Neue Naturstoffe aus schwamm-assoziierten Pilzen des Mittelmeeres
Neue Naturstoffe aus schwamm-assoziierten Pilzen des Mittelmeeres
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<strong>Neue</strong> <strong>Naturstoffe</strong> <strong>aus</strong> <strong>schwamm</strong>-<strong>assoziierten</strong> <strong>Pilzen</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Mittelmeeres</strong><br />
- Isolierung, Strukturaufklärung und Evaluierung<br />
der biologischen Aktivität -<br />
I n a u g u r a l - D i s s e r t a t i o n<br />
zur Erlangung<br />
<strong>des</strong> naturwissenschaftlichen Doktorgra<strong>des</strong><br />
der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät<br />
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />
vorgelegt von<br />
Jan Hiort<br />
<strong>aus</strong> Marburg an der Lahn<br />
Düsseldorf, 2002
5. Zusammenfassung<br />
Zusammenfassung<br />
Auf der Suche nach neuen Leitstrukturen bietet die Natur unvergleichliche<br />
Ressourcen an chemisch-struktureller Vielfalt, kombiniert mit biologischer Aktivität.<br />
Seit der Entdeckung <strong>des</strong> Penicillins 1928 gewannen Pilze als Produzenten von<br />
Anitibiotika und anderen pharmakologisch aktiven <strong>Naturstoffe</strong>n mehr und mehr an<br />
Bedeutung. Obwohl terrestrische Pilze nach wie vor intensiv untersucht werden,<br />
nahm aufgrund der Replikation von bekannten Verbindungen die Zahl der <strong>aus</strong> ihnen<br />
isolierten, neuen <strong>Naturstoffe</strong> in den letzten Jahren ab, und Naturstoffchemiker haben<br />
daher ihre Suche nach neuen Naturstoff-Ressourcen unter anderem auf die<br />
Mikroflora der Meere <strong>aus</strong>geweitet.<br />
Marine Makroorganismen werden bereits seit ca. 25 Jahren sehr intensiv untersucht.<br />
Das Interesse an marinen <strong>Pilzen</strong> nahm erst in den letzten zehn Jahren mehr und<br />
mehr zu. Der Vorteil <strong>des</strong> mikrobiellen Ansatzes der marinen Naturstoffforschung liegt<br />
in der guten Umweltverträglichkeit der Methode und der Möglichkeit der<br />
Fermentation in großem Maßstab zur Gewinnung von genügend Substanz für die<br />
klinische Prüfung und spätere Anwendung von potentiellen Arzneistoffen.<br />
Aus marinen Schwämmen können Bakterien und Pilze in großer Zahl isoliert werden,<br />
um anschließend in Kultur genommen zu werden. Auf diese Weise wurden <strong>aus</strong><br />
marinen Pilz-Isolaten bereits viele neue <strong>Naturstoffe</strong> mit vielversprechender<br />
biologischer Aktivität isoliert. Strukturell sind diese Verbindungen zum Teil ähnlich,<br />
einige sogar identisch mit den Inhaltsstoffen terrestrischer Pilze, andere wiederum<br />
weisen ungewöhnliche Strukturmerkmale auf.<br />
Das chemische Potential der <strong>assoziierten</strong> Mikroflora mediterraner Schwämme wurde<br />
im Rahmen dieser Arbeit, die Teil <strong>des</strong> BMBF-Verbundprojektes „Bioaktive<br />
<strong>Naturstoffe</strong>: Biologisch aktive <strong>Naturstoffe</strong> <strong>aus</strong> marinen Schwämmen und <strong>assoziierten</strong><br />
Mikroorganismen“ war, erstmals eingehend untersucht. Auf zwei Sammelexkursionen<br />
auf der Insel Elba in Italien wurden 15 Schwammspezies gesammelt und vor Ort<br />
zwecks Isolierung der <strong>assoziierten</strong> Mikroflora bearbeitet. Die gesammelten<br />
Schwämme sowie die Kulturen von über 100 Mikroorganismen wurden extrahiert und<br />
die Extrakte in vier Testsystemen auf ihre biologische Aktivität hin untersucht.<br />
163
fett = neu, * = biologisch aktiv<br />
Zusammenfassung<br />
Abb. Z1: Screening nach biologisch aktiven <strong>Naturstoffe</strong>n.<br />
Insgesamt wurden so die Extrakte von 15 Schwammspezies, 69 Bakterienstämmen<br />
und 40 Pilzstämmen untersucht. Unter Berücksichtigung der biologischen Aktivität<br />
und chemischen Diversität der Extrakte, der Extraktmengen und <strong>des</strong> verfügbaren<br />
biologischen Materials wurden vier Pilzstämme <strong>aus</strong>gewählt, um sie in großem<br />
Volumen in Standkultur auf Salzmedium anzuziehen. Aus den Extrakten dieser<br />
Kulturen wurden durch bioassay-geleitete Fraktionierung 15 <strong>Naturstoffe</strong> isoliert,<br />
identifiziert, ihre Struktur aufgeklärt und anschließend ihre biologische Aktivität<br />
charakterisiert (Abb. Z1 und Z2).<br />
Auf diese Weise wurde <strong>aus</strong> dem Penicillium-Stamm E99-1/95 das bekannte<br />
zyklische Pentapeptid Cycloaspeptid 1 isoliert. Für diese Verbindung konnte zum<br />
ersten Mal eine moderat zytotoxische Wirkung beschrieben werden (IC50-Werte je<br />
nach Zelllinie = 2 - 9 µg/ml).<br />
15 Schwammspezies<br />
69 Bakterienstämme 40 Pilzstämme<br />
biologisches und chemisches Screening, Literaturrecherche<br />
E99-1/95<br />
Penicillium<br />
Cycloaspeptid*<br />
E99-1/7<br />
Penicillium<br />
Citrinin*<br />
Phenylessigsäureamid<br />
Aus einer zweiten Penicillium-Kultur (E99-1/7) wurden das bekannte zytotoxische<br />
Pilzpigment Citrinin 2 und ein neues, chloriertes Phenylessigsäureamid 3 isoliert.<br />
164<br />
E99-3/341<br />
Aspergillus<br />
Cycloleucomelon<br />
4 Pyranopyrrole*<br />
Biscumarin*<br />
2 Benzylpyridine<br />
E99-1/17<br />
Verticillium<br />
2 Indole<br />
Cyclo(alanyltryptophyl)<br />
Leptosin*
OH<br />
HO<br />
H<br />
1<br />
HO<br />
O<br />
N<br />
H<br />
O<br />
11<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
O<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
O<br />
N<br />
O<br />
N<br />
HO O<br />
O<br />
OH<br />
6<br />
O NH 2<br />
N<br />
O<br />
OCH 3<br />
10<br />
O<br />
HN<br />
O<br />
NH<br />
R 1O<br />
4<br />
R 2O<br />
HO<br />
N<br />
O NH 2<br />
O<br />
Zusammenfassung<br />
OH<br />
Abb. Z2: Aus Kulturen <strong>schwamm</strong>-assoziierter Pilze <strong>des</strong> <strong>Mittelmeeres</strong> isolierte <strong>Naturstoffe</strong>.<br />
Aus dem Extrakt einer Kultur von Aspergillus niger (E99-3/341) wurden insgesamt<br />
acht <strong>Naturstoffe</strong> isoliert. Der einzige bekannte Naturstoff <strong>aus</strong> dem Extrakt dieses<br />
Pilzes war das Terphenylchinon Cycloleucomelon 4. Diese Verbindung wurde im<br />
Rahmen dieser Arbeit zum ersten Mal <strong>aus</strong> einem Ascomyceten isoliert.<br />
OH<br />
O<br />
O<br />
O<br />
HO<br />
3<br />
R<br />
12: H<br />
13: OH<br />
N<br />
H<br />
165<br />
R<br />
OH<br />
5<br />
HO<br />
Cl<br />
R1 R2<br />
2<br />
7: H CH 3<br />
8: CH 3 H<br />
15<br />
HN<br />
O<br />
H<br />
O<br />
HO<br />
OH<br />
O<br />
O<br />
NH 2<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
N<br />
H<br />
H<br />
N<br />
HO<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
H<br />
O<br />
OH<br />
OCH 3<br />
S<br />
O<br />
N<br />
O<br />
O<br />
N<br />
H<br />
O<br />
O<br />
N<br />
OH<br />
14<br />
S<br />
O<br />
OCH 3<br />
OH<br />
9
Zusammenfassung<br />
Zu den neuen <strong>Naturstoffe</strong>n zählten ein Biscumarin-Derivat 5, vier Pyranopyrrole 6 - 9<br />
und zwei Benzylpyridine 10, 11. Das Biscumarin-Derivat ist erst das zweite, 3,3'-<br />
verknüpfte Biscumarin, das <strong>aus</strong> der Natur bekannt ist. Zum ersten Mal konnten hier<br />
13 C-NMR-Daten für ein auf diese Weise verknüpftes Biscumarin präsentiert werden.<br />
Im Zytotoxizitätstest gegen verschiedene Zelllinien wirkte diese Verbindung schwach<br />
antiproliferativ bei Konzentrationen zwischen 10 und 20 µg/ml.<br />
Die vier Pyranopyrrole sind neue <strong>Naturstoffe</strong> mit einer ungewöhnlichen Verknüpfung<br />
eines 2-Propenyl-γ-pyranons mit einem Pyrrolring. In Kultivierungsexperimenten <strong>des</strong><br />
Aspergillus-Stamms E99-3/341 auf Medien mit verschiedenen Salzkonzentrationen<br />
konnte gezeigt werden, daß diese Verbindungen offensichtlich bevorzugt in<br />
Salzwasserkultur gebildet werden. Pyranopyrrol A wirkt bei einer Konzentration von<br />
100 ppm im Futterstück fraßhemmend auf die frischgeschlüpften Raupen von<br />
Spodoptera littoralis.<br />
Der Extrakt einer Kultur von Verticillium cf. cinnabarinum (E00-13/33) enthielt unter<br />
anderem zwei gewöhnliche Indol-Derivate 12, 13 und ein Diketopiperazin 14 <strong>aus</strong><br />
Tryptophan und Alanin. Darüberhin<strong>aus</strong> wurde <strong>aus</strong> diesem Extrakt ein neues<br />
Leptosin-Derivat 15 isoliert. Hierbei handelt es sich um das erste beschriebene<br />
monomere Leptosin, bei dem keine Sulfidbrücke im Diketopiperazin-Ring vorliegt.<br />
Verbindungen dieses Typs sind bekannt für ihre starke zytotoxische Aktivität mit IC50-<br />
Werten zwischen 44 - 86 ng/ml.<br />
Insgesamt wurden <strong>aus</strong> den Kulturen von vier verschiedenen <strong>schwamm</strong>-<strong>assoziierten</strong><br />
Pilzstämmen 15 Verbindungen isoliert. Fünf dieser Verbindungen fielen in einem der<br />
eingesetzten Biotests durch ihre biologische Aktivität auf. Neun Verbindungen<br />
wurden als neue <strong>Naturstoffe</strong> im Rahmen dieser Arbeit zum ersten Mal beschrieben.<br />
Damit konnte gezeigt werden, daß der im Rahmen dieser Arbeit verfolgte Ansatz, die<br />
Isolierung <strong>schwamm</strong>-assoziierter Pilze und die Anzucht der Isolate in<br />
Salzwasserkultur, auch im Hinblick auf zukünftige Arbeiten vielversprechend ist.<br />
166