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DIE WIRTSCHAFT MS I MS-Land - 18.12.2018

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LEBEN &WISSEN 11<br />

Von der Unesco geadelt<br />

Der Blaudruck hat eine sehr lange Geschichte, wird aber auch in Deutschland nur noch an wenigen<br />

Orten praktiziert. Früher staunte man fast in jedem Dorf über das „blaue Wunder“.<br />

Normalerweise fangen Geschichten<br />

über diese alte Handwerkskunst immer<br />

mit dem Satz an: „Hier können<br />

Sie ein ‚blaues Wunder‘ erleben.“ So<br />

soll es auch dieses Mal sein, denn<br />

schließlich wird es ums Bewahren<br />

gehen. Und das ist jetzt nicht ins<br />

Blaue hinein gesprochen.<br />

Der Weg führt in eine der<br />

letzten Blaudruckereien in<br />

Deutschland. In lediglich<br />

neun Betrieben wird noch<br />

gedruckt und gefärbt. Der<br />

Name kommt nicht vonungefähr,das erkennt<br />

selbst der Laie. Im neben der Druckerei<br />

befindlichen Laden dominiert ein<br />

kräftiger Blauton. Tischdecken, Vorhänge,<br />

Tücher und Stoffbf ahnen füllen die<br />

Regale bis unter die Decke –alles von<br />

Hand gefertigt, alles Unikate und alles<br />

blau, jedenfalls fast. Aber dazu später.<br />

Elke Schlüter ist die Chefin der Blaudruckerei<br />

in Lüdinghausen und führt Regie<br />

beim ‚blauen Wunder‘. „Blaudruck ist ein<br />

uraltes Färbeverfahren“, sagt sie. „Aber<br />

kommen Sie doch mal mit.“<br />

Über eine schmale Stiege geht es in ihr<br />

Atelier.Auf einem langen Tisch liegt eine<br />

aufgespannte, weiße Stoffbf ahn. Elke<br />

Schlüter greift zu einem mehr als handtellergroßen<br />

Holzklotz, einem Model. Zu<br />

Hunderten liegen sie in Regalen gestapelt.<br />

Seine Unterseite ist mit kleinen<br />

Drahtstiften, die zu einer bestimmten<br />

Form angeordnet sind,dicht beschlagen.<br />

Diese drückt die Handwerkerin jetzt in<br />

den Papp, eine feuchte Masse. „Die Zusammensetzung<br />

wird nicht verraten“,<br />

Muster und Model: Elke Schlüter zeigt einen Model, mit dem sie<br />

zuvor den Stoff bedruckt hat.<br />

wehrt die Blaudruckerin mit einem Lächeln<br />

die nächste Frage ab. Dann wird<br />

der Model mehrfach kräftig auf den Stoff<br />

gepresst, sodass allmählich ein blässliches<br />

Muster entsteht.<br />

„Das aber ist nicht das ‚blaue Wunder‘“,<br />

räumt Elke Schlüter ein. Um das zu erleben,<br />

geht es in die Färberei. Hier werden<br />

die bedruckten Naturtextilien in einen<br />

Sternreif gespannt, der dann in die Küpe<br />

getaucht wird, einen Brunnen mit 1500<br />

Liter Indigo-Lösung. „Ein Färbevorgang<br />

dauert etwa 20 Minuten, je nach gewünschtem<br />

Blauton muss ich den Vorgang<br />

wiederholen.“ Danach werden die<br />

Reste des farbabweisenden Papps herausgespült.<br />

„Der Begriff kommt übrigens<br />

aus dem Niederländischen und bedeutet<br />

Brei“, klärt die Blaudruckerin auf.<br />

Sobald das Färben abgeschlossen ist, beginnt<br />

die Oxidation. „Der zunächst gelblich-grüne<br />

Stoff wird allmählich blau.“<br />

Ein Wunder? Eher nicht, aber die Redensart<br />

stammt genauvon diesem Prozess ab.<br />

Der Clou des Ganzen: Die mit dem Papp<br />

bedruckten Stellen sind weiß geblieben.<br />

Ende November hat die Unesco dieses<br />

traditionelle Färbeverfahren, dessen<br />

Techniken sich über Jahrhunderte kaum<br />

verändert haben, in die internationale<br />

Liste des immateriellen Weltkulturerbes<br />

eingeschrieben. Den Antrag stellten fünf<br />

Länder gemeinsam, neben Deutschland<br />

auch Österreich, die Slowakei, Tschechien<br />

und Ungarn. Wo auf offizieller Seite<br />

gejubelt wird, bleibt Elke Schlüter auf<br />

dem Teppich: „So ein Titel hört sich gut<br />

an, bringt mir aber nicht automatisch<br />

mehr Kunden.“ Andererseits kann es<br />

doch bestimmtauch nicht schaden, wenn<br />

einem alten Handwerk neue Wertschätzung<br />

zuteil wird. Eine Unesco-Urkunde<br />

hängt jedenfalls prominent im Laden.<br />

Die Ursprünge des Blaudrucks liegen in<br />

Indien. Vondort wurde das Verfahren zusammen<br />

mit der Färbepfl<br />

anze Indigo von<br />

holländischen Seefahrern nach Europa<br />

importiert.Die ältestedeutsche Blaudruckerei<br />

wurde 1689 in Augsburg gegründet.<br />

„Im 18. und 19.Jahrhundert gab es<br />

fast injedem Dorf einen Betrieb, vor allem<br />

dort, wo Flachs,der Rohstoff für Leinen,<br />

angebaut wurde –wie bei uns im<br />

Münsterland“, erzählt Elke Schlüter. In<br />

Lüdinghausen ist der Straßenname Blaufärbergasse<br />

eine der letzten Reminiszenzen<br />

andiese Zeit.<br />

Früher waren die ausschließlich männlichen<br />

Blaudrucker so genannte Lohndrucker,<br />

das heißt, sie bearbeiteten Aufträge.<br />

Auch heute kommen Besucher oft<br />

mit konkreten Wünschen zu Elke Schlüter.<br />

„Eine Kundin brachtemir eine Porzellantasse.<br />

So wie deren Muster sollteauch<br />

der Blaudruck aussehen.“ Meist brächten<br />

sie aber alte Weißwäsche, die bedruckt<br />

werden solle. Die Westfälin, die mit einer<br />

Schneiderin zusammenarbeitet, realisiert<br />

zudem viele eigene Entwürfe.<br />

„Mein Ziel war esimmer, das alte Handwerk<br />

dem Zeitgeschmack anzupassen“,<br />

erklärt die Designerin, die an der Fachhochschule<br />

für Gestaltung in Münster<br />

studiert hat. Ausdiesem Grunde arbeitet<br />

sie neben Indigo auch manchmal mit Indanthren,<br />

einem Farbstoff, der andere<br />

Töne –etwa Rot und Grün –möglich<br />

macht.<br />

Das Aund Odes Blaudrucksist nicht etwa<br />

das ‚blaue Wunder‘, sondern es sind die<br />

aus verschiedenen Holzarten schichtweise<br />

zusammengesetzten Model mit ihren<br />

mannigfaltigen Drahtstiftformen. Über<br />

800 hortet ElkeSchlüter wie einenSchatz<br />

– sehr alte und auch einige neueren<br />

Datums. Die ältesten Model zeigen biblische<br />

Motive,etwaden Sündenfall. „Blaudruckereien<br />

haben auch Altartücher für<br />

die Kirchen produziert, und an Weihnachten<br />

waren Stoffe mit Krippenmotiven<br />

beliebt“, erinnert sich die Handwerkerin.<br />

Der Beruf des Formenstechers, der<br />

die Model anfertigte, sei so gut wie ausgestorben.<br />

„Früher habe ich auch selber<br />

Entwürfe für die Stiftanordnungen unter<br />

dem Model kreiert.“<br />

Wiewirdesweitergehen mit dem nun als<br />

Unesco-Welterbe geadelten Blaudruck?<br />

Da ist ElkeSchlüternicht unbedingt optimistisch.<br />

„Einen Nachfolger aus der Familiewirdesnicht<br />

geben.“ Und ein Übernahmeinteressent<br />

ist in Lüdinghausen<br />

auch noch nicht auf den Plan getreten. Es<br />

kämen zwar viele Interessierte –vor allem<br />

zu den Gruppenführungen. Die vor<br />

der Stadt liegende BurgVischering sei ein<br />

Touristenmagnet. „Aber dass jemand<br />

meinen Job übernehmen wolle, davonist<br />

mir noch nichts zu Ohren gekommen.“<br />

Und ein Ausbildungsberuf sei Blaudrucker<br />

schon seit Jahrzehnten nicht<br />

mehr.<br />

Blaudruckereien im niedersächsischen<br />

Einbeck und in Pulsnitz in der Oberlausitz<br />

sind Gegenbeispiele. Die Werkstätten<br />

haben neue Eigentümerinnen gefunden.<br />

Fasziniert von der langen Tradition dieses<br />

anspruchsvollen Handwerks sorgen<br />

jetzt Ursula Schwerin und CordulaReppe<br />

dafür, dass dort auch weiterhin „blaue<br />

Wunder“ geschehen. Ulrich Traub<br />

Elke Schlüter druckt, in dem sie den Model auf den Stoff drückt und abschließend einen Schlag versetzt.<br />

Blau dominiert: Blick auf das Angebot der Blaudruckerei.<br />

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