Develop³ Systems Engineering 01.2014
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develop 3<br />
systems engineering<br />
01 2014<br />
„ Die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit<br />
ganzer Branchen ist<br />
ein Muss.“<br />
Friedhelm Loh, Ehrenpräsident ZVEI<br />
Meinung Seite 16<br />
Round Table:<br />
Eine Brücke von der<br />
virtuellen zur realen Welt<br />
Trends Seite 30<br />
Von der Datensammlung<br />
zur Information<br />
Trends Seite 36<br />
Parallel ein gemeinsames<br />
Ziel verfolgen<br />
Praxis Seite 52<br />
www.develop3.de<br />
Titelstory Seite 10<br />
Im Vordergrund stehen<br />
Methodik und Kommunikation
Unendliche Möglichkeiten,<br />
eine Designplattform<br />
NI LabVIEW ist die umfassende Entwicklungsumgebung mit herausragender<br />
Hardwareintegration und Kompatibilität. Damit meistern Sie jede Herausforderung<br />
in der Mess-, Steuer- und Regeltechnik. LabVIEW ist das Herzstück des Graphical<br />
System Design, das Konzept, mit dem Sie über eine offene Plattform aus<br />
produktiver Software und rekonfigurierbarer Hardware die Systementwicklung<br />
beschleunigen können.<br />
Die grafische Entwicklungsumgebung<br />
NI LabVIEW<br />
bietet herausragende<br />
Hardwareintegration<br />
und ermöglicht es Ihnen,<br />
intuitiv zu programmieren.<br />
» ni.com/labview-platform<br />
© 2014 | National Instruments, NI, ni.com und LabVIEW sind Marken der National Instruments Corporation.
Editorial<br />
Grenzen zwischen Disziplinen<br />
gilt es zu überwinden!<br />
Auf rund 50 % und mehr wird der Anteil der Funktionalitäten einer<br />
modernen Maschine taxiert, der durch Programmcode in der<br />
Steuerung oder den Steuerungen definiert wird. Mit anderen<br />
Worten: Software wird zur dominanten Größe! Zu 100 % wird es<br />
allerdings auch nicht reichen – ohne ‚Hardware‘ wie Antriebe, Lager<br />
oder Sensorik wäre die ganze Software schlicht wertlos. Auf<br />
der Hand liegt, dass nur das reibungslose Zusammenspiel von<br />
Mechanik, Elektrotechnik und Software zu einer qualitativ<br />
hochwertigen und gleichzeitig innovativen<br />
Maschine führt. Leider zeigt die Praxis, dass es<br />
eben an diesem Zusammenspiel oft fehlt.<br />
‚Hausgemacht‘ seien die Probleme,<br />
meint it’s-OWL-Chef Dr. Roman Dumi -<br />
trescu: „Erst haben wir die Leute so<br />
ausgebildet und dann auch noch die<br />
Unternehmen entsprechend organisiert!“<br />
(Siehe Interview ab S. 10.)<br />
Eine Lösung kann die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit bringen – und genau<br />
das ist der Grund, warum Sie diese Erst-Ausgabe<br />
der develop 3 systems engineering der Konradin<br />
Mediengruppe in Händen halten. Zugegeben:<br />
Die Thematik ist nicht brandneu und nicht jeder kann auf Anhieb<br />
mit dem Begriff <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> etwas anfangen. Aber jeder<br />
kennt die Probleme und die Automobilindustrie investiert massiv,<br />
um die drei Disziplinen zu synchronisieren – zumal mit der Industrie-4.0-Diskussion<br />
neben die Ingenieure nun auch noch die Informatiker<br />
treten; Automatisierer und ITler müssen sich verstehen!<br />
Wir wollen dazu Anregungen liefern und Tipps aus der Praxis (siehe<br />
S. 66). Ihr Feedback wird uns verraten, ob uns das gelingt.<br />
Dipl.-Ing. Michael Corban<br />
Chefredakteur develop 3 systems engineering<br />
michael.corban@konradin.de<br />
„Software allein<br />
ist wertlos – erst das<br />
Teamwork von Mechanik,<br />
Elektrotechnik<br />
und Software<br />
‚bringt’s‘!“<br />
sps ipc drives 2014<br />
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eine Marke der 3S-Smart Software Solutions GmbH
Inhalt 01/2015<br />
Mit dem Umstieg auf die Konfiguration mit einem<br />
gewerkeübergreifenden Baukasten konnte MAG IAS<br />
die Konstruktionszeit halbieren<br />
60<br />
Industrie 4.0 fordert das Teamwork von IT- und Automatisierungs-<br />
Spezialisten und die Überwindung des Bruchs zwischen virtueller<br />
und realer Welt<br />
30<br />
Magazin<br />
6 Branchennews<br />
Die Industrie der Zukunft ist vernetzt<br />
Mitsubishi Electric und Eplan<br />
als strategische Partner<br />
8 Termine/Veranstaltungen<br />
ENGINEERING CAMPUS:<br />
Ideenaustausch für Konstruktionsleiter<br />
Informationen schützen<br />
<strong>Engineering</strong> zum (Be-)Greifen<br />
Menschen<br />
und Unternehmen<br />
10 Titelstory<br />
Details und Hintergründe zur<br />
Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
15 Produktentwicklung<br />
Lapp: Prozesse kommen vor Tools<br />
Friedhelm Loh im Interview: „Die<br />
Industriekultur muss sich verändern“<br />
Daimler arbeitet an PLM2015-Projekt<br />
20 Stimmen zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Norbert Scholz, Baumüller Nürnberg<br />
Dr. Rainer Stetter, ITQ<br />
Dr. Armin Walter, Lenze <strong>Engineering</strong><br />
Christoph Bräuchle, PTC<br />
Andreas Huhmann, Harting<br />
Trends<br />
30 Industrie 4.0<br />
Round Table: Eine Brücke<br />
von der virtuellen zur realen Welt<br />
36 Sensorik<br />
Interne Signalverarbeitung und<br />
Multisensorsysteme<br />
42 <strong>Engineering</strong><br />
Round Table: Das physikalische<br />
Verständnis bleibt elementar<br />
46 Datendurchgängigkeit<br />
MES-Lösungen sind Schaltzentrale,<br />
PLM umfassender als Industrie 4.0<br />
48 Datenverwaltung<br />
Schnittstellen-Management und<br />
durchgängige Ressourcen-Nutzung<br />
Praxis<br />
52 Automatisierung<br />
Parallel ein<br />
gemeinsames Ziel verfolgen<br />
55 <strong>Engineering</strong><br />
Digital durchgängig – von der<br />
ersten Idee bis zum Service<br />
58 Systeme<br />
Ahmed Mahmoud im Interview:<br />
„Let us empower the Engineers!“<br />
60 Baukastensysteme<br />
Konstruktionszeit um mehr als<br />
50 % gesenkt<br />
64 CAD<br />
Kollaboratives <strong>Engineering</strong>:<br />
Erfolgskritischer Entwicklungsprozess<br />
Rubriken<br />
3 Editorial<br />
28 Wir berichten über...<br />
66 Vorschau<br />
66 Impressum<br />
4 develop 3 systems engineering 01-2014
Friedhelm Loh, Ehrenpräsident ZVEI<br />
Meinung Seite 16<br />
Trends Seite 30<br />
Trends Seite 36<br />
Praxis Seite 52<br />
www.develop3.de<br />
nextlevel<br />
for industry<br />
Kompetenz in technischer Software und interdisziplinäres<br />
Zusammenarbeiten sind die Schlüssel zum Erfolg von<br />
Industrie 4.0, sagt ZVEI-Ehrenpräsident Friedhelm Loh<br />
16<br />
Titelstory<br />
10 <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Der Fokus der Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
liegt auf dem Maschinen- und Anlagenbau sowie<br />
Lösungen, die einfach und praktikabel sein sollen.<br />
Dazu im Interview: Dr. Roman Dumitrescu<br />
Industrie 4.0<br />
für den Schalt anlagenbau.<br />
Rittal präsentiert Ihnen auf der SPS IPC Drives<br />
zusammen mit Eplan, Cideon und Kiesling<br />
eindrucksvoll, wie Sie vom <strong>Engineering</strong> bis<br />
zur Fertigung im Schaltanlagenbau bis zu<br />
50 % Einsparpotenzial realisieren können.<br />
develop 3<br />
systems engineering<br />
01 2014<br />
<strong>Engineering</strong> System Automation<br />
„ Die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit<br />
ganzer Branchen ist<br />
ein Muss.“<br />
Round Table:<br />
Eine Brücke von der<br />
virtuellen zur realen Welt<br />
Von der Datensammlung<br />
zur Information<br />
Parallel ein gemeinsames<br />
Ziel verfolgen<br />
Titelstory Seite 10<br />
Im Vordergrund stehen<br />
Methodik und Kommunikation<br />
www.rittal.de<br />
develop 3 systems engineering 01-2014
Magazin Branchennews<br />
‚Integrated Industry – Join the Network!‘ lautet das Motto der Hannover Messe 2015<br />
Die Industrie der Zukunft ist vernetzt<br />
Ziel muss ein starkes Netzwerk aus Maschinenbau, Elektrotechnik<br />
und IT sein, um die Herausforderungen von Industrie<br />
4.0 zu meistern<br />
Bild: Deutsche Messe<br />
Die Integration der industriellen Wertschöpfungsprozesse geht in die<br />
nächste Runde: Was die Industrie für den nächsten Evolutionsschritt benötigt,<br />
wie künftig die Produktentwicklungs- und Produktionsprozesse auf -<br />
einander abgestimmt sein müssen und ein konkretes Zusammenwachsen<br />
von Informationstechnik und Automation aussehen kann, zeigen unter anderem<br />
die Aussteller der Digital Factory im Zuge der Hannover Messe 2015.<br />
Das Leitthema „Integrated Industry – Join the Network!“ bildet dabei den<br />
übergeordneten Rahmen rund um die vieldiskutierten Industrie-4.0-Technologien.<br />
Es steht dafür, dass die wesentlichen Herausforderungen – wie<br />
etwa allgemein gültige Standards für die Machine-to-Machine-Kommu -<br />
nikation, die Frage der Datensicherheit oder die Suche nach dem Ge -<br />
schäftsmodell der Zukunft – nur im Netzwerk zu bewältigen sind. „Die Frage<br />
ist nicht, ob Industrie- oder IT-Unternehmen die Führungsrolle einnehmen<br />
– nur gemeinsam werden die Möglichkeiten von Industrie 4.0 bestmöglich<br />
erschlossen“, ist Dr. Jochen Köckler, Mitglied des Vorstands der<br />
Deutschen Messe, überzeugt. „Dafür braucht es ein starkes Netzwerk aus<br />
Maschinenbau, Elektrotechnik und IT.“<br />
Die daraus resultierenden Technologieveränderungen macht die Messe erlebbar.<br />
Digitalvernetzte Fertigungsanlagen, innovative Produktionsver -<br />
fahren, neuartige Industrieroboter und auch IT-gestützte Automationslösungen,<br />
die sämtliche Organisationsabläufe einer Fabrik verändern können,<br />
werden gezeigt. „In der Smart Factory verschmelzen Maschinenbau<br />
und IT“, so Köckler weiter. „Die IT-Unternehmen sind Teil des Netzwerks und<br />
nutzen die Messe, um sich mit ihren Kunden aus der Industrie auszutauschen.“<br />
Die Präsenz von internationalen IT-Konzernen und die Anmeldung<br />
von Microsoft zeigten, dass man mit dem Leitthema den Puls der Industrie<br />
träfe. Die Bandbreite der IT-Lösungen, die Fertigungsunternehmen in allen<br />
Prozessen unterstützen, reicht dabei von der Innovation und ersten<br />
Idee im CAx-System über die Produktionsplanung und -steuerung mit<br />
MES und ERP, die Simulation und Vorausberechnung mit Hilfe virtueller<br />
Realität und 3D-Modellen von Produkt und Fabrik bis zum Management<br />
der Produkt- und Produktionsdaten über den gesamten Lebenszyklus mit<br />
PDM und PLM.<br />
ik<br />
www.hannovermesse.de<br />
Durchgängigkeit bei Elektro-<strong>Engineering</strong> und SPS-Programmierung<br />
Mitsubishi Electric und Eplan als strategische Partner<br />
Bilder: Eplan<br />
Hartmut Pütz und Maximilian Brandl: „Durch die Integration<br />
von Eplan mit GX Works2 lassen sich Projektqualität<br />
und Datenkonsistenz steigern“<br />
Um eine optimale Integration von Elektro-<strong>Engineering</strong><br />
und SPS-Programmierung zu realisieren<br />
und als Partner der e-F@ctory Alliance arbeiten<br />
die Entwicklungsabteilungen von Mitsubishi<br />
Electric und Eplan eng zusammen. Sie wollen die<br />
Projektqualität und Datenkonsistenz für Anwender<br />
steigern. Dafür sind die Eplan-Plattform und<br />
GX Works2, die Konfigurations- und Programmiersoftware<br />
von Mitsubishi Electric für die Melsec-SPS-Serie<br />
jetzt per Schnittstelle gekoppelt.<br />
Für gemeinsame Kunden soll eine Reduzierung<br />
der Entwicklungskosten um mehr als 50 % möglich<br />
sein. Ein konkreter Anwendungsfall: Ein Elektroingenieur<br />
erstellt einen Stromlaufplan und<br />
leitet per Knopfdruck Informationen wie<br />
I/O-Adressen und Funktionstexte an den SPS-<br />
Programmierer, der die GX-Works2-Steuerung<br />
programmiert. Das führt zu deutlich kürzeren<br />
Entwicklungs- und Inbetriebnahmezeiten von<br />
Anlagen und Systemen. Eplan Electric P8 als Teil<br />
der Plattform verbindet die Daten der Elektro-<br />
Hardware-Planung und der Steuerungstechnik<br />
sowie die zugehörige umfassende Dokumentation.<br />
„Durch die Integration mit GX Works2 lassen<br />
sich Projektqualität und Datenkonsistenz steigern“,<br />
sagt dazu Hartmut Pütz, Präsident der<br />
Factory Automation – European Business Group<br />
von Mitsubishi Electric. Gleichzeitig reduzierten<br />
sich Kosten und Entwicklungszeit für gemeinsamen<br />
Kunden. „Unsere weltweiten Kunden profitieren<br />
von der neuen E-CAD- und SPS-Schnittstelle<br />
und der hohen Komponentenverfügbarkeit<br />
im Eplan Data Portal“, ergänzt Maximilian<br />
Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung von<br />
Eplan. Die zentrale Eplan-Plattform beinhaltet alle<br />
Daten von der Vorplanung bis zum Detail-<strong>Engineering</strong>.<br />
Diese Informationen können als Grundlage<br />
für folgende Projektschritte in der SPS-orientierten<br />
Automatisierungstechnik genutzt werden.<br />
Zudem lassen sich Makros beziehungsweise<br />
Bibliotheken und CAD-Produktdaten von Mitsubishi<br />
Electric einbinden und in Eplan hinterlegte<br />
Daten direkt in GX Works2 importieren. ge<br />
www.e-factory-alliance.com<br />
www.eplan.de<br />
www.mitsubishielectric.com<br />
6 develop 3 systems engineering 01–2014
Magazin Termine/Veranstaltungen<br />
ENGINEERING CAMPUS: Ideenaustausch rund um <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> und Produktentwicklung<br />
‚Input‘ für innovativ denkende Konstruktionsleiter und -interessierte<br />
Innovative Entwicklungsingenieure stellen sicher, dass ihr Unternehmen<br />
wirtschaftlich stark bleibt. Aber auch kluge Köpfe brauchen ‚Input‘ – und<br />
genau den liefert im September 2015 der erste ENGINEERING CAMPUS<br />
der Zeitschriften develop 3 systems engineering, KEM – Konstruktion, Entwicklung,<br />
Management und elektro AUTOMATION in Kooperation mit<br />
AutomobilKonstruktion, Industrieanzeiger sowie medizin&technik. Die<br />
Veranstaltung bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, sich zu allen<br />
Themen rund um die Produktentwicklung zu informieren. Themen sind:<br />
Bild: Daimler<br />
Bild: Leukefeld<br />
Dr. Peyman Merat, Projektleiter PLM2015<br />
bei Daimler, wird von der Gestaltung<br />
der <strong>Engineering</strong>-Prozesse bei dem Automobilbauer<br />
berichten<br />
Prof. Timo Leukefeld berichtet von dem Ziel<br />
einer ganzjährig unabhängigen Energie -<br />
versorgung im Bereich des Wohnens – und<br />
öffnet damit interessante Perspektiven<br />
·<br />
·<br />
·<br />
Erfolgreiches <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in der Praxis<br />
Safety inklusive – sichere und Standard-Automatisierung wachsen<br />
zusammen<br />
Energieeffizienz in der Antriebstechnik – Richtlinie schraubt Wirkungsgrad<br />
in die Höhe<br />
Entwicklungsdienstleistungen – Unterstützung auch bei sensiblen<br />
Projekten<br />
Die Keynote wird Dr. Peyman Merat halten, Projektleiter PLM2015 bei<br />
der Daimler AG zum Thema ‚Das digitale Rückgrat der Produktentwicklung‘.<br />
Hintergrund ist, dass die Entwicklungs- und Produktplanungsprozesse<br />
bei Daimler künftig die enge Vernetzung von Produktdatenmana-<br />
gement-Software Smaragd und CAD/CAE/CAM-Software NX von Siemens<br />
nutzen – letztere wird im Rahmen des intern ‚PLM2015‘ genannten<br />
Großprojektes derzeit eingeführt (siehe dazu auch Beitrag S. 18). Die<br />
Plenumsrede hält zum Abschluss Prof. Timo Leukefeld, der sich unter<br />
dem Titel ‚Energie intelligent verschwenden‘ interessante Gedanken zu<br />
unserem Umgang mit Energie macht – ein in vielerlei Hinsicht anregender<br />
Vortrag.<br />
co<br />
22. September 2015<br />
9:00 bis 17:30 Uhr<br />
Mövenpick Hotel, Stuttgart Airport<br />
www.wirautomatisierer.de/ec<br />
VDMA-Informationstag zu Know-how-Schutz & Informationssicherheit<br />
Informationen im Unternehmen schützen<br />
Mechatronisches <strong>Engineering</strong> auf der SPS IPC Drives<br />
<strong>Engineering</strong> zum (Be-)Greifen<br />
Der VDMA veranstaltet am Donnerstag,<br />
den 4. Dezember im Haus des VDMA in<br />
Frankfurt einen Informationstag zu Knowhow-Schutz<br />
& Informationssicherheit.<br />
Der Schutz unternehmenswichtiger Informationen,<br />
die in Konstruktionsdaten, Prozessen,<br />
Rezepturen und Verfahren stecken,<br />
ist eine der größten Herausforderungen<br />
im Thema Unternehmenssicherheit. Sie<br />
benötigt rechtliche, organisatorische und<br />
technische Mechanismen. Die Gefahren<br />
sind vielfältig. Oft steht der Schutz gegen<br />
Angriffe durch Wettbewerber oder illoyale<br />
Mitarbeiter im Fokus, doch auch Kunden<br />
oder Lieferanten werden zunehmend als<br />
Know-how-Diebe identifiziert.<br />
Das Ziel der Veranstaltung ist, VDMA-Mitglieder<br />
zu den Themen Industriespionage,<br />
Know-how-Schutz und Security praxisumfassend<br />
zu informieren. In parallelen<br />
Expertenrunden tauschen Referenten<br />
und Teilnehmer aktiv ihre Erfahrungen<br />
und Herausforderungen aus. Mit dabei<br />
sind Fachleute aus der Industrie, dem BSI<br />
als zuständiger Bundesbehörde und Vertretern<br />
der Securityindustrie. Statt Vorträgen<br />
soll also eine intensive Diskussion<br />
stattfinden. In den Pausen besteht zudem<br />
die Möglichkeit, den fachlichen Meinungsaustausch<br />
zu vertiefen und Kontakte zu<br />
knüpfen.<br />
ik<br />
www.vdma.org<br />
Auf der SPS IPC Drives 2014 in Nürnberg wird als Messedemonstrator<br />
eine Keks-Cocktail-Maschine zu sehen sein, an<br />
deren Beispiel anschaulich das mechatronische <strong>Engineering</strong><br />
demonstriert werden soll. Showcase MI5 nennt Organisator<br />
ITQ das Studentenprojekt – MI5 steht dabei für „Mechatronisches,<br />
idealtypisches <strong>Engineering</strong>“, das die fünf magischen i<br />
umfasst; innovativ, interdisziplinär, international, inkrementell<br />
und iterativ. MI5 soll eine ‚idealtypische‘ Art des <strong>Engineering</strong>s<br />
(be-)greifbar machen, und damit auch den Aufbau moderner<br />
Cyber-physischer Systeme. Sponsoren des Projekts sind Hersteller<br />
von Automatisierungstechnik sowie Anbieter aus dem<br />
<strong>Engineering</strong>-Bereich – B&R, Beckhoff, Bosch Rexroth, Indus -<br />
trial Physics, Phoenix Contact, Wenglor und Siemens. co<br />
www.itq.de<br />
SPS IPC Drives 2014: 1-458<br />
(auf dem Gemeinschaftsstand Bayern Innovativ)<br />
8 develop 3 systems engineering 01–2014
Sicher? Mit Sicherheit!<br />
Dienstleistungen für<br />
Maschinenhersteller und -betreiber<br />
„Auf dem Weg zur<br />
CE-Zertifizierung begleiten<br />
wir Sie Schritt für Schritt.“<br />
Torsten Gast, FS Expert Machinery (TÜV Rheinland),<br />
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CIS05-14.000.L1 © PHOENIX CONTACT 2014
Bild: Siemens<br />
An der Vision einer digitalen Durchgängigkeit<br />
von Beginn der Produktentwicklung<br />
an bis über alle Phasen des Produktlebenszyklus<br />
hinweg arbeiten zahlreiche<br />
Unternehmen und Forschungsinstitute.<br />
Methodisch ist dabei das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
einer der vielversprechendsten<br />
Ansätze – auch wenn der Begriff schon<br />
eine längere Historie hat als erwartet.
Titelstory Menschen & Unternehmen<br />
Im Interview: Dr. Roman Dumitrescu, Leiter der Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
„In erster Linie geht es<br />
um Kommunikation“<br />
Mitte August 2014 gründeten OWL-Technologie-Netzwerker, das Fraunhofer IPT, die<br />
Gesellschaft für <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (GfSE) und Dassault Systèmes die Fachgruppe<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf dem Maschinen- und Anlagenbau<br />
sowie Lösungen, die einfach und praktikabel sein sollen. Details und Hintergründe<br />
erläutert Dr. Roman Dumitrescu, einer der drei it’s-OWL-Geschäftsführer und Leiter der<br />
Fachgruppe im Gespräch mit der develop 3 .<br />
develop 3 : Dr. Dumitrescu, warum wurde die Fachgruppe <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong> gegründet?<br />
Dumitrescu: Im Spitzencluster it’s OWL leite ich das Querschnittsprojekt<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>, in dem Forscher neue<br />
Methoden für den multidisziplinären Entwurf intelligenter<br />
technischer Systeme erarbeiten. Jetzt wollen wir aber nicht an<br />
Dingen forschen, die keiner braucht, sondern wir wollen uns<br />
am tatsächlichen Bedarf der Unternehmen orientieren. Daher<br />
haben wir im August diese Fachgruppe gestartet, um Industrie<br />
und Wissenschaft im Bereich <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> noch<br />
näher zusammenzubringen. Dabei findet natürlich auch ein<br />
intensiver Austausch zwischen den Unternehmen statt.<br />
develop 3 : Ist eines der Ziele der Fachgruppe, die digitale Durchgängigkeit<br />
aus dem Product Lifecycle Management (PLM) bis hinein<br />
in die Automatisierung zu realisieren, die heute noch fehlt?<br />
Dumitrescu: Unter anderem. Die Frage danach war aber schon<br />
eine Motivation zur Durchführung der Studie „<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
in der industriellen Praxis“ (Anmerkung der Redaktion:<br />
siehe Kasteninfo), die wir kürzlich durchgeführt haben. Interessant<br />
war dabei, dass es keine einheitliche Definition von<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> gibt. Einigen können sich allerdings alle<br />
auf den Aspekt des ‚ganzheitlichen Systemdenkens‘. Personen<br />
im PLM-Umfeld verstehen darunter vor allem ein durchgängiges<br />
Datenmodell, das im Rahmen der Entwicklung abgelegt<br />
und im Verlaufe des Produktlebenszyklus konkretisiert wird –<br />
im Vordergrund steht also der Datenstamm, der die Produktund<br />
Systemarchitektur beschreibt. Der Automatisierer will dagegen<br />
den Entwurf, die Inbetriebnahme und zum Teil auch das<br />
Monitoring einer gesamten Anlage als Gesamtsystem verstehen<br />
und managen. Die entsprechenden Modelle aus den beiden<br />
Welten stimmen deswegen heute noch nicht überein.<br />
Das zusammenzubringen, hier eine Durchgängigkeit zu erreichen,<br />
ist die Herausforderung.<br />
develop 3 : Welche Hürden gilt es zu überwinden?<br />
Dumitrescu: Es reicht nicht aus, einfach nur viele Tools einzukaufen.<br />
Denn abgesehen vom Handling der Schnittstellen,<br />
wofür es schon einige Standards gibt, interessiert stets der jeweilige<br />
Fokus. Ziel muss sein, Modelle zu entwickeln, die verschiedene<br />
Sichten auf ein Produkt, eine Maschine oder eine<br />
Anlage erlauben. Den Produktioner interessieren naturgemäß<br />
andere Dinge als den Konstrukteur oder Automatisierer. Ziel<br />
der Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> ist es deshalb, sich mit<br />
Ansätzen für ein solches disziplinübergreifendes Systemmodell,<br />
das verschiedene Sichten erlaubt, zu beschäftigen und die<br />
damit in Zusammenhang stehenden Fragen vor allem pragmatisch<br />
zu lösen. An dieser Stelle ist allerdings auch noch einige<br />
Forschungsarbeit zu leisten.<br />
STUDIE<br />
Mit dem Titel „<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in der<br />
industriellen Praxis“ ist 2013 eine Studie<br />
zum Thema <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> erschienen,<br />
die auf der Befragung von 32 Unternehmen<br />
aus dem deutschsprachigen Raum<br />
basiert. Die Clusterpartner Heinz Nixdorf<br />
Institut, die Fraunhofer-Projektgruppe Entwurfstechnik<br />
Mechatronik und die Managementberatung<br />
Unity erklären darin,<br />
was es mit dem Begriff<br />
<strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong><br />
(SE) auf sich<br />
hat.<br />
Interessenten<br />
können die Studie<br />
als pdf oder Druck<br />
bestellen:<br />
http://t1p.de/m2gk<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 11
Menschen & Unternehmen Titelstory<br />
develop 3 : Muss für ein erfolgreiches <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in dem<br />
oben beschriebenen Sinne also ‚nur‘ ein im weitesten Sinne ‚offenes‘<br />
Modell entwickelt werden, das in der Lage ist, die daraus<br />
resultierende Komplexität handhabbar zu machen?<br />
Dumitrescu: Ja, ein disziplinunabhängiges Modell ist die Idealvorstellung<br />
– da müssen wir Schritt für Schritt darauf hinarbeiten.<br />
Ich sehe aber noch einen Punkt davor, der vor allem die Meden<br />
Beteiligten zusammen und fragen nach einem Modell, liefert<br />
der Konstrukteur ein 3D-Modell des Gehäuses, der Schaltungstechniker<br />
aber ein Schaltbild. Fragt man dann, wie sie<br />
sich über Probleme austauschen, stellen wir häufig fest, dass<br />
hier die Kommunikation verbessert werden muss. Unser Vorgehen<br />
ist dann, dass wir andere Methoden vorschlagen, um<br />
die Systeme disziplinunabhängig und damit letztlich systemübergreifend<br />
zu modellieren. In gewisser Weise ist dieses Problem<br />
aber hausgemacht!<br />
develop 3 : Hausgemacht? Könnten Sie das erläutern?<br />
Bild: it’s OWL<br />
„<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
ist eine Diszi -<br />
plin, die Tools und<br />
Methoden für die<br />
durchgängige und<br />
disziplinübergreifende Entwicklung technischer<br />
Systeme bereitstellt – wobei das zu<br />
entwickelnde System und die Gesamtheit<br />
aller Entwicklungstätigkeiten im Mittelpunkt<br />
stehen.“<br />
Dr.-Ing. Roman Dumitrescu ist Geschäftsführer Strategie, Forschung<br />
und Entwicklung der it's OWL Clustermanagement GmbH in Paderborn<br />
sowie Leiter der Abteilung <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> am Fraunhofer-IPT<br />
in Paderborn<br />
thodik betrifft. Wie sieht das Modell aus, was für Informationen<br />
muss es beinhalten – noch vor den Schnittstellen wird es<br />
in der Fachgruppe um die Methodik gehen. Dazu gehört dann<br />
auch, dass sich die ‚klassischen‘ Konstrukteure in den Unternehmen<br />
damit auseinander setzen müssen, dass bezüglich<br />
der Gesamtfunktionalität am Ende des Tages auch die Elektrotechnik,<br />
Informatik und die Automatisierung eine wesentliche<br />
Rolle spielen. Oftmals ist es ja so, dass diese Prozesse traditionell<br />
nacheinander durchgeführt werden, basierend jeweils<br />
auf Design-Reviews – besser wäre es aber, wenn sich alle Beteiligten<br />
zu Beginn einmal zusammenfinden und zunächst<br />
das Verständnis über das zu entwickelnde System in einem<br />
Modell zusammentragen.<br />
develop 3 : Im ersten Schritt geht es also zunächst einmal um die<br />
organisatorische Aufstellung?<br />
Dumitrescu: Ja, nehmen wir etwa stellvertretend ein Beispiel<br />
aus der elektrischen Verbindungstechnik. Setzen wir uns mit<br />
Dumitrescu: Nun – wir haben die Leute so ausgebildet und<br />
dann auch noch die Unternehmen entsprechend organisiert!<br />
An dieser Stelle besteht an Hochschulen und Unternehmen<br />
gleichermaßen Optimierungsbedarf. Die Vermittlung von<br />
spezialisiertem Fach-Know-how ist zwar gut und erforderlich,<br />
es fehlt aber das Verständnis, dass es neben der eigenen Disziplin<br />
auch andere Kollegen gibt, die an einer Entwicklung mitwirken.<br />
Dieses Verständnis muss geschaffen und gestärkt<br />
werden, hier fehlt vor allem die entsprechende Methodenkompetenz.<br />
develop 3 : Der einzelne Konstrukteur, Entwickler und auch Automatisierer<br />
muss also so weit ‚über den Tellerrand‘ blicken können,<br />
dass er sich mit den Kollegen verständigen kann?<br />
Dumitrescu: Exakt so ist es. Wir haben übrigens in der eingangs<br />
erwähnten Studie auch untersucht, welche Wege es<br />
denn gibt, zum <strong>Systems</strong> Engineer zu werden. Neben speziellen<br />
Studiengängen, von denen ich persönlich nicht überzeugt bin,<br />
denke ich, dass die Ausbildung zum traditionellen Ingenieur<br />
mit den zahlreichen Vertiefungen sinnvoll ist – was fehlt, sind<br />
zusätzliche Ausbildungsinhalte, in denen erläutert wird, wie<br />
die anderen Disziplinen ‚ticken‘ und wie man kooperieren<br />
kann, um einfach effizienter zu arbeiten. Der Blick auf die<br />
Hochschulen zeigt, dass das nicht so einfach ist, denn aufgrund<br />
der Einteilung in Fakultäten ist es oft nicht möglich, sich<br />
Vorlesungen aus anderen Bereichen anrechnen zu lassen. Viele<br />
Probleme sind also gerade in diesem Bereich selbst verursacht.<br />
develop 3 : Blickt man auf die sich daraus logischerweise ergebende<br />
Diskussion Richtung Industrie 4.0 fällt auf, dass hier neben<br />
Mechanik- und Elektrotechnikingenieure sowie Automatisierer<br />
auch die ITler treten – die Anforderungen sind also noch einmal<br />
höher?<br />
Dumitrescu: Interessanterweise wird das durch die Studie<br />
ebenfalls belegt. Gefragt wurde dort unter anderem, welche<br />
Anforderungen die Unternehmen an ihre Ingenieure stellen.<br />
Heraus kam, dass neben dem Fachwissen in der Breite fast<br />
gleichbedeutend die Soft Skills sind – und dabei geht es nicht<br />
um die Fähigkeit zum Präsentieren oder Ähnliches. Es zeigt<br />
sich vielmehr: Die meisten Probleme in den Unternehmen<br />
tauchen nur an den Schnittstellen zwischen den Disziplinen<br />
auf! Und diese bekommt man nur in den Griff, wenn man sich<br />
unterhält und kommuniziert – leider haben Entwickler mit<br />
sehr fokussierten Aufgabenstellungen das ein bisschen ver-<br />
12 develop 3 systems engineering 01–2014
Titelstory Menschen & Unternehmen<br />
Bild: it’s OWL<br />
lernt! Mit dieser Erkenntnis sind die Unternehmen übrigens<br />
den Hochschulen voraus. Um das Ganze in einem einfachen<br />
Bild zusammenzufassen: Der <strong>Systems</strong> Engineer spielt die Rolle<br />
des Dirigenten in einem Orchester. Er selbst spielt nicht<br />
zwingend perfekt ein Instrument, muss aber sicherstellen,<br />
dass alles zusammenpasst. Wichtig dabei ist, dass dies kein reines<br />
Projektmanagementthema ist – es ist vielmehr erforderlich,<br />
wirklich in die Inhalte reinzugehen, in die Modelle und die<br />
Technik. Und das ist eine sehr fordernde Aufgabe.<br />
develop 3 : Gibt es Branchen, die bei der Umsetzung der besprochenen<br />
Ansätze schon besonders weit gekommen sind?<br />
Dumitrescu: Nun, Vieles wird implizit natürlich bereits gemacht<br />
– sonst wären viele der Unternehmen nicht so erfolgreich.<br />
In den letzten Jahren haben zudem die großen Unternehmen<br />
insbesondere im Automotive-Bereich massiv investiert.<br />
Hier ist man durch die Zusammenarbeit mit den Zulieferern<br />
ja auch darauf angewiesen, dass klare Vorgaben gemacht<br />
werden können und die daraus resultierenden Systeme oder<br />
Teilsysteme diesen auch entsprechen. In gewisser Weise hat<br />
man hier das komponentenorientierte Denken hinter sich gelassen<br />
und betrachtet eher Funktionen beziehungsweise Systeme.<br />
Das macht man im Maschinen- und Anlagenbau noch<br />
nicht in der Konsequenz und ist auch bezüglich der Investitionen<br />
in <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> noch zurückhaltender.<br />
develop 3 : Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf den<br />
Begriff der Mechatronik, der uns ja schon lange begleitet. Wo lie-<br />
Mittels Virtual Prototyping ist technologisch ein<br />
Ansatz gegeben, Produkte – und mittelfristig<br />
eben auch ganze Systeme – bereits in der Entwurfsphase<br />
ausgiebig zu untersuchen<br />
gen die Unterschiede zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> oder ergibt sich<br />
dies logisch aus der Mechatronik?<br />
Dumitrescu: Das ist eine spannende Frage, zumal ich selbst an<br />
der Universität Erlangen-Nürnberg einen der ersten Studiengänge<br />
der Mechatronik absolviert habe. Dabei ging es bereits<br />
um den Dreiklang aus Mechanik, Elektrotechnik und Software.<br />
Der Begriff Mechatronik stammt aus den 70er-Jahren und ist<br />
aus Japan zu uns gekommen, um elektromechanische Komponenten<br />
zu beschreiben – letztlich geht es aber schon seit<br />
Langem um multidisziplinäre Systeme bis hin zu verteilten<br />
eingebetteten Systemen. Interessant ist allerdings, dass der<br />
Begriff <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> deutlich älter ist, er tauchte in den<br />
Vereinigten Staaten bereits in den 40er und 50er Jahren auf;<br />
dort gab es zu diesem Zeitpunkt schon erste Vorlesungen zu<br />
diesem Themenfeld. Auch in Deutschland gab es übrigens unter<br />
der ursprünglichen Übersetzung Systemtechnik in den<br />
70er-Jahren bereits einen VDI-Thementag. Danach ist die Systemtechnik<br />
aber komplett im Themenfeld der Konstruktionslehre<br />
verschwunden. Hier war man in der Vergangenheit aber<br />
eher fokussiert auf die klassische Konstruktion beziehungsweise<br />
das fertigungsgerechte Konstruieren. Historisch haben<br />
sich also Mechatronik und <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> unabhängig<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 13
Menschen & Unternehmen Titelstory<br />
In der Automotive-Branche<br />
wurde in den vergangenen<br />
Jahren massiv in das <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong> investiert. Auch<br />
Industrie-4.0-Konzepte wie die<br />
wandelbare Produktion werden<br />
hier intensiv untersucht<br />
Bild: it’s OWL<br />
voneinander entwickelt. (Anmerkung der Redaktion: Eine interessante<br />
Zusammenstellung der Entwicklung findet sich in<br />
der erwähnten Studie ab S. 22, siehe Kasten S. 11.)<br />
HINTERGRUND<br />
Um die zunehmende Komplexität von Maschinen und Anlagen in den<br />
Griff zu bekommen, ist bereits mit Beginn der Produktentwicklung ein<br />
ganzheitliches Systemverständnis und die Betrachtung des gesamten<br />
Lebenszyklus erforderlich. Im Rahmen des Spitzenclusters it's OWL<br />
wurde deshalb im August 2014 die Fachgruppe <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
gegründet. Ziel ist es, disziplinübergreifende Methoden für die Entwicklung<br />
von intelligenten Maschinen und Anlagen in die Praxis zu bringen.<br />
Partner sind das Fraunhofer IPT – Projektgruppe Entwurfstechnik<br />
Mechatronik, Dassault Systèmes, die Netzwerke OWL Maschinenbau<br />
und OWL ViProSim sowie die Gesellschaft für <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
(GfSE). Zum Auftakttreffen bei Kannegiesser in Vlotho kamen rund<br />
100 Teilnehmer, die in Arbeitsgruppen neue Lösungen entwickeln<br />
werden; Anfang November fand bereits das erste Arbeitstreffen statt.<br />
Geplant ist, bis Ende 2014 in Paderborn ein LiveLab <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
einzurichten. Bis in fünf Jahren will man dann im engen Schulterschluss<br />
mit der Industrie die Methodik für das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
entwickeln und verschiedene methodische und technologische Ansätze<br />
überprüft haben.<br />
Interessierte Unternehmen können sich an der Fachgruppe beteiligen,<br />
Ansprechpartner ist hier:<br />
Dr.-Ing. Peter Ebbesmeyer<br />
Fraunhofer IPT – Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik<br />
Tel. 05251/5465344<br />
peter.ebbesmeyer@ipt.fraunhofer.de<br />
develop 3 : Lassen Sie mich abschließend noch eine Frage stellen:<br />
Wann glauben Sie, wird der eingangs erwähnte, noch existierende<br />
Bruch zwischen CAD-Tools auf der einen und Programmierwerkzeugen<br />
der Automatisierer auf der anderen Seite überwunden<br />
sein?<br />
Dumitrescu: Hier gibt es ja zwei Ansätze: Einerseits die Variante,<br />
dass alle Funktionalitäten in eine Toolwelt eines Anbieters<br />
integriert werden, und andererseits den aus meiner Sicht interessanteren<br />
‚föderativen‘ Ansatz – sprich: Eigene Tools für das<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>, die unabhängig von den zum Einsatz<br />
kommenden CAD- und Simulationstools arbeiten und sich darauf<br />
konzentrieren, als Schnittstelle zu dienen. Das haben wir<br />
bei uns auch schon einmal getestet und das funktioniert. In<br />
diesem Sinne ist die technische Grundlage vorhanden, aber<br />
das ganze methodische Wissen – beispielsweise welches Objekt<br />
jetzt im CAD mit welchem Objekt in der Simulation korreliert<br />
– das muss noch erforscht werden. In spätestens fünf Jahren<br />
wollen wir hier über die Arbeit in unserem <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-LiveLab<br />
am Fraunhofer-IPT in Paderborn zu einem Ergebnis<br />
gekommen sein.<br />
develop 3 : Dr. Dumitrescu – ganz herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche<br />
Gespräch und gutes Gelingen.<br />
www.its-owl.de<br />
Das Interview führte Michael Corban,<br />
Chefredakteur develop 3 systems engineering<br />
14 develop 3 systems engineering 01–2014
Produktentwicklung Menschen & Unternehmen<br />
Im Interview: Georg Stawowy, Chief Technical Officer, Lapp Holding AG<br />
„Prozesse kommen vor<br />
Software-Tools”<br />
Ende 2013 besetzte die Stuttgarter Lapp Gruppe die neue Position des<br />
Chief Technical Officer (CTO) mit Georg Stawowy, der unter anderem auch<br />
die Entwicklungsaktivitäten des Kabelspezialisten koordiniert. Mit dem<br />
CTO sprach die develop 3 über die Anforderungen eines global agierenden<br />
Unternehmens.<br />
develop 3 : Herr Stawowy, die Produktentwicklung findet bei Lapp<br />
vorwiegend in Stuttgart und New Jersey statt, im schweizerischen<br />
Cham betreibt Lapp <strong>Engineering</strong> Grundlagenforschung.<br />
Welche Rolle spielen die einzelnen Standorte?<br />
Stawowy: Der größte Teil unserer Entwicklungsarbeit findet in<br />
Stuttgart statt, lokale Approbationen werden dezentral an unterschiedlichen<br />
Standorten realisiert. Die Kollegen in New Jersey<br />
zum Beispiel kümmern sich um die UL-Zertifizierungen.<br />
Auch an weiteren Standorten, darunter Indien und Korea, unterhalten<br />
wir Entwicklerteams und entsprechende Testlabore.<br />
Das ist uns als Technologieführer sehr wichtig. In einem dritten<br />
Schritt entwickeln wir schließlich noch an bestimmten Standorten<br />
kundenspezifische Kabel. Ein Beispiel dafür ist unser<br />
Spezialist für Robotik-Kabel, Lapp Muller in Frankreich (Anmerkung<br />
der Redaktion: siehe dazu elektro AUTOMATION 9/2014,<br />
S. 32). Um offen für Ideen und Trends in der Entwicklung zu sein<br />
– insbesondere auch über die Lapp Gruppe hinaus – haben die<br />
Brüder Lapp außerdem in der Schweiz Lapp <strong>Engineering</strong> als<br />
Dienstleister für Forschung und Entwicklung aufgestellt. Formell<br />
gesehen gehört das Unternehmen bewusst nicht zur<br />
Lapp Gruppe, um es für Aufträge Dritter zu öffnen, so dass die<br />
Kollegen dort eine breite Kompetenz aufbauen können. Davon<br />
können wir wiederum profitieren, wenn wir das Unternehmen<br />
beauftragen; neben Grundlagen geht es dabei vor allem<br />
um Materialien sowie die Prozessentwicklung.<br />
develop 3 : Tauschen sich denn die Entwickler an den einzelnen<br />
Standorten untereinander aus?<br />
Stawowy: Die Mitarbeiter kennen sich natürlich und tauschen<br />
ihre Erfahrungen aus – gleichwohl gibt es Themen, bei denen<br />
wir das noch besser koordinieren wollen. Das war auch mit einer<br />
der Gründe, warum meine Position geschaffen wurde. So<br />
haben wir bisher zum Beispiel in Stuttgart und New Jersey parallel<br />
an Servokabeln gearbeitet, was mit Blick auf die lokalen<br />
Anforderungen ja auch richtig ist. Auf einem höheren Abstraktionsniveau<br />
werden dabei aber natürlich die gleichen Entwicklungs-Fragestellungen<br />
bearbeitet – und genau das wollen wir<br />
stärker koordinieren. Ziel ist es, das Wissen, das auf einem Kontinent<br />
aufgebaut wird, weltweit in einem gewissen Rahmen<br />
standardisiert zur Verfügung zu stellen, über die vielen infor-<br />
mellen Netzwerke hinaus. All das<br />
fassen wir bei Lapp unter dem Stichwort<br />
TIM zusammen – Technology<br />
& Innovation Management. Konkret<br />
führt dies dazu, dass zu einem<br />
Ideen-Workshop in Stuttgart<br />
grundsätzlich immer auch Vertreter<br />
aus Amerika und Asien eingeladen<br />
werden, um sicherzustellen, dass<br />
neue Ideen auch über die ganze<br />
Lapp Gruppe hinweg geteilt werden.<br />
Der nächste Schritt sind dann länderübergreifende TIM-<br />
Communities, die eine Idee weiter vorantreiben, bis idealerweise<br />
daraus ein Entwicklungsprojekt wird.<br />
develop 3 : Setzen Sie unterstützend dazu Software ein, etwa für<br />
das Anforderungs- oder neudeutsch Requirements-Management?<br />
Stawowy: Noch nicht – allerdings wäre das für mich auch erst<br />
ein nachrangiger Schritt. Warum? Ich bin der Überzeugung,<br />
dass zunächst der zugrunde liegende Prozess sauber aufgesetzt<br />
sein und funktionieren muss, bevor man sich dazu das<br />
passende Tool aussuchen kann. Ansonsten ist die Gefahr sehr<br />
groß, dass wir die Mitarbeiter in Zwangsabläufe stecken, um<br />
ein System zu füllen, von dem sie aber nicht unbedingt profitieren.<br />
Erst wenn ein Prozess funktioniert und man verstanden<br />
hat, warum bestimmte Abläufe sinnvoll sind, ist man<br />
auch bereit, den dafür erforderlichen Aufwand etwa hinsichtlich<br />
der Dateneingabe und -pflege zu leisten. Grundvoraussetzung<br />
dafür ist, dass wir das dahinter stehende Netzwerk verstehen.<br />
develop 3 : Herr Stawowy, herzlichen Dank für das Gespräch und<br />
viel Erfolg bei Ihrer Tätigkeit.<br />
www.lapp.de<br />
Bild: Lapp<br />
Georg Stawowy,<br />
Chief Technical Officer,<br />
Lapp Holding AG<br />
develop 3 systems engineering 01-2014 15
Menschen & Unternehmen Produktentwicklung<br />
Anlässlich 25 Jahren SPS IPC Drives: Chancen und Herausforderung für den Standort Deutschland<br />
„Die Industriekultur<br />
muss sich verändern“<br />
Kompetenz in technischer Software und interdisziplinäres Zusammenarbeiten sind<br />
die Schlüssel, Industrie 4.0 erfolgreich umzusetzen und damit die Wettbewerbsfähig -<br />
keit am Standort Deutschland zu sichern, sagt Friedhelm Loh. Der runde Geburtstag der<br />
SPS IPC Drives gab der elektro AUTOMATION Gelegenheit, den Ehrenpräsidenten des<br />
ZVEI sowie Inhaber der Friedhelm Loh Group über die zukünftigen Herausforderungen<br />
der Automatisierung zu befragen.<br />
„Einen Schub brauchen wir auch bei der<br />
Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen<br />
– der Elektrotechnik, Mechanik<br />
und Informationstechnologie.“<br />
Friedhelm Loh, Inhaber und Vorstandsvorsitzender der<br />
Friedhelm Loh Group sowie Ehrenpräsident des ZVEI<br />
Bild: Rittal<br />
develop 3 : Herr Loh, wie bewerten Sie die letzten 25 Jahre und vor<br />
welchen Herausforderungen stehen wir in der Automatisierungstechnik?<br />
Loh: Wir sind in der Automatisierungstechnik in Deutschland<br />
gut aufgestellt. Allerdings stehen wir vor der großen Herausforderung,<br />
den Wandel durch die Digitalisierung hin zu Industrie<br />
4.0 erfolgreich zu gestalten. Das setzt eine technische Software-Kompetenz<br />
am Standort Deutschland voraus – und genau<br />
hier ist die Schwäche. Während wir in Deutschland in der<br />
kaufmännischen Software wettbewerbsfähig sind, liegt die<br />
technische Software-Kompetenz im Ausland, vor allem in den<br />
USA. Es gilt daher am Standort Deutschland, verstärkt in die<br />
Wettbewerbsfähigkeit beim Thema <strong>Engineering</strong>-Software zu<br />
investieren. Die Friedhelm Loh Group hat dies frühzeitig erkannt<br />
und mit Rittal Software <strong>Systems</strong>, den Unternehmen<br />
Eplan und Cideon, hohe Investitionen in diesem Segment getätigt.<br />
Einen weiteren Schub brauchen wir aber auch bei der<br />
Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen – der Elektrotechnik,<br />
Mechanik und Informationstechnologie.<br />
develop 3 : Software wird also eine entscheidende Rolle spielen?<br />
16 develop 3 systems engineering 01–2014
Produktentwicklung Menschen & Unternehmen<br />
Loh: Die Software-Kompetenz wird zweifelsfrei – neben der<br />
Fähigkeit in Netzwerken effizient zu denken und zu arbeiten –<br />
zum Schlüssel des industriellen Erfolgs. Ich bin davon überzeugt,<br />
dass wir die Wirtschaftsleistung in Deutschland nur auf<br />
dem heutigen Niveau halten beziehungsweise ausbauen<br />
können, wenn uns die Kombination aus Software, Hardware<br />
und Netzwerken besser gelingt als dem internationalen Wettbewerb.<br />
Sieger wird bei Industrie 4.0 der sein, der die Zusammenführung<br />
von Mechanik, Elektronik und Elektrotechnik sowie<br />
IT optimal hinbekommt. Das bedeutet eine starke Veränderung<br />
der Industriekultur. Es reicht nicht mehr, besser in<br />
der eigenen Welt zu sein. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
ganzer Branchen ist ein Muss.<br />
develop 3 : Was müssen wir tun, um diese interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
in der von Ihnen beschriebenen Weise auch in der<br />
Praxis umzusetzen?<br />
Wir müssen lernen, über traditionelle Schranken hinweg zusammenzuarbeiten<br />
– technische und organisatorische Grenzen<br />
müssen verschwinden. Insgesamt brauchen wir eine Revolution<br />
in den Köpfen, nämlich die Zusammenführung von<br />
Disziplinen – in der Industrie, in Forschung und Ingenieurwissenschaften<br />
sowie in den Verbänden.<br />
len, wird immer schwieriger. Die Forderung der Märkte heute<br />
und morgen ist Produktkompetenz und Problemlösungskompetenz.<br />
Der Schaltschrankbau zum Beispiel muss deshalb in<br />
seinen Kompetenzen, seinem Lösungs- und Serviceportfolio<br />
hochgradig standardisiert und gleichzeitig variantenreich<br />
sein, um den Anforderungen der Kunden und den internationalen<br />
Approbationen gerecht zu werden. Die Standar -<br />
disierung bei Produkten und Softwaresystemen ist auch notwendig,<br />
um den Service beim Endkunden kosteneffizient und<br />
weltweit nach gleichen Qualitätskriterien möglich zu machen.<br />
Soll dieser hohe Anspruch erfüllt werden, ist die Vor -<br />
aussetzung ein zuverlässiges Netzwerk von global agierenden,<br />
innovativen Technologieführern und zuverlässigen Partnern<br />
entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die deutsche<br />
Elektroindustrie hat genau diese Kompetenz als Systempartner.<br />
„Es reicht nicht mehr, besser in der<br />
eigenen Welt zu sein. Die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit ganzer Branchen ist<br />
ein Muss.“<br />
develop 3 : Jungen Menschen bietet dies aber gleichzeitig eine<br />
Chance. Lohnt es sich, sich auf das Themenfeld der Automatisierung<br />
zu spezialisieren?<br />
Loh: Auf jeden Fall. Die Automatisierungstechnik bietet jungen<br />
Menschen die Chance, Industriegeschichte zu schreiben<br />
und damit eine attraktive Karriere zu beschreiten. Wir leben in<br />
einer Zeit, die geprägt ist von radikalen Brüchen mit dem Bekannten<br />
aufgrund enormer technologischer Veränderungen.<br />
Das bietet riesige Chancen für neugierige und kreative Menschen.<br />
Denn Industrie 4.0 ist gespickt mit interessanten Querschnittsthemen.<br />
Sie erfordert etwa die Entwicklung einer Referenzarchitektur,<br />
die weitere Standardisierung von Prozessen<br />
sowie die Erarbeitung von Sicherheitsstandards und -konzepten.<br />
Dazu brauchen wir nicht nur begeisterte junge Menschen,<br />
sondern auch eine Aus- und Weiterbildungsallianz der<br />
betroffenen Branchen – von Elektrotechnik, Maschinenbau<br />
und IT.<br />
develop 3 : Welche Themen spielen zukünftig insbesondere für Ihre<br />
Unternehmen eine wesentliche Rolle?<br />
Loh: Das Systemgeschäft nimmt international deutlich an<br />
Fahrt auf und gewinnt stark an Bedeutung. Bei einzelnen<br />
Komponenten und Produkten Wettbewerbsvorteile zu erziedevelop<br />
3 : Welche Rolle kann dabei die SPS IPC Drives als Messe<br />
spielen?<br />
Loh: Die SPS IPC Drives leistet als führende Messe für Automatisierungstechnik<br />
einen sehr wichtigen Beitrag. Hier erfolgt<br />
der konzentrierte Austausch unter Experten. Besucher erhalten<br />
disziplinübergreifend einen umfassenden Einblick in die<br />
Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Branche. Als Unternehmensgruppe<br />
schätzen wir diese Messe seit vielen Jahren<br />
als hervorragende Plattform für den Austausch mit unseren<br />
Kunden. Die starke Präsenz der Unternehmen Eplan, Cideon,<br />
Rittal und Kiesling als einmalige Wertschöpfungskette bestätigt<br />
die zentrale Bedeutung dieser Fachmesse für uns. Zur<br />
25-jährigen Erfolgsgeschichte der SPS IPC Drives gratulieren<br />
wir ganz herzlich und bedanken uns für die partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit. Den Initiatoren gilt unser Kompliment verbunden<br />
mit unserem Dank für die Organisation der Messe.<br />
develop 3 : Herr Loh, wir danken für die interessanten Antworten.<br />
www.friedhelm-loh-group.de<br />
SPS IPC Drives: 5-101/111<br />
Die Fragen stellte<br />
Michael Corban, Chefredakteur<br />
develop 3<br />
systems engineering<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 17
Menschen & Unternehmen Produktentwicklung<br />
Langfristig ebnet ein leistungsfähiges<br />
Modellierwerkzeug auch den Weg<br />
in die Industrie 4.0, weil es die Grundlage<br />
für die digitale Durchgängigkeit<br />
legt<br />
Daimler: M-CAD-Systemwechsel läuft konzernweit auf vollen Touren<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> im Fokus<br />
Bilder: Daimler<br />
Ausschlaggebend für den Wechsel des M-CAD-<strong>Systems</strong> bei Daimler waren vor allem<br />
Überlegungen rund um die Datenverwaltung. Verbunden damit nimmt der Automobilhersteller<br />
aber auch seine <strong>Engineering</strong>-Prozesse unter die Lupe, unter anderem<br />
mit Blick auf das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>.<br />
„Industrie 4.0 wird kommen<br />
– allerdings wird das<br />
noch einige Zeit dauern“,<br />
sagt Daimler-CIO Dr.<br />
Michael Gorriz<br />
Manche Meldungen haben es in sich – so wie die zum Wechsel<br />
des M-CAD-<strong>Systems</strong> bei Daimler, der Ende 2010 angekündigt<br />
wurde. Beschlossen wurde, Catia V5 von Dassault Systèmes<br />
durch NX von Siemens zu ersetzen. In 2014 laufe nun konzernweit<br />
die Umstellung von Catia V5 auf NX, berichtete Ende<br />
April anlässlich des ‚TecDay PLM‘ in Böblingen Daimler-CIO Dr.<br />
Michael Gorriz. „Das intern ‚PLM2015‘ genannte Großprojekt<br />
ist in der entscheidenden Phase und soll bis zum zweiten<br />
Quartal 2015 in allen Geschäftsbereichen abgeschlossen werden.“<br />
Den enormen Aufwand – insbesondere auch bezüglich<br />
der Schulung der Mitarbeiter –<br />
nimmt der Automobilbauer nicht<br />
zuletzt deswegen in Kauf, weil er<br />
sich bezüglich der Datenverwaltung<br />
Vorteile verspricht. Das Daimler-eigene<br />
PDM-System Smaragd<br />
(das ursprünglich auf Metaphase<br />
von SDRC und damit heute auf<br />
Teamcenter von Siemens basiert)<br />
sei künftig kompatibel zu NX, so<br />
„Mit NX sehen wir Potenzial<br />
insbesondere hinsichtlich<br />
der physikalischen Beschreibung<br />
und Analyse<br />
des Produktverhaltens“,<br />
sagt Dr. Peyman Merat,<br />
Projektleiter PLM2015<br />
Gorriz weiter. „Bei einem Austausch<br />
der PDM-Lösung hätten wir ansonsten<br />
zu viele Prozesse umstellen<br />
müssen, der CAD-Umstieg war deswegen<br />
der sinnvollere Weg.“ Gleichzeitig<br />
nutzt Daimler aber die Systemumstellung,<br />
um alle <strong>Engineering</strong>-Prozesse zu überdenken<br />
und richtet den Blick auch in die Zukunft – etwa bezüglich des<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s, also des ganzheitlichen Systementwurfs<br />
unter Beachtung der Interaktion der drei Disziplinen<br />
Mechanik, Elektrotechnik und Software. „Mit NX sehen wir Potenzial<br />
insbesondere hinsichtlich der physikalischen Beschreibung<br />
und Analyse des Produktverhaltens“, erläuterte Dr. Peyman<br />
Merat, Projektleiter PLM2015 bei Daimler.<br />
So bietet NX etwa die Möglichkeit, bei der Auslegung des Elektroantriebs<br />
eines Schiebedachs bereits den Verlauf der<br />
Schließkraft über der Zeit beim Zufahren des Schiebedachs<br />
und damit auch die maximale Schließkraft zu berücksichtigen,<br />
um Verletzungen der Fahrzeuginsassen sicher auszuschließen.<br />
Letztlich spielt hier also auch schon die Regelungstechnik<br />
und damit die Software mit hinein. Damit kann Daimler auch<br />
den Weg in Richtung Industrie 4.0 weiter verfolgen. Auf diese<br />
Weise lässt sich dann über die Produktionsplanung hinaus die<br />
Fertigung weiter optimieren. „Das wird aber noch einige Zeit<br />
dauern“, betonte Gorriz, „und nur nach und nach umzusetzen<br />
sein.“ Bei der Erarbeitung der dazu erforderlichen Semantik –<br />
damit die Maschinen verstehen, was zu tun ist (siehe elektro<br />
AUTOMATION 11/2013, S. 34: Gesucht wird: eine Sprache für<br />
Fertigungsanweisungen) – werde das Resource Description<br />
Framework (RDF) eine entscheidende Rolle spielen, so der CIO<br />
abschließend.<br />
co<br />
www.daimler.com<br />
18 develop 3 systems engineering 01–2014
- DER SCHLÜSSEL<br />
ZU EFFIZIENTEM ENGINEERING<br />
mapp-Bausteine in Automation Studio<br />
< 67% schnellere Entwicklungszeit<br />
< Reduzierte Investitionsrisiken<br />
< Höhere Maschinenverfügbarkeit<br />
< Niedrigere Wartungskosten<br />
< Mehr unter: www.br-automation.com/mapp
Menschen & Unternehmen Stimmen zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Norbert Scholz, Geschäftsführer Vertrieb und Technik, Baumüller Nürnberg<br />
„Erforderlich sind<br />
definierte Schnittstellen“<br />
Das Thema <strong>Engineering</strong> rückt immer weiter in den Fokus, da<br />
disziplinübergreifendes Teamwork für die Realisierung moderner<br />
Anlagen ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Die Anforderungen<br />
an Maschinen und Anlagen werden immer komplexer.<br />
Die Integration mechatronischer Gesamtsysteme, der Einsatz<br />
unterschiedlicher Kommunikationsmechanismen, die<br />
Datenaufbereitung für die horizontale und vertikale Vernetzung<br />
– all das sind Themen, denen nur mit durchgängigem <strong>Engineering</strong><br />
begegnet werden kann.<br />
Derzeit stehen Tools – wie zum Beispiel unser <strong>Engineering</strong> Framework<br />
ProMaster – zur Verfügung, die den gesamten Lebenszyklus<br />
einer Maschine vollumfänglich abbilden. Sie bieten<br />
die Möglichkeit zur Integration technologiebasierter<br />
Schnittstellen im Gesamtkontext, von der Planung über die<br />
Modularisierung und das technologiebasierte <strong>Engineering</strong>,<br />
bis hin zur virtuellen Inbetriebnahme. Dadurch können Maschinen<br />
und Anlagen kosten- und energieeffizient auf einer offenen<br />
und durchgängigen Plattform geplant, getestet und validiert<br />
werden.<br />
„Disziplinübergreifendes Teamwork ist<br />
für die Realisierung moderner Anlagen<br />
ein wesentlicher Erfolgsfaktor.“<br />
Mass Customization erfordert<br />
Verarbeitung großer Datenmengen<br />
Als besondere Herausforderung stellt sich dabei die Berücksichtigung<br />
von Maschinen und Anlagen für kundenindividuelle<br />
Produkte (Mass Customization) bereits im <strong>Engineering</strong>prozess.<br />
Individualisierte Massenprodukte können auf diese Weise<br />
in Zukunft effizient produziert werden. Mit Blick auf Industrie<br />
4.0 steht dann vor allem die Bereitstellung großer Mengen<br />
komplexer Daten und deren intelligente Selektion, Speicherung<br />
und Verarbeitung für die horizontale und vertikale Vernetzung<br />
im Mittelpunkt. Durch Cloud Computing können die<br />
Daten aus den unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens,<br />
beispielsweise Marketing, Vertrieb, Produktion und Service,<br />
in Zukunft selektiert werden und stehen immer aktualisiert<br />
zur Verfügung. Die Auslagerung einer hardwarebasierten<br />
Automatisierungslösung in eine virtuelle Systemlösung in der<br />
Cloud ist theoretisch heute schon möglich, allerdings bei der<br />
derzeitigen Infrastruktur bei weitem noch nicht optimal.<br />
Wichtig sind bei der angestrebten Durchgängigkeit des <strong>Engineering</strong>s<br />
besonders die Schnittstellen. Die Kommunikation<br />
wird nur mit definierten Schnittstellen sinnvoll möglich sein.<br />
Hier möchte ich zum Beispiel den Software-Schnittstellen-<br />
Standard OPC UA nennen, der genau diese Durchgängigkeit<br />
über alle Ebenen hinweg ermöglichen soll.<br />
Wiederverwendung<br />
reduziert den <strong>Engineering</strong>-Aufwand<br />
Was die digitale Durchgängigkeit allgemein anbelangt, so<br />
kann sie als Ziel der vergangenen und zukünftigen Entwicklungen<br />
in der Automatisierung betrachtet werden. Es wird eine<br />
Durchgängigkeit von der Visualisierung bis zur I/O-Klemme<br />
angestrebt. Bedeutend ist für uns und unsere Kunden außerdem,<br />
dass Bereiche wie die Simulation abgedeckt werden, für<br />
die die Methoden bereits vorhanden sind. Außerdem spielen<br />
Stichworte wie Fehlervermeidung eine Rolle. Dafür stehen etwa<br />
aktuell validierte Technologiebibliotheken zur Verfügung,<br />
in die nur getestete Funktionsbausteine aufgenommen werden.<br />
Womit wir dann auch schon beim Stichwort Variantenhandling<br />
wären. Sinnvolles Variantenhandling ist die Basis für<br />
nachhaltiges <strong>Engineering</strong>. Die Wiederverwendung von Bausteinen<br />
reduziert den <strong>Engineering</strong>-Aufwand, spart dadurch<br />
Zeit und Kosten, beschleunigt die Time-to-Market und ebnet<br />
der effizienten Erfüllung kundenspezifischer Vorgaben den<br />
Weg.<br />
Knackpunkt ist aber, dass das <strong>Engineering</strong> heute eine durchgängige<br />
Datenbasis benötigt, bei Baumüller ist das etwa xml,<br />
die die toolübergreifende Verarbeitung von Daten ermöglicht.<br />
www.baumueller.de<br />
Norbert Scholz ist Geschäftsführer<br />
Vertrieb und Technik bei der Baumüller<br />
Nürnberg GmbH in Nürnberg<br />
20 develop 3 systems engineering 01–2014
Bild: Baumüller Nürnberg
Menschen & Unternehmen Stimmen zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Dr. Rainer Stetter, Geschäftsführer, ITQ<br />
„Software ist ein Kernthema“<br />
Hohe Produktivität in der Produktion kennt jeder, aber wie erreicht<br />
man hohe Produktivität in der Entwicklung? Klar erkennbar<br />
ist, dass im Rennen um innovative Lösungen nur der<br />
erfolgreich ist, der komplexe, mechatronische Produkte<br />
schnell und in guter Qualität zu tragbaren Kosten entwickelt.<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> kann hier als interdisziplinärer Ansatz<br />
insbesondere auch im Maschinen- und Anlagenbau das <strong>Engineering</strong><br />
durchgängiger und damit effizienter machen – unter<br />
Berücksichtigung der strategischen Rolle, die heute der Software<br />
als wesentlichem Bestandteil eines Produktes oder einer<br />
Maschine zukommt.<br />
Die Mehrzahl der Produkte besteht heute aus mechanischen<br />
und elektronischen Komponenten, in die wiederum Softwarekomponenten<br />
‚embedded‘ sind. Diese Cyber-physischen Systeme<br />
werden also auf mehreren Abstraktionsebenen funktional<br />
durch Software ‚getrieben‘. Dieser Trend zur Software führte<br />
übrigens bereits vor mehr als 15 Jahren zur Gründung des<br />
Fachverbands Software im VDMA – damals zogen gestandene<br />
Maschinenbauer noch die Augenbrauen hoch angesichts<br />
des Slogans: ‚In Zukunft gibt es keine Maschinen mehr mit<br />
Software, sondern Software mit Maschine.‘ Heute handelt es<br />
sich allerdings um ein gesellschaftspolitisches Kernthema, wie<br />
etwa die Spiegel-Veröffentlichung mit dem brisanten Titel<br />
‚Software frisst die Welt‘ (Spiegel 15/2014) zeigt.<br />
„Nur ein übergreifendes und abgestimmtes<br />
<strong>Engineering</strong> ist in der Lage, disziplinüber greifend<br />
Module und Plattformen zu entwickeln<br />
und somit wiederum Kosten zu senken.“<br />
neerings hin zu einem fertigen, mechatronischen Baukasten<br />
weit – Aufwand und Kosten dafür sind im Vorfeld immens.<br />
Durchgängig skalierbare Hard- und Software ermöglicht es an<br />
dieser Stelle, die Modularisierung von Maschinenfunktionen<br />
auch in der Software abzubilden – und trägt damit der Bedeutung<br />
der Software Rechnung.<br />
Allerdings: Auch wenn sich heutzutage mit nahezu jeder Automatisierungslösung<br />
modulare Softwaresysteme aufbauen<br />
lassen, fällt dem Maschinenbauer dennoch das Vordenken<br />
von Softwarestrukturen besonders schwer, da sich häufig die<br />
Modularisierung ‚nur‘ auf die Mechanik bezieht. Auch hier<br />
setzt das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> an – nur ein übergreifendes<br />
und abgestimmtes <strong>Engineering</strong> ist in der Lage, disziplinübergreifend<br />
Module und Plattformen zu entwickeln und somit<br />
wiederum Kosten zu senken. Chancen beim <strong>Engineering</strong> ergeben<br />
sich darüber hinaus nicht nur über Disziplin-, sondern<br />
auch Unternehmensgrenzen hinweg – vielfach eine sehr große<br />
Herausforderung.<br />
Als zielführend hat sich die intensive und partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit von kleinen Unternehmen, die sich auf spezielle<br />
Aspekte des modernen Software-<strong>Engineering</strong>s fokussieren,<br />
mit Unternehmen, deren Schwerpunkt im klassischen<br />
Maschinenbau liegt, erwiesen. Diese Kombination von Unternehmen,<br />
die Spezialthemen wie etwa die Einführung von agilen<br />
Entwicklungsmethoden, objektorientierte Programmierung<br />
im Steuerungsumfeld oder Qualitätssicherung von mechatronischen<br />
Systemen durch Einsatz von leistungsfähigen<br />
Simulationsansätzen beherrschen, und Maschinenbauern,<br />
die weltweit Maschinen exportieren, bringt Effizienz und Flexibilität<br />
in die Entwicklungsprozesse – was wiederum den<br />
Grad der Innovationsfähigkeit erhöht.<br />
www.itq.de<br />
Kostenreduktion durch<br />
Wiederverwendung von Modulen<br />
Nutzt der Maschinenbau in der Produktentwicklung in den jeweiligen<br />
Disziplinen verschiedene <strong>Engineering</strong>-Werkzeuge,<br />
die nicht aufeinander abgestimmt sind, müssen immer noch<br />
sehr viele Daten zwischen den Gewerken manuell ausgetauscht<br />
werden. Tool- und Komponentenhersteller hadern<br />
zudem oft mit den unterschiedlichen Anforderungen der Maschinenbauer<br />
– was weitere Probleme mit sich bringt, wenn in<br />
Zeiten von Industrie 4.0 miteinander vernetzte und interagierende<br />
Systeme eine Komplexität erreichen, die eine Vereinheitlichung<br />
der Prozesse sowie Definition reibungsloser Schnittstellen<br />
und Austauschformate nochmals erschwert.<br />
Abhilfe schafft vielfach die Modularisierung von Maschinen –<br />
was in erster Linie das Wiederverwenden von Teillösungen bedeutet,<br />
die man anforderungsbedingt wieder nutzt und mit<br />
neuen Funktionen ausstattet. Allerdings ist der Weg des Engi-<br />
Anmerkung der Redaktion: siehe dazu auch den Terminhinweis<br />
„<strong>Engineering</strong> zum (Be-)Greifen“, S. 8<br />
22 develop 3 systems engineering 01–2014
Dr. Rainer Stetter ist Geschäftsführer der<br />
ITQ GmbH in Garching bei München<br />
Bild: ITQ
Menschen & Unternehmen Stimmen zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Dr.-Ing. Armin Walter, Geschäftsführer, Lenze <strong>Engineering</strong><br />
„Weitere Disziplinen<br />
sind noch zu integrieren“<br />
Der Maschinenbau steckt in einem gewissen Dilemma. Zunächst<br />
haben wir es gerade im Konsummarkt mit Produkten<br />
zu tun, die immer kurzlebiger werden. Und auch wenn sich der<br />
Inhalt über Jahrzehnte beim Verbraucher etabliert hat, wird<br />
mit einer gewissen Regelmäßigkeit mindestens an der Verpackung<br />
gedreht. Dieses Produzenten- und Verbraucherverhalten<br />
wirkt sich direkt auf den Maschinenbau aus. Es gilt, in kürzester<br />
Zeit neue Lösungen zu entwickeln und in einem schmalen<br />
Zeitfenster zur Serienreife zu bringen. Diese Arbeitsweise<br />
ist nur noch deshalb möglich, weil mechanische Funktionszusammenhänge<br />
automatisiert<br />
abgewickelt werden. Der<br />
wachsende Anteil von Software<br />
in der Automatisierung belegt<br />
diesen Trend.<br />
Was folgt daraus für das <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong>? Allein der Begriff<br />
macht deutlich, dass es im<br />
Maschinenbau nicht mehr ausreicht,<br />
den Erfolg allein im eigenen<br />
Know-how zu suchen. Die gute Idee und der erfindungsreiche<br />
Kniff im Detail eines Prozesses zahlen sich erst dann aus,<br />
wenn es die Unternehmer schaffen, ihre Ideen kurzfristig und<br />
wettbewerbsfähig auf die Straße zu bringen.<br />
Komplexität und Variantenvielfalt nehmen weiter zu<br />
Der schnelle Markt mit immer kürzeren Produktlebenszyklen<br />
und individualisierbaren Waren in Kleinststückzahlen lässt<br />
sich bei den Herstellern nur dann preislich wie organisatorisch<br />
effizient beherrschen, wenn sowohl die Maschinen als auch<br />
die übergeordneten Abläufe dieser Flexibilität standhalten<br />
können. Wie geht der Maschinenbau damit um? Wir sind davon<br />
überzeugt, dass die Bedeutung des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s<br />
aus Sicht der Innovation und aus betriebswirtschaftlichen<br />
Aspekten stetig steigen wird. Es ist eine weitere Zunahme der<br />
Komplexität speziell in der Antriebs- und Steuerungstechnik<br />
sowie eine Steigerung der Variantenvielfalt zu beobachten<br />
und weiterhin zu erwarten. Immerhin kann der Anteil des <strong>Engineering</strong>s<br />
an den Gesamtkosten einer spezialisierten Einzelmaschine<br />
bis zu 70 Prozent betragen – und dieser Anteil wird<br />
angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen im Konsummarkt<br />
zunehmen.<br />
Gerade die mittelständisch geprägten Maschinenbauunternehmen<br />
sollten daher möglichst frühzeitig, das heißt bereits<br />
in der Entwicklungsphase, Spezialisten aus der Automatisierungstechnik<br />
einbinden. Gefragt sind mehr denn je <strong>Engineering</strong>-Partner,<br />
die sie dabei unterstützen, ihre Maschinenideen<br />
in sichere, innovative und modulare Maschinenkonzepte umzusetzen.<br />
„Wir sind davon überzeugt, dass die<br />
Bedeutung des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s<br />
aus Sicht der Innovation und aus betriebswirtschaftlichen<br />
Aspekten stetig<br />
steigen wird.“<br />
Partnerschaft bis hin zu Wartungsarbeiten<br />
Hierbei bedeutet <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> weit mehr als Hilfe bei<br />
der Programmierung. Gefragt ist die zuverlässige Begleitung<br />
über alle Phasen der Maschinenentwicklung hinweg – von der<br />
ersten Idee, über das Konzept, die Lösung und den Maschinenbau<br />
bis hin zum sicheren Betrieb. Insbesondere die Prototypen<br />
müssen genau und zeitgerecht realisiert werden. Neben dieser<br />
partnerschaftlichen Zusammenarbeit unterstützt Lenze<br />
diesen Ansatz generell durch modulare, standardisierte und<br />
wiederverwendbare Software für den Maschinenbau, wie unsere<br />
Software Toolbox Fast, und<br />
durch eine <strong>Engineering</strong>-Tool-Kette,<br />
die alle oben genannten Phasen<br />
effizient begleitet. Somit<br />
werden die klassischen Disziplinen<br />
Mechanik, Elektronik und<br />
Software des Maschinenbauers<br />
und des Automatisierungsspezialisten<br />
gewinnbringend zusammengeführt.<br />
Diese Partnerschaft<br />
kann sich übrigens nicht nur auf die Entwicklung der<br />
Maschine beschränken, sondern muss Inbetriebnahmen und<br />
Wartungsarbeiten weltweit umfassen.<br />
Dieses hier angerissene Thema ist in seiner Entwicklung noch<br />
lange nicht zu Ende. Für die effiziente Herstellung von individualisierten<br />
Produkten wird eine hochgradig vernetzte Produktion<br />
benötigt. Die Maschinen müssen dazu an die Leitebene<br />
angebunden werden und untereinander einen durchgängigen<br />
Informationsfluss gewährleisten können. Für das <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong> bedeutet dies, dass es noch weitere Diszi -<br />
plinen integrieren muss.<br />
www.lenze.com/de<br />
Dr.-Ing. Armin Walter ist Geschäftsführer der<br />
Lenze <strong>Engineering</strong> GmbH & Co. KG in Aerzen.<br />
Im Hintergrund: Messe-Demonstrator ‚Easy<br />
Machine 2.0‘ als Beispiel für ein ‚System‘ –<br />
von der gestengesteuerten Visualisierung für<br />
das einfache Bedienen und Beobachten bis<br />
hin zu mechatronischen Antriebslösungen<br />
24 develop 3 systems engineering 01–2014
Bilder: Lenze
Menschen & Unternehmen Stimmen zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Christoph Bräuchle, Business Development Director, PTC<br />
„Komplexität beherrschbar<br />
zu machen ist das Ziel“<br />
Als Hersteller von Softwareanwendungen für Unternehmen,<br />
die innovative Produkte herstellen, betreiben und warten, beobachten<br />
wir in den vergangenen Jahren Trends, die völlig<br />
neue Herausforderungen an die klassische Produktentwicklung<br />
stellen. <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> sehen wir als zentralen Ansatz,<br />
um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.<br />
Innovation treibt nach wie vor die Produktentwicklung an. Wo<br />
sich jedoch vor zehn Jahren innovative Produkte hauptsächlich<br />
über technische Ausstattungsmerkmale definierten, stehen<br />
heute integrierte Funktionalitäten im Vordergrund, die erfahrbaren<br />
Mehrwert wie beispielsweise Zeitgewinn, Komfort oder<br />
Sicherheit bieten, gleichzeitig aber intuitiv nutzbar und ständig<br />
verfügbar sind. Technische Komponenten sollten dabei<br />
möglichst in den Hintergrund treten. Konnektivität ist so<br />
längst nicht mehr nur auf Smartphones und Computer beschränkt,<br />
sondern Grundlage für innovative Produktfunktionen<br />
und ermöglicht Herstellern neue Geschäftsmodelle. Um<br />
heute innovative Produkte entwickeln zu können, müssen<br />
„Um heute innovative Produkte zu entwickeln,<br />
müssen Hersteller das Zusammenspiel mechanischer<br />
und elektronischer Komponenten mit der integrierten<br />
Software und vernetzten Systemen zu jedem<br />
Zeitpunkt des Produktlebenszyklus beherrschen.“<br />
Hersteller das Zusammenspiel mechanischer und elektronischer<br />
Komponenten mit der integrierten Software und vernetzten<br />
Systemen zu jedem Zeitpunkt des Produktlebenszyklus<br />
beherrschen. Genau diese Komplexitätsbeherrschung<br />
wird durch einen ganzheitlichen <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Ansatz<br />
ermöglicht. Dabei greifen – ganz wichtig – neben den Tools<br />
auch Methoden, die sowohl bewährte Praktiken als auch neue<br />
Herangehensweisen beschreiben, und Prozesse, die das Zusammenspiel<br />
der beteiligten Disziplinen und Aktivitäten im<br />
Produktlebenszyklus definieren, ineinander.<br />
Noch fehlt eine akzeptierte,<br />
offene Interoperabilitätsspezifikation<br />
Die Basis für das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> steht bereits heute, Herausforderungen<br />
sind mangelnde Agilität in Referenzprozessen<br />
und Interoperabilität. Unsere Softwareanwendungen für<br />
modellbasiertes <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in Verbund mit Application<br />
und Product Lifecycle Management (PLM) ermöglichen<br />
unseren Kunden den Aufbau einer durchgängigen <strong>Systems</strong>-<br />
<strong>Engineering</strong>-Umgebung.<br />
Eine Herausforderung stellt allerdings das Fehlen einer offenen,<br />
von den führenden Toolherstellern akzeptierten Interoperabilitätsspezifikation<br />
dar. So ist die Anbindung spezieller <strong>Engineering</strong><br />
Tools derzeit oft nur herstellerspezifisch zu lösen. PTC<br />
beteiligt sich daher im EU-Projekt Crystal (CRitical sYSTem engineering<br />
AcceLeration) aktiv an der Definition und Referenz -<br />
implementierung einer offenen Interoperabilitätsspezifikation<br />
für durchgehende Werkzeugketten für sicherheitskritisches<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>.<br />
Organisatorische Abläufe und Prozesse zur disziplinübergreifenden<br />
Zusammenarbeit im <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> sind in Reifegradmodellen<br />
wie etwa CMMi oder Spice gut definiert, allerdings<br />
häufig zu Lasten der Agilität. Kurze Reaktionszeiten auf<br />
sich ändernde Marktanforderungen und neue Technologien<br />
erfordern aber eine hohe Flexibilität in den Entwicklungsabläufen.<br />
In der Softwareentwicklung haben sich daher agile<br />
Methoden etabliert. Unser Ansatz, um sowohl die Einhaltung<br />
der definierten Entwicklungsprozesse sicherzustellen, als<br />
auch agiles <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> zu ermöglichen, ist die Bereitstellung<br />
eines Scrum-basierten Frameworks zur Verwaltung<br />
der Produktentwicklung in unserer Application-Lifecycle-Management-Plattform,<br />
die ein zentraler Bestandteil unserer <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Lösung<br />
ist.<br />
Durchgängigkeit bis in<br />
die Automatisierung ist realisierbar<br />
Die Rückverfolgbarkeit aller Informationen im Entwicklungsprozess<br />
untereinander bis hin zu den ursprünglichen Anforderungen<br />
ist ein wichtiges Mittel, um deren vollständige Erfüllung<br />
nachzuweisen, eine stimmige Architektur zu dokumentieren,<br />
die korrekte Implementierung zu prüfen sowie die vollständige<br />
Testabdeckung sicherzustellen. Unsere <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Lösungen<br />
bieten diese vollständige Rückverfolgbarkeit<br />
durch die zentrale Verwaltung aller kritischen Informationen<br />
und toolübergreifende Verlinkung.<br />
Dazu kommt die Stimmigkeit (Konsistenz) der modellbasierten<br />
Architektur mit der Produktstruktur im PLM-System. Wir<br />
arbeiten dazu an einer direkten Integration zwischen unserem<br />
MBSE-Werkzeug und unserem PLM-System. Dieses beinhaltet<br />
auch die Produktionsplanung und die Schnittstelle zur Produktionssteuerung.<br />
So ermöglichen wir die digitale Durchgängigkeit<br />
bis in die Automation. Unsere Internet-of-Things-Plattform<br />
ThingWorx bietet schließlich die direkte Anbindung von<br />
vernetzten Produktionsanlagen in einem geschlossenen Prozess<br />
mit der Produktenwicklung.<br />
www.ptc.com<br />
26 develop 3 systems engineering 01–2014
Christoph Bräuchle ist als Business Development Director<br />
bei PTC für die Kommunikation und Erweiterung der <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Strategie<br />
zuständig. Er vertritt PTC in<br />
Arbeitsgruppen und Forschungsprojekten wie etwa dem<br />
EU-geförderten Crystal-Projekt zur Definition einer industriell<br />
anwendbaren Interoperabilitätsspezifikation<br />
Bild: PTC
Menschen & Unternehmen Stimmen zum <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Andreas Huhmann, Strategy Consultant Connectivity + Networks, Harting<br />
„Die reale Produktion<br />
in die IT-Systeme integrieren”<br />
„Industrie 4.0 braucht die Durchgängigkeit<br />
bis in die Feldebene. Erst wenn die reale Produktion,<br />
die auf der Automatisierungsfeld -<br />
ebene stattfindet, in die IT-Systeme integriert<br />
wird, entstehen Cyber-physical <strong>Systems</strong>. Dabei<br />
geht es um die konsequente Nutzung von<br />
Standard-IT-Technologie, um die Integra tion<br />
möglichst barrierefrei zu machen. Heutige Automatisierungssysteme<br />
besitzen diese Offenheit<br />
größtenteils noch nicht. Harting übernimmt<br />
die Aufgabe, Daten aus der Feldebene<br />
in IT-Applikationen wie MES und ERP zu schaufeln.<br />
Hierzu entwickeln wir Hard- und Software-Komponenten,<br />
die wir auch im Rahmen<br />
unserer System-Integration für Kundenprojekte<br />
einsetzen. Ein Beispiel sind hier unsere<br />
Industrie-4.0-Demonstratoren.“<br />
Andreas Huhmann ist Strategy Consultant Connectivity + Networks<br />
bei der Harting Deutschland GmbH & Co. KG in Minden<br />
Bild: Harting<br />
www.harting.com<br />
Wir berichten über<br />
ABB Automation ....................................... 42<br />
Aucotec ......................................................... 48<br />
B&R ............................................. 8, 30, 48, 52<br />
Balluff ............................................................ 30<br />
Baumüller Nürnberg .............................. 20<br />
Beckhoff Automation ............... 8, 30, 48<br />
Bosch Rexroth ....................................... 8, 42<br />
Cideon ......................................................... 16<br />
Continental ................................................ 46<br />
Daimler ................................................... 8, 18<br />
Dassault Systèmes ........................... 11, 18<br />
Deutsche Messe .......................................... 6<br />
DFKI ............................................................... 30<br />
Eplan ................................................ 6, 16, 60<br />
Fraunhofer IPT .......................................... 11<br />
Friedhelm Loh Group .............................. 16<br />
GfSE ............................................................... 11<br />
Harting ......................................................... 28<br />
Heidelberger Druckmaschinen ......... 36<br />
Heinz Nixdorf Institut ........................... 36<br />
Industrial Physics ....................................... 8<br />
ITQ ............................................................ 8, 22<br />
it’s OWL ......................................................... 11<br />
Kiesling ......................................................... 16<br />
Kistler ............................................................ 36<br />
Lapp Group ................................................ 15<br />
Lenze <strong>Engineering</strong> .................................... 24<br />
MAG IAS ...................................................... 60<br />
MES D.A.CH ................................................ 46<br />
Mesago Messe Frankfurt ..................... 42<br />
Mitsubishi Electric .................................... 6<br />
National Instruments ..................... 36, 58<br />
OWL ............................................................... 11<br />
Pepperl+Fuchs .......................................... 42<br />
Phoenix Contact ................................. 8, 30<br />
PTC .................................................................. 26<br />
Rittal ............................................................... 16<br />
Siemens .................................... 8, 18, 48, 55<br />
SolidWorks ................................................... 64<br />
VDMA ...................................................... 8, 42<br />
Wenglor ......................................................... 8<br />
WZL RWTH Aachen ................................. 36<br />
Zuken ............................................................ 48<br />
ZVEI ............................................................... 42<br />
28 develop 3 systems engineering 01–2014
25. – 27.11.14<br />
Halle 7a, 330<br />
SmartBridge: von<br />
der Vision zur Realität<br />
für Industrie 4.0<br />
Mit SmartBridge bringt Pepperl+Fuchs das<br />
Zukunftsthema Industrie 4.0 der Realität<br />
einen Schritt näher. Kommunikation bis zur<br />
Sensorebene wird Standard bei automatisierten<br />
Produktionsprozessen – und mobile Endgeräte<br />
werden zur universellen Bedieneinheit für<br />
industrielle Sensoren. Das ist unsere Vorstellung<br />
von Industrie 4.0.<br />
www.pepperl-fuchs.de/smartbridge<br />
Your automation, our passion.
Round-Table-Gespräch zu Industrie 4.0: <strong>Engineering</strong>-Abläufe sind entscheidend<br />
Eine Brücke von der<br />
virtuellen zur realen Welt<br />
Industrie 4.0 zielt auf die Produktionstechnik von morgen. Im Round-Table-Gespräch<br />
der develop 3 wurde klar, dass das Thema von der Allgegenwärtigkeit der Informationen<br />
lebt sowie dem Schulterschluss von IT- und Automatisierungstechnik. Eine der<br />
Herausforderungen wird sein, den noch existierenden Bruch zwischen virtueller und<br />
realer Welt zu überwinden – unter Nutzung digitaler Entwicklungsdaten.<br />
Bilder: develop 3 /Balluff (Logistik)<br />
Intralogistik als Trendsetter: Mit dem Internet der<br />
Dinge und selbstregelnden Systemen wurden hier<br />
einige Ideen schon aufgegriffen, bevor es den Begriff<br />
Industrie 4.0 gab. Gerade in der Intralogistik werden<br />
aber heute schon zahlreiche Simulationen durchgeführt,<br />
um etwa die Leistungsfähigkeit eines<br />
Automa tischen Kleinteile lagers zu testen. Noch werden<br />
diese Daten aber nicht für die Steuerungsprogrammierung<br />
verwendet – ein Bruch, den es zu<br />
überwinden gilt
Industrie 4.0 Trends<br />
Was bringt dem Anwender die Industrie<br />
4.0 und welche Rolle spielt dabei insbesondere<br />
das <strong>Engineering</strong>? Zur Diskussion<br />
rund um diese Frage nahmen Gerd<br />
Hoppe, Roland Bent und Hondo Santos<br />
(auf der linken Seite) sowie Prof. Detlef<br />
Zühlke, Markus Sandhöfner und Jürgen<br />
Gutekunst (auf der rechten) die Einladung<br />
der Redaktion der develop 3 zum<br />
Round-Table-Gespräch an<br />
LESE-TIPP<br />
Eine noch umfangreichere<br />
Zusammenfassung dieses<br />
Gesprächs, in dem insbesondere auch auf<br />
Fragestellungen der Automatisierer etwa<br />
zum Thema OPC UA eingegangen wird,<br />
finden Sie in der elektro AUTOMATION<br />
online unter wirautomatisierer.de:<br />
http://t1p.de/k0ei<br />
Bent (Phoenix Contact): Schon mit der digitalen Entwicklung<br />
eines Produkts im CAD-System werden bereits Daten erzeugt,<br />
die sich dazu verwenden lassen, die entsprechenden Produktionsmittel<br />
zu entwickeln, zu simulieren und zu testen. Auf<br />
diese Weise wird parallel zur physischen Welt die Datenwelt<br />
immer weiter ausgebaut. Ein komplexeres Produkt wird also<br />
eine Art digitales Gedächtnis haben, das über den Lebenszyklus<br />
hinweg Zugriff auf eine Reihe von Informationen bietet.<br />
Abstrakt gesprochen finden wir diese Daten dann in der Cloud.<br />
develop3: Die Komplexität von Produkten und Fertigungsverfahren<br />
beziehungsweise -abläufen nimmt zu, gleichzeitig sollen<br />
kundenindividuelle Wünsche bis zur Losgröße Eins realisierbar<br />
sein. Welche Ansätze bietet Industrie 4.0, um diese Problematik<br />
in den Griff zu bekommen?<br />
Bent (Phoenix Contact): Um Komplexität zu beherrschen,<br />
muss diese heruntergebrochen werden – autonome Teilsysteme,<br />
die für sich selbst Entscheidungen treffen können und mit<br />
ihrer Umgebung interagieren, sind dabei ein wesentliches Element.<br />
Dies führt zu einem intelligenten Produktionsumfeld, in<br />
dem Betriebsmittel sowie Logistik- und Geschäftsprozesse<br />
über eine ausreichende Teilintelligenz verfügen, um sich sinnvoll<br />
miteinander zu vernetzen – und entsprechend den Bedürfnissen<br />
konfigurieren. Man wird darüber hinaus auch den<br />
Begriff des ‚intelligenten‘ oder smarten Produkts genereller<br />
fassen müssen: Eine wesentliche Zäsur wird sein, dass das Produkt<br />
künftig über seinen gesamten Lebenszyklus Teil der Prozesse<br />
des Gesamtsystems wird.<br />
develop3: Welche Auswirkungen hat dies?<br />
DIE TEILNEHMER<br />
·<br />
·<br />
·<br />
·<br />
·<br />
·<br />
Roland Bent,<br />
Geschäftsführer Marketing und<br />
Entwicklung,<br />
Phoenix Contact GmbH & Co. KG<br />
Jürgen Gutekunst,<br />
Geschäftsbereichsleiter Networking/<br />
Systeme, Balluff GmbH<br />
Gerd Hoppe,<br />
Corporate Management,<br />
Beckhoff Automation GmbH<br />
Markus Sandhöfner,<br />
Geschäftsleitung,<br />
B&R Industrie-Elektronik GmbH<br />
Hondo Santos,<br />
Director Logistics, Balluff GmbH<br />
Prof. Detlef Zühlke,<br />
Forschungsbereich Innovative Fabrik -<br />
systeme, Deutsches Forschungszentrum<br />
für Künstliche Intelligenz (DFKI)<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 31
Trends Industrie 4.0<br />
„Schon mit der digitalen Entwicklung<br />
eines Produkts im<br />
CAD-System werden bereits Daten<br />
erzeugt, die sich dazu verwenden<br />
lassen, die entsprechenden<br />
Produktionsmittel zu<br />
entwickeln, zu simulieren und<br />
zu testen.“<br />
Roland Bent, Geschäftsführer Marketing und<br />
Entwicklung, Phoenix Contact<br />
spielsweise Förderanlagen, in denen Shuttles Wegstrecken selbst<br />
erkunden und mit Hilfe von Agentensystemen sich selbst organisieren.<br />
In Industrie-4.0-Konzepten entsteht also die ‚Intelligenz‘<br />
aus der Vernetzung aller Teilsysteme und dem Zugriff auf möglichst<br />
viele Informationen...<br />
Zühlke (DFKI): ...die jetzt online verfügbar und damit nutzbar<br />
sind – das ist genau der Punkt. Ein Stau in einer Fertigungslinie<br />
lässt sich auf diese Weise zunächst einmal umfahren, ohne direkt<br />
zu Folgeproblemen zu führen. Entscheidend ist dabei,<br />
dass wir die insgesamt wachsende Komplexität wieder reduzieren<br />
können – denn mit komplexen Prozessen kann der<br />
Mensch schlecht umgehen. In der Automatisierung führt dies<br />
allerdings dazu, dass sich zwar die Komplexität für den Anwender<br />
reduziert, die für die Automatisierungsingenieure<br />
„Derzeit erhält der<br />
Automatisierer<br />
noch die Aufgabe,<br />
in seinem <strong>Engineering</strong>-Tool<br />
die Bewegungssteuerung zu programmieren.<br />
Dieser Bruch ist unsinnig –<br />
sinnvoller wäre es, dafür Daten aus der<br />
Simulation zu nutzen.“<br />
Gerd Hoppe, Corporate Management, Beckhoff Automation<br />
„Überwunden werden muss der Bruch bei der<br />
Verbindung von virtueller und realer Welt. Im<br />
PLM nutzen wir ja bereits wunderbare Objektwelten,<br />
geht es aber an den realen Betrieb,<br />
muss wieder eine SPS programmiert<br />
werden – das<br />
darf nicht sein!“<br />
Prof. Detlef Zühlke, Forschungsbereich<br />
Innovative Fabriksysteme, DFKI<br />
Das Round-Table-<br />
Gespräch wurde<br />
von den beiden<br />
develop 3 -Redakteuren<br />
Andreas Gees und<br />
Michael Corban<br />
geleitet<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): Industrie 4.0 beschreibt keine<br />
revolutionäre, ganz andere Art der Produktionstechnik – sondern<br />
das Grundwesen dieses Ansatzes besteht in der Allgegenwärtigkeit<br />
von Informationen. In klassischen Systemen<br />
wird ja in strikten Produktionshierarchien von oben nach unten<br />
geplant und ausgeführt. Fehlende Informationen aus den<br />
untersten Produktionsebenen bringen darin das übergeordnete<br />
Planungssystem in Schwierigkeiten. Die Anwendung der<br />
Smart-Technologien – und damit der Informationsaustausch<br />
zwischen den beteiligten Systemen – soll es also ermöglichen,<br />
situativ zu reagieren. Der Einsatz smarter Produkte ist dabei<br />
nur ein mögliches Szenario. Entscheidend wird die Einbettung<br />
in bestehende Systeme sein. Es wird also eine Evolution geben<br />
hin zu intelligenteren und damit autonomeren Teilsystemen –<br />
das kann eine Vorrichtung innerhalb einer Maschine sein, die<br />
Maschine selbst oder auch eine ganze Fertigungslinie oder<br />
Halle. In allen diesen Einheiten müssen wir diese Smart-Technologien<br />
denken und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.<br />
Nicht zuletzt können wir auf diese Weise auch ressourcenschonender<br />
produzieren.<br />
develop3: Speziell aus der Logistik kennen wir ja bereits erste<br />
Umsetzungen unter dem Stichwort ‚Internet der Dinge‘, bei-<br />
aber steigt. Beides müssen wir zusammenbringen, in dem wir<br />
weniger komplexe Subsysteme schaffen.<br />
Gutekunst (Balluff): Man kann es auch umdrehen: Gerade bezüglich<br />
des Zugriffs auf möglichst viele Informationen müssen<br />
wir über neue Konzepte nachdenken – wie Industrie 4.0. Die<br />
Datenflut bei uns im Unternehmen ist bereits jetzt so immens<br />
groß geworden, dass wir Wege suchen, sie zu kanalisieren und<br />
wertschöpfend zu nutzen. Das fängt bei der Sensorik an – ein<br />
entscheidender Baustein ist an dieser Stelle die Identifikation,<br />
insbesondere per RFID – und reicht über die interpretativen<br />
Systeme bis hin zu fabriks- und unternehmensübergreifenden<br />
Konzepten. Mithin zu der Frage, wie wir selbst unsere Lieferanten<br />
steuern – beziehungsweise unser Kunde uns als Lieferant.<br />
Daraus können ganz neue Geschäftsmodelle entstehen.<br />
develop3: Um diese neuen Modelle zu realisieren, ist dann aber<br />
wie erwähnt die Reduzierung der Komplexität der Subsysteme<br />
ein Schlüssel zur erfolgreichen Nutzung von Industrie 4.0. Und<br />
um den Anwender zu entlasten, trifft das vor allem die Entwickler<br />
von Automatisierungssystemen. In welcher Weise kann hier<br />
der ebenfalls bereits genannte Zugriff auf die CAD-Daten von<br />
Nutzen sein?<br />
32 develop 3 systems engineering 01–2014
Industrie 4.0 Trends<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): Die Daten im CAD-System<br />
werden heute noch zu wenig genutzt. Klassisch ist etwa das<br />
Beispiel Hochregallager: Vor dessen Bau wird der Durchsatz simuliert<br />
und auf dieser Basis die Investitionsentscheidung gefällt.<br />
Nicht abgeleitet wird daraus aber die Bewegungssteuerung<br />
für die einzelnen Bediengeräte, obwohl die dynamischen<br />
Abläufe ja bereits vorgedacht sind. Vielmehr erhält derzeit<br />
noch ein Automatisierer die Aufgabe, in einem ganz anderen<br />
<strong>Engineering</strong>-Tool die Bewegungssteuerung für einzelne<br />
Shuttles zu programmieren. Dieser Bruch ist unsinnig – sinnvoller<br />
wäre es, dafür ebenfalls die Daten aus der Simulation zu<br />
nutzen. Wir haben dafür den Begriff ‚Zero <strong>Engineering</strong>‘ geprägt,<br />
über den sich auch bestimmte <strong>Engineering</strong>-Abläufe automatisieren<br />
lassen. Die brillante Idee von Industrie 4.0 ist also, die Vernetzung<br />
nicht nur auf den Hersteller einer Ware oder die Pro-<br />
„Die Datenflut ist bereits<br />
jetzt so immens groß geworden,<br />
dass wir Wege suchen,<br />
sie zu kanalisieren und wertschöpfend<br />
zu nutzen.“<br />
Jürgen Gutekunst, Geschäftsbereichsleiter<br />
Networking/Systeme, Balluff<br />
duktionstechnik zu beschränken, sondern auch die bislang<br />
sehr stark gegeneinander abgegrenzten Domänen des <strong>Engineering</strong>s<br />
zu verschmelzen.<br />
Sandhöfner (B&R): Ziel muss es sein, Produkte auch in der Losgröße<br />
Eins fertigen zu können. Das gelingt heute nur in Teilbereichen,<br />
weil die Produktionsanlagen dafür nicht ausgelegt<br />
sind. Diese müssen also flexibler gestaltet werden – nicht nur<br />
hinsichtlich kleinerer Losgrößen, sondern insbesondere auch<br />
für Losgröße Eins. Passen wir dazu unsere <strong>Engineering</strong>-Abläufe<br />
nicht an, schlägt sich das aber in einer Explosion des Steuerungscodes<br />
nieder – was wir uns nicht leisten können, weil das<br />
sowohl Entwicklungszeit als auch -kosten nach oben treibt.<br />
Gefragt sind damit intelligente Konzepte, in denen sich bestehender<br />
Code wiederverwenden lässt und in denen Schnittstellen<br />
zwischen den Entwicklungstools das Schreiben von<br />
Code vereinfachen und beschleunigen. Erste Schritte sind ja<br />
bereits gemacht, Informationen aus Simulationssystemen<br />
heraus direkt in echtzeitfähigen Code zu verwandeln. Das reduziert<br />
dann wiederum die Komplexität nicht nur der Maschine<br />
selbst, sondern auch die ihrer Entstehung.<br />
develop3: Ist das dann nicht die Wiederkehr des CIM-Gedankens,<br />
des Computer Integrated Manufacturings?<br />
Sandhöfner (B&R): Ja und nein, denn bei der CIM-Diskussion<br />
vor 20 Jahren ging man von einer zentralen Steuerung aus, die<br />
bereits vorgedacht und entsprechend strukturiert ist. Außer<br />
„Passen wir für Losgröße<br />
Eins unsere <strong>Engineering</strong>-Abläufe<br />
nicht an, schlägt sich<br />
das in einer Explosion<br />
des Steuerungscodes<br />
nieder – was wir uns nicht leisten können, weil<br />
das sowohl Entwicklungszeit als auch -kosten<br />
nach oben treibt.“<br />
Markus Sandhöfner, Geschäftsleitung, B&R Deutschland<br />
Acht gelassen wurde dabei, dass Störungen auftreten<br />
können und hinsichtlich der Losgröße sprach<br />
man eher von hohen Stückzahlen. Diese Aspekte<br />
greift aber Industrie 4.0 auf, was nicht zuletzt hinsichtlich<br />
der Offenheit der beteiligten Systeme wesentlich<br />
höhere Anforderungen stellt.<br />
Bent (Phoenix Contact): CIM ist damals gescheitert,<br />
weil die technischen Mittel nicht bereitstanden und<br />
die Komplexität zu hoch war. Entstanden ist daraus<br />
aber auch unsere heutige Automatisierungspyramide<br />
mit ihrer hierarchischen Struktur. Industrie 4.0 verlässt<br />
diese Struktur komplett – es gibt keine Hierarchie in einer<br />
Industrie-4.0-Automatisierungs- oder -Kommunikationswelt,<br />
was wiederum eine Grundvoraussetzung für den Aufbau flexibler<br />
und adaptiver Systeme ist. Sobald eine Hierarchie vorliegt,<br />
muss ich ein System vordenken – und sobald ich das mache,<br />
komme ich nicht über die Grenzen meines heutigen Wissens<br />
hinaus. Ich kann nur das planen, was ich heute weiß – und<br />
genau diese Beschränkung will Industrie 4.0 ja überspringen.<br />
Wir wollen ja zu Systemen kommen, die zukünftig etwas leisten<br />
können, was wir heute noch nicht vorgedacht haben. So<br />
entstehen Produktionssysteme, die in der Lage sein werden,<br />
sich an zukünftige, heute noch unbekannte Anforderungen –<br />
auch in Bezug auf die zu produzierenden Produkte und Varianten<br />
– zu adaptieren.<br />
Gutekunst (Balluff): Was bei CIM fehlte, war der Rückwärtspfad<br />
– konnte auf einer unteren Ebene etwas nicht gelöst werden,<br />
konnte es die Steuerung darüber auch nicht. Es fehlte der<br />
wichtige Aspekt der Autonomie, der Industrie-4.0-Konzepte<br />
kennzeichnet.<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): Der CIM-Gedanke hat allerdings<br />
dazu geführt, dass in der Werkzeugmaschinenindustrie<br />
bereits eine integrierte homogene Umgebung existiert. Basierend<br />
auf den CAD-Daten eines Produktes kann über den daraus<br />
abgeleiteten NC-Datensatz dessen Entstehung vollautomatisch<br />
ablaufen. Diesen Gedanken müssen wir in der Industrie<br />
4.0 aufnehmen und weiterentwickeln.<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 33
Trends Industrie 4.0<br />
Hondo Santos ist als Director<br />
Logistics bei Balluff<br />
bereits mit ersten Umsetzungen<br />
der Industrie-<br />
4.0-Konzepte vertraut. Für<br />
ihn ergeben sich daraus<br />
vor allem neue Möglichkeiten,<br />
über die Unternehmensgrenzen<br />
hinweg<br />
neue Prozesse und aus<br />
Wertschöpfungsketten<br />
ganze Wertschöpfungsnetze<br />
zu gestalten<br />
develop3: Was muss dazu mit Blick etwa auf Montageprozesse<br />
getan werden?<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): Wir müssen eine Metasprache<br />
entwickeln – eine Taxonomie und Ontologie beziehungsweise<br />
eine Begriffswelt –, die es erlaubt, die Herstellung eines Produktes<br />
so zu beschreiben, dass sich diese Informationen weltweit<br />
an vielen verschiedenen Maschinen nutzen lassen. Das<br />
gibt es in dieser Form noch nicht, auch wenn es in Teilbereichen<br />
beziehungsweise Branchen bereits Industrie-4.0-Inseln gibt.<br />
Dann lässt sich auch die Stückzahl Eins realisieren, ohne dass<br />
man dazu zunächst einen komplexen <strong>Engineering</strong>-Prozess<br />
aufsetzen muss.<br />
develop3: Damit nähern wir uns dann aber wieder<br />
dem eingangs erwähnten ‚smarten‘ Produkt, dem<br />
ich über die digitale Entwicklung analog zum NC-<br />
Code bereits sämtliche Informationen mitgebe,<br />
wie es zu fertigen ist...<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): ...was aber nur<br />
funktioniert, wenn die Fertigungsmaschinen beziehungsweise<br />
-anlagen das auch verstehen! An<br />
welcher Stelle die Fertigungshinweise liegen,<br />
spielt keine Rolle – wichtig ist, dass der Produktionsvorgang<br />
so beschrieben ist, dass die jeweils<br />
vorhandenen Maschinen und Anlagen daraus<br />
selbstständig und autonom die notwendigen Schritte extrahieren<br />
können. Derzeit gibt es dazu keine einheitliche Taxonomie<br />
– im Rahmen der Umsetzung von Industrie 4.0 müssen<br />
wir diese aber entwickeln.<br />
Sandhöfner (B&R): Das Ziel von Industrie 4.0 beinhaltet auf<br />
diese Weise die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Wegen<br />
– zwischen Prozessen unterschiedlicher Anbieter – wählen<br />
zu können. Das setzt einheitliche Daten voraus, die innerhalb<br />
der gesamten Prozesskette verstanden werden.<br />
Zühlke (DFKI): Hier fehlen uns in der Tat derzeit sowohl eine Referenzarchitektur<br />
als auch wissenschaftliche Begrifflichkeiten<br />
für viele Dinge. Rede ich beispielsweise mit Kollegen aus der Informatik,<br />
finden sich dort teilweise völlig andere Begrifflichkeiten<br />
als in der Produktionstechnik. Hier sind wir alle gefordert,<br />
zusammenzukommen, wobei wir erst am Anfang stehen. Aus<br />
wissenschaftlicher Sicht sind hier noch extrem viele Aufgaben<br />
zu lösen, was meiner Meinung nach auch noch nicht in zwei<br />
oder drei Jahren abgeschlossen ist – wir reden hier über eine<br />
Vision.<br />
develop3: Was sind denn die nächsten Schritte, die vorrangig angegangen<br />
werden müssen?<br />
Zühlke (DFKI): Die neue Welt wird nur funktionieren, wenn wir<br />
Standards schaffen! Nur so werden die Komponenten einer<br />
Produktionsumgebung wie Lego-Bausteine per Plug&Play zueinander<br />
passen. Ein zweiter, wesentlicher Aspekt betrifft hinsichtlich<br />
der erforderlichen offenen Netzwerke das Thema Sicherheit<br />
– im Englischen die Security. Denn die beteiligten Unternehmen<br />
werden sich natürlich fragen, ob sie ihre Informa-<br />
tionen in solch einen Legostein legen sollen und was damit<br />
passiert. Nur auf diese Weise lässt sich allerdings eine<br />
Plug&Play-Fertigung modular aufbauen. Überwunden werden<br />
muss auch der bereits thematisierte Bruch bei der Verbindung<br />
von virtueller und realer Welt. Unsere Kollegen im Bereich<br />
des Product Lifecycle Managements nutzen ja bereits<br />
wunderbare Objektwelten, in denen sich Parameter verändern<br />
lassen. Geht es aber an den realen Betrieb, muss wieder<br />
eine SPS programmiert werden – das darf nicht sein!<br />
Bent (Phoenix Contact): Automatisierungs- und IKT-Welt müssen<br />
eine gemeinsame Sprache finden – das ist die große Chance,<br />
die hinter Industrie 4.0 steckt. Denn industriebranchenübergreifend<br />
ist hier ja ein Konsens entstanden, eine gemeinsame<br />
Vision, die keiner alleine umsetzen kann. Aufgabe der von Bitkom,<br />
VDMA und ZVEI gegründeten Plattform Industrie 4.0 ist<br />
es deshalb, gemeinsam an der Umsetzung zu arbeiten.<br />
Santos (Balluff): Nur so werden wir auch in der Lage sein, die<br />
vielen, bereits heute gespeicherten Informationen sinnvoll zu<br />
nutzen. Denn bislang greifen wir Vergleichbares nur in Teilbereichen<br />
beziehungsweise punktuell bezogen auf bestimmte<br />
Aufgabenstellungen auf. Industrie 4.0 muss uns dabei helfen,<br />
all diese Informationen sinnvoll zu nutzen – im Sinne der<br />
eingangs erwähnten Wertschöpfungsnetzwerke. Und an der<br />
Unternehmensgrenze darf diese Vernetzung nicht aufhören.<br />
develop3: Der Diskussionsstoff rund um das Thema Industrie 4.0<br />
wird uns also so schnell nicht ausgehen, die weitere Entwicklung<br />
bleibt spannend. Wir danken allen Teilnehmern für dieses<br />
Round-Table-Gespräch.<br />
VIDEO-TIPP<br />
Eine Video-Zusammenfassung dieses<br />
Round-Table-Gesprächs finden Sie unter:<br />
t1p.de/1xtt<br />
Nähere Angaben zur Plattform Industrie<br />
4.0 der drei Verbände Bitkom, VDMA und<br />
ZVEI finden sich unter:<br />
www.plattform-i40.de<br />
www.balluff.com<br />
www.beckhoff.de<br />
www.br-automation.com<br />
www.dfki.de<br />
www.phoenixcontact.com<br />
34 develop 3 systems engineering 01–2014
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Wir machen das.
Trends Sensorik<br />
Interne Signalverarbeitung und Multisensorsysteme für die digitale Produktion<br />
Von der Datensammlung<br />
zur Information<br />
Eine sich selbstständig an verändernde Randbedingungen anpassende Produktion<br />
verlangt neben einem umfangreichen Prozess-Know-how eine wesentlich leistungsfähigere<br />
Sensorik. Interne Signalverarbeitung und Multisensorsysteme sind<br />
dabei zwei entscheidende Entwicklungsschritte hin zu einer Sensorik für die Industrie<br />
4.0, mit der sich aus den immensen Datenmengen verwertbare Informationen<br />
gewinnen lassen. Der Lohn ist eine Prozess-Kontrolle in Echtzeit – mit der Möglichkeit<br />
zur direkten Optimierung.<br />
·<br />
Mit der weiteren Digitalisierung der Produktion und der Vernetzung<br />
von Maschinen und Werkzeugsystemen mit Betriebsmitteln<br />
und innerbetrieblichem Materialfluss ent -<br />
stehen Cyber-Physical Production <strong>Systems</strong> (CPPS). Deren Intel -<br />
ligenz und Leistungsfähigkeit basiert wesentlich auf der Verfügbarkeit<br />
von realen Prozessdaten – was leistungsfähige<br />
und resiliente (gegenüber Störungen tolerante) Sensoriken<br />
voraussetzt. Die heute im produktionstechnischen Umfeld<br />
zum Einsatz kommende Sensorik besitzt dagegen zwei<br />
Schwachstellen:<br />
· Einfache Messsignale einer Messgröße lassen sich ohne<br />
eine Kombination mit anderen Messgrößen nicht inter -<br />
pretieren. So führt beispielsweise die Auswertung der Signale<br />
eines Kraftsensors zur Erfassung von Prozesskräften<br />
ohne die Information über die Position von Werkstück und<br />
Werkzeug zu einer Fehlinterpretation.<br />
Viele Problemstellungen sind über eine einfache Signalauswertung<br />
nicht zielführend bedienbar. Die Sensoren können<br />
zwar eine Messgröße erfassen, liefern zur Überwachung<br />
des Prozesses aber ohne eine erweiterte Signalverarbeitung<br />
keinen Mehrwert. Diese erlaubt eine modellbasierte Interpretation<br />
der erzeugten Qualitäten oder der Zustände von<br />
Werkzeug, Maschine und Hilfsmittel.<br />
Bild 1: Im Versuch werden bei der Heidelberger Druckmaschinen<br />
AG alle Maschinensysteme auf Funktionalität<br />
getestet und optimiert. Da die präzise Fertigung der<br />
Druckwalzen ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist, wurde im<br />
Rahmen eines von der EU geförderten Projektes zudem<br />
der Schleifprozess der Stahlzylinder analysiert und eine<br />
Prozessüberwachung entwickelt. Mittels moderner Sensorik<br />
kann heute ein Experte per Fernüberwachung Veränderungen<br />
im Gesamtsystem bewerten – in Echtzeit –,<br />
und auf diese Weise frühzeitig eingreifen<br />
Bild 1: Heidelberger Druckmaschinen, Bild 2 bis 8: Autoren
Sensorik Trends<br />
Abhilfe verspricht hier die Entwicklung von Multisensorsystemen<br />
und die Integration einer intelligenten Signalverarbeitung<br />
in die Sensoren (Bild 2). Einerseits werden dazu integrierte<br />
Sensoren entwickelt, welche einen höheren Informationsgehalt<br />
liefern sollen. Diese Sensoren erlauben bereits eine Auswertung<br />
der aufgenommenen Daten und liefern auf diese<br />
Weise durch die Anwendung geeigneter Modelle bereits Informationen<br />
anstatt einfacher Signale an die nächste Instanz<br />
(Steuerung der Maschine – und damit an den Bediener oder<br />
an die Prozessplanungsebene). Anderseits werden Multisensorsysteme<br />
entwickelt, welche die Erfassung mehrerer Größen<br />
in einem System ermöglichen. Hierbei handelt es sich um<br />
Netzwerke von Sensoren oder integrierte Lösungen, welche<br />
die Messung von mehreren Messgrößen über ein Sensorsystem<br />
erlauben. Eine Rolle werden dabei auch die Miniaturisierung<br />
und die Autarkie der Sensorsysteme spielen. Im Rahmen<br />
der Autarkie kann etwa durch die Gewinnung der erforder -<br />
lichen Energie aus der Umgebung zusammen mit der drahtlosen<br />
Kommunikation eine komplett kabellose Sensorlösung<br />
angestrebt werden.<br />
Multisensorsystem für die 5-Achs-Bearbeitung<br />
In welche Richtung sich die Sensorik entwickelt, zeigt exemplarisch<br />
ein Multisensorsystem zur Kraftmessung zur Kompensation<br />
von Störeffekten bei der 5-Achs-Bearbeitung. In der<br />
Zerspanung ist die Messung von Prozesskräften essenziell für<br />
die Prozessanalyse und -optimierung. Dazu wird in den meisten<br />
Fällen die piezoelektrische Kraftmessung genutzt, bei der<br />
einzelne Quarzscheiben vorgespannt und zu einem Sensor<br />
mit hoher Linearität zusammengefügt werden. Bei genauer<br />
Betrachtung des Bearbeitungsprozesses lassen sich allerdings<br />
zahlreiche Stör- und Umgebungseinflüsse erkennen, die ein<br />
Multisensorsystem idealerweise ebenfalls erfassen und berücksichtigen<br />
sollte. Dazu zählen unter anderem<br />
· die Einsatztemperatur, die eine Veränderung des Zusammenhangs<br />
zwischen der Kraft und der durch den Sensor abgegebenen<br />
Ladung bewirkt,<br />
· dynamische Effekte, die bei der Messung von Zerspankräften<br />
zu einer Verfälschung der Messgröße führen (insbesondere<br />
beim Fräsen wird das Werkstück durch das Ein- und<br />
Austreten der Schneiden zu Schwingungen angeregt) und<br />
· zusätzlich zur Prozesskraft wirkende statische und dynamische<br />
Kräfte aufgrund der Bewegung von Werkstück und<br />
Kraftmessplattform im Raum.<br />
Die reine Kraftmessung bei der 5-Achs-Bearbeitung würde<br />
deshalb zu Fehlinterpretationen führen. Erst durch die kombinierte<br />
Auswertung verschiedener Sensoren besteht die Möglichkeit,<br />
die Störgrößen zu erfassen und den Informationsgehalt<br />
der Messung zu steigern. Für die Erfassung von Prozesskräften<br />
im Zuge der digitalen Produktion ist zudem neben der<br />
drahtlosen Datenübertragung (um eine freie Bewegung des<br />
Bild 2: Durch die Kombination von interner Signalverarbeitung<br />
und Multisensorsystemen wird die Entwicklung der Sensorik,<br />
insbesondere die Sensorfusion vorangetrieben<br />
Messsystems in allen Bearbeitungsrichtungen zu erlauben)<br />
eine weitere Einbettung von Sensoren und Datenvorverar -<br />
beitung in die eigentliche Kraftmessplattform anzustreben.<br />
Die Erfassung von Position und Beschleunigung des Werkstücks<br />
wird etwa über Beschleunigungssensoren und miniaturisierte<br />
Lagesensoren realisiert, wie sie in Smartphones bereits<br />
verwendet werden. Um die Datenübertragungsraten gering<br />
zu halten, muss eine Vorverarbeitung auf dem System<br />
(sensorintegrierte Signalverarbeitung) stattfinden. Hierzu<br />
werden rekonfigurierbare Datenerfassungssysteme verwendet.<br />
Diese erlauben – je nach Anwendungsfall! – eine ver-<br />
DIE AUTOREN<br />
Dies ist eine Zusammenfassung des Vortrags<br />
„3.2: Sensoren für die digitale Produktion“,<br />
gehalten anlässlich des Aachener<br />
Werkzeugmaschinen-Kolloquiums im Mai<br />
2014. Mitarbeiter der Arbeitsgruppe für<br />
diesen Vortrag waren:<br />
· Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Dr. h. c. F.<br />
Klocke, WZL RWTH, Aachen<br />
· Prof. Dr. Yvonne Joseph, ESM TU Freiberg,<br />
Freiberg<br />
· Prof.-Dr.-Ing. A. Trächtler, Heinz Nixdorf<br />
Institut, Paderborn<br />
· M. Backmeyer, National Instruments,<br />
Petersberg<br />
· M. Blattner, Kistler Instrumente AG,<br />
Winterthur, Schweiz<br />
· Dr.-Ing. G. Eisenblätter, Heidelberger<br />
Druckmaschinen AG, Wiesloch<br />
· Ch. Henke, Heinz Nixdorf Institut,<br />
Paderborn<br />
R. Jamal, National Instruments,<br />
·<br />
·<br />
München<br />
Dr.-Ing. Drazen Veselovac, WZL RWTH,<br />
Aachen<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 37
Trends Sensorik<br />
Bild 3: Beispiel für eine<br />
CPPS-Kraftmessplattform<br />
(Cyber-Physical Production<br />
System, Embedded Kraftmessplattform)<br />
für die<br />
5-Achs-Bearbeitung mit<br />
integrierten Lage- und Beschleunigungssensoren<br />
Mit Sensoren die digitale Produktion gestalten<br />
Die Möglichkeiten der Vernetzung und vielfachen Verwendung<br />
von Prozessdaten werden heute unter dem Begriff Cyänderte<br />
Datenverarbeitung auf dem System. Für die Prozessüberwachung<br />
oder Prozessregelung werden vom System<br />
dann nur noch die notwendigen Kennwerte übertragen.<br />
Durch die Rekonfigurierbarkeit kann die Verrechnungsmethode<br />
jederzeit optimal an die jeweiligen Anforderungen angepasst<br />
werden (Bild 3).<br />
Integrierte Signalverarbeitung<br />
mit Zellularen Neuronalen Netzwerken<br />
Ein interessantes Beispiel für die sensorintegrierte Signalverarbeitung<br />
mit neuartigen Kamerasystemen ist die Schmelzbadüberwachung<br />
beim Laserschweißen. Ermöglicht wird das<br />
durch Zellulare Neuronale Netzwerke (CNN). Die Besonderheit<br />
dieser Systeme besteht darin, dass jedes einzelne Pixel des optischen<br />
Sensors mit einer eigenen Einheit zur Datenverar -<br />
beitung und Speicherung verbunden ist. Zusammen bilden<br />
diese Komponenten jeweils eine Zelle. Dieser Aufbau ermöglicht<br />
die parallele Verarbeitung der Daten sämtlicher Bildpunkte.<br />
Die einzelnen Zellen des Sensorsystems sind zudem mit<br />
den jeweils unmittelbar benachbarten Zellen verbunden.<br />
Hierdurch entsteht ein Netzwerk einzeln verarbeitender Elemente.<br />
Die interzellularen Verbindungen führen dazu, dass die Zellen<br />
nicht nur die Daten eines einzelnen Pixels verarbeiten, sondern<br />
gleichzeitig miteinander interagieren können. Dieser Aufbau<br />
ist an das Vorbild natürlicher neuronaler Netzwerke angelehnt,<br />
wobei die einzelnen Zellen des CNN biologischen Nervenzellen<br />
nachempfunden sind [2]. Unter Vorgabe geeigneter<br />
Algorithmen ermöglicht die CNN-Architektur die besonders<br />
schnelle Verarbeitung von Bilddaten. Der zellulare Aufbau des<br />
<strong>Systems</strong> führt jedoch dazu, dass die verarbeiteten Daten abermals<br />
in Bildform ausgegeben werden. In entsprechenden Kamerasystemen<br />
wird deshalb der CNN-basierte Prozessor in<br />
Fokalebene durch ein nachgeschaltetes FPGA (Field Programmable<br />
Gate Array) ergänzt. Dieses steuert den Fokalprozessor<br />
und interpretiert die ausgegebenen Daten. Da die Daten bereits<br />
in vorverarbeiteter Form vorliegen, ist durch den FPGA-<br />
Prozessor eine wesentlich geringerer Rechenleistung aufzubringen,<br />
als dies bei einer direkten Auswertung der Bilddaten<br />
der Fall wäre. Insgesamt befähigt dieser Aufbau somit das<br />
System zu einer internen Datenverarbeitung bei sehr hohen<br />
Verarbeitungsgeschwindigkeiten, wobei Bildraten von mehr<br />
als 10.000 fps erreicht werden können [3] und das Ergebnis der<br />
Auswertung direkt als Regelungs- oder Steuersignal ausgegeben<br />
werden kann. Die aufgenommenen Bilddaten müssen also<br />
zur weiteren Auswertung nicht an einen Messrechner übertragen<br />
werden – was allerdings nachteilig ist, wenn die Speicherung<br />
der Bilddaten etwa zu Dokumentationszwecken ausdrücklich<br />
gefordert wird.<br />
Aufgrund der dargestellten Vorteile besitzen CNN-Kamerasysteme<br />
eine hohe Eignung zur Verwendung in den Bereichen der<br />
Echtzeit-Überwachung und der Echtzeit-Regelung. Abt et al.<br />
realisierten beispielsweise eine Echtzeit-Regelung eines Laserstrahltiefschweißverfahrens<br />
für überlappende Bleche [4]. Der<br />
Prozess wird in diesem Fall koaxial durch die Laserschweißoptik<br />
mit Hilfe eines CNN-basierten Kamerasystems überwacht.<br />
Durch Überwachung und Analyse der für den Tiefschweißprozess<br />
typischen Dampfkapillare und des umgebenden<br />
Schmelzbads ermöglicht das Kamerasystem, den aktuellen<br />
Prozesszustand zu ermitteln.<br />
Multisensorsystem als Lab-on-a-Chip<br />
Die Überwachung von Prozessen und Maschinen in der Produktionstechnik<br />
basiert heute auf der Erfassung physikalischer<br />
Kenngrößen – die Überwachung oder sogar Regelung<br />
von Hilfsstoffen erfolgt kaum. Durch eine ständige und intensive<br />
Kontrolle kann allerdings die Verlängerung der Lebensdauer<br />
und das Einhalten der geforderten Eigenschaften von<br />
Kühlschmierstoffen, Elektrolyten und Dielektrika realisiert<br />
werden – was insbesondere die Entwicklung von chemischen<br />
Sensoren erfordert, die in flüssigen oder gasförmigen Phasen<br />
im laufenden Fertigungsprozess chemische Kennwerte ermitteln<br />
können. Ähnlich wie Biosensoren weisen chemische Sensoren<br />
eine Rezeptivität für die zu analysierenden Stoffe auf. Die<br />
Bindung zwischen Analyt und sensitiver Schicht muss reversibel<br />
sein, um eine fortwährende Analyse zu gewährleisten.<br />
Die Struktur eines chemischen Sensors ist dabei nicht nur<br />
exakt auf einen Analyten ausgerichtet, sondern ermöglicht die<br />
Bindung von verschiedenen Analyten. Über einen Messwandler<br />
kann die chemische Messgröße elektrisch erfasst werden.<br />
Um beispielsweise in Kühlschmierstoffanlagen schnell und<br />
gezielt vor Ort – und im Prozess! – notwendige Anpassungen<br />
vornehmen zu können, lassen sich zur Charakterisierung des<br />
Zustandes der Kühlschmierstoffe mehrere Einzelsensoren zu<br />
einem Sensor-Array zusammenfügen, einem Lab-on-a-Chip<br />
(Bild 4). Die Sensitivität für mehrere Analyte erfordert dabei eine<br />
intelligente Auswertung der Sensorsignale. Hierbei ist es<br />
wiederum mit Hilfe von künstlichen neuronalen Netzwerken<br />
möglich, einen kausalen Zusammenhang zwischen den Sensordaten<br />
und spezifischen chemischen Kenngrößen herzustellen.<br />
Kühlschmierstoffe lassen sich auf diese Weise länger<br />
nutzen und durch die kontinuierliche Analyse kann das Entstehen<br />
toxischer Substanzen frühzeitig durch Zugabe von exakt<br />
dosierten Additiven wirkungsvoll verhindert werden.<br />
38 develop 3 systems engineering 01–2014
Sensorik Trends<br />
Bild 4: Die Integration von chemischen<br />
Sensoren in Werkzeugmaschinen<br />
ermöglicht anstelle der<br />
Labor- die Inline-Analyse mittels<br />
Lab-on-a-Chip – und damit beispielsweise<br />
die Überwachung und<br />
Anpassung von Kühlschmierstoffen<br />
zur Steigerung der Ressourceneffizienz<br />
Bild 5: Ein Cyber-Physical Sensor System (CPSS) beschreibt die Vernetzung<br />
von mehreren Sensoren und ist Grundlage eines Cyber-Physical<br />
Production System (CPPS)<br />
ber-Physical Production System diskutiert. Grundlage ist ein<br />
Cyber-Physical Sensor System (CPSS), das die Vernetzung von<br />
mehreren Sensoren per selbstständiger Fusion beschreibt<br />
(Bild 5). Die Grundlage für die Vernetzung bilden adaptive Systeminformationen,<br />
welche von dem CPPS an das Sensorsystem<br />
gegeben werden. Unter Berücksichtigung von Optimierungszielen<br />
liefern die CPSS die Prozessinformationen an das<br />
CPPS, welche zum Aufbau von geeigneten Prozessmodellen<br />
benötigt werden.<br />
Um den Prozess oder einzelne Bauteileigenschaften selbstständig<br />
zu überwachen, müssen aus den Rohdaten Informationen<br />
extrahiert werden. Die dafür verwendeten Algorithmen<br />
müssen im CPPS dynamisch an das jeweilige Bauteilfeature<br />
angepasst werden. Um diese Adaptivität zu erreichen,<br />
werden Informationen aus der Planungsebene benötigt, die<br />
von PLM-Systemen zur Verfügung gestellt werden können.<br />
Die Konfiguration einer zukünftigen Prozessüberwachung erfolgt<br />
über die Fertigungsplanung. Die Optimierungskriterien<br />
beziehungsweise nicht zu über- oder unterschreitenden<br />
Grenzkriterien (etwa Stabilitätskenngrößen, minimale Spanungsdicken,<br />
...) können entweder durch Kennwerte hinterlegt<br />
sein oder aus Modellierungen in den CAx-Systemen ermittelt<br />
werden. Wenn kennwertbasiert gearbeitet werden kann –<br />
was insbesondere für KMUs eine wichtige Option darstellt –,<br />
verringern sich das Datenvolumen und die benötigte Rechnerleistung<br />
erheblich. Im Extremfall können Kennwerte ausschließlich<br />
über Attribute wie ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ beschrieben<br />
werden.<br />
Die steigende Messgenauigkeit von Sensoren bei gleichzeitig<br />
höherer zeitlicher Auflösung stellt für die Verarbeitung der Daten<br />
eine Herausforderung dar. Limitierende Faktoren sind dabei<br />
die Übertragungsrate und Latenzzeit heutiger Bussysteme<br />
in Werkzeugmaschinen. Durch die Bereitstellung der Informationen<br />
auf verschiedenen Ausführungsebenen wandeln sich<br />
deshalb auch die Anforderungen zur Echtzeitverarbeitung. Für<br />
harte Echtzeitanforderungen werden zukünftige Sensorsysteme<br />
die Verarbeitung der Daten zu Informationen eigenständig<br />
erledigen müssen. Die bereitgestellten Informationen können<br />
dann Aktor-Komponenten oder einem höheren Zielsystem<br />
für die weitere Verarbeitung zur Verfügung gestellt werden.<br />
Berechnete Kennwerte können bei nicht-zeitkritischen<br />
Applikationen über Standard-Netzwerkprotokolle zu Datenbanksystemen<br />
übertragen werden. Auch einen direkten Stream<br />
von Daten auf einen dezentralen Datenspeicher könnte<br />
ein CPPS-Sensor ohne Host verarbeiten.<br />
Skalier- und Rekonfigurierbarkeit<br />
Um eine möglichst hohe Flexibilität zu gewährleisten, müssen<br />
verstärkt rekonfigurierbare und skalierbare Systeme auf Basis<br />
von Realtime-Prozessoren und FPGA-Technologie zum Einsatz<br />
kommen. Hersteller von Sensoren und Aktoren können in Bezug<br />
auf CPPS nur eine Hardwareplattform zur Verfügung stellen,<br />
da die Anforderungen kundenseitig stark variieren. Daher<br />
sollte die Entwicklung offener, leicht integrierbarer Embedded-<br />
Sensorplattformen das Ziel sein. Anwender können damit<br />
Messgeräte und Aktoren durch eigene Algorithmen um neue<br />
Funktionen erweitern. Die Forderung der Kunden nach intelligenten<br />
Produkten, die flexibel erweiterbar sind, zeigt sich<br />
schon heute in vielen Bereichen der Unterhaltungsindustrie.<br />
Diese intelligenten Geräte lassen sich über ‚Tech-Apps‘ an die<br />
jeweiligen Kundenbedürfnisse anpassen. Eine Vielzahl dieser<br />
Plattformen erlaubt auch die eigene Programmierung von<br />
Apps durch den Anwender. Diese Anwendungen können<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 39
Trends Sensorik<br />
Bild 6: Die Übertragung<br />
von Daten vom einfachen<br />
Sensor in die Cloud ermöglicht<br />
die Informationsbereitstellung<br />
auf mobilen<br />
Endgeräten<br />
dann verkauft oder kostenlos der Community zur Verfügung<br />
gestellt werden. Zukünftige Geräte sind deshalb offene, rekonfigurierbare<br />
und vom Kunden anpassbare Plattformen, die zur<br />
Bildung von Communities führen. Diese Anwendergemeinschaften<br />
generieren durch die Entwicklung von Apps neue<br />
Anwendungsgebiete und Funktionen für die verschiedenen<br />
Hersteller.<br />
Die größte Herausforderung bei der Vernetzung stellt die Verwaltung<br />
der erzeugten Daten und Informationen dar. Der<br />
Technologieausblick 2013 von National Instruments zur Datenerfassung<br />
[5] beschreibt diese Herausforderung mit den<br />
Worten: „Es ist nicht mehr entscheidend, wer die meisten Daten<br />
sammelt, sondern wer die gesammelten Daten schnell sinnvoll<br />
nutzen kann.“ Versuchs- und Produktionsdaten beinhalten<br />
meist sehr wertvolle und wichtige Informationen zur Beurteilung<br />
eines Prozesses oder Produktes. Ein Verlust dieser Daten<br />
durch unzureichende Protokollierung führt zwangsläufig zu<br />
hohen Kosten. Ohne diese Versuchsdaten können wirtschaftliche<br />
Entscheidungen insbesondere bei der Auslegung von<br />
neuen Prozessen nicht gefällt werden.<br />
Für das schnelle Auffinden und zur sicheren Dokumentation<br />
ist es daher notwendig, beschreibende Zusatzinformationen<br />
mit den Messdaten abzulegen. Einige standardisierte Datenformate<br />
bieten hier eine ideale Datenstruktur, die es ermöglicht,<br />
mit kommerziellen Systemen schnelle und kostengünstige<br />
Datenmanagement-Systeme aufzubauen, ohne auf die<br />
klassischen Funktionalitäten einer Datenbank zu verzichten.<br />
Da der Zugriff auf Messdaten, Informationen und Kennwerte<br />
zukünftig auch außerhalb der Unternehmen geschehen<br />
muss, wird an der Entwicklung der ‚Technical Data Cloud‘ gearbeitet.<br />
Dabei werden – dynamisch an den Bedarf angepasst<br />
– IT-Infrastrukturen, Rechenkapazität, Datenspeicher, Netzwerkkapazitäten<br />
oder Services zur Verfügung gestellt [10]<br />
(Bild 6). Der Vorteil für Unternehmen ist, dass kurzfristig benötigte<br />
Ressourcen nicht zu einem irreversiblen, kostenintensiven<br />
Ausbau der IT-Infrastruktur führen.<br />
Fernüberwachung per Cloud<br />
Ein Beispiel für eine Fernüberwachung auf Basis eines technischen<br />
Cloud-<strong>Systems</strong> hat der weltweit operierende Druckmaschinenhersteller<br />
Heidelberg zur Überwachung der Produktqualität<br />
aufgebaut. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von<br />
Druckmaschinen ist die präzise Fertigung von Druckwalzen.<br />
Das Schleifen der Zylinderoberfläche als abschließendes Fertigungsverfahren<br />
stellt eine große Herausforderung dar, weil<br />
neben den üblichen Anforderungen an Form- und Maßhaltigkeit<br />
auch optische Anforderungen an die Oberfläche über die<br />
Akzeptanz der Bauteile im folgenden Beschichtungs- und<br />
Montageschritt entscheiden. Die 100-%-Prüfung der optischen<br />
Oberflächenbeschaffenheit erfolgt dabei heute in einem<br />
nachgelagerten Prozessschritt außerhalb der Maschinen<br />
unter Spezialbeleuchtung. Dies hat zur Folge, dass Veränderungen<br />
im Gesamtprozess ‚Werkstück, Schleifscheibe und<br />
Werkzeugmaschine‘ nur mit zeitlicher Verzögerung entdeckt<br />
werden können. Des Weiteren treten die Veränderungen des<br />
Prozesses vielfach schleichend auf, so dass zwar im Nachgang<br />
bei einer Rückwärtsverfolgung der Serie der Ausgangspunkt<br />
der Veränderung beziehungsweise das Überschreiten eines<br />
Grenzwertes ermittelt werden können, dann jedoch eine<br />
Nacharbeit von mehreren Druckwalzen erforderlich ist.<br />
Eine wesentliche Zielgröße bei der optischen Beurteilung der<br />
Zylinderoberfläche sind ‚Rattermarken‘ – mit dem bloßen<br />
Auge kaum wahrnehmbare Wellig keiten auf der Oberfläche.<br />
Die Ursache hierfür kann neben den unmittelbaren Zer -<br />
spanungspa rametern wie Schnittge schwindigkeit, Vorschub<br />
und Schleifscheibendurchmesser auch und im Besonderen in<br />
einer der Maschinenkomponenten liegen. Das Auftreten der<br />
Rattermarken und insbesondere deren Ursache sind ohne geeignete<br />
Überwachung nicht zeitlich vorhersehbar. Beim Auftreten<br />
muss dann aber sofort reagiert werden, um den Fehler<br />
einzugrenzen und die Nacharbeit zu minimieren beziehungsweise<br />
die Erregerquelle auszuschalten und die Störung zu beheben.<br />
Bild 7: Analysemonitor zur Fernüberwachung der Herstellung von<br />
Druckwalzen, über die ein Experte die Qualität beurteilen kann<br />
Im Rahmen eines von der EU geförderten Projektes wurden<br />
der Schleifprozess von Stahlzylindern auf einer Schaudt-Polygon-Schleifmaschine<br />
durch ein Expertenteam aus Forschung,<br />
Instandhaltung und Betreiber analysiert und eine Prozessüberwachung<br />
entwickelt, die im laufenden Betrieb hauptzeitparallel<br />
die Veränderungen im Gesamtsystem aufzeichnet<br />
und bewertet – und auf diese Weise ein frühzeitiges Eingreifen<br />
ermöglicht. Die verwendete Sensorik zur Zustandsbewertung<br />
der Maschinenkomponenten und des Prozesses sind Beschleunigungsaufnehmer.<br />
Da der Entstehungsort der für die<br />
Rattermarken verursachenden Schwingungen im Vorfeld<br />
nicht bekannt ist, wurden 3-achsige Sensoren auf den Maschinenkomponenten<br />
Spindelkasten, Werkstückspindel und Reit-<br />
40 develop 3 systems engineering 01–2014
Sensorik Trends<br />
stock sowie ein 1-achsiger Sensor auf dem Maschinenbett<br />
montiert. Zur ortsauflösenden Bestimmung der Schwingungen<br />
werden zusätzlich die Maschinenkoordinaten aufgezeichnet.<br />
Bei einer Abtastrate von 12,5 kHz und einer Auflösung<br />
von 16 bit für die Beschleunigungssensoren entstehen<br />
auf diese Weise pro Zerspanungsstunde an einer Maschine<br />
rund 1 GB an Rohdaten. Eine Speicherung und ein Datentransfer<br />
dieser Rohdaten zu einem nicht vor Ort sitzenden Experten,<br />
der die Daten analysieren kann, wären ineffizient und würden<br />
einen hohen Zeitaufwand bedeuten. Die in dem EU-Projekt<br />
untersuchte Maschine war in einem Werk in Deutschland installiert,<br />
der für die Datenanalyse zuständige Experte saß in Irland<br />
[7]. Die Idee zur Fernüberwachung durch einen ortsfernen<br />
Experten basiert auf einer bereits in der Maschine implementierten<br />
Datenvorverarbeitung, welche die Daten in Informationen<br />
überführt und somit auf eine netzwerkgeeignete<br />
Größe reduziert.<br />
Hierzu wurde in der Schleifmaschine ein CompactRIO-System<br />
mit FPGA-Chip installiert, auf das der Experte außerhalb des<br />
Produktionswerks Zugriff hat. Auf diese Weise ist eine Anpassung<br />
der Datenanalyse durch den Experten möglich. Die durch<br />
die Analyse gewonnenen Informationen werden durch das<br />
System auf einem FTP-Server abgelegt und auf einem Analysemonitor<br />
(Bild 7) ausgegeben. Um die Anwendungsmöglich -<br />
keiten auf die Shopfloor-Ebene zu erweitern, wurde zudem an<br />
der Maschine ein Display installiert. Auf diesem kann der Experte<br />
ausge wählte Informationen in Echtzeit anzeigen lassen, die<br />
dann direkt dem Maschinenbediener zur Verfügung stehen.<br />
Modellbasierte Prozessregelung beim Biegen<br />
Eines der häufigsten Probleme bei der Herstellung metallischer<br />
Bauteile ist die reproduzierbare Fertigung geometrischer<br />
Formen. Formabweichungen können dabei beispielsweise<br />
durch variierende Eigenschaften der Halbzeuge oder<br />
durch Verschleiß der Werkzeuge entstehen. Üblicherweise<br />
werden die Prozessparameter auf Basis von Produktionsszenarien<br />
oder auf Basis von vergangenen Abweichungen von<br />
Soll-Ist-Vergleichen manuell eingestellt. Die Wahl neuer Parameter<br />
hängt dann meist von der Erfahrung des Maschinenbedieners<br />
ab. Dies führt zu einem langwierigen und teuren Prozess,<br />
welcher in allen Phasen des Prozesslebenszyklus auftritt.<br />
Zudem führt der allgemeine Trend zur Miniaturisierung und<br />
zur Verringerung von Toleranzen bei gleichzeitig wachsender<br />
Materialfestigkeit zu einer weiteren Erhöhung der Prozessanforderungen.<br />
Um die Ausschussrate und die Rüstzeiten in der Produktion zu<br />
reduzieren, wurde ein modellbasierter Ansatz für eine sich<br />
selbst anpassende Steuerungsstrategie gewählt. Hierzu wird<br />
der Produktionsprozess – als Beispiel sei abschließend die<br />
Selbstoptimierung eines Biegeprozesses geschildert (Bild 8) –<br />
zunächst modelliert. In einem ersten Schritt wird der Biegeprozess<br />
durch Variierung der Prozessvariablen analysiert, die<br />
den Prozess am stärksten beeinflussen. Dies wird mit Simulationen<br />
realisiert. Anschließend werden die Korrelation zwischen<br />
den signifikanten Variablen und der geometrischen Abweichung<br />
bestimmt und verschiedene selbstoptimierende<br />
Steuerungsstrategien entwickelt und getestet. Um die Simulation<br />
zu validieren und die Qualität der selbstoptimierenden<br />
Steuerungsstrategie zu testen, wurde ein spezielles Werkzeug<br />
entwickelt. Dieses Werkzeug verfügt über eine zusätzliche<br />
Messvorrichtung und kann auf universellen Testmaschinen<br />
benutzt werden. Beim Test der selbstoptimierenden Steuerungsstrategien<br />
unter realen Produktionsbedingungen konnte<br />
der hier interessierende Prozessparameter, das Öffnungsmaß<br />
des Biegeprodukts, vollständig innerhalb der Toleranzen<br />
gehalten werden, so dass eine Ausschussrate von 0 % erreicht<br />
wurde [8].<br />
co<br />
Literatur<br />
[1] Kratz, S.: Position-Oriented Vibration Monitoring of Finish<br />
Milling Thin-Walled Components; Dissertation, RWTH Aachen,<br />
Aprimus-Verlag, Aachen, ISBN-13:<br />
978-3-86359-015-4, 2011.<br />
[2] Pazienza, G.E.; Ponce-García, X.; Balsi, M. et al.: Robot vision<br />
with cellular neural networks: A practical implementation<br />
of new algorithms; Int. J. Circ. Theor. Appl. No. 35, pp.<br />
449-462, 2007.<br />
[3] Alba, L.; Domínguez Castro, R.; Jiménez-Garrido, F. et al.:<br />
New Visual Sensors and Processors; In: P. Arena, L. Patanè:<br />
Spatial Temporal Patterns; Springer, Berlin Heidelberg, pp.<br />
351-369, 2009.<br />
[4] Abt, F.; Heider, A.; Weber, R. et al.: Camera Based Closed Loop<br />
Control for Partial Penetration Welding of Overlap Joints;<br />
Physics Procedia, No. 12, pp. 730-738, 2011.<br />
[5] National Instruments: Technologieausblick 2013 - Datenerfassung:<br />
Maßgebliche Trends bei Hard- und Softwaretechnologien<br />
und ihr Einfluss auf die Datenerfassung;<br />
München, 2013.<br />
[6] Klocke, F.; Veselovac, D.; Keitzel, G.: Cloudbasierte Informationssysteme;<br />
wt-online, Ausgabe 2, SONDERHEFT IN-<br />
DUSTRIE 4.0, S. 090-095, 2013.<br />
[7] Morgan, J.; Eisenblätter, G.; Trostel, J.; O’Donnell, G.E.: Machine<br />
tool process monitoring and machine condition monitoring<br />
– examining data acquisition gateways for process<br />
adaption; Proceedings of the 29th International Manufacturing<br />
Conference, University of Ulster, Belfast, Northern<br />
Ireland, ISBN-13:978-1-85923-253-8, 20122.<br />
[8] Damerow, U.; Borzykh, M.; Homberg, W.; Trächtler, A.: A selfcorrecting<br />
approach for the bending of metal parts; Key <strong>Engineering</strong><br />
Materials (KEM), Vols. 504-506, pp 907-912,<br />
2012.<br />
Bild 8: Selbstoptimierung<br />
am Beispiel eines<br />
Biegeprozesses<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 41
Bilder: Mesago (1) / doering avmedia/develop 3 (6)<br />
25 Jahre SPS IPC Drives: Round-Table-Gespräch zur Zukunft der Automatisierung<br />
Das physikalische Verständnis<br />
bleibt elementar<br />
Anlässlich des 25. Geburtstags der Messe SPS IPC Drives äußerten sich im Round-<br />
Table-Gespräch der develop 3 Vertreter von Ausstellerbeirat, Kongresskomitee, Mesago<br />
Messe Frankfurt, VDMA und ZVEI zu aktuellen Themen rund um die Automatisierung.<br />
Ausgehend von Anforderungen der Industrie 4.0 ging es dabei auch um die<br />
Frage, wie Ingenieure zukünftig am besten ausgebildet werden können.<br />
ERGÄNZENDES<br />
Automatisierer lesen eine noch umfangreichere<br />
Wiedergabe dieses Gesprächs mit<br />
Fragen zur Zukunft der Automatisierungspyramide<br />
und SPS in der Ausgabe 11/2014<br />
der elektro AUTOMATION auf S. 24.<br />
42 develop 3 systems engineering 01–2014
<strong>Engineering</strong> Trends<br />
Die Automatisierung bleibt ein Treiber<br />
technischer Weiterentwicklung; sie<br />
ist eine Enabler-Technologie für mehr<br />
Energieeffizienz, Qualität und Produktivität<br />
develop 3 : Im Rahmen von Industrie-4.0-Konzepten spielen Sensoren<br />
als ‚Augen und Ohren‘ einer Fabrik eine große Rolle. Sie werden<br />
deutlich mehr Informationen liefern als heute – Stichwort<br />
Big Data. An welcher Stelle steht die Sensorik hier heute und was<br />
muss folgen?<br />
Adolphs (Ausstellerbeirat): In den letzten 25 Jahren hat die<br />
Sensorik sich bereits extrem weiterentwickelt; insbesondere<br />
dadurch, dass leistungsfähigere Controller-Bausteine ‚bezahlbar‘<br />
wurden. Ganz entscheidend wird nun sein, dass die Sensoren<br />
dann auch hochwertige Informationen in ein System<br />
einspeisen! Betrachtet man traditionelle Anlagen, werden<br />
häufig nur Schaltsignale abgefragt – die in einem Messgerät<br />
vorliegenden, wirklich hochwertigen Informationen werden<br />
im Rahmen der Automatisierung oft gar nicht verwendet. Einer<br />
der Gründe dafür ist sicherlich, dass es teilweise sehr aufwändig<br />
ist, diese Information an die richtige Stelle zu transportieren<br />
– aus Sicht der Sensorhersteller setzen wir hier unsere<br />
Hoffnungen auf Industrie 4.0. Denn damit sollte es leichter<br />
möglich sein, hochwertige analoge und vielleicht auch mit<br />
mehr Parametern versehene Messwerte an die richtige Stelle<br />
zu liefern.<br />
Huber (ZVEI): Die Sensorik wird sich in diesem Sinne auch klar<br />
in Richtung der Analytik entwickeln. Heute messen wir Umgebungsbedingungen<br />
wie etwa Temperatur oder Druck, weil wir<br />
die eigentliche Messgröße nicht erfassen können. Das wird<br />
uns aber mit Fortschritten in der Analysetechnik gelingen –<br />
was zu einer deutlich reduzierten, gleichzeitig aber hochwertigeren<br />
Instrumentierung führen wird.<br />
develop 3 : Dennoch wird die Menge der Daten zunehmen...<br />
Bürger (VDMA): ...weswegen das Schlüsselwort ‚Information‘<br />
heißt! Wir müssen die Frage beantworten, wie sich aus der<br />
Menge an Daten für den Anwender nutzbare Informationen<br />
gewinnen lassen. Hier werden völlig neue, mathematische<br />
Methoden notwendig sein, um aus der Masse an Daten eben<br />
genau diese relevanten Informationen zu generieren.<br />
Frey (Kongresskomitee): Um diese zu generieren, benötigt<br />
man zudem Know-how – es wird nicht genügen, rein auf datenbasierte<br />
Methoden zu setzen. Erst mit Wissen und entsprechenden<br />
Modellen lassen sich die vorliegenden Daten interpretieren<br />
– und speziell hier können wir noch sehr viel besser<br />
werden. Ein kritischer Punkt ergibt sich übrigens mit Blick auf<br />
das Thema Security: Was ist etwa mit Daten, die man zur Laufzeit<br />
von Produkten erhebt? Dürfen wir diese beziehungsweise<br />
sollten wir sie überhaupt nutzen?<br />
Huber (ZVEI): Die Frage, wie sich aus Daten Informationen gewinnen<br />
lassen, beeinflusst zudem stark das Ingenieurwesen.<br />
Während man in der Automatisierungstechnik noch klassisch<br />
nach V-Modell entwickelt, arbeiten die Software-Spezialisten<br />
bereits mit der Agilen Software-Entwicklung. Geht es nun um<br />
Themen wie Big Data, ist aus meiner Sicht auch ein Wandel in<br />
der Lehre erforderlich – sowohl Ingenieure als auch Informatiker<br />
betreffend. Nur so lassen sich zukünftig Aufgaben der Automatisierung<br />
lösen.<br />
Frey (Kongresskomitee): Dazu eine Bemerkung: Natürlich sollte<br />
ein Automatisierungstechniker, der klassischerweise ein Ingenieur<br />
ist – entweder des Maschinenbaus oder der Elektrotechnik<br />
– heute verstärkt über Informatikkenntnisse verfügen;<br />
es gibt bereits Studiengänge, die aus der Informatik heraus<br />
diesen Bereich bedienen. Nach wie vor sollte ein solcher Ingenieur<br />
aber immer noch physikalische Kenntnisse besitzen, um<br />
die zu behandelnden Prozesse zu verstehen – hier landet man<br />
wieder beim Thema Modelle. Ansonsten besteht eine gewisse<br />
Gefahr darin, dass man aufgrund der großen und einfachen<br />
Verfügbarkeit von Daten auf rein datenbasierte Modelle setzt,<br />
rein statistische Modelle – ohne das tiefere Prozessverständnis<br />
zu besitzen. Möglicherweise bin ich da etwas altmodisch, aber<br />
dies halte ich für den falschen Weg. Ein Ingenieur, der eine Anlage<br />
plant und betreibt, sollte die darin ablaufenden Prozesse<br />
verstehen und nicht rein auf Basis von Black-box-Datenmodellen<br />
arbeiten.<br />
develop 3 : Das fordert dann auch eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit<br />
– wie etwa die von Spezialisten der IT und Automatisierung.<br />
Müssen wir hier weitere Anstrengungen unternehmen?<br />
Huber (ZVEI): Ich denke, dass dies vor allem ein Zeitproblem ist.<br />
Heute sind Automatisierung und IT noch unterschiedliche<br />
Disziplinen, die müssen erst zusammenkommen – das haben<br />
VIDEO-TIPP<br />
Zusammenfassungen zu einzelnen Fragestellungen<br />
finden Sie als Video unter:<br />
www.wirautomatisierer.de/ethernet<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 43
Trends <strong>Engineering</strong><br />
wir bei der Industrie-4.0-Spezifikation gelernt. Das wird noch<br />
ein paar Jahre dauern. Sicher ist aber, dass wir uns gegenseitig<br />
verstehen müssen.<br />
DIE TEILNEHMER<br />
„Ich denke, wir<br />
lernen gerade,<br />
miteinander umzugehen<br />
– gewisse<br />
Eigenheiten<br />
werden die Disziplinen<br />
aber behalten.“<br />
Dr.-Ing. Peter Adolphs, Vorsitzender des<br />
Ausstellerbeirats der SPS IPC Drives und<br />
CTO von Pepperl+Fuchs<br />
„Ziel muss sein, das Verständnis<br />
zwischen den Disziplinen,<br />
das im Moment<br />
doch eher erst in den Abteilungen<br />
der Unternehmen<br />
im Laufe von Projekten<br />
zustande kommt,<br />
schon während des Studiums<br />
zu lehren.“<br />
Prof. Dr.-Ing. Georg Frey, Komiteevorsitzender<br />
des SPS-IPC-Drives-Kongresses für<br />
den Thementeil Automation und Inhaber<br />
des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik<br />
der Universität des Saarlandes<br />
Dr.-Ing. Peter Adolphs, Chief Technology<br />
Officer der Pepperl+Fuchs GmbH, Mannheim;<br />
zugleich Vorsitzender des Ausstellerbeirats<br />
der SPS IPC Drives<br />
Dr.-Ing. Thomas Bürger, Leiter Entwicklungsbereich<br />
Automationssysteme bei der<br />
Bosch Rexroth AG, Lohr/Main; zugleich im<br />
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau<br />
e.V. (VDMA), Frankfurt/Main, Stellvertretender<br />
Vorsitzender des Vorstands des<br />
Fachverbandes Elektrische Automation<br />
Prof. Dr.-Ing. Georg Frey, vom Lehrstuhl für<br />
Automatisierungstechnik der Universität<br />
des Saarlandes; zugleich Komiteevorsitzender<br />
des SPS-IPC-Drives-Kongresses für den<br />
Thementeil Automation<br />
Daniel Huber, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
und Leiter der Division Prozessautomation<br />
der ABB Automation GmbH,<br />
Mannheim; zugleich im ZVEI – Zentralverband<br />
Elektrotechnik- und Elektronikindustrie<br />
e.V., Frankfurt/Main, Vorstand des Fachverbands<br />
Automation und des Fachbereichs<br />
Messtechnik und Prozessautomatisierung<br />
sowie Mitglied des ‚ZVEI-Führungskreises<br />
Industrie 4.0‘<br />
Johann Thoma, Vorsitzender der Geschäfts -<br />
führung der Mesago Messe Frankfurt<br />
GmbH, Stuttgart<br />
Bürger (VDMA): Der Maschinenbau kommt ja auch zunehmend<br />
mit IT-Themen in Berührung. Genannt wurden bereits<br />
agile Entwicklungsmethoden, Security oder Big Data. Aktuell<br />
wird die Verbindung unter dem Dach der Unternehmen geschlossen,<br />
die Produkte entwickeln. Ich bin aber sehr zuversichtlich,<br />
dass in der Lehre nach und nach ein Umdenken erfolgen<br />
wird und auch die Ausbildung in diese Richtung gehen<br />
wird. Seitens des VDMA gibt es zudem Bestrebungen, verschiedene<br />
Fachverbände zusammenzubringen. Aktuell identifiziert<br />
beispielsweise der Fachverband Elektrische Automation<br />
zusammen mit den Kollegen aus dem Fachverband Software<br />
Themen, um die Zusammenarbeit in Arbeitskreisen zu<br />
fördern. Beispiele sind wiederum Themen wie Security oder<br />
auch App-Anwendungen für die Maschinenbedienung.<br />
Adolphs (Ausstellerbeirat): Wenn man heute in Entwicklungsabteilungen<br />
blickt, arbeiten dort Physiker, Ingenieure und Informatiker<br />
gemeinsam an Projekten. Dass natürlich der ‚Wortschatz‘<br />
dieser drei Gruppen nach wie vor nicht ganz deckungsgleich<br />
ist, liegt in der Natur der Sache – das macht es aber auch<br />
spannend und interessant. Ich denke, wir lernen gerade, miteinander<br />
umzugehen – gewisse Eigenheiten werden die Disziplinen<br />
aber behalten. Der eine denkt mehr in Datenmodellen,<br />
der andere ist näher an der Physik – das zusammenzubringen,<br />
bringt den Mehrwert.<br />
Frey (Kongresskomitee): Exakt, Ziel kann sicher nicht sein, jemanden<br />
auszubilden, der ‚alles‘ kann – das würde dann ein<br />
Generalist, der zwar alles aber nichts richtig kann. Ziel muss<br />
sein, dieses Verständnis, das im Moment doch eher erst in den<br />
Abteilungen der Unternehmen im Laufe des Projekts zustande<br />
kommt, schon während des Studiums zu lehren.<br />
44 develop 3 systems engineering 01–2014
<strong>Engineering</strong> Trends<br />
„Der Maschinenbau<br />
kommt<br />
zunehmend mit<br />
IT-Themen in Berührung.<br />
Aktuell<br />
wird die Verbindung<br />
unter dem<br />
Dach der Unternehmen<br />
geschlossen, die Produkte entwickeln – künftig<br />
sollte das aber auch in der Lehre berücksichtigt werden.“<br />
Dr.-Ing. Thomas Bürger, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands<br />
des Fachverbandes Elektrische Automation im VDMA und Leiter Entwicklungsbereich<br />
Automationssysteme bei Bosch Rexroth<br />
„Geht es um Themen wie Big Data, ist aus<br />
meiner Sicht auch ein Wandel in der Lehre erforderlich<br />
– sowohl Ingenieure als auch Informatiker<br />
betreffend. Nur so lassen sich zukünftig<br />
Aufgaben der Automatisierung lösen.“<br />
Daniel Huber, unter anderem Vorstand des Fachverbands Automation<br />
im ZVEI und Vorsitzender der Geschäftsführung und Leiter der Division<br />
Prozessautomation von ABB Automation<br />
„Die Messe muss sich natürlich den<br />
Anforderungen anpassen. Beispiele der<br />
jüngeren Vergangenheit sind etwa<br />
das Zusammenwachsen von Prozessund<br />
Fabrikautomatisierung, die Bildverarbeitung<br />
oder eben die IT und die<br />
Rolle innerhalb der Automatisierung.“<br />
Johann Thoma, Vorsitzender der Geschäftsführung,<br />
Mesago Messe Frankfurt<br />
develop 3 : An dieser Stelle kann ja auch eine Messe einiges bewirken.<br />
Welche Rolle kann hier die SPS IPC Drives künftig spielen?<br />
Thoma (Mesago Messe Frankfurt): Die SPS IPC Drives konnte<br />
sicherlich schon in den zurückliegenden Jahren zur erfolgreichen<br />
Entwicklung der Automatisierung beitragen; hier trifft<br />
sich der Markt seit 25 Jahren und oft vibriert die Luft regelrecht.<br />
Unser Ziel und Anspruch ist es deshalb auch, Anbieter, Anwender,<br />
Wissenschaftler sowie Verbände wie VDMA und ZVEI zusammenzubringen<br />
– im Sinne eines Ideenfestivals. Dabei<br />
bleibt die Automatisierung immer ein Treiber technischer<br />
Weiterentwicklung; sie ist eine Enabler-, eine Schlüssel-<br />
Technologie für mehr Energieeffizienz, Qualität und Produktivität.<br />
Und ihre Einsatzgebiete sind unzählig, die fortschreitende<br />
Digitalisierung wird hier noch mehr Möglichkeiten<br />
eröffnen.<br />
develop 3 : Muss sich die Messe denn auch neuen Themen – etwa<br />
rund um Security – öffnen?<br />
Thoma (Mesago Messe Frankfurt): Die SPS IPC Drives konzentriert<br />
sich natürlich auf die elektrische Automatisierung,<br />
das ist ihr Profil. Angesichts der vielen Facetten von Automatisierung,<br />
die wir hier bereits angesprochen haben, darf<br />
das aber kein starrer Rahmen sein; die Veranstaltung muss<br />
sich natürlich den Anforderungen anpassen. Beispiele der<br />
jüngeren Vergangenheit sind etwa das Zusammenwachsen<br />
von Prozess- und Fabrikautomatisierung, die Bildverarbeitung<br />
oder eben die IT und die Rolle innerhalb der Automatisierung.<br />
Solange das alles in einem Zusammenspiel gezeigt<br />
werden kann, ist es hilfreich für den Anwender und damit<br />
den Fachbesucher.<br />
Huber (ZVEI): Messen unterliegen an dieser Stelle ja auch einem<br />
Wandel. Typischerweise liefert heute das Internet die<br />
klassischen Informationen rund um Produkte und Lösungen,<br />
nicht mehr eine Messe. Die Besucher einer Messe wollen<br />
heute Fragestellungen diskutieren, was für die Aussteller anspruchsvoller<br />
aber auch interessant ist. Messen entwickeln<br />
sich also weg von der Informationsbeschaffung hin zu einem<br />
Diskussionsforum, wo sich Aufgabenstellungen mit verschiedenen<br />
Herstellern diskutieren lassen.<br />
develop 3 : Das zeigt, wie wichtig es ist, das <strong>Engineering</strong> von Automatisierungslösungen<br />
im Blick zu behalten. An dieser Stelle Ihnen<br />
allen herzlichen Dank für die interessante Diskussion.<br />
www.mesago.de/sps<br />
Das Round-Table-<br />
Gespräch moderierte<br />
Michael Corban,<br />
Chefredakteur, develop 3<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 45
Trends Datendurchgängigkeit<br />
Bild: Continental<br />
Angelo Bindi vom MES D.A.CH Verband zu den Themen MES und PLM<br />
„MES-Lösungen<br />
sind die Schaltzentrale“<br />
Bei der Herstellung sicherheitsgerichteter<br />
Produkte –<br />
hier Bremsen auf dem Prüfstand<br />
bei Continental –<br />
müssen alle relevanten Herstelldaten<br />
erfasst und 15<br />
Jahre archiviert werden. Nur<br />
auf diese Weise ist es möglich,<br />
den Produktionsprozess<br />
im Nachhinein nachzuvollziehen<br />
und damit zu<br />
optimieren<br />
Industrie 4.0 werde überwertet, lenke aber die Wahrnehmung auf die Potenziale,<br />
die sich mit MES-Lösungen erschließen lassen, meint Angelo Bindi, Zweiter Vorstand<br />
des MES D.A.CH Verbands und Senior Manager Central Control and Informa -<br />
tion <strong>Systems</strong> bei der Division Chassis & Safety von Continental. MES seien die<br />
Datendrehscheibe für die Produktionsoptimierung und PLM sei viel wichtiger und<br />
umfangreicher als Industrie 4.0.<br />
46 develop 3 systems engineering 01–2014
DatendurchgängigkeitTrends<br />
develop 3 : Herr Bindi, werden MES-Lösungen zur Schaltzentrale<br />
in Industrie-4.0-Konzepten?<br />
Bindi: MES-Lösungen sind bereits jetzt die Schaltzentrale, mit<br />
der sich die Fertigung optimieren lässt und mit der Unternehmen<br />
Aufgaben der Teile-Rückverfolgung lösen können – letzteres<br />
ist vor allem bei der Herstellung sicherheitsgerichteter<br />
Produkte unerlässlich. Das derzeit ‚hippe‘ Thema Industrie 4.0<br />
betrachte ich deswegen aus einem anderen Blickwinkel: MESrelevante<br />
Daten fallen ja bereits mit Beginn der Produktentstehung<br />
an, unter anderem Fertigungsparameter wie Drehmomente<br />
und -winkel, die zu einer Rezeptur – einer Montageanleitung<br />
– führen. Hinzu kommen dann die Informationen aus<br />
der tatsächlichen Fertigung, die insbesondere bei der Optimierung<br />
von Produktionsanlagen vorliegen müssen. All diese Informationen<br />
lassen sich in einem MES-System abgreifen, über<br />
den kompletten Lebenszyklus eines Produktes hinweg – was<br />
wesentlich umfassender ist als der Zugriff auf rein produktspezifische<br />
Parameter in Industrie-4.0-Konzepten.<br />
der Fertigung parametrieren – was bislang ja noch maschinenbeziehungsweise<br />
steuerungsspezifisch erfolgen muss. Industrie<br />
4.0 will diese steuerungsspezifische Parametrierung ja nun drastisch<br />
vereinfachen, um bei der Wahl der Fertigungsmittel freie<br />
Hand zu haben...<br />
Bindi: ...und das haben wir schon. Hätten wir diese Möglichkeit<br />
nicht, könnten wir in Europa nicht wettbewerbsfähig fertigen.<br />
Wir können, nachdem wir auf der Anlage A das erste Drittel<br />
des Fertigungsprozesses durchlaufen haben, problemlos auf<br />
Anlage B und später C wechseln. Was wann zu tun ist, ist in der<br />
Rezeptur abgelegt.<br />
develop 3 : Sie sprechen damit das PLM oder Product Lifecycle Management<br />
an...<br />
Bindi: ...das in der Automobilindustrie und bei den Zulieferern<br />
schon sehr lange ein Thema ist, das sehr intensiv bearbeitet<br />
wird. PLM ist beispielsweise für Continental viel wichtiger und<br />
umfangreicher als das, was heute in Verbindung mit dem Thema<br />
Industrie 4.0 beschrieben wird.<br />
develop 3 : Das PLM bildet doch digital den Produkt-Lebenszyklus<br />
ab und soll in Industrie-4.0-Konzepten mit der Fertigungssteuerung<br />
vernetzt werden. Bildet also Industrie 4.0 nicht eine Klammer<br />
über ein fertigendes Unternehmen, die PLM und Fertigung<br />
beziehungsweise Automatisierung vereint?<br />
Bild: MES D.A.CH Verband<br />
„PLM ist beispielsweise<br />
für Continental viel<br />
wichtiger und umfangreicher<br />
als das, was heute in Verbindung mit dem<br />
Thema Industrie 4.0 beschrieben wird!“<br />
Angelo Bindi, Zweiter Vorstand MES D.A.CH Verband<br />
Bindi: Ich sehe das genau anders herum! Das PLM beschränkt<br />
sich nicht nur auf das Digitale, sondern es fokussiert den gesamten<br />
Lebenszyklus eines Artikels. Schwerpunktmäßig beschäftigt<br />
sich dagegen Industrie 4.0 mit der Frage, wie – bezogen<br />
auf die Fertigung – das Produkt weiß, was als nächstes an<br />
ihm getan werden muss. Bei uns ist dagegen das PLM schon<br />
mit der Fertigung verknüpft, bevor das Produkt selbst das erste<br />
Mal eine Fertigungslinie durchläuft. Digital haben wir vor<br />
diesem Zeitpunkt bereits festgelegt, wie und in welcher Reihenfolge<br />
es zu fertigen ist. Und die Datendrehscheibe für jedes<br />
produzierende Unternehmen ist dabei das Manufacturing<br />
Execution System. Aus der Zusammenführung von produktund<br />
fertigungsspezifischen Daten können wir auf diese Weise<br />
Potenziale hinsichtlich kürzerer Zykluszeiten und höherer<br />
Verfügbarkeit erkennen – bei Continental haben wir das für alle<br />
Produktionslinien weltweit auf einem Schirm.<br />
develop 3 : Dann lassen Sie mich noch einmal nachfragen: Sie verwalten<br />
mit dem MES die Rezepturen zur Herstellung Ihrer Produkte.<br />
Mit diesen Informationen lassen sich die Steuerungen in<br />
develop 3 : Was dann aber voraussetzt, dass Sie diese Prozesse vorgedacht<br />
haben – sprich die Steuerungsprogramme vorliegen. Industrie<br />
4.0 würde dann zusätzlich die Flexibilität bringen, dies<br />
nicht mehr vordenken zu müssen. Ist die Automobilindustrie<br />
denn schon viel weiter als andere fertigende Branchen?<br />
Bindi: Nein, denn gerade über den MES D.A.CH Verband haben<br />
wir ja einen guten Überblick in der MES-Welt. Vergleicht man<br />
die Systeme, so bieten diese die gleichen Funktionalitäten, die<br />
wir mit unserer Eigenentwicklung bei Continental nutzen –<br />
letztlich sind also die Anforderungen der Anwender die gleichen.<br />
Im Vordergrund steht immer eine effiziente, wettbewerbsfähige<br />
Fertigung – mit hoher Verfügbarkeit und kurzen<br />
Zykluszeiten. Gerade die Möglichkeiten der Maschinendatenerfassung<br />
eröffnen hier noch zahlreiche Potenziale.<br />
develop 3 : Herr Bindi, wir danken für das interessante Gespräch.<br />
www.mes-dach.de<br />
Das Interview führte<br />
Michael Corban,<br />
Chefredakteur develop 3<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 47
Experteninterview zum Schnittstellen-Management beim <strong>Engineering</strong><br />
Durchgängige<br />
Ressourcen-Nutzung<br />
Das Schnittstellen-Management bei Softwaretools, die von der Produktentstehung über die<br />
Konstruktion bis zur Fertigung zum Einsatz kommen, ist entscheidend für die Effizienz der industriellen<br />
Prozesse. Nur ein durchgängiger Informationsaustausch zwischen den beteiligten<br />
Instanzen ermöglicht eine wirtschaftliche Fertigung. Laut dem Verband Deutscher Maschinen-<br />
und Anlagenbau (VDMA) wünschen sich Maschinenhersteller standardisierte Datenschnittstellen<br />
zwischen ERP/PDM, M-CAD und E-CAD sowie E-CAD und SPS-Programmierung.<br />
Sie sehen dort Einsparpotenziale bis 10 %.<br />
48 develop 3 systems engineering 01–2014
Datenverwaltung Trends<br />
Kosten, die sich aber durch einen geringeren Abstimmungsaufwand<br />
in späteren Phasen des Produktentstehungsprozesses<br />
reduzieren. Mit E3.EDM für Elektro- und Fluid-<strong>Engineering</strong><br />
haben wir einen wichtigen Baustein vorgestellt.<br />
Eisenbeiss (Siemens): Im Maschinenbau ist diesbezüglich die<br />
gesamte Bandbreite an Lösungen anzutreffen: Es gibt bereits<br />
in hohem Maße durchgängige Workflows, die Mehrfach-Eingaben<br />
nahezu vermeiden. Es gibt aber auch noch den Papierausdruck,<br />
der an die Nachbardisziplin weitergereicht wird.<br />
Fürnschuß (B&R): Nach unserem Kenntnisstand verwenden<br />
85 % der Maschinen- und Anlagenbauer keine integrierten<br />
Schnittstellen zwischen M-CAD, E-CAD und SPS-Programmierung<br />
oder sie behelfen sich mit Tabellenexporten. Eine weitere<br />
Herausforderung sind die <strong>Engineering</strong>-Daten selbst, also die<br />
Bauteilebeschreibungen der einzelnen Anbieter. Eine effiziente<br />
Unterstützung des Arbeitsflusses über die Disziplinen hinweg<br />
ist erst dann gegeben, wenn neben integrierten Schnittstellen<br />
auch die Bauteilebeschreibungen für alle <strong>Engineering</strong>-<br />
Systeme gleichermaßen zur Verfügung stehen. Automation<br />
Studio 4 bietet eine Round-Trip-Kopplung zu Eplan Electric P8.<br />
develop 3 : In welchem Umfang werden heute – beispielsweise<br />
im Maschinen- und Anlagenbau – Schnittstellen zwischen ERP/<br />
PDM, der Mechanik- und Elektrokonstruktion sowie der Programmierung<br />
von Steuerungen und der Fertigung von Schaltschränken<br />
genutzt?<br />
Chidester (Zuken): Aus unserer Sicht gewinnt die Integration<br />
der Prozesse in den frühen Phasen der Produktentstehung rapide<br />
an Bedeutung. Der Grund liegt in der allgemein bekannten<br />
Verschiebung der Wertschöpfung von der Mechanik in<br />
Richtung Elektronik und Software. Stand heute gibt es eine<br />
ganze Reihe von Schnittstellen und Integrationsmöglichkeiten,<br />
aber nicht alle von ihnen werden in den Entwicklungsprozessen<br />
der Industrie bereits in dem wünschenswerten Ausmaß<br />
genutzt. Dies ist in besonderem Maße im Falle der Software-Entwicklung<br />
für programmierbare Steuerungen der Fall.<br />
Die Ursache für diesen Befund findet sich häufig in der Tatsache<br />
begründet, dass von Seiten des Managements dieser Unternehmen<br />
die Kommunikation zwischen den verschiedenen<br />
Abteilungen vielfach noch nicht aktiv forciert wird – denn sie<br />
bedeutet zunächst einen Zusatzaufwand und zusätzliche<br />
Bild: Aucotec<br />
Ott (Aucotec): So vielfältig wie die Systeme in den verschiedenen<br />
Bereichen sind, so vielfältig sind auch die angebotenen<br />
Schnittstellen. Das potenziert sich noch einmal durch die z. T.<br />
sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen und die daraus resultierenden<br />
Kunden-Anforderungen. Generell verzeichnen wir<br />
über die letzten Jahre eine deutliche Zunahme an Projekten, in<br />
denen eine Integration mit ERP, PDM und M-CAD nicht nur angefragt,<br />
sondern auch umgesetzt wird. Dabei sehen wir die<br />
Entwicklung sehr positiv, dass zunehmend auch kleine und<br />
mittelständische Unternehmen auf Integration der Disziplinen<br />
setzen. Bei SPS- und Fertigungsunterstützung sind die Anforderungen<br />
dagegen wesentlich homogener und die Systeme<br />
weniger kundenspezifisch, so kann eine Integration häufig<br />
recht einfach mit Bordmitteln umgesetzt werden.<br />
Dr. Papenfort (Beckhoff): Bisher fehlen standardisierte<br />
Schnittstellen. Effektives <strong>Engineering</strong> funktioniert nur, wenn<br />
man sich Daten in einem gemeinsamen Datenpool teilen<br />
kann. Dazu muss das Format natürlich festgelegt werden. Und<br />
es muss unabhängig von den eingesetzten Tools sein. ERP-Systeme<br />
müssen Aufträge einstellen können. Mechanik- und<br />
Elektrokonstruktion sowie die Softwarekonstruktion müssen<br />
aus diesen Daten die Maschine oder Anlage konstruieren können.<br />
Die Daten müssen zwischen allen beteiligten Programmen<br />
hin und her fließen können. Nur so ist paralleles <strong>Engineering</strong><br />
möglich.<br />
develop 3 : Wo sehen Sie<br />
weiteres Potenzial für<br />
Effizienzsteigerungen und<br />
welche weiteren Voraussetzungen<br />
müssen auf<br />
Seiten der Softwarean -<br />
bieter sowie der Anwender<br />
in den Unternehmen erfüllt<br />
werden?<br />
INFO-TIPP<br />
Mit der Thematik beschäftigt<br />
sich auch der VDMA:<br />
http://t1p.de/57gh<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 49
Trends Datenverwaltung<br />
Chidester (Zuken): Um die Prozessintegration<br />
vorantreiben zu können,<br />
erweist sich das auf den ersten Blick<br />
naheliegende Vorhaben, mit einem<br />
PLM-System die Steuerung aller Daten<br />
und Abläufe zusätzlich zur Mechanik<br />
über alle Disziplinen hinweg<br />
auch für Elektrotechnik, Fluid und<br />
Elektronik abzudecken, in der Praxis<br />
als aufwändig. Grund sind die spezialisierten<br />
Daten- und Ablaufmodellen<br />
der verschiedenen Entwicklungs-Disziplinen:<br />
Das Datenmodell,<br />
das für die Konstruktion ei-<br />
Steve Chidester, Leiter Internationales<br />
Marketing bei Zuken in München<br />
nes mechanischen Bauteils benötigt<br />
wird, unterscheidet sich grundlegend<br />
von den Datenmodellen der<br />
Elektrotechnik, der Elektronik und der Software-Entwicklung.<br />
Es sind also Lösungen erforderlich, mit denen sich die Datenmodelle<br />
der Elektrokonstruktion in vollem Umfang verwalten<br />
lassen, die andererseits aber von vornherein für eine Integration<br />
mit der etablierten PLM-Welt offen und vorbereitet ist.<br />
Bild: Zulken<br />
wird nicht selten auch die effizientere Alternative sein. Das<br />
Fehlerpotenzial sinkt und Entwicklungszeiten verkürzen sich.<br />
Auch in der oftmals unter hohem Zeitdruck stehenden Inbetriebnahme<br />
ergeben sich Vorteile. So können mit guten Interfaces<br />
Daten, die möglicherweise vor Ort oder offline verändert<br />
wurden, beim nächsten Ankoppeln an die heimische Infrastruktur<br />
in alle <strong>Engineering</strong>-Systeme rückgeführt werden.<br />
Ott (Aucotec): In den einzelnen Abteilungen wurde in den vergangenen<br />
Jahren viel investiert, um dort die Effizienz zu steigern.<br />
Die Potenziale sind hier so gut wie ausgeschöpft. Wichtiger<br />
als der Erfolg der Einzel-Disziplinen ist aber der des Unter-<br />
Eisenbeiss (Siemens): Optimierungspotenziale liegen in den<br />
Austauschformaten. Um hier besser zu werden, liegt noch Arbeit<br />
in den Standardisierungsgremien, in denen auch wir uns<br />
engagieren. Zudem investieren wir in offene Schnittstellen, die<br />
eine einfache Nutzbarkeit zwischen Werkzeugen erlauben.<br />
Heinz Fürnschuß,<br />
Technical Manager<br />
Automation Software<br />
bei B&R in<br />
Eggelsberg<br />
Bild: B&R<br />
Fürnschuß (B&R): Eine wesentliche Effizienzsteigerung liegt<br />
klar auf der Hand: Durch Schnittstellen, die einen durchgängigen<br />
Datenaustausch ermöglichen, entfallen viele Doppeleingaben<br />
ebenso wie manuelle Tätigkeiten. Durch bidirektionale<br />
Schnittstellen kann die Arbeit der unterschiedlichen Disziplinen<br />
parallel vorangetrieben werden. Heute wird in aller Regel<br />
noch zuerst die Mechanik, dann die Elektrokonstruktion und<br />
nehmens insgesamt. Für eine unternehmensweite Effizienz-<br />
Steigerung müssen die Prozesse zunehmend interdisziplinär<br />
angegangen werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen<br />
den Disziplinen kann die Software zwar unterstützen, ausschlaggebend<br />
ist aber der Mensch. Ohne beispielsweise einen<br />
einheitlichen Sprachgebrauch sind Missverständnisse vorprogrammiert.<br />
Die Mauern müssen fallen.<br />
Dr. Papenfort (Beckhoff): Softwareanbieter müssen sicherlich<br />
noch zu definierende Standards für den Datenaustausch unterstützen.<br />
Die Anwender müssen sich auf mehr Arbeit im<br />
Team und Einhalten von vorher definierten Schnittstellen einstellen.<br />
Flexibilität und Offenheit sind gefragt.<br />
Bild: Siemens<br />
Heinz Eisenbeiss,<br />
Leiter Simatic-<br />
Marketing in der<br />
Siemens-Division<br />
Industry Automation<br />
in Nürnberg<br />
am Ende – oft unter enormem Zeitdruck – die Software entwickelt.<br />
Die Möglichkeit, umgekehrt vorzugehen und eine von<br />
der Software vorgegebene Konfiguration zur Weiterbearbeitung<br />
an die Elektrokonstruktion zu übergeben, ist durch eine<br />
bidirektionale Schnittstelle, wie sie zwischen Automation Studio<br />
4 und Eplan Electric P8 besteht, ebenfalls gegeben und<br />
develop 3 : Der Datenaustausch zwischen CAE und SPS-Programmierung<br />
gilt noch immer als eine zentrale Anforderung im <strong>Engineering</strong>-Prozess?<br />
Chidester (Zuken): Der erforderliche Datenaustausch ist an<br />
sich eine recht einfache Aufgabe und bei Zuken haben wir zusammen<br />
mit unseren Kunden eine ganze Reihe von Schnittstellen<br />
für diesen Zweck entwickelt und kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
Insgesamt hilft uns das Feedback unserer Kunden<br />
dabei, zu verstehen, welche Daten ausgetauscht werden müssen,<br />
mit welcher Frequenz und mit welcher Informationstiefe.<br />
Eisenbeiss (Siemens): Kernanforderung an die Schnittstelle<br />
zwischen CAE und SPS-Programmierung, zum Beispiel zwischen<br />
Eplan und Siemens-Steuerungen, ist der Austausch von<br />
50 develop 3 systems engineering 01–2014
Datenverwaltung Trends<br />
Signallisten sowie der Hardwarekonfiguration. Deshalb wurden<br />
Schnittstellen geschaffen, die im Anlagen- und Maschinenbau<br />
längst etabliert ein hohes Maß an Effizienz bringen.<br />
Fürnschuß (B&R): Die Offenheit unseres <strong>Systems</strong> ermöglicht<br />
es, MCAD und ECAD in unsere Entwicklungswelt zu integrieren.<br />
Eine bidirektionale Schnittstelle zwischen der Entwicklungsumgebung<br />
Automation Studio und Electric P8 bietet<br />
Hard- und Softwareentwicklern eine gemeinsame Datenbasis.<br />
Sie kommen dadurch schneller und sicherer zu optimalen<br />
Ergebnissen. Außerdem erschließen wir den MCAD-Bereich<br />
bequem über eine Simulationsschnittstelle. Dabei gehen<br />
wir selektiv vor und verwenden ausschließlich die Informationen,<br />
die für beide Disziplinen gleichermaßen relevant<br />
sind. Erfahrungsgemäß ist das sinnvoller als komplette Files zu<br />
laden. Für die Simulation nutzen wir verschiedene Tools.<br />
Ott (Aucotec): Auch wenn die Software-Anbieter spezifische<br />
Schnittstellen anbieten, sind die generischen Schnittstellen<br />
über XLS- und CSV-Formate noch immer im Vormarsch. Dies<br />
liegt einerseits daran, dass der zusätzliche Nutzen einer systemspezifischen<br />
Schnittstelle die notwendige Investition aus<br />
Sicht der Kunden nur selten rechtfertigt und andererseits die<br />
spezifische Schnittstelle weniger flexibel ist. Mancher Kunde<br />
bräuchte für jedes eingesetzte SPS-Programmiersystem eine<br />
passende Schnittstelle. Unabhängig von der Art der Schnittstelle<br />
kommt es auf ihre Einfachheit und den Komfort in der<br />
Handhabung an und darauf, ob die Daten bidirektional übertragen<br />
werden können und sich Änderungen sinnvoll verwalten<br />
lassen. Das Format ist eher zweitrangig.<br />
Dr. Papenfort (Beckhoff): Schon heute werden Daten aus der<br />
mechanischen und elektrotechnischen Konstruktion an die<br />
SPS-Programmierung weitergegeben. Allerdings erfolgt das<br />
häufig auf Zuruf und nicht in elektronischer Form. Hier ist eine<br />
bessere Abstimmung und eine Nachverfolgbarkeit unbedingt<br />
nötig.<br />
develop 3 : Haben sich bereits Standards herauskristallisiert,<br />
welche Schnittstellen werden zukünftig generell entlang der ge-<br />
Bild: Beckhoff<br />
Dr. Josef Papenfort, Produkt -<br />
manager Twincat bei Beckhoff<br />
Automation in Verl<br />
samten Prozesskette beginnend bei der Produktentwicklung<br />
an Bedeutung gewinnen?<br />
Chidester (Zuken): Am effizientesten ist kurzfristig<br />
sicher ein direkter Austausch der Daten zwischen<br />
den verschiedenen Werkzeugen. Das ist<br />
schnell, genau und wenig fehleranfällig. Leider<br />
sehen wir derzeit noch keinen akzeptierten Standard.<br />
Der VDMA hat damit begonnen, einen solchen<br />
Standard definieren. Zuken wird einen solchen<br />
Standard zweifellos unterstützen. Grundsätzlich<br />
sind sich alle Beteiligten einig, dass das<br />
Ziel ein etablierter Standard sein sollte, aber eine<br />
allgemeingültige Definition ist eine schwierige<br />
Aufgabe. Ein „leichter“ Standard ist auf alle Fälle<br />
schneller zu etablieren, auf lange Sicht bleibt<br />
dann aber das Problem der gesamtheitlichen Darstellung der<br />
verschiedenen Anforderungen der Industrie. In der Praxis haben<br />
wir es meist mit partiellen Implementierungen zu tun, die<br />
durch Individualschnittstellen ergänzt werden. Doch damit ist<br />
bereits der erste Schritt zu ihrer Verwässerung getan.<br />
Eisenbeiss (Siemens): Es gibt diverse, meist XML-basierte Formate.<br />
Ein wirklicher Standard hat sich aber bis heute nicht<br />
etabliert. Das Bestreben, diese Lücke zu schließen, ist jedoch<br />
aktuell breit vorhanden. Wir stellen die Durchgängigkeit unserer<br />
Softwarelandschaft sicher, arbeiten im VDMA am Datenaustausch<br />
zwischen MCAD/ECAD/ACAD und setzen uns für<br />
Standardisierung und Normung von Formaten ein.<br />
Fürnschuß (B&R): Teilweise haben sich durch simple Marktgegebenheiten<br />
Quasistandards entwickelt, auf die sich einzelne<br />
Hersteller einschwingen. Eine Initiative wie die zum VDMA-<br />
Einheitsblatt 66415 „<strong>Engineering</strong> Datenaustausch Mechanik-<br />
Elektrik-Software“ ist in jedem Fall zu unterstützen. Es gehört<br />
zur Kernkompetenz von B&R, unsere Hardware fürs <strong>Engineering</strong><br />
verfügbar zu machen und die Software entsprechend der<br />
Hardware zu programmieren. Im Bereich der Hardware-Konfiguration<br />
unterstützen wir unsere Kunden mit Lösungen, die<br />
die Entwicklungsqualität und -zeit deutlich optimieren.<br />
Ott (Aucotec): Standards sind leider noch nicht weit verbreitet.<br />
Entlang der Prozesskette finden wir z. B. eCl@ss, AutomationML,<br />
VDMA 66415 und IEC 6242. Alle bieten gute Voraussetzungen,<br />
sich in naher Zukunft zu etablieren. Da sie jedoch<br />
von zu wenigen Systemen unterstützt werden, ist die Nachfrage<br />
bisher gering - das typische Henne-Ei-Problem. Wichtig für<br />
eine Standard-Schnittstelle ist letztendlich ihre Verbreitung.<br />
Bisher ist keine groß genug. Im Kundenfokus steht zuerst, dass<br />
die Schnittstelle den eigenen Prozess unterstützt und das Kosten-Nutzen<br />
Verhältnis stimmt. Ob dies mit einer Standardoder<br />
proprietären Schnittstelle erreicht wird, ist weniger wichtig.<br />
Als Systemanbieter käme uns ein Standard entgegen. Das<br />
hieße für uns effizientere Ressourcen-Nutzung in Entwicklung,<br />
Qualitätssicherung und Dokumentation.<br />
www.aucotec.com, www.beckhoff.de<br />
www.br-automation.com,<br />
www.automation.siemens.com, www.zuken.com<br />
Bild: Aucotec<br />
Norbert Ott,<br />
Produktmanager<br />
<strong>Engineering</strong> Base<br />
bei Aucotec<br />
in Hannover<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 51
Praxis Automatisierung<br />
Produktkomplexität beherrschen: Software so modular wie die Maschine erstellen<br />
Parallel ein<br />
gemeinsames Ziel verfolgen<br />
Mit Automation Studio 4 stellt B&R Maschinenbauern ein zentrales Werkzeug zur<br />
Verfügung, mit dem sich qualitativ hochwertige Software auch bei zunehmender<br />
Produktkomplexität schneller und kostengünstiger programmieren lässt. Es bietet<br />
die Möglichkeit, Entwicklungsaufgaben aufzuteilen und auf diese Weise zu parallelisieren.<br />
Gleichzeitig werden aber trennende Mauern zwischen den einzelnen Disziplinen<br />
der Softwareentwicklung abgebaut.<br />
Kunden verlangen heute von Maschinen- und Anlagenbauern<br />
individuell zugeschnittene flexible Maschinen mit der Fähigkeit<br />
zur Integration in Gesamtanlagen – zum Preis und mit der<br />
Stabilität eines Großserienproduktes, kurzfristig verfügbar, ohne<br />
lange Inbetriebnahmezeiten und selbstverständlich allen<br />
Normen und Dokumentationsvorschriften entsprechend.<br />
Nicht zuletzt möchten die Nutzer später auch noch durch<br />
Nach- oder Umrüstung und durch eigene Eingriffe in die Software<br />
auf veränderte Bedarfe reagieren können. Zwangsläufig<br />
steigt damit die Komplexität der Maschinen und Anlagen<br />
enorm an.<br />
Zur Bewältigung dieser steigenden Produktkomplexität – in<br />
überschaubarer Zeit und zu tragbaren Kosten – bedienen sich<br />
die Konstrukteure des Maschinenbaus der Mittel der Standardisierung<br />
und Modularisierung. Sie schaffen Normteile und<br />
Einheitsbaugruppen für einzelne Funktionen, die mittels<br />
PRODUKTENTWICKLUNG FRÜHER UND ZUKÜNFTIG<br />
Dem klassisch sequentiellen Arbeiten in der Produktentwicklung – erst kommt die Mechanik, dann die Elektrik und<br />
schlussendlich die Software – stellt B&R mit Automation Studio bezüglich der Softwareentwicklung eine Alternative<br />
entgegen. Der Lohn dafür: Entwicklungsschritte lassen sich parallel im Team abarbeiten, was die Time-to-Market<br />
deutlich verkürzt<br />
52 develop 3 systems engineering 01–2014
Automatisierung Praxis<br />
„Die Möglichkeit, in Automation Studio 4 die<br />
Software für komplexe Maschinen und An -<br />
lagen aus unabhängig voneinander entwickelten<br />
Applikationsmodulen<br />
zusammenzustellen, ist eine<br />
aktive Unterstützung<br />
der Maschinenentwickler<br />
bei der Bewältigung der<br />
steigenden Komplexität.“<br />
Dr. Hans Egermeier, Business Manager<br />
Automation Software bei B&R<br />
Bilder: B&R<br />
wohldefinierter Anschlüsse baukastenartig in unterschied -<br />
lichen Kombinationen zu verschiedenen Gesamtmaschinen<br />
oder -anlagen zusammengestellt werden können. In vielen<br />
dieser Konstruktionsbüros gibt es darüber hinaus eine Arbeitsteilung,<br />
in denen Spezialisten verschiedene Unterbereiche bearbeiten<br />
– ohne dabei den Blick auf die Gesamtmaschine zu<br />
verlieren.<br />
„Was in der mechanischen Entwicklung längst selbstverständlich<br />
ist, sollte in der Softwareentwicklung ebenso einfach möglich<br />
sein“, fordert deswegen Dr. Hans Egermeier, Business Manager<br />
Automation Software bei B&R. „In der IT-Welt ist das<br />
auch längst gängige Praxis, lediglich im Maschinenbau halten<br />
sich hartnäckig Methoden aus der Frühzeit der SPS-Programmierung<br />
– sie machen die Softwareentwicklung für komplexe<br />
mechatronische Systeme zur herkulischen Aufgabe.“ Das liegt<br />
nicht zuletzt an der weit verbreiteten Vorstellung von Produktentwicklungsvorgängen<br />
als strikt sequentiellen Vorgängen –<br />
trotz immer komplexer werdenden Abläufen innerhalb von<br />
Maschinen und Anlagen. Dabei wachsen Themen wie SPS,<br />
CNC, Robotik, intelligente Achsregelung, Visualisierung und<br />
Kommunikation immer weiter zusammen.<br />
Den Überblick auch bei<br />
größeren Programmen bewahren<br />
Um die zunehmende Komplexität funktionaler Abläufe, das<br />
Steuerungsverhalten ganzer Maschinen und von Regelungsalgorithmen<br />
beherrschbar zu halten, muss auch die Software<br />
modular aufgebaut sein. In Analogie zur Mechanik mit ihren<br />
Normteilen funktioniert das über Baukästen in Form von Bibliotheken<br />
mit einzelnen Funktionen, Abläufen und Reglern.<br />
Die Möglichkeit, einzelne Unterprogramme als Funktionsblöcke<br />
in Bibliotheken abzuspeichern und durch Aufruf im Hauptprogramm<br />
zur Wirkung zu bringen, existiert bereits seit längerer<br />
Zeit und wird von Programmierern intensiv genutzt. Ebenso<br />
ist in bereits existierenden Versionen von Automation Studio<br />
die Möglichkeit zur objektorientierten Programmierung in<br />
„Die objektorientierte<br />
Programmierung hilft,<br />
größere Programme<br />
übersichtlich zu halten<br />
und ihre Wartbarkeit<br />
zu erhöhen.“<br />
Wolfgang Portugaller, Leiter Systemarchitektur bei B&R<br />
C++ vollständig integriert. Bei dieser Art der Softwareerstellung<br />
bedient sich der Entwickler einer Struktur aus Programmklassen,<br />
die als funktionale Behälter für kleine und kleinste<br />
Funktionsprogramme dienen. Durch Zuweisung von Werten<br />
werden sie zu Programmobjekten, die wie Bausteine zusammengesetzt,<br />
aber auch ineinander geschachtelt werden können.<br />
„Diese objektorientierte Programmierung ist die Schlüsseltechnologie<br />
zur Modularisierung von Software“, sagt Wolfgang<br />
Portugaller, Leiter Systemarchitektur bei B&R. „Sie hilft,<br />
größere Programme übersichtlich zu halten und dabei, ihre<br />
Wartbarkeit nachhaltig zu erhöhen.“ Allerdings ist die Granularität<br />
trotz der Möglichkeiten zur hierarchischen Strukturierung<br />
von Objekten recht fein. Und trotz objektorientierter Programmierung<br />
müssen die Softwareentwickler zuletzt alle Teile<br />
einer Maschinenprogrammierung in einem Gesamtprogramm<br />
zusammenführen, um sie als Ganzes für die Maschine<br />
oder Anlage zu übersetzen, zu testen und in Betrieb zu nehmen.<br />
Autonom lauffähige Applikationsmodule<br />
erleichtern modulare Konzepte<br />
Eine der Stärken von Automation Studio 4 ist die Modularisierung<br />
auf einer höheren Ebene durch autonom lauffähige Applikationsmodule.<br />
Diese können unterschiedlich groß sein<br />
und einzelne Funktionen, aber auch ganze Maschinenteile<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 53
Praxis Automatisierung<br />
Peter Kemptner<br />
ist freier Journalist<br />
in Salzburg<br />
SMART ENGINEERING<br />
Unabhängige und wiederverwendbare Module sind ein wesentlicher<br />
Bestandteil des Smart <strong>Engineering</strong>s, wie es B&R definiert. Der Maschinenbauer<br />
profitiert von einer parallelen Modulentwicklung und<br />
damit verbunden verringerten Entwicklungszeiten und -risiken<br />
oder Teilmaschinen repräsentieren. In ihrem Inneren können<br />
sie hierarchisch aus einzelnen Funktionsblöcken, ganzen Programmen<br />
oder beliebigen Mischungen davon bestehen.<br />
Neben einer erleichterten Abbildung modularer Maschinenkonzepte<br />
erlaubt die Modularisierung mittels Applikationsmodulen<br />
eine Verteilung der gesamten Entwicklungsaufgabe<br />
auf mehrere Entwickler, die nicht notwendigerweise im selben<br />
Haus sitzen müssen. So ist es zum Beispiel ohne großen<br />
Aufwand möglich, externe Automatisierungsdienstleister<br />
hinzuzuziehen oder Teile der Programmierung vom Kunden<br />
vornehmen zu lassen. Dabei können nicht nur funktional unterschiedliche<br />
Teilprogramme auf die jeweiligen Spezialisten<br />
aufgeteilt, sondern auch große Einzelaufgaben auf mehrere<br />
Entwickler verteilt werden.<br />
Das beschleunigt die Softwareentwicklung wesentlich: Auf<br />
der Grundlage vereinbarter Schnittstellen können diese Applikationsmodule<br />
gleichzeitig entwickelt und durch Simulation<br />
der Umgebung ausführlich getestet werden, ohne dass dies<br />
gleichzeitig erfolgen muss. Darüber hinaus bietet Automation<br />
Studio 4 eine ganze Reihe vorgefertigter Bibliotheken und<br />
Funktionsmodule – etwa für die Ansteuerung von Antriebsachsen.<br />
Diese Bibliotheken und Module müssen nur noch in<br />
das eigene Projekt integriert werden.<br />
Der Austausch von Daten zwischen den einzelnen Applikationsmodulen<br />
erfolgt dabei mithilfe des Mappings von Prozessvariablen,<br />
ein bereits heute bewährter Mechanismus – die Variablen<br />
müssen nicht global von außen definiert werden. Der<br />
Grund: Innerhalb des Applikationsmoduls wird definiert, welches<br />
andere Modul zu welchen Bereichen des eigenen Adressraums<br />
Zugriff erhält. Auf diese Weise muss nicht im ersten Projektierungsschritt<br />
alles angedacht sein. Auch im Laufe der Entwicklung<br />
kann die Definition von Schnittstellen zum Datenaustausch<br />
erfolgen.<br />
Das Kompilieren der Applikationsmodule erfolgt einzeln. Sie<br />
können daher für Tests und zur sukzessiven Inbetriebnahme<br />
nach und nach in die Zielhardware geladen werden, was die<br />
Fehlersuche und -behebung stark erleichtert und beschleu-<br />
nigt. Als Gemeinsamkeit ist für die weitgehend voneinander<br />
getrennten Komponenten lediglich eine Software-Konfiguration<br />
und eine Hardware-Konfiguration als Information über<br />
die Laufzeitumgebung erforderlich, in der sie im Endeffekt arbeiten<br />
müssen. Änderungen erfolgen sowohl in der Prototypenphase<br />
als auch im Fall späterer Weiterentwicklungen in<br />
klar umrissenen Teilen der Gesamtanlage, was das Risiko von<br />
Qualitätsverlust durch schnelle Änderungen minimiert. Auch<br />
kann der Zertifizierungsaufwand nach einer Änderung gering<br />
gehalten werden, da nur die von der Änderung direkt betroffenen<br />
Module einer erneuten Prüfung unterzogen werden<br />
müssen.<br />
Einzelne Funktionsteile sukzessive weiterentwickeln<br />
Für Maschinenbau-Unternehmen ergibt sich daraus eine weitere<br />
Möglichkeit zur wirtschaftlicheren Gestaltung der Softwareentwicklung:<br />
Die bisher meist übliche Entwicklung ganzer<br />
Maschinengenerationen kann durch eine sukzessive Weiterentwicklung<br />
der einzelnen funktionalen Teile der Gesamtanlage<br />
ersetzt werden. Das sorgt für eine kontinuierliche Auslastung<br />
der Entwicklungsteams und für eine Verminderung<br />
des Drucks, der durch notorisch knappe Fertigstellungstermine<br />
entsteht.<br />
„Tendenziell steigt dadurch die Softwarequalität“, ist Portugaller<br />
überzeugt. „Die durch die einfache Wiederverwendung bereits<br />
fertig entwickelter Applikationsmodule in unterschiedlichen<br />
Maschinenprojekten eingesparte Zeit kann in umfangreichere<br />
Tests investiert werden und rechnet sich rasch durch<br />
stark verkürzte Inbetriebnahmezeiten.“ Das sei nicht nur im<br />
Sinne von optimaler Nachhaltigkeit und maximaler Entwicklungseffizienz,<br />
das sei vor allem im Interesse des Kunden. co<br />
www.br-automation.com<br />
DIE LÖSUNG<br />
Mit Automation Studio 4 stellt B&R Maschinenbauern<br />
ein zentrales Werkzeug zur<br />
Verfügung, eine einheitliche und durchgängige<br />
Entwicklungsumgebung, die gekennzeichnet<br />
ist durch:<br />
· hohe Qualität trotz zunehmender Produktkomplexität,<br />
niedrige <strong>Engineering</strong>-Kosten und eine<br />
·<br />
kurze Time-to-Market.<br />
Mit der Möglichkeit, Entwicklungsaufgaben<br />
aufzuteilen und auf diese Weise zu<br />
parallelisieren sowie bewährte Funktionen<br />
durch Modularisierung der Software wiederzuverwenden,<br />
lassen sich die Entwicklungsziele<br />
schnell und sicher erfüllen. Automation<br />
Studio baut zudem die trennenden<br />
Mauern zwischen den einzelnen Disziplinen<br />
der Softwareentwicklung ab – unabhängig<br />
davon, ob es sich um Ablaufsteuerung,<br />
Bedienung und Visualisierung, Antriebe<br />
oder Sicherheitstechnik handelt.<br />
54 develop 3 systems engineering 01–2014
<strong>Engineering</strong> Praxis<br />
Was mit konsequenter Datenintegration –<br />
über sämtliche Produktionsentstehungsprozesse<br />
hinweg – in der Digital Enterprise<br />
Platform gerade entsteht, soll in zwei Jahrzehnten<br />
bis zur fertigungssynchronen Optimierung<br />
von Cyber-physischen Systemen<br />
reichen<br />
Bilder: Siemens<br />
Digital Enterprise Platform schafft die Grundlagen für Industrie 4.0<br />
Digital durchgängig – von der<br />
ersten Idee bis zum Service<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Effizienz, Flexibilität und kürzere Markteinführungszeit<br />
zu steigern, ist das Ziel des Zukunftsprojekts Industrie 4.0. Entscheidend<br />
für den Erfolg sind eine gesicherte Datenkonsistenz sowie die durchgehende<br />
und konsequente Datennutzung. Erste vollkommen vernetzte Produk -<br />
tionsabläufe sind inzwischen realisierbar.<br />
Der Ursprung von Industrie 4.0 basiert – im Gegensatz zu vorangegangenen<br />
Stufen der industriellen Revolution – nicht<br />
auf einer Erfindung beziehungsweise der breiten Nutzung<br />
einer neuen technischen Errungenschaft, sondern vielmehr<br />
auf dem konsequenten Einsatz vorhandener und bereits vielfach<br />
eingesetzter Technologien. Experten sprechen deswegen<br />
eher von einer Evolution hin zu einer intensiven und flexiblen<br />
Vernetzung von Produkt- und Produktionssystemen<br />
auf Basis modularer Produktionseinheiten und sogenannter<br />
Cyber-physischer Systeme (CPS).<br />
Entscheidend für den Erfolg von Industrie 4.0 wird die Fähigkeit<br />
sein, alle verfügbaren Informationen aus den Produktionsprozessen<br />
digital abzubilden, zu vernetzen und für die<br />
Optimierung kompletter Produktionseinheiten einzusetzen.<br />
Siemens beispielsweise unterstützt diese Entwicklung über<br />
den gesamten Produktentwicklungs- und Produktionsprozess<br />
mit Hilfe einer ganzheitlichen Digital Enterprise Platform<br />
– gestützt auf umfangreiche Soft- und Hardwarelösungen,<br />
die teils selbst entwickelt wurden und teils aus gezielten<br />
Akquisitionen stammen.<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 55
Praxis <strong>Engineering</strong><br />
Drei Kernaspekte charakterisieren die Industrie<br />
4.0: das Produktionsnetz (links),<br />
die Produkt- und Produktionsgestaltung<br />
sowie Cyber-physische Systeme (rechts).<br />
Das digitale Modell (unten) wird dabei<br />
über den gesamten Lebenszyklus und die<br />
Wertschöpfungskette erweitert.<br />
Josef Schindler arbeitet<br />
in der Business Unit<br />
Industrial Automation<br />
<strong>Systems</strong> der Siemens<br />
AG in Nürnberg<br />
Das auf diese Weise entstandene Portfolio erstreckt sich über<br />
fünf Phasen, beginnend beim<br />
Produktdesign über<br />
Produktplanung und<br />
Produktions-<strong>Engineering</strong> bis hin zur<br />
· Produktions-Ausführung sowie<br />
damit in Zusammenhang stehenden Services.<br />
·<br />
Medienbrüche verschwinden<br />
Mit den Produkten der Digital Enterprise Platform wird es<br />
zwischen den verschiedenen Phasen einer Produktion keine<br />
Medienbrüche mehr geben. Alle Datenströme zwischen den<br />
einzelnen Wertschöpfungsstufen werden dann in alle Richtungen<br />
durchgängig sein. Die Vorteile, die sich für Unternehmen<br />
daraus ergeben, heißen Effizienzsteigerung, höhere Flexibilität<br />
sowie kürzere Time-to-Market – und dadurch ergibt<br />
sich insgesamt eine höhere Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Die integrative Vernetzung produktionstechnischer Abläufe<br />
im Zuge von Industrie 4.0 umfasst drei wesentliche Aspekte:<br />
· Die Flexibilisierung der Lieferkette und des Produktions -<br />
netzes erlaubt optimierte unternehmensweite Entscheidungen.<br />
· Die Einbindung der Produkt- und Produktionsgestaltung<br />
führt zur Parallelisierung der Prozesse und damit zu einer<br />
verkürzten Time-to-Market.<br />
· Cyber-physische Systeme ermöglichen eine deutlich flexiblere<br />
Produktion auf Basis von modularen Produktionseinheiten.<br />
Flexible Produktionsnetze führen zu Verbesserungen: Ausgehend<br />
von den Möglichkeiten der Digital Enterprise Platform<br />
und einem variablen Produktionsnetz lassen sich flexible<br />
Lieferketten aufbauen, die letztendlich dynamische, unternehmensweite<br />
und fertigungssynchrone Entscheidungen<br />
ermöglichen und erheblich die Flexibilität erhöhen.<br />
Konsequente Datenintegration für Optimierungskreisläufe:<br />
Was in der jüngeren Vergangenheit lediglich als Vision dargestellt<br />
wurde, folgt mittlerweile einem klaren Realisierungsschema.<br />
Zum einen erfolgt eine Datenintegration<br />
schon über die konsequente Verzahnung innerhalb der Automatisierungspyramide<br />
(vom ERP über MES und Scada bis<br />
hin zur Steuerungs- und Feldebene). Zum anderen wird die<br />
nahtlose Einbindung von Prozessen des Product Lifecycle<br />
Managements (PLM) forciert, so dass ein homogener Datenkreislauf<br />
entsteht, der für eine Optimierung sämtlicher Produktionsprozesse<br />
notwendig ist. Wichtig ist, die entsprechenden<br />
Aufgabenstellungen softwaretechnisch nahtlos<br />
abzubilden und dadurch eine Closed-Loop-Datenintegration<br />
überhaupt erst möglich zu machen. Siemens arbeitet derzeit<br />
mit Hochdruck an der Vernetzung aller Systeme von der Feldebene<br />
bis zu den PLM-Systemen. Softwarelösungen nach<br />
dem Vorbild des Manufacturing Operations Managements<br />
(MOM), die als Bindeglied zwischen ERP, PLM und Automatisierungsebene<br />
eingesetzt werden, liefern hierfür die Grundlage<br />
und greifen in ihrem Leistungsvermögen deutlich weiter<br />
als die bisherigen Manufacturing Execution <strong>Systems</strong><br />
(MES). Im Ergebnis führt das zu einer verkürzten Time-to-<br />
Market, denn die Produkt- und Produktionsgestaltung wird<br />
in dem Maße optimiert, wie die Informationen aus der Produktion<br />
in die vorgelagerten Bereiche zurückfließen (Closed<br />
Loop). So lassen sich aus den bisherigen seriellen Entwicklungsschritten<br />
parallele Prozesse bilden, was zu einer spürbaren<br />
Zeitersparnis im Produktionsablauf führt und Optimierungen<br />
über den gesamten Wertschöpfungsprozess ermöglicht.<br />
Plug & Produce mit Cyber-physischen Systemen: Der dritte<br />
Kernaspekt von Industrie 4.0 ist die Etablierung der Cyberphysischen<br />
Systeme (CPS) auf Basis von modularen Produktionseinheiten.<br />
Diese sollen modular und flexibel konfigu-<br />
56 develop 3 systems engineering 01–2014
<strong>Engineering</strong> Praxis<br />
rierbar, kommunikativ und kooperativ miteinander vernetzt<br />
sowie kontextsensitiv sein. Sind viele solcher modularen Produktionseinheiten<br />
realisiert, ist eine enorme Flexibilität der<br />
gesamten Produktion per Plug & Produce ganzer Gewerke<br />
erreichbar. Konkret beinhalten solche CPS immer ein reales<br />
Gewerk sowie das zugehörige vollständige virtuelle Modell<br />
mit allen relevanten dedizierten Funktionen wie Zustandsüberwachung<br />
oder Management von Zeiten, Tracking & Tracing,<br />
Alarmfilterung oder auch Key Performance Indicatorn<br />
(KPI). So können die Produktionsprozesse virtuell dynamisch<br />
optimiert werden, bevor der Ablauf in der Realität nachvollzogen<br />
wird.<br />
Von der Vision zur Realität<br />
Über den gesamten industriellen Wertschöpfungsprozess<br />
bietet Siemens bereits entsprechende Softwarelösungen an,<br />
die zueinander kompatibel sind und damit die Nutzung aller<br />
vorhandenen Informationen aus der Automatisierung, der<br />
Produktion, der Entwicklung oder der Planung ermöglichen.<br />
Anwendern erleichtert das die Entscheidung, möglichst<br />
frühzeitig aus der Vision von durchgängig vernetzten Produktionsprozessen<br />
eine Realität zu schaffen, die leistungsfähig,<br />
nachhaltig und effizient ist, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit<br />
zu stärken.<br />
Viele technische Voraussetzungen dafür sind bereits geschaffen.<br />
Entscheidend sind letztendlich jedoch eine gesicherte<br />
Datenkonsistenz sowie die durchgehende und konsequente<br />
Datennutzung. Hierzu bietet Siemens mit seinem<br />
umfassenden, aufeinander abgestimmten Industrie-Softwareportfolio<br />
die notwendigen Lösungen: Mit der durchgängigen<br />
CAD/CAM/CAE-Software NX lässt sich beispielsweise<br />
die Produktgestaltung verbessern, die Produktionsplanung<br />
wird mit Tecnomatix spürbar vereinfacht. Beim Produktions-<strong>Engineering</strong><br />
kommen aus dem Siemens-Portfolio je<br />
nach Branche die Softwarelösung Comos für Anlagen-<strong>Engineering</strong><br />
und -management, das Prozessleitsystem PCS 7 oder<br />
die durchgehende <strong>Engineering</strong>-Umgebung des TIA Portals<br />
zum Einsatz.<br />
Die beiden letzten Segmente innerhalb der eingangs erwähnten<br />
fünfstufigen Wertschöpfungskette sind Produktionsausführung<br />
sowie Services. Während der Produktionsausführung,<br />
bei der die MOM-Software Simatic IT unterstützt,<br />
profitieren Anwender von Services auf Basis von<br />
Cloud-basierten Datenanalysen. Den Daten-Backbone, der<br />
alle Bereiche – und damit auch die Softwarelösungen – datentechnisch<br />
miteinander verbindet, bildet dabei Teamcenter.<br />
Damit lassen sich Feedback-Schleifen durchlaufen, sprich<br />
Prozesse wie Bill of Material, Bill of Process und Bill of People definieren,<br />
mit denen am Ende einer Produktentwicklung Optimierungsläufe<br />
initiiert werden können. Möglich ist das zum Beispiel<br />
für Warenströme, Transportlogistik, Taktgestaltung, Qualitätsverbesserung<br />
oder Reduktion des Energieverbrauchs.<br />
Ein hoch integrierter Workflow entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />
zahlt sich jedoch am stärksten während der<br />
Produktionsausführung aus: Wenn die digitalen Abbilder von<br />
Produkt und Produktion fertigungssynchron vorliegen, kann der<br />
gesamte Wertschöpfungsprozess digital analysiert und ganzheitlich<br />
optimiert werden. Dadurch entstehen auch neue Service-Geschäftsmodelle,<br />
welche durch Analyse dieser Daten das<br />
Optimierungspotenzial ermitteln – beispielsweise hinsichtlich<br />
des Energieverbrauchs oder der Reduktion von Stillstandszeiten<br />
– und dadurch sehr schnellen Erfolg versprechen. Aus der bisherigen<br />
Vision einer intensiv und homogen vernetzten Industrie<br />
4.0 wird damit inkrementell eine greifbare, praktikable und<br />
pragmatische Industrieproduktion des 21. Jahrhunderts. co<br />
www.siemens.com/automation<br />
MESSE-TIPP<br />
Zur SPS IPC Drives in Nürnberg in Halle 11<br />
ist das hier beschriebene Zusammenspiel<br />
von Automatisierung und Digitalisierung<br />
entlang der gesamten industriellen Wertschöpfungskette<br />
Schwerpunkt des Messeauftritts<br />
von Siemens. Die ausgestellten Lösungen<br />
und Produkte decken alle Schritte<br />
des Produktentwicklungs- und Produktionsprozesses<br />
ab – angefangen bei Design und<br />
Planning über <strong>Engineering</strong> und Execution<br />
bis hin zum Service. Toolseitig spielen dabei<br />
vor allem die Technologieplattformen Totally<br />
Integrated Automation (TIA), Integrated<br />
Drive <strong>Systems</strong> (IDS) und Totally Integrated<br />
Power (TIP) eine wesentliche Rolle. Gezeigt<br />
werden parallel natürlich auch die<br />
Angebote aus den Bereichen CAD/CAE/<br />
CAM sowie Product Lifecycle Management<br />
(PLM), mit denen die digitale Definition von<br />
Produkt und Produktion beginnt.<br />
SPS IPC Drives: 11.0-100<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 57
Praxis Systeme<br />
Ahmed Mahmoud von NI zum <strong>Engineering</strong> von Cyber-Physical <strong>Systems</strong> (CPS)<br />
„Let us empower the Engineers!“<br />
Das Motto der Hannover Messe 2014 – Integrated Industry – Next Steps – sei gut gewählt<br />
worden, sagt Ahmed Mahmoud, Senior Group Manager Embedded Control & Monitoring<br />
Marketing Program bei National Instruments (NI) im texanischen Austin im Interview mit<br />
der develop 3 . Es gehe nun darum, die nächsten Schritte zu tun: Ingenieure und Wissenschaftler<br />
müssten dazu befähigt werden, selbst sehr komplexe Systeme schnell in den Griff zu<br />
bekommen.<br />
„Ingenieure und Wissenschaftler<br />
müssen sich<br />
effizient ihrer eigentlichen<br />
Aufgabe widmen können – wir bieten<br />
dazu die richtige Plattform an.“<br />
Ahmed Mahmoud,<br />
Senior Group Manager Embedded Control & Monitoring<br />
Marketing Program, National Instruments<br />
develop 3 : Herr Mahmoud, warum gefällt Ihnen das Motto der<br />
Hannover Messe 2014 so gut?<br />
Mahmoud: Es vermittelt ein Gefühl von Dringlichkeit und<br />
treibt uns an, nun endlich zur Tat zu schreiten und die nächsten<br />
Schritte zu tun – so wie es unser CEO Dr. James Truchard<br />
mit Blick auf die sogenannten Cyber-physical <strong>Systems</strong> vorschlägt,<br />
die letztlich auch in der Diskussion um die Industrie 4.0<br />
thematisiert werden. Die Herausforderung ist, dass insbesondere<br />
die Komplexität solcher Systeme schon jetzt hoch ist und<br />
weiter zunimmt. Je nach Aufgabenstellung müssen neben<br />
verschiedenen Ausprägungen der Halbleitertechnologie auch<br />
mehrere Rechenmodelle und unterschiedliche Softwarelösungen<br />
zusammengebracht werden; das Ganze darüber hinaus<br />
in dezentral aufgebauten beziehungsweise verteilten<br />
Umgebungen – auch über verschiedene Standorte eines Unternehmens<br />
hinweg – gemanagt werden. Um die sich daraus<br />
ergebende Komplexität in den Griff zu bekommen, können wir<br />
nun aber nicht einfach die Zahl der Ingenieure verdoppeln –<br />
wir müssen ihnen vielmehr leistungsfähige Tools an die Hand<br />
geben, um produktiver zu arbeiten.<br />
develop 3 : Wie gehen Sie seitens National Instruments an die Lösung<br />
dieser Aufgabe heran?<br />
Mahmoud: Computation, Communication and Control – so<br />
lässt sich unser Ansatz im Englischen gut beschreiben. In<br />
dem wir verschiedene Arten der<br />
Berechnung unterstützen, die<br />
Kommu nikation zwischen allen<br />
beteiligten Komponenten auf eine<br />
verlässliche Basis stellen und dafür<br />
Sorge tragen, dass sich das so entstehende<br />
System über die entsprechenden<br />
Algorithmen gut steuern<br />
lässt, befähigen wir Ingenieure und<br />
Wissenschaftler dazu, die damit<br />
verbundene Komplexität zu handhaben.<br />
Entscheidend ist: In dem<br />
wir ihnen über die NI-Plattform genau<br />
diese Möglichkeiten geben,<br />
können sie sich auf ihre eigentliche<br />
Aufgabe konzentrieren und damit produktiv Lösungen erarbeiten.<br />
Sie müssen sich dann eben nicht mehr überlegen, wie<br />
sich ein spezieller Chip ansprechen lässt – sie können einfach<br />
seine Vorteile nutzen. Gleiches gilt für verschiedene Software-Lösungen:<br />
Ob nun C oder LabView zum Einsatz kommt,<br />
hängt einzig und allein von der jeweiligen Aufgabenstellung<br />
ab – wir unterstützen diese beiden und weitere Möglichkeiten<br />
(Bemerkung der Redaktion: siehe dazu auch „LabView oder<br />
C?“, elektro AUTOMATION 4/2014, S. 38).<br />
develop 3 : Sie sprachen auch die Unterstützung verschiedener<br />
Rechenmodelle an...<br />
58 develop 3 systems engineering 01–2014
Systeme Praxis<br />
Bilder: NI<br />
Mahmoud: ...weil wir eindeutig einen Trend in diese Richtung<br />
erkennen. Was wir gelernt haben ist, dass sich beispielsweise<br />
verschiedene Programmier-Sprachen jeweils für bestimmte<br />
Aufgaben besonders gut eignen. Bei der Arbeit an einem Cyber-physical<br />
System ist es also wichtig, dass ich stets die beste<br />
Variante wählen und verschiedene Modelle parallel nutzen<br />
kann. Lässt sich beispielsweise ein mathematisches Problem<br />
am besten mit Matlab in den Griff bekommen, lässt sich die<br />
Software und damit das Rechenmodell in LabView einbinden<br />
und nutzen. All das zusammen zu bringen, ist unser Ziel – Technologiewandel<br />
muss evolutionär verlaufen können.<br />
develop 3 : Welche Möglichkeiten bieten Sie hardwareseitig an,<br />
um diesen Ansatz zu unterstützen?<br />
Mahmoud: Wir investieren stetig, um die jeweils modernsten<br />
Halbleitertechnologien nutzbar zu machen. Zur NIWeek im<br />
August 2013 haben wir beispielsweise den CompactRIO-Controller<br />
NI cRIO-9068 als Teil unserer Systemdesignplattform für<br />
Embedded-Systeme vorgestellt. Integriert ist die Zynq-<br />
7020-All-Programmable-SoC-Technologie von Xilinx, die einen<br />
Dual-Core-Prozessor Cortex-A9 von ARM und einen Xilinx-<br />
7-FPGA kombiniert. Der Vorteil: Als Ingenieur, der an der Fabrik<br />
der Zukunft arbeitet, will ich meine Zeit ja nicht damit verbringen,<br />
herauszufinden, wie sich solch ein System nutzen lässt –<br />
ich will es einfach einsetzen! Mit anderen Worten: In dem wir<br />
uns um die Low-Level-Details kümmern, können wir unseren<br />
Anwendern stets aktuelle Halbleitertechnologie einsatzbereit<br />
zur Verfügung stellen. Konkret heißt das übrigens auch, dass<br />
die Kompatibilität mit NI LabView und den I/Os der Plattform<br />
uneingeschränkt erhalten bleibt.<br />
develop 3 : Lässt sich die Technologie des cRIO-9068-Controllers,<br />
also der Zynq-Chip, auch separat in Embedded Systemen nutzen?<br />
Mahmoud: Ja, wir bieten diese Technologie auch auf separat<br />
einsetzbaren Boards an – mit dem Ziel, sie auch in einer dezentral<br />
aufgebauten Steuerungs-Architektur nutzen zu können.<br />
Wir arbeiten zudem daran, möglichst kompakte Lösungen anzubieten.<br />
Das Ganze soll einmal auf ein kreditkartengroßes<br />
Board passen – weil CPS nicht nur immer smarter, sondern<br />
auch kleiner werden. Auch hier gilt aber wieder: Wichtig ist,<br />
dass sich die Technologie effizient und schnell nutzen lässt!<br />
(Bem. der Redaktion: Ein solches System on Module wurde auf<br />
der VIP 2014 gezeigt, s. elektro AUTOMATION 11/2014, S. 46)<br />
develop 3 : Erfordert die Auslegung von CPS oder das Arbeiten mit<br />
verteilten Umgebungen nicht auch eine neue Denkweise der Ingenieure<br />
und Programmierer?<br />
Mahmoud: Das ist einer der Gründe für uns, zusammen mit<br />
unseren Partnern an Universitäten in die Fortbildung zu investieren.<br />
Nur so wird es uns gelingen, das System Design voranzubringen<br />
– also die Auslegung eines <strong>Systems</strong>, das mehrere<br />
verschiedene Komponenten beinhaltet. Schließlich müssen ja<br />
auch verschiedene Aufgaben gelöst werden. Nur so lassen sich<br />
auch Systeme in den Griff bekommen, die zusätzlich etwa<br />
zahlreiche mobile Geräte mit integrieren.<br />
develop 3 : Herr Mahmoud, vielen Dank für das Gespräch.<br />
germany.ni.com<br />
In den CompactRIO-Controller NI cRIO-9068 ist<br />
die Zynq-7020-All-Programmable-SoC-Technologie<br />
von Xilinx integriert, die einen Dual-Core-<br />
Prozessor Cortex-A9 von ARM und einen Xilinx-7-FPGA<br />
kombiniert. Erhalten bleibt dabei<br />
die Kompatibilität mit NI LabView und den I/Os<br />
der Plattform NI CompactRIO<br />
Das Interview führte<br />
Michael Corban,<br />
Chefredakteur<br />
develop 3<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 59
Eplan <strong>Engineering</strong> Center: Vom mechanischen zum mechatronischen Baukasten<br />
Konstruktionszeit<br />
um mehr als 50 % gesenkt<br />
Mit dem Umstieg von der rein mechanischen auf die mechatronische Konfiguration<br />
mit einem gewerkeübergreifenden, funktionalen Baukasten, konnte MAG IAS die<br />
Konstruktionszeit für komplette Bearbeitungslinien von Kfz-Motoren um mehr als<br />
die Hälfte verkürzen. Softwareseitig wird dieser disziplinübergreifende Baukasten<br />
im Eplan <strong>Engineering</strong> Center (EEC) abgebildet, bei dem in Funktionen gedacht wird.<br />
60 develop 3 systems engineering 01–2014
Baukastensysteme Praxis<br />
MAG IAS liefert der Automobilindustrie<br />
voll automatisierte Fertigungslinien, die<br />
beispielsweise Zylinderblöcke oder -köpfe<br />
bearbeiten und teilweise über 100 Einzelmaschinen<br />
umfassen<br />
Rückendeckung des Vorstandes entschieden sich die Fertigungsspezialisten<br />
deshalb dafür, in einem weiteren Schritt<br />
die Potenziale der automatisierten Konstruktion komplett<br />
ausschöpfen zu wollen.<br />
Das Anforderungsprofil war somit klar definiert: Gewünscht<br />
war ein disziplinübergreifender mechatronischer Konstruktionsbaukasten,<br />
der sich klar und eindeutig nach Funktionen<br />
strukturieren lässt. Die entsprechende Software sollte sich an<br />
die Arbeitsabläufe von MAG IAS anpassen lassen und auch mit<br />
der vorhandenen Vertriebssoftware harmonieren, die das Unternehmen<br />
für die Projektierung und Kalkulation nutzt.<br />
Bilder: MAG IAS<br />
Bei den zugrundeliegenden Maschinen<br />
der Fertigungslinien handelt es<br />
sich meist um Bearbeitungszentren<br />
der Serie Specht, die Aufgaben wie<br />
Drehen, Fräsen oder Honen übernehmen<br />
und dabei mit bis zu 16 Achsen<br />
sehr flexibel sind<br />
Fertigungsanlagen der MAG IAS GmbH umfassen teilweise<br />
bis zu 100 Einzelmaschinen, um vollautomatisiert Motorblöcke,<br />
Zylinderköpfe und Kurbelwellen zu fertigen. Konsequenterweise<br />
sind die Maschinen – meist Bearbeitungszentren aus<br />
der ‚Specht‘-Serie, die jeweils einzelne Bearbeitungsschritte<br />
wie etwa Drehen, Fräsen oder Honen übernehmen und dabei<br />
mit bis zu 16 Achsen sehr flexibel sind – in einem Baukastensystem<br />
abgelegt; allerdings ursprünglich nur auf der mechanischen<br />
Ebene. Die Grundlage des Baukastens bildeten physische<br />
Baugruppen und Bauteile wie Ständer, Spindeln und<br />
Werkzeugwechsler.<br />
Die Erfahrungen mit dem mechanischen Baukasten zeigten<br />
allerdings, dass sich damit zwar in der mechanischen Konstruktion<br />
Einsparungen erzielen ließen, die <strong>Engineering</strong>-Zeiten<br />
in den Disziplinen Elektrik, Fluidik und Software aber eher<br />
anstiegen, weil der mechanische Baukasten einen größeren<br />
Konfigurationsraum ermöglichte und so die Anforderungen<br />
und Bedürfnisse der Steuerungstechnik größer wurden. Mit<br />
Disziplinübergreifendes Team<br />
definiert Inhalte und Schnittstellen<br />
Ein passendes System hatten einige Mitarbeiter bereits mit<br />
dem Eplan <strong>Engineering</strong> Center (EEC) von Eplan kennengelernt<br />
und weitere Marktrecherchen sowie Gespräche mit Experten<br />
aus der Wissenschaft und Praxis bestärkten die Verantwortlichen<br />
bei MAG IAS darin, dass die Entscheidung für das EEC<br />
richtig war. Die Implementierung wurde anschließend sehr<br />
systematisch und strukturiert vorangetrieben. Dazu wurde<br />
ein Team mit je einem Konstrukteur aus den beteiligten Disziplinen<br />
Mechanik, Elektrotechnik, Fluidik und Software-Entdevelop<br />
3 systems engineering 01–2014 61
Praxis Baukastensysteme<br />
„Wunschvorstellung ist ein disziplinübergreifender<br />
Baukasten, der aus reinen Funktionen<br />
besteht und jeder Funktion die dazugehörigen<br />
Bauteile mit ihren Leistungsdaten und Abmessungen<br />
zuordnet.“<br />
wicklung gebildet, dessen Hauptaufgabe die Strukturierung<br />
des mechatronischen Baukastens und die Definition der erforderlichen<br />
Schnittstellen war.<br />
Mit dieser Aufgabe ist man inzwischen gut vorangekommen.<br />
Die Elektrotechnik-Entwicklung nutzt den Baukasten bereits<br />
mit Eplan Electric P8 als Zielsystem. Zurzeit werden Fluidtechnik<br />
und Software-Entwicklung an das EEC angedockt, die Mechanik<br />
und die Dokumentation folgen später. Das Ziel, das<br />
MAG IAS dabei verfolgt, ist klar definiert: Wunschvorstellung<br />
ist ein disziplinübergreifender Baukasten, der aus reinen Funktionen<br />
besteht und jeder Funktion die dazugehörigen Bauteile<br />
mit ihren Leistungsdaten und Abmessungen zuordnet.<br />
Andere Sichtweise<br />
auf <strong>Engineering</strong>-Projekte ist gewünscht<br />
Den Verantwortlichen ist klar, dass das EEC die Sichtweise auf<br />
den Konstruktionsprozess verändert – aber eben das ist gewünscht.<br />
Man will bewusst in Funktionalitäten denken statt<br />
in Bauteilen, Stücklisten und Gewerken. Für eine solche mechatronische<br />
Sichtweise ist allerdings Voraussetzung, dass ein<br />
starkes Tool sozusagen als ‚Leitplanke‘ dient – und das hat<br />
MAG IAS mit dem EEC gefunden. Dabei ist man sich der Grenzen<br />
des Tools ebenfalls bewusst. Es geht dabei immer um das<br />
operative Projektgeschäft, das heißt um die Auswahl und Konfiguration<br />
von Maschinenvarianten und nicht um die Entwick-<br />
Das Eplan <strong>Engineering</strong> Center bietet die<br />
Möglichkeit der einfachen Konfiguration<br />
von Maschinen und Komponenten<br />
LESE-TIPP<br />
Speziell für die Branche Metal & Steel entwickelt<br />
Eplan derzeit ein Whitepaper mit<br />
dem Titel „Wiederverwendung und Automatisierung<br />
von <strong>Engineering</strong>workflows in<br />
der Hütten- und Walzwerktechnik – Potenzial<br />
für Medien, Elektrik und Automation“.<br />
Die Untersuchung zeigt ebenfalls auf, wie<br />
Wiederverwendungskonzepte zusammen<br />
mit einem flexiblen und leistungsfähigen<br />
<strong>Engineering</strong>werkzeug zu einem individuellen<br />
<strong>Engineering</strong>workflow führen. Das<br />
Whitepaper ist in Kürze verfügbar unter:<br />
www.eplan.de<br />
62 develop 3 systems engineering 01–2014
Baukastensysteme Praxis<br />
MAG IAS hat erkannt, dass man mit<br />
einem rein mechanischen Baukasten<br />
in der mechanischen Konstruktion<br />
Einsparungen erzielt, die <strong>Engineering</strong>-<br />
Zeiten in den Disziplinen Elektrik,<br />
Fluidik und Software aber eher an -<br />
steigen, weil der mechanische<br />
Baukasten einen größeren Konfigu -<br />
rationsraum ermöglicht<br />
lung gänzlich neuer Maschinentypen. Das entscheidende Plus<br />
ist aber: Genau dafür haben die Ingenieure zukünftig wieder<br />
mehr Zeit zur Verfügung.<br />
Konkrete Ergebnisse der EEC-Einführung sind bereits greifbar.<br />
Die Elektroingenieure konnten die Konstruktionszeit anfänglich<br />
um rund 40 % verkürzen – und mit Einführung des EEC in<br />
den weiteren Konstruktionsdisziplinen um bis zu 60 % beschleunigen.<br />
Das entspricht recht genau den zuvor errechneten<br />
Einsparungen, auch wenn es etwas länger gedauert hat,<br />
dieses Ziel zu erreichen. Für die Fluidik, die mit Hydraulik, Pneu-<br />
„MAG IAS arbeitet jetzt mit einer deutlich<br />
besseren Methodik, ist agiler im Prozess<br />
und wird das mechatronische Konfigurieren<br />
mit dem EEC desto besser<br />
nutzen können, je mehr Disziplinen in<br />
den Prozess integriert werden.“<br />
matik, Kühlung und Schmierung gleich vier Mediensysteme<br />
entwickelt und mit Eplan Fluid arbeitet, wird mit Einsparungen<br />
in gleicher Größenordnung gerechnet. Auch bei der Software<br />
rechnen die Verantwortlichen mit mehr als 50 % kürzeren<br />
Entwicklungszeiten, weil die Module nach Elektrik und<br />
Fluidik noch stärker standardisierbar sind und man so einen<br />
wesentlich robusteren Softwarebaukasten im EEC abbilden<br />
kann. Gegenrechnen muss man natürlich den Aufwand für<br />
die Pflege des Baukastens, den man pro Gewerk auf 20 %<br />
schätzt – wohlwissend, dass dieser anfangs mehr, später aber<br />
deutlich weniger zu Buche schlägt.<br />
Vorteile bei Projektlaufzeiten<br />
und Planungssicherheit<br />
Die Verkürzung der Entwicklungszeit ist für MAG IAS ein kaum<br />
zu unterschätzender Vorteil, weil die Projektlaufzeiten immer<br />
kürzer werden. Kann der festgesetzte Abnahmetermin nicht<br />
eingehalten werden, sind die Strafen empfindlich. Der Zeitvorteil<br />
hat aber auch noch einen anderen positiven Effekt: Die Anlagen<br />
lassen sich im Auftragsstadium besser kalkulieren und<br />
die Planungssicherheit wird deutlich gesteigert. Außerdem<br />
können die Entwickler ihre Arbeit später im Projektverlauf starten,<br />
wenn schon größere Planungsumfänge festgezurrt sind.<br />
Umso geringer ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass es später<br />
zu Änderungen kommt.<br />
Die Chance, die sich durch die Einführung eines mechatronischen<br />
Baukastens mit dem Eplan <strong>Engineering</strong> Center ergab,<br />
hat MAG IAS gemäß dem Motto ‚Ganz oder gar nicht‘ so umfassend<br />
wie möglich genutzt. Man hat dazu für mehrere Monate<br />
auch einen Eplan-Consultant im Haus gehabt und sich<br />
viele Gedanken über die Optimierung und Strukturierung der<br />
Prozesse gemacht. Der Aufwand hat sich gelohnt: MAG IAS arbeitet<br />
jetzt mit einer deutlich besseren Methodik, konnte die<br />
Konstruktionszeit um mehr als die Hälfte reduzieren, ist agiler<br />
im Prozess, kann schneller auf Änderungen von Seiten des<br />
Kunden reagieren und wird das mechatronische Konfigurieren<br />
mit dem EEC desto besser nutzen können, je mehr Disziplinen<br />
in den Prozess integriert werden.<br />
co<br />
www.eplan.de<br />
Andreas Hartmann ist Branchenmanager<br />
Maschinenbau bei der<br />
Eplan Software & Service GmbH &<br />
Co. KG in Stuttgart.<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 63
Praxis CAD<br />
Kollaboratives <strong>Engineering</strong> – Wandel in der Elektro- und Mechanikkonstruktion<br />
Erfolgskritischer<br />
Entwicklungsprozess<br />
Die Entwicklung technisch komplexer intelligenter Produkte erfordert einen einheitlichen,<br />
integrierten Ansatz bei der Systementwicklung. Unabdingbar sind dabei<br />
Softwarelösungen, die es den Herstellern ermöglichen, den gesamten Produkt- und<br />
Systementwicklungsprozess zu verwalten und gleichzeitig die existierenden Beziehungen<br />
zwischen den verschiedenen Systemartefakten, die diese komplexen Produkte<br />
prägen, zu definieren und zu steuern. Mit SolidWorks Electrical von Dassault<br />
Systèmes können Produktentwickler und Ingenieure simultanes <strong>Engineering</strong> über<br />
die Disziplinen Elektrotechnik und Mechanik verwirklichen.<br />
Klaus-Peter Linau ist<br />
Territory Technical<br />
Manager Electrical<br />
Products, EMEA, Solid-<br />
Works bei Dassault<br />
Systèmes<br />
Funktionen, die früher über mechanische Lösungen ausgeführt<br />
wurden, werden heute als mechatronische Systeme<br />
entworfen. Gerade im Automobilbau ist die Funktionsabbildung<br />
über Elektrotechnik und Software allgegenwärtig. Ohne<br />
elektronische Steuerung und Millionen Zeilen Softwarecode<br />
funktioniert fast nichts mehr – weder die Motorsteuerung<br />
noch die vielen Sicherheitssysteme, weder die Klimatisierung<br />
noch die Fahrerassistenz- und Unterhaltungssysteme.<br />
Im Gegensatz zum Automobilbau wird der mechatronische<br />
Ansatz im Maschinen- und Anlagenbau langsamer umgesetzt.<br />
In den meisten Fällen startet der Konstruktionsprozess<br />
in dieser Branche nach wie vor in der Mechanik. Laut einer vom<br />
VDMA im Jahr 2012 durchgeführten Studie gaben 81,8 % der<br />
befragten Firmen an, keine Schnittstellen zwischen MCADund<br />
ECAD-Software zu nutzen. 54,5 % davon bestätigten, dass<br />
sie mit dieser Situation unzufrieden sind und immerhin 42 %<br />
der befragten Unternehmen erwarteten durch den Einsatz einer<br />
MCAD/ECAD-Integration eine Kosteneinsparung von über<br />
10 %.<br />
Integrierter Entwicklungsprozess<br />
ist erfolgskritisch<br />
Immer weniger wird es deshalb in Zukunft zielführend sein, an<br />
einem konventionellen Produktentwicklungsprozess festzuhalten.<br />
Stattdessen muss die neue Produktarchitektur – bestehend<br />
aus Mechanik, Elektrotechnik und Software – adäquat<br />
in den Entwicklungsprozess integriert werden. Einen Einbauraum<br />
oder eine Blackbox für abteilungsfremde Entwicklungsanteile<br />
einzelner Produktfunktionen zu definieren und<br />
später zusammenzuführen – womöglich erst im ersten phy-<br />
Simultanes <strong>Engineering</strong> über alle Disziplinen<br />
Bilder: Dassault Systèmes<br />
64 develop 3 systems engineering 01–2014
CAD Praxis<br />
Anwender können genau<br />
steuern, welche Komponenten<br />
neu gekennzeichnet werden<br />
sollen und welche die bestehenden<br />
Kennzeichnungen<br />
wiederverwenden<br />
Die Leitungen können auf zwei<br />
Arten erstellt werden: 3D-Skizzen<br />
für schnelle Ergebnisse oder richtige<br />
3D-Kabel für eine präzisere<br />
Darstellung<br />
In 2D-Schaltplanzeichnungen können Verbindungen<br />
zwischen elektrischen Komponenten<br />
direkt definiert werden<br />
sischen Prototyp – kann nicht funktionieren, wenn in engen<br />
Zeitfenstern kostengünstig komplexe, multifunktionale technische<br />
Produkte entstehen sollen. Die früher organisatorisch,<br />
prozesstechnisch und bezüglich der verwendeten Softwaretools<br />
abteilungsfixierte Produktentwicklung wird sich öffnen<br />
und zuvor getrennte Domänen integrieren. Dies erfordert eine<br />
intensive Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen.<br />
An diesem Punkt setzt SolidWorks Electrical an, um die Kommunikationshürden<br />
zwischen der mechanischen und elektronischen<br />
Konstruktion zu beseitigen. Die Konstruktion elektrischer<br />
Systeme und die Einbindung elektrischer Bauteile in<br />
3D-Modelle und Baugruppen lassen sich so wesentlich vereinfachen<br />
und beschleunigen. Die SolidWorks-Electrical-Pakete<br />
bieten eine Reihe von Funktionen für die Erstellung von Stromlaufplänen<br />
sowie ein leistungsstarkes Add-In für die 3D-CAD-<br />
Software, mit dem sich die projektierten elektrotechnischen<br />
Komponenten direkt im 3D-Modell verwenden lassen. Dank<br />
der Integration beider Technologien können Änderungen in<br />
sämtlichen Konstruktionsbereichen in Echtzeit übertragen<br />
und dementsprechend auch in der technischen Dokumentation<br />
angepasst werden.<br />
Zudem bietet die Echtzeitverknüpfung der Daten von Stromlaufplänen<br />
und 3D-Modellen bessere Möglichkeiten zur<br />
Teamarbeit und steigert somit die Produktivität der beteiligten<br />
Fachkräfte. Den Stücklisten kommt hierbei eine zentrale<br />
Rolle zu, da sie maßgeblich am Erfolg eines durchgängigen <strong>Engineering</strong>-Konzeptes<br />
beteiligt sind. Sind diese uneinheitlich<br />
können sie zu einem betriebswirtschaftlichen Fiasko in Form<br />
von Fehlbestellungen und Lieferverzögerungen bis hin zur verspäteten<br />
Inbetriebnahme der Anlagen einschließlich Regressansprüchen<br />
seitens der Endkunden werden. Kosten und<br />
Imageschäden lassen sich mit SolidWorks Electrical verhindern,<br />
da die verschiedenen Ausprägungen einer Komponente<br />
in einer zentralen Datenbank ablegt und in Echtzeit in der Arbeitsgruppenumgebung<br />
bidirektional zwischen Stromlaufplan<br />
und 3D-Modell synchronisiert werden. Dank dieser Synchronisation<br />
lassen sich Stücklisten abteilungsübergreifend<br />
vereinheitlichen.<br />
Die Vorteile liegen auf der Hand: neben einer durchgängigen<br />
und standardisierten Konstruktion profitieren Unternehmen<br />
von einheitlichen Stücklisten, einer effizienten und fehlerfreien<br />
Produktentwicklung sowie kürzeren Markteinführungszeiten.<br />
Dies sind überzeugende Argumente für alle Unternehmen,<br />
die in ihren Projekten mechanische und elektrische Konstruktionen<br />
kombinieren müssen.<br />
Lösungen für alle Konstruktionsphasen<br />
SolidWorks Electrical Schematic eignet sich zur Erstellung elektrotechnischer<br />
Dokumentationen von elektrischen Systemen<br />
und Anlagen, eingeleitet vom Titelblatt, über die Stromlaufpläne<br />
bis zu den bekannten Reports wie Klemmenplänen, Kabelplänen,<br />
Stücklisten und vielem mehr. Die Erstellung und<br />
Planung der Stromlaufpläne in ein- und mehrpoliger Form<br />
wird durch eine intuitive und kontextbezogene Benutzeroberfläche<br />
erleichtert.<br />
SolidWorks Electrical 3D ist vollständig in die CAD-Software integriert.<br />
Auf Systemebene verknüpft es die in SolidWorks Elec -<br />
trical Schematic erstellten Stromlaufpläne mit 3D-Modellen,<br />
die in SolidWorks konstruiert wurden. Durch die Echtzeitaktualisierung<br />
der einzelnen Disziplinen stehen in der gesamten<br />
Produktentwicklungsphase umfassende Daten zur Verfügung,<br />
insbesondere auch aufgrund der Vereinheitlichung der<br />
Stücklisten.<br />
Durch die Darstellung des elektrischen <strong>Systems</strong> und einzelner<br />
Leitungen im 3D-Modell kann der Herstellungsprozess<br />
optimiert werden. SolidWorks Electrical Professional kombiniert<br />
die Funktionen zum Entwurf von Stromlaufplänen aus<br />
SolidWorks Electrical Schematic mit den 3D-Modellierfunktionen<br />
aus SolidWorks Electrical 3D. SolidWorks Electrical<br />
Professional eignet sich für Anwender, die elektrische und<br />
mechanische 3D-Modelle in einer interaktiven Umgebung<br />
konstruieren.<br />
ge<br />
www.solidworks.de<br />
/sw/products/electrical-design/packages.htm<br />
develop 3 systems engineering 01–2014 65
25 Jahre SPS IPC Drives:<br />
Round Table mit fünf Experten<br />
zu Trends der Automatisierung<br />
TRENDS Seite 24<br />
Dezentrale Servotechnik er -<br />
möglicht flexible und modulare<br />
Maschinenkonstruktionen<br />
PRAXIS Seite 36<br />
„Die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit ganzer<br />
Branchen ist ein Muss!“<br />
Friedhelm Loh,<br />
Ehrenpräsident<br />
des ZVEI und<br />
Inhaber der<br />
Friedhelm Loh<br />
Group<br />
MEINUNG Seite 34<br />
Abstimmen und gewinnen:<br />
Geben Sie auf der SPS IPC Drives<br />
Ihre Stimme ab – es lohnt sich!<br />
AUTOMATION AWARD<br />
Seite 112<br />
TITELSTORY Seite 48<br />
Konstruktion<br />
Sonderteil Zylinder und Ventile<br />
Entwicklung<br />
Vom CAD-Modell zum Simulationsbericht<br />
„ Die interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit<br />
Management<br />
ganzer Branchen ist<br />
Fördermittel bringen F&E-Projekte<br />
ein Muss.“<br />
in Schwung<br />
Friedhelm Loh, Ehrenpräsident ZVEI<br />
Meinung Seite 16<br />
Round Table:<br />
Eine Brücke von der<br />
KEM-_011_2014_0001_P38012.indd virtuellen zur realen 1 Welt<br />
29.10.2014 09:39:14<br />
Trends Seite 30<br />
Von der Datensammlung<br />
zur Information<br />
Trends Seite 36<br />
Parallel ein gemeinsames<br />
Ziel verfolgen<br />
Praxis Seite 52<br />
www.develop3.de<br />
Impressum<br />
HOW TO USE...<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
in Ihren Händen halten Sie die erste Ausgabe der develop 3 systems engineering. Im<br />
Mittelpunkt unserer Berichterstattung stehen hier Methoden und Konzepte des<br />
ganzheitlichen Systementwurfs. Dabei ist uns wohl bewusst, dass auch Systeme<br />
klassische Maschinenelemente und Komponenten beinhalten wie etwa Antriebe,<br />
Lager oder Sensorik. Spezifisches Fach-Know-how vermitteln hier die bekannten<br />
Zeitschriften der Konradin Mediengruppe – für Entwicklungsingenieure und Konstrukteure<br />
die KEM – Konstruktion, Entwicklung, Management sowie für die Automatisierer<br />
die elektro AUTOMATION. Zusammen liefern diese drei Titel das Basiswissen<br />
für die Entwicklung innovativer und erfolgreicher Produkte – und ermöglichen<br />
auf diese Weise auch den berühmten ‚Blick über den Tellerrand‘, der das <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong> kennzeichnet.<br />
Industrielle Bedienlösungen<br />
mit Multitouch-Technologie<br />
11 / 2014<br />
develop 3<br />
systems engineering<br />
Titelstory Seite 10<br />
Im Vordergrund stehen<br />
Methodik und Kommunikation<br />
Schwerpunkt<br />
SPS IPC Drives<br />
01 2014<br />
www.kem.de | 11-2014<br />
Vorschau 01/2015<br />
Falls Sie an einem oder allen drei<br />
Titeln interessiert sind, senden Sie<br />
uns eine Mail mit dem Stichwort<br />
„D3“ und Ihrem/n Wunschtitel/n an:<br />
ea.redaktion@konradin.de<br />
www.develop3.de / www.kem.de /<br />
www.wirautomatisierer.de<br />
ISSN 2363-6726<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
Verlag: Konradin-Verlag<br />
Robert Kohlhammer GmbH<br />
Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen,<br />
Germany<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
Verlagsleiter: Peter Dilger<br />
Chefredakteur:<br />
Dipl.-Ing. Michael Corban (co),<br />
Phone + 49 711 7594-417<br />
Redaktion:<br />
Dr.-Ing. Ralf Beck (bec),<br />
Phone +49 711 7594-424;<br />
Dipl.-Ing. Andreas Gees (ge),<br />
Phone +49 711 7594-293;<br />
Irene Knap B.A. (ik),<br />
Phone +49 711 7594-446;<br />
Jens-Peter Knauer (jpk),<br />
Phone +49 711 7594-407;<br />
Bettina Tomppert (bt),<br />
Phone +49 711 7594-286<br />
Redaktionsassistenz:<br />
Birgit Niebel,<br />
Phone +49 711 7594-349, Fax -1349,<br />
E-Mail: birgit.niebel@konradin.de,<br />
Layout: Vera Müller,<br />
Phone +49 711 7594-422<br />
Gesamtanzeigenleiter:<br />
Andreas Hugel,<br />
Phone +49 711 7594-472<br />
E-Mail: ea.anzeigen@konradin.de<br />
Auftragsmanagement:<br />
Christel Mayer,<br />
Phone +49 711 7594-481<br />
Leserservice:<br />
Ute Krämer,<br />
Phone +49 711 7594-5850, Fax -15850,<br />
E-Mail: ute.kraemer@konradin.de<br />
Erscheinungsweise:<br />
Vier Mal jährlich<br />
develop 3 wird nur an qualifizierte Empfänger kostenlos<br />
geliefert.<br />
Bezug:<br />
In Zusammenhang mit einem Abonnement der<br />
elektro AUTOMATION oder KEM möglich.<br />
Bestellungen erbitten wir direkt an den Verlag.<br />
Sofern die Lieferung nicht für einen bestimmten Zeitraum<br />
ausdrücklich bestellt war, läuft das Abonnement bis auf<br />
Widerruf.<br />
Bezugszeit:<br />
Das Abonnement kann erstmals vier Wochen zum Ende des<br />
ersten Bezugsjahres gekündigt werden.<br />
Nach Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von<br />
jeweils vier Wochen zum Quartalsende. Bei Nichterscheinen<br />
aus tech nischen Gründen oder höherer Gewalt entsteht<br />
kein Anspruch auf Ersatz.<br />
Hannover Messe<br />
Bild: Siemens<br />
In Hannover treffen sich PLMler<br />
und Automatisierer – ideale Bedingungen,<br />
um über das <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong> zu diskutieren.<br />
Wir stellen vorab Trends vor,<br />
die dort eine Rolle spielen.<br />
Bild: Beckhoff<br />
Automatisierung<br />
Über 580.000 Küchen fertigt<br />
Nobilia jährlich – auf Basis einer<br />
durchgängigen Transparenz der<br />
Teile- und Produktionsdaten,<br />
ganz im Sinne der Industrie 4.0.<br />
Losgröße 1 ist gängige Praxis.<br />
Bankverbindungen:<br />
Postbank Stuttgart,<br />
Konto 44 689–706,<br />
BLZ 600 100 70;<br />
Baden-Württembergische Bank Stuttgart,<br />
Konto 26 23 887,<br />
BLZ 600 501 01<br />
Gekennzeichnete Artikel stellen die Meinung des Autors,<br />
nicht unbedingt die der Redaktion dar. Für unverlangt<br />
eingesandte Manuskripte keine Gewähr.<br />
Alle in develop 3 erscheinenden Beiträge sind urheber -<br />
rechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen,<br />
vorbehalten. Reproduktionen, gleich welcher Art, nur mit<br />
schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Stuttgart.<br />
Druck:<br />
Konradin Druck GmbH,<br />
Leinfelden-Echterdingen<br />
Printed in Germany<br />
© 2014 by Konradin-Verlag<br />
Robert Kohlhammer GmbH,<br />
Leinfelden-Echterdingen<br />
66 develop 3 systems engineering 01–2014
Ihr Guide durch das<br />
develop 3 – Universum...<br />
„Kreative Ideen müssen Sie schon selbst haben –<br />
aber wir liefern Ihnen das Know-how, um daraus<br />
innovative und erfolgreiche Produkte zu machen.“<br />
Tiefgehendes Spezialwissen für<br />
Ingenieure und Konstrukteure in<br />
der Automatisierung (...und damit<br />
Softwareentwicklung)<br />
Hintergrund- und Praxis-<br />
Know-how für das erfolgreiche<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> (...und<br />
damit die Steigerung der<br />
Innovationsfähigkeit)<br />
Methoden- und Produkt-Know-how<br />
für Ingenieure und Konstrukteure<br />
aller drei Disziplinen (...ermöglicht<br />
die Verständigung untereinander)<br />
SYSTEMS ENGINEERING IN-DEPTH<br />
Das develop 3 – Universum...<br />
• öffnet Entwicklungsräume...<br />
• macht SYSTEMS ENGINEERING verständlich und liefert Tipps für die Umsetzung im Alltag<br />
• bündelt für Geschäftsführer und Entwicklungsleiter das erforderliche Management-Know-how...<br />
• versorgt Ingenieure und Konstrukteure sowohl mit Hintergrund- als auch spezifischem Produktwissen
Effiziente Antriebslösungen.<br />
Bürstenbehaftete und bürstenlose DC-Motoren mit über 90% Wirkungsgrad,<br />
Getriebe, Steuerungselektronik. Wir finden den Antrieb für Ihre individuellen<br />
Bedürfnisse.<br />
Erprobt auf dem Mars, entwickelt für Ihre spezifischen<br />
Anforderungen. Entdecken Sie maxon motor als starken<br />
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