichen<br />

Defekt ausschließt. Gut wäre sicher auch die Produkteigenschaft<br />

»fool-proof«, auf Deutsch: idiotensicher.<br />

Denn dadurch ließen sich einige der populärsten Defekte<br />

bei der Nutzung von Outdoor-Ausrüstung ausschließen.<br />

Zelt-Hilfe<br />

Wie etwa der Gestängebruch beim Zelten. Oft passiert er<br />

schon beim Aufbau, indem die Hülsen nicht sauber aufeinanderstecken<br />

und in dem Zustand abgespannt werden.<br />

In jedem Fall sollte man auf Tour (mindestens) eine<br />

Reparaturhülse und ein Ersatzgestängesegment<br />

mitführen. Die Anwendung ist weitgehend<br />

selbsterklärend: das gebrochene Ende<br />

mit einer kleinen Zange oder einem<br />

Stein ausrichten, Hülse drüber,<br />

mit Klebeband fixieren, fertig.<br />

Trickreich wird es, wenn man<br />

derlei Hilfsgegenstände<br />

nicht dabei hat. Dann<br />

kann man versuchen, das gebrochene Segment von außen<br />

mit einem frischen, biegsamen Zweig und Tape zu »schienen«.<br />

Aber Achtung: Der Gewebetunnel darf durch den<br />

dickeren Gestängebogen nicht beschädigt werden! Für<br />

Reparaturen des Zeltstoffes ist eine effiziente »Klebehilfe«<br />

die einzig funktionierende Lösung. Ein kurzer Riss<br />

oder ein kleines Loch (z. B. durch Funkenflug) kann je nach<br />

Außenzeltmaterial mit den Funktionsklebstoffen »Seamgrip«<br />

oder »Silnet« repariert werden. Größere Risse lassen<br />

sich z. B. mit einem Streifen »Tear-Aid-Patch Type A«<br />

kleben. Das Outdoor-Allzweckmittel Duct-Tape, bisweilen<br />

auch Panzerband genannt, funktioniert kurzzeitig, ist<br />

aber keine längerfristige Lösung. Die Klebeflicken sollten<br />

an den Ecken abgerundet werden und auf jeder Seite den<br />

Riss um mindestens drei Zentimeter ü berlappen. Wichtig<br />

ist, dass die betroffenen Flächen sauber und fettfrei sind –<br />

am besten mit Alkohol reinigen. Und für die Wintercamper<br />

gilt: SeamGrip anwärmen, Flicken mit Kleber einschmieren,<br />

aufbringen und mit einem Becher warmen Wassers<br />

beschweren. Dabei aber immer ein Tuch zwischen Becher<br />

und Flicken legen. Ein populäres Zelten-Phänomen<br />

ist der Verlust von Heringen. Abhilfe schaffen feste Äste<br />

oder Eispickel – oder ein Platz mit Bäumen oder Steinen<br />

zum Festbinden. Auf Sand oder Schnee können befüllte<br />

Packsäcke, Socken oder in T-Form angelegte Hölzer eingegraben<br />

werden. Auch hart gepresste Schneebälle, mit<br />

Zeltleine umwickelt, können im Notfall funktionieren.<br />

Rucksack-Notfälle<br />

Klassische »Sollbruchstellen« bei Rucksäcken sind<br />

Steckschließen und Reißverschlüsse. Entsprechend<br />

sollten Universalsteckschließen, wie z. B. »Field Repair<br />

Buckles«, als Ersatz mitgeführt werden. Sie haben anstelle<br />

eines festen Stegs eine Schraube an dem fixierten<br />

Ende der Schließe, so erspart man sich das Nähen.<br />

Komplette Stoffrisse sind dagegen extrem selten. Allerdings<br />

schätzen es die Schulterträger eines Rucksacks<br />

nicht, wenn dieser gnadenlos überladen ist, besonders<br />

bei wildem Zerren an nur einem Träger. Muss genäht<br />

oder genietet werden, ist oft eine Ahle oder auch ein<br />

Korkenzieher notwendig, um kleine Löcher vorzubereiten.<br />

Mit Zange – z. B. am Multitool –, Nadel und Zahnseide<br />

lassen sich Risse passabel schließen. Tragende<br />

Elemente können mit Schlagnieten per – falls zur Hand<br />

– Hammer oder Stein fixiert werden.<br />

Wenn die Schlappen schlapp machen<br />

Wirklich ernsthafte Defekte bei Schuhen sind extrem<br />

selten. Wenn sie allerdings geschehen, gibt es kaum<br />

Möglichkeiten, auf Tour tatsächlich zu reparieren – in der<br />

Regel muss improvisiert werden, was den Gehkomfort<br />

und die Sicherheit stark beeinträchtigt. Deshalb empfiehlt<br />

es sich, die Schuhe vor der Tour im Fachgeschäft<br />

prüfen zu lassen. Geschulte, erfahrene Spezialisten kontrollieren<br />

die essenziellen Bauteile. Somit erspart man<br />

sich böse und in der Folge unbequeme Überraschungen.<br />

Kommt es tatsächlich zu einem Schuhdefekt auf Tour,<br />

ist die beste Antwort: ein Ersatzschuh. Nein, natürlich<br />

sollte man kein zweites Paar Trekkingschuhe in den<br />

Rucksack werfen. Aber ein paar leichte Sandalen, z. B.<br />

Tevas, tragen einen im Notfall zumindest in die nächste<br />

menschliche Siedlung. Und dort wiederum ist die Wahrscheinlichkeit<br />

nicht gering, dass jemand helfen kann.<br />

Dem Klassiker – gerissene Schnürsenkel – kann man<br />

einfach durch Ersatzsenkel oder im Notfall eine dünne<br />

Reepschnur beheben. In Ausnahmefällen löst sich bei älteren<br />

Schuhen (7 Jahre oder älter) manchmal die Sohle.<br />

Unterwegs bleibt dann meist nur die Kurzzeitlösung, die<br />

Sohle mittels Tape, Reepschnur oder Kabelbinder zumindest<br />

für eine Weile am »Restschuh« zu fixieren.<br />

Küche bleibt kalt<br />

Wenn der Kocher streikt, muss im besten Fall länger gekaut<br />

werden. Im schlechten Fall, v. a. bei Wintertouren,<br />

kann dies ernsthafte Konsequenzen haben. Die Wahl des<br />

richtigen Kochers für die anstehende Tour ist deshalb<br />

ein Spagat aus unkomplizierter Technik, Verfügbarkeit<br />

von Brennstoff und Erreichbarkeit von Fremdhilfe. Keine<br />

leichte Entscheidung, denn Multifuel-Brenner sind zwar<br />

– im Vergleich zu Gas- und Spirituskochern – etwas komplexer<br />

aufgebaut, allerdings erhält man deren Brenn-<br />

18


AUSRÜSTUNGS-REPARATURBAUKASTEN<br />

Einen großen Reparaturbaukasten stellt man sich am besten für zu Hause zusammen<br />

– und wählt dann je nach Tour und Transportmöglichkeiten die essenziellen Bestandteile<br />

aus. Beratung gibt es im Fachhandel, fündig wird man dort und im Baumarkt:<br />

• Zange (in gutem Multitool integriert)<br />

• dünnes, aber festes Garn, Zahnseide, Reepschnur (2 mm, mind. 10 Meter)<br />

• Duct-Tape, Kabelbinder, Draht, Hohl- und andere Nieten, Nähzeug, Ahle<br />

• SeamGrip oder Silnet (je nach Zeltmaterial)<br />

• Tear-Aid-Patch Type A (Canvas, Nylon, Rubber, Plastic), Type B (Vinyl, PVC)<br />

• Reparaturhülse, Ersatzsegment für Zeltgestänge<br />

• Ersatz-Steckschließen, z. B. »Field Repair Buckle«<br />

• »ZlideOn« oder/und »FixnZip« Ersatz-Reißverschlussschlitten<br />

(Größen vorher prüfen)<br />

• kräftige D-Ringe, Schäkel (Segelbedarf), Schlüsselringe<br />

• Düsennadel, Düse, Dichtungen, Pumpenlederöl, Kriechöl, Backpulver<br />

• ggf. Dichtringe f. Kocher und Trinkflaschen<br />

• andere Kleinteile wie Ersatz-Hosenknöpfe, Sicherheitsklammern<br />

Hilleberg –<br />

ein Zelt für jede Tour<br />

und Jahreszeit!<br />

Hilfreiche Anwendungstipps unter<br />

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stoffe weltweit nahezu überall. Insofern sind sie für Reisen in ferne Länder und für<br />

Weltenbummler oft die bessere Wahl. Schwachpunkte können verstopfte Düsen, trockenes<br />

Pumpenleder oder verunreinigte Generatoren sein. Dichte Düsen lassen sich in<br />

der Regel mit der im Lieferumfang enthaltenen Düsennadel »freischaufeln«. Um das<br />

Pumpenleder wieder geschmeidig zu machen, verwendet man bestenfalls ein spezielles,<br />

im Fachhandel erhältliches Pumpenlederöl, zur Not – etwa auf Tour – geht auch<br />

Speiseöl. Verrußte Generatoren und Leitungen kann man ziemlich gut mit in warmem<br />

Wasser gelöstem Backpulver (Achtung, intensive Reaktion!) beheben. Unterwegs hilft<br />

auch ein Bad in einem nahezu weltweit erhältlichen, koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk,<br />

da die enthaltene Phosphorsäure so ziemlich alles auflöst ... Zwei Dinge sind bei<br />

dieser Notlösung wichtig: Zum einen darf man die Teile nicht zu lange in dem schwarzen<br />

Softdrink liegenlassen, da ansonsten das Zink an den Lötstellen gelöst wird. Zum<br />

anderen sollte nachher ordentlich mit Essigwasser gespült werden, denn Zucker und<br />

Hitze ergibt zwar auf dem Jahrmarkt eine leckere Mischung, im Kocher will man das<br />

Ergebnis aber lieber nicht haben. Defekte an reinen Gaskochern sind äußerst selten,<br />

höchstens eine verstopfte Düse. Und Spirituskocher, wie der Trangia, sind quasi unkaputtbar<br />

– außer man tritt drauf oder der Rucksack fällt vom Dach des Busses auf die<br />

Stelle, an der der Kocher liegt ... Ihre einzige Schwachstelle ist das Dichtungsgummi<br />

der Verschlusskappe, was aber maximal für Spiritusdampf im Rucksack sorgt.<br />

Matte Matten und schlüpfrige Schlafsäcke<br />

Ausfälle bei Isomatten und Schlafsäcken münden oft in unbequemen und durchzitterten<br />

Nächten. Deshalb die oberste Regel: Diese beiden Ausrüstungsgegenstände müssen<br />

wohlbehütet sein auf Tour. Bei selbst aufblasenden und aufblasbaren Unterlagen<br />

heißt das Zauberwort Prophylaxe. Generell mögen diese Matten übermäßige Wärme<br />

nicht besonders, was im Resultat zu Delamination und mitunter zu regelrecht kaputt<br />

gesprengten Exemplaren führt. Sowohl zu Hause als auch tagsüber auf Tour im Zelt<br />

muss die Matte zwingend mit offenem Ventil gelagert werden. Auch mit fliegenden Lagerfeuerfunken<br />

stehen jegliche luftunterstützten Schlafstätten auf Kriegsfuß. Löcher<br />

lassen sich mit den oben beschriebenen bzw. den im Lieferumfang enthaltenen Klebeflicken<br />

stopfen. Dafür die Flächen säubern und möglichst fettfrei machen, Kleber<br />

dünn auftragen, leicht antrocknen lassen, Flicken drauf und leichten Druck ausüben.<br />

Kaputte Ventile sind echte Not-OPs für Geübte, weil man beim Wechsel auch ziemlich<br />

viel falsch machen kann. Auch hier gilt: vor längeren Touren am besten die Matte vorher<br />

vom Fachhändler prüfen lassen. Wer wirklich auf Nummer sicher gehen will, greift<br />

zur Evazote-Schaumstoffmatte. Die hat zwar ein deutlich größeres Packmaß und ist<br />

weniger bequem, dafür aber sowohl nahezu »fail-proof« als auch »fool-proof«.<br />

Bei Schlafsäcken gelten wie für sämtliche Ausrüstungsgegenstände aus Stoff die<br />

gleichen Notfall-Reparaturhinweise wie bei Zelt- und Rucksackstoffen (und auch<br />

Jacken, Hosen …): je nach Art und Belastung nähen und/oder kleben. Beim Kleben<br />

von Rissen in der Schlafsackhülle ist allerdings besonders darauf zu achten, dass<br />

Innen- und Außenhülle nicht aneinanderhaften, da sonst Kältebrücken entstehen.<br />

Übung macht den Meister<br />

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Das stabile, komfortable und bemerkenswert<br />

leichte Ganzjahreszelt in unserer black label<br />

Kategorie. Ein vielseitiger Allrounder, wenn es auf<br />

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seit über 40 jahren fertigt Hilleberg Zelte in höchster<br />

Qualität. Konzipiert und entwickelt in Nordschweden,<br />

bieten unsere Zelte die ideale Balance aus niedrigem<br />

Gewicht, absoluter Stärke und hohem Komfort. Bestelle<br />

unseren Katalog für weitere Informationen!<br />

Ähnlich der Ersten Hilfe bei Human-Unfällen sollten Ausrüstungsreparaturen<br />

– sofern möglich – zuerst zu Hause<br />

geübt werden. Denn wer sich auf Mike Horns Spuren begibt,<br />

tut dies mit ein bisschen MacGyver-Wissen gelassener.<br />

Das erhöht nicht nur das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten<br />

und die Abenteuerlust, sondern auch Komfort<br />

und Sicherheit, wenn wirklich mal ein Ausrüstungsteil<br />

seinen Dienst verweigert.<br />

Text: Martin Supplie<br />

Mehr Informationen unter<br />

HILLEBERG.COM<br />

+ 46 (0)63 57 15 50<br />

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RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

EINBLICK: Icebreaker<br />

VÖLLIG VON DER WOLLE<br />

1995 trat ein 24-jähriger Neuseeländer an, um der Outdoor-Gemeinde T-Shirts zu verkaufen – aus Wolle. 20 Jahre und<br />

zahllose Aha-Erlebnisse später hat Jeremy Moon mit den Produkten seiner Marke »Icebreaker« die Welt längst überzeugt,<br />

dass Merinowolle unser Leben bereichert: mit mehr Komfort, weniger Waschgängen und engeren Freundschaften.<br />

Ein wenig kann man das Misstrauen sogar nachvollziehen.<br />

Jeder, der eine Oma hatte (und das sind wohl die<br />

meisten), erhielt irgendwann einmal etwas aus Wolle<br />

geschenkt. Mit sehr viel Liebe selbst gestrickt, doch<br />

leider: kratzig ohne Ende. Und nun soll man Unterwäsche<br />

aus Wolle tragen? Direkt auf der Haut? Ein Hemd<br />

für den ganzen Trip? Wenn Verkäufer den Kunden das<br />

erste Mal die Vorteile von Merinowolle erklären, ernten<br />

sie nicht immer gleich Begeisterungsstürme. Zu<br />

tief wurzelt das Misstrauen gegenüber Wolle in den<br />

Köpfen. Der Enthusiasmus lässt aber meist nicht lange<br />

auf sich warten. Oft per E-Mail oder Postkarte: »Danke<br />

nochmal – zwei Shirts auf der gesamten Tour und<br />

trotzdem sind mein Reisepartner und ich noch Freunde<br />

...« Am häufigsten aber persönlich im Laden. Mit diesem<br />

Blick, der sofort verrät, dass da jemand seinen<br />

Icebreaker-Moment hatte, sich infiziert hat mit dem<br />

Merino-Virus. Fast sektenhaft breitet sich dieser aus:<br />

Partner, Freunde, die Schwiegermutter – alle werden<br />

sie Icebreaker-süchtig.<br />

Ohne diesen Mechanismus, diese einschneidenden<br />

Aha-Erlebnisse, gäbe es die Firma Icebreaker gar nicht,<br />

die sich seit 20 Jahren auf die Fahnen geschrieben hat,<br />

Naturliebhaber wieder in natürliche Kleidung zu stecken.<br />

Dabei wollte Jeremy Moon, der damals 24-jährige<br />

Gründer, eigentlich das Herz einer Frau erobern – und<br />

nicht sein Herz an Wolle verlieren. Doch deren Boss,<br />

ein Schaffarmer namens Brian Brackenridge aus der<br />

Region Marlborough, gab Moon ein T-Shirt, das er einfach<br />

nicht mehr ausziehen wollte. Weil es sich so prima<br />

anfühlte – und weil das Shirt partout nicht zu müffeln<br />

anfing, auch nach einer Woche noch nicht ...<br />

Merinowolle –<br />

ein Naturstoff erobert die Welt<br />

Farmer Brackenridge hielt auf seinen Weiden Merinoschafe,<br />

eine aus Spanien stammende Rasse, die bestens<br />

im rauen Klima des neuseeländischen Hochlandes<br />

zurechtkommt. Aus ihrer Wolle hatte er Hemden mit<br />

erstaunlichen Eigenschaften angefertigt: Zwischen den<br />

Kräuseln der nur 15 bis 24 Mikron (= Tausendstel Millimeter)<br />

feinen Merinofasern – normale Schurwolle hat<br />

30 bis 50 Mikron Dicke – hält sich eine Isolierschicht aus<br />

Luft. So wärmt die Wäsche, wenn es kalt ist, und kühlt,<br />

wenn es heiß ist. Ersteres tut sie auch noch, wenn sie<br />

feucht wird – das bleibt sie aber nie lange, weil sie sehr<br />

schnell trocknet. Zusammengefasst: Brackenridges<br />

Wäsche konnte es in allen Bereichen mit den damals<br />

allgegenwärtigen Synthetik-Leibchen aufnehmen. Mit<br />

einem entscheidenden Vorteil: Weil an den Wollfasern<br />

Bakterien schlecht haften, wirken sie im Gegensatz zur<br />

Kunstfaser geruchshemmend. Oder wie der Neuseeländer<br />

sagt: »With Merino, you don’t stink!« Und während<br />

Omas selbst gestrickte Pullis kratzten, waren die<br />

Merino-Shirts weich wie Seide. Allerdings interessierte<br />

dieses ganz natürliche Hightech-Produkt bis dahin<br />

niemanden. Vermutlich auch, weil Brackenridges erste<br />

Prototypen (im Gegensatz zu den Icebreaker-Teilen von<br />

heute) in Sachen Ästhetik noch Luft nach oben hatten ...<br />

Doch Jeremy Moon erkannte das Potenzial des Naturstoffes:<br />

Er kündigte seinen Job, flunkerte bei der Bank,<br />

dass er einen Kredit für eine neue Küche brauche – und<br />

startete seine Woll-Revolution.<br />

Allerdings: Still in seiner Ecke zu sitzen und zu warten,<br />

bis sich die Kunde von selbst verbreitet, wäre nicht<br />

Moons Art gewesen. Auch deshalb, weil Neuseeland der<br />

so ziemlich abgelegenste Fleck auf dem Planeten war.<br />

Nach vier Jahren wagt Icebreaker den Sprung nach Europa,<br />

der Chef fährt persönlich mit einem Kleinwagen<br />

voller Merino-Shirts von Händler zu Händler. Manche<br />

verstehen sofort, was für ein revolutionäres Produkt<br />

der Wuschelkopf mit den Huskey-Augen ihnen da zeigt,<br />

bei anderen dauert es etwas. Doch auch bei den Zweiflern<br />

bleiben die Icebreaker-Momente nicht aus. Eine<br />

Tour, ein Shirt – das überzeugt. Heute, 20 Jahre nach<br />

der Gründung, hat Icebreaker eine weltweite Fangemeinde.<br />

Eine Erfolgsstory, die viele staunen lässt – nur<br />

Jeremy Moon nicht. Denn der charismatische Neuseeländer<br />

strotzt nur so von Vertrauen in seine Garne. Und<br />

er hat überzeugende Argumente: Neben den körperlich<br />

spürbaren Aha-Effekten – Klimakomfort und Anti-Stink-Garantie<br />

– spricht eine ganz simple Tatsache<br />

für die Merinofasern: »Sie sind nicht aus Plastik«, sagt<br />

Moon knapp. Ein kurzer Satz nur, der aber viel Wirkung<br />

entfaltet, wenn man genauer darüber nachdenkt. Denn<br />

auch wenn es im Kunstfaserbereich viel Weiterentwicklung<br />

gab: Synthetik bleibt Synthetik. »Es macht<br />

einfach keinen Sinn, sich draußen zu bewegen, um der<br />

Natur näherzukommen und dabei Kunstfasern zu tragen«,<br />

meint der Merino-Pionier. Deshalb setzt er voll<br />

auf den im Wortsinne nachwachsenden Rohstoff Wolle.<br />

»Born in nature. Worn in nature.« lautet das Motto.<br />

Und dass Icebreaker seine Lieferanten – ausschließlich<br />

neuseeländische Farmer – verpflichtet, gänzlich<br />

auf Mulesing, das schmerzhafte, offene Beschneiden<br />

der Haut im Afterbereich der Schafe, zu verzichten, ist<br />

Ehrensache. Auch später beim Färben der Wolle werden<br />

nachweislich nur haut- und umweltverträgliche<br />

Mittel eingesetzt. Fast eine Million Merinos werden<br />

inzwischen exklusiv für Icebreaker geschoren. Um den<br />

derzeit 187 Farmern Planungssicherheit zu geben und<br />

sich selbst gleichbleibende Qualität zu sichern, werden<br />

langfristige Lieferverträge abgeschlossen.<br />

Kiwi-Humor als Markenzeichen<br />

Aber nicht nur die Merino-Produkte wollen Moon &<br />

Co. über den großen Teich bringen, auch ihre neuseeländische<br />

Lebenseinstellung. Und die ist geprägt von<br />

Lockerheit, Freundlichkeit – und viiieeel Kiwi-Humor.<br />

»Wir sind sicher unkonventionell«, erzählt Martina<br />

Weidel, die Marketingleiterin von Icebreaker Deutschland.<br />

»Auch wenn die Arbeit an unseren Produkten na-<br />

20


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

türlich im Vordergrund steht, sind die Meetings oft ein<br />

großer Spaß für alle.« Diese Unternehmenskultur trägt<br />

Icebreaker auch nach außen. Und so zeigt die Marke in<br />

ihrer Werbung mal brennende Ölquellen, um mit dem<br />

Schockeffekt darauf hinzuweisen, woraus Kunstfasern<br />

letztendlich gemacht sind. Ein anderes Mal geht es in<br />

die künstlerische Richtung, dann entführen »Merino-<br />

Mutanten« nackte Frauen in die Wildnis. Und noch öfter<br />

spielen die Neuseeländer mit ihrem landestypischen<br />

Humor: Schaubilder, die anhand eines mächtigen Bocks<br />

zeigen, wo genau Mensch und Schaf nicht stinken, wenn<br />

sie Merino tragen, und welche Bestandteile – auch im<br />

Sinne der Männlichkeit – beim Waschen nicht einlaufen<br />

... Irgendwann verkünden sie, ägyptische Wissenschaftler<br />

hätten herausgefunden, dass Ratten in Merino-Unterhosen<br />

deutlich mehr Sex hätten als solche mit<br />

Kunstfaser-Shorts. Und als 2004 das vor Jahren ausgebüchste<br />

Merinoschaf »Shrek«, das wegen des ausgebliebenen<br />

Scherens eher wie ein riesiger Blumenkohl<br />

aussah, in einer Höhle entdeckt wurde, spendierte Icebreaker<br />

diesem neuseeländischen Nationalhelden ein<br />

neues Merino-Kleid – nachdem es live im TV von seinen<br />

27 Kilogramm Wolle befreit wurde.<br />

Von der Unterwäsche zur<br />

Komplett-Bekleidung<br />

Trotz der weltweiten Beliebtheit ihrer Merinowolle haben<br />

die Neuseeländer einen wichtigen Spagat gemeistert:<br />

einerseits viele neue spannende Produkte zu entwickeln<br />

und andererseits authentisch und »typisch Icebreaker«<br />

zu bleiben. Denn aufgeschreckt vom vehementen Erfolg<br />

der Neuseeländer spinnen – im wahrsten Wortsinne<br />

– inzwischen auch fast alle anderen Hersteller den<br />

Merinofaden weiter, um auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen.<br />

Aus dem Nischenprodukt ist eine eigene<br />

Produktkategorie geworden: Funktionsbekleidung<br />

aus Merinowolle. Trotzdem: Bei Icebreaker bleibt<br />

man neuseeländisch locker. Gründer Jeremy<br />

Moon ist immer noch mittendrin und für jeden<br />

Mitarbeiter ansprechbar. Das mache es<br />

ja erst möglich, dass aus verrückten Ideen<br />

Wirklichkeit werde, erklärt Moon. So fertigen<br />

die Kiwis mittlerweile sogar Softshell- und<br />

wattierte Isolationsjacken aus Merinowolle.<br />

Und mit dezent-lässigen Kapuzenpullis und<br />

einer Yoga-Linie sind die Funktionsteile auch<br />

in der Stadt und im Alltag der Menschen<br />

angekommen. Was sich in »freier Wildbahn«<br />

angenehm trägt, macht auch jenseits von Outdoor-Akti-<br />

vitäten Spaß. Manchem mögen die samtigen Teile teuer<br />

erscheinen. Aber wer gegenrechnet, wie viele Waschgänge<br />

und Gepäckstücke auf Urlaubsreisen eingespart<br />

werden können, der wird erkennen, wie schnell sich die<br />

Investition amortisiert haben wird.<br />

Auch wenn unsere Welt sich immer schneller dreht,<br />

im abgelegensten Winkel der Erde, dem Hochland<br />

Neuseelands, da geht alles seinen gewohnten,<br />

alten Gang. Die Merinoschafe springen<br />

durch die Berge, fressen Gras und lassen<br />

ihre feine Wolle wachsen. Icebreaker hat<br />

die Outdoor-Welt verändert. Und je mehr<br />

Aha-Erlebnisse, desto weniger »Anstrengungs-Aroma«<br />

wird es auf engen Hütten<br />

und in Zelten geben. Rucksack- und Reisetaschengrößen<br />

werden schrumpfen. Und<br />

die Menschheit wird – positiv olfaktorisch<br />

bedingt – näher zusammenrücken. Was<br />

für eine schöne Vorstellung!<br />

Text: Moritz Baumstieger<br />

Fotos: Icebreaker<br />

21


RAUSZEIT Winter 2014/<strong>2015</strong> <strong>2015</strong>/2016<br />

NACHGEFRAGT: Cecilie Skog<br />

DIE OUTDOOR-ELFE<br />

Wilde Schönheit – Lockenmähne<br />

und eisblaue Augen.<br />

2006 – am Nordpol mit ihrem am<br />

K2 verunglückten Mann Rolf Bae.<br />

Sie bestieg als erste Frau der Welt die »Seven Summits«, die höchsten Gipfel aller sieben Kontinente. Erreichte in<br />

monatelangen Expeditionen als erste Frau auf Ski den Nord- und Südpol. Sie musste mitansehen, wie ihr Mann Rolf Bae<br />

am K2 in den Tod stürzte. Die 41-jährige Norwegerin Cecilie Skog kennt die Höhen und Tiefen eines Abenteuerlebens und<br />

stellt sich jetzt ganz neuen Herausforderungen: als Mutter.<br />

Das eiskalte Wasser kriecht ihr den Rücken hinauf, vor<br />

Schreck vergisst sie zu atmen. Ihr Fuß samt Ski hat sich<br />

an der Eissscholle verklemmt, die gerade unter ihr weggebrochen<br />

ist. Bis zur Brust versinkt Cecilie Skog im Polarmeer,<br />

kann sich nicht bewegen. Erst nach elf Minuten<br />

schaffen es ihre Begleiter, sie aus dem Eismeer zu ziehen.<br />

Fast wäre ihre Geschichte hier vor neun Jahren zu<br />

Ende gewesen, 40 Kilometer entfernt vom nördlichsten<br />

Punkt der Erde. Aber eben nur fast.<br />

»Adrenalinkicks sind nicht das, was mich antreibt. Ich<br />

hasse es, Angst zu haben. In der Natur suche ich etwas<br />

ganz anderes: Ruhe, Energie – und mich selbst.« Das<br />

sagt eine 1,60 Meter kleine Frau, die auf Ski 48 Tage bis<br />

zum Nordpol stapfte, über berstende Eisschollen, und<br />

dabei immer wieder im Neoprenanzug durch mörderisch<br />

kaltes Wasser schwamm. Eine Frau, die ebenfalls<br />

per Ski die Antarktis durchquerte und mehrere Achttausender<br />

wie zum Beispiel den Shisha Pangma, den Lhotse<br />

und den Cho Oyu bestieg.<br />

Sitzt man Cecilie Skog gegenüber, kann man kaum<br />

glauben, dass in dieser zierlichen Person eine fast unmenschliche<br />

Kondition und mentale Stärke stecken. Sie<br />

nestelt am Blümchen-Einband ihres Tagebuchs, das sie<br />

immer bei sich trägt. Ihre Lockenmähne fällt perfekt, die<br />

riesigen blauen Augen funkeln über einem Lächeln, das<br />

jedes Männerherz zum Schmelzen bringt. Sie wirkt verträumt<br />

und vor allem: süß. Eine Outdoor-Elfe in einem<br />

Osloer Großstadt-Café, in einer Welt, die nicht die ihre ist.<br />

»Ich bin nicht sonderlich gut darin, ein normales Leben<br />

in der Zivilisation zu führen«, sagt die 41-Jährige<br />

nachdenklich. Sie vergesse Termine, komme zu spät,<br />

verliere bei ihrer Buchhaltung den Überblick. »Job,<br />

Haushalt, Familie, Meetings – wie um Himmels Willen<br />

schaffen andere Leute das?«, fragt sie lachend. Wenn<br />

man sie anblickt, ist klar: Eine hippe Szene-Bar ist tatsächlich<br />

nicht ihr Element. Ihre Augen sind wie ein Spiegel<br />

aller schneebedeckten Gipfel und Sonnenuntergänge,<br />

die sie je gesehen hat. Cecilie gehört hinaus, weit<br />

weg – in die einsame Natur.<br />

Genau dort traf sie vor vielen Jahren jemanden, der<br />

mit der Zivilisation ebenso wenig anfangen konnte wie sie<br />

selbst. 2003 begegnete sie auf dem Gipfel des Elbrus, des<br />

höchsten kaukasischen Berges, einem vollbärtigen Mann,<br />

der ihre Sprache sprach – dem norwegischen Bergsteiger<br />

Rolf Bae. »Wir waren von Anfang an Seelenverwandte«,<br />

erzählt Cecilie. Bald unternahmen die beiden alle großen<br />

Expeditionen gemeinsam, 2007 heirateten sie. »Die Natur<br />

war für uns beide der einzige Ort, an dem wir die Glücksmomente<br />

fanden, die wir suchten«, sagt Cecilie. »Das<br />

vollkommene Leben im Hier und Jetzt.«<br />

Schon als Kind kraxelte sie in den Ferien am liebsten<br />

in den Sunnmøre Alps, einem Gebirgszug in der Nähe<br />

ihres Heimatortes Ǻlesund. Nach ihrer Ausbildung zur<br />

Krankenschwester, mit Anfang 20, arbeitete sie nur im<br />

Winter im Krankenhaus, im Sommer jobbte sie als Gletscherführerin.<br />

Und während andere samstags durch die<br />

Clubs zogen, brütete sie zu Hause über Karten vom Himalaya.<br />

Acht Jahre später stand sie selbst auf dem Gipfel<br />

des Mount Everest. Doch einer ihrer größten Träume war<br />

der K2.<br />

Der Berg auf der Grenze zwischen Pakistan und China<br />

gilt als technisch schwierigster Achttausender. Gut<br />

ein Jahr nach ihrer Hochzeit wagten Cecilie und Rolf den<br />

Aufstieg. Sie erreichte den 8.611 Meter hohen Gipfel, Rolf<br />

wartete einige Hundert Meter weiter unten. Er hatte sich<br />

nicht wohl gefühlt in der »Todeszone«, der Region über<br />

7.500 Metern, in der Körper und Psyche stark auf den<br />

Sauerstoffmangel reagieren. Beim gemeinsamen Abstieg<br />

geschah die Tragödie: Eine Eislawine löste sich, riss<br />

Rolf in den Tod, mit nur 33 Jahren. Cecilies Mutter dachte<br />

damals: Jetzt versteht sie endlich die Gefahr. Jetzt hört<br />

sie auf. »Aber gerade das hätte mich in das tiefste Loch<br />

gezogen«, sagt Cecilie rückblickend. »Ich brauchte einen<br />

Grund, jeden Morgen aufzustehen.« Regelmäßiges<br />

Training, neue Pläne und Ziele – das waren Cecilies Rettungsanker.<br />

Und: der Südpol. Gemeinsam mit Rolf war<br />

sie im Jahr vor dem Unglück auf Ski zum Südpol gelaufen.<br />

»In der endlosen Weite wollte ich mich den Erinnerungen<br />

und dem Schmerz ganz bewusst stellen«, erzählt<br />

sie. Und so durchquerte die damals 36-Jährige zusammen<br />

mit dem befreundeten Amerikaner Ryan Waters die<br />

Antarktis, by fair means: Auf Ski, ohne Nahrungsmitteldepots<br />

und ohne beschleunigende Hilfsmittel wie Snow-<br />

Kites, legten sie in 70 Tagen mehr als 1.800 Kilometer<br />

zurück. Cecilie zog allein eine 135-Kilo-Pulka. Dass die<br />

beiden die ersten Menschen waren, denen eine Expedition<br />

unter diesen Umständen gelang, bedeutet der Norwegerin<br />

allerdings nichts. »Für mich war diese Expedition<br />

einfach nur eine überlebenswichtige Therapie.«<br />

Trotz ihrer Liebe zu den besonders abgelegenen Orten<br />

dieser Welt beschloss Cecilie vor drei Jahren, zumindest<br />

das Höhenbergsteigen aufzugeben. Auch ihren Eltern und<br />

Freunden zuliebe. Für eine Fernsehshow durchquerte sie<br />

2014 noch einmal Grönland, gemeinsam mit dem norwegischen<br />

Komiker Truls Svendsen. Doch kurz vor der<br />

Abreise stellte sie fest, dass noch eine ganz andere Herausforderung<br />

auf sie wartete: Sie war im dritten Monat<br />

schwanger. Im Dezember letzten Jahres brachte sie ihre<br />

Tochter Vilja zur Welt. Der Vater ist ihr Verlobter Aleksander<br />

Gamme, ebenfalls Expeditionsleiter und Bergsteiger.<br />

»Unsere gemeinsamen Abenteuer als Familie sind kleiner<br />

geworden, aber ich genieße sie sehr«, sagt Cecilie lächelnd.<br />

Wann immer es geht, nehmen sie Vilja mit in den<br />

Klettergarten, sie schläft am Wandfuß in der Hängematte.<br />

Vor Kurzem lief Cecilie einen Marathon – mit ihrer Tochter<br />

im Sportkinderwagen. Ob die Kleine wohl einmal in die<br />

großen Fußstapfen ihrer Mutter treten wird? Ihr Name<br />

lässt jedoch einiges vermuten: Vilja bedeutet »der Wille«.<br />

Text: Mila Hanke<br />

Fotos: Cecilie Skog, Bergans<br />

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ISOLIERT<br />

V O M A L L T A G<br />

2006 – Schwerstarbeit: mit<br />

der Pulka über Packeis-Berge.<br />

Die nächste Herausforderung: ihre<br />

Tochter Vilja im Alter von 5 Monaten.<br />

2011 – auf dem Weg zum Nordpol.<br />

10 Fragen an Cecilie Skog:<br />

Glaubst du an Schicksal und wenn ja, warum?<br />

Wenn schöne Dinge passieren, bin ich dankbar und frage mich schon manchmal,<br />

ob das Schicksal seine Hände im Spiel hatte. Aber wenn schlimme Dinge passieren,<br />

will ich nicht glauben, dass es »sein sollte«.<br />

Bitte vervollständige folgenden Satz: Ein Abenteuer ist, …<br />

... die Natur besonders intensiv zu erleben. Ich hoffe, dass sich durch solche Erfahrungen<br />

immer mehr Menschen in ihre Schönheit verlieben und sie schützen wollen.<br />

Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du unterwegs nicht verzichten?<br />

Auf mein Tagebuch.<br />

Was hat dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht?<br />

Lawinen und Steinschlag.<br />

Wer war der beeindruckendste Mensch, den du je kennengelernt hast, und warum?<br />

Meine Großmutter. Sie hat auf jeden um sie herum aufgepasst – obwohl sie blind war.<br />

Was hast du im Leben wirklich Relevantes gelernt?<br />

Folge deinen Träumen.<br />

Was ist Glück für dich?<br />

Zeit mit meinem Verlobten Aleksander Gamme, meiner Tochter Vilja und meinen<br />

Freunden zu verbingen. Klettern. Und mir immer wieder kleine oder große Ziele<br />

zu setzen, auf die ich hinarbeiten kann.<br />

Was für einen Kindheitstraum hast du dir erfüllt?<br />

Krankenschwester zu werden und anderen Menschen dabei helfen zu können,<br />

gesund zu werden.<br />

Photo: Florian Mayerhoffer Location: Stuttgart<br />

Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt?<br />

Materieller Besitz aller Art. Mein Ziel ist, mich von allen<br />

Gegenständen zu trennen, die ich nicht wirklich brauche.<br />

Weniger zu besitzen, bedeutet für mich Freiheit.<br />

Women’s Zanskar Coat<br />

Kleine Abenteuer liegen direkt vor Deiner Haustüre, ganz ohne weite<br />

Wege - jederzeit. Unser Zanskar Coat ist Dein „All-Zweck-Schutz” für kalte<br />

Wintertage, mit weichem Innenfleece und umweltfreundlich hergestellt.<br />

Der perfekte Begleiter für Dein Feierabenteuer. vaude.com<br />

Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten?<br />

Ich habe sie gerade geschrieben. Der Titel lautet:<br />

»Et friluftsliv« – »Ein Outdoor-Leben«<br />

(direkt übersetzt: ein Freiluft-Leben).


RAUSZEIT Winter <strong>2015</strong>/2016<br />

FOTO Fjällräven<br />

LIEBESERKLÄRUNG<br />

»WER DIE KOSTBARKEIT DES AUGENBLICKS<br />

ENTDECKT, FINDET DAS GLÜCK DES ALLTAGS.«<br />

( ADELBERT STIFTER )<br />

Liebe auf den ersten Blick? Nein, ich gebe es zu, das war<br />

es nicht. Meine Zuneigung kam mit der Erkenntnis. Doch<br />

zurück zum Anfang: Meine Beziehung mit dem »Övik Down<br />

Skirt« begann vor etwa drei Jahren. Es war einer dieser<br />

»Jahrhundertwinter«, wie die Medien sagen. Für mich als<br />

kälteempfindlichste Person im Freundeskreis war bis zu<br />

diesem Tag jeder Winter ein Jahrhundertwinter, nämlich<br />

eine physiologische Katastrophe. Genussvolles Wandern<br />

im Winter-Wonderland? Nicht erwünscht, weil »Genuss«<br />

nicht möglich. Das Warten am Bahnsteig, wenn verspätete<br />

Züge an Geduld und Körperkerntemperatur zerren.<br />

Noch einmal kurz mit dem Hund raus an Abenden, wenn<br />

das Thermometer gefühlt dreistellig im Minusbereich lag<br />

– unerträglich! Tausend Jacken übereinander hätte ich<br />

mir gewünscht, zahlreich legte ich sie übereinander an –<br />

und trotzdem fror ich irgendwie. Von November bis Mitte<br />

März dem Erfrierungstod nahe, »Der Kälte und Unwissenheit<br />

erlegen« hätte wohl die Inschrift gelautet. Wäre mir<br />

nicht – gerade noch rechtzeitig – an diesem Jahrhundertwintertag<br />

der Övik-Rock begegnet. Schlicht, dezent und<br />

durchaus elegant für ein Kältekleidungsstück – so kam<br />

er daher. Als Empfehlung einer Freundin, die sich selbst<br />

als Frostbeule bezeichnet. Meine erste Reaktion? Skepsis!<br />

Wie sollte ein einfacher Rock mein Leiden lindern? Doch<br />

dieses Kleidungsstück wurde zu meiner Rettung. Unaufdringlich<br />

schmiegte er sich vom ersten Tag an mich. Und<br />

so plötzlich wie er in mein bis dahin trostloses Winterleben<br />

gekommen war, so schnell verschwanden mit ihm Zittern<br />

und Kälte. Denn die Daunen in seinem Inneren zeigen<br />

dem Winter einfach die kalte Schulter. Nun streife ich mir<br />

an frostigen Tagen einfach meinen Daunenrock über die<br />

Beine und halte mir so die Eiseskälte von meinem empfindlichen<br />

Allerwertesten fern. Öffne ich den seitlichen<br />

Reißverschluss, wird aus ihm mit einem Handgriff eine<br />

Decke – als Unterlage oder über den Schoß gelegt, damit<br />

sich noch eine zweite Frostbeule darunter kuscheln kann.<br />

Und das Beste: Er passt ganz leicht in meinen Rucksack<br />

oder meine Handtasche, zwischen Handy und Lunch-Box.<br />

Deshalb trage ich ihn nun immer bei oder an mir. Kalte<br />

Tage am Bahnhof oder nächtliche Weihnachtsmarktbesuche?<br />

Alles gut! Sogar das Fahrrad hole ich nach dem<br />

1. Dezember noch aus der Garage. Denn mein flauschiger<br />

Begleiter geht auch an sportlichen Tagen nicht im<br />

Weg um. Er umgibt mich bei allem, was ich im Freien<br />

tue. Er macht mein Leben wärmer.<br />

Und mein Herz. Mit dieser<br />

Erkenntnis verliebte ich mich<br />

in ihn – und gleichzeitig in den<br />

Winter. Seitdem sind wir drei<br />

unzertrennlich, der Winter, der<br />

Övik-Rock und ich.<br />

Stephanie Zeiffer<br />

PRODUKTINFORMATION/ FJÄLLRÄVEN ÖVIK DOWN SKIRT<br />

Kleines Teil, große Wirkung. Der »Övik Down Skirt« bietet dort kuscheligen Kälteschutz, wo Frauen ihn meist<br />

vermissen: am Po und an den Beinen. Einschränkungen? Mitnichten! Der große durchgehende Zwei-Wege-Reißverschluss<br />

auf der einen, ein kurzer Reißverschluss auf der anderen Seite und ein Dehneinsatz am Bund liefern<br />

volle Bewegungsfreiheit. Und da die isolierende Füllung von leichtem, aber robustem G-1000 ® Lite Gewebe umgeben<br />

ist, ist er erstaunlich hart im Nehmen. Schlüssel, Handy und Klimpergeld verschwinden in den zwei Einschubtaschen<br />

mit Reißverschluss. Oder Frau steckt einfach die Hände rein, denn dank feinster Daune kann man<br />

sie herrlich darin wärmen. Öffnet man den großen Reißverschluss ganz, verwandelt sich der Övik Down Skirt in<br />

eine flauschige Decke. Schlechtes Gewissen braucht man übrigens nicht zu haben: Fjällräven arbeitet nur mit<br />

ausgewählten Lieferanten und achtet sehr streng auf die ethisch und moralisch einwandfreie Daunenproduktion.<br />

Er kann also kommen, der nächste »Jahrhundertwinter« …<br />

Preis: 289,95 Euro<br />

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