14_2018_news
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17. Jahrgang · Nummer <strong>14</strong><br />
13. Oktober <strong>2018</strong><br />
www.verdi-<strong>news</strong>.de<br />
ver.di vereinte<br />
dienstleistungsgewerkschaft<br />
A58247<br />
Angriffe auf Arbeitsrechte<br />
international – Gewerkschaliche Gegenwehr über die Grenzen hinweg<br />
Unternehmen nutzen ihre länderübergreifende,<br />
ja globale Ausrichtung<br />
häufig aus, um Beschäftigte<br />
in unterschiedlichen Ländern gegeneinander<br />
auszuspielen. Doch<br />
auchdieBeschäftigtenausverschiedenen<br />
Ländern wehren sich mittlerweile<br />
gemeinsam. Beispiel Ryanair:<br />
EndeSeptemberhabenBeschäftigte<br />
der Billig-Airline in mehreren europäischen<br />
Ländern gleichzeitig gestreikt.<br />
Bei Ryanair werden die BeschäftigtennachirischemRechtbeschäftigt,<br />
das dem Arbeitgeber die für<br />
ihngünstigstenBedingungenbietet.<br />
Danach haben die Beschäftigten<br />
nur Anspruch auf ein Basisgehalt<br />
von 800 Euro im Monat. Weitere<br />
Zahlungen sind wenig verlässlich,<br />
richten sich nach ihrem flexiblen<br />
Einsatz.Einschüchterungsversuche<br />
gegenüber den Beschäftigten, die<br />
ihr Grundrecht auf Streik wahrgenommen<br />
haben, brachten auch<br />
deutsche Politiker/innen auf den<br />
Plan. Wer hierzulande Gewinn machenwolle,müssesichandeutsches<br />
Recht halten, sagten die Vertreter/<br />
innen verschiedener Parteien übereinstimmend.<br />
Ryanair reagierte<br />
mit der Ankündigung von Standortschließungen<br />
und Kapazitätsreduzierung.<br />
Als „skandalös und<br />
unwürdig“ bezeichnete ver.di-BundesvorstandsmitgliedChristineBehle<br />
diese Pläne (siehe Seite 5).<br />
Bereits im Sommer hatten Amazon-Beschäftigteverschiedenereuropäischer<br />
Standorte gemeinsam<br />
bei einem Deutschland-Besuch von<br />
frauen<br />
Unentgeltliche<br />
Arbeit<br />
Ab Mitte<br />
Oktober arbeiten<br />
sie quasi<br />
unbezahlt<br />
seite 2<br />
ältere<br />
Passgenaue<br />
Lösungen<br />
Starke Zuwächse<br />
bei der<br />
Erwerbsbeteiligung<br />
seite 3<br />
Amazon-Chef Jeff Bezos für bessere<br />
Arbeitsbedingungen demonstriert.<br />
Und Ende September setzten Vertreter/innen<br />
verschiedener europäischer<br />
Gewerkschaften in Berlin vor<br />
der Geschäftsstelle des BundesverbandesDeutscherPrivatklinikenein<br />
Zeichen der Solidarität mit den Aktiven<br />
der Celenus-Rehaklinik an der<br />
Salza (siehe Seite 4).<br />
kündigung und aussperrung<br />
celenus<br />
42 Prozent<br />
weniger<br />
Gewerkschaften<br />
aus Europa<br />
unterstützen<br />
Tarifverhandlungen<br />
seite 4<br />
ryanair<br />
Streikrecht<br />
in Frage<br />
gestellt<br />
Unternehmen<br />
will Standorte<br />
schließen<br />
seite 5<br />
In einer Tarifauseinandersetzung<br />
hat der Arbeitgeber zwei Frauen gekündigt,danachfünfweitereStreikende<br />
ausgesperrt. Die Klinik im thüringischen<br />
Bad Langensalza gehört<br />
zudemeuropaweitagierendenPflege-<br />
und Rehakonzern Orpea. Französische<br />
Gewerkschafter/innen berichteten<br />
bei dem gemeinsamen<br />
Protest in Berlin, dass auch in FrankreichimmerwiederGewerkschaften<br />
behindert und Aktive bedroht werden.<br />
Bei der US-amerikanischen Telekomtochter<br />
T-Mobile USA kämpft<br />
ver.di schon seit einigen Jahren<br />
gemeinsammitamerikanischenKolleg/innen<br />
für deren Recht auf Mitbestimmung<br />
(siehe Seite 7). MittlerweileengagiertsichdieDeutsche<br />
Telekom zunehmend auch in Südosteuropa,<br />
wo längst nicht vergleichbare<br />
Mitbestimmungsrechte<br />
wie hierzulande gelten. Wenn Arbeiten<br />
in die für den Arbeitgeber<br />
auch dadurch günstigereN Länder<br />
verlagert werden, wirkt sich das<br />
langfristig auch auf die Arbeit der<br />
Telekom-Beschäftigten in Deutschland<br />
aus. Dabei ist der größte Anteilseigner<br />
bei der Telekom immer<br />
noch der Bund.<br />
Heike Langenberg<br />
bag-urteil<br />
Ausschlussfrist<br />
oft<br />
hinfällig<br />
Hohe Nachforderungen<br />
möglich<br />
seite 6<br />
t-mobile us<br />
Gemeinsamer<br />
Kampf<br />
Neutralitätsabkommen<br />
soll<br />
Gewerkschaft<br />
den Weg<br />
ebnen<br />
seite 7<br />
m i t t e n o v e m b e r . . .<br />
... tagt in Würzburg die<br />
Synode der Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland<br />
(EKD). Zum Auftakt<br />
wollen die Beschäftigten<br />
in der Diakonie am<br />
11. November den Kirchenvertreter/innen<br />
den<br />
Weg leuchten. Passend<br />
zum St. Martins-Tag ziehen<br />
sie um 9.30 Uhr von<br />
der St. Stephan-Kirche<br />
mit Laternen zum Tagungsort.<br />
Damit Licht<br />
werde in der Diakonie<br />
seien flächendeckende<br />
Tarifverträge und wirksame<br />
Mitbestimmung<br />
nötig. Für beides könnten<br />
die Spitzen der EKD<br />
sorgen. Durch Mitbestimmung<br />
auf Augenhöhe<br />
könnten sie zeigen,<br />
dass sie die Arbeit der<br />
Beschäftigten in der Diakonie<br />
respektieren und<br />
dass diese in Würde<br />
stattfinden kann.<br />
hla<br />
https://gesundheitsoziales.verdi.de/tarif<br />
bereiche/diakonie/<br />
Privilegiert<br />
„Eher ist sie eine<br />
Partei des großen<br />
Geldes, was ihre Sponsoren<br />
betrifft, oder<br />
eine Partei der Privilegierten,<br />
wenn man<br />
ihre Programmatik<br />
und ihre Parlamentstätigkeit<br />
betrachtet.“<br />
Der Politologe Christoph<br />
Butterwege im Interview<br />
mit dem „Neuen<br />
Deutschland“ zur AfD
p o l i t i s c h e s p a r k e t t<br />
2 ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong> ·····················································································································································<br />
m i t m a c h - a k t i o n<br />
Allianz für<br />
Weltoffenheit<br />
(pm) In Deutschland engagieren<br />
sich Millionen<br />
Menschen privat, in ihrem<br />
Unternehmen, in<br />
Vereinen, Parteien und<br />
Organisationen für den<br />
Zusammenhalt einer vielfältigen<br />
Gesellschaft und<br />
gegen Rassismus und<br />
Ausgrenzung. Die Allianz<br />
für Weltoffenheit, ein<br />
Bündnis von neun zivilgesellschaftlichen<br />
Organisationen<br />
und Verbänden,<br />
darunter auch der<br />
DGB, möchte diesem Engagement<br />
eine Bühne<br />
bieten. Zum 3. Oktober,<br />
dem Tag der Deutschen<br />
Einheit, hat sie ihre Initiative<br />
„Deutschland #ver<br />
eint“ gestartet. Sie ruft<br />
engagierte Menschen<br />
auf, Fotos zum Thema<br />
auf der Webseite<br />
www.deutschland-ver<br />
eint.de hochzuladen.<br />
Die Aktion läuft bis zum<br />
9. November. Damit<br />
wirbt die Allianz für die<br />
Würde des Menschen,<br />
wie sie in Artikel 1 des<br />
Grundgesetzes garantiert<br />
ist. Sie will ein Zeichen<br />
setzen für ein weltoffenes<br />
und demokratisches<br />
Deutschland und tritt jeder<br />
Form von Diskriminierung<br />
entgegen.<br />
„Jeden Tag arbeiten<br />
Menschen aus vielen<br />
Ländern Seite an Seite in<br />
unseren Werkshallen,<br />
auf Baustellen oder im<br />
Büro gut und solidarisch<br />
zusammen. Menschen,<br />
die zusammen arbeiten,<br />
sind sich nicht fremd,<br />
egal woher sie kommen.<br />
Täglich werden aus Kollegen<br />
Freunde und Partner“,<br />
sagt der DGB-Vorsitzende<br />
Reiner<br />
Hoffmann zum Engagement<br />
des DGB bei dieser<br />
Aktion.<br />
www.deutschlandvereint.de<br />
Unentgeltliche Arbeit<br />
betriebliche entgeltgleichheit – Ab Mitte Oktober arbeiten Frauen quasi unbezahlt<br />
Wer mit 40 Jahren vom Arbeitgeber<br />
eineDirektversicherungperGehaltsumwandlung<br />
abschließen lässt, die<br />
vom 67. Geburtstag bis zum LebensendeeinesogenannteBetriebsrente<br />
garantieren soll, muss mindestens<br />
92 Jahre (als Pflichtmitglied der<br />
Krankenversicherung der Rentner<br />
86Jahre)altwerden,umwenigstens<br />
die eingezahlten Spargroschen auf<br />
Heller und Pfennig sicher wieder zurückzubekommen.WennderArbeitgeber<br />
etwas zuschießt, sieht es ein<br />
wenig besser aus, rentiert sich aber<br />
unter dem Strich dennoch nicht.<br />
„finanztest“ drückt sich um<br />
deutliche „gewinnwarnung“<br />
Von Verzinsung oder Rendite ist<br />
nämlich dann immer noch keine<br />
Rede, auch nicht davon, dass der<br />
heute eingezahlte Euro in 50 Jahren<br />
garantiertdeutlichanKaufkraftverlorenhabenwird.Soundnichtanders<br />
sind die Ergebnisse einer Untersuchung<br />
der Stiftung Warentest zu interpretieren,<br />
die 45 aktuelle „Produkte“<br />
der Finanzwirtschaft unter<br />
Der Projektbericht „Arbeitsbewertungen<br />
als blinder Fleck in der Ursachenanalyse<br />
des Gender Pay Gaps?“ ist erschienen in<br />
derReihe:WSIStudy,Nr.<strong>14</strong>,<strong>2018</strong>,132Seiten.<br />
Er kann heruntergeladen werden unter<br />
www.boeckler.de/wsi_64282.htm<br />
NiedrigschwelligeAngebote<br />
kinderbetreuung –Kita-BesuchhängthäufigvomfamiliärenHintergrundab<br />
(pm) Ob Kinder eine Kindertagesstätte<br />
besuchen oder nicht, hängt<br />
häufig immer noch vom familiären<br />
Hintergrund ab. Die Bildung der<br />
Mutter,dieErwerbstätigkeitderEltern,<br />
das Armutsrisiko und der Migrationshintergrundseienentscheidende<br />
Faktoren, hat das Deutsche<br />
Institut für Wirtschaftsforschung<br />
festgestellt.Dashabeauchderseit<br />
(red.) Der 16. Oktober ist in diesem<br />
Jahr der Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit.<br />
Mit diesem Datum<br />
machen unter anderem Gewerkschaften<br />
auf die nach wie vor bestehendeDiskriminierungvonFrauenbeiLohnundGehaltaufmerksam.<br />
Denn der 16. Oktober markierte im<br />
Vorjahr den Tag, ab dem Frauen bei<br />
gleicherTätigkeitquasiunentgeltlich<br />
arbeiten.Zurückgerechnetwirdvom<br />
Jahresende aus gesehen.<br />
In Deutschland liegt die Lücke<br />
zwischen Männer- und Fraueneinkünften<br />
immer noch bei 21 Prozent.<br />
AuchwennderGrundsatz„Gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit“ bei Tarifverdiensten<br />
weitgehend eingelöst<br />
ist, existiert bei Effektiveinkommen<br />
weiterhin ein erhebliches Gefälle.<br />
Dazu trägt auch die ungleiche Bewertunggleicherundgleichwertiger<br />
Arbeit bei. Für die Hans-Böckler-<br />
Stiftung und das Institut Arbeit und<br />
Qualifikation der Universität Duisburg-Essen<br />
haben jüngst Ute Klammer,<br />
Christina Klenner und Sarah<br />
LillemeiereineStudiedazuvorgelegt.<br />
Auch wenn die Arbeit häufig geschlechtsneutralbewertetwird,stellen<br />
die drei Wissenschaftlerinnen<br />
fest, dass psychosoziale AnforderungenundBelastungenauchheute<br />
noch häufig unberücksichtigt bleiben.<br />
Sie werden meist mit WeiblichkeitundMütterlichkeitassoziiert.<br />
Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit<br />
haben Klammer, Klenner und LillemeierdenCW-Indexentwickelt,der<br />
es erlaubt, die beruflichen Anforderungen<br />
und Belastungen geschlechtsneutral<br />
abzubilden.<br />
2013 geltende Rechtsanspruch auf<br />
einen Kita-Platz für Kinder ab dem<br />
zweitenLebensjahrnichtverändert.<br />
SiefordernmehrInfosundniedrigschwelligere<br />
Angebote.<br />
d i e p r e s s e - s h o w ···························································································<br />
die Lupe genommen hat, wenn man<br />
ein Fazit aus der Berichterstattung<br />
in Heft 8/<strong>2018</strong> der stiftungseigenen<br />
Monatszeitschrift„Finanztest“zieht.<br />
Wer dazu noch weiß, dass die<br />
durchschnittlicheLebenserwartung<br />
eines 40jährigen Mannes laut Statistischem<br />
Bundesamt heutzutage<br />
80 Jahre beträgt und die einer<br />
gleichaltrigen Frau auch nur drei<br />
Jahremehr,kannnurzudemSchluss<br />
kommen: Alle Arbeitnehmer/innen,<br />
die sich nicht sicher sind, dass sie<br />
älter als 92 werden, sollten von Betriebsrenten<br />
in Gestalt von Direktversicherungen<br />
per Gehaltsumwandlung<br />
die Finger lassen!<br />
Eine solche oder ähnliche Gewinnwarnung<br />
hätte auch dem ansonsten<br />
recht verdienstvollen Monatsmagazin<br />
der gemeinnützigen<br />
Stiftung Warentest gut zu Gesicht<br />
gestanden, das sich dem Verbraucherschutz<br />
widmet. Stattdessen:<br />
acht großzügig gestaltete Druckseiten<br />
unter den Kolumnentiteln<br />
„Betriebsrente“ und „Direktversicherung“mitsolchstaatstragenden<br />
Feststellungen wie: „Jeder Arbeitnehmer<br />
muss für sich selbst die Vorteile<br />
in der Beitragsphase mit den<br />
Nachteilen in der Rentenphase abwägen.“WelcheVorteiledenn?Wer<br />
einsundeinszusammenzählenkann,<br />
erkenntwedervorhernochnachher<br />
irgendwelche Vorteile für Arbeitnehmer/innen,<br />
Rentner/innen und<br />
die gesetzliche Sozialversicherung.<br />
überschussbeteiligung<br />
„in aussicht“ gestellt<br />
EinestolzeRenditedürftenallerdings<br />
dieVersicherungskonzerneeinstreichen,beidenennachdererwähnten<br />
amtlichen Statistik zur Lebenserwartungzwischen21und48Prozent<br />
der eingezahlten Beiträge „verbleiben“.<br />
Da hätte die interessierte Leser/innenschaft<br />
von „Finanztest“<br />
Konkreteres und Kritischeres erwartetalsdielapidareAnmerkung:„Die<br />
Versicherer haben sich von den gewohnten<br />
Garantien verabschiedet,<br />
stellenstattdesseneinehöhereÜberschussbeteiligung<br />
in Aussicht“ –<br />
und das ein langes Leben lang.<br />
Henrik Müller
p o l i t i s c h e s p a r k e t t<br />
··········································································································· ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong> 3<br />
Passgenaue Lösungen<br />
erwerbsbeteiligung älterer – Starke Zuwächse insbesondere bei den Frauen<br />
(pm)DieErwerbstätigkeitvonÄlteren<br />
ist in allen EU-Ländern deutlich gestiegen.<br />
In Deutschland kletterte<br />
die Erwerbstätigenquote der 55- bis<br />
64-Jährigenzwischen2005und2016<br />
umrund23Prozentpunkteaufknappe<br />
70 Prozent. Das ist der stärkste<br />
Anstieg im EU-weiten Vergleich. An<br />
derSpitzederLänderliegtSchweden<br />
mit rund 75 Prozent Erwerbsbeteiligung.<br />
Am niedrigsten ist sie in<br />
Griechenland mit rund 36 Prozent.<br />
MartinBrussigundArthurKaboth<br />
vomInstitutArbeitundQualifikation<br />
(IAQ)derUniversitätDuisburg-Essen<br />
hatten die Zahlen in einer von der<br />
Hans-Böckler-Stiftung geförderten<br />
Studie ausgewertet. Nach ihrer Untersuchung<br />
bestehen europaweit<br />
große Unterschiede zwischen MännernundFrauen:DieAlterserwerbs-<br />
beteiligung von Männern ist in der<br />
Regel höher als die der Frauen. Die<br />
stärkeren Zuwächse waren zuletzt<br />
allerdings bei den Frauen zu beobachten.<br />
Erwerbstätigkeit ...<br />
....bei den 55- bis 64jährigen (in Prozent)<br />
Schweden<br />
75,5<br />
69,4<br />
Deutschland<br />
68,6<br />
45,5<br />
Italien<br />
50,3<br />
31,4<br />
Frankreich<br />
49,8<br />
38,5<br />
Österreich<br />
49,2<br />
29,9<br />
Spanien<br />
49,1<br />
43,1<br />
Griechenland<br />
38,3<br />
42,0<br />
QUELLE: EUROSTAT <strong>2018</strong>, HANS-BÖCKLER-STIFTUNG<br />
2016<br />
2005<br />
Gut sichtbar<br />
#unteilbar – ver.di zieht als vierter Block im Demozug durch Berlin<br />
(red.) Am 13. Oktober findet in Berlin<br />
die Demonstration #unteilbar für<br />
Solidarität statt Ausgrenzung statt<br />
(„ver.di <strong>news</strong>“ berichtete). Sie wird<br />
auchvonverschiedenenver.di-Gliederungen<br />
unterstützt. Die Auftaktkundgebung<br />
beginnt um 12 Uhr am<br />
Alexanderplatz. Von dort aus setzt<br />
sich gegen 13 Uhr ein DemonstrationszugmitdemZielSiegessäule<br />
in Bewegung. Dort findet die Abschlusskundgebung<br />
statt. Der Demonstrationszug<br />
ist in Blöcke aufgeteilt.<br />
Der ver.di-Block ist in der<br />
Reihung der vierte von vorne. Damit<br />
ver.di optisch gut wahrzunehmen<br />
ist,stehteinMaterialautodes ver.di-<br />
Landesbezirks Berlin-Brandenburg<br />
Gegen Ausgrenzung und Populismus<br />
weiterbildung – Gewerkschaen schlagen einheitliches Bundesgesetz vor<br />
(pm) In Deutschland sollen Zugang,<br />
Teilnahme und Finanzierung der<br />
Weiterbildung durch ein Bundesweiterbildungsgesetzeinheitlichauf<br />
hohemNiveausichergestelltwerden.<br />
Das haben ver.di und die Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft<br />
(GEW) zum Auftakt des Deutschen<br />
Weiterbildungstages Ende September<br />
vorgeschlagen. Weiterbildung<br />
für alle werde nicht nur zu einer entscheidendenFragederInnovationsfähigkeitdesLandes,sondernimmer<br />
mehr auch zu einer Frage sozialer<br />
Gerechtigkeit.<br />
„Wir brauchen einen Rechtsanspruch<br />
auf Weiterbildung und<br />
Förderung“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied<br />
Ute Kittel. Weiterbildung<br />
sei nach wie vor selektiv<br />
und verstärke die soziale Ungleichheit.<br />
Die Infrastruktur der Weiterbildung<br />
sei unsystematisch und<br />
zeichnesichdurcheinenDschungel<br />
von Zuständigkeiten aus. „Deshalb<br />
brauchen wir dringend bundesweit<br />
verbindlicheRegelungen“,soKittel.<br />
FürGEW-VorstandsmitgliedAnsgar<br />
KlingersindWeiterbildungsrätedes<br />
Gebot der Stunde: „Regionale und<br />
nationaleRegelungsinstanzenkönnen<br />
eine Kooperation und Koordination<br />
der vielfältigen Akteure der<br />
Weiterbildung ermöglichen.“ Das<br />
könnemanmiteinemBundesgesetz<br />
regeln, so wie es für die berufliche<br />
Erstausbildung im Berufsbildungsgesetz<br />
geschehe.<br />
Bei der Gestaltung alternsgerechter<br />
Arbeitsbedingungen und der sozialstaatlichen<br />
Absicherung älterer<br />
Beschäftigter sehen die Studienautoren<br />
große Defizite. Sie haben<br />
festgestellt, dass sich die soziale<br />
Ungleichheit beim Altersübergang<br />
vergrößert hat. „Ein guter Teil der<br />
älteren Erwerbstätigen hangelt sich<br />
über Phasen von prekärer TeilzeitbeschäftigungoderArbeitslosigkeit<br />
in Richtung Rente“, sagen Brussig<br />
und Kaboth. Davon betroffen seien<br />
vorallemMenschen,dieinkörperlich<br />
anspruchsvollen Berufen arbeiten<br />
oder unter gesundheitlichen Einschränkungenleiden.FürMenschen,<br />
die zu krank für die Arbeit und zu<br />
gesund für die Rente sind, müsse<br />
es „passgenaue Lösungen“ geben,<br />
fordern die Forscher.<br />
mitFahnen,WestenundTrillerpfeifen<br />
sowie Kartons und Stiften von 11.30<br />
bis 13 Uhr an der Bundesstraße 2 in<br />
Höhe der St. Marienkirche bereit.<br />
Der Demo-Aufruf und Infos zum<br />
Ablauf und zu den verschiedenen<br />
Anreisemöglichkeiten aus der ganzen<br />
Republik unter<br />
www.unteilbar.org<br />
Gesellschaftliche Ausgrenzungen<br />
und zunehmender Populismus stellten<br />
die Weiterbildung vor ebenso<br />
große Herausforderungen wie die<br />
Digitalisierung. Auch geringqualifizierte<br />
und bildungsferne Menschen<br />
müsstenzurWeiterbildungermutigt<br />
werden und die notwendigen Zugangschancen<br />
erhalten. Lebensbegleitendes<br />
Lernen gewinne immer<br />
mehr Bedeutung für die gesamte<br />
Arbeits- und Alltagswelt der Menschen.<br />
Das neue Qualifizierungschancengesetz,<br />
das die Bundesregierung<br />
auf den Weg gebracht hat,<br />
sei zwar ein wichtiger Schritt, aber<br />
keineswegs ausreichend, um in<br />
Deutschland eine neue Weiterbildungskultur<br />
zu etablieren.<br />
heike langenberg ist<br />
die verantwortliche<br />
redakteurin der<br />
„ver.di <strong>news</strong>“<br />
k o m m e n t a r<br />
Am Rande<br />
ihrer Kräfte<br />
Die Erwerbsbeteiligung<br />
älterer Menschen in Europa<br />
steigt. Doch ist das<br />
ein Grund zum Jubeln?<br />
Betrachtet man die Ergebnisse<br />
des jüngst vorgelegten<br />
Altersübergangsreports,<br />
ist es das<br />
mit Sicherheit nicht.<br />
Zwar arbeiten immer<br />
mehr 55- bis 64jährige,<br />
aber es fehlt häufig noch<br />
an alternsgerechten Arbeitsbedingungen.<br />
Gerade<br />
bei gering Qualifizierten,<br />
die in körperlich<br />
belastenden Berufen tätig<br />
sind, ist die Belastung<br />
groß, so groß, dass<br />
sie zum Ende ihres Berufslebens<br />
am Rande ihrer<br />
körperlichen Kräfte<br />
sind. Doch wer früher in<br />
den Ruhestand gehen<br />
möchte, wird mit Abschlägen<br />
bei der Rente<br />
bestraft, und die treffen<br />
hier die Bezieher/innen<br />
oft ohnehin geringer<br />
Rentenzahlungen besonders<br />
hart. Also müssen<br />
sie weiter arbeiten gehen.<br />
Zu krank für die Arbeit,<br />
zu gesund für die<br />
(Erwerbsminderungs)rente<br />
– hier müssen endlich<br />
individuelle Lösungen<br />
her, um denen, die nicht<br />
mehr können, einen Berufsausstieg<br />
in Würde zu<br />
ermöglichen.
4<br />
t a r i f & b e t r i e b<br />
ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong> ·····················································································································································<br />
a l t e n p f l e g e<br />
Tarifkommission<br />
konstituiert<br />
(pm) Ende September<br />
hat sich die ver.di-Tarifkommission<br />
Altenpflege<br />
konstituiert. ver.di-Bundesvorstandsmitglied<br />
Sylvia Bühler kündigte<br />
an, dass sich die Kommission<br />
bei ihren Forderungen<br />
am Tarifvertrag<br />
des öffentlichen Dienstes<br />
orientieren und alle Regelungsmöglichkeiten,<br />
die das Arbeitnehmerentsendegesetz<br />
zulasse,<br />
ausschöpfen wolle. Neben<br />
der Bezahlung habe<br />
für die Mitglieder der Tarifkommission<br />
auch der<br />
Gesundheitsschutz eine<br />
besondere Bedeutung,<br />
weil die Arbeit nicht zuletzt<br />
wegen der viel zu<br />
dünnen Personaldecke<br />
sehr belastend sei. Die<br />
ver.di-Tarifkommission<br />
setzt sich aus<br />
Vertreter/innen aller<br />
ver.di-Landesbezirke und<br />
allen Trägerarten zusammen:<br />
aus kommunalen<br />
Einrichtungen, freigemeinnützigen<br />
– also<br />
weltlichen und kirchlichen<br />
Wohlfahrtsverbänden<br />
– und privaten Pflegekonzernen.<br />
Mit den<br />
weltlichen Wohlfahrtsunternehmen<br />
will ver.di<br />
einen Tarifvertrag verhandeln,<br />
mit Caritas und<br />
Diakonie soll ein angemessener<br />
Weg der Beteiligung<br />
gefunden werden.<br />
Die nächste Sitzung der<br />
Tarifkommission findet<br />
am 22. November statt.<br />
Ziel ist ein Tarifvertrag,<br />
der vom Bundesarbeitsminister<br />
auf das gesamte<br />
Arbeitsfeld erstreckt wird,<br />
und zwar auf die stationäre<br />
und die ambulante<br />
Altenpflege für alle Beschäftigten<br />
dort, nicht<br />
nur für Pflegekräfte.<br />
42 Prozent weniger<br />
celenus – Gewerkschaen aus Europa unterstützten Aufnahme von Tarifverhandlungen<br />
(red.) In der Celenus Reha-Klinik an<br />
der Salza im thüringischen Bad Langensalza<br />
kämpfen seit vielen Monaten<br />
die Beschäftigten für mehr<br />
Lohn. Doch der Arbeitgeber hat bislang<br />
nur mit der Kündigung von<br />
zwei Kolleginnen und der AussperrungvonfünfweiterenStreikaktiven<br />
reagiert („ver.di <strong>news</strong>“ berichtete).<br />
Außerdem droht der Konzern den<br />
Kolleg/innen in der Reinigung und<br />
den Therapeut/innen mit Ausgliederung.<br />
berichte von ähnlichen<br />
vorfällen<br />
Ende September hat ver.di mit Unterstützung<br />
von Kolleg/innen aus<br />
verschiedenen europäischen Ländern<br />
vor der Geschäftsstelle des<br />
Bundesverbands Deutscher Privatkliniken<br />
in Berlin demonstriert. Gefordert<br />
wurden die Wiedereinstellung<br />
der beiden Frauen und die<br />
Aufnahme von Tarifverhandlungen<br />
Ungleiche Bezahlung<br />
douglas – Europas größte Filiale hat jetzt einen Betriebsrat<br />
(pm) Die Filiale der Parfümerie Douglas<br />
in der Frankfurter Zeil hat seit<br />
Ende September einen Betriebsrat.<br />
Sie ist mit knapp 100 Beschäftigten<br />
die größte europäische Filiale der<br />
Kette. Vor etwa drei Monaten hatte<br />
eine Initiativgruppe mit ver.di-Unterstützung<br />
die Vorbereitung der<br />
Wahl begonnen. Anlass war, dass<br />
in Thüringen. Der Grund für den internationalen<br />
Protest: Celenus gehörtzumkommerziellen,europaweit<br />
agierenden Pflegeheim- und Reha-<br />
KonzernOrpea.AlleininDeutschland<br />
betreibt er 166 Einrichtungen. Auch<br />
aus anderen europäischen Ländern<br />
berichtenGewerkschafter/innenvon<br />
ähnlichen Vorfällen.<br />
Von der Konzernleitung Celenus<br />
und der Leitung der Konzernspitze<br />
Orpea in Paris werden die Vorgänge<br />
in der Reha-Klinik an der Salza gedeckt.FranzösischeGewerkschaften<br />
berichten, dass Orpea auch dort<br />
Gewerkschaften behindert und Aktive<br />
bedroht.<br />
„Diese Kolleginnen haben sich jeden<br />
Tag engagiert um ihre Patientinnen<br />
und Patienten gekümmert<br />
und sich in Jahrzehnten nichts zu<br />
Schuldenkommenlassen.Dochjetzt<br />
werden sie auf die Straße gesetzt,<br />
weil sie der Profitmacherei eines<br />
privatenKonzernsimWegestehen”,<br />
sagte ver.di-BundesvorstandsmitgliedSylviaBühlerzudenVorgängen<br />
in Thüringen anlässlich der Kundgebung<br />
in Berlin. Sie wies darauf<br />
hin, dass die Orpea-Gruppe mit<br />
einer operativen Umsatzrendite<br />
von 27 Prozent hochprofitabel sei.<br />
Erzielt würden diese Gewinne auf<br />
Kosten der Beschäftigten. In Bad<br />
Langensalza liege die Bezahlung<br />
nach ver.di-Berechnungen um bis<br />
zu 42 Prozent niedriger als in Kliniken<br />
der Deutschen Rentenversicherung.<br />
deutliche lohnerhöhungen<br />
gefordert<br />
DieBeschäftigteninBadLangensalza<br />
fordern deshalb einen Entgelt-Tarifvertrag<br />
mit deutlichen Lohnerhöhungen.<br />
Dafür sind sie seit Anfang<br />
Juli im Streik. Am 17. Oktober steht<br />
die Gerichtsverhandlung an, in der<br />
über die Rechtmäßigkeit der Kündigung<br />
der beiden Kolleginnen entschieden<br />
werden soll.<br />
t a r i f l i c h e s ······························································································<br />
öffentlicher dienst der länder<br />
– (hla) Anfang kommenden Jahres<br />
beginnt die Tarifrunde für den öffentlichenDienstderLänder.Inihrer<br />
Sitzung Anfang Oktober hat die<br />
ver.di-Bundestarifkommission beschlossen,<br />
die Tarifverträge zum<br />
Ende dieses Jahres zu kündigen. In<br />
denkommendenWochensollinden<br />
ver.di-Bezirken über die Forderung<br />
diskutiert werden. Auf dieser Basis<br />
beschließt dann am 20. Dezember<br />
dieBundestarifkommision.DerVerhandlungsauftaktsollam21.Januar<br />
2019 sein. Verhandelt wird für rund<br />
800 000 Beschäftigte und 22 500<br />
Azubis der Länder, ausgenommen<br />
ist das Land Hessen. Hinzu kommen<br />
2,1 Millionen Beamt/innen und Versorgungsempfänger/innen.<br />
druckindustrie–(pm)InderzweitenVerhandlungsrundefürdierund<br />
134 000 Beschäftigten der DruckindustriehatderBundesverbandDruck<br />
und Medien (bvdm) nur ein nach<br />
Angabenvonver.di„unzureichendes“<br />
Angebot vorgelegt. Danach sollte<br />
es für <strong>2018</strong> eine Einmalzahlung von<br />
400Eurogeben.AbApril2019boten<br />
die Arbeitgeber eine Einkommenserhöhung<br />
um 2,4 Prozent an bei<br />
die Douglas-Geschäftsführung bei<br />
einerBetriebsversammlungoffiziell<br />
vorgegeben hatte, die Tarifverträge<br />
des Einzelhandels anzuwenden. Allerdings<br />
mussten die Beschäftigten<br />
immerwiederfeststellen,dasseinige<br />
vonihnendeutlichschlechterbezahlt<br />
werden. Als die Geschäftsführung<br />
von der Wahl erfahren hatte, versuchte<br />
sie, auf vielfältige Art gegenzusteuern.<br />
Dadurch ließen sich<br />
die Kolleg/innen der Filiale aber<br />
nicht von der Wahl abhalten. Bundesweit<br />
gibt es in etwa 30 Filialen<br />
Betriebsräte, der erste wurde 20<strong>14</strong><br />
im hessischen Offenbach gewählt.<br />
Anfang 2017 wurde ein Gesamtbetriebsrat<br />
gewählt.<br />
einerLaufzeitdesTarifvertragesvon<br />
24 Monaten. Für 2020 verweigerten<br />
dieArbeitgebereineLohnerhöhung.<br />
Die Kolleg/innen in der Druckindustriehätten„deutlichmehrverdient“,<br />
sagte ver.di-Verhandlungsführer<br />
Frank Werneke. Geld sei vorhanden,<br />
die Druckindustrie dürfe nicht von<br />
der allgemeinen Lohnentwicklung<br />
abgekoppelt werden. Die Arbeitgeber<br />
haben auch den bestehenden<br />
Manteltarifvertrag gekündigt, den<br />
sie zum Nachteil der Beschäftigten<br />
der Branche stark verändern wollen.<br />
Die dritte Verhandlungsrunde soll<br />
am 19. Oktober in Berlin stattfinden.
t a r i f & b e t r i e b<br />
··········································································································· ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong><br />
Streikrecht in Frage gestellt<br />
ryanair – Unternehmen kündigt Standortschließungen an<br />
(red.) Ende September haben in verschiedenen<br />
europäischen Ländern<br />
BeschäftigtederBilligflugairlineRyanair<br />
gestreikt. Die Reaktion der<br />
Fluggesellschaft:SiekündigteStandortschließungen<br />
und Kapazitätsreduzierungen<br />
an. So soll die Station<br />
in Bremen, an der 90 Beschäftigte<br />
arbeiten, geschlossen werden, im<br />
niederrheinischen Weeze soll die<br />
Anzahl der Flugzeuge von fünf auf<br />
drei reduziert werden. Das UnternehmenbegründetdieMaßnahmen<br />
in einem Schreiben unter anderem<br />
mit den Arbeitsniederlegungen. An<br />
beiden Standorten hatten sich viele<br />
BeschäftigteandenWarnstreiksbeteiligt.<br />
Später war von „wirtschaftlichen<br />
Entscheidungen“ die Rede.<br />
„Wir fordern Ryanair auf, diese<br />
Entscheidung sofort zurückzunehmen<br />
und nicht die Existenz der Beschäftigten<br />
zu bedrohen“, sagte<br />
ver.di-Bundesvorstandsmitglied<br />
ChristineBehle.Ryanairzeigedamit<br />
erneut, dass das irische Unternehmen<br />
das deutsche Recht auf Streik<br />
unterminiere.Bereitsindenzurückliegenden<br />
Wochen war es zu massiven<br />
Einschüchterungsversuchen<br />
gegenüber Beschäftigten gekommen.<br />
So ließ der Lowcoster Streikende<br />
durch Vorgesetzte beobachten<br />
und fotografieren und erklärte,<br />
dass der Streik illegal sei, weil er<br />
nicht angekündigt worden sei.<br />
streikende überwacht<br />
Am 12. September hatten die Kabinenbeschäftigten<br />
von Ryanair bundesweit<br />
zum ersten Mal gestreikt.<br />
Schon damals hatte das Unternehmen<br />
an mehreren Flughäfen Führungskräfte<br />
eingesetzt, die Streikende<br />
fotografiert und überwacht<br />
hatten („ver.di <strong>news</strong>“ berichtete).<br />
Darüberhinaus wurden alle StreikendenmitdemStatus„unerlaubter<br />
EntzugderArbeitskraft“(„noshow“)<br />
versehen. Ryanair stellte damit das<br />
Streikrecht ihrer Beschäftigten infrage,<br />
so Behle. ver.di prüfe juristische<br />
Schritte wegen der versuchten<br />
Einschränkung des Streikrechts, ein<br />
Grundrecht von Beschäftigten.<br />
IndenvergangenenMonatensind<br />
immer mehr Ryanair-Beschäftigte<br />
ver.di-Mitglied geworden, weil ihre<br />
Arbeitsbedingungenmiessind.„Wir<br />
sind mit unseren Forderungen noch<br />
nicht einmal beim Niveau anderer<br />
Billiganbieter“,sagtver.di-Verhandlungsführerin<br />
Mira Neumaier. Ein<br />
erstes Ziel seien erst einmal gesicherte<br />
Einkommen. In der ersten<br />
Verhandlungsrunde hatte Ryanair<br />
zwar zugesagt, nationale Verträge<br />
abschließen zu wollen, hatte dies<br />
aber erst zum Jahr 2022 in Aussicht<br />
gestellt. Das ist für ver.di aber viel<br />
zu spät.<br />
Abschied aus der Tarifbindung<br />
madsack mediengruppe – Neueinstellungen von Redakteur/innen in tarifloser Gesellscha<br />
(pm) Redakteur/innen der „Hannoverschen<br />
Allgemeinen Zeitung“<br />
(HAZ) sollen künftig nur noch in der<br />
tariflosen Gesellschaft der Heimatzeitungen<br />
angestellt werden. Darüber<br />
sind die Redaktionen von HAZ<br />
und Heimatzeitungen informiert<br />
worden.Außerdemsollensiekünftig<br />
in einem Gemeinschaftsbetrieb zusammenarbeiten.<br />
Die Landessprecherin<br />
der Deutschen Journalistinnen-undJournalisten-Unioninver.di,<br />
Annette Rose, und der Landesvorsitzende<br />
des Deutschen Journalisten-Verbandes,<br />
Frank Rieger, sehen<br />
darin den Anfang vom endgültigen<br />
Abschieds Madsacks aus der Tarifbindung.<br />
In Hannover werde nun<br />
ein Schritt vollzogen, der schon in<br />
Rostock, Lübeck und Südniedersachsen<br />
zu Zwei-Klassen-GesellschaftenindenRedaktionengeführt<br />
habe.DortarbeitenRedakteur/innen<br />
mit guten tarifgebundenen Altverträgen<br />
mit Jungredakteur/innen zusammen,<br />
die bis zu 20 Prozent weniger<br />
verdienten.<br />
Mehr Personal und gute Löhne<br />
bodenverkehrsdienste – Internationaler Aktionstag für mehr Sicherheit an Flughäfen<br />
(red.) Die Europäische Union hat die<br />
Marktöffnung an Flughäfen forciert.<br />
Die Folge ist ein gnadenloser Absenkungswettbewerbmitniedrigen<br />
Lohnkosten für die Anbieter von<br />
sogenanntenBodenverkehrsdienstleistungen.<br />
Immer weniger Personal,<br />
das immer unzureichender ausgebildet<br />
sei, müsse immer mehr<br />
sicherheitsrelevanteAufgabenübernehmen,<br />
sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied<br />
Christine Behle.<br />
Beschäftigte in ausgegliederten<br />
Tochterunternehmen der Flughäfen<br />
oder bei privaten Anbietern hätten<br />
zudem bis zu 30 Prozent weniger<br />
EinkommenalsandereBodendienstbeschäftigte.<br />
Daherhattever.diAnfangOktober<br />
im Rahmen eines internationalen<br />
Aktionstages für existenzsichernde<br />
undgesundheitserhaltendeArbeitsbedingungen<br />
an den Flughäfen<br />
weltweit zu einem bundesweiten<br />
Aktionstagaufgerufen.DerAktionstag<br />
fand gemeinsam mit der InternationalenTransportarbeiter-Föderation<br />
(ITF) statt. Bundesweit<br />
beteiligensichBodendienstbeschäftigteinBerlin,Hannover,Köln,Düsseldorf,<br />
Frankfurt, München und<br />
Stuttgart an dem Aktionstag.<br />
5<br />
GemeinsammitFlughäfenauszwölf<br />
Ländern, an denen fast 38 Prozent<br />
desweltweitenLuftreiseverkehrserfolgt,fordertver.didieLuftverkehrsbranche<br />
dazu auf, deutlich mehr<br />
Personal zu beschäftigen, bessere<br />
Qualifikationenzuermöglichenund<br />
gute Löhne für die Bodendienstbeschäftigten<br />
zu zahlen. Hier seien<br />
sowohl die Anbieter der Dienstleistungen<br />
als auch die Luftfahrtgesellschaften<br />
in der Pflicht, betonte<br />
Behle. ver.di forderte einen bundesweit<br />
einheitlichen Branchentarifvertrag.<br />
www.verdi-airport.de<br />
bundesarbeitsminister<br />
hubertus heil, spd, im<br />
bundestag nach einem<br />
besuch bei streikenden<br />
ryanair-beschäftigten<br />
am flughafen berlinschönefeld<br />
r e d e<br />
Ein gutes Recht<br />
„(...) Es ist nicht üblich,<br />
dass sich Politik und<br />
Staat oder auch die Bundesregierung<br />
in Tarifauseinandersetzungen<br />
einschalten.<br />
Aber ich muss<br />
Ihnen sagen: Nach dem,<br />
was ich da heute erlebt<br />
habe, ist es wichtig, dass<br />
wir in diesem Haus – es<br />
waren Vertreter der CDU,<br />
der Grünen, der Linken,<br />
auch der SPD dankenswerterweise<br />
da – eines<br />
deutlich machen: Wenn<br />
Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmer nach Artikel<br />
9 unseres Grundgesetzes<br />
ihr verbrieftes<br />
Recht auf Koalitionsfreiheit<br />
in Anspruch nehmen,<br />
wenn sie auch streiken,<br />
dann ist das ein gutes<br />
Recht. Was ich heute erlebt<br />
habe, ist, dass eine<br />
Unternehmensleitung<br />
versucht hat, streikende<br />
Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmer zu bedrohen<br />
und zu drangsalieren.<br />
Deshalb will ich an<br />
dieser Stelle im Parlament<br />
(...) eines deutlich<br />
sagen: Deutschland ist<br />
keine Bananenrepublik.<br />
Wir sind ein sozialer<br />
Rechtsstaat. Wer Globalisierung<br />
zur Ausbeutung<br />
missbraucht, wie das bei<br />
Ryanair der Fall ist, muss<br />
unseren entschiedenen<br />
Widerstand erfahren (...).”<br />
Kappeler/dpa-Bildfunk
6<br />
r<br />
e c h t & r a t<br />
ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong> ·····················································································································································<br />
auch das noch<br />
Wer zu spät kommt<br />
Ausschlussfrist oft hinfällig<br />
bag-urteil – Hohe Nachforderungen möglich – Indirekte Folge des Mindestlohngesetzes<br />
(ku/hem) Nach ihrem<br />
Vorsitzenden (siehe<br />
NEWS 13/<strong>2018</strong>) hat im<br />
August auch die Gewerkschaft<br />
Deutscher Lokomotivführer<br />
(GDL) als Organisation<br />
eine<br />
Niederlage vor einem<br />
Obergericht hinnehmen<br />
müssen, wie das Internetportal<br />
www.kostenlo<br />
se-urteile.de berichtet.<br />
Es ging um den Ausschluss<br />
eines ihrer zwei<br />
stellvertretenden Bundesvorsitzenden<br />
wegen<br />
„nachhaltig und schwerwiegend<br />
schädigenden<br />
Verhaltens“. Die GDL<br />
hatte ihm u.a. vorgeworfen,<br />
er habe Beiträge<br />
nicht oder nicht korrekt<br />
gezahlt, bei der Betriebsratswahl<br />
auf einer sogenannten<br />
„freien Liste”<br />
kandidiert sowie im<br />
März 2015 gegenüber<br />
einer Zeitung die Streiks<br />
der Lokführer gegen<br />
die Deutsche Bahn als<br />
„falsch und schädlich für<br />
Deutschlands älteste Gewerkschaft”<br />
bezeichnet.<br />
Für eine Gewerkschaft<br />
seien die Solidarität ihrer<br />
Mitglieder und ein<br />
geschlossenes Auftreten<br />
nach außen von besonderer<br />
Bedeutung, bestätigte<br />
das Oberlandesgericht<br />
Frankfurt/Main<br />
(OLG). Von daher hätte<br />
es für die GDL nahegelegen,<br />
auf diese Äußerungen<br />
umgehend mit einem<br />
Ausschluss zu<br />
reagieren, so das Gericht.<br />
Tatsächlich habe<br />
die Gewerkschaft jedoch<br />
fast sechs Monate<br />
abgewartet und damit<br />
deutlich gemacht, dass<br />
ihr eine weitere Hinnahme<br />
der Mitgliedschaft<br />
offensichtlich nicht unzumutbar<br />
gewesen sei.<br />
Der Ausschluss sei daher<br />
juristisch unwirksam.<br />
Aktenzeichen:<br />
4 U 234/17<br />
(hem)GünstigfürvieleBeschäftigte:<br />
Eine arbeitsvertragliche Klausel,<br />
nach der ohne jede Einschränkung<br />
alle beiderseitigen Ansprüche aus<br />
demArbeitsverhältnisunddemnach<br />
auch der gesetzliche Mindestlohn<br />
nacheinerbestimmtenFristverfallen,<br />
ist komplett rechtsunwirksam – jedenfalls<br />
dann, wenn der Arbeitsvertrag<br />
nach dem 31. Dezember 20<strong>14</strong><br />
abgeschlossen worden ist.<br />
komplett rechtsunwirksam<br />
So hat es im September der Neunte<br />
Senat des Bundesarbeitsgerichts<br />
(BAG)entschieden.Esgingumeinen<br />
Fußbodenleger, dem nach seinem<br />
Ausscheiden aus dem Betrieb die<br />
Urlaubsabgeltung in Höhe von<br />
1687,20 Euro vorenthalten worden<br />
war, weil er sie nicht innerhalb der<br />
arbeitsvertraglichvereinbartenAusschlussfrist<br />
geltend gemacht habe.<br />
DieErfurterRichter/innenargumentierten,dieseAusschlussklauselverstoßegegenParagraf307Abs.1Satz<br />
2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
(BGB), demzufolge solche Bestimmungennämlich„klarundverständlich“<br />
sein müssen.<br />
aktuelles<br />
alsentgeltfortzahlungunverfallbar–(bag)DieGeltendmachungvonEntgeltfortzahlungim<br />
KrankheitsfalleinertariflichenAus-<br />
(red./dgb-rs)AufUnverständnisund<br />
BedauernistbeimDGB-Rechtsschutz<br />
eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts<br />
vom 25. September<br />
gestoßen, nach der Arbeitnehmer/innen<br />
keinen Anspruch haben<br />
auf die sogenannte Verzugspauschale.<br />
Das ist ein pauschalierter<br />
Schadenersatz,aufdenlautBürgerlichem<br />
Gesetzbuch (BGB) ein Gläubiger<br />
Anspruch hat, wenn der<br />
Schuldner mit der fälligen Zahlung<br />
im Verzug.<br />
Im Paragrafen 288 BGB heißt es<br />
seit 2016 – in Umsetzung einer EU-<br />
Richtlinie–dazuu.a.:„DerGläubiger<br />
einer Entgeltforderung hat bei Verzug<br />
des Schuldners […] außerdem<br />
einen Anspruch auf Zahlung einer<br />
Pauschale in Höhe von 40 Euro.“ Im<br />
ArbeitslebenwürdensiezumBeispiel<br />
dann fällig, wenn Lohn oder Gehalt<br />
zu spät gezahlt werden. Diese Auffassung<br />
haben sich – auf entsprechende<br />
Klagen hin – auch fast alle<br />
Landesarbeitsgerichte zu eigen gemacht.<br />
Nur der Achte Senat des<br />
Bundesarbeitsgerichts(BAG)istder<br />
Rechtsauffassung der Arbeitgeber<br />
gefolgt: Die 40-Euro-Pauschale sei<br />
durch eine Regelung im Arbeitsgerichtsgesetz<br />
ausgeschlossen, nach<br />
Und das sind sie laut BAG nicht,<br />
wenn sie pauschal alle beiderseitigen<br />
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis<br />
und damit – stillschweigend<br />
– auch den Mindestlohn<br />
umfassen. Denn letzteres ist wiederum<br />
nach Paragraf 3 Satz 1 des Mindestlohngesetzes<br />
(MiLoG) unzulässig:<br />
„Vereinbarungen, die den<br />
Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten<br />
oder seine Geltendmachung<br />
beschränken oder ausschließen,sindinsoweitunwirksam.“Nach<br />
dervorliegendenBAG-Entscheidung<br />
gilt:<br />
• HinfälligsindalleVerfallsklauseln,<br />
die nicht klarstellen, dass jedenfalls<br />
der gesetzliche Mindestlohn unverfallbar<br />
ist.<br />
• Stattdessen gilt Paragraf 195 des<br />
BGB:„DieregelmäßigeVerjährungsfrist<br />
beträgt drei Jahre.”<br />
• Betroffen sind praktisch alle Ansprüche<br />
(nicht nur der auf den Mindestlohn)ausallenArbeitsverträgen,<br />
die nach dem 31. Dezember 20<strong>14</strong><br />
abgeschlossen worden sind, seien<br />
sie bereits beendet oder noch in<br />
Kraft.<br />
DasUnternehmer-Magazin„Wirtschaftswoche“siehtmitderhöchst-<br />
richterlichen Entscheidung „hohe<br />
Nachforderungen“ auf die Arbeitgeber<br />
zukommen und zitiert einen<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht: „Das<br />
Urteil ist ein Erdbeben.“ Weiter:<br />
„Die allerwenigsten unmittelbar<br />
nach Einführung des MindestlohngesetzesgeschlossenenArbeitsverträge<br />
dürften eine wirksame Ausschlussfrist<br />
enthalten.“<br />
forderungen geltend machen<br />
In der Tat besteht jetzt – auch nach<br />
AuffassungdesDGB-Rechtsschutzes<br />
(www.dgb-rechtsschutz.de) – für<br />
Arbeitnehmer/innendieMöglichkeit,<br />
„etwaig noch offene Forderungen<br />
gegenüberihrenfrüherenArbeitgebern<br />
zu verfolgen“. Aber auch in<br />
bestehenden Arbeitsverhältnissen<br />
dürften – unter den genannten Voraussetzungen<br />
– Ansprüche aus früheren<br />
Jahren gerichtlich durchsetzbarsein,diebereitsgeltendgemacht<br />
sind oder noch werden. Ansprüche<br />
aus dem Jahre 2015 verjähren nach<br />
demerwähntenParagrafen195BGB<br />
allerdings mit dem 31. Dezember<br />
<strong>2018</strong>.<br />
Aktenzeichen: 9 AZR 162/18<br />
urteil·······················································································<br />
schlussfristzuunterwerfen,istmög-<br />
lich.JedochistsienachParagraf3<br />
Satz1desMindestlohngesetzes(Mi-<br />
LoG)insoweitunwirksam,alssie<br />
auchdenfortzuzahlendengesetzlichenMindestlohnerfasst,entschied<br />
dasBundesarbeitsgericht.<br />
Aktenzeichen:9AZR162/18<br />
VerzugspauschalefürBeschäftigteabgelehnt<br />
schadenersatz–BeiverspätetenZahlungenfolgtdasBAGArgumentenderArbeitgeber<br />
dessen Paragrafen 12 a die Parteien<br />
keinen Anspruch auf die Erstattung<br />
vonaußergerichtlichenKostendurch<br />
den Prozessgegner haben.<br />
DGB-Rechtssekretär Till Bender<br />
ist von dem BAG-Urteil enttäuscht:<br />
Der Gesetzgeber habe sich von der<br />
Pauschale eine bessere Zahlungsmoral<br />
erhofft. Es sei nicht nachzuvollziehen,warumArbeitnehmer/innen<br />
davon ausgenommen werden<br />
sollen, die auf pünktliche Zahlung<br />
ihrer Löhne und Gehälter angewiesenseien,weilsieMieteundandere<br />
laufendeKostenbegleichenmüssen.<br />
Aktenzeichen: 8 AZR 26718
i n t e r n a t i o n a l e s<br />
··········································································································· ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong><br />
Gemeinsamer Kampf<br />
t-mobile us – Neutralitätsabkommen soll Gewerkscha den Weg ebnen<br />
7<br />
(hla) 2001 hat die Deutsche Telekom<br />
den US-amerikanischen Mobilfunkanbieter<br />
VoiceStream übernommen.<br />
ZurzeitistT-MobileUSderdrittgrößte<br />
Anbieter der Vereinigten Staaten.<br />
Doch auf Mitbestimmung warten<br />
die Beschäftigten in den USA immer<br />
noch. Das liegt nicht allein am amerikanischen<br />
System, in dem sich<br />
50 Prozent der Beschäftigten bei einer<br />
Abstimmung für die Vertretung<br />
ihrerInteressendurcheinebestimmte<br />
Gewerkschaft aussprechen müssen.<br />
Das Management der Telekom-<br />
Tochter setzt die Beschäftigten<br />
massiv unter Druck, wenn es um<br />
Kontakte zur Gewerkschaft Communications<br />
Workers of America<br />
(CWA) geht.<br />
Mittlerweile wurde T-Mobile US<br />
wiederholt durch die oberste USamerikanische<br />
Behörde zur ÜberwachungdesArbeitsrechts,dasNationalLaborRelationsBoards(NLRB),<br />
wegen Verstößen gegen das Arbeitsrecht<br />
und Unterdrückung<br />
der Gewerkschaft verurteilt. Dabei<br />
ging es unter anderem um die Überwachung<br />
gewerkschaftlicher Aktivitäten<br />
von Beschäftigten und die<br />
Bildung einer unternehmensdominierten<br />
Gewerkschaft namens T-<br />
Voice.<br />
Gemeinsam mit ver.di kämpft die<br />
CWA seit vielen Jahren gegen die<br />
Behinderung der Gewerkschaftsarbeit,versucht,aufdasManagement<br />
der Deutschen Telekom Druck auszuüben.Dochdasberuftsichdarauf,<br />
Solidarisch sein<br />
Die TU ist die Gewerkschaft für die T-<br />
Mobile-Beschäftigten in den USA.<br />
2008 wurde sie von ver.di und der CWA<br />
gemeinsam gegründet. Sie dient als<br />
Plattform, so lange es keine Anerkennung<br />
der CWA bei der T-Mobile USA gibt.<br />
Seit gut einem Jahr können auch ver.di-<br />
Mitglieder in die TU eintreten. Das ist ein<br />
solidarischer Akt, es sind dafür keine<br />
Mitgliedsbeiträge fällig, es entstehen<br />
aber auch keine Rechtsansprüche. Die<br />
amerikanischen Kolleg/innen stärkt diese<br />
symbolische Unterstützung in ihrem<br />
langwierigen Kampf für ihre Rechte<br />
www.weexpectbetter.org/tu-mitgliedwerden<br />
sich nicht in das operative Geschäft<br />
der US-Tochter einmischen zu können.<br />
„Eine gehörige Portion Dreistigkeit“,<br />
nannte der ver.di-VorsitzendeFrankBsirskejüngstbeieiner<br />
Tagung des Konzernbetriebsrats in<br />
Berlin diese Behauptung. Er sieht<br />
gleichzeitigdieBundesregierungin<br />
der Pflicht, denn über 30 Prozent<br />
derAktiensindinStaatsbesitz.Damit<br />
ist sie der größte Anteilseigner.<br />
„Die US-Beschäftigten sollen sich<br />
frei und ohne Angst für eine Gewerkschaft<br />
entscheiden können“,<br />
sagte Bsirske. Dazu sei ein Neutralitätsabkommen<br />
notwendig. Jenny<br />
Jungehülsing, die bis vor Kurzen für<br />
die gemeinsame Kampagne „We<br />
expect better“ gearbeitet hat, berichtete<br />
in ihrem Vortrag von zahlreichen<br />
deutschen und anderen<br />
europäischenUnternehmen,dieein<br />
solches Abkommen unterzeichnet<br />
haben.<br />
Auch für Jennifer Abruzzo von der<br />
CWA, die zuvor lange beim NLRB<br />
gearbeitet hat, fällt das Verhalten<br />
von T-Mobile US negativ auf. „Es<br />
ist anders als andere Unternehmen.<br />
Es hat keinen Respekt vor amerikanischen<br />
Arbeitsgesetzen und vor<br />
Behörden“, sagte sie. Sie bedankte<br />
sich für die Unterstützung aus<br />
Deutschland und forderte die Kolleg/innen<br />
hierzulande auf, nicht<br />
nachzulassen. Es sei in den USA<br />
nichtungewöhnlich,dassesmehrere<br />
Jahredauert,bisdieGewerkschaften<br />
Einfluss nehmen könnten.<br />
Daher hatte der Konzernbetriebsrat<br />
auch die Politiker Beate Müller-<br />
GemmekevondenGrünenundThorbenAlbrechtvonderSPDeingeladen.<br />
Beide sagten zu, das Verhalten der<br />
Deutschen Telekom in den entsprechendenpolitischenGremienweiter<br />
zum Thema zu machen. Wie wichtig<br />
das auch für Telekom-Beschäftigte<br />
in Deutschland ist, machte der Konzernbetriebsratsvorsitzende<br />
Jupp<br />
Bednarski klar. Es zeige sich, dass<br />
auchdieTelekomArbeiteninLänder<br />
verlagere, in denen „Arbeitnehmerrechte<br />
mit den Füßen getreten<br />
werden“. Daher müsste sich auch<br />
dieArbeitvonGewerkschaftenstärker<br />
internationalisieren.<br />
www.weexpectbetter.org<br />
stephan heggemann<br />
ist betriebsratsmitglied<br />
bei der deutsche telekom<br />
service gmbh (dts),<br />
regionalbetrieb west<br />
i n t e r v i e w<br />
Man wird<br />
demütig<br />
Du war mehrfach in<br />
den USA. Wie sind<br />
deine Eindrücke?<br />
Wenn man vor Ort erlebt,<br />
wie die Kolleginnen und<br />
Kollegen in den USA für<br />
Rechte kämpfen müssen,<br />
die selbstverständlich<br />
sein sollten, wird man<br />
ganz demütig. Ich denke<br />
dann, über was regen<br />
wir uns eigentlich auf?<br />
Die Beschäftigten dort<br />
haben Angst vor Kontakt<br />
mit der Gewerkschaft.<br />
Wenn man weiß, dass sie<br />
dafür vom Arbeitgeber<br />
zur Rede gestellt und<br />
schikaniert werden, ist<br />
das verständlich. Die Gewerkschaften<br />
machen<br />
einen guten Job, aber es<br />
ist enorm aufwändig,<br />
wenn du Leute nur bei<br />
Hausbesuchen ansprechen<br />
kannst.<br />
Pilotabkommen geschlossen<br />
brasilien – Verbesserte Arbeitsbedingungen bei der Orangensa-Produktion<br />
(pm) Erstmals hat die Gewerkschaft<br />
der Landarbeiter in Brasilien ein Pilotabkommen<br />
über die VerbesserungenderArbeitsbedingungenmit<br />
einem der drei größten Orangensaftproduzenten<br />
vereinbart. Im Oktober<br />
soll auf einer Plantage der<br />
LouisDreyfusCompanyvonGewerkschaftsvertretern<br />
ein sogenanntes<br />
Mapping zur Feststellung von Gefahren<br />
für die Gesundheit und Sicherheit<br />
auf den Plantagen durchgeführt<br />
werden.<br />
Dabei haben die Gewerkschaftsvertreter/innen<br />
erstmals freien Zugang<br />
zu den Beschäftigten. Ziel ist<br />
es, die Arbeitsbedingungen in dem<br />
Unternehmenzuverbessern.Initiiert<br />
wurde das Abkommen durch das<br />
internationaleOrangensaftnetzwerk,<br />
deminDeutschlandver.diundaktive<br />
BetriebsräteausdemLebensmittel-<br />
Einzelhandelangehören.Koordiniert<br />
wird der Zusammenschluss durch<br />
das Gewerkschaftsnetzwerk „tie<br />
global“. 80 Prozent des weltweit<br />
gehandeltenOrangensaftsausKonzentrat<br />
stammt aus Brasilien.<br />
Deutschland ist der zweitgrößte<br />
Nachfragemarkt weltweit.<br />
InDeutschlandbegrüßtendieRewe-Gruppe<br />
und Kaufland als große<br />
OrangensaftabnehmerdasAbkommen.<br />
Sie hatten die Initiative des<br />
Orangensaftnetzwerks immer wieder<br />
unterstützt. ver.di-BundesvorstandsmitgliedStefanieNutzenberger<br />
nannte das Abkommen<br />
„bahnbrechend, auch wenn noch<br />
viele weitere Schritte notwendig<br />
sind,umgesundeArbeitsbedingungen,<br />
existenzsichernde Löhne und<br />
Gewerkschaftsrechte im brasilianischen<br />
Orangensaftsektor durchzusetzen”.DieErgebnissesollenEnde<br />
Oktober vorgestellt und VerbesserungenzwischenUnternehmenund<br />
Gewerkschaften diskutiert werden.<br />
Wie kannst Du deine<br />
Kolleg/innen für das<br />
Thema sensibilisieren?<br />
In unserem Regionalbetrieb<br />
gibt es drei Patenschaften,<br />
daher informieren<br />
wir regelmäßig<br />
bei Betriebsversammlungen<br />
mit einem Infostand.<br />
Viele sind erschüttert,<br />
sagen aber auch, dass<br />
sie andere, eigene Probleme<br />
haben. Seit die<br />
Telekom stärker in Südosteuropa<br />
aktiv ist, merken<br />
viele, dass die Auswirkungen<br />
von<br />
schlechteren Arbeitsbedingungen<br />
dort auch uns<br />
betreffen.
u n t e w i e s e<br />
8 ver.di <strong>news</strong> <strong>14</strong> · 13. Oktober <strong>2018</strong><br />
wolfgang niess:<br />
die revolution von<br />
1918/19. der wahre<br />
beginn unserer<br />
demokratie, europaverlag,<br />
münchen,<br />
465 seiten, 24,90 euro,<br />
isbn 978-3958900745<br />
ver.di <strong>news</strong><br />
erscheint <strong>14</strong>-täglich<br />
herausgeber:<br />
vereinte dienstleistungsgewerkschaft<br />
ver.di,<br />
frank bsirske, vorsitzender<br />
chefredaktion:<br />
dr. maria kniesburges<br />
redaktion: heike langenberg<br />
(verantwortlich), marion<br />
lühring, jenny mansch<br />
layout: helmut mahler<br />
infografik: klaus niesen<br />
cartoon: kostas<br />
koufogiorgos/tooonpool.com<br />
druck: alpha print medien ag,<br />
darmstadt<br />
adresse: redaktion ver.di <strong>news</strong>,<br />
paula-thiede-ufer 10,<br />
10179 berlin,<br />
tel.: 030 / 69 56 1069,<br />
fax: 030 / 69 56 3012<br />
verdi-<strong>news</strong>@verdi.de<br />
www.verdi-<strong>news</strong>.de<br />
hinweis: die ausgabe 15<br />
erscheint am 27. oktober <strong>2018</strong><br />
www.verdi.de<br />
Gummi<br />
„Das Ladenöffnungsgesetz<br />
wird derzeit<br />
in Berlin gedehnt wie<br />
ein Gummiband.“<br />
Andreas Splanemann,<br />
Sprecher es ver.di-<br />
Landesbezirks Berlin-<br />
Brandenburg. In der<br />
Hauptstadt hatten trotz<br />
gerichtlichen Verbots<br />
am 30. September viele<br />
Einkaufszentren<br />
geöffnet<br />
Sternstunde der Demokratie<br />
b u c h t i p p – Wolfgang Niess fordert eine Neubewertung der Revolution von 1918/19<br />
Mit der rechtspopulistischen Zerstörung<br />
in Europa beschäftigt sich<br />
ver.di in ihrer Reihe Sichtweisen<br />
am 17. Oktober von 18 bis 20 Uhr in<br />
derver.di-Bundesverwaltung.Referent<br />
ist Klaus Busch, Professor für<br />
Europäische Studien an der Uni Osnabrück<br />
und europapolitischer Beratervonver.di.Anmeldungenunter<br />
sichtweisen@verdi.de<br />
DieDienstleistungsbrancheist<br />
im Umbruch. Die Arbeit in diesem<br />
Bereich hat an Bedeutung für BeschäftigungundWertschöpfunggewonnen.BeieinerTagungvonver.di<br />
und der Hans-Böckler-Stiftung am<br />
10./11. Januar 2019 in Berlin steht<br />
dieses Thema im Mittelpunkt. Referent/innenundProgrammwerden<br />
noch bekannt gegeben.<br />
Im November 1918 weigern sich die<br />
Matrosen der vor Wilhelmshaven<br />
liegenden Hochseeflotte, zum Gefecht<br />
gegen die Royal Navy auszulaufen.DieNiederlagederDeutschen<br />
im Ersten Weltkrieg ist für sie zu diesem<br />
Zeitpunkt klar absehbar, in anderen<br />
Städten an der Küste ist es<br />
bereits zu Aufständen von Arbeitern<br />
und Soldaten gekommen, sie haben<br />
Räte installiert. Sie erwarten den<br />
Waffenstillstand,dieAbdankungdes<br />
Kaisers. Am 9. November, nach der<br />
Abdankung, wird gleich zwei Mal<br />
die Republik ausgerufen. Einmal die<br />
Deutsche Republik durch den Sozialdemokraten<br />
Philipp Scheidemann,<br />
dann, zwei Stunden später, die freie<br />
sozialistische Republik durch den<br />
Sozialisten Karl Liebknecht.<br />
FürdenHistorikerWolfgangNiess<br />
ist dies die „größte und erfolgreiche<br />
Massenbewegung in der deutschen<br />
Geschichte“. Daher trägt sein Buch<br />
über die Ereignisse nach dem Ende<br />
desErstenWeltkriegsdenUntertitel<br />
„Der wahre Beginn unserer Demokratie“.<br />
Als solcher werde sie in der<br />
Geschichtsschreibung jedoch nicht<br />
gewürdigt. Die Bewertung dieser<br />
Zeit sei in Deutschland der Stempel<br />
einer Dolchstoßlegende, der ihr in<br />
denJahren1933bis1945aufgedrückt<br />
worden ist.<br />
Viele der Errungenschaften dieser<br />
Revolution sind heute selbstverständlich.<br />
Das Frauenwahlrecht<br />
zählt ebenso dazu wie die Verankerung<br />
von freiheitlichen und sozialen<br />
Grundrechten in der Verfassung,<br />
der Achtstundentag und die Tarifpartnerschaft<br />
zwischen Unternehmerverbänden<br />
und Gewerkschaften,<br />
Betriebsräte und die Mitbestimmung.<br />
Weil das vielen nicht<br />
mehr bewusst sei, hält Niess es für<br />
wichtig, die Sichtweise auf diese<br />
Zeit wieder auf eine andere Basis<br />
zu stellen.<br />
Mit seinem Buch leistet er einen<br />
wichtigen Beitrag dazu. In 30 Kapiteln<br />
beschreibt er, gut lesbar, historisch<br />
fundiert aber dennoch nicht<br />
wissenschaftlich verkopft, die Tage<br />
Die Kollegin Martina Boll ist Mitte<br />
September im Alter von 39 Jahren<br />
gestorben. Die Betriebsrätin aus<br />
dem Einzelhandel hatte ihre hauptamtlichegewerkschaftlicheTätigkeit<br />
2011 als Mitarbeiterin im Sekretariatsbereich<br />
für verschiedene Fachbereiche<br />
und die Geschäftsführung<br />
des ver.di-Bezirks Stuttgart begonnen.<br />
Seit dem 1. April 2016 war sie<br />
als Gewerkschaftssekretärin für die<br />
Abteilung Organisation und Finanzen<br />
im Bezirk Stuttgart zuständig.<br />
„Martina war mit Leib und Seele Gewerkschafterin.<br />
Sie repräsentierte<br />
denver.diBezirkStuttgartvorbildlich<br />
aufvielenAktionen,Veranstaltungen<br />
undStreiks“,heißtesineinemNachruf<br />
des ver.di-Landesbezirks Baden-<br />
Württemberg.<br />
der Revolution im Winter 1918/19<br />
und ihre unmittelbaren Folgen. Er<br />
zeigt, wie die Weimarer Verfassung<br />
entsteht, und führt auf, wie schon<br />
nahezu zeitgleich die Gegenrevolutioninkonservativenundnationalen<br />
Kreisen ihren Anfang nimmt. So<br />
bricht die Revolution zusammen,<br />
Deutschland ist ein tief gespaltenes<br />
Land. Der 9. November 1918 wird<br />
für die Nationalisten zu einem Symbol<br />
für das, wogegen sie antreten,<br />
wasihrenWertenundVorstellungen<br />
widerspricht. Insbesondere Adolf<br />
Hitler hat sich immer wieder darauf<br />
berufen, dass sich in Deutschland<br />
ein November 1918 niemals wiederholen<br />
werde.<br />
Die Auseinandersetzung um die<br />
Neubewertung dieses Tages, dieser<br />
Zeit,lohnesich,sagthingegenNiess.<br />
„Die Revolution von 1918/19 gehört<br />
zu den Sternstunden der Freiheits-<br />
und Demokratiebewegung<br />
in Deutschland. Ihr verdanken wir<br />
die erste demokratische Republik“,<br />
schreibt er. Heike Langenberg<br />
t e r m i n e ························· n a c h r u f e ······························································<br />
MitteSeptemberistderKollegeDetlef<br />
Sell im Alter von 61 Jahren gestorben.<br />
Er hatte schon während<br />
seinerAusbildungalsBankkaufmann<br />
denWegzurGewerkschaftgefunden.<br />
1981 wurde er Praktikant in der ÖTV-<br />
Bezirksverwaltung NW I, ein Jahr<br />
späterGewerkschaftssekretärinder<br />
ÖTV-KreisverwaltungDuisburg.1995<br />
wurdeerzuderenstellvertretendem<br />
Geschäftsführerberufen.Seitver.di-<br />
Gründung kümmerte er sich um den<br />
FachbereichGemeinden.„DetlefSell<br />
war ein engagierter und streitbarer<br />
Kollege. Ein Kämpfer, der sich über<br />
Jahrzehnte für die Vertretung der<br />
Interessen seiner Mitglieder eingesetzthat“,heißtesineinemNachruf<br />
desver.di-LandesbezirksNordrhein-<br />
Westfalen.