paul scheiber - SAC-Gotthard
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aNNo DaZuMaL<br />
dung wieder Fuss zu fassen. Bei dieser gelegenheit<br />
muss darauf hingewiesen werden,<br />
dass der eben angewendete Bewegungsablauf<br />
nicht dem trainingsprogramm von Fritz<br />
entstammt. Vielmehr erzählt man sich, dass<br />
der gelernte Möbelschreiner in der arbeitspause<br />
jeweils mit dem «einfingerklimmzug<br />
an einer hand» seinen aktuellen konditionsstand<br />
überprüfte.<br />
Vom Schmerz erlöst beobachtet kurt nun<br />
erleichtert wie sein gefährte in seiner bedächtigen<br />
art, aber unaufhaltsam und sauber<br />
dem blauen horizont entgegen steigt.<br />
... etliche stunden später ...<br />
die letzten meter ...<br />
Fritz, die weisse Dächlikappe schon etwas<br />
auf Durst verschoben, spürt die gipfelbrise.<br />
Fast im Spagat spreitzt er die letzten<br />
Verschneidungsmeter aus. Da der gipfel –<br />
zwei solide Standhaken fahren in den Fels –<br />
Naachkommen!!!<br />
im Schnellzugstempo steigt kurt den Seilen<br />
entlang nach oben, Blut sickert durch den<br />
Verbanstoff an der rechten hand.<br />
etwas weiter unten haben ein ausbrechender<br />
Felshaken und ein langer Sturz seine<br />
Psyche auf eine harte Probe gestellt. aber<br />
auf dem letzten Meter ist alles vergessen,<br />
jetzt nur noch die umarmung und der händedruck<br />
auf dem Zwillingsturm – grenzenlos<br />
das glück – ein erfüllter traum.<br />
... die erste Wiederholung im september<br />
1964<br />
Moses gamma, der junge hüttenwart der<br />
Salbithütte, von dem Fritz Villiger lakonisch<br />
sagt: «in seinem urnergranit bewegt er sich<br />
wie kaum ein anderer», steht vor seiner<br />
hütte und «spiegelt» seinen obligaten Morgenkontrollgang<br />
durch das Salbitgewände.<br />
Fünf Jahre ist es her und immer noch kein<br />
Wiederholer am Zwillingsturmpfeiler. Zwar<br />
30<br />
erzählt man, dass bekannte italiener sich<br />
abwechslungsweise den einstiegsgriff in<br />
die hand gegeben hätten. aber eben alles<br />
nur gerüchte, der «Villigerpfeiler» wartet<br />
noch immer auf einen ernsthaften Wiederholungsversuch,<br />
und wer könnte das besser<br />
wissen als Moses, der hausmeister am Salbitschijen?<br />
höchste Zeit also die angelegenheit selber<br />
an die hand zu nehmen, per telefon wird<br />
heli Wagner aufgeboten.<br />
Spätestens jetzt ist es an der Zeit, die geheimwaffe<br />
näher vorzustellen, mit deren<br />
einsatz Moses das Problem Zwillingsturmpfeiler<br />
überlisten will.<br />
Helmut Wagner geb. am 20.9.1941 in<br />
krems (Niederösterreich) wohnt seit 1961 in<br />
der Schweiz (hauptsächlich die hohen Berge<br />
haben ihn hierher gelockt). Der gelernte<br />
elektromonteur, mittelgross (kein Bodybuilder)<br />
von schlanker Statur, aber durchtrainiert,<br />
geniesst in Fachkreisen, trotz seiner<br />
Jugend, bereits einen legendären ruf. im<br />
Moment gibt es im alpenraum kaum eine<br />
extremkletterei von Bedeutung, die nicht auf<br />
seiner tourenliste steht. Praktisch alle grossen<br />
Nordwände u.a.: eigernordwand, Matterhorn-,<br />
grandes Jorasses-Walkerpfeiler<br />
(an einem tag, ohne Biwak), Drus-Westwand<br />
und – Bonattipfeiler, alle Nordwandrouten<br />
an den drei Zinnen (Dolomiten) usw. hat er<br />
schon abgehakt.<br />
im September 1964 ist heli, wie ihn seine<br />
Freunde nennen, auf dem Zenith seiner kletterform<br />
angelangt. Vier Monate Bergsommer<br />
liegen hinter ihm. gibt es im Moment<br />
eine kletterstelle im Fels oder eis, die ihn<br />
aufhalten kann?<br />
Der telefonanruf aus den urner Bergen hat<br />
zur Folge, dass der Wiedereinstieg ins Berufsleben<br />
noch einmal um einige tage hinausgeschoben<br />
wird.