partner, entweder drinnen, oder wenn er im Mai wieder an der Straße sitzen konnte, draußen. Was er lustig fand, waren kleine Markierungen auf dem Gehweg, und als er einen der Kellner einmal fragte, was es damit auf sich habe, sagte er, dies seien die Grenzanlagen. Stünde ein Stuhl oder ein Tisch einen Zentimeter außerhalb der Markierung, mache man sich strafbar. Kackgans, der fand, das sei ein guter Witz, lachte, doch der Kellner hob seine Augenbrauen einen Millimeter und sagte mit sonst unbewegter Miene, das sei kein Witz. Er hatte recht. Die Gehweg-Markierungen zählten zu den wichtigsten Aufgaben des städtischen Ordnungsamtes. Für jeden Tisch, den ein Restaurationsbetrieb auf den öffentlichen Gehweg stellte, wurde von der Stadt eine Gebühr in Rechnung gestellt. Eigenartig, dachte Kackgans, er hatte gerade gelesen, dass es zum Beispiel in Kopenhagen genau umgekehrt ist. Dass dort die Gastronomen, die mit ihren Tischen Leben auf die Straßen bringen, in diesem Bemühen finanziell gefördert werden. Komisch, dachte Kackgans, dass Platsch davon nichts mitbekommen hat, wo er doch gern in Kopenhagen ist, aber das dortige Radwegekonzept hat er ja auch nicht mitbekommen, so gesehen kann man es verstehen. Im San Remo saß ein Querschnitt durch die Darmstädter Bevölkerung. Schauspieler, Ärzte, Dirigenten, Professoren, Radrennfahrer, Unternehmer, Müllmänner, Vermieter, Mieter, Makler, Rentner, Studenten, es gab so gut wie niemanden von Interesse, den Kackgans dort nicht fand, wenn er lange genug auf seinem Stuhl saß. Als er im San Remo einmal mit einer klugen Frau über Gott und die Welt philosophierte und auf die Darmstädter Lokalpolitik und ihren 700-Millionen-Euro-Haushalt zu sprechen kam, zog sie den Vergleich zu einem Land, von dem er noch nie zuvor gehört hatte, zu einer „Bananenrepublik“. Wo sie auf dem Globus zu finden sei, wollte Kackgans wissen, in Europa doch sicherlich nicht. Die Frau lachte. Nein, sagte sie, nicht in Europa, obwohl, so sicher sei sie auch wieder nicht. Bananenrepubliken seien weiter verbreitet, als man denke, man verstehe darunter Staaten, in denen die politischen Verhältnisse von Ineffizienz und Inkompetenz geprägt seien. Und wenn sie es recht überlege, so sei Großbritannien geradezu ein Musterbeispiel für eine postkoloniale Bananenrepublik, denn war es nicht so, dass der damalige britische Minister für den Austritt aus der EU, ein gewisser Duminic Raab, Mister Brexit himself also, Anfang November 2018 erklärte, er habe nicht gewusst, was es für den Handel bedeute, dass England eine Insel ist. „Der Brexit-Minister hat nicht gewusst, dass England eine Insel ist?“, fragte Kackgans. „Man kann nicht alles wissen als Politiker“, sagte die Frau und lächelte. „Können eigentlich nur Staaten Bananenrepubliken sein?“, fragte Kackgans. „Oder auch Städte? Bananenstädte?“ Die Frau musste wieder lachen. „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht“, sagte sie. „Aber klar, es gibt auch Bananenstädte. Eine Stadt ist ja nichts anderes als eine kleine Republik. Mit Wahlen, Parlament, Koalitionen, Opposition, Regierungschef und Ministerien, die Dezernate heißen, und machmal auch Eigenbetriebe“ …
#6 : 2028 Unter Oberbürgermeister Kackgans läuft heute, 2028, vieles, fast alles besser in Darmstadt. Kein Vergleich zur Platsch-Beißer-Ära. Der SV Darmstadt 98 spielt im Böllenfalltorstadion. Zwar nur in der Kreisoberliga gegen den FC 2024 Nilgans oder die Thekenmannschaft der Grohe-Brauerei, doch ist Trainer Dirk Suster zuversichtlich, mit kontrolliertem Defensivfußball schon bald die Rückkehr in die Gruppenliga schaffen zu können. Der 2017 angekündigte Stadionumbau ist 2020 vorläufig auf Eis gelegt worden, weil das 28,5-Millionen-Budget für Gutachten, Machbarkeitsstudien, Architekten, Berater, Ausschreibungen, Verwaltungskosten und Sonstiges aufgebraucht war. Immerhin, und das wertet Vereinspräsident Zitsch als „großartigen Fortschritt“, ist das Stadion mittlerweile überdacht. Dies war möglich, weil der Eigenbetrieb Bäder in einer Lagerhalle die Traglufthalle gefunden hatte, mit der von 2018 bis 2024 während der Bauarbeiten am Nordbad das Freibecken überdacht worden war. Die Traglufthalle wurde 2025 im Stadion aufgeblasen und mit Fassanstich und Butterbrezeln feierlich eröffnet. Man hat sie blau-weiß angestrichen, sieht super aus. Ein bisschen wie die Allianz-Arena in München, aber nur, wenn die Abendsonne drauf scheint und man in der Lilienschänke vorher ein paar Bier getrunken hat. Was ist aus den einstigen Stars der Darmstädter Lokalpolitik geworden? Nun, der frühere Bürgermeister Beißer betreibt mit überschaubaren Erfolg einen Fotoladen in der Grafenstraße. Er hat …