Standesunterschiede Es war spät geworden. Zulange hatte ich in meinem Hotel außerhalb der Hauptstadt gezögert. Die Einladung zu einer Preisverleihung im Französischem Dom auf dem Gendarmenmarkt in Berlin, war mir durch einen Freund zugegangen. Um ihn heute Abend wiederzusehen, aber auch den Preisträgern aus Politik, Film und Fernsehen zu begegnen, war ich sogar mit Anzug und Krawatte unterwegs. Das Binden der Krawatte wurde dann doch etwas schwieriger für mich als erwartet. Nun war ich an der ausgezeichnet restaurierten Stelle in Berlin angekommen und suchte verzweifelt einen Parkplatz. Ich hätte es mir nun wahrhaftig denken können, dass dies am Gendarmenmarkt ein wahres Glückspiel war. Wozu war man jedoch erfahren und kreativ genug, um dieses Problem zu lösen? Bei der Umfahrung des Platzes fiel mir das Namensschild eines bekannten Luxushotels ins Auge. Das Hilton hatte doch sicherlich eine Tiefgarage. Kaum gedacht stand ich auch schon vor dem Garagentor und parkte meinen Wagen in der Hotelgarage. Nun noch durch die Halle, dann ca. 150 m zu Fuß am Deutschen Dom und am Konzerthaus vorbei und ich komme doch noch vor der Eröffnung im Saal an. Es war eine beeindruckende Veranstaltung. Würdige Preisträger und prominente Laudatoren ließen den späten Nachmittag genießen. Mein Freund hatte es bereits pünktlich vor mir geschafft und wir freuten uns über das Wiedersehen und unseren Austausch nach der Veranstaltung. Anschließend hatte er geplant gemeinsam beim Borchardt, dem bei Insidern als Politiker– oder Medienkantine bekannten Restaurant unmittelbar nahe des Gendarmenmarktes gemeinsam Essen zu gehen. Für mich war es der erste offizielle Besuch des von August Friedrich Wilhelm Borchardt1853 als Weinlokal eröffnete, mittlerweile zur Kultstätte gewordenen Edelrestaurant. Als wir vom Empfang zu unserem („Katzen-“)Tisch am äußersten Rand des Lokal geführt wurden, kamen wir an manchen Tisch vorbei an denen ich jeweils das Gefühl hatte Grüßen zu müssen. Es waren allerdings bekannte Gesichter—aus Fernsehen und Politik. Das Grüßen schenkte ich mir dann doch, wurde mir doch bewusst, das die Gäste mich nicht kannten, nur ich dachte in meiner Einfalt sie zu kennen. Als ich meinem Freund dann bei riesigem Wiener Schnitzel von meinem ersten Besuch im Borchardt erzählte, war uns bewusst, dass man sich als „Otto-Normal- Verbraucher von unserem viel zu kleinen Tisch erst hochdienen musst, um einen vernünftigen Essplatz zugewiesen zu bekommen. Damals war ich mit weiteren Freunden in Berlin und wollte ihnen auch das Borchardt zeigen und dort einkehren. Es war gegen 18 Uhr und der Saal war komplett leer. Heute verstehe ich, warum wir damals trotzdem keinen Tisch mehr bekamen. Der Abend mit meinem Partner verlief dann bei regem Austausch noch sehr harmonisch, als wir uns gegen 22 Uhr verabschiedeten. „Wo parkst Du eigentlich?“ fragte mich mein Freund. Stolz berichtete ich von meiner Superidee mit der Hotelgarage. Wir trennten uns vor dem Haupteingang der Nobelherberge, ich zahlte mein Ticket an der Rezeption, beantwortete die freundliche Nachfrage des Mitarbeiters ob es ein erfolgreicher Tag war, mit JA und ging dann zum Aufzug. Im wievielten Untergeschoss parkte ich noch mal? Ich versuchte es auf der Ebene—3 und fuhr hinunter. Unten angekommen stand ich vor einigen Wäschewagen und blickte in einen Kellergang hinein. Nein, hier konnte es nicht sein. Auch im 2. und 3. Untergeschoss wurde ich nicht fündig. Die konnten doch unmöglich das Hotel umgebaut haben, dachte ich sarkastisch. Oder war ich doch in einem der anderen Hotels am Gendarmenmarkt eingeparkt. Hilflos stand ich im Erdgeschoss mit meinem Parkticket in der Hand, als mich ein freundlicher junger Mann ansprach und mir seine Hilfe anbot. Nein, eine Tiefgarage gab es hier nicht. Sie müssen hochgefahren sein. Und wahrhaftig im 2. OG dirket neben dem Aufzug parkte mein Wagen und wartete auf seine Abholung. Beschämt suchte ich so schnell es ging dann die Ausfahrt und fuhr zu meinem Aufenthaltsort östlich von Berlin zurück. Heute denke ich gern an den Abend zurück. Nicht nur die Festveranstaltung, auch das Essen und mittlerweile auch die Suche nach meinem Wagen in der vermeintlichen Tiefgarage des Hiltons, lassen mich schmunzeln. Das Erlebnis ist für mich jedoch auch ein Bild für manche Begegnung im Leben. Passte ich eigentlich in diese Umgebung? War das für mich nicht alles eine Nummer zu groß? Schon mein ungewohnter Auftritt mit Krawatte war herausfordernd. Dann das Beiwohnen der Ehrung der Preisträger mit hochrangigen Würdenträgern, der Sitzplatz im Nobelrestaurant und schließlich die Suche nach meinem Wagen im altehrwürdigen Hotel am Gendarmenmarkt. Im Nachhinein merke ich, es war nicht unbedingt meine Welt und denke an eine Stelle aus der Bibel, dem 2. Brief an Timotheus, Kapitel 2, Vers 19: „Doch Gott hat ein sicheres Fundament gelegt, das durch nichts erschüttert werden kann. Es trägt folgende Inschrift: ‚Der Herr kennt die, die zu ihm gehören.‘“ Bei ihm fühle ich mich nicht unwohl und unsicher. Er ist mir vertraut, ihm begegne ich in seinem Wort. Sein Geist lässt mich seine Gnade spüren. Zu ihm hin darf ich mich ausstrecken. Seine gute Barmherzigkeit und Liebe darf ich schmecken. Keine Irrungen und Wirrungen sind bei ihm und mit ihm auf meinem Weg, sondern ‚Er führet mich zu stillen Wassern—mir wird nichts mangeln‘ (aus Psalm 23). 24
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