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Der Herr der heissen Eisen - Tanja Warter - Docwarter.com

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Handwerk<br />

134 Servus<br />

<strong>Der</strong> <strong>Herr</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>heissen</strong> <strong>Eisen</strong><br />

Sein Beruf hat etwas Märchenhaftes. Peter Lackner ist<br />

Hufschmied im salzburgerischen Filzmoos – und immer<br />

dann zur Stelle, wenn Rösser neues Schuhwerk brauchen.<br />

TexT: tanja warter FoToS: Peter M. Mayr<br />

Vor <strong>der</strong> kulisse <strong>der</strong> in wolken getauchten<br />

Bischofsmütze: Hufschmied Peter Lackner<br />

beim Beschlagen, ein Helfer hält das Hinterbein<br />

des prächtigen Friesenhengstes tristan.<br />

134-135 30.05.2012 17:05:28 Uhr


das Horn eines Pferdehufs wächst im Monat bis zu<br />

einen Zentimeter. Mit dem Hufmesser wird es vorsichtig<br />

zurecht geschnitten. dabei kontrolliert <strong>der</strong><br />

schmied auch gleich, ob sich das Pferd keinen stein<br />

eingetreten hat.<br />

Bei Peter Lackner läutet das Telefon.<br />

So ein Hufschmied ist ein gefragter Mann.<br />

Nur: Rangehen kann er gerade nicht. Er hat<br />

den tellergroßen Hinterhuf seines Friesenhengstes<br />

Tristan 30 Zentimeter vor <strong>der</strong> Nase<br />

und in <strong>der</strong> Hand eine Zange, mit <strong>der</strong> er ein<br />

etwa 350 Grad heißes Hufeisen hält. Wirklich<br />

unpraktisch, dass jetzt jemand anruft.<br />

Nur wenige Sekunden später umnebelt<br />

ihn eine Rauchwolke. Auch sein Helfer, <strong>der</strong><br />

den Huf anhebt, damit es <strong>der</strong> Schmied etwas<br />

leichter hat, dreht den Kopf zur Seite<br />

und schnappt nach Frischluft. Unter leichtem<br />

Zischen verschmort die oberste Hornschicht<br />

des Hufs, auf die Lackner das glühende<br />

<strong>Eisen</strong> presst.<br />

Einige Spaziergänger, die die Szene zufällig<br />

beobachten, sind fassungslos und verblüfft.<br />

„Spürt das Pferd das gar nicht?“<br />

wenn das PFerd scHMiedeFroMM ist<br />

Peter Lackner schmunzelt. Diese Frage hört<br />

er nicht zum ersten Mal. Das mehr als 700<br />

Kilogramm schwere Ross macht keinen<br />

Muckser. Das Zischen verklingt, <strong>der</strong> Rauch<br />

lässt nach. Peter Lackner steht auf und wirft<br />

das <strong>Eisen</strong> zum Abkühlen in einen Kübel mit<br />

Mit mehr als 1300 Grad wird das fertige Hufeisen ein letztes Mal hocherhitzt. noch glühend rot kann<br />

man es dann mit kräftigen Hammerschlägen auf dem amboss formen.<br />

kaltem Wasser. „Nein“, erklärt er. „Das ist<br />

wie Nägelschneiden beim Menschen.“ Das<br />

Wasser brodelt noch einmal kurz auf.<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Friesenhengst beim Einbrennen<br />

des <strong>Eisen</strong>s entspannt ist, läuft die<br />

Arbeit nicht immer so reibungslos ab. Zwar<br />

spüren die Pferde von <strong>der</strong> Hitze tatsächlich<br />

nichts, aber manche können das Zischge-<br />

9<br />

RundeiSen,<br />

eieiSen, pilzeiSen,<br />

heRzeiSen: eS gibT<br />

inSgeSamT FaST<br />

500 modelle.<br />

9<br />

räusch nicht leiden. Manche erschrecken<br />

sich vor dem Qualm und wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mögen<br />

es schon nicht, wenn jemand nur den<br />

Fuß aufheben will. „Nicht schmiedefromm“<br />

heißen solche Pferde im Fachjargon. In solchen<br />

Fällen erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Hufbeschlag viel<br />

Zeit und Aufwand.<br />

Einmal hat sich Peter Lackner bei einem<br />

Arbeitsunfall das Schlüsselbein gebrochen.<br />

Mehr ist ihm zum Glück nicht passiert. Er<br />

übt den Beruf auch nicht mehr in Vollzeit<br />

aus. Er ist sein zweites Standbein, das er mit<br />

einem Kleinbus als fahrende Werkstatt (inklusive<br />

eingebautem Mini-Hochofen)<br />

ausübt.<br />

Das zweite Standbein ist <strong>der</strong> landwirtschaftliche<br />

Betrieb auf dem malerischen<br />

Pilzhof in Filzmoos am Fuße <strong>der</strong> Bischofsmütze.<br />

Auch dort dreht sich alles um Pferde.<br />

Peter Lackner züchtet mit großem Erfolg<br />

Friesen. „Hauptberuflich Hufschmied<br />

zu sein ist nicht auszuhalten“, sagt er. „Da<br />

machst du dir das Kreuz und die Knie kaputt.“<br />

Trotzdem ist er seit 25 Jahren dabei<br />

und überzeugt: „So lang geht es nur, wenn<br />

man nicht jeden Tag beschlagen muss.“<br />

Peter Lackner greift zu einem Rohling.<br />

Das sind vorgefertigte Hufeisen, die es in<br />

unterschiedlichen Größen und Stärken zu<br />

kaufen gibt. Rundeisen, Eieisen, Pilzeisen,<br />

Herzeisen: Insgesamt an die 500 Modelle,<br />

die je nach Hufform und Gangbild vom Hufschmied<br />

eingesetzt werden. Sie sind das<br />

Basismaterial.<br />

136-137 30.05.2012 17:05:31 Uhr<br />

➻<br />

Servus 137


<strong>Der</strong> Schmied hält den Rohling gegen die<br />

frisch gekürzte Hufsohle des an<strong>der</strong>en Hinterbeins.<br />

Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung<br />

hat er im Blick, wie er das <strong>Eisen</strong> nun<br />

schmieden muss, damit es exakt passt. Er<br />

legt es in den 1350 Grad heißen Ofen in seinem<br />

Kleinbus und wartet.<br />

HiPPo-sandaLen aus Le<strong>der</strong> und stroH<br />

„Wenn ich auf einen Hof komme“, erklärt<br />

Peter Lackner, „lasse ich mir das Pferd zuerst<br />

vorführen. Ich muss sehen, ob das<br />

Gangbild in Ordnung ist.“<br />

Hufkrankheiten und orthopädische Probleme<br />

bei Pferden sind lei<strong>der</strong> keine Seltenheit.<br />

In solchen Fällen muss <strong>der</strong> Hufschmied<br />

wie ein orthopädischer Schuhmacher genau<br />

auf Fehlstellungen reagieren. Lei<strong>der</strong> seien<br />

aber die Besitzer beim Beschlagen meist<br />

nicht dabei, bedauert er: „Wer kann sich<br />

schon untertags für den Hufschmied frei<br />

nehmen?“ Dann müssen ihm eben die Stallburschen<br />

helfen.<br />

Inzwischen hat das Hufeisen Schmiedetemperatur<br />

erreicht. Peter Lackner entriegelt<br />

die Ofentür und holt mit <strong>der</strong> Zange das<br />

nun orange glühende Glückssymbol heraus.<br />

Er legt es auf den Amboss und hämmert los.<br />

es raucht, zischt und stinkt: Beim aufbrennen verschmort die oberste Hornschicht. nun ist <strong>der</strong> Huf perfekt für das aufnageln<br />

des eisens vorbereitet. sechs bis acht nägel versenkt <strong>der</strong> Profi. wenn alles passt, spürt das Pferd davon nichts.<br />

Genau so, wie es Hufschmiede schon vor<br />

Hun<strong>der</strong>ten von Jahren taten.<br />

Es gab schon viele Versuche, einen neuen,<br />

mo<strong>der</strong>neren Schutz für Pferdehufe zu<br />

entwickeln, weiß Peter Lackner. „Wenn es<br />

etwas Besseres gäbe als ein Hufeisen, ich<br />

würde es natürlich ausprobieren. Aber bis<br />

jetzt ist noch nichts Vergleichbares erfunden<br />

worden.“<br />

Hufschuhe seien auf dem Markt, erzählt<br />

er, sie würden aber schnell verschleißen<br />

und dafür zu viel kosten. „Vielleicht sind die<br />

geeignet für Leute, die selten ausreiten.<br />

Aber sie sind keine echte Alternative zum<br />

guten, alten <strong>Eisen</strong>.“<br />

Es gab natürlich auch eine Zeit vor den<br />

Hufeisen. Ein Vorgängermodell waren die<br />

Hippo-Sandalen. Die Ägypter flochten sie<br />

aus Le<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Stroh und befestigten sie mit<br />

Riemen an den Pferdebeinen. Das war natürlich<br />

keine sehr haltbare Lösung. Die Römer<br />

verwendeten später schon richtige Hufeisen<br />

aus Bronze. Sie hatten aber noch keine gute<br />

Lösung für die Befestigung. Auch sie bedienten<br />

sich verschiedener Riemen – wodurch<br />

die Hufeisen im Galopp nur so davon flogen.<br />

Erst ab 600 nach Christus nehmen die<br />

Funde an aufgenagelten Hufeisen deutlich<br />

zu. Und bis heute haben die Grundsätze des<br />

Hufbeschlags, die ab dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

nie<strong>der</strong>geschrieben wurden, Gültigkeit.<br />

Das Hufeisen, an dem Peter Lackner arbeitet,<br />

hat nach dem Hämmern wie erwartet<br />

genau die Form des Hinterhufes. <strong>Der</strong><br />

Helfer hebt wie<strong>der</strong> den Pferdefuß an. Peter<br />

Lackner hockt sich mit beeindrucken<strong>der</strong><br />

Gelassenheit direkt dahinter und brennt das<br />

<strong>Eisen</strong> auf. Die Hornschicht verschmort, es<br />

raucht und stinkt.<br />

Die Spaziergänger sind dieses Mal weniger<br />

entsetzt, sie staunen nur noch. Wenn<br />

man die Szene vom Anfang bis zum Ende<br />

sieht, scheint es ja auch glaubwürdig, dass<br />

<strong>der</strong> Hengst nichts spürt. Peter Lackner kontrolliert<br />

den Abdruck <strong>der</strong> Brandspuren. Das<br />

<strong>Eisen</strong> wird perfekt sitzen.<br />

wenn <strong>der</strong> Grüne randstreiFen Lockt<br />

Und warum sind Hufeisen so wichtig? Ein<br />

Pferd, das regelmäßig geritten wird und<br />

auch auf hartem Untergrund geht, kommt<br />

nicht ohne aus. Dabei würde sich das Horn<br />

viel zu schnell abwetzen. Bei Wildpferden<br />

ist das an<strong>der</strong>s. Sie sind nur auf Naturböden<br />

unterwegs. Deshalb halten sich bei ihnen<br />

Hornnachwuchs und Abrieb die Waage.<br />

kraftprotz tristan lässt nach dem ruhighalten die Muskeln spielen: Mit seinen neuen Hufeisen galoppiert er im vollen schwung hinaus<br />

auf die wiese. das ist <strong>der</strong> letzte Beweis: <strong>der</strong> Beschlag ist optimal gelungen und das Pferd fühlt sich wohl.<br />

Für einen erfahrenen Reiter ist es leicht<br />

zu bemerken, wenn sein Pferd Hufeisen benötigt.<br />

Das Tier wird beim Ausreiten auf<br />

Schotterwegen o<strong>der</strong> Asphalt magisch vom<br />

grünen Randstreifen angezogen und will<br />

nur dort gehen. Dann ist es höchste Zeit,<br />

dass <strong>der</strong> Schmied vorbei kommt.<br />

kLeine stoLLen, Hart wie diaMant<br />

Beide Hufeisen sind mittlerweile abgekühlt.<br />

Weil <strong>der</strong> Friesenhengst später auch eine<br />

Kutsche ziehen soll und auf <strong>der</strong> Straße sicheren<br />

Halt braucht, hat Peter Lackner zusätzlich<br />

kleine Stollen montiert, in denen<br />

ein winziger Stift aus Wolframcarbid steckt.<br />

Dieses Material ist fast so hart wie Diamant.<br />

Es verhin<strong>der</strong>t das Ausrutschen.<br />

Endlich steht jener klassische Arbeitsschritt<br />

an, <strong>der</strong> neben viel Erfahrung vor allem<br />

Geschick und Fingerspitzengefühl erfor<strong>der</strong>t.<br />

Das Hufeisen wird mit sechs bis<br />

acht Nägeln auf dem Huf fixiert.<br />

Nur wenige Millimeter breit ist <strong>der</strong> Bereich,<br />

den <strong>der</strong> Schmied treffen muss, damit<br />

es dem Pferd nicht weh tut. <strong>Der</strong> Nagel muss<br />

im gefühllosen Tragrand des Pferdehufes<br />

stecken. Tiefer dürfen die Metallstifte nicht<br />

eindringen, denn unter dem Horn liegen<br />

Hautschichten, Sehnen und schließlich<br />

Knochen, die von feinen Blutgefäßen und<br />

Nervenbahnen durchzogen werden. Hier ist<br />

<strong>der</strong> Huf extrem schmerzempfindlich.<br />

Peter Lackner legt das <strong>Eisen</strong> auf die<br />

Hufsohle und rückt es in seine genaue Posi-<br />

9<br />

„daS RiSiko,<br />

ein pFeRd zu<br />

veRnageln, beSTehT<br />

immeR. abeR miT<br />

viel eRFahRung<br />

paSSieRT eS<br />

wiRklich SelTen.“<br />

9<br />

tion, den Hammer schon in <strong>der</strong> Hand, die<br />

Nägel zwischen die Lippen geklemmt. Noch<br />

ein prüfen<strong>der</strong> Blick, dann setzt er den ersten<br />

Nagel in einem <strong>der</strong> vorgefertigten Löcher<br />

des Hufeisens an.<br />

<strong>Der</strong> Winkel passt, er hämmert los. Mit<br />

drei bis vier Schlägen ist <strong>der</strong> Metallstift ver-<br />

senkt. Die Spitze schaut an <strong>der</strong> Oberseite<br />

des Hufes wie<strong>der</strong> heraus. Peter Lackner<br />

biegt sie um und wird sie später mit einer<br />

Zange abzwicken.<br />

„Das Risiko, ein Pferd zu vernageln, besteht<br />

immer“, sagt <strong>der</strong> Hufschmied. „Aber<br />

mit viel Erfahrung passiert es wirklich selten.“<br />

Auch bei Hengst Tristan verläuft heute<br />

alles reibungslos. Ganz zum Schluss wird<br />

<strong>der</strong> Huf von oben geraspelt und geglättet.<br />

Dann lässt <strong>der</strong> Stallbursch das Ross nochmals<br />

vortraben. Urteil des Hufschmieds:<br />

„Optimal.“<br />

Durchschnittlich alle sechs Wochen muss<br />

jedes Pferd neu beschlagen werden. An Aufträgen<br />

mangelt es einem Hufschmied wie<br />

Peter Lackner also auch im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

nicht. Neue Kundschaft nimmt er übrigens<br />

nur ganz selten auf. Aus Zeitmangel. Sein<br />

Telefon hat in <strong>der</strong> Zwischenzeit gezählte<br />

neun Mal geläutet. 3<br />

servus-tipp: Die Europameisterschaft <strong>der</strong><br />

Hufschmiede findet heuer in Österreich statt.<br />

Und zwar von 2. bis 5. August im Pferdezentrum<br />

Stadl-Paura in Oberösterreich.<br />

www.hufschmiedeverband.at<br />

138 Servus Servus 139<br />

138-139 30.05.2012 17:05:33 Uhr

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