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9<br />

Maischa Lässig<br />

Wahrheit ist eine Frage<br />

der Programmierung<br />

Lügen gehören zum Menschsein; in der Psychologie geht man sogar davon aus, dass sie lebensnotwendig<br />

sind. Mindestens zweimal am Tag tätigen wir bewusst Aussagen, bei denen wir<br />

wissen, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen. Nichts anderes sind die sogenannten Fake<br />

News, die spätestens seit dem amerikanischen Wahlkampf für erhebliche Aufregung sorgen;<br />

sie bezeichnen falsche Tatsachenbehauptungen, die vorsätzlich verbreitet werden.<br />

D<br />

och während unsere alltäglichen Lügen sich<br />

hauptsächlich auf das private Umfeld<br />

beziehen, würden Fake News, wie es nun<br />

immer häufiger heißt, eine Bedrohung für die<br />

gesamte Gesellschaft und unsere Demokratie<br />

darstellen. Auch wenn der Begriff Fake News<br />

erst seit Kurzem Eingang in unseren Sprachgebrauch<br />

gefunden hat, gibt es die Verbreitung<br />

von Falschaussagen, um politische Ziele<br />

zu erreichen, seit Ewigkeiten. Man erinnere sich nur an die<br />

Lüge über die Massenvernichtungswaffen, die zum Irak-Krieg<br />

führte oder an die Dolchstoßlegende, mit der die Sozialdemokratie<br />

für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich<br />

gemacht wurde. Und dennoch schürt das Thema Fake News<br />

heute nicht nur unter Politikern und Wissenschaftlern Angst,<br />

wie sich in der aktuellen Debattenlandschaft zeigt. Kritiker<br />

befürchten, dass unsere Willensfreiheit in nie dagewesener<br />

Weise manipuliert und beherrscht werden könnte.<br />

Grund dafür sind die sozialen Netzwerke, die auch als Plattform<br />

für Informationen aller Art fungieren. Das allein scheint<br />

noch keine Gefahr darzustellen, denn welchen Wert wir<br />

solchen Informationen beimessen, bleibt dann doch eine<br />

Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Allerdings<br />

ist anzunehmen, dass ein vergleichsweise neues<br />

Phänomen in der Lage ist, unser Bewusstsein zu überlisten.<br />

Die Rede ist von den sogenannten Bots.<br />

Das Wort stammt von dem englischen Wort robot und<br />

bezeichnet ein Computerprogramm, das selbstständig<br />

Aufgaben übernimmt. Grundsätzlich also eine durchaus<br />

praktische und völlig legitime Funktion. Nachrichtenseiten<br />

nutzen beispielsweise Bots, um ihre Artikel automatisch auch<br />

auf ihren Twitter- oder Facebook-Accounts hochzuladen und<br />

auch künstliche Gegner in Computerspielen funktionieren als<br />

Dem Klima geht es<br />

gut, das zeigen neueste<br />

Zahlen aus Tibet.<br />

Flüchtlinge wollen<br />

bei uns das islamische<br />

Recht einführen.<br />

Davor hab ich Angst.<br />

Bot. Für die momentane Diskussion sind aber besonders die<br />

Social-Bots von Bedeutung. Sie können als vollautomatisierter<br />

Fake-Account im Netz agieren, der den Anschein erweckt, als würde<br />

ein echter Mensch dahinterstecken. Sie sind so programmiert, dass<br />

sie von selbst Inhalte produzieren und mit echten Usern interagieren<br />

können. So kann ein maschinell gesteuerter Account bei politisch<br />

und gesellschaftlich bedeutenden Themenfeldern durch seine<br />

Beiträge Zweifel säen, mit kritischen und gar verurteilenden<br />

Kommentare bestimmte Positionen angreifen und eben auch durch<br />

falsche Informationen andere Nutzer von einem Standpunkt zu<br />

überzeugen suchen. Auf diese Weise können Akteure wie Unternehmen,<br />

Politiker und Parteien Bots einsetzen, um auf die öffentliche<br />

Meinung einzuwirken.<br />

Man mag nun der Ansicht sein, dass solche Vorgänge nicht viel<br />

Einfluss auf die eigene Meinung nehmen könnten. Doch die<br />

Social-Bots agieren selten für sich allein. In den sozialen Netzwerken<br />

sind einzelne automatisierte Accounts über ein Botnetz miteinander<br />

verbunden. Tausende von Bots können, von nur einem Menschen<br />

programmiert, gleiche Aktionen ausführen und interagieren. Werden<br />

Fake-News nun von einer ganzen Heerschar von angeblichen<br />

Nutzern geteilt oder Kritik massenweise geübt, wird es schon viel<br />

eher möglich, die Öffentlichkeit für bestimmte politische Ziele zu<br />

manipulieren. Man würde zwar gerne glauben, dass die eigene<br />

Haltung nicht davon abhängig ist, was andere Personen, besonders<br />

in großer Anzahl, denken, doch meistens passen sich Menschen der<br />

Mehrheit an.<br />

Kann durch Social-Bots nun der Eindruck erweckt werden,<br />

dass zu gewissen Themen gewisse Standpunkte von der Mehrheit<br />

vertreten werden, ist ein manipulativer Effekt definitiv möglich,<br />

dessen wir uns aber nicht einmal bewusst sind. Noch weniger<br />

bewusst sind wir uns derweil darüber, dass es sich womöglich nicht<br />

einmal um eine tatsächliche Mehrheit handelt, sondern nur um eine<br />

maschinell generierte.<br />

Kein Wunder also, dass die Willensfreiheit in sozialen Netzwerken<br />

als gefährdet angesehen wird, denn dass die Verbreitung von Lügen<br />

ein baldiges Ende finden wird, scheint nicht gerade realistisch.

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