Möbel & Räume Schweiz Ab 25. Juni 2010 Das Landesmuseum Zürich zeigt im Westfl ügel eine neue Dauerausstellung «Möbel & Räume Schweiz». Innenräume und Möbel der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums werden präsentiert. Ausgangspunkt bilden die eingebauten Historischen Zimmer, die das Landesmuseum einst weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt gemacht haben. Den Zimmern gegenübergestellt werden Schweizer Möbel des 20. Jahrhunderts. Ob im Mittelalter oder in der modernen Wohnung, die Bedürfnisse der Menschen scheinen dieselben, während sich die Möbel und Räume verändern und neuen Gegebenheiten anpassen. Die elf getäferten Historischen Zimmer im Landesmuseum Zürich wurden 1898 in der Absicht eingebaut, schweizerische Handwerkskunst und vorbildhafte Wohnkultur zu zeigen. Historische Zimmer sind Räume, die von ihrem originalen Standort in ein Museum transferiert und dort eingebaut wurden. In der heutigen Präsentation wird der Fokus auf die kunsthandwerklichen und erzählerischen Elemente der Zimmer gelegt. Die neue Lichtführung erhellt bisher Verborgenes: Amüsante Fabeln, weisse Elefanten, kecke Nackte und manch eindrücklicher Drache können in den gotischen Zimmern entdeckt werden. In den Renaissance- und Barockzimmern geht es vor allem um die Thematik Reichtum und Repräsentation. An Formen und Verzierungen wurde nicht gespart, und die stolzen Bauherrschaften liessen aus den schönsten Hölzern prachtvolle Scheinarchitekturen konstruieren. Im bürgerlichen Wohnen des 20. Jahrhunderts wird Reichtum und Ansehen nicht mehr über die Raumarchitektur, sondern vor allem mit den Möbeln ausgedrückt. Man leistete sich kunstvoll gefertigte Einzelstücke, edles Tropen holz oder schmückte sein Heim mit Design-Ikonen. Die Möbel des 20. Jahrhunderts sind so ausgesucht worden, dass sie in Bezug zu den Historischen Zimmern stehen: Die mittelalterliche Rats- und Trinkstube steht der Gaststube des 20. Jahrhunderts gegenüber. Heute wie damals wird im Restaurant diskutiert, politisiert und beim gemeinsamen Trinken und Essen Geselligkeit gepfl egt. Der Möblierung des mittelalterlichen Zimmers mit klappbaren Faltstühlen und transportablen Truhen antwortet eine Vielzahl von mobilen und platzsparenden Möbeln aus der jüngsten Vergangenheit. Auch Holz, das über Jahrhunderte wichtigste Material für Räume und Möbel, fi ndet in den Möbeln des 20. Jahrhunderts seine Entsprechung. Stahlrohr-Möbel veranschaulichen den Schweizer Beitrag an die Moderne der 1930er Jahre. Der Sammlungsbestand des Schweizerischen Nationalmuseums konnte mit einer umfangreichen Leihgabe aus dem Archiv der Firma Embru-Werke AG aus Rüti ergänzt werden. Die Embru-Werke AG gehörte zu jenen Firmen, die in der damaligen Pionierzeit mit namhaften Gestaltern aus dem In- und Ausland zusammenarbeiteten. Diese Entwürfe, die heute als Designklassiker gelten, zeugen von Schweizer Qualitätsarbeit und Inno- vationsgeist während einer wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeit. Ein besonderes Augenmerk gilt der Stube. Alle Historischen Zimmer sind Stuben – so bezeichnet man seit dem Mittelalter den rauchfrei beheiz - ten Raum. Die Funktionen der damaligen Stuben waren sehr vielfältig und konnten Empfangsraum, Versammlungsraum, Trinkstube oder Privatraum sein. Mit der stärkeren Funktionstrennung der Räume im 19. und 20. Jahrhundert wird die Stube zum privaten Wohnraum der Familie. Anhand von sechs räumlichen Inszenierungen wird die Veränderung der Wohnstube vom Historismus bis in die 1970er Jahre nachgestellt. Den Sprung in die unmittelbare Gegenwart leistet die Schau mit einem eigens für die <strong>Ausstellung</strong> erstellten Dokumentarfi lm, einer interaktiven Fotoinstallation sowie einer Schweizer Designstube von heute, in der man alle Möbel ausprobieren darf. <strong>Ausstellung</strong> | Landesmuseum Zürich. Der Schweizer Weg: Gastkolumne von Peter Lepel «Ach, ich wusste ja gar nicht, dass Ihr auch Bauhausmöbel hergestellt habt?», fragen Besucher, die ich von Zeit zu Zeit durch die Sammlung der Embru-Werke in Rüti führe. Was soll ich darauf antworten? Der Begriff «Bauhausmöbel» ist ja eigentlich nicht falsch, beschreibt aber nur ungenau die damalige Situation im Möbelbau. Die Schweizer Entwerfer und Hersteller waren in den 1930er Jahren zwar vom Bauhaus und dessen Umfeld beeinfl usst, gingen aber durchaus eigene Wege. Diesen Weg kann man mit «Schweizer Typenmöbel versus Deutsche Raumkunst» beschreiben. Also praktische Möbel für den Gebrauch in kleinen Wohnungen, welche neben ihrer ästhetischen Erscheinung auch einen Zusatznutzen aufwiesen. So waren die Tische klappbar, die Stühle stapelbar und das Bett wurde tags - über zur Couch. Dank der Mitarbeit ausländischer Architekten gelangten ab 1933 auch Möbelentwürfe mit internationaler Ausstrahlung – ich erwähne die Aluminium-Serie von Marcel Breuer – in die Schweiz. Einige dieser Sammlerstücke aus dem Embru-Archiv sind nun im Landesmuseum zu sehen, und die Besucherinnen und Besucher können sich selber die eingangs gestellte Frage beantworten. Peter Lepel (Foto 01) war bis zu seiner Pensionierung (2009) Mitglied der Geschäftsleitung der Embru-Werke AG und ist nach einer Ausbildung (MAS) am gta der ETH-ZH als Berater und freier Autor tätig. Mitherausgeber des Buches «über Möbel – ein Streifzug durch das Archiv der Embru-Werke». 01 02 03 04 05 06 Peter Lepel Inszenierte Stube von 1895 mit repräsentativen historistischen Möbeln. Palettenregal, 1981, Trix und Robert Haussmann, Plattenwerkstoff und Stahlrohr. Historisches Zimmer aus der Fraumünsterabtei Zürich, erbaut 1489 durch Cäcilia Helfenstein. Rollkorpus System USM-Haller, 1964, Fritz Haller und Paul Schärer, Stahlrohr, Stahlblech. Gartensessel, 1945, Willy Guhl, Eternit. Titelbild der Ausgabe Tapete der <strong>Ausstellung</strong> «Möbel & Räume Schweiz». Sachlichkeit: Stube. 1927. Grafi k: atelier oï-sa, La Neuveville. 4
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