DIE WIRTSCHAFT MS I MS-Land - 18.12.2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
LEBEN &WISSEN 11<br />
Von der Unesco geadelt<br />
Der Blaudruck hat eine sehr lange Geschichte, wird aber auch in Deutschland nur noch an wenigen<br />
Orten praktiziert. Früher staunte man fast in jedem Dorf über das „blaue Wunder“.<br />
Normalerweise fangen Geschichten<br />
über diese alte Handwerkskunst immer<br />
mit dem Satz an: „Hier können<br />
Sie ein ‚blaues Wunder‘ erleben.“ So<br />
soll es auch dieses Mal sein, denn<br />
schließlich wird es ums Bewahren<br />
gehen. Und das ist jetzt nicht ins<br />
Blaue hinein gesprochen.<br />
Der Weg führt in eine der<br />
letzten Blaudruckereien in<br />
Deutschland. In lediglich<br />
neun Betrieben wird noch<br />
gedruckt und gefärbt. Der<br />
Name kommt nicht vonungefähr,das erkennt<br />
selbst der Laie. Im neben der Druckerei<br />
befindlichen Laden dominiert ein<br />
kräftiger Blauton. Tischdecken, Vorhänge,<br />
Tücher und Stoffbf ahnen füllen die<br />
Regale bis unter die Decke –alles von<br />
Hand gefertigt, alles Unikate und alles<br />
blau, jedenfalls fast. Aber dazu später.<br />
Elke Schlüter ist die Chefin der Blaudruckerei<br />
in Lüdinghausen und führt Regie<br />
beim ‚blauen Wunder‘. „Blaudruck ist ein<br />
uraltes Färbeverfahren“, sagt sie. „Aber<br />
kommen Sie doch mal mit.“<br />
Über eine schmale Stiege geht es in ihr<br />
Atelier.Auf einem langen Tisch liegt eine<br />
aufgespannte, weiße Stoffbf ahn. Elke<br />
Schlüter greift zu einem mehr als handtellergroßen<br />
Holzklotz, einem Model. Zu<br />
Hunderten liegen sie in Regalen gestapelt.<br />
Seine Unterseite ist mit kleinen<br />
Drahtstiften, die zu einer bestimmten<br />
Form angeordnet sind,dicht beschlagen.<br />
Diese drückt die Handwerkerin jetzt in<br />
den Papp, eine feuchte Masse. „Die Zusammensetzung<br />
wird nicht verraten“,<br />
Muster und Model: Elke Schlüter zeigt einen Model, mit dem sie<br />
zuvor den Stoff bedruckt hat.<br />
wehrt die Blaudruckerin mit einem Lächeln<br />
die nächste Frage ab. Dann wird<br />
der Model mehrfach kräftig auf den Stoff<br />
gepresst, sodass allmählich ein blässliches<br />
Muster entsteht.<br />
„Das aber ist nicht das ‚blaue Wunder‘“,<br />
räumt Elke Schlüter ein. Um das zu erleben,<br />
geht es in die Färberei. Hier werden<br />
die bedruckten Naturtextilien in einen<br />
Sternreif gespannt, der dann in die Küpe<br />
getaucht wird, einen Brunnen mit 1500<br />
Liter Indigo-Lösung. „Ein Färbevorgang<br />
dauert etwa 20 Minuten, je nach gewünschtem<br />
Blauton muss ich den Vorgang<br />
wiederholen.“ Danach werden die<br />
Reste des farbabweisenden Papps herausgespült.<br />
„Der Begriff kommt übrigens<br />
aus dem Niederländischen und bedeutet<br />
Brei“, klärt die Blaudruckerin auf.<br />
Sobald das Färben abgeschlossen ist, beginnt<br />
die Oxidation. „Der zunächst gelblich-grüne<br />
Stoff wird allmählich blau.“<br />
Ein Wunder? Eher nicht, aber die Redensart<br />
stammt genauvon diesem Prozess ab.<br />
Der Clou des Ganzen: Die mit dem Papp<br />
bedruckten Stellen sind weiß geblieben.<br />
Ende November hat die Unesco dieses<br />
traditionelle Färbeverfahren, dessen<br />
Techniken sich über Jahrhunderte kaum<br />
verändert haben, in die internationale<br />
Liste des immateriellen Weltkulturerbes<br />
eingeschrieben. Den Antrag stellten fünf<br />
Länder gemeinsam, neben Deutschland<br />
auch Österreich, die Slowakei, Tschechien<br />
und Ungarn. Wo auf offizieller Seite<br />
gejubelt wird, bleibt Elke Schlüter auf<br />
dem Teppich: „So ein Titel hört sich gut<br />
an, bringt mir aber nicht automatisch<br />
mehr Kunden.“ Andererseits kann es<br />
doch bestimmtauch nicht schaden, wenn<br />
einem alten Handwerk neue Wertschätzung<br />
zuteil wird. Eine Unesco-Urkunde<br />
hängt jedenfalls prominent im Laden.<br />
Die Ursprünge des Blaudrucks liegen in<br />
Indien. Vondort wurde das Verfahren zusammen<br />
mit der Färbepfl<br />
anze Indigo von<br />
holländischen Seefahrern nach Europa<br />
importiert.Die ältestedeutsche Blaudruckerei<br />
wurde 1689 in Augsburg gegründet.<br />
„Im 18. und 19.Jahrhundert gab es<br />
fast injedem Dorf einen Betrieb, vor allem<br />
dort, wo Flachs,der Rohstoff für Leinen,<br />
angebaut wurde –wie bei uns im<br />
Münsterland“, erzählt Elke Schlüter. In<br />
Lüdinghausen ist der Straßenname Blaufärbergasse<br />
eine der letzten Reminiszenzen<br />
andiese Zeit.<br />
Früher waren die ausschließlich männlichen<br />
Blaudrucker so genannte Lohndrucker,<br />
das heißt, sie bearbeiteten Aufträge.<br />
Auch heute kommen Besucher oft<br />
mit konkreten Wünschen zu Elke Schlüter.<br />
„Eine Kundin brachtemir eine Porzellantasse.<br />
So wie deren Muster sollteauch<br />
der Blaudruck aussehen.“ Meist brächten<br />
sie aber alte Weißwäsche, die bedruckt<br />
werden solle. Die Westfälin, die mit einer<br />
Schneiderin zusammenarbeitet, realisiert<br />
zudem viele eigene Entwürfe.<br />
„Mein Ziel war esimmer, das alte Handwerk<br />
dem Zeitgeschmack anzupassen“,<br />
erklärt die Designerin, die an der Fachhochschule<br />
für Gestaltung in Münster<br />
studiert hat. Ausdiesem Grunde arbeitet<br />
sie neben Indigo auch manchmal mit Indanthren,<br />
einem Farbstoff, der andere<br />
Töne –etwa Rot und Grün –möglich<br />
macht.<br />
Das Aund Odes Blaudrucksist nicht etwa<br />
das ‚blaue Wunder‘, sondern es sind die<br />
aus verschiedenen Holzarten schichtweise<br />
zusammengesetzten Model mit ihren<br />
mannigfaltigen Drahtstiftformen. Über<br />
800 hortet ElkeSchlüter wie einenSchatz<br />
– sehr alte und auch einige neueren<br />
Datums. Die ältesten Model zeigen biblische<br />
Motive,etwaden Sündenfall. „Blaudruckereien<br />
haben auch Altartücher für<br />
die Kirchen produziert, und an Weihnachten<br />
waren Stoffe mit Krippenmotiven<br />
beliebt“, erinnert sich die Handwerkerin.<br />
Der Beruf des Formenstechers, der<br />
die Model anfertigte, sei so gut wie ausgestorben.<br />
„Früher habe ich auch selber<br />
Entwürfe für die Stiftanordnungen unter<br />
dem Model kreiert.“<br />
Wiewirdesweitergehen mit dem nun als<br />
Unesco-Welterbe geadelten Blaudruck?<br />
Da ist ElkeSchlüternicht unbedingt optimistisch.<br />
„Einen Nachfolger aus der Familiewirdesnicht<br />
geben.“ Und ein Übernahmeinteressent<br />
ist in Lüdinghausen<br />
auch noch nicht auf den Plan getreten. Es<br />
kämen zwar viele Interessierte –vor allem<br />
zu den Gruppenführungen. Die vor<br />
der Stadt liegende BurgVischering sei ein<br />
Touristenmagnet. „Aber dass jemand<br />
meinen Job übernehmen wolle, davonist<br />
mir noch nichts zu Ohren gekommen.“<br />
Und ein Ausbildungsberuf sei Blaudrucker<br />
schon seit Jahrzehnten nicht<br />
mehr.<br />
Blaudruckereien im niedersächsischen<br />
Einbeck und in Pulsnitz in der Oberlausitz<br />
sind Gegenbeispiele. Die Werkstätten<br />
haben neue Eigentümerinnen gefunden.<br />
Fasziniert von der langen Tradition dieses<br />
anspruchsvollen Handwerks sorgen<br />
jetzt Ursula Schwerin und CordulaReppe<br />
dafür, dass dort auch weiterhin „blaue<br />
Wunder“ geschehen. Ulrich Traub<br />
Elke Schlüter druckt, in dem sie den Model auf den Stoff drückt und abschließend einen Schlag versetzt.<br />
Blau dominiert: Blick auf das Angebot der Blaudruckerei.<br />
MünsterlandManager.de<br />
Top-Führungskräfte für das Münsterland<br />
Fotos: Ulrich Traub<br />
MünsterlandManager.de ist der kompetente Partner für die Vermittlung von regional ansässigen Führungskräften<br />
und Spezialisten und für die überregionale Rekrutierung für mittelständische Unternehmen im Münsterland<br />
und angrenzenden Regionen.<br />
WIR SUCHEN für unsere Kunden imMünsterland und angrenzenden Regionen aktuell<br />
mehrere:<br />
Kaufmännische Leiter (m/w)<br />
Ingenieure/Tec<br />
Leiter IT/EDV (m/w) insb. Projektleiter und Datenbankmanager<br />
Controller (m/w) insb. Vertriebs Controller, Beteiligungs Controller<br />
Leiter Rechnungswesen /Bilanzbuchha<br />
WeitereInformationen zu den Stellen finden Sie auf www.muensterlandmanager.de.<br />
Interesse? Dann sind wir gespannt auf Ihre Bewerbung einschl. Gehaltswunsch und<br />
möglichem Eintrittstermin!<br />
Bitte senden Sie uns diese an info@muensterlandmanager.de unter Angabe der Profilnummer<br />
oder holen Sie sich weitere Informationen bei den jeweils zuständigen Beratern<br />
Paul-Peter Groten unter 0157 -74976657oder ReinhardLezgus unter 0177 -89890 52.<br />
MünsterlandManager.de GmbH &Co. KG<br />
•Münster<br />
48155 Münster, AmMittelhafen 20 •Ahaus<br />
Tel. 0251-38471633<br />
•Bocholt<br />
Mail info@muensterlandmanager.de<br />
Weitere Info unter www.muensterlandmanager.de