DIE WIRTSCHAFT MS I MS-Land - 18.12.2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6 BRANCHEN &BETRIEBE<br />
Ente ohne Ende<br />
Thomas Franz restauriert inDülmen alte Citroëns. Ergilt als letzter deutscher Enten-Profi. Jetzt, mit<br />
65 Jahren, denkt er ans Aufhören. Aber er findet keinen Nachfolger –trotz voller Auftragsbücher.<br />
Enten-Enthusiast Thomas Franz: In Dülmen repariert und restauriert der gebürtige Duisburger die schaukeligen Oldtimer, die einst als eine Art französischer „Volkswagen“ entwickelt wurden.<br />
Foto: Gunnar A. Pier<br />
Dasideale<br />
Umfeld.<br />
Unternehmer im ecopark wissen:<br />
Wo Mitarbeiter sich wohlfühlen, da<br />
leistensie gute Arbeit. Investieren<br />
auch Sie in ein gutes Umfeld–für Ihre<br />
Mitarbeiter und fürIhr Unternehmen.<br />
Im ecopark an der HansalinieA1.<br />
ecopark –der Qualitätsstandort.<br />
Wenn die Ente bockt, muss man sie<br />
aufb<br />
ocken. Einen Diagnosestecker<br />
gibt es nicht, der Mechaniker muss<br />
den Wagen auf die Hebebühne fahren<br />
undmit dem Schraubenzieher in<br />
der Hand nach dem Fehler suchen.<br />
Thomas Franz liebt das, erbetreibt<br />
die vielleicht letzte deutsche Fachwerkstatt<br />
für die Ente. Doch der Enten-Enthusiasmus<br />
stirbt aus. Franz<br />
jedenfalls findet partout keinen<br />
Nachfolger für seinen Betrieb in Dülmen.Als<br />
die Ente vor 70 Jahren,<br />
am 7. Oktober 1948, auf<br />
dem Pariser Autosalon vorgestellt<br />
wurde, solltesie vor<br />
Allem a das sein: praktisch<br />
und günstig. Ein französischer Volkswagen.<br />
Heute ist sie Kult. „Sie wird unverschämt<br />
hoch gehandelt“, findet Thomas<br />
Franz.<br />
Als sich der gebürtige Duisburger 1980<br />
das ersteAutokaufte, mussteeseine Ente<br />
sein. „Das waralternativlos.“ Opel Kadett<br />
fuhren nur Prolls, Käfer nur Papas. „Die<br />
Ente war ein Anti-Auto. Die sah anders<br />
aus, fuhr anders, hörte sich anders an.“<br />
Die rosarote 350-Mark-Karre war sein<br />
Symbol für Freiheit und Unangepasstheit.<br />
Zweimal in der Woche blieb Franz<br />
damit liegen. Als sein Papa ihm 1000<br />
Mark für ein neues Auto gab, weil er keine<br />
Lust hatte, seinen Sohnemann ständig<br />
vonder B1zuschleppen, kaufte dersich<br />
wieder eine Ente. Nur etwas jünger halt.<br />
Die Liebe zu den schaukeligen Blechkarossen,<br />
in denen es immer zieht wie<br />
Hechtsuppe, hat er sich über Jahrzehnte<br />
bewahrt.<br />
Franz studierte Latein und Philosophie<br />
auf Lehramt, doch als sich andeutete,<br />
dass er sein Leben in einer Mammutschule<br />
verbringen sollte, machteerdie Flatter<br />
und landetewieder bei der Ente. „Ich habe<br />
alles verkloppt, was ich hatte, sogar<br />
die Stereoanlage.“ Mit dem Startkapital<br />
gründete er einen Ersatzteilhandel in<br />
Münster. Daraus wurde eine Schrauber-<br />
Bude, dann eine kleine Werkstatt. Er fing<br />
wieder an zu büffeln, machteden Karosseriebau-Meister.Jetzt<br />
hat er einenzertifizierten<br />
„Fachbetrieb für historische<br />
Fahrzeuge“. Doch etwas anderes als die<br />
Ente kommt ihm nicht auf die Hebebühne.<br />
Heutekommen Liebhaber aus ganz Europa<br />
zu ihm nach Dülmen.„Eine Enteist total<br />
speziell“, erklärt er,warum nicht jede<br />
Werkstatt helfen kann oder will. „Keiner<br />
versteht, wie die Federung funktioniert.“<br />
Dazu der luftgekühlte Boxer-Motor –sogar<br />
Citroën-Werkstätten schicken Kunden<br />
zu ihm.<br />
„Wir haben keine jungen Kunden“, sagt<br />
Franz. Aus dem Arme-Leute-Auto ist ein<br />
kultiges Sammler-Objekt geworden. Unpraktisch,<br />
aber mit Charme. Gut restauriert<br />
gibt es eine Ente heute ab17000<br />
Euro. Wer noch etwas draufl<br />
egt, bekommt<br />
quasi ein neues Auto.<br />
Das ist bemerkenswert, schließlich wurde<br />
die Produktion 1990 eingestellt. Doch<br />
es gibt Hersteller,die, teils garvon Citroën<br />
unterstützt, nagelneue Teile anbieten<br />
–bis hin zum Fahrgestell. So kann Franz<br />
heute ein komplett neues Auto bauen.<br />
29 PS stark mit undichten Fenstern und<br />
Faltdach statt Klimaanlage.<br />
Doch häufiger sind Restaurationen. Immer<br />
wieder tauchen alte Schätzchen auf:<br />
„Man wundert sich, wie viele Enten noch<br />
in Schuppen rumstehen.“ Franz macht<br />
sie wieder fl<br />
ott.<br />
Wieesweitergeht,ist dennoch ungewiss.<br />
„Der Oldtimer-Markt hat Zukunft“, ist er<br />
überzeugt. Doch jetzt, mit 65 Jahren,<br />
sucht er einen Nachfolger. Bislang vergeblich:<br />
„Wer heute die Meisterprüfung<br />
ablegt, wurde geboren, als die Ente eingestellt<br />
wurde“, erklärt er. „Die haben<br />
keine Affinität mehr dazu.“ Mit seinen<br />
bisherigen Auszubildenden war er, daraus<br />
macht er keinen Hehl, durchweg unzufrieden.<br />
„Da hat noch keiner gesagt:<br />
Chef, ich möchtemir auch so ein Auto fertig<br />
machen.“ Auch die Suche über die<br />
Handwerkskammer oder in der Schrauber-Szene<br />
machte keinen einzigen Interessenten<br />
neugierig: „Die wollen alle die<br />
Verantwortung nicht übernehmen.“ Dabei<br />
seien die Auftragsbücher voll.<br />
Für Franz gibt es also nur eins: „Ich mache<br />
weiter, solange ich laufen kann. Es<br />
macht ja Spaß!“ Gunnar A. Pier