14.01.2019 Aufrufe

Scheunentor19-1

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Seelsorge<br />

Ein Notfallseelsorger berichtet<br />

Foto: www.notfallseelsorge.de<br />

Ich stehe vor einer Haustür. Hinter<br />

ihr hört man Kinder toben. Durch die<br />

Gardinen sieht man schemenhaft<br />

eine Person, die etwas in einen Schrank zu<br />

stellen scheint. Alltag einer Familie. Ich<br />

weiß: Wenn ich jetzt die Klingel drücke, ist<br />

gleich nichts mehr wie es war, für die Menschen<br />

in diesem Haus. An meiner Seite<br />

sind eine erfahrene Polizistin und ein ein<br />

erfahrener Polizist. Beiden schlottern die<br />

Knie. Mir auch. Immer wieder. Wir klingeln.<br />

Eine Frau öffnet. Sind Sie Frau S.? -<br />

Ja. - Dürfen wir bitte herein kommen?<br />

Wenn wir in diese Kombination - Polizei<br />

und Notfallseelsorge - vor der Tür stehen,<br />

rechnen die Menschen schon mit dem<br />

Schlimmsten. Dennoch versuchen wir, die<br />

Situation etwas zu sortieren. Können die<br />

Kinder kurz zum Spielen in ihr Zimmer<br />

gehen? Die Polizistin geht mit den beiden.<br />

Die Kinder holen ihre Polizei-Spielsachen<br />

aus dem Schrank und zeigen sie der Kollegin.<br />

In der Küche überbringt der Polizist<br />

die Nachricht: Ihr Mann hatte einen Unfall.<br />

Er ist dabei gestorben. Es tut mir leid.<br />

So oder so ähnlich - und doch jedes<br />

Mal ganz anders, beginnt oft meine Arbeit<br />

als Notfallseelsorger, wenn ich zu einem<br />

Einsatz gerufen wurde. Die Situationen<br />

sind unterschiedlich: Plötzliche Todesfälle,<br />

Unfälle, Suizide, Plötzlicher Kindstod,<br />

Gewaltverbrechen oder wie hier: die<br />

Überbringung einer Todesnachricht,<br />

zusammen mit der Polizei. Aber hinter<br />

jedem Einsatz steht ein menschliches<br />

Drama. Nicht selten noch während die<br />

anderen Rettungskräfte von Feuerwehr<br />

und Rettungsdienst damit beschäftigt<br />

sind, Menschenleben zu retten, leisten wir<br />

„Erste Hilfe für die Seele“. Dass diese<br />

genauso verletzlich ist, wie der menschliche<br />

Körper, gehört dabei zu den Grundeinsichten<br />

und hat sich zum Glück inzwischen<br />

tiefer im Bewusstsein der<br />

Gesellschaft verankert. Daher sind wir<br />

inzwischen fast flächendeckend Teil der<br />

Rettungskette. Die professionellen Helfer<br />

von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehren<br />

verständigen uns, wenn in einem<br />

Einsatz deutlich wird: Hier müssen nicht<br />

nur körperliche Wunden versorgt werden<br />

- jemand muss sich um die psychologische<br />

Erstbetreuung von Betroffenen oder<br />

auch der Einsatzkräfte selbst kümmern,<br />

denn auch an diesen geht ihr mitunter<br />

schreckliches Erleben nicht spurlos vorbei.<br />

Oft werde ich gefragt: Was sagst<br />

du den Menschen in solchen Momenten?<br />

Aber darauf kommt es meist gar nicht<br />

an, dass ich groß etwas sage. Viel häufiger<br />

sind wir einfach da, stehen bei, halten<br />

mit aus, hören zu. Oft wird<br />

geschwiegen, aber später hören wir: Es<br />

war wichtig, dass Sie da waren und uns<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!