Digitalisierung-im-Fitnessstudio-und-Gesundheitsmarkt
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TOPTHEMA<br />
MANAGEMENT SCHWERPUNKT<br />
Das digitale Abenteuer<br />
Wir schreiben das Jahr 2027. Ich stehe auf, weil mir mein Smartphone gesagt hat, dass ich die opt<strong>im</strong>ale Schlafzeit<br />
erreicht habe; nicht zu kurz, nicht zu lang. Dann schaue ich in meine Ernährungs-App. Hier tracke ich seit Monaten<br />
meine Ernährung. Das macht deshalb Sinn, weil ich eine App meines <strong>Fitnessstudio</strong>s habe, die die zugeführten<br />
Kalorien mit den verbrauchten gegenrechnet, sodass ich <strong>im</strong>mer genau weiß, wie meine Energiebilanz aussieht.<br />
Allerdings bin ich mir manchmal<br />
nicht sicher, denn mein Mobiltelefon<br />
zählt meine Schritte –<br />
<strong>und</strong> mein Herzfrequenztracker ebenfalls.<br />
Er zeigt mir jedoch andere Ergebnisse an<br />
als die App auf meinem Smartphone.<br />
„Macht aber nichts“, sagt mein Online-Personal-Trainer,<br />
da es darum gehe,<br />
Distanz <strong>und</strong> Kalorienverbrauch zu verfolgen.<br />
Ich vertraue ihm. Er ist zwar ein Avatar,<br />
dafür kostet er eben auch bei weitem<br />
nicht so viel wie ein Personal Trainer <strong>im</strong><br />
<strong>Fitnessstudio</strong>.<br />
Wenn ich mal abschweife, erinnert<br />
mich meine Fitnnessstudio-App daran,<br />
doch mal wieder einen Groupfitnesskurs<br />
zu besuchen. Der ist zwar virtuell, aber<br />
ich kann ihn sogar selbstständig über<br />
die App starten, wenn ich <strong>im</strong> Studio vor<br />
Ort bin. Das mit dem Kurs hat nicht ganz<br />
geklappt, weil ein paar Damen schneller<br />
waren mit dem Starten des Kurses, aber<br />
nachdem mich meine Ernährungs-App<br />
darauf hingewiesen hat, meine Mikronährstoffe<br />
zu überprüfen <strong>und</strong> zu dem<br />
empfohlenen Produkt zu greifen, geht es<br />
mir sehr schnell wieder gut <strong>und</strong> ich nehme<br />
an einem FunXtion-Trainingkurs teil.<br />
Dabei steht man <strong>im</strong> Gegensatz zu dem<br />
Groupfitnesskurs vor einer Säule, die<br />
aussieht wie ein übergroßes Handy. Absurd,<br />
vor so einer Säule zu trainieren,<br />
während mein bester Fre<strong>und</strong> Chris in<br />
New York ebenfalls in einem Club vor so<br />
einer Säule steht <strong>und</strong> wir einen Wettkampf<br />
veranstalten, wer die 50 Burpees<br />
schneller schafft. Ich kann ihn dabei sehen,<br />
was das Ganze deutlich motivierender<br />
macht.<br />
Liderina/shutterstock.com<br />
58 l<br />
body LIFE 9 I 2017 www.facebook.com/bodylife
SCHWERPUNKT MANAGEMENT<br />
Chancen der „digitalen Welt“<br />
So oder so ähnlich könnte es uns in den<br />
nächsten Jahren ergehen. In diesem Artikel<br />
möchte ich versuchen zu verdeutlichen,<br />
welche Chancen die „digitale Welt“<br />
mit sich bringt. Um genau unterscheiden<br />
zu können, was „Technologie“ <strong>und</strong><br />
„Digital“ bedeutet, lohnt sich ein Blick<br />
auf die Definitionen (siehe Kasten Seite<br />
60). Nachfolgend werde ich den Begriff<br />
„Digital“ genauer definieren. Zudem<br />
werde ich darauf eingehen, wie man mit<br />
digitalen Lösungen die positiven Erlebnisse<br />
der K<strong>und</strong>en <strong>im</strong> Club steigern kann.<br />
Der Mensch kreiert das<br />
Erlebnis der Mitglieder<br />
Beginnen wir aber mit dem Fazit dieses<br />
Artikels – also ganz hinten: Das positive<br />
Erlebnis eines Sportlers wird sich <strong>im</strong>mer<br />
zwischen Menschen abspielen – egal ob<br />
zwischen Trainer <strong>und</strong> Mitglied oder zwischen<br />
Mitglied <strong>und</strong> Mitglied. Auch wenn<br />
unsere Kursinhalte <strong>im</strong>mer schärfer <strong>und</strong><br />
die Trainer <strong>im</strong>mer mehr zu Spezialisten<br />
auf ihrem Gebiet werden, so unterscheidet<br />
sich ein guter von einem schlechten<br />
Trainer am Ende <strong>im</strong>mer durch seine sozialen<br />
Kompetenzen; die fachliche Kompetenz<br />
ist hierbei als Basis natürlich vorausgesetzt.<br />
Entscheidend für das bindende<br />
Erlebnis in einem Studio ist nicht<br />
das „Was“, sondern <strong>im</strong>mer das „Wie“.<br />
Deshalb wird es neben dem digitalen Erlebnis,<br />
den besten Maschinen, dem größten<br />
Wellnessbereich <strong>im</strong>mer der Mensch<br />
sein, der das Erlebnis kreiert <strong>und</strong> die<br />
Bindung zu den Mitgliedern herstellt.<br />
Aber der Wunsch nach aktuellen<br />
Trends ist nicht aufzuhalten. Apps, Tracker<br />
<strong>und</strong> Software, wohin man schaut.<br />
Wie Clubs dies für sich nutzen können,<br />
welche Möglichkeiten es gibt <strong>und</strong> was<br />
diese dem K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Betreiber nutzen<br />
können, damit beschäftigen wir uns nun.<br />
Faktoren eines<br />
Trainingserlebnisses<br />
Eine Studie besagt, dass die Mitglieder<br />
aus unterschiedlichen Faktoren ein Trainingserlebnis<br />
ableiten. Dazu zählen:<br />
W Kompetenz,<br />
W Erfolg,<br />
W Gestaltung des Trainings,<br />
W Wertschätzung,<br />
W Kommunikation,<br />
W Gruppendynamik <strong>und</strong><br />
W Spaß.<br />
Woraus besteht ein Erlebnis <strong>im</strong> <strong>Fitnessstudio</strong>?<br />
Aus Musik hörenden Robotern,<br />
die auf Cardiogeräten stehen <strong>und</strong><br />
st<strong>und</strong>enlang auf die Monitore starren?<br />
Wohl kaum.<br />
Der Faktor Zeit sowie die Intensität<br />
des Trainings spielen für den Erfolg eine<br />
sehr wichtige Rolle. Dabei kommt es wesentlich<br />
auf die Ausbildung des Personals<br />
an. Wenn die Trainer die Produkte<br />
kennen <strong>und</strong> verstehen, entwickeln sie<br />
eine individuelle Nutzung für das Studio<br />
<strong>und</strong> schaffen einen USP, den der K<strong>und</strong>e<br />
zu schätzen weiß <strong>und</strong> der zu einem positiven<br />
Trainingserlebnis verhilft.<br />
Context vor Content<br />
Heutzutage ist alles ein wenig technischer<br />
in den Studios; alles lässt sich<br />
überall leicht installieren <strong>und</strong> nutzen.<br />
Das macht es für die Betreiber einfach,<br />
einen Mehrwert zu schaffen <strong>und</strong> besondere<br />
Erlebnisse in den Trainingsalltag<br />
Bringen Sie Licht ins Dunkle.<br />
Mit Körperzusammensetzungsanalyse<br />
erkennen Sie muskuläre Dysbalancen.<br />
Unter Normal Über<br />
Rechter Arm<br />
Linker Arm<br />
Rumpf<br />
Rechtes Bein<br />
Linkes Bein<br />
Muskuläre<br />
Defizite<br />
Oberer Balken<br />
= Magermasse in kg<br />
Unterer Balken<br />
= Einstufung der<br />
Magermasse in<br />
Bezug auf aktuelles<br />
Körpergewicht in %<br />
www.bodylife.com body LIFE 9 I 2017 l 59<br />
www.<br />
.de
MANAGEMENT SCHWERPUNKT<br />
TOPTHEMA<br />
Technologie: Technologie<br />
ist die Hardware oder die<br />
Maschine, das Equipment,<br />
das Laufband, die darauf<br />
befindliche Konsole, Bluetooth<br />
oder ein Smartphone.<br />
der Mitglieder zu bringen. Auch Digital<br />
macht vor dem Wachstum der Branche<br />
nicht halt. Das Besondere an den digitalen<br />
Produkten ist, dass es <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zur Technologie (Laufbandkonsole) <strong>im</strong>mer<br />
persönlicher werden: Jede App arbeitet<br />
mit den eigenen biologischen Daten<br />
<strong>und</strong> Werten <strong>und</strong> passt ihre Programme<br />
individuell an.<br />
Die digitale Lösung kann eine Software<br />
sein, eine App oder eine Webanwendung,<br />
die bei der Steigerung der<br />
Produktivität hilft, die beispielsweise<br />
die Abrechnung der Mitarbeiter übern<strong>im</strong>mt<br />
oder das Warenwirtschaftssystem<br />
steuert. Eine digitale Fitnesslösung<br />
hingegen sorgt für eine Steigerung<br />
des Trainingserlebnisses bei den Studiomitgliedern<br />
oder eine Verbesserung<br />
organisatorischer Abläufe in den Fitnessclubs.<br />
Das Mitglied bekommt dadurch<br />
personalisierte Workouts, Ernährungstipps,<br />
Anmeldemöglichkeiten für<br />
Groupfitnesskurse, News <strong>und</strong> Social<br />
Networking. Der Club kann Online-Zahlungen<br />
bieten, die Mitglieder verwalten,<br />
Nachhaltigkeit messen <strong>und</strong> Arbeitspläne<br />
erstellen.<br />
Digital ist das neue Normal<br />
Digital ist in jeder Industrie weit vorn.<br />
Das digitale Zeitalter hat vieles verändert.<br />
Viele unserer Mitglieder <strong>im</strong> Studio<br />
haben sich längst für eine oder mehrere<br />
Lösungen (Apps, Tracker etc.) entschieden<br />
<strong>und</strong> sind damit vertraut. Wir sind<br />
mittendrin in der digitalen Veränderung<br />
<strong>und</strong> müssen uns auch in der Fitnessindustrie<br />
damit auseinandersetzen. Dies<br />
wird auch deutlich, wenn wir uns einige<br />
Beispiele aus anderen Branchen anschauen:<br />
W UBER ist der weltgrößte Mitfahrdienst,<br />
ohne auch nur ein einziges Auto<br />
zu besitzen.<br />
W Skype ist das weltgrößte Kommunikationsunternehmen<br />
ohne über eine eigene<br />
Infrastruktur zu verfügen.<br />
Definitionen<br />
Digital: All das, was uns ermöglicht, mit der Technologie<br />
zu arbeiten – in diesem Fall die Software. Diese<br />
kann auf dem Smartphone, dem Tracker oder der Laufbandkonsole<br />
installiert sein. Nutzen gibt es hier für den<br />
Enduser (Mitglied) wie auch den Betreiber einer Anlage<br />
selbst (Auslastung, Wartungsintervalle auslesen etc.).<br />
W Airbnb ist der größte Anbieter für<br />
Übernachtungen. Insgesamt ist der<br />
Umsatz höher als der der sechs größten<br />
Hotelketten der Welt.<br />
W Amazon ist der weltweit größte Buchhändler<br />
mit nur einem einzigen Buchladen<br />
weltweit.<br />
Eine Studie von Flury Analytics aus<br />
dem Jahr 2014 zeigt die Wiederkehrrate<br />
bei Apps: Insgesamt benutzen 62% täglich<br />
ihre Fitness-App, nur 33% hingegen<br />
öffnen Apps mit anderen Inhalten. Ca.<br />
50% nutzen 3–5 Mal pro Woche ihre Fitness-App<br />
aktiv.<br />
Wir müssen verstehen, dass Digital<br />
das neue Normal ist – auch in der Fitness<br />
industrie. Das ist der Weg, wie<br />
Clubs mit den Mitgliedern kommunizieren,<br />
wie die Auslastung geplant <strong>und</strong> die<br />
Werbung geschaltet wird sowie Angebote<br />
verbreitet werden.<br />
Zukunftsprognosen<br />
BI Intelligence Est<strong>im</strong>ates hat eine Studie<br />
zum Thema „Smartwatches <strong>und</strong> Wearables“<br />
veröffentlicht. Daraus lässt sich das<br />
Kaufverhalten der letzten Jahre ablesen<br />
<strong>und</strong> das zukünftige erahnen. Im Jahr<br />
2015 sind knapp 30 Millionen Smartwatches<br />
verkauft worden; <strong>im</strong> Jahr 2019<br />
werden es nach Schätzungen voraussichtlich<br />
ca. 110 Millionen sein. 2015<br />
wurden ca. 50 Millionen Wearables verkauft,<br />
2019 rechnet man mit 140 Millionen.<br />
Die Prognosen belegen: An Digital<br />
kommt niemand mehr vorbei.<br />
Also warum genau Digital?<br />
Ein sinnvoller Einsatz der Technologie<br />
<strong>und</strong> der digitalen Lösungen schafft eine<br />
große Motivation <strong>und</strong> Einsatzbereitschaft<br />
aufseiten des K<strong>und</strong>en in Bezug<br />
auf die digitale Fitnesswelt.<br />
Die folgenden Beispiele zeigen, wie<br />
meiner Meinung nach die Interaktion<br />
zwischen <strong>Fitnessstudio</strong>s bzw. Trainern<br />
<strong>und</strong> Mitgliedern zukünftig gesteigert<br />
werden könnte:<br />
W Clubs bzw. Personal Trainer können<br />
aktuelle Angebote in der App posten.<br />
Zudem können motivierende Sprüche<br />
oder verschiedene Inhouseangebote<br />
angeboten werden. Auch Workshops<br />
oder besondere Trainings oder Bilder<br />
des neuen Wellnessbereichs können<br />
in einer Vorschau gezeigt werden.<br />
W Personal Trainer können Kurzworkouts<br />
zeigen <strong>und</strong> empfehlen.<br />
W Der Fitnessclub kann interessante<br />
Webseiten von Kooperationspartnern,<br />
Bloggern oder Sportprofis posten<br />
<strong>und</strong> so seine Position als Marktführer<br />
unterstreichen.<br />
W Der Club kann zu speziellen Workoutangeboten<br />
Gruppen bilden oder<br />
Outdoortrainings anbieten. Ort, Zeit<br />
<strong>und</strong> Trainingsinhalt können als Zusatzinformationen<br />
mitgesendet werden.<br />
W Personal Trainer könnten direkt Zugriff<br />
auf das Profil des K<strong>und</strong>en haben<br />
<strong>und</strong> den Workoutplan aktualisieren<br />
<strong>und</strong> verändern.<br />
Was bedeutet Digital<br />
für Trainer?<br />
Wir werden in den nächsten Jahren Millionen<br />
von Trainingsdaten erhalten. Jetzt<br />
liegt es an den Clubs, diese auszuwerten<br />
<strong>und</strong> das Erlebnis für die Mitglieder dadurch<br />
zu steigern. Das sichere Anwenden<br />
von digitalen Lösungen ist der Schlüssel.<br />
Wenn die Trainer perfekt Bescheid wissen,<br />
können sie das digitale Angebot sicher<br />
<strong>und</strong> überzeugend präsentieren <strong>und</strong><br />
die Mitglieder werden es mit Begeisterung<br />
nutzen. Zudem kann dadurch die<br />
Mitgliederbindung erhöht werden.<br />
Fazit<br />
Das positive Erlebnis bzw. die Bindung<br />
zwischen Club <strong>und</strong> Mitglied wird sich<br />
<strong>im</strong>mer zwischen Menschen abspielen.<br />
Aber die digitalen Helfer werden uns vieles<br />
vereinfachen <strong>und</strong> sind in der Zukunft<br />
aus der Studiowelt nicht wegzudenken.<br />
Marc Rohde<br />
Marc Rohde ist Gründer der elbsprint<br />
– coaching & consulting<br />
sports. Zudem ist er Life Fitness<br />
Academy Senior Master Trainer<br />
D-A-CH, Distributor U9 Chain Fitness<br />
<strong>und</strong> Business Coach.<br />
Infos: www.elbsprint.de; www.u9fitness.com<br />
60 l<br />
body LIFE 9 I 2017 www.facebook.com/bodylife