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Titus Feuerfuchs heinz Weixelbraun<br />
Frau von Cypressenburg Gundula rapsch<br />
Emma, ihre Tochter alexandra maria nutz<br />
Constantia, die Kammerfrau katrin hauptmann<br />
Flora Baumscheer, Gärtnerin tamara stern<br />
Plutzerkern, Gärtnergehilfe Gernot piff<br />
Monsieur Marquis, Friseur Wolfgang pevestorf<br />
Spund, Bierversilberer Bruno Felix<br />
Notarius Falk michael schiemer<br />
Salome Pockerl julia jelinek<br />
regie Dirk Diekmann<br />
Bühne Gerhard Fresacher<br />
kostüme magda kropiunig<br />
musik ensemble plus<br />
Dramaturgie kai van maaren<br />
regieassistenz simon skina<br />
Licht arndt rössler<br />
technischer Leiter: rainer Wilde; Lehrlinge: marco kelemen,<br />
jan Wielan<strong>der</strong>; Leiter <strong>der</strong> Beleuchtung: arndt rössler; Beleuchter:<br />
simon Flatz; ton: andreas niedzwetzki; requisite: Lothar sonnweber;<br />
Bühnenmeister: robert mäser, tino machalett; Bühnentechnik:<br />
Werner matthis, Christopher Bourgeois, Werner pettinger;<br />
maske: susanne Lampert; Gar<strong>der</strong>obe: hannelore pegger; Werkstattleiter:<br />
thomas huber; Werkstatt: andreas Feurle, roland<br />
son<strong>der</strong>egger; Lehrling: maria Furtado-Bonenkamp; Bühnenmalerei:<br />
Leslie Bourgeois; Leiter <strong>der</strong> schnei<strong>der</strong>ei: Wilma seidl-William;<br />
schnei<strong>der</strong>in: Bettina henning.<br />
Was Wäre die Welt<br />
für eine Komödie,<br />
Wenn man Keine rolle<br />
darin spielen müsste.<br />
Denis Di<strong>der</strong>ot<br />
T www.landestheater.org<br />
Fotografie: marcel hagen<br />
<strong>der</strong> <strong>Talisman</strong><br />
von johann nepomuk nestroy komödie<br />
07
<strong>der</strong> mensch lebt durch<br />
den Kopf, <strong>der</strong> Kopf<br />
reicht ihm nicht aus<br />
Versuch es nur, Von<br />
deinem Kopf lebt<br />
höchstens eine laus.<br />
denn für dieses leben<br />
ist <strong>der</strong> mensch nicht<br />
schlau genug. niemals<br />
merKt er eben allen<br />
lug und trug.<br />
Premiere am 27. november 2009, 19.30 Uhr<br />
Vorarlberger landestheater, Grosses Haus<br />
Weitere aufführungen T 29/11, 02/12, 17/12, 18/12, 19/12, 31/12, 05/01<br />
Nestroy ist <strong>der</strong> erste deutsche Satiriker, in<br />
dem sich die sprache Gedanken macht über<br />
die Dinge. er erlöst die sprache vom starrkrampf,<br />
und sie wirft ihm für jede redensart<br />
einen Gedanken ab. Der satirische künstler<br />
steht am ende einer entwicklung, die sich<br />
<strong>der</strong> kunst versagt. er ist ihr produkt und<br />
ihr hoffnungsloses Gegenteil. er organisiert<br />
die Flucht des Geistes vor <strong>der</strong> menschheit,<br />
er ist die rückwärtskonzentrierung. nach<br />
ihm die sintflut. In den fünfzig jahren nach seinem tode hat <strong>der</strong><br />
Geist nestroys Dinge erlebt, die ihn zum Weiterleben ermutigen.<br />
er steht eingekeilt zwischen den Dickwänsten aller Berufe, hält<br />
monologe und lacht metaphysisch.<br />
karl kraus 1912<br />
Von <strong>der</strong> aufgabe, nestroy zu spielen<br />
Weit wesentlicher und überraschen<strong>der</strong>weise viel heikler als die<br />
Frage <strong>der</strong> Werktreue, ist die Frage nach dem rechten nestroy-stil.<br />
ernst krenek schrieb 1931 in einem aufsatz von <strong>der</strong> aufgabe ein<br />
Österreicher zu sein: „In <strong>der</strong> unfähigkeit, eine einzige diskutable<br />
nestroy-aufführung zustande zu bringen, mag <strong>der</strong> höllensturz<br />
ermessen werden, in den wir hinabgeschleu<strong>der</strong>t wurden.“<br />
seither sind gewiss, und nicht nur in Österreich, etliche diskutable<br />
nestroy-aufführungen zu registrieren gewesen, aber vermutlich<br />
keine einzige modell-aufführung. es gibt nestroy-regisseure, es<br />
gibt nestroy-Darsteller. Die nestroy-renaissance ist ein theatergeschichtliches<br />
phänomen erster ordnung, aber die Wie<strong>der</strong>gabe<br />
hat mit ihr nicht schritt gehalten. Immer noch wird nestroy (vor<br />
allem von den schauspielern) mit einem volkstümlichen Dramatiker<br />
verwechselt, immer noch hält man seine sprache für einen<br />
österreichischen Dialekt. es ist schwierig begreiflich zu machen,<br />
dass sich nestroy von anzensgruber o<strong>der</strong> thoma ebenso sehr<br />
unterscheidet wie die „hochzeit des Figaro“ vom „Weissen rössl“.<br />
nestroy selbst hat mit sechsunddreißig jahren die rolle des<br />
knaben Willibald (Die schlimmen Buben in <strong>der</strong> schule) für sich<br />
geschrieben und hat sie noch in seinem todesjahr gespielt. er<br />
hat gewiss nicht versucht, einen knaben überzeugend darzustellen.<br />
Zwischen ihm und dem publikum wurde ein einverständnis<br />
darüber hergestellt, dass an dem dünnen Faden <strong>der</strong> burlesken<br />
handlung etliche witzige erkenntnisse über die schule und an<strong>der</strong>e<br />
Gegenstände allgemeinen Interesses aufgereiht werden.<br />
„Der Mensch verfällt nach einigen Desperationsparoxysmen<br />
in eine ruhige Sarkasmus-Languissance, wo man über alles<br />
räsoniert und an<strong>der</strong>erseits wie<strong>der</strong> alles akzeptabel find’t.“<br />
(aus: Das Mädl aus <strong>der</strong> Vorstadt). allein dieses Beispiel (wie überhaupt<br />
nestroys orthographie) ist lehrreich und richtungsweisend.<br />
Die Figur gebraucht im oben genannten Beispiel ausdrücke und<br />
äußere Gedanken weit über dem „stand“. Doch schließt die Figur<br />
die tirade mit „find’t“ nicht mit „findet“.<br />
Immer wie<strong>der</strong> changieren nestroy-Figuren zwischen allgemeinem<br />
und Beson<strong>der</strong>em, zwischen gehobener und volkstümlicher<br />
sprache. Der Dialekt ist nicht die heimat <strong>der</strong> nestroy-Gestalten,<br />
son<strong>der</strong>n nur eine ihrer Facetten. alles Gemütliche, süßliche,<br />
kulinarische, verbindliche ist von Übel. Die Bie<strong>der</strong>meier-Idyllik ist<br />
bei nestroy zu untergraben, nicht anzustreben. nestroy ist das<br />
Gegenteil von weich.<br />
hans Weigel<br />
Ja, mach nur einen Plan<br />
Sei nur ein großes Licht!<br />
Und mach dann noch‚nen zweiten Plan<br />
Geh‘n tun sie beide nicht.<br />
Denn für dieses Leben<br />
Ist <strong>der</strong> Mensch nicht schlecht genug.<br />
Doch sein höh‘ res Streben<br />
Ist ein schöner Zug<br />
Die vorstellung, dass die Wirkung des komischen im Wesentlichen<br />
auf <strong>der</strong> verletzung sozialer normen beruht, liegt auch den meisten<br />
theorien über die soziale bzw. politische Funktion <strong>der</strong> komödie<br />
zu Grunde. so ist es gemäß den komödientheorien – die sich<br />
zu recht o<strong>der</strong> zu unrecht – auf aristoteles berufen, die verstöße<br />
gegen soziale normen durch Gelächter zu bestrafen und so diese<br />
normen zu bestätigen und so die Gesellschaft zu stabilisieren.<br />
Im Gegensatz dazu haben im 20. jahrhun<strong>der</strong>t kritiker wie Barber<br />
und Fry in die tradition jahreszeitlicher mythen und riten gestellt<br />
und <strong>der</strong>en Grundstrukturen in <strong>der</strong> komödie enthalten sind, und<br />
<strong>der</strong>en thema – <strong>der</strong> triumph des Lebens über das erstarrte alte –<br />
auch das thema <strong>der</strong> komödie ist.<br />
so verstanden hat die komödie eine ambivalente soziale Funktion.<br />
sie verschafft “an individual release which is also a social reconciliation“<br />
(Barber) d.h. sie ermöglicht vorübergehend die verspottung<br />
<strong>der</strong> im alltag gültigen normen und regeln und hierarchien<br />
sowie die Feier <strong>der</strong> sich frei und anarchisch auslebenden triebe,<br />
um dann die modifizierte ordnung wie<strong>der</strong>herzustellen. sie bestätigt<br />
also nicht nur – wie dies die moralistische komödienstruktur<br />
behauptet – das gesellschaftliche system son<strong>der</strong>n erneuert es.<br />
Ja, renn nur nach dem Glück<br />
Doch renne nicht zu sehr!<br />
Denn alle rennen nach dem Glück<br />
Das Glück rennt hinterher.<br />
Denn für dieses Leben<br />
Ist <strong>der</strong> Mensch nicht anspruchslos genug<br />
Drum ist all sein Streben<br />
Nur ein Selbstbetrug.<br />
Bertolt Brecht