APPARAT VS. T.RAUMSCHMIERE - De:Bug
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APPARAT VS. T.RAUMSCHMIERE - De:Bug
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CHEMICAL BROTHERS<br />
16 Die Rave-o-lution frisst ihre Kinder? Da können die<br />
Chemical Brothers nur lachen und feiern in bester<br />
Verfassung ihre Karrierehöhepunkte.<br />
25<br />
11<br />
.<br />
DE.BUG<br />
MONATSZEITUNG<br />
AGORIA | ZOOT WOMAN | MATTHEW BARNEY | IBIZA AKTUELL | GAMES CONVENTION | AESOP ROCK | 287 REVIEWS<br />
RICARDO VILLALOBOS<br />
SOFTWARE-PATENTE<br />
10 Knapp entkommmen. Brüssel stoppt vorerst die<br />
Patentierung von Software - und damit auch das<br />
absehbare Aus für die Open-Source-Schmieden.<br />
ROCKT WIE DRECKSAU!<br />
<strong>APPARAT</strong> <strong>VS</strong>.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong><br />
TEXT: JANKO RÖTTGERS | ROETTGERS@LOWPASS.DE<br />
WÄHLEN MIT ARNI UND ANDEREN MASCHINEN<br />
Ein Mann, zwei Welten. Niemand driftet so idealistisch<br />
zwischen Megaraves und Wohnzimmer-Afterhours<br />
hin und her wie Ricardo Villalobos. Und haut<br />
dabei noch ein Konsens-verschiebendes Album wie<br />
"Alcachofa" raus.<br />
03<br />
AGORIA<br />
FÜR<br />
ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE<br />
OKTOBER 2003<br />
EUR 2,80 / Schweiz: SFR 5,50<br />
MEDIEN KULTUR MUSIK<br />
INTERNET: FREENET......................................................................... <br />
MUSIKTECHNIK: APPLE SOUNDTRACK / PROTOOLS 6.......... <br />
WEBLOGS: OPEN SOURCE WAHLKAMPF................................... <br />
ALTERNATIVE ZU MTV: CLIPS COMPILATIONS AUF DVD.......<br />
GAMES CONVENTION IN LEIPZIG............................................... <br />
75<br />
Frickel-Cowboy “Apparat” und Bullenreiter des Techno<br />
“T.Raumschmiere” haben den Saustall auf Spur gebracht.<br />
Was T.Raumschmiere mit “Radio Blackout” in den Heuhaufen<br />
bratzt, holt Apparats Album “Duplex” wieder auf die<br />
verträumte Veranda zurück. Da bleibt auch dem letzten<br />
Techno-Krauter die Forke im Mist stecken. Zwei Outlaws<br />
reiten in den Sonnenuntergang. Ab Seite #18.<br />
Am 7. Oktober findet im US-Bundesstaat ein seltsames Spektakel<br />
statt: Die Abwahl des demokratischen Gouverneurs Gray Davis.<br />
Ein ganzer Haufen von professioneller konservativer Unterschriftensammlern<br />
wurde engagiert, um vor Supermärkten und Shopping<br />
Malls ein düsteres Szenario der Schuldenkrise des Bundesstaates<br />
zu malen und damit die Abstimmung durch zu setzten.<br />
Nun wird in den USA normalerweise in zwei Wahlgängen abgestimmt,<br />
da aber niemand gerne monatelang von einem bereits abgewählten<br />
Politiker regiert wird, fällt Phase eins dieses Mal einfach<br />
weg. Die Folge: Jeder kann kandidieren. Einzige Voraussetzung:<br />
65 Unterstützerunterschriften und 3500 Dollar. Von der<br />
Oma über 90 über den Hustler-Verleger Larry Flynt bis zum Wassermelonen-zerschmetternden<br />
Comedy-Künstler ist folglich alles dabei. Ach ja,<br />
und natürlich Arnold Schwarzenegger. <strong>De</strong>r Terminator als Gouverneur?<br />
Crazy California. Doch was hat das alles eigentlich mit elektronischen Lebensaspekten<br />
zu tun? Die Wahl in Californien gab uns Anlass, mal ein Blick<br />
nach rechts und links über Arnolds Muskeln auf andere Kandidaten zu<br />
werfen. Auf eine Linux-Programmiererin zum Beipiel. Oder - anderes Thema<br />
- auf Wahlbetrug bei digitalen Zählmethoden. Oder die neue Rolle von<br />
Weblogs im Präsidentenwahlkampf. Lawrence Lessig fragt beispielsweise<br />
nach, ob Interaktivität des Weblogs eine Möglichkeit neuer politischer Beteiligung<br />
ermöglichen. Das und andere interssante Punkte ab Seite #25.<br />
Die Tracks von Lyons Techno-Senkrechtstarter Sebastien<br />
<strong>De</strong>vaud haben solch eine Begeisterungswelle<br />
losgeschlagen, dass selbst der <strong>De</strong>troiter Säulenheilige<br />
Kevin Saunderson nicht anders konnte, als ihn<br />
zum Baseball einzuladen.<br />
MIT SVEN VÄTH AUF IBIZA, TEIL 1 VOM ENDE....................... <br />
STREET ART: BORIS HOPPEK....................................................... <br />
GESAMTKUNSTWERK: CHICKS ON SPEED...............................<br />
BILDERKRITIKEN............................................................................ <br />
MODE: STECKT EIN WALTER IN DIR?.........................................<br />
©<br />
RHYTHM & SOUND<br />
20 Die Reggae-Inkarnation des deutschen Pendants zu<br />
UR, Basic Channel, hebt den Jamaika-NY-Berlin-<br />
Graben tiefer und tiefer aus. Jetzt neu auf 2 CDs.<br />
32<br />
MATTHEW BARNEY<br />
Eine schaurig-schöne Kunstwelt aus Film, Installation<br />
und Fotografie verdichtet Matthew Barney mit seinem<br />
"Cremaster"-Zyklus. Während der Filmfestspiele<br />
in Locarno hat er mit seinem perfiden Hochglanzhorror<br />
für Furore gesorgt.<br />
MARKUS POPP UND ERIKO TOYODA: SO................................<br />
EUROTEENIES AUFGEHORCHT: ELEKTROCHEMIE LK..........<br />
AESOP ROCK................................................................................... <br />
CALIBRE............................................................................................<br />
URSULA RUCKER............................................................................<br />
FOTO: SYBILLE FENDT
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
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V.i.S.d.P.: die Redaktion<br />
BOOTIN’ UP<br />
A BETTER<br />
TOMORROW<br />
TEXT ANTON WALDT |WALDT@QUINTESSENZ.AT<br />
Thor sei Dank können wir im heimeligen Nieselregen<br />
wieder an einemBruttosozialprodukt arbeiten, das einer<br />
gemäßigten Klimazone würdig ist,und prompt sinkt die<br />
Laune und findet mit Florida-Rolf auch zielgerichtet einen<br />
undankbaren Abnehmer, der den falschen Leuten<br />
jede Menge Gelegenheit gibt, über "Anstand" zu schwadronieren.<br />
Dieser fehlt allerdings tatsächlich allenthalben,<br />
aber dummerweise ist die Einforderung unter den<br />
gegenwärtigen <strong>De</strong>finitionsverhältnissen schier unmöglich,<br />
wofür man sich wiederum herzlich bei allen bedanken<br />
darf, die "konservativ" mit Schmissen versehen,<br />
statt den Begriff endlich den Nachhängern der fetten<br />
Jahre der heimischen <strong>De</strong>mokratie zu überlassen. Eine<br />
saubere Perspektive bietet in diesemSchlamassel zum<br />
Glück die treue Wissenschaft, die uns letztens nochmal<br />
persönlich versicherte, dass das Universum direkt nach<br />
Urknall wirklich ganz und gar staubfrei war, was mal eine<br />
wirklich nette Vorstellung ist. Und heute klingt "die<br />
Sphärenmusik" eines Schwarzen Lochs wie die Note "b",<br />
bloß lockere "eine Million Mal tiefer als das Limit des<br />
UNSER MONAT<br />
TEXT ARAM LINTZEL | ARAM.LINTZEL@GMX.DE<br />
Ibiza, 18. August 2003, der Saisonhöhepunkt. Obwohl<br />
uns The Face und ID seit Jahren erzählen wollen, dass<br />
man auf Zypern längst besser feiert, quillt die Insel über.<br />
Neben den notorischen UK-Lads und deutschen Ravern<br />
sind vor allem Spanier und Italiener präsent. Wie eh und<br />
je kreisen die Propellerflugzeuge über den Stränden und<br />
preisen auf langen Transparenten "F***"- oder "Balearic<br />
People"-Parties im Amnesia oder Eden an. Das Privilege<br />
nennt sich immer noch megalomanisch "World's Biggest<br />
Club". Sven Väth und sein allmontäglicher "Cocoon-<br />
Club" im Amnesia haben sich diesmal für eine bescheidenere<br />
PR-Kampagne entschieden. Es ist angeblich der<br />
letzte Cocoon-Sommer auf Ibiza. Viele kleine Poster<br />
wurden inselweit auf Garagentore, Bäckereieingänge<br />
und Strandbüdchen geklebt. Sie zeigen Sven Väth als<br />
Wasserkopf in Boxerpose, darunter liest man das aktuelle<br />
Cocoon-Motto: "In your Face!" Und an diesem 18.<br />
August kann vor der einsetzenden Abschiedsmelancholie<br />
endlich die höchste Eskalationsstufe gezündet werden.<br />
Ein orgiastisches Schauspiel erwartet uns, als wir<br />
um halb zwei am Amnesia vorfahren und von einem bekifften<br />
Anweiser auf einen Parkplatz navigiert werden.<br />
Drinnen legt die glatzköpfige Miss Kittin eine Mischung<br />
aus Electro, Acid und Minimal auf, sie singt zwi-<br />
menschlichen Gehörs", weshalb wir zukünftig mindestens<br />
braune Zwerge als Basssystem verlangen, damit es<br />
im Magen noch besser vibriert, weil viel Zeit haben wir<br />
ja nicht mehr: Unsere Sonne brennt schon 4,6 Milliarden<br />
Jahre, versichern die braven Weißkittel des weiteren<br />
und daher hält sie nur noch 5,4 Milliarden schlappe Jahre<br />
durch, was auch bedeutet, dass die Mär vom sorgsamen<br />
Umgang "für unsere Kinder" geschenkt ist, weil die<br />
Erde eben kein Badezimmer ist, das man wiederum wirklich<br />
ordentlich hinterlassen sollte."Nachhaltigkeit" wird<br />
ja sogar an der Börse inzwischen nicht mehr als Mülltrennung<br />
buchstabiert, dafür gibt es empfehlenswerte<br />
Laster-Fonds, die in Papiere von Tabak-, Alkohol- und<br />
Waffenproduzenten oder Kasinos investieren, weil hier<br />
in den letzten Jahren 15 Prozent mehr zu holen war als im<br />
Durchschnitt. Noch mehr Rendite gibt es nur außerhalb<br />
der regulären Handelsplätze, obwohl die Verbreitung<br />
des Kokainkonsums in <strong>De</strong>utschland nach Einschätzung<br />
der "<strong>De</strong>utschen Hauptstelle für Suchtfragen" [DHS] in<br />
der öffentlichen Wahrnehmung überbewertet wird.<br />
J’ADORE VÄTH / Cocoon wird geknickt<br />
schendurch und tanzt. Set und Show sind fantastisch,<br />
die Menge schunkelt wohlwollend, wartet aber insgeheim<br />
natürlich nur auf ihren Sven. <strong>De</strong>r lauert aber noch<br />
auf der VIP-Tribüne, auf der ich mit meinen drei aufgekratzten<br />
Begleitern dank <strong>De</strong>bug-Entree ebenfalls Platz<br />
nehmen darf. An die feisten Sektkübel, an denen sich die<br />
muskulär auffällige Frankfurter Incrowd bedient, trauen<br />
wir uns aber nicht heran, also bestellen wir Getränke an<br />
der VIP-Bar: ein Bier, eine Cola, zwei Campari-Orange<br />
und einen Wodka Lemon. "Macht 74 Euro!" Na denn<br />
Prost! Schluck! Um uns herum findet sich ein Querschnitt<br />
des hessischen Nightlife-Universums ein, mit<br />
nahtlosen Übergängen zum Bouncer-Milieu. Bestimmt<br />
nennen die Herren ihre Begleiterinnen hier noch zwanglos<br />
"Bräute": Stöckelschuhe und Miniröcke, wohin man<br />
schaut. Tresor-Chef Dimitri Hegemann sitzt derweil<br />
missmutig im Sessel, obwohl Miss Kittin großartig auflegt.<br />
Schon bald ist es kurz vor drei Uhr und nun überschlagen<br />
sich die Ereignisse: Eine infernalische Nebelmaschine<br />
röhrt, für mehrere Minuten sieht man nichts<br />
und fühlt sich wie mitten im nuklearen Fall Out (beziehungsweise<br />
wie in der Dinosauriergrotte des Phantasialands).<br />
Um 3.05 Uhr vernebelt sich schon wieder alles,<br />
nun fällt überdimensioniertes Konfetti von der <strong>De</strong>cke.<br />
"Hauptstelle" tönt in der Tat mächtig nach schwarzen<br />
Uniformen und wurde auch prompt bereits 1947 mittels<br />
Pervitin-Restbeständen gegründet, also zwei Jahre bevor<br />
die BRD eineVerfassung auf Kaffee-Basis zustande<br />
brachte. In Bagdad läuft der Hase dieser Tage offensichtlich<br />
ähnlich, wenn auch in die andere Richtung: Downer<br />
wie Parkizol und Rohypnol sind mächtig angesagt,<br />
für schlappe 15 Cent zu haben und mit pittoresken Namen<br />
wie "Abu Tschub" oder "Abu Salib" verziert. Die salafistische<br />
Gruppe für Erwachsenenunterhaltung und<br />
Hemmungslosigkeit veranstaltet inzwischen sogar Bustouren,<br />
die von fast allen gutsortieren deutschen<br />
Hauptbahnhöfen einmal die Woche in das Land ohne<br />
Hauptstelle starten. Da sag einer, die <strong>De</strong>utschen würden<br />
sich drücken, alleine das Mohnbrötchen-Verbot in<br />
heimischen Knästen treibt jeden Tag hunderte Aufbauhelfer<br />
ins Zweistromland. Für ein besseres Morgen:<br />
Staubsaugen nicht unterschätzen, Nebenstellen aufsuchen,<br />
nachhaltig investieren und den Bass genießen.<br />
3.10 Uhr: Riesige Sven-Väth-Grimassen erscheinen als<br />
Projektionen auf einer Raupe ("Cocoon") oberhalb des<br />
Floors. Gleichzeitig beginnen drei Gogo-Tänzerinnen<br />
auf Höhe der VIP-Tribüne mit ihren professionellen Windungen.<br />
Die Personality-Gaukelei wird total, als dann<br />
um 3.15 Uhr aus dem Nebel eine mehrere Meter lange<br />
Sven-Väth-Maske auftaucht, die nun als diabolischer Fetisch<br />
über die Crowd gleitet. <strong>De</strong>r Tanz ums goldene Kalb!<br />
Angesichts des tribalistischen Rave-Ritus läuft es mir<br />
kalt den Rücken hinunter - gibt es so was eigentlich<br />
heutzutage noch jenseits solcher Zonen des touristischen<br />
Ausnahmezustands? Um halb vier übernimmt<br />
Väth die Turntables, nachdem er mehrmals Applaus für<br />
Miss Kittin provozierte. Sehr aufmerksam! Es folgt ein<br />
gut geschmiertes, aber im Gegensatz zu Miss Kittin leider<br />
sehr homogenes Set mit den üblichen zwei bis drei<br />
Aufpeitscheffekten. Nach einer guten Stunde haben wir<br />
genug von den routinierten Reizen und verlassen das<br />
Spektakel. Draußen lungern junge Party-People und<br />
wollen unsere gelben VIP-Bändchen abgreifen, verständlich<br />
bei 50,- ¤ Eintritt. Ich überlasse meines einem<br />
Spanier mit Ramones-T-Shirt und Stirntuch. Muchas<br />
Gracias und Gute Nacht!
TECHNO<br />
AGORIA<br />
DER TECHNO-FARMER<br />
TEXT SVEN VON THÜLEN | SVEN@DE-BUG.DE<br />
"Ich bin lediglich ein schüchterner Junge aus Lyon. Nein,<br />
ehrlich, ich kenne niemanden aus Paris. Die ganzen Karatund<br />
Katapult-Menschen. <strong>De</strong>n einzigen, den ich mal getroffen<br />
habe, ist Feadz." Sebastien <strong>De</strong>vaud, unter seinem<br />
Pseudonym Agoria der Techno-Senkrechtstarter dieses<br />
Sommers, schüttelt zufrieden grinsend den Kopf, wenn<br />
man ihn nach Verbindungen zur immer quirliger werdenden<br />
französischen House- und Technoszene fragt.<br />
BILD KAI VON RABENAU<br />
Doch. Es gibt auch Musik aus Frankreich, die nicht aus Pariser House-Netzwerken<br />
kommt. Agoria aus Lyon zum Beispiel. <strong>De</strong>r schwimmt diesen Sommer<br />
mit seinen Releases auf PIAS auf seiner persönlichen Erfolgswelle und ist dabei<br />
alles andere als ein Newcomer. Jetzt macht er sich erstmal daran, die wohlverdiente<br />
Ernte aus Begeisterung einzufahren - bei seinen großen Vorbildern aus<br />
<strong>De</strong>troit.<br />
Dabei ist er schon eine ganze Weile dabei. Seit knapp<br />
zehn Jahren legt er Platten auf, meist mit Freunden in<br />
seiner südfranzösischen Heimatstadt Lyon, seit vier Jahren<br />
produziert er verschrobene Technotracks mit viel<br />
Rave-Appeal und Hang zu verträumten Melodien. Seine<br />
ersten Maxis trugen das Logo von französischen Kleinstlabels<br />
wie UMF, Tekmics, Kubik etc. und gingen dank<br />
Kleinstauflage und Vertriebsschwierigkeiten weitestge-<br />
hend unter. Wer dann doch eine von Sebastiens<br />
Frühwerken irgendwo fand oder zugeschickt bekam, der<br />
konnte, sofern er denn DJ war, gleich einen Dauerplatz<br />
im Plattenkoffer reservieren. <strong>De</strong>nn Agoria-Tracks, damals<br />
wie heute, sind perfekte Allzweckwaffen zur Euphoriemaximierung<br />
auf dem Dancefloor.<br />
"Ich bin wie ein Farmer. Und jetzt ernte ich zum ersten Mal.<br />
Ich nehme mir einfach meine Zeit", sagt Sebastien und<br />
strahlt schon wieder überschwenglich. Eigentlich tut er<br />
das die ganze Zeit. Die letzten sechs Monate waren einfach<br />
zu verrückt. Zu viele Träume sind in Erfüllung gegangen.<br />
Zu oft hat er sich gefragt, ob er gleich aufwachen<br />
wird und alles ist vorbei. Als "La onzieme marche",<br />
der Track, mit dem dieses Jahr eigentlich die allgemeine<br />
Agoria-Begeisterung erst so richtig losging, vor zwei<br />
Jahren zum ersten Mal auf Vinyl gepresst wurde, verpuffte<br />
seine Wirkung fast ungehört. Als PIAS Frankreich<br />
ihn dieses Jahr dann noch einmal re-releasten, gab es<br />
kein Halten mehr. Es gab kaum ein Open Air, auf dem "La<br />
onzieme marche" nicht gespielt wurde und auch die anderen<br />
beiden Maxis, die via PIAS folgten, hatten ein<br />
Dauerabonnement für die Peaktime.<br />
MIT KEVIN ZUM BASEBALL<br />
Seine Haupteinflüsse, die Sachen, die ihn wirklich geprägt<br />
haben, kamen aus <strong>De</strong>troit. <strong>De</strong>rrick May, Juan Atkins,<br />
Carl Craig. Produzenten, die er, wie wahrscheinlich<br />
so manch anderer, als seine musikalischen Jugendhelden<br />
bezeichnet. Und so konnte er es auch kaum glauben,<br />
als Kevin Saunderson sich bei ihm meldete. Auch er<br />
war von "La onzieme marche" begeistert. Eine Einladung<br />
zum <strong>De</strong>troit Electronic Music Festival und ein längerer<br />
Aufenthalt in Motorcity am Michigan See, bei dem er<br />
Inner Citys "Big Fun" remixen durfte und mit Ann Saunderson<br />
- Kevins Frau - gleich noch einen Track aufnahm,<br />
folgte. "Plötzlich stand ich da in <strong>De</strong>troit, und Kevin (Saunderson)<br />
stellte mich all meinen Idolen vor. Juan Atkins, Mad<br />
Mike Banks und all die anderen. Und dann durfte ich auch<br />
INFO<br />
Agoria, Blossom, ist auf PIAS erschienen.<br />
noch mit ihnen zusammen spielen. Ich kann es noch immer<br />
nicht glauben. Kevin war wie ein Vater zu mir. So mit zusammen<br />
zum Baseball gehen und so." <strong>De</strong>troiter Gastfreundschaft.<br />
Sebastiens Augen leuchten. Mal wieder.<br />
Und noch ein Held aus Sebastiens Jugend kreuzte plötzlich<br />
seinen Weg: Tricky. "Ich wusste, dass er in Paris war,<br />
um sich mit einigen PIAS-Leuten zu treffen. Die hab' ich<br />
Agoria-Tracks sind perfekte Allzweckwaffen zur<br />
Euphoriemaximierung auf dem Dancefloor.<br />
dann so lange genervt, bis sie mir versprachen, ihm meinen<br />
Track vorzuspielen. Und er hat mich angerufen. Gleich<br />
nachdem er ihn gehört hatte. Am nächsten Tag sind wir zusammen<br />
ins Studio gegangen. Er hatte die Nacht über den<br />
Text geschrieben und meinte dann, nachdem er den Track<br />
eingesungen hatte, dass das sein Geschenk an mich wäre.<br />
Ich hatte ein wenig Panik, weil es ja heißt, er sei so ein unberechenbarer<br />
Terrier, aber er war extrem entspannt."<br />
Die Tracks von Agoria funktionieren so simpel wie genial.<br />
Sebastiens Vorliebe für knarzig-noisige Melodien, die<br />
zu einem massiven Wall of Sound auf- und abschwellen,<br />
könnten glatt von einem konvertierten Indiekid mit<br />
großer My Bloody Valentine Plattensammlung im<br />
Schrank stammen. Für loopbasierte Tracks hat er, zumindest<br />
beim Produzieren, wenig übrig. Er sagt selbst,<br />
dass er eher versucht Songs zu schreiben und sie auch<br />
so zu arrangieren. Auf "Blossom", seinem <strong>De</strong>bütalbum,<br />
zeigt er dann auch, dass er nicht nur Meister darin ist,<br />
extrem dichte Ravetracks mit hohem Intensitätsgrad<br />
von seiner Festplatte zu kratzen, sondern auch HipHop-<br />
, Disco- und Housetracks eine lockere Fingerübung für<br />
ihn sind. Natürlich immer mit der Agoria typischen, dezent<br />
kitschigen, emotionalen Breite und schrägen, angezerrt<br />
knarzigen Untertönen. Und vielleicht trifft Sebastien<br />
ja auch irgendwann Mr.Oizo. Die beiden hätten<br />
sich bestimmt viel zu sagen.<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
STREET ART / KUNST<br />
BORIS HOPPEK / Freistil<br />
TEXT MATTHIAS SOHR | MATTHIAS@PRO-QM.DE BILD BORIS HOPPEK<br />
Wir mögen das: Steetartist Boris Hoppek - gerade nach Barcelona gezogen -<br />
baut seltsame Figuren und Bilder für alle zum überall Liebhaben. DEBUG-Autor<br />
Matthias Sohr beugte sich über seine Bimbosculptures, versuchte ein Gespräch<br />
und stolperte dabei mit Bravour über eigenartige Sätze.<br />
Mein jeweils aktueller <strong>De</strong>nkhorizont legt mich manchmal<br />
lahm. So auch mit Boris Hoppek im Gespräch, dessen<br />
beredte Pausen ich unsicher mit wortreicher Egozentrik<br />
sinnentleert habe. Nicht, dass das eigentlich ein<br />
Interview hätte werden sollen. Ein solches zu geben hatte<br />
Boris von vornherein abgelehnt, frei nach dem Motto:<br />
Mein die visuelle Textur, <strong>De</strong>in der visualisierende Text.<br />
Aber Boris schreibt Emails, darin steht zum Beispiel,<br />
dass er sich gerade in “Antiselbstdarstellung” übt. Wenn<br />
das mal kein Understatement im Schafspelz ist.<br />
Sommer in Berlin, Boris Ausstellung ”Urban Hardcore<br />
Freestyle” in der urban-art.info Galerie steht kurz vor<br />
der Eröffnung. Boris kündigt an: "hi, I think this is getting<br />
a very boring exhibition. coz its thursday and i have no idea<br />
of what i can make for saturday. let´s see. boris". <strong>De</strong>r Ausstellung<br />
selbst merkt man jedoch Boris Antriebslosigkeit<br />
nicht an, versammelt sie doch alles Hoppeksche für<br />
alle zum überall Liebhaben. Das hat sich herumgesprochen<br />
– und so nimmt zur Eröffnung auf dem verkeimten,<br />
fast intakten Sofa, prompt die überschminkte Schickeria<br />
CLIPS<br />
MUSIKCLIPS / Reviews<br />
TEXT VERENA DAUERER, KAREN KHURANA / VDAUERER@T-ONLINE.DE, KAREN@DE-BUG.DE<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: MONSTERTRUCKDRIVER (2003)<br />
REGIE: MARKUS BAUER UND VOLKER HEISTERBERG<br />
<strong>De</strong>r Grad der Komplexität plus Abstraktheit bei der<br />
Post- bzw. Produktion eines Digitalclips, sprich die Effekte<br />
auf der Drag & Drop-Bedienoberfläche einer Animationssoftware<br />
bzw. das Zusammenpanschen mit dem<br />
Schnittprogramm, könnte auch das Ergebnis in die umgedrehte<br />
Richtung führen. Und bitte mal nicht in die eines<br />
PC-Games mit ungelenker, dreidimensionaler Büchsenoptik.<br />
Sondern wie bei "Monstertruckdriver" die dezent<br />
krakelige Filzstift- und Kugelschreiberzeichnungen,<br />
die klarstellen: Je mehr Rechenarbeit, desto hingerotzter<br />
soll die Ästhetik aussehen. Vereinfachung als<br />
Gegenbewegung und warum nicht. Filzstiftige Objekte<br />
werden im 3D-Programm zu Schachteln zusammengebaut<br />
und durch den Gitterraum gefahren. Strichmännchen<br />
wackeln auf Polygonebenen wie Duftbäumchen<br />
am Rückspiegel. Es geht um den T.Raumschmiere, der<br />
als Party Patrol in seinem LKW mit Totenkopfsteuer-<br />
Platz – und weicht nimmer. Ein vollkommen enthäutetes<br />
Sofa nebenan ist dagegen seiner Fassade schon beraubt.<br />
Darauf, an seinem Geburtsort lässig ausgestreckt,<br />
die wohl größte Bimbosculpture – braun, mit<br />
buschiger Schambehaarung. Hinten von der Wand lechzen<br />
schon die kleinen KuKluxKlanBrüder und ProstituiertenSchwestern<br />
nach Aufmerksamkeit – nur der Bastard,<br />
die Puppe aus dem Umsonstladen ganz in der<br />
Nähe der Galerie, zeigt sein wahres Gesicht nicht. Auf<br />
dem schwarzen Hinterkopf prangen die bimbotypischen<br />
weißumrandeten HohlraumAugen und der rotumrandete<br />
HohlraumMund – starren ins bespielte Off.<br />
Auf übermalten Plattencovern – wie überall im Raum –<br />
machen sich Bimbogesichter selbstständig, lösen sich<br />
von den Körpern und blicken im Chor aus dem Dunkel.<br />
Vielleicht singt Lucio Pavarotti wirklich das ”Ave Maria”,<br />
doch die weit aufgerissenen Bimbomünder schweigen<br />
ein erstauntes ”Dies Irae”.<br />
Wer aber sehen will, was Boris derzeit wirklich bewegt<br />
und antreibt, der muss auf die Straße, heraus aus dem<br />
Konservatorium Galerie, hinein in den öffentlichen<br />
knüppel einem Musikevent den Bassnachschub anfährt.<br />
Auf dem Weg wird alles platt gemacht, inklusive Verfolgungsjagden<br />
durch die Cops und Massenkarambolagen.<br />
Voll die Show im Takt zum Shuffle-Kawumm von<br />
T.Raumschmiere. Toll und macht Spaß, wie der Clip verschiedene,<br />
beliebte Motivlein zerdarbt, wie Steven<br />
Spielbergs "Duell", klassische Übergänge reaktiviert und<br />
Cartoon-verweist. Ähnliche Truckerfahrten gab's gerade<br />
in dem edel durchdesignten Clip von den Queens Of<br />
The Stone Age. [VERENA]<br />
RADIOHEAD: GO TO SLEEP (2003), REGIE: ALEX<br />
RUTTERFORD / PRODUKTIONSFIRMA: THE MILL<br />
"Go To Sleep" zeigt Radiohead-Kopf Thom Yorke virtuell<br />
generiert in einer traditionell englischen Park Avenue.<br />
Auf der Parkbank sitzend singt er über seinen toten Körper,<br />
wirkt aber zusammen mit der roten Blume, der die<br />
Hauptrolle in Eingangs- und Schlusssequenz zukommt,<br />
INFO<br />
LETZTE VERÖFFENTLICHUNGEN: Übersee 1, Rojo Revista,<br />
Freistil. Best of German Commercial Illustration,<br />
Happy books. Mascotte<br />
NÄCHSTE AUSTELLUNGEN: Kulturbunker Köln - Ende<br />
Oktober: " i wont fuck with you tonight, hihihi! "<br />
Raum. Nur ein paar Häuser weiter, neben der schweren<br />
Eingangstür eines Berliner Mietshauses, bäumt sich ein<br />
anderes Wesen. Aggressiv, mit erhobenen Armen, gefletschten<br />
Zähnen und einem sein Recht einfordernden<br />
Schwanz schreit der autonom gewordene Bimbo: "I<br />
want Sex!"<br />
”Sex” ist die Synthese aus ”Love” und ”Fight”. Für das<br />
Buch ”Freistil. Best of German Commercial Illustration”<br />
präsentiert der durchaus geschäftstüchtige Boris noch<br />
die Liebe als These, den Kampf als Antithese – verbunden<br />
erst durch die Anordnung der kleinen Bildchen in<br />
ein großes Herz, die Doppelseitigkeit des Buches voll<br />
hi, I think this is getting a<br />
very boring exhibition. coz<br />
its thursday and i have no<br />
idea of what i can make for<br />
saturday. let´s see. boris<br />
ausnutzend. Ein kleinteiliges Universum von Mini-<br />
Schicksalen, ein Best Of seiner Bierdeckel- und Bauklotzarbeiten,<br />
selbstredend mit unverblümter Thematisierung<br />
gesellschaftlicher Tatsachen wie Vergewalti-<br />
am lebendigsten in dieser graugrün monochromen<br />
Landschaft. Und doch hatten die Animateure mit allem<br />
anderen auch gut zu tun: <strong>De</strong>nn eigentlich ist hier so gut<br />
wie alles in Bewegung. Business People laufen mit jeweils<br />
festem Ziel im Blick durcheinander durchs bewegte<br />
Kamerabild, diagonal und polygonal, passend zu ihrer<br />
und Yorkes polygonen Gesichtsarchitektur - halb photorealistisch,<br />
halb typisiert. Dabei sehen die künstlich intelligenten<br />
Agenten gar nicht, wie die regency-artigen<br />
Gebäude um sie herum einstürzen, um sich anschließend<br />
wieder als Platten/Bauhaus-Bauten aufzubauen.<br />
Oder genauer: Die programmierten Menschen<br />
scheint das nicht weiter zu irritieren, liegt ein Trümmerstück<br />
auf dem Boden, weichen sie einfach aus, ohne in<br />
unnötige kausale Warum-Schleifen zu geraten. Ihre zielgerechte<br />
Symptomreaktion (und ihr Dasein) verdanken<br />
sie einem 24-köpfigem Produktionsteam aus 3D- und<br />
2D-Spezialisten, gescannten Modellmenschen (Thom<br />
Yorkes Gesicht wurde allein mit 70 Fühlern nach Bewe-<br />
Ab 01.11. : Boris Hoppek & Anne Kittelmann als Künstler<br />
des Monats im Arto Kunstsupermarkt (arto superbazaro)<br />
www.arto-kunstsupermarkt.de<br />
www.borishoppek.de / www.kyotons.tk<br />
www.urban-art.info<br />
gung, Gewalt und Prostitution – die aber wegen ihrer<br />
Darstellungsweise das Label ‚sozialkritisch’ getrost links<br />
liegen lässt. Boris schert sich nicht um Kategorien: references<br />
– fight, love / publications – fight / techniques –<br />
love.<br />
Wenn Boris in Berlin sein muss, dann sitzt er verhältnismäßig<br />
gerne in der Automatenbar in Berlin Mitte, wo<br />
die Maschinen elektrisch sprechen – und schaut auf die<br />
Straße. Ein wenig wie im Büro des Magazins “Rojo”, wo<br />
die Menschen katalonisch sprechen und Boris Tisch und<br />
Stuhl kostenfrei besetzen darf, mit Blick über die Placa<br />
del Sol. Nur ein Schritt und mittendrin. hallosiegen.de:<br />
"Was fehlt dir in Siegen?" – Boris: "Wenn ich ehrlich bin,<br />
ein kleines Cafe an der Hafenmole am Mittelmeer".<br />
gungsmustern abgetastet) und Regisseur Alexander<br />
Rutterford, der den Clip mit seinen Anmutungen von<br />
Geschichte zum Glück auch noch über virtuoses Software<br />
Betatesting (Crowd Intelligenz via "Massive") und<br />
Promo-Funktion hinausgelangen lässt. Während Yorke<br />
singt, dekonstruiert sich also die Park-Umgebung. Und<br />
nochmal: Die künstlich intelligenten Agenten machen<br />
weiter. Die Blume macht weiter. Das Licht macht weiter.<br />
Die Animateure machen weiter. Ob da nun jemand (der<br />
schon selbst aus neu zusammengesetzten Splittern besteht)<br />
auf der Parkbank sitzt und orakelnd prophezeit:<br />
"Come to you as you sleep/I’m not gonna [go] to sleep<br />
and let this wash over me" oder nicht. Am Ende sind wir<br />
scheinbar alle wieder da angekommen, wo wir begonnen<br />
haben, die Blume dreht sich ins Bild, faltet sich zusammen<br />
und eine Park Avenue ist eine Park Avenue ist<br />
eine - oder etwa nicht? [KAREN]
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
POP<br />
MOONWALK MIT ADAM<br />
ZOOT WOMAN<br />
TEXT SASHA HORSLEY | HORSLEY@WEB.DE BILD SANDRA STEIN<br />
In Reading gibt es nicht nur das legendäre Reading-Festival, sondern auch genug<br />
Kids, die vor lauter Langeweile eine Band gründen, um mit ihr die Welt zu<br />
erobern. Adam und Jonny Blake sowie Stuart "Les Rhytmes Digitales" Price, besser<br />
bekannt als Zoot Woman, gehören dazu. Nach Ride und Slowdive jetzt also<br />
Zoot Woman. Ein intimes Unter-vier-Augen-Gespräch mit Adam.<br />
Die Ansage lautet, eine Stunde mit der ganzen Band.<br />
Stuart Price soll so eine Art Alleinunterhalter sein – man<br />
gibt ihm ein Stichwort und von da an sollte man sich in<br />
regelmälßigen Abständen versichern, dass die Aufnahmekassette<br />
noch nicht voll ist. Sie sitzen ihre Wartezeit<br />
bis zum Konzert in einem der mit Abstand hässlichsten<br />
Hotels Berlins ab. Und das auch noch in Neukölln. <strong>De</strong>m<br />
mit Abstand hässlichsten Kiez. Empfangshallen-Situation:<br />
Eine sehr liebe Bandbetreuerin des Labels, ein ernstzunehmender<br />
Sonst-knallts-Tagesspiegel Redakteur und<br />
ein scheuer kleiner Zoot-Woman-Frontmann sitzen auf<br />
hässlichen Sofas. Um sie herum kitschiger Goldnippes<br />
und vor ihnen ein zappeliger Adam Blake. Kurze Wartezeit,<br />
dann stürmt ein weiteres Labels-Teammitglied samt<br />
Stuart in die hässliche Empfangshalle des hässlichen Hotels.<br />
Wir werden alle aufgeteilt. <strong>De</strong>r schüchterne Jonny<br />
hat frei und darf aufs Zimmer. Er scheint erleichtert. Die<br />
PANARTISTIK<br />
TEXT SANDRA SYDOW | HOME-COMING-QUEEN@GMX.NET<br />
Die Chicks on Speed wollen sich nicht im Format Riot-Fly-Girl festnageln lassen.<br />
Punkschnoddrig mit Chic ist die Haltung von gestern. Jetzt wird auf dem neuen<br />
Album der Popmainstream mit wehenden Selfmade-Overalls geentert. Aber<br />
Musik ist eh nur eines ihrer Arbeitsfelder ...<br />
Ein flotter Dreier. Dachte man, die 15 Minuten Ruhm hätten<br />
die Chicks on Speed schon lange ausgereizt, siehe da,<br />
erscheint auf Labels das neue und inzwischen dritte Album:<br />
99cent. Vielleicht Sellout, aber Sonderangebot. Mit<br />
Blick auf die Aktivitäten von Melissa Logan, Kiki Moorse<br />
und Alex Murray-Leslie in den letzten Jahren könnte man<br />
meinen, sie spiegeln ein bisschen wieder, was Berlin und<br />
die Welt an musikalischen und modischen In & Outs so<br />
heimsuchte: 80s-Revivals, Electroclash, Postpunk und<br />
was uns Medien und Musik noch so alles auftischten,<br />
wurde direkt an den Blusenkragen der Chicks geheftet.<br />
<strong>De</strong>mnach dürfte der Hauptstadt bald ein Poprevival erster<br />
Güte bevorstehen, vertraut man 99cent. Doch anscheinend<br />
gibt es keine Nische, in die man die Drei<br />
stecken kann, ohne sich beim deplazierten Spagat zwischen<br />
Girlies und Riot-Grrrls den plakativen Rock zu zerreißen.<br />
Die neue Platte jedenfalls ist ein sprunghafter<br />
Gemischtwarenladen an Popalbum - so sollte es sein, das<br />
war der Plan, sagen die Damen und verwischen somit jede<br />
verwirrende Spur in Richtung "Majorvorwurf": "Underground,<br />
Sellout, Mainstream - alles Quatsch! 99cent ist<br />
beiden anderen angestrengt. <strong>De</strong>r Tagesspiegel kriegt<br />
den Stuart und die <strong>De</strong>bug den Adam. Jeweils an einem<br />
hässlichen Tisch mit steifen Stühlen.<br />
DEBUG: Hey! Ich hab euch was mitgebracht. Eigentlich<br />
dachte ich, ihr würdet hier zu dritt sitzen, jetzt musst du<br />
sie alle alleine trinken.<br />
(Ich ziehe drei kleine Fläschchen Moonwalk (von Sensatonics)<br />
aus der Tasche (ein so genannter Spacedrink, ein<br />
Likör aus speziell ausgewählten Pflanzen, der wohl gelassen<br />
und weich macht). Adam schaut ganz erschrocken,<br />
hört aber wenigstens auf zu zappeln.)<br />
ADAM: Danke (auf <strong>De</strong>utsch!) Du willst mich vergiften,<br />
oder?<br />
DEBUG: Es geht hier eher um einen Selbsttest. Ich frage<br />
mich, ob euer Konzert besser flutscht wenn ihr das vorher<br />
getrunken habt. Machst du mit?<br />
DIE GNADE HARTER ARBEIT / Chicks on Speed<br />
ein Konzeptalbum, eine klassische Popscheibe. Wir versuchen<br />
immer, uns in alle Richtungen auszustrecken, die wir<br />
erreichen können, um einen breiten Raum für unsere Kunst<br />
zu schaffen. Diesmal gings uns darum, möglichst viele Leute<br />
zu erreichen, und das kann man über ein größeres Label<br />
einfach besser. Die ganze Promotion ist zwar ziemlich stressig,<br />
gehört aber dazu. Gleichzeitig nehmen wir damit das<br />
ganze Popbusiness ein bisschen auf die Schippe. Mit der Fertigstellung<br />
des Albums ist die Sache für uns auch schon wieder<br />
abgehakt. Das, was als nächstes kommt, ist jetzt interessant<br />
für uns."<br />
WAS WAR, IST EGAL<br />
Frauen, die also genau wissen, was sie tun. Was aber<br />
kann noch kommen? Durch ständige musikalische Präsenz<br />
läuft man als Allroundkünstler schnell Gefahr, seine<br />
Message à la Beuys (remember: Jeder Mensch ist ein<br />
Künstler!) unter Turntables und Gitarren zu begraben.<br />
"Wir haben selbst gemerkt, dass durch das Touren zwar einerseits<br />
viele Menschen auf uns aufmerksam geworden<br />
sind, aber andererseits kommt da die eigentliche Kunst-<br />
(Kein Engländer lässt sich vergeblich herausfordern. Er<br />
schaut zwar skeptisch, doch schafft immerhin die halbe<br />
Flasche. )<br />
ADAM:Oha. Das schmeckt ja wie ein fruchtiges Lager!<br />
(Die ollen Pub-Nasen! Was bitte hat eine Biersorte mit einem<br />
Likör gemein?)<br />
DEBUG: Wie ist das, mit seinem Bruder in einer Band zu<br />
spielen?<br />
ADAM: Och. Pffh. Wir sind eben sehr unterschiedlich. Er ist<br />
eher der Eigenbrötler und ich der Extrovertierte. Im Bandleben,<br />
wenn es ums Musikmachen geht, funktionieren wir super,<br />
ansonsten bin ich einfach hippeliger. Er ist sehr ruhig.<br />
Ein typischer Krebs halt.<br />
DEBUG: Mein Bruder auch! Was bist du für ein Sternzeichen?<br />
ADAM: Wassermann!<br />
DEBUG: ICH AUCH! Wann hast du Geburtstag?<br />
(Wir stellen fest, er ist 27 Jahre. Nur fünf Tage älter als ich.<br />
Man nickt sich anerkennend zu. Er denkt viel nach, in seinem<br />
Kopf rattert es den ganzen Tag. Er braucht seine<br />
Freunde um sich, bespricht alles was passiert mit ihnen.)<br />
DEBUG: Seit wann kennt ihr Stuart und wieviel Zeit verbringt<br />
ihr miteinander?<br />
ADAM: Wir kennen uns schon seit der Schule! Jetzt wohnt<br />
er in London und wir noch immer in Reading. Wir sehen uns<br />
zum Musikmachen. Das ist dann sehr intensiv, aber wir hängen<br />
eben nicht jeden Tag zusammen rum wie früher.<br />
(Jetzt dreht er den Spieß rum und fragt mich wie ich die<br />
Platte finde.)<br />
DEBUG: Generell mag ich euch, weil ich es nicht so<br />
wahnsinnig abgedroschen 80s finde, sondern eben nur<br />
ein Krümelchen Retro, aber ansonsten 2003 und später.<br />
Plus schöne Texte eben. Bestes Stück? "Half Full Of Hap-<br />
piness" find ich großartig! (Sasha singt) "Half full Of happiness<br />
/ Record playing Lover’s Game / Just room for loneliness<br />
/ As empty days overflow"<br />
ADAM (strahlt): Hab ich geschrieben! Finde ich auch super.<br />
<strong>De</strong>r Text ist das Resultat von zu viel Nächten ausgehen, trinken<br />
und sonst nicht viel anderes machen. Am Ende hat man<br />
tätigkeit schon zu kurz. Wir sind ja keine Popgroup. Die <strong>De</strong>finition<br />
über unsere Musik allein ist ein Produkt der Musikpresse,<br />
die uns in eine Kategorie stecken muss.“ Das Unwort<br />
Elektroclash wird von den Chicks nur noch müde<br />
belächelt. Kein Chicken-run, sondern Eigeninitiative:<br />
"Wir haben zwar schon wieder ein Album in Planung, auf<br />
dem wir auch selbst mal Instrumente spielen (lachen), aber<br />
es wird zum Beispiel im November ein Buch von und über<br />
uns erscheinen." Das Buch soll unterhalten, informieren<br />
und ein paar Rechnungen begleichen. "Chicks on Speed,<br />
it’s a project!” wird ein Dokument sein, in dem alles<br />
schwarz auf weiß nachzulesen ist. <strong>De</strong>r Titel verrät es: Das<br />
Kunstprojekt COS wird durchleuchtet. Fassen wir mal zusammen:<br />
Musikerinnen, Schriftstellerinnen ... Was tun<br />
Mädchen noch, wenn man sie lässt? Genau: ihre eigenen<br />
Klamotten nähen. "Overalls for all!”, die neue Kollektion<br />
der Chicks, trifft sich zwischen “neu” und “altbekannt“.<br />
Overalls bedruckt mit Texten. Das Prinzip kennt man<br />
schon von ihren T-Shirts und Papierkreationen, doch<br />
geht man hier noch einen Schritt weiter. Mutet ein wenig<br />
an wie selbstgebastelte Collagenflyer für kanadische Alternativ-Bands,<br />
riecht aber nach heißem Scheiß für die<br />
nächste Saison. Dress for success! Eine Vernissage-Tour<br />
soll es geben. Eine Art Three-in-one-Sache: Catwalk, ausstellen,<br />
auf der Bühne performen. <strong>De</strong>r Plan sollte aufgehen.<br />
Vergangene Reaktionen beweisen es. "Die Leute reagieren<br />
ganz wunderbar. Wir haben sehr kritische Fans, die<br />
uns fragen: Was soll das denn jetzt? Was macht ihr da ei-<br />
INFO<br />
Zoot Woman, s/t, ist auf Wall of Sound/Labels erschienen.<br />
www.wallofsound.net<br />
sich lediglich aufs nächste Mal ausgehen gefreut. Während<br />
dessen gehts einem super, aber man vergisst eben, sich einen<br />
Kopf zu machen, was danach kommt.<br />
DEBUG: Ich find es immer wieder erstaunlich, wenn ich<br />
auf die Texte höre und dagegen das Gefühl der Melodie<br />
nehme. Bei diesem Album lasst ihr Traurigkeit und Pessimismus<br />
sprachlich raus, aber – tut mir leid – ich krieg von<br />
der Platte immer gute Laune. Und jetzt gerade kommst<br />
du mir auch nicht vor wie ein frustrierter TwinTown<br />
Engländer, der nur den Regen kennt.<br />
ADAM: Es reicht ja, solche Texte zu schreiben. Da hat man<br />
alles Traurige bereits rausgelassen. Stimmt schon, ich bin<br />
keinesfalls ein eher schlecht gelaunter Typ.<br />
(Er fragt mich nach meinen anderen Gute-Laune-Hits<br />
und in welcher Situation ich die höre, wo ich lebe usw. (Ja<br />
hier ungefähr fing es an, dass ER mich letzten Endes interviewte.<br />
Er kennt jetzt das Kind, den Hund, den Vater<br />
des Kindes und den Freund plus aller <strong>De</strong>tails.) Mittlerweile<br />
brauch ich ein bißchen Moonwalk.)<br />
DEBUG: Wer waren denn die Lieblingsbands von little<br />
Adam?<br />
ADAM: Jetzt gerade erinnere ich mich an: Nirvana, Traffic,<br />
Yes, Steely Dan vielleicht noch The Cure. Die Erinnerung<br />
schwankt.<br />
DEBUG: Was magst Du lieber? McDonalds oder Burger<br />
King?<br />
ADAM (Sichtlich angespornt vom Drink): Aaah, McDonalds<br />
natürlich. <strong>De</strong>r König unter den Burgern. Burger King macht<br />
zwar auf Big Grill, aber im Endeffekt ist es doch der gleiche<br />
Kram, nur dass die Saucen bei Mc Donalds besser sind.<br />
DEBUG: Well done. Herzlichen Dank.<br />
ADAM: Nein. Lass noch bisschen weiterquatschen. Sieh<br />
mal, Stuart telefoniert schon seit 'ner halben Stunde, der ist<br />
bestimmt gleich fertig und dann muss er sich um den Herrn<br />
kümmern, der da auf sein Interview wartet. Wenn ich jetzt<br />
Es reicht ja, solche Texte zu schreiben. Da hat man alles<br />
Traurige bereits rausgelassen.<br />
aber schon vor ihm fertig bin ...<br />
Verstehe. Sehr gerne diskutieren wir noch ein bisschen,<br />
was Frauen und Männer jeweils besser machen könnten,<br />
um für das andere Geschlecht verständlicher zu werden.<br />
Und was man in dem Hotel alles verbrennen müsste, damit<br />
man sich wohl fühlen könnte.<br />
INFO<br />
Chicks On Speed, 99cent, ist auf Labels / EMI<br />
erschienen<br />
www.chicksonspeed.com<br />
gentlich? Und dann nehmen wir dazu Stellung. Auch wenn<br />
zwischendurch immer Dinge anders laufen, als wir das gerne<br />
gehabt hätten, gehört das zum Prozess dazu. Das ist kein<br />
Scheitern im Sinne von zurückfallen. Man steht auf der Bühne<br />
und vor einem sind unheimlich viele großartige Menschen,<br />
die einem zu verstehen geben: Das, was ihr macht, ist<br />
super! Da denkt man nur noch daran, dass man sich selbst<br />
nie ganz gesellschaftsfähig gefühlt hat. <strong>De</strong>n Menschen da<br />
geht’s genauso und jetzt sehen die an uns: Es geht alles. Man<br />
muss sich nicht unterordnen, um was zu schaffen. Das motiviert<br />
die Leute selbst anzufangen, und das ist das Ziel.“<br />
Chicks on Speed als Motivatoren zum Do-it-yourself. Bei<br />
soviel Plänen, was kann man sich da noch für die Zukunft<br />
wünschen? Ist da noch ein großer Traum, den es zu verwirklichen<br />
gilt? "Oh ja. Ein Traum wäre noch ein Haus. Eine<br />
Basis. Räumlichkeiten, um anderen Leuten auch die Möglichkeit<br />
zu geben, unabhängig kreativ zu arbeiten.“ <strong>De</strong>r Anfang<br />
ist gemacht. Chicks-on-Speed-Records arbeitet seit<br />
langem in genau diese Richtung. Fast forward. Was bekommen<br />
wir mit auf den Weg? -"It’s the biggest mistake,<br />
that hard work is a burden“, frei nach C. Hepburn. Also:<br />
Don’t cry - work! Und hart arbeiten sie offensichtlich<br />
wirklich, die Chicks on Speed. So hart, dass der Fototermin<br />
mit <strong>De</strong>bug leider abgesagt werden musste. Vielleicht<br />
aber auch ein weiterer Schritt im Konzept: "Wir treten<br />
dem Musikbusiness in den Arsch!“ - Keine Erwartungshaltung<br />
bedienen, nicht definiert werden, sondern definieren.
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
INTERNET / COPYRIGHT / 9-11<br />
DAS FREENET VERLÄSST DIE STAATEN / Ian Clarke<br />
TEXT MIKAEL PAWLO | MPAWLO@ALGONET.SE<br />
Mit Ian Clarke verlässt diesen Monat einer der wichtigsten FreeSpeech-Aktivisten<br />
und Gründer von Freenet die Vereinigten Staaten. Nach den Attentaten<br />
des 11. September war ihm das politische Klima schon seit einiger Zeit zu hart<br />
geworden. Ausschlaggebend wurde letztendlich dann die hierzulande kaum beachtete<br />
Verhaftung des arabischen Amerikaners und Programmierers Mike Hawash<br />
wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten. Was hinter Freenet und<br />
dem Fall Mike Hawash steckt, erklärt er im Interview.<br />
In einem Kommentar auf Slashdot erwähnte Ian Clarke<br />
vor kurzem seine Entscheidung, die USA zu verlassen -<br />
und sorgte damit in der Programmierer-Community für<br />
Aufregung. <strong>De</strong>nn Ian Clarke ist nicht irgendjemand, sondern<br />
gehört mit Freenet zu einem der bekanntesten radikalen<br />
FreeSpeech-Aktivisten. Freenet wendet sich gegen<br />
jede Art von Zensur, indem es eine technische Infrastruktur<br />
zur Verfügung stellt, die unkontrollierbar ist,<br />
denn anders als das Internet distribuiert Freenet dezentralisiert<br />
Information. Mikael Pawlo, selbst in Schweden<br />
im Bereich der FreeSpeech aktiv, interviewte Ian Clarke<br />
per Email zu den aktuellen Topics.<br />
DEBUG: Zunächst nochmal zur Person: Wer ist Ian Clark?<br />
IAN CLARKE: Ich bin Gründer und Koordinator des Freenet-Projekts,<br />
Chef der Cematics LLC, Gründer von Locutus<br />
und Erfinder der WhittleBit Such-Engine. Ich war technischer<br />
Leiter von Uprizer Inc. und habe in England in der<br />
Raumfahrtindustrie als Berater für Logica PLC gearbeitet.<br />
Studiert habe ich aber an der Universität von Edinburgh.<br />
Dort habe ich meinen Abschluß in Computer Science und<br />
Artifical Intelligence gemacht.<br />
DEBUG: Was ist Freenet?<br />
IAN CLARKE: Freenet ist eine freie Software, mit der Information<br />
ohne Angst vor Zensur veröffentlicht und gelesen,<br />
also konsumiert werden kann. Freenet ermöglicht eine komplett<br />
dezentrale und robuste Art und Weise, mit der Menschen<br />
anonym Nachrichten lesen und publizieren können.<br />
Es entwickelte sich aus einem Konzept, das ich noch als Student<br />
an der Universität Edinburgh geschrieben hatte. Ich<br />
habe mich damals sehr für etwas interessiert, das man<br />
"emergente Systeme" nennt. Das sind etwa Ameisenpopulationen,<br />
Bienenvölker oder Vogelschwärme. Emergente Systeme<br />
bestehen aus einer großen Anzahl gleicher oder ähnlicher<br />
Bestandteile, jedes für sich eher einfach in ihrem Verhalten.<br />
Kommen jedoch viele von ihnen zusammen und handeln<br />
interaktiv, können sie so etwas wie intelligentes Verhalten<br />
an den Tag legen. Ich wollte einen Weg finden, mit der<br />
Anwendung emergenter Architektur ein realistisches Problem<br />
zu lösen - und die Freiheit der Kommunikation zu sichern,<br />
passte sehr gut dazu. Ich habe etwa ein Jahr damit<br />
verbracht, die Theorie hinter der Funktionsweise von Freenet<br />
zu entwickeln, bevor ich es in Simulationen getestet habe.<br />
Die Ergebnisse dieser Simulationen waren viel versprechend<br />
und schließlich führte das zu dem gemeinsamen Ent-<br />
wicklungsvorhaben, aus dem dann schließlich Freenet wurde.<br />
DEBUG: Hat Freenet eigentlich irgendjemanden geholfen?<br />
IAN CLARKE: Hat es in der Tat, in Ländern wie China wird<br />
Freenet aktiv genutzt, um trotz Zensur seitens der Regierung<br />
die freie Verteilung von Informationen zu ermöglichen.<br />
Ein paar Leute haben nur für diesen Zweck Freenet ins<br />
Chinesische übertragen. Auch in anderen Ländern, etwa<br />
auch der USA, wird es dazu benutzt, zensierte Informationen<br />
zu verbreiten, wie etwa die Scientology "Operating Thetan"-Dokumente.<br />
Insgesamt wurde es über 2 Millionen mal<br />
heruntergeladen.<br />
DEBUG: Als ich mit Phil Zimmermann sprach, erzählte<br />
er, dass der Anschlag vom 11. September ihn nachdenklich<br />
gemacht hatte. Er dachte über die Entscheidung, das<br />
Verschlüsselungsprogramm PGP als Freeware zu veröffentlichen,<br />
nochmal neu nach. Schließlich kam er zu dem<br />
Schluss, dass es trotz allem richtig war, PGP zu veröffentlichen,<br />
denn die Gesellschaft sei besser dran mit einer<br />
sicheren Verschlüsselungstechnik. Hattest du ähnliche<br />
Gedanken bezüglich Freenet?<br />
IAN CLARKE: Nein, nicht für eine Sekunde. Ich bin tief davon<br />
überzeugt, dass die Freiheit der Kommunikation absolut<br />
essentiell für den menschlichen Fortschritt ist. Ich bin in Irland<br />
aufgewachsen, und während dieser Zeit lernte ich, dass<br />
Terrorismus nicht das Produkt von Freiheit, sondern von ihrer<br />
Abwesenheit, der Abwesenheit von Freiheit und Verständnis<br />
ist. Zensur ist immer ein Gegner von Freiheit und<br />
Verständnis - und also der Freund des Terrorismus.<br />
DEBUG: Soweit ich es verstanden habe, ist Freenet eine<br />
Anwendung zum Austausch von Information wie das Internet,<br />
nur mit zusätzlicher Anonymität. Wann wird Freenet<br />
das Web als erste Wahl ersetzen?<br />
IAN CLARKE: Das Freenet ist zur Zeit viel langsamer als das<br />
Internet und wird nie fähig sein, viele Dinge zu tun, wie sie<br />
das Internet kann, z.B. Interaktivität mit den Nutzern. Wie<br />
gesagt, Freenet ist eine sehr effektive und skalierbare Art<br />
und Weise große Dateien zu verteilen. Es ist immun gegen<br />
"denial-of-service"-Angriffe. Es ist also hauptsächlich nützlich<br />
für das übergeordnete Ziel: anonyme Informationsverteilung.<br />
DEBUG: Einige Leute, die versuchen die Verteilung von<br />
anstößigem Material oder kriminellen Aktivitäten im Internet<br />
zu stoppen, sehen unangenehme Implikationen in<br />
einem Projekt wie Freenet. Kannst du erklären, warum<br />
trotzdem die Vorteile überwiegen?<br />
IAN CLARKE: Meinungsfreiheit existiert nicht, wenn den<br />
Leuten nur erlaubt ist zu sagen, was du als anständig oder<br />
wahr erachtest. Wenige würden die obligatorische Installation<br />
von Überwachungskameras in Privat-Wohnungen tolerieren,<br />
auch wenn das alle Formen des Kindesmissbrauchs<br />
und häuslicher Gewalt verhindert könnte. Sind die, die sich<br />
gegen so etwas wehren würden, deswegen gleich Verfechter<br />
des Missbrauchs an Kindern? Wer sich für diese <strong>De</strong>batte interessiert:<br />
detailliertere Diskussionen über die Gründe hinter<br />
Freenet findet man übrigens auf unserer Philosophie-<br />
Seite.<br />
DEBUG: Kommen wir zu einer Entscheidung, die du erst<br />
kürzlich getroffen hast: Wieso willst du die USA verlassen?<br />
IAN CLARKE: Es gibt dafür eigentlich mehrere Gründe. Erstens,<br />
da mein momentaner Job nicht meine Anwesenheit<br />
an einem bestimmten Ort erfordert, ich könnte wahrscheinlich<br />
vom Nordpol aus arbeiten, wenn ich dort eine<br />
schnelle Internetleitung hätte. Zweitens, will ich nicht in einem<br />
Land leben, in dem ich als Ausländer als jemand gelte,<br />
der weniger Gerechtigkeit verdient als ein US-Bürger. Drittens,<br />
weil ich das Gefühl habe, dass die Richtung, in die sich<br />
die Sache mit dem geistigen Eigentum etwa mit der DMCA<br />
oder den Software Patenten in diesem Land entwickelt, Innovationen<br />
viel schwieriger und riskanter macht, besonders<br />
im P2P Bereich. Es gibt viele Sachen, die ich an den USA<br />
mag, aber dort zu sein, macht für mich einfach keinen Sinn<br />
mehr.<br />
DEBUG: Was ist falsch am Fall von Mike Hawash, einem<br />
arabischen Amerikaner und Intel-Programmierer, dem<br />
auf Grund einer Reise nach China unterstellt wurde, von<br />
dort nach Afghanistan reisen zu wollen und gegen Soldaten<br />
der USA zu kämpfen? Man klagt ihn als Terroristen<br />
an.<br />
IAN CLARKE: Ich bin kein Experte für diese spezielle Situation,<br />
trotzdem. Es berührt einen schon, wenn manche Leute<br />
nicht wahrnehmen, dass ein Geständnis unter Zwang genauso<br />
wenig gültig ist, wie die erzwungenen Schuldgeständnisse<br />
von amerikanischen Kriegsgefangenen im Vietnam-Krieg.<br />
DEBUG: Hast du die USA schon verlassen oder änderst<br />
du nochmal deine Meinung?<br />
INFO<br />
The Free Net Project: freenetproject.org<br />
Mike Hawash: www.freemikehawash.org<br />
Mikael Pawlo: www.pawlo.com<br />
.<br />
IAN CLARKE: Ich werde jetzt, also Anfang Oktober abreisen,<br />
und habe nicht vor, meine Meinung nochmal zu ändern.<br />
DEBUG: Spielt es eigentlich überhaupt eine Rolle, wo<br />
man in dieser globalisierten Welt wohnt, so lange man<br />
sich in einer westlichen <strong>De</strong>mokratie aufhält?<br />
IAN CLARKE: Wenn sich die USA wie eine westliche <strong>De</strong>mokratie<br />
benehmen würden, dann vielleicht, aber unglücklicherweise<br />
tun sie das nicht.<br />
DEBUG: Cory Doctorow kommentierte deine Entscheidung,<br />
die USA zu verlassen, mit "Amerika verliert einen<br />
wichtigen <strong>De</strong>nker und Tüftler mit Ian - und es sind zweifelsohne<br />
schon andere Ians abgeschreckt worden, deren<br />
Weggang weniger laut gewesen sind. Es ist eine Schande,<br />
dass er Godwins Gesetz verletzte, als er seinen Abschiedsbrief<br />
schrieb. Tatsächlich hat Godwin recht, wenn<br />
er meint, dass jede Diskussion bei dem Erwähnen eines<br />
Vergleichs mit Hitler oder den Naziverbrechen beendet<br />
ist. Es gab denjenigen, die uns gerne vom eigentlichen<br />
Thema ablenken wollen, einen praktischen Grund, sich in<br />
den Streit mit sinnlosen Argumente über die Angebrachtheit<br />
eines Vergleiches mit dem Nazi-<strong>De</strong>utschland<br />
einzumischen". Was meinst du dazu?<br />
IAN CLARKE: Cory und ich hatten eine interessante Diskussion<br />
deswegen. Cory stimmte schließlich mit mir überein,<br />
dass mein Vergleich treffend war, aber bestand weiter<br />
darauf, dass Nazi-Vergleiche niemals benutzt werden sollten,<br />
da sie vom eigentlichen Thema ablenken. Ich glaube, es<br />
Ich bin tief davon überzeugt, dass die Freiheit der<br />
Kommunikation absolut essentiell für den menschlichen<br />
Fortschritt ist.<br />
ist wichtig, dass wir niemals vergessen, was im Nazi-<br />
<strong>De</strong>utschland passiert ist. Schon allein, damit es sich niemals<br />
wiederholt. Als Konsequenz ziehe ich es daher vor, wenn solche<br />
Vergleiche eher zu oft, als zu selten gezogen werden.<br />
DEBUG: Welche Veränderungen der US Politik müssten<br />
passieren, damit du bleibst, bzw. zurückkommen würdest?<br />
IAN CLARKE: In ein anderes Land zu gehen, ist eine teure<br />
und irgendwie auch traumatische Erfahrung. Also würde<br />
ich den Aufwand, in die USA zurückzugehen, nur für einen<br />
wirklich guten Grund auf mich nehmen. Ich werde in die<br />
schöne Stadt Edinburgh in Schottland ziehen und ich schätze<br />
mal, es wird schwierig sein, mich zu überreden, da wieder<br />
wegzugehen, wenn ich mich da einmal niedergelassen habe<br />
;-)<br />
DEBUG: Also war Freenet ein Schulprojekt und du hast<br />
'ne zwei dafür bekommen, wer kriegte die eins dieses<br />
Jahr?<br />
IAN CLARKE: Keine Ahnung ;-)
Today we<br />
WORK HARD<br />
to decorate the<br />
house<br />
www.diesel.com<br />
Number 160 in a series of Diesel “How to...” guides to successful living. For more information: call Diesel <strong>De</strong>utschland GmbH 211-4185600 www.diesel.com
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
COPYRIGHT<br />
SOFTWAREPATENTIERUNG / Europa entscheidet später<br />
TEXT ANTON WALDT | WALDT@QUINTESSENZ.AT<br />
Das Europäische Parlament in Brüssel hat die Entscheidung über Softwarepatentierung<br />
erneut verschoben. Die Industrielobby sah sich schon als Sieger, da<br />
klopfte die Kampagne von Euro-Linux nochmal an und weckte zumindest einige<br />
Köpfe auf. Anton Waldt erklärt, worum es geht, und fasst die wichtigsten Punkte<br />
zusammen.<br />
Fangen wir vorne an: Nachdem Otto der Höhlenmensch<br />
im Gebüsch eine Keule gefunden hatte, bekamen allzu<br />
neugierige Zeitgenossen eine übergebraten und hielten<br />
fortan die Schnauze. Damit wurde eine Erfinderkultur<br />
geboren, die bis heute lebendig ist, nur die Ausdrucksformen<br />
haben sich deutlich gewandelt. Wenn ein Konzern<br />
im Internet einen Link findet, versucht seine<br />
Rechtsabteilung diese "Erfindung" zu patentieren und<br />
anschließend von allen, die einen Link setzen, Lizenzgebühren<br />
einzutreiben, also irgendwie die zeitgemäße<br />
Form des Überbratens. Was sich angesichts von geschätzten<br />
zwei Milliarden Internet-Sites mit durchschnittlich<br />
rund 50 Links absurd anhört, ist allerdings<br />
vor drei Jahren wirklich passiert: Damals machte die British<br />
Telecom geltend, ein US-Patent auf die Funktionsweise<br />
von Hyperlinks zu halten, und wollte Lizenzgebühren<br />
von Providern dafür kassieren. Das fragliche Patent<br />
wurde zwar vor Gericht nicht anerkannt, der Fall<br />
macht allerdings deutlich, wie Patente im Bereich von<br />
Bits und Bytes die unmöglichsten Schäden anrichten<br />
können.<br />
Zwischen der Keule und dem Link ist allerdings eine<br />
Menge passiert und eine Zeit lang war diese Entwicklung<br />
sogar anerkannter Maßen vernünftig. Die ersten<br />
Patente gehen auf mittelalterliche Bergwerkspriviliegien<br />
zurück und deshalb sprach man lange Zeit auch noch<br />
von "Monopolen", wenn es um die exklusive Nutzung ei-<br />
BILDER<br />
BILDERKRITIKEN<br />
TEXT STEFAN HEIDENREICH | STEFAN@DE-BUG.DE<br />
LORD HUTTON, FOTOGRAF UNBEKANNT<br />
WWW.THE-HUTTON-INQUIRY.ORG.UK/<br />
The-hutton-inquiry.org.uk avancierte im August zu Englands<br />
meistgelesener Polit-Site im Internet. Hutton hütet<br />
ein Reservat der Seriosität inmitten eines Dschungels<br />
von Lügen. Prominente Gäste sind zu seiner Talkshow<br />
geladen, allerdings unter Ausschluss der Fensehkameras.<br />
Information aus erster Hand gibt die Internet-<br />
Seite, die auf jeden Fall eines nicht sein will: Sexed up,<br />
wie die aufgebauschten Geheimdienstquellen der<br />
Kriegstreiber im Februar. Das Porträt des Lord Hutton<br />
zeigt den Leiter der Komission mit zusammengekniffenen<br />
Mund, sein Blick von einer Brille verstellt. Mit beiden<br />
Händen hält er sich an einem voluminösen Buch<br />
fest, um sich seiner Souveränität als Richter zu vergewissern.<br />
Das Porträt steht auf der in einer coolen Minimalästhetik<br />
schwarz-weiß-olivbraun gehaltenen Seite<br />
neben einer Kurzbeschreibung des Auftrags: "eine dringende<br />
Untersuchung der Umstände des Tods von Dr.<br />
Kelly" vorzunehmen. Die jüngste Avantgarde politischer<br />
ner Technik ging. Das moderne Patentrecht entstand<br />
dann Ende des 18. Jahrhunderts und wurde im Zuge der<br />
industriellen Revolution in ganz Europa und den USA<br />
endgültig etabliert. Solange es um greifbare Techniken<br />
geht, ist das Patentprinzip seitdem weitgehend anerkannt:<br />
Wer jahrelang an der Erfindung der Glühbirne<br />
oder einer Krabbenpulmaschine bosselt, darf seine Erfindung<br />
eine zeitlang exklusiv nutzen oder eben Lizenzen<br />
erteilen. Komisch wird es erst, wenn reine Ideen<br />
oder Codes patentrechtlich geschützt werden sollen<br />
und hier wird derzeit auf zwei Gebieten tüchtig gestritten.<br />
PATENTIERUNGEN HEUTE<br />
Zum einen geht es um den Schutz von Gen-Sequenzen,<br />
zum anderen um Software. Letztere ist aus guten Gründen<br />
in Europa noch nicht patentierbar, anders als in den<br />
USA, wo Amazon für den genialen Einfall des "Ein-Click-<br />
Webshoppings" Lizenzgebühren verlangen darf oder<br />
aber von seinen Konkurrenten, unnötige Klicks in den<br />
Kaufvorgang einzubauen. Kompliziert wird die Lage in<br />
der EU allerdings dadurch, dass das europäische Patentamt<br />
(EPA) seit Ende der 90er zehntausende Patente auf<br />
Programmieraufgaben, Geschäftsideen und organisatorische<br />
Verfahren erteilt hat. Diese sind zwar vor Gericht<br />
kaum zu halten - bisher sind alle angezweifelten Patente<br />
nivelliert worden - aber mindestens die Patentanwäl-<br />
01 02<br />
Berichterstattung stellt sich als Rückkehr zur Oberfläche<br />
eines Amtsblatts dar. Keine Paparazzi, keine<br />
Gerüchte aus zweiter Hand, keine aufdringlichen Talkmaster,<br />
keine Polit-Show, kein populistisches Geschwafel<br />
von Kandidaten und deren PR-Beratern. Statt dessen<br />
eine amtliche Offensive, um der politischen Klasse wenigstens<br />
ein Stück Seriosität zurückzugewinnen. Das<br />
Komissions-Unwesen grassiert als eine neue Form von<br />
Politmarketing. In <strong>De</strong>utschland im Dienst der heroischen<br />
Aufgabe des "Downgrading Germany", in England,<br />
das von Maggie Thatcher schon hinreichend downgegraded<br />
wurde, auf der Spur der so genannten<br />
Wahrheit. Für Fachleute aller Sparten und höchst ehrenwerte<br />
Lordrichter hat man Reservate eingerichtet,<br />
aus denen sie spärlich dosiert ihre halbamtliche Wahrheit<br />
übermitteln. Das spröde Image gehört zum Geschäft,<br />
als Gegenentwurf zur herrschenden Medio-Kratie<br />
und deren visueller Selbstdarstellung. Die PR-Agentur<br />
Lord Huttons hat ihr bestes gegeben, um ihn "down<br />
zu sexen". •••<br />
te und das EPA haben mit dieser Praxis schon Millionen<br />
umgesetzt. Daneben kann aber auch davon ausgegangen<br />
werden, dass die faktische Erteilung von Software-<br />
Patenten politisch gewünscht war, denn ohne dies Art<br />
Rückendeckung dürften die braven EPA-Ingenieure aus<br />
München nicht in diesem Umfang aktiv geworden sein.<br />
DER TEURERE RECHTSANWALT GEWINNT<br />
Die Patentierungspraxis gab nämlich der interessierten<br />
Industrie die Möglichkeit, 1998 effizient nach einer Neuregelung<br />
des EU-Patentrechts zu verlangen, natürlich<br />
mit dem Ziel, Software und Geschäftsideen auch Prozess-fest<br />
patentieren zu können. Seitdem gab es eine<br />
ziemlich schmutzige Lobbykampagne seitens der Softwarekonzerne<br />
in Brüssel, bei der offensichtlich alle<br />
Hemmungen fallen gelassen wurden. Gallionsfigur der<br />
Patentbefürworter wurde die britische Sozialdemokratin<br />
Arlene McCarthy, die dafür sorgte, dass beispielsweise<br />
in einem Sondierungspapier mit den Antworten<br />
einer Umfrage solange herumgerechnet wurde, dass<br />
aus vier Prozent Zustimmung eine "Mehrheit für Softwarepatente"<br />
wurde. Sowas geht, wenn man "die wirtschaftliche<br />
Potenz" der Antwortenden gewichtet, weil<br />
dann 50 Industriemeldungen 1.400 Open-Source-Aktivisten<br />
locker wegdrücken. Vor allem aus der Linux-Szene<br />
kam vehementer Widerstand gegen die geplanten Software-Patente.<br />
Für Open-Source-Entwickler, aber auch<br />
INFO<br />
Euro-Linux: eurolinux.org<br />
Die EU-Richtlinie im Volltext:<br />
europa.eu.int/comm/internal_market/en/<br />
indprop/comp/com02-92de.pdf<br />
für die Mehrzahl der Softwarefirmen würden die Patente<br />
nämlich die Arbeit ungemein erschweren, wenn nicht<br />
sogar zum Erliegen bringen. Die einzigen, die von den<br />
Patenten profitieren würden, wären die größten Konzerne,<br />
und dies vor allem deshalb, weil sie über große<br />
Rechtsabteilungen und genügend Kapital für langwierige<br />
Prozesse verfügen: Darüber ob ein Code geschützt<br />
ist, lässt sich in jedem Einzelfall immer trefflich und kostenintensiv<br />
streiten.<br />
VERTAGUNG<br />
Bis Ende August sah es allerdings so aus, als ob die Industrie<br />
ihr Lobbyspiel gewinnen würde, bis kurz vor der<br />
Darüber, ob ein Code geschützt ist, lässt sich in jedem<br />
Einzelfall immer trefflich und kostenintensiv streiten.<br />
FOTO: WING SHYA, AIR LIQUIDE<br />
IN: STYLE SEPTEMBER/2003<br />
In einem Vorort einer Millionenstadt kleidet der Fotograf<br />
seine Models mit Label-Klamotten ein. Dicke Luft<br />
über Peking oder Shanghai. Das Reich der Mitte, ein<br />
Reich der Produktion. Werden die fotografierten Kleider<br />
schon in Shenyang genäht, oder hat der Stylist sie nach<br />
China mitgenomen? Sind sie ein Bote des bösen chinesischen<br />
Exportüberschusses oder ein Bote der guten<br />
Milliarde künftiger Konsumenten? Oder etwas Doppeltes,<br />
etwas in der Mitte: Re-Import von Kleidern und Re-<br />
Import von Bildern. In China genähte Kleider. Nach<br />
Westeuropa verfrachtet. Mit dem Stylisten wieder<br />
zurück. An Chinesinnen fotografiert, um in unserem<br />
heimischen Reich des Konsums stilistische Distinktionen<br />
zu repräsentieren. Man stelle sich vor: in einem Vorort<br />
von Berlin sitzen in dusteren Fabriken unterbezahlte<br />
Tagelöhner, um chinesische Kostüme zu nähen. Ein Model,<br />
das sich Hoffnung auf einen Job im goldenen Reich<br />
der Mitte macht, darf für ein chinesisches Magazin in<br />
geplanten Abstimmung eine Kampagne von Euro-Linux<br />
sowohl im Netz als auch mit einer <strong>De</strong>monstration vor<br />
Ort das Bewusstsein der Parlamentarier für das Problem<br />
erstmals richtig weckte. Die Abstimmung wurde daraufhin<br />
für mindestens drei Wochen verschoben und inzwischen<br />
sieht es sogar so aus, als ob die geplante Regelung<br />
keine Mehrheit finden würde. Stattdessen dürfte eine<br />
wesentlich entschärfte Bestimmung beschlossen werden,<br />
in der nach dem derzeitigen Stand der Diskussion<br />
nur "tatsächliche, industrielle Produkte" patentwürdig<br />
sein werden. Mit der Keule aus dem Software-Gebüsch<br />
bekommt damit hoffentlich in Europa auch weiterhin<br />
niemand eine übergebraten.<br />
unbezahlbaren Fummeln als exotische Langnase posieren.<br />
Die Umkehrung der globalen Produktionsverhältnisse<br />
ist nicht undenkbar. <strong>De</strong>n heimischen Retail-Markt<br />
an kulturellen Daten hat China längst gekapert. Seit es<br />
gerippte DVDs überall zu Spottpreisen gibt, wurden die<br />
Produktionen der westlichen Kulturindustrie radikal<br />
entwertet. Eine Kulturrevolution der anderen Art. Umgekehrt<br />
hoffen desillusionierte heimische Ökonomen<br />
längst auf <strong>De</strong>utschlands Anteil an Chinas milliardenschweren<br />
Markt. <strong>De</strong>r softe deutsche Eisenbahn-Kolonialismus<br />
nach dem Modell der Bagdad-Bahn ist vor<br />
Shanghai schon Wirklichkeit geworden. Nun müssten<br />
nur noch die Lohnkosten in <strong>De</strong>utschland auf chinesisches<br />
Niveau sinken und der Yuan kräftig aufgewertet<br />
werden, um die ökonomische Perspektive auf das Bild<br />
radikal umzukehren. schon von Glück reden, wenn das<br />
Unsägliche sichtbar wird.<br />
••••
HOUSE<br />
Wir treffen Ricardo Villalobos in der spanischen Atlantikmetropole Vigo. Es ist<br />
mitten am Tag. Eine Clubnacht ist zu Ende gegangen. Was passiert? Wir wollen<br />
einen immer wiederkehrenden Moment rekonstruieren, eine Privatheit aufstöbern,<br />
einfach alles ganz genau wissen. Schließlich geht es doch um <strong>De</strong>tails, oder<br />
nicht? Z.B. darum, dass Ricardo Villalobos einmal einen Flug verschoben hat,<br />
weil er eine Folge der Krankenhausserie St. Angela nicht verpassen wollte.<br />
DEBUG: Also auf nach Vigo ...<br />
RICARDO: Das ist die krasseste Koks-Stadt Europas! Da<br />
kommt für den gesamten südeuropäischen Raum das Koks<br />
rein. Klar war ich schon mal da. Es war schön dort. Ich wüsste<br />
jetzt allerdings nicht, ob ich tatsächlich im Hotel schlafen<br />
sollte ...<br />
DEBUG: Nun. Gehen wir mal davon aus. Du überlegst,<br />
dich zurückzuziehen, vielleicht sogar schlafen zu gehen.<br />
Du sperrst also die Hoteltür zu und dafür geht die Kühlschranktür<br />
der Minibar auf. Welcher Drink lacht dich sofort<br />
an?<br />
RICARDO: Nach so einem Abend nehme ich mir eine Flasche<br />
guten, aber billigen spanischen Rotwein, die aber nicht<br />
im Kühlschrank steht.<br />
DEBUG: Damit beginnt die Entspannungsphase?<br />
RICARDO: Die beginnt damit, dass ich mir eine Tüte drehe.<br />
DEBUG: Und in einer Stadt wie Liverpool? Wäre der Ablauf<br />
dann anders?<br />
RICARDO: Nein. <strong>De</strong>r Rotwein ist wegen seiner Inhaltsstoffe<br />
gut zum Einschlafen. Überall.<br />
DEBUG: Richtest du dich ein bisschen ein in den Hotelzimmern?<br />
RICARDO: Ich komme rein, schmeiße meine Sachen in irgendeine<br />
Ecke, trinke den Rotwein, dreh die Tüte und schlafe<br />
meist bei laufendem Fernseher ein.<br />
DEBUG: Was läuft? CNN oder BBC?<br />
RICARDO: Auf keinen Fall. Ich schalte einen Musikkanal<br />
oder irgendeine englische Talkshow an.<br />
DEBUG: Entspannend.<br />
RICARDO: Das stört mich überhaupt nicht, weil ich dann<br />
sofort einschlafe. Es sei denn, wir sind in Vigo. Fernsehen<br />
aber ist überhaupt keine Ruhestörung, eher so ein vertrautes<br />
Rumgemurmel.<br />
DEBUG: Sind Hotels deine zentralen Begegnungsstätten?<br />
RICARDO: Auf jeden Fall. Es sind sehr funktionale Situationen,<br />
die man nicht mal mehr im Kurzzeitgedächnis einspeichert.<br />
Wenn ich alleine bin, versuche ich, meine Zeit mit<br />
schlafen zu gestalten. Aber allein mit mir selbst? Selten.<br />
DEBUG: Dann gibt es natürlich noch so Sachen wie Pay<br />
TV.<br />
RICARDO: Auf jeden Fall. Super cool.<br />
DEBUG: Wegen der Pornos?<br />
RICARDO: Zum Teil wegen der Pornos. Es ist interessant zu<br />
sehen, wie unterschiedlich die weltweit sind. In Holland<br />
sind die Pornos grenzenlos: Da sieht man alles, was geht. In<br />
Südamerika ist es eher so ein klassisches Ding. In England<br />
dagegen wird alles nur angedeutet.<br />
DEBUG: Wie angedeutet?<br />
RICARDO: Man sieht die Körper, wie sie sich bewegen, und<br />
alles dauert ganz furchtbar lange, Vorspiel und alles wird<br />
kaschiert. Keine Genitalien.<br />
DEBUG:<br />
Keine Cum-Shots?<br />
RICARDO: Auf keinen Fall.<br />
AMERIKA ALS SCHLAFTABLETTE<br />
DEBUG: Worüber unterhalten sich Musiker momentan<br />
auf ihren Reisen?<br />
RICARDO: Meistens über Platten und wo man das letzte<br />
Mal gerade gespielt hat. Dann wird erzählt, ich hab da und<br />
da schon mal gespielt usw. und dann kommt das Gespräch<br />
darauf, dass man eigentlich gar nicht mehr nach Amerika<br />
will, weil das nicht unterstützenswert ist. Ja, über Amerika<br />
redet man sehr oft. Amerika ist das außermusikalische Thema.<br />
DEBUG: Lass uns über Amerika reden.<br />
RICARDO: Dieser ganze Clan um Dick Cheney und den alten<br />
Bush. <strong>De</strong>n tollpatschigen Sohn aber als Arschloch zu<br />
bezeichnen, wäre ein bisschen gemein. Er ist ja nur der<br />
Handlanger seines Vaters, der sein Berater ist.<br />
DEBUG: Bereitet dir das Schlafstörungen?<br />
RICARDO: Nein, im Gegenteil, wenn ich darüber ausgiebig<br />
reden kann, kann ich sogar besser schlafen.<br />
DEBUG: Welcher DJ bereitet dir Schlafstörungen?<br />
RICARDO: Die, die völlig unmotiviert ein Bier nach dem<br />
anderen trinken und einem total das Ohr abkauen.<br />
DEBUG: Was hältst du von Leuten wie Moodyman oder<br />
Theo Parrish, die gewisse Gesten im internationalen DJ-<br />
Set unterlaufen. Sie manifestieren damit einen Bruch<br />
und sagen: Diese eine heilige universale Rave-Community<br />
existiert nicht ....<br />
RICARDO: Ihr Verhältnis ist gebrochen und sie handeln<br />
aus dem Komplex heraus, dass sie in der Gesellschaft, von<br />
der weißen Community nicht für voll genommen werden.<br />
So z.B. Moodyman, der der weißen Community vorwirft, sie<br />
hätten bei der schwarzen gestohlen. So etwas ist natürlich<br />
extrem unmusikalisch. Wenn man anfängt zu sagen, alles<br />
wurde gestohlen und Musik kommt eigentlich aus Afrika,<br />
wo wäre Musik dann heutzutage, wenn Musiker so denken<br />
würden?<br />
LEINWAND IST NICHT LEIWAND<br />
DEBUG: Man kann immer sagen: Na gut, ihr seid auf Separatismus<br />
aus, aber das ist nicht der Punkt. Es geht ja<br />
darum, wenn sie hinter Folien spielen, sich verstecken -<br />
dieses ganze Disappearing-Moment -, dass es eine performative<br />
Politik gegen diesen gute Laune-Terror der<br />
DJs gibt. Einen Bruch in der Zeit des Vergnügens im<br />
Vergnügen.<br />
RICARDO: Das hat aber trotzdem etwas sehr Unfreundliches<br />
für die Zuhörer.<br />
DEBUG: Das ist ja genau das, was ich meine ...<br />
RICARDO: Ja, dann braucht man doch gar nicht in eine<br />
Diskothek zu gehen, um Spaß zu haben, wenn irgend so ein<br />
Typ sich hinter einer Leinwand versteckt, weil er es nicht für<br />
angemessen hält, von den Weißen überhaupt angesehen zu<br />
werden.<br />
DEBUG: Diese Folie reflektiert doch einfach nur etwas.<br />
RICARDO: Dann brauche ich nicht in den Club gehen. Ich<br />
kann dann wirklich auch zu Hause bleiben und dabei fernsehgucken<br />
...<br />
DEBUG: ... und DJ-Sets streamen und nicht mehr anwesend<br />
sein?<br />
RICARDO: Ja, soll jemand in irgendeiner amerikanischen<br />
Radiostation auflegen und an 20 verschiedenen Plätzen auf<br />
der Welt stellen sich 20 Leute mit Afro-Perücken hin und<br />
tun so, als würden sie auflegen.<br />
DIE "AMERIKANISCHE NACHT" EMIGRIERT<br />
DEBUG: Könnte man nicht sagen, das größte Versprechen<br />
liefert die ”Amerikanische Nacht”?<br />
RICARDO: Ja klar.<br />
DEBUG: Heißt das nicht, dass man Amerika ganz anders<br />
affirmieren muss? Kann der ganze Traum von Rave und<br />
allem, was man an Soundpolitiken erzeugen kann, daran<br />
gar nicht vorbeigehen?<br />
RICARDO: Ja, das war mal so. Aber mittlerweile haben die<br />
Amerikaner den Rave-Act verabschiedet und NYC ist von<br />
der aufregensten Stadt zur langweiligsten mutiert.<br />
DEBUG: Ist nichts mehr übriggeblieben?<br />
RICARDO: Auf keinen Fall. Das Einzige ist der musikalische<br />
Fortschritt, der immer wieder aus Amerika kommt.<br />
Labels, Musiker, Kreative, die auch aus ihrer Realität heraus<br />
gute Musik machen. <strong>De</strong>troit etc.<br />
DEBUG: Aber die Amerikanische Nacht - metaphorisch<br />
betrachtet – bleibt faszinierend. In den USA haben sich,<br />
so restriktiv die Gesetze auch immer waren, popkulturelle<br />
Räume eröffnet. Von Christopher Street Day bis hin<br />
zu Paradise Garage ...<br />
RICARDO: Ich sehe vermehrt, dass Amerikaner nach Europa<br />
gehen, um diese Amerikanische Nacht zu leben.<br />
DEBUG: Weiterzuleben an einem anderen Ort?<br />
RICARDO: Mit der Ortsungebundenheit entfällt die Gebundenheit<br />
an Amerika, während sie an andere Orte<br />
gleichzeitig wächst.<br />
DEBUG: Warum sollten politische Statements in Musik<br />
hörbar gemacht werden?<br />
RICARDO: Ich wäre als halber Südamerikaner völlig fehl<br />
geraten, wenn ich keine politische Message in meine Musik<br />
einbringen würde. Man kann politische Statements dadurch<br />
setzen, dass man wie Ultra Red <strong>De</strong>monstrationsparolen<br />
aufnimmt und wie einen Chor als Gesang einsetzt<br />
und mit elektronischer Musik paart. Die Aura des entstanden<br />
Stücks hat etwas sehr Protesthaftes.<br />
DEBUG: Aber nicht im klassischen Sinne, weil dieser<br />
Chor etwas Gespenstisches hat.<br />
RICARDO: Ja, er bespielt nur den Hintergrund des Stücks,<br />
INFO<br />
Ricardo Villalobos, Alcachofa, ist auf Playhouse, das<br />
Mixalbum ”Taka Taka” ist auf Coocon erschienen.<br />
www.mad-net.de/ongaku ;<br />
www.cocoon.net ; www.ultrared.org<br />
”La nuit américaine” ist ein Film von<br />
François Truffaut (F / I 1972/73)<br />
DIE AMERIKANISCHE NACHT / Ricardo Villalobos<br />
TEXT ALJOSCHA WESKOTT, SAMI KHATIB | ALJOSCH@YAHOO.DE, SAMI@DE-BUG.DE<br />
dennoch spürt man die Aura dieser Masse. Es gibt viele Ebenen<br />
des politischen Statements in einem Stück, z.B. durch<br />
eine bestimmte Titelwahl. Als Musiker oder DJ ist man<br />
durch die Aufmerksamkeit, die man erfährt, verpflichtet, in<br />
Interviews oder durch die Musik, durch die man wahrgenommen<br />
wird, politische Statements zu setzen. Ich habe<br />
Protestmusik oder Aufnahmen wie die der letzten Rede des<br />
chilenischen Präsidenten (Allende) wegen meiner linken Eltern<br />
schon immer gehört und deshalb <strong>De</strong>rartiges bereits in<br />
anderen Stücken benutzt.<br />
DEBUG: Es geht dir aber primär um den Club als Raum?<br />
RICARDO: Es geht zentral um die Rhythmik, um den<br />
Raum, den die Musik einnimmt und schafft.<br />
DEBUG: Kann mit dieser Musik auch ein Hotelzimmer<br />
zum Club mutieren?<br />
RICARDO: Ja, auch. Die Zeitungebundenheit ist letztlich<br />
das, wonach wir uns sehnen, warum wir auch so lange in<br />
Diskotheken bleiben, 30, 40 Stunden.<br />
MAKRO-POLITISCH UND MIKRO-RAUSCHHAFT<br />
DEBUG: Was ich nicht verstehe, ist dieses Verhältnis<br />
von Real- und Mikropolitik. Wie sieht der realpolitische<br />
Anschluss aus, wenn doch alle Soundpolitiken darauf<br />
ausgerichtet sind, einen Diskozustand auszudehnen, zu<br />
verlängern, um aus der vorgegebenen Zeitrechnung in<br />
eine eigene, kollektive Zeit zu verschwinden. Wo ist da<br />
die Realpolitik? Mit Protestbewegungen in Südamerika<br />
ist das nicht vergleichbar.<br />
RICARDO: Ich sehe unsere ganze Clubszene eher wie eine<br />
Art Siesta, weg aus der Realität. Die Politik ist das, was man<br />
in dieser Siesta, diesem Traum oder den Gesprächen in der<br />
Clubsituation erlebt und in die Realität überträgt.<br />
DEBUG: Ist das wirklich möglich? Was ist mit der Trennung<br />
zwischen makro-politisch und mikro-rauschhaft?<br />
RICARDO: Wenn die Trennung zu stark wird, höre ich auf,<br />
Musik zu machen.<br />
DEBUG: In welche Zeitschriften blätterst du zwischendurch?<br />
Face oder ID?<br />
RICARDO: In keiner.<br />
DEBUG: Welche Mode beeindruckt dich auf Ibiza?<br />
RICARDO: <strong>De</strong>r krasse Gegensatz von Hippietum und Glamour.<br />
Die Touristen wollen in die Nähe des Glamours, etwa<br />
im Amnesia, wo im V.I.P.-Bereich der Champagner schon<br />
mal 1000 Euro kostet, während im Norden der Insel von der<br />
Hand in den Mund gelebt wird. Dieser Widerspruch zieht<br />
Ich wäre als halber Südamerikaner<br />
völlig fehl geraten,<br />
wenn ich keine politische<br />
Message in meine Musik<br />
einbringen würde.<br />
mich an. Und der Wunsch, auch mal neben Puff Daddy zu<br />
sitzen.<br />
DEBUG: Also doch auch Lifestyle?<br />
RICARDO: Ich nehme mir gerne etwas von diesem Kuchen,<br />
bin aber nicht Teil davon.<br />
DEBUG: Auch nicht für den Moment?<br />
RICARDO: Naja, nicht von dieser Glamourwelt. Es gibt<br />
dort gemietete V.I.P.-Räume, in die niemand - nicht mal die<br />
Polizei - rein darf. Das wird alles von einer Armee von Securityleuten<br />
geregelt.<br />
<strong>De</strong>r Fernseher läuft noch. Es ist 15 Uhr morgens. <strong>De</strong>r<br />
Aufbruchsloop des Auscheckens beginnt.<br />
DEBUG: Wie ist das?<br />
RICARDO: Wenn man wegfährt, dann will man einfach<br />
nur noch weg. Ich habe meinen Job getan. Entweder nach<br />
Hause oder zum nächsten Gig. Mit dem Kopf bin ich schon<br />
bei der nächsten Station. <strong>De</strong>r Prozess des Auscheckens ist<br />
völlig automatisiert. Es ist etwas, an das ich mich auch nie<br />
erinnere.<br />
DEBUG: Ist man als DJ dann jeden Morgen am falschen<br />
Ort?<br />
RICARDO: Theoretisch ja. <strong>De</strong>r Sinn ist verflogen. Man<br />
möchte zurück zu den Menschen, die man liebt.<br />
TECHNO<br />
BILD JULIA WINDHOFF<br />
TEXT SASCHA KÖSCH | BLEED@DE-BUG.DE<br />
THOMAS SCHUMACHER IST:<br />
ELEKTROCHEMIE LK<br />
In Bremen gibt es nicht nur die Esel-Posse, nein, einer<br />
der beständigsten Ravegrößen <strong>De</strong>utschlands<br />
kommt auch daher. Raven konnte er allerdings<br />
dort kaum, und eine Techno-Infrastruktur gab es<br />
auch nicht, ein Sysex ist nicht genug, also reiste er<br />
wie so viele durch die Gegend. Thomas Schumacher<br />
bekam mit 14 seinen ersten Synthesizer und<br />
machte, das war '86, als es noch nicht in war, von<br />
elektronischer Musik zu HipHop zu wechseln, HipHop.<br />
Wieso? Weil es jede Menge GIs gab. In welches<br />
Studio Schumacher auch reinlugte, immer<br />
war ein GI am Mikrofon. Er wechselte aber schnell<br />
zu EBM, Nitzer Ebb, Front 242, wurde aber, sobald<br />
er das erste Mal in Frankfurts damaligem Technotempel,<br />
dem Dorian Gray, einlief kuriert und fand<br />
niemals wieder von Techno zurück. Sein Projekt<br />
Elektrochemie LK, stellenweise sein Raveaushängeschild<br />
per se, versucht sich auf dem neuen Album,<br />
nicht zuletzt wegen der vielen Sängerinnen,<br />
allen voran seine Freundin Kaitlin, in souligeren<br />
Gefilden. Trotz aller erprobter Technopartyeffekte.<br />
Aber seinen Eigennamen behält er nach wie vor<br />
Technotracks vor. Ravebretter, wie man damals gesagt<br />
hätte. Ab 1992 hatte er ein erstes Projekt, NIP<br />
Collective, das auf Pedobeat, einem Bremer Label,<br />
rauskam, von Steve Mason, seinem damaligen<br />
Held, auf BFBS gespielt wurde und in Taniths<br />
Frontpage-Charts war. Ein Motivationsschub, der<br />
bis heute nicht aufhört. '95 trennten sich die beiden,<br />
weil sein Freund House machen wollte, er<br />
aber in die 303 vernarrt war, und mit seinem Bush<br />
Release standen Tür und Tor zum Techno-Adel offen.<br />
“Es ging richtig los, eine Techno-DJ-Karriere”,<br />
sagt er mit einem Schmunzeln. Und seine Freundin<br />
sagt: OhOh. Im Februar dieses Jahr hatte er sich<br />
dann entschlossen “wenns am schönsten ist aufzuhören.<br />
Ich muss sagen, grade das letzte Jahr war<br />
toll für mich. Wo ich auch aufgelegt habe, immer war<br />
es gut. Vielleicht sogar ganz gegen den Trend. Viele<br />
Leute meinten ja, das läuft nicht mehr, die Clubs machen<br />
dicht, aber ich habe das überhaupt nicht so<br />
empfunden. Natürlich habe ich mit vielen Kollegen<br />
geredet, viel mitgekriegt, und du siehst nicht nur positive<br />
Sachen. Da gibt es Kollegen, die total ausgebrannt<br />
sind und sich einfach nur noch die Nase goldig<br />
verdienen.” Gesünder und zufriedener als Schumacher<br />
kann man allerdings kaum aussehen. <strong>De</strong>nn in<br />
Bremen hat er Zeit, sich auszuruhen und A&R für<br />
sein Label Spielzeug Schallplatten zu sein. Es ist ja<br />
höchstens mal ein Northern Soul Allnighter, auf<br />
den man tanzen gehen müsste. Beschäftigt mit<br />
seinem neuen Album und der Tour dazu fehlt ihm<br />
aber trotzdem das Auflegen, und das Ende war<br />
wohl nur eine kurze Pause. Live performt Kaitlin<br />
(“not like Beonce Knowles or anything like that”)<br />
zu den Tracks, aber immer mit der Crowd. Auf dem<br />
Sonne Mond und Sterne Festival hatten sie ihr bestes<br />
Set. Thomas sah laut International Pony aus<br />
wie ein Kraftwerkclone, das Publikum liebte sie<br />
und die extra für das Set gemachten Kurzfilme von<br />
Bremer Freunden. Festivalfreuden eines Profiravers.<br />
“Ich finde, es gibt Grenzen, wenn die Leute nur<br />
noch abgehen, weil da diese Person steht, aber es gibt<br />
auch genügend mündige Raver.“ Thomas Schumacher<br />
kommt aus den Clubs und er lässt es auch bei<br />
Liveauftritten nicht dabei, einen Track nach dem<br />
anderen mit Pausen dazwischen runterzuspielen,<br />
sondern ist jetzt passionierter Ableton Live Benutzer.<br />
Spielt Remixe von anderen für ihn, Mashups<br />
von seinen Tracks mit z.B. “Tainted Love” oder einen<br />
Track, der via Residents von Michael Jackson<br />
und über Clemens Neufeld dann noch Madonna<br />
passiert. “Ich warte nur darauf, dass eine Flut von<br />
coolen Bootlegs kommt. Das ist es doch jetzt. Für<br />
mich ist der Ansatz von Techno aber vielleicht auch<br />
ein anderer als bei manchen, weil es für mich von<br />
Punk kommt. Tun und lassen, was man will.” Raven<br />
kann immer down to earth bleiben, egal in welcher<br />
Liga es spielt.<br />
Elektrochemie LK, Come Right OnTime, ist auf Fuel /<br />
EastWest erschienen.<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
DIGITALE LIEDERMACHER<br />
ISOLIERTE KOLLISION / Markus Popp & Eriko Toyoda machen “So”<br />
TEXT ALEXIS WALTZ| ALEXIS@DE-BUG.DE BILD KAI VON RABENAU<br />
Ovals Markus Popp hat sich mit der japanischen Musikerin Eriko Toyoda zusammengetan,<br />
um ein Vocal-Album aufzunehmen. Das scheint mit dem Trend der<br />
Gegenwart ganz d'accord. Dabei ist beim Projekt "So" alles ganz anders.<br />
DEBUG: Worum geht es bei so? Ist das Oval mit mehr<br />
Songstruktur?<br />
POPP: In Bezug auf So ist es ein Missverständnis, von der<br />
Oval-Economy auszugehen und Song-Formate hinzuzufügen.<br />
Es ist nicht so, dass ich da jemanden hinstelle und zu<br />
meiner Musik singen lasse. Eriko hat jahrelang für sich extrem<br />
viel und sehr verschiedenartiges Material aufgenommen.<br />
Die Stücke existierten, aber nur bei ihr, aber das ist<br />
wesentlich mehr als ein Song-Writing, sie macht auch die<br />
ganze Elektronik. Die Arbeit an So ist die, ein Archiv durchzuschauen<br />
und zu sehen, was man damit machen kann. Es<br />
geht darum, wieder ein Handmade Appeal da rein zu bekommen,<br />
obwohl es natürlich alles gerechnet ist. Das ist<br />
schon durch zwei, drei Reflexionsstufen gegangen, bevor<br />
man sagt, da hört man eine Gitarre.<br />
DEBUG: Die Rezeption kam euch nicht gerade entgegen?<br />
POPP: Es gibt wieder mal eine Reihe von Vermeidungsimperativen<br />
um die Musik herum. Man verbringt viel Zeit damit<br />
zu erklären, was die Musik nicht ist: zu erklären, warum<br />
es kein Song-Writing ist, keine Folk-Musik. Es ist in erster<br />
Linie das, was zwei Produzenten, die beide in sich eine kompromisslose<br />
Art haben, daraus machen können. Das ganze<br />
Projekt stand hundertmal an einem Punkt, wo wir es gar<br />
nicht mehr machen wollten. Weil da alles aufeinander<br />
knallt. Es ist nicht so, dass man sich hinsetzt und ein paar<br />
Files ausbalanciert, gerade rechnet und die meiste Zeit mit<br />
Labelverhandlungen verbringt. Es ist eine Kollision. <strong>De</strong>shalb<br />
auch das Schlachtschiff-Szenario [auf dem Cover] – da<br />
schießt man sich die Sachen hin und her. Es entspricht nicht<br />
dem Spirit, dass alles ganz einfach und kompatibel ist, dass<br />
man sich einfach in das Wireless-Netzwerk reinklinkt.<br />
DEBUG: Werden die Stücke in der Struktur von Songs<br />
geschrieben?<br />
TOYODA: Es geht weniger um die Teile, mehr um Atmosphären.<br />
POPP: Einiges ist von ihr sehr weit entwickelt, anderes sehr<br />
direkt. Manchmal kann ich gar nichts hinzufügen, manchmal<br />
füge ich etwas hinzu, aber der Track geht in eine ganz<br />
andere Richtung.<br />
TOYODA: Das hängt vom Track ab. Jeder Track hat seine<br />
eigenen Regeln. Ich oder wir setzen keine Grenzen, wie der<br />
Song sein soll. Ich oder wir finden Sounds, aus denen entwickeln<br />
wir die Regeln, nach denen wir arbeiten. Was ich<br />
nicht machen will, ist experimentelle Musik - die Musik entspricht<br />
dem, wie ich erinnert werden will.<br />
POPP: Statt von Atmosphäre würde ich von Qualität sprechen,<br />
was wahrscheinlich das Reaktionärste ist, was man<br />
vorschlagen kann. Die Sachen, die ich vorher gemacht habe,<br />
sollten den Leuten ermöglichen, ihre eigenen Kriterien<br />
zu entwickeln, um zu beurteilen, was passiert – Oval und<br />
Ovalprocess. Ovalprocess war nichts anderes als ein Interface,<br />
um den Hörer zu befähigen, Erwartungen zu reflektieren.<br />
Ich wollte mich nicht mehr hinter dem "music only“-<br />
Ansatz verstecken. Bei So geht es zum ersten Mal weniger<br />
darum, die Leute zu etwas zu ermutigen, es geht eher darum,<br />
die Leute zu ermutigen aufzuhören. Obwohl es reaktionär<br />
klingt, würde ich sagen, dass es um Qualität geht.<br />
Die Qualität zu verbessern, ist natürlich ein sehr komplizierter<br />
Prozess, aber er findet jenseits des Punktes statt, an<br />
dem es Sinn machen würde, auf die Komplexität hinzuweisen,<br />
oder darauf, dass etwas super kontingent ist, oder darauf,<br />
dass aufwändige Technik verwendet wird. Heute entwickelt<br />
sich die Musik insgesamt zu einem strategischen<br />
und formalen Preset, das Sound produziert. Uns geht es um<br />
die Qualität, die Atmosphäre des Sounds. Das ist komplett<br />
subjektiv, jeder hat natürlich seine eigenen Qualitätskrite-<br />
rien. Was heute zirkuliert, ist reiner Output, reiner Datenstrom.<br />
Natürlich hängt So von der Infrastruktur, von der<br />
Logistik von seinem Rahmen ab, es ist technologisch im selben<br />
Rahmen hergestellt. Aber jeder Track hat seine eigene<br />
Charakteristik, sein eigenes Gleichgewicht. Auch das klingt<br />
reaktionär: der Komponist, der subjektive Künstler, der Produzent,<br />
der für sich einen eigenen Ansatz in Anspruch<br />
nimmt. So soll Musik sein, die zu den Leuten spricht, die<br />
wirklich nur gehört werden kann. Meiner Meinung nach ist<br />
das nicht gewöhnlich, weil die Musik funktionaler geworden<br />
ist: ein performativer Messwert, eine Technologie, eine<br />
Strategie Sound gegenüber - und nicht etwas, dem man<br />
zuhören kann.<br />
DEBUG: Was ist die Funktion experimentellerer elektronischer<br />
Musik?<br />
POPP: Sie dient dazu, das System am Laufen zu halten, das<br />
System komplexer zu machen. Es geht weniger um das performative<br />
Ergebnis einer Aufführung, sondern um die<br />
Komplexität der Rahmenbedingungen. Es geht darum, die<br />
Zahl der Releases, der Vertriebe, die Zahl der Protagonisten,<br />
der Recording Artists zu erhöhen. Es geht darum, ein System<br />
zu füttern. Die theoretischen Grundlagen von So sind<br />
auch sehr komplex, aber sie müssen nicht notwendigerwei-<br />
Andere Musik ist nicht wichtig für euch?<br />
“Nein. Ich habe mich lange mit Lautsprechern<br />
beschäftigt, da habe ich auch andere Musik zum<br />
Testen benutzt.“<br />
se artikuliert werden. So versucht alles einfach aussehen zu<br />
lassen. Es geht nicht um vorausgeplante Konzepte im Bezug<br />
auf die Sounds, es ist ein Vorschlag, eine Organisation<br />
des Sounds, den wir anbieten können. Weil Eriko so viel anbieten<br />
kann, ist es ein erster Versuch.<br />
DEBUG: Wenn du von Qualität sprichst, welche spezifischen<br />
Qualitäten interessieren dich?<br />
POPP: Für diese Aufnahme streben wir eine handgemachte<br />
Qualität an, alles klingt, als sei es minutiös aus einer<br />
natürlichen Struktur geschnitzt.<br />
TOYODA: Es soll etwas sein, das die Leute annehmen können.<br />
POPP: Es geht um eine Struktur, die als Songwriting erkennbar<br />
ist, obwohl sie nicht so entstand – Second-Order-<br />
Songwriting. Alles was man von dieser handgemachten Arbeitsweise<br />
hört, ist natürlich simuliert. Es ist sehr risikoreich,<br />
etwas wie So zu machen. Es entwickelt sich zu langsam.<br />
Wir sind nicht ins Studio gegangen, wir haben kein<br />
Equipment für draußen, wir treffen keine berühmten Musiker,<br />
um mit ihnen zu arbeiten. Insofern ist es minimal.<br />
Natürlich profitieren wir auch von der Produktivitäts-Revolution,<br />
im Wesentlichen ist alles auf einem iBook entstanden.<br />
Letzten Endes braucht der Prozess einfach Zeit. Es ist<br />
eine Test-Aufnahme, eine <strong>De</strong>monstration der Technologie.<br />
Wir warten ab, wie es aufgenommen wird. Wenn es diese<br />
Reaktion gibt, können wir damit arbeiten und uns verbessern.<br />
DEBUG: Wie arbeitet ihr zusammen?<br />
POPP: Wir arbeiten überhaupt nicht zusammen. Wir arbeiten<br />
getrennt. Jeder hat seine eigenen Strategien, Methoden,<br />
Zeitpläne bis ins letzte <strong>De</strong>tail. Tatsächlich gleichzeitig<br />
in einem Raum zu arbeiten wäre für uns beide eine Überforderung.<br />
Da würde es wahrscheinlich bis jetzt überhaupt<br />
kein Ergebnis geben. Dieser Sommer-Camp-Ansatz, eine<br />
Aufnahme in drei Monaten auf dem Land herzustellen,<br />
hätte nie funktioniert. Das hätte nach zwei Stunden in einem<br />
gewaltigen, erbitterten Streit geendet.<br />
Es ist eine Zusammenarbeit, bei der jeder einzelne sehr genau<br />
weiß, was sie/ er will. Es gibt kaum gemeinsamen Boden.<br />
Nachdem wir uns getroffen haben, war sofort klar,<br />
dass wir Feinde für immer sein würden, wenn wir nicht das<br />
Material verschmelzen.<br />
DEBUG: Wie wird die produktive Verbindung organisiert?<br />
POPP: Wir treffen uns von Zeit zu Zeit und besprechen,<br />
was es zu tun gibt. Es gibt eine Abmachung über einen gemeinsamen<br />
Pool von Material. Es gibt eine Roadmap, was<br />
wir erreichen wollen, da geht es um ganz kleine Schritte,<br />
keinen Karriere-Plan.<br />
Wir stellen uns unsere Produktion als Hinterlassenschaft<br />
vor, deshalb ist es sehr verantwortlich, es geht darum, sein<br />
eigenes Archiv zu erschaffen. Es reflektiert weniger, was wir<br />
jetzt tun, eher wie wenn man nach Jahren retrospektiv<br />
zurückschaut und sieht, das haben wir gemacht, wir konnten<br />
die Zeit auf eine okaye Art benutzen, anstatt zu jeder<br />
Zeit alles zu veröffentlichen. Alle Kontexte sind heute so<br />
zersplittert. Ich weiß nicht, wie eine typische Karriere in<br />
diesem Feld aussehen könnte, deshalb arbeiten wir in unserem<br />
eigenen Tempo, das braucht Zeit. Natürlich gibt es<br />
Möglichkeiten, aber das ist nicht mehr so sehr das Kriterium.<br />
Alles ist möglich, man kann jeden Tag eine CD veröffentlichen<br />
oder etwas ins Internet stellen oder was auch immer<br />
man in Echtzeit macht. Das Statement von So ist anders,<br />
So ist komplett isoliert.<br />
DEBUG: Andere Musik ist nicht wichtig für euch?<br />
POPP: Nein. Ich habe mich lange mit Lautsprechern beschäftigt,<br />
da habe ich auch andere Musik zum Testen benutzt.<br />
DEBUG: Du arbeitest eigentlich aus dir heraus?<br />
POPP: Da gibt es genug Material, man kann das umarbeiten.<br />
Das Statement ist, eher zu reduzieren.<br />
DEBUG: Ist das ein kulturpolitisches Statement, das<br />
nun verfügbare Archiv abzuschneiden?<br />
POPP: Ich sehe das in keinem größeren Zusammenhang,<br />
Ausnahmsweise. Wo es bei Oval nur um Konzepte ging, das<br />
war ein einziges Modell dafür. Bei So soll man einfach hinhören,<br />
dann merkt man schon was. Das Statement ist: Es<br />
sind zwei Leute und die machen da was und das kann man<br />
sich anhören. Das ist einfacher, 1 zu 1, das sind die Leute, die<br />
sind ganz nett und die machen das nur so, die haben halt so<br />
und so viel Zeit.<br />
DEBUG: Warum der Name So?<br />
TOYODA: Es ist ein gutes Wort, für mich hat es zahllose<br />
Bedeutungen, zugleich ist einfach der Hinweis: So, hier, das.<br />
Es sollte auch ein Name sein, den man sich leicht merken<br />
kann.<br />
POPP: Im Japanischen organisiert er die Zeit, wenn man jemand<br />
anders zustimmt, ohne es explizit zu sagen. Man gibt<br />
dem anderen die Möglichkeit nachzudenken oder zu kommentieren.<br />
INFO<br />
So, s/t, ist auf Thrill Jockey erschienen.<br />
www.thrilljockey.com
FINDER<br />
14 TY<br />
HipHop von Süd-London Richtung aufwärts<br />
14 CALIBRE<br />
Neues vom Drum and Bass-Wunderkind<br />
15 URSULA RUCKER<br />
Das Leid der Welt in Spoken Words<br />
15 GUSTAVO LLAMAS<br />
Elektronischer Eigensinn aus Argentinien<br />
HIPHOP<br />
Aesop Rock ist ein wenig erledigt. Gestern ist er von<br />
New York nach Berlin gekommen, hat auf dem Nachtflug<br />
nicht geschlafen und abends gab es dann als Krönung<br />
ein verdorbenes Essen im Hotel. <strong>De</strong>mentsprechend<br />
geplättet sitzt er mit Augenringen und weißen<br />
Tennissocken in seinem Hotelzimmer, hinter ihm ein<br />
zerwühltes Bett und auf dem Tisch ein paar Graskrümel.<br />
Seinem Redefluss tut das momentan eher passable<br />
Wohlbefinden allerdings keinen Abbruch, schließlich ist<br />
er ja MC, und da muss man das mit dem Erzählen unter<br />
allen Umständen schon irgendwie hinbiegen können.<br />
Bei <strong>De</strong>fJux erscheint gerade sein neues Album, Bazooka<br />
Tooth, und es ist mal wieder sehr gut geworden.<br />
MUST NOT SLEEP<br />
Aesop Rocks Platten sind essentiell. Sicherlich nicht,<br />
weil sie besonders leicht zugänglich sind und sich die Lyrics<br />
bereits nach dem ersten Hören erschließen. Es sind<br />
eher langlebige Platten, die nach und nach mehr Bedeutung<br />
bekommen. Das liegt vor allem an seiner Art, Wörter<br />
zu kombinieren und damit eine abseitig wirkende<br />
Perspektive in ein ausdrucksstarkes Gewand zu stecken.<br />
Bevor ihm ein Plattenvertrag in der Tasche lag, hat Aesop<br />
Rock seine Tracks auf CD gebrannt und unter anderem<br />
auf Konzerten verkauft. "Music For Earthworms"<br />
und "Appleseed" waren sehr beliebt und haben inzwischen<br />
Kultstatus. Auf Fragen nach Wiederveröffentlichung,<br />
die er bereits hinter dem Aussprechen der Plattentitel<br />
vermutet, reagiert er jedoch etwas gereizt, indem<br />
er sich eine imaginäre Knarre in den Mund steckt.<br />
Was heißen soll, dass er sie keinesfalls wieder rausbringen<br />
möchte, auch wenn er damit, wie Preise dieser Platten<br />
bei Ebay nahe legen, vermutlich ganz gut verdienen<br />
würde. Aber darum geht es nicht, man entwickelt sich ja<br />
weiter, weshalb also auf vergangene Zeiten zurückblicken<br />
und mit alten Kamellen Geld scheffeln. Zumal<br />
das ja eigentlich EPs waren, "Float" war sein erstes Album<br />
mit Plattenvertrag, das 2000 auf Anfrage bei Mush<br />
erschien. Gern denkt er nicht an diese Zeit, denn viel ist<br />
da nicht richtig gelaufen, die Vorstellungen divergierten<br />
und von Zusammenarbeit kann nicht die Rede gewesen<br />
sein. Bei seinem jetzigen Label, <strong>De</strong>f Jux, ist das alles<br />
ganz anders. Labelchef El-P und er sind gute Kumpel,<br />
Cannibal Ox schon lange gute Freunde, sie wohnen alle<br />
um die Ecke voneinander, und überhaupt ist der ganze<br />
Vibe gemeinschaftlich und produktiv, denn einem wird<br />
freie Hand gelassen, und selbst wenn El-P einen von Aesop<br />
Rocks Tracks mal nicht so brilliant finden sollte, ändert<br />
das nichts daran, dass der Track auf die Platte<br />
kommt. "Es gibt dort viel mehr sowas wie eine Atmosphä-<br />
CHEMICAL BROTHERS<br />
16 10 Jahre Rave’n‘Roll<br />
16 WALL OF SOUND<br />
Die BigBeat-Kumpels feiern Geburtstag<br />
17 THE BOOKS<br />
Folky Cutup-Pop aus Holland<br />
18 <strong>APPARAT</strong><br />
Jenseits von Cosmic Baby und Max/MSP<br />
AESOP ROCK / Mehr Kopf als Kappe<br />
TEXT CLARA VÖLKER | CAYND@DE-BUG.DE BILD JOHANNA PAGELS<br />
Mit seinen brillanten Lyrics gehört der New Yorker Aesop Rock längst in den<br />
MC-Olymp. Auch auf seiner zweiten LP bei <strong>De</strong>fJux treffen ungewohnte Wortkombinationen<br />
auf scharfsinnige Betrachtungen und rumpelig-dreckige Beats.<br />
re, einen Vibe. Da es weniger Stress gibt, kann man sich viel<br />
mehr aufs Musik machen konzentrieren. Und das ist eh alles,<br />
was ich je wollte. Ich kann einfach mit Leuten abhängen,<br />
die meine Freunde sind und dann nach Hause gehen<br />
und meine Platte machen." 2001 kam bei <strong>De</strong>f Jux Aesop<br />
Rocks groß gefeiertes Album "Labor Days" raus, das ihm<br />
zu allerhand Magazinfeatures und einem positiven Pressekanon<br />
verhalf. Aufgrund seiner neuen Platte ist er gerade<br />
auf Pressetour und in Berlin.<br />
MUST WARN OTHERS<br />
Aufgefallen ist ihm, dass es hier etwas Graffiti gibt, ist er<br />
doch in der Nähe der Eastside Gallery untergebracht, einem<br />
alten Stück Mauer mit Farbe drauf. Die verschiedenen<br />
Styles findet er beim Rumfahren eh immer ganz interessant,<br />
zumal es in New York aufgrund extrem strikter<br />
Gesetze inzwischen kaum noch Graffiti gibt. Das findet<br />
Aesop Rock natürlich schade, denn er ist in New<br />
York und folglich mit besprühten Mauern und Zügen<br />
aufgewachsen und hat sich selbst auch mal darin versucht,<br />
es dann aber irgendwann aufgegeben, nachdem<br />
er einerseits eine Nacht in polizeilichem Gewahrsam<br />
bleiben musste, weil er einen Sticker auf eine Telefonzelle<br />
geklebt hat, und er andererseits gemerkt hat, dass<br />
es Leute gibt, die eine krassere Einstellung zur Sache haben.<br />
Seitdem ist er großer Fan mit Fotoapparat.<br />
Seit drei oder vier Jahren kann man auf seinen Unterarmen<br />
zwei eintätowierte Sätze lesen: "must not sleep"<br />
und "must warn others". Glücklicherweise in ziemlich<br />
simpler Blockschrift, derselben wie auf dem Cover von<br />
"Labor Days", und nicht, wie man, da er in Boston Kunst<br />
studiert hat, vermuten könnte, in einer ähnlich grotesken<br />
Gestaltung wie sein jetziger Plattenumschlag, den<br />
er etwas verrückt findet. "Bazooka Tooth heißt das Album<br />
wegen einer fixen Idee von mir von einem Typen, der lauter<br />
Stuff und eine Pistole in seinem Mund hat und damit<br />
schießen kann, ich dachte, das wäre eine lustige Art Superheld."<br />
Momentan gefällt es ihm sehr gut, aber der Zufriedenheitsgrad<br />
wechselt immer, er ist da etwas unschlüssig<br />
und wie bei jeder Platte etwas verwundert<br />
über das Ergebnis, denn "das ist jetzt also das, wonach<br />
man mich und mein Leben im letzen Jahr beurteilen wird?"<br />
Auf Bazooka Tooth hat er, neben seinem langjährigen<br />
Produktionspartner und bestem Freund Blockhead, der<br />
bald eine Platte bei Ninja Tune herausbringt, fast die<br />
Hälfte der Beats selbst gemacht. Wieso verwendet er eigentlich<br />
neben den sehr suspekten Samples, eventuell<br />
ein Relikt seiner litauischen Wurzeln, so vergleichsweise<br />
seltsame Wortkombinationen? "Es ist einfach ein endloser<br />
Versuch, etwas Originelles zu machen. Ich lese keine<br />
19 T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong><br />
Hardocoregebratze und Technogeknarze<br />
20 RHYTHM & SOUND<br />
Werkschau mit Reggae-Legenden<br />
21 PSYCHONAUTS<br />
Vom DJ-Freistil zum Freistil-<strong>De</strong>büt auf Gigolo<br />
21 DJ DSL<br />
<strong>De</strong>r Mensch als DJ<br />
INFO<br />
Aesop Rock, Bazooka Tooth, ist auf <strong>De</strong>fJux erschienen.<br />
Auf www.definitivejux.net gibt es u.a. das Video zu “No Jumper Cables” zu sehen. Ein weiteres Video, in dem<br />
Aesop Rock von El-P und Camu Tao als durchgedrehten Zahnartzfreaks Bazooka Tooth verpasst bekommt,<br />
wird es für die Maxi des Albums, Freeze, geben. Und die Lyrics werden der Platte nicht beigefügt. Aesop Rock<br />
ist doch MC, nicht Schriftsteller.<br />
Bücher, ich schreibe nur aufgrund von Rap-Musik. Wenn<br />
man mit einer Sache aufwächst ist es wichtig, zwar den<br />
Pionieren zu huldigen, aber mit etwas Originellem, jetzt<br />
Relevantem und für sich selber Ehrlichem zu kommen. Ich<br />
will, dass die Leute meinen Shit hören, und sich denken,<br />
dass sie sowas vorher noch nie gehört haben. <strong>De</strong>nn das ist<br />
der Grund, weshalb ich, als ich jünger war, Run DMC, Wu-<br />
Tang und Tribe Called Quest und diese ganzen Gruppen<br />
mochte. Bis die Leute mir das sagen, fällt mir aber meistens<br />
gar nicht auf, dass ich diesen weirden Shit schreibe. Ich mache<br />
halt das, was mir liegt, aber das ist meistens etwas ab<br />
vom Schuss."<br />
PLAY AND PAY<br />
Spielen ist eine von Aesop Rocks Lieblingsfreizeitbeschäftigungen.<br />
Videospiele, versteht sich. Ein Glücksfall,<br />
dass man beim Zusammenstellen des Soundtracks<br />
für "Tony Hawk 4" an die <strong>De</strong>f Jux Crew gedacht, und u.a.<br />
seinen Track "Labor" verwendet hat. Irgendwelche moralischen<br />
Probleme damit, zumal die X-Box ein Microsoft<br />
Produkt ist? "Ich war sofort bereit, das zu tun. Wir<br />
sind alle große Videospieler. Ich habe momentan eine Playstation,<br />
einen Gamecube und eine X-Box zu Hause. Wir ha-<br />
ben auch auf einem anderen Game ein paar Songs. Es ist<br />
außerdem nicht nur für X-Box, sondern für alle drei Konsolen.<br />
Und jede Firma ist doch böse. Ich hätte denen um Teil<br />
des Soundtracks zu sein auch einen Song geschrieben. Plus<br />
ich bin zehn Jahre lang Skateboard gefahren. Als wir das<br />
Game bekommen haben, war ich begeistert.” Ein Problem<br />
hat Aesop Rock eher mit Filesharing bzw. den Leuten,<br />
die seine Tracks downloaden. "Wenn ich eine Platte mache,<br />
möchte ich schon, dass die Leute sie kaufen." Damit<br />
nicht wieder irgendwelche Journalistengurken ihre Vorabversionen<br />
der <strong>De</strong>fJux CDs ins Netz stellen, gibt es darauf<br />
mittlerweile einen so genannten Promo-Bot. Da der<br />
zu Anfang so nervtötend war, dass eigentlich niemand<br />
mehr Lust hatte, sich die <strong>De</strong>fJux Platten im Vorhinein<br />
anzuhören, plumpst der Promobot inzwischen in einer<br />
etwas dezenteren Variante in die Tracks. <strong>De</strong>r Grund<br />
dafür ist natürlich nicht Journalistenterror sondern<br />
Künstlerschutz: "Insbesondere für einen Independent<br />
Künstler wie mich, macht es sehr viel aus, wenn sich 5000<br />
Leute das Album aus dem Internet ziehen. Für einen Main-<br />
22 GROOVE AGENT<br />
Simulier‘ dir deinen Drummer<br />
22 MELODYNE 2.0<br />
Audiodaten zerlegen, aber richtig<br />
23 APPLE SOUNDTRACK<br />
Apple denkt wieder an die Musiker<br />
23 PROTOOLS 6.0<br />
Harddiskrecording trifft LIVE<br />
stream-Artist mag das nicht so schlimm sein, aber für uns<br />
ist das echt eine Plage, zumal wir ja unser Geld nur durch<br />
den Plattenverkauf verdienen."<br />
Außerdem tötet es so den Hype, der vor dem Releasedate<br />
des Albums entsteht. Überhaupt kümmert Aesop<br />
Rock das Internet nur wenig, er nutzt es kaum, denn "einige<br />
Sachen sind mir einfach ein Rätsel, und ehrlich gesagt<br />
interessiert es mich auch nicht allzu sehr.” Dass sein Video<br />
zu “No Jumper Cables”, das größtenteils aus übrig gebliebenem<br />
Material des Graffitifilms Style Wars besteht,<br />
auf der <strong>De</strong>f Jux Website zu sehen ist, findet Aesop Rock<br />
natürlich gut. Aber ansonsten ist er eher analog orientiert<br />
und schätzt direktere Kommunikationsweisen.<br />
Zum Beispiel beim Samples suchen: “Ich höre mir meistens<br />
Sachen an, die in den 70ern gemacht wurden und wo<br />
ein Keyboarder mit dabei war. Mitte der 70er scheint es bei<br />
den ganzen komischen Rockbands irgendwie cool geworden<br />
zu sein, ein Keyboarder in der Band zu haben. Ich bin<br />
kein Cratedigger oder so, ich gebe keine Umsummen für<br />
Platten aus, drei Dollar pro Platte sind meiner Meinung<br />
nach vollkommen ausreichend. Ich gucke mir die Band auf<br />
dem Cover an und wenn sie lustig aussehen, nehme ich die<br />
Platte mit. Oder wenn es interessante Instrumente auf der<br />
Was mir liegt, ist meistens etwas ab vom Schuss.<br />
Platte gibt, kaufe ich sie und hoffe, dass sie auf keinem Majorlabel<br />
ist, so dass es keine Probleme gibt. Die Samples beruhen<br />
also eher auf Zufall.” Von seinem Sampler ist er<br />
sehr begeistert und schwärmt eine Weile: “Ich benutze<br />
einen ASR 10. <strong>De</strong>r ist etwas primitiv. Viele Leute mögen ihn<br />
nicht mehr, die meisten benutzen lieber eine MPC. Die<br />
MPC2000 mag ich gar nicht, der ASR 10 ist viel besser, denn<br />
er ist primitiver, viel größer, schwerer, etwas barscher,<br />
schmutziger und funktioniert im Grunde genommen die<br />
ganze Zeit nicht, wie er sollte. Es ist eine gute Maschine.<br />
Und wenn sie abfuckt, bin ich stolz drauf. Ich mag den Sound<br />
einfach. Die Firma gibt es zwar nicht mehr, aber wenn<br />
meiner kaputt geht, würde ich mir nochmal denselben holen.”<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
HIPHOP<br />
TEXT RENKO HEUER | RENKOHEUER@WEB.DE<br />
TY<br />
AUFWÄRTS<br />
<strong>De</strong>r Rapper Ty wagt einen gut gelaunten Rundumblick<br />
von Süd-London aus in die weite Welt und<br />
stellt fest, dass es aufwärts geht. Und in jede Menge<br />
neue Richtungen, in die man gehen könnte. Also<br />
macht er sich auf den Weg durch die schwarze<br />
Musikgeschichte und zurück, die urbane Stadt dabei<br />
immer fest im Blick.<br />
Urbane Beobachtungen. Ty ist ein Kind der Stadt,<br />
Süd-London seine Heimat. <strong>De</strong>nnoch hat er mit<br />
dem Wort "Urban“ seine Probleme: "Ich finde es<br />
großartig, dass im deutschen Fernsehen gesagt wird,<br />
wenn etwas 'schwarze Musik' ist. Ich habe während<br />
meines letzten Aufenthalts eine TV-Werbung gesehen,<br />
in der das der Fall war. In England würde so etwas<br />
nicht passieren, die würden der Musik den Stempel<br />
'Urban' aufdrücken und somit die Wurzeln verschweigen.“<br />
Ty ist nicht umsonst so sprachbewusst, denn er ist<br />
Rapper. Schwarzer Rapper. Und besitzt, zusammen<br />
mit Roots Manuva, eine der wohl markantesten<br />
Stimmen, die in Englands städtischen Gegenden<br />
zu hören ist.<br />
Big Dada bringt dieser Tage seinen zweiten Longplayer<br />
raus. Während die Grundstimmung auf<br />
seinem <strong>De</strong>but noch "Awkward“ (2001) war, ging es<br />
seitdem "Upwards“: "Ja, mit meinem Leben ging es<br />
definitiv aufwärts seit dem letzten Album. Allein die<br />
Tatsache, als Musiker die Welt kennen zu lernen, neue<br />
Leute zu treffen, seinen Blickwinkel zu verändern – all<br />
das bringt mich nach oben. Aufwärts. Ich merke, dass<br />
das, was ich mache, einen Effekt hat. Leute hören mir<br />
zu, und das war eines meiner Ziele.“ Sein Album<br />
klingt dementsprechend wie ein Höhenflug, voller<br />
Redefluss mit Aufwärtsströmung. Obwohl seine<br />
Eltern ihm schon früh beigebracht haben, dass<br />
man sich am besten auf sich selbst verlässt, haben<br />
bei der Gestaltung des Flussbetts einige seiner<br />
Reisebekanntschaften mitgeholfen. So zum Beispiel<br />
der Über-Schlagzeuger Tony Allen: "Tony ist<br />
extra nach London geflogen, um mit mir aufzunehmen.<br />
Das gab mir das Gefühl, dass den Leuten auch<br />
wirklich etwas daran liegt, mit mir zu arbeiten.“ Ty<br />
zeigt nicht nur im persönlichen Gespräch, wie sehr<br />
ihn die Dinge bewegen – auch sein Album entwickelte<br />
sich nach und nach zum Spiegel seiner<br />
Gefühle. Die stilistische Offenheit, die er dabei an<br />
den Tag legt, hat er sich in der Heimat seiner Eltern<br />
abgeschaut: "Wenn man aus London kommt, ist man<br />
es nicht gewöhnt, Leute auf der Straße zu grüßen. Als<br />
ich in Nigeria war und die Leute auf einmal, ohne ersichtlichen<br />
Grund, freundlich auf mich zu kamen,<br />
wurde mir klar, dass wir generell viel zu verschlossen<br />
sind.“ Insgesamt ist seine Platte daher frei von<br />
Schwarzmalerei und strotzt vor "Dreams,“ "Expectations“<br />
und neuen Richtungen, in die HipHop<br />
heute gehen kann. Samba trifft auf Verspieltes,<br />
"Hot Spice“ auf seine eigene "Music To Fly To“. Für<br />
alle, die ihm mit festgefahrenen Ansichten (oder<br />
gar Big Dada-Schubladen) kommen wollen, hat er<br />
nur ein grandioses "Ha Ha“ übrig, und zieht sich in<br />
seine Wortwelt zurück, während der "Rain“ plötzlich<br />
sanft zu Boden fällt. Die Reise durch die<br />
schwarze Musikgeschichte verlässt dabei teilweise<br />
das urbane Territorium, kommt zurück mit tiefem<br />
Bass und Spoken Word, um dann wieder drei <strong>De</strong>kaden<br />
zurückzuschweifen. Mit Beobachtungen im<br />
Stile eines Curtis Mayfield. <strong>De</strong>r blickte zu Lebzeiten<br />
durch eine vergleichbar ungefärbte Brille. Sagte<br />
"Darker Than Blue“ statt "Urban“. Und sang<br />
"Move On Up“.<br />
INFO<br />
"Upwards“ ist auf Big Dada/Zomba erschienen.<br />
DRUM AND BASS<br />
CALIBRE<br />
WUNDERKIND MIT<br />
SAMPLER IM BETT<br />
TEXT NICOLAUS SCHÄFER | FIGHTNIKOLAUS@WEB.DE<br />
Opulentes <strong>De</strong>but auf Fabios Creative Source Label und angeblich 300 fertige<br />
Tracks in der Schublade - trotzdem ist Calibre, das Wunderkind, unzufrieden.<br />
Mit der Veröffentlichungspolitik mancher Labels und mit Drum and Bass im Allgemeinen.<br />
Zu viel Geschiele auf den Floor, zu wenig musikalischer Mehrwert.<br />
Schlussfolgerung: eigenes Label, neues Album und Fühler ausstrecken in - John<br />
Tejada lässt grüßen - Richtung House.<br />
Man tut Dominick Martin bestimmt nicht Unrecht,<br />
wenn man ihn als ehemaligen Protegé von Fabio bezeichnet.<br />
Wem sonst außer ihm wurde die Ehre zu Teil,<br />
als Newcomer ein 5x12" <strong>De</strong>büt-Album auf Creative Source,<br />
einem der profiliertesten Labels der D’n‘B- Welt, zu<br />
veröffentlichen? Knapp zwei Jahre nach dem Erscheinen<br />
von "Musique Concrete" will Martin, den meisten wohl<br />
besser bekannt unter seinem Pseudonym Calibre, nicht<br />
mehr auf fremde Hilfe angewiesen sein und so gründet<br />
er im Juni 2003 sein ganz privates Label: Signature. Nach<br />
"nur mäßig befriedigenden" Erfahrungen mit anderen<br />
Labels, die mitunter auch mal ein, zwei Jahre brauchen,<br />
um sein Material zu veröffentlichen, will er sich voll und<br />
ganz auf seinen Output konzentrieren. Ein Egomaniac,<br />
wie es eine englische Zeitschrift behauptete? Mitnichten.<br />
Das hat er nun davon: Promotion Tour und Interviews,<br />
die notwendigen Übel, auf die das Genie so gerne verzichten<br />
würde. Calibre ist einer von den introvertierten<br />
Typen, die mit ihrem Sampler ins Bett gehen und die<br />
Musik am liebsten für sich selber sprechen lassen würden.<br />
Aber es hilft ja alles nix.<br />
Kreativität lässt sich nach wie vor nicht erzwingen und<br />
Geschäftstermine sind dem Output nicht gerade förderlich,<br />
das hat auch Calibre mitbekommen: "Gestern war<br />
ich mit Marcus Intalex und ST Files im Studio und wir<br />
sprachen genau darüber: Wir müssen aufpassen, dass<br />
das Musikmachen weiterhin die Hauptsache bleibt - eine<br />
Sache, an die wir mit Spaß und Freude herangehen.<br />
Es kann nicht sein, dass wir im Studio sitzen uns selbst<br />
unter Druck setzen und denken: 'Was mache ich hier eigentlich<br />
für einen Scheiß?!' Aber versteh‘ mich nicht<br />
falsch: Ich liebe diesen Job. Ich kann durch die Welt reisen,<br />
meine Musik spielen und die Leute tanzen dazu,<br />
was kann ich mehr verlangen? Vor fünf Jahren hätte ich<br />
mir das nicht vorstellen können."<br />
Kein Wunder, liegt Martin mit seinem Ausgehverhalten<br />
doch voll im Trend der Produzentenriege: Es tendiert gegen<br />
Null. Gefeiert wird inzwischen hauptsächlich hinter<br />
den <strong>De</strong>cks. Alle paar Monate findet er dann doch Muße,<br />
selbst auszugehen und die Entwicklung der Szene zu beobachten.<br />
Zurzeit ist er allerdings eher gelangweilt von<br />
dem, was die Kollegen so produzieren: "Ich komme nur<br />
noch selten zum Ausgehen, aber das ist ok, mit zunehmendem<br />
Alter bekomme ich mehr Abstand zu der ganzen Clubbing-Sache.<br />
Zuletzt war ich in London auf einer Valve-Labelnacht.<br />
Es war nett, aber es lief den ganzen Abend Musik,<br />
die nur für den Dancefloor produziert war und die nur über<br />
kurze Zeit funktionieren kann. Es ist eine komische Situation.<br />
Was mich an Drun and Bass nervt, ist, dass alles so eingefahren<br />
ist, viele Tracks funktionieren nur noch über Intros.<br />
Das erinnert mich an Trance irgendwann Mitte der<br />
90er. Da gab es auch ganze Abende nur mit Snare Rolls. Alle<br />
stehen da und warten darauf, dass die Beats einsetzen,<br />
immer und immer wieder, über einen ganzen Abend lang.<br />
Das macht doch keinen Sinn. Ich will zeitlose Musik machen,<br />
die man auch noch in zehn, zwanzig Jahren hören<br />
kann, Musik, die nicht nur auf dem Dancefloor kickt ansonsten<br />
aber "wertlos" ist. Bei House Musik hingegen ist es kein<br />
Problem, einen zehn Jahre alten Track in das Set einzubauen<br />
oder diese Musik einfach zu Hause zu hören."<br />
Es kommt nicht von ungefähr, dass der gebürtige Belfaster<br />
inzwischen mit seinem Studio nach Manchester<br />
umgezogen ist und von dort aus auch sein Label betreut<br />
- sitzen da doch Mitstreiter wie eben Marcus Intalex<br />
und ST Files, die eine ähnliche Auffassung von der Mu-<br />
Viele Drum and Bass-Tracks funktionieren nur noch über<br />
Intros. Das erinnert mich an Trance irgendwann Mitte<br />
der 90er.<br />
sik vertreten. Ein Glück für ihn. Auch wenn der Sound<br />
der London/Bristol-Achse nach wie vor die öffentliche<br />
Wahrnehmung bestimmt, es besteht Hoffnung: "Wir<br />
fühlen uns in England manchmal wie auf einer einsamen<br />
Insel, aber das ist ok. Dafür haben wir Partner wie D.Kay in<br />
Österreich, Marky in Brasilien (den er vor zwei Monaten für<br />
ein paar gemeinsame Auftritte besucht hat und der wie ein<br />
Superstar behandelt wird - mit eigener Sendung auf MTV<br />
und so) und die Boys (Beta 2 und Zero Tolerance. -Anm. ) in<br />
Dublin, da tut sich was. Die Probleme fangen meiner Meinung<br />
nach schon bei der Bezeichnung an: Leute brauchen<br />
Schubladen und nennen es "Liquid Funk". Darum geht es<br />
doch nicht! Es ist einfach unsere Vorstellung von Musik, wie<br />
wir sie lieben, wir brauchen kein Label dafür! Außerdem<br />
gibt es nicht nur einen Stil, wir produzieren sehr unterschiedliches<br />
Zeug, es gibt deep, soulful Stuff genauso wie<br />
richtig harte, krachende Tracks.”<br />
Moment mal, da war noch was. Werden auf einer Promotion<br />
Tour nicht auch Zahlen und Fakten genannt?<br />
INFO<br />
www.soulr.co.uk<br />
(das Label von Marcus Intalex)<br />
Bis die Signature-Website erscheint, gibt es Newsletter:<br />
http://dnbforum.com/forums/showthread.php?thre<br />
adid=4430<br />
Was zum Beispiel hat Herr Martin zum Thema top-aktuelle<br />
Tonträger zu sagen? "'Peso' und 'Makes Me Wonder',<br />
die A-Seiten der ersten zwei Releases, sind beide ca. ein halbes<br />
Jahr alt, 'Feeling Happy' ist ca. anderthalb Jahre alt,<br />
funktioniert aber immer noch einwandfrei im Club ('It still<br />
fires the dancefloors‘). Trust habe ich vor zwei Monaten<br />
aufgenommen, das wird die dritte Veröffentlichung." Die<br />
wird dann als 10" rauskommen, als Referenz an Martins<br />
Obsession als Sammler. Könnte auch sein, dass es eine<br />
ganze Reihe von 10"-Releases geben wird, das weiß er<br />
jetzt aber noch nicht. Jedenfalls sind zwischendurch<br />
wieder ganz normale 12"s geplant. <strong>De</strong>mnächst erscheinen<br />
erst mal Remixe seiner Tracks von Zero Tolerance,<br />
Omni Trio & <strong>De</strong>ep Blue (die Helden seiner Jugend) und<br />
Klute. Und wie steht es mit den Verkaufszahlen? "'Makes<br />
Me Wonder' haben wir in England schon ausverkauft: Es<br />
wurden 3000 Stück gepresst und die sind weg. Für die Zeit<br />
des Jahres gar nicht so schlecht und wenn wir sehen, dass es<br />
eine Nachfrage gibt, können wir eine 2. Auflage nachschieben.<br />
Bei Soul:R verkaufen wir ca. 7.000-10.000 Stück pro<br />
Veröffentlichung." Für die Zukunft darf man gespannt<br />
sein auf Picture Cover und Artwork vom man himself: "In<br />
meinem Studio hängen ein paar Zeichnungen, die ich so<br />
zwischen 18 und 20 gemacht habe, und viele, die mich im<br />
Studio besuchen, sind begeistert. Hauptsächlich sind es<br />
'Pussies, cocks and balls', aber man erkennt es erst auf den<br />
zweiten Blick. Von denen möchte ich Photos oder eine<br />
Collage entweder als Cover oder als Bild auf dem Label verwenden.<br />
Limited Edition Releases könnten dann mit<br />
Drucken oder Posters kommen, wieder ein Zugeständnis an<br />
meine Sammler-Leidenschaft. Aber das kann alles noch eine<br />
Weile dauern, weil ich mich in erster Linie natürlich um<br />
die Musik kümmere. Es ist wie mit einem Eisberg: Ich habe<br />
so viele Ideen, was man noch alles machen könnte, aber<br />
jetzt hat erst mal die Musik Vorrang."<br />
Nachdem er sich in den letzten Jahren einen Namen in<br />
der Drum and Bass-Szene gemacht hat, kann er sich nun<br />
den Luxus leisten, auch mit seinen House-Produktionen<br />
an die Öffentlichkeit zu treten. Nach wie vor gibt es nur<br />
wenige Produzenten, die sicher zwischen den Stilen hinund<br />
herpendeln, geschweige denn Labels, die offen genug<br />
für die Vermischung der Stile sind. Brother in mind<br />
John Tejada jedenfalls war begeistert und veröffentlichte<br />
Calibres Produktionen auf seinem Label "Palette" und<br />
in Zukunft will Dominick Martin auch auf Signature reine<br />
House Platten veröffentlichen. Ob er denn auch Lust<br />
hat, die Musik, die ihn seit seiner Jugend begleitet, vor<br />
Publikum aufzulegen, will ich wissen. Tatsächlich gab es<br />
wohl schon eine Anfrage aus Frankfurt, ob er nicht ein<br />
House-Set spielen wolle, aber bevor er sich einem Publikum<br />
stellt, will er perfekt sein. "Wenn ich zu Hause bin,<br />
übe ich viel mit House-Platten, ich finde es im Vergleich zu<br />
D’n‘B ziemlich schwer zu mixen, ich lasse so etwas ganz<br />
langsam angehen. Das bin ich der Musik schuldig."
SPOKEN WORD<br />
DIE WEINENDE POETIN / Ursula Rucker<br />
TEXT JAN KAGE | JAN1KAGE@AOL.COM BILD STEVE BELKOWITZ<br />
Das Leid der Welt trägt Ursula Rucker<br />
auf gebildeten Schultern und kanalisiert<br />
es unverbittert und möglichst<br />
wirklichkeitsgetreu in ihren Spoken-<br />
Word-Texten, die sie soeben auf einer<br />
neuen Platte sanft und scharfsinnig<br />
zum Besten gibt.<br />
"Ursula Rucker? Die ist doch in fünf Jahren verbittert, wenn<br />
die so weitermacht", sagte ein Freund, als wir über das anstehende<br />
Rucker-Interview telefonieren. "Verbittert?<br />
Das ist doch voll deep!“, erwidere ich. "Das kann man da<br />
wohl auch drin sehen, wenn man das will”, kam die gnädige<br />
Antwort. Die Grenzen von Ursula Ruckers Rezeption<br />
sind also schon vor dem Interview gezogen.<br />
"Verbittert?“ Ursula Rucker nimmt die Frage halb amüsiert,<br />
halb geschockt auf, die Augen leicht geweitet, der<br />
Oberkörper nimmt ein wenig Distanz. "Ich wäre verbittert,<br />
wenn ich meine Gedichte nicht schreiben würde. Im<br />
Gegenteil: Meine Texte helfen mir. Im Schreiben ist viel Therapie.“<br />
Ursula Rucker verarbeitet in ihren Texten die Welt, im<br />
Kleinen wie im Großen. Die Beobachtung scharf, die<br />
Stimme sanft, die Stimmung oft düster. Kein Wunder bei<br />
den Themen ihrer Texte: alleinerziehende Mütter, Afrozentrisches,<br />
HipHop, Macho und Politik. Es ist immer<br />
der nachdenkliche Blick auf die Welt, die nicht ist, was<br />
ELEKTRONIKA<br />
RESISTANCE NACH NOTEN / Gustavo Llamas<br />
TEXT FEE MAGDANZ, DIRK LEYERS<br />
Argentinien ist ein verwüstetes Land,<br />
in dem die Musikindustrie die letzten<br />
Mittel für den Mainstream bündelt.<br />
Schlechte Zeiten für Gustavo Llamas<br />
und die anderen argentinischen Musiker,<br />
die eigenwilligere musikalische<br />
Vorstellungen haben. Aber in den lokalen<br />
Netzwerken blühen die Knospen.<br />
Es ist sicherlich kein Zufall, dass Gustavo Llamas sich als<br />
Titel für sein neues Album "Brotes“ ausgewählt hat, der<br />
übersetzt soviel bedeutet wie die Knospen oder Anfänge.<br />
<strong>De</strong>nn für ihn markiert diese Platte tatsächlich so etwas<br />
wie einen Neubeginn: "Das Album enthält Tracks, die<br />
zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, aber dennoch<br />
alle etwas gemeinsam haben. Ich würde sagen, sie schließen<br />
eine bestimmte Periode innerhalb meiner Arbeit ab.“<br />
Wie schon die 12“ "Presente“ erscheint auch das Album auf<br />
Onitor, ein Label, mit dem Gustavo gerne zusammenarbeitet,<br />
da es, wie er sagt, “an seine Musik glaubt”. <strong>De</strong>r Kontakt<br />
zu Onitor ergab sich wie so oft eher zufällig: "Mitten in der<br />
sie sein sollte. Recht bemerkenswert, mit Moral in einer<br />
Welt dagegenzuhalten, in welcher der letzte verbliebene<br />
allgemeingültige Wert ein monetärer ist. Und das in einer<br />
Kultur, die diesen Materialismus in jigged-out Videos<br />
abfeiert.<br />
RUCKER: Ich mach einfach meinen Kram, bring ihn raus<br />
und gucke, was passiert. Ich kann die Leute ja nicht zwingen,<br />
sich meiner Sichtweise und meiner Philosophie anzuschließen,<br />
und versuche es auch nicht. Obwohl ich von Menschen<br />
viel erwarte. Ich erwarte viel von mir selbst. Ich erwarte<br />
viel von HipHop-Künstlern. Ich glaube, die könnten<br />
viel besser sein. Und nicht nur, indem sie über gesellschaftliche<br />
oder politische Themen reden. Die könnten einfach<br />
bessere Musik machen und einen besseren Flow haben. <strong>De</strong>r<br />
meiste Scheiß ist langweilig. Es ist doch nur eine sehr kleine<br />
Gruppe Leute, die abgehen und den echten Scheiß machen.<br />
RELIGIÖS ODER SOZIALISTISCH?<br />
Woher kommt deine Moral? Bist du besonders religiös<br />
oder sozialistisch erzogen worden? "Ich bin zur katholischen<br />
Schule gegangen“, sagt sie etwas verschämt. Schon<br />
wieder ertappt. "Meine Mutter ist sehr religiös. Sie ist italienischer<br />
Abstammung, also katholisch und in der baptistischen<br />
Kirche, in der mein Vater predigt. Sie geht jeden Sonntag<br />
zweimal zur Kirche. Ich hab mir als Kind schon immer<br />
alles reingefahren. <strong>De</strong>n armen Mann an der Ecke und so.<br />
Das hat mich schwer bewegt. Ich habe dann immer rumgeheult<br />
und wollte unbedingt was unternehmen. Meine Mutter<br />
meint deshalb, ich hätte ein weinendes Herz“, sagt<br />
Rucker und lacht.<br />
großen Krise in Argentinien habe ich an diverse Leute, die<br />
ich kannte, Mails geschickt, um sie auf diesem Weg erfahren<br />
zu lassen, was eigentlich hier in Argentinien gerade passiert.<br />
So geschah es, dass ich auch Thomas Venker anschrieb,<br />
den ich bei einem Interview einige Jahre vorher kennen<br />
gelernt hatte. Er war interessiert an unserer lokalen Situation<br />
und im Verlauf des Briefwechsels kam es dazu, dass<br />
ich ihm von meinem unveröffentlichten Material erzählte<br />
und es ihm schließlich zugesandt habe.“<br />
Gustavo Llamas wie auch seine Musik sind beeinflusst<br />
von der ökonomischen und politischen Situation Argentiniens,<br />
aber er versteht sich selbst keinesfalls als "Protest-Songwriter“:<br />
"Natürlich hat die Situation hier großen<br />
Einfluss, einfach weil es die Umstände sind, in denen man<br />
arbeitet. Manchmal stellt der hier herrschende Informationsmangel<br />
und der schlechte Zugang zu Technologie eine<br />
große Behinderung dar. Ich habe keinen Zutritt zu einem<br />
guten Studio, um meine Platten aufzunehmen, und besitze<br />
kein gutes Equipment. Ich kann nicht die Platten kaufen, die<br />
ich gerne hätte, weil sie zum größten Teil nicht erhältlich,<br />
und wenn doch, einfach zu teuer sind. In den letzten Jahren<br />
habe ich sehr viele von mir ungeliebte Jobs machen müssen,<br />
nur weil ich Geld zum täglichem Leben brauchte. Aber diese<br />
Umstände fließen nicht wirklich explizit in meine Musik<br />
Wenn also die Texte ein wenig Therapie sind und das<br />
weinende Herz die Inspiration und der Motor, dann sind<br />
die Beats das Medium, um die Welt, die Frau Rucker beeindruckt<br />
und die sie verändern will, wissen zu lassen,<br />
was sie ist, die Welt. Überhaupt die Beats: Erstaunlich<br />
ist, dass sich soundästhetisch ein recht homogenes Album<br />
präsentiert, obwohl jeder der zehn Album-Tracks<br />
von einem anderen Produzenten stammt. Zusammengehalten<br />
von der monotonen, sanften Poesie. Wie gehst du<br />
vor? Schreibst du deine Texte auf die Beats oder existieren<br />
die Texte schon als Gedichte und du passt die Phrasierung<br />
dem fertigen Beat an?<br />
RUCKER: Beides ist möglich. Die Texte sind zum Teil auch<br />
schon älter. 'Lonely can be sweet' ist zum Beispiel schon<br />
acht Jahre alt. Ich bin inzwischen verheiratet, hab Kinder,<br />
bin also nicht mehr einsam. Aber ich wollte, dass das Gedicht<br />
auf meinem Album ist. Nein, ich will mir einfach die<br />
Freiheit bewahren, mit verschiedenen Leuten, die auch alle<br />
Freunde von mir sind, zusammenzuarbeiten. Da steckt<br />
nicht viel Überlegung dahinter. Auf dem Album sind u.a.<br />
Beats von King Britt, Jazzanova, 4 Hero oder den Roots. Das<br />
sind alles Künstler, die ich sehr schätze und mit denen ich<br />
zusammenarbeiten wollte. Und diese Freiheit will ich mir<br />
auch bewahren.<br />
Also: Entwarnung an den Freund. Frau Rucker opfert sich<br />
nicht für die Kunst allein auf. Es gibt eine gewisse Distanz<br />
zwischen Kunst und Künstlerin, zumindest zeitlich.<br />
Trotzdem schöpft diese voll aus sich selber. Und das<br />
ist auch gut so, denn sie hat was zu sagen. Nicht alle Tex-<br />
mit ein, sondern eher hintergründig.“<br />
Trotz der schwierigen Situation für Musiker in Argentinien<br />
gibt es viele, die innerhalb der lokalen Szene stetig<br />
weiterarbeiten:<br />
"Die derzeitige Situation ist, dass das Land nach einer <strong>De</strong>kade<br />
neoliberaler Politik verwüstet ist und mehr als die<br />
Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt.<br />
Und selbst die Mittelklasse, die in der Vergangenheit sehr<br />
wichtig war, ist verarmt. Das hat den kulturellen Konsum<br />
beeinflusst. Die Musikindustrie arbeitet in diesem Kontext<br />
deshalb nur mit den Dingen, bei denen sie denkt, es wäre<br />
richtiges Business. Und das ist der Grund, warum von dem,<br />
was hier in der Vergangenheit an elektronischer Musik gewachsen<br />
ist, nur der Mainstream wirklich existiert. Aber es<br />
gab immer eine große Gruppe von Musikern, die, fast schon<br />
als eine Art ‘Resistance’, nie aufgehört hat zu produzieren<br />
und immer um ihren Platz in der lokalen Szene gekämpft<br />
hat. Das mag sehr negativ klingen und vielleicht auch traurig,<br />
aber es ist der Aspekt der lokalen Szene, dem ich mich<br />
verbunden fühle, – zwar mit etwas Melancholie, dass man<br />
so weit weg ist von dort, wo die Dinge passieren, aber andererseits<br />
mit der Freude darüber, dass man tun kann, was<br />
man möchte, egal wie die Umstände um einen herum auch<br />
immer sind.“<br />
INFO<br />
http://www.ursula-rucker.com<br />
Ursula Rucker, Silver Or Lead, ist auf !K7 erschienen.<br />
te beziehen sich auf sie selber. Viele sind auch einfach<br />
über andere Leute geschrieben. Aber der Blick auf die<br />
Welt, den uns Ursula Rucker bietet, ist wertvoll. Alleine<br />
aus dem Grund, dass ihr das ganze Leid nicht selbst leben<br />
müsst. Auch nicht schlecht, oder?<br />
INFO<br />
Gustavo Llamas, Brotes, erscheint als CD auf Onitor.<br />
Dort gibt es auch die 12“ "Presente“.<br />
www.onitor.de<br />
oceanclub for china<br />
wurde von Gudrun Gut und Thomas Fehlmann<br />
zusammengestellt und enthält Tracks von Jürgen<br />
Paape, Thomas Fehlmann, Bus, Monkeytribe,<br />
Morgenstern / Lippok, Masha Qrella, Turner, Komeit,<br />
The Orb, Jusko Trust, Soundstream, Jan Jelinek,<br />
Adventure Time und Ekkehard Ehlers.<br />
Seit nahezu 10 Jahren begibt sich der Berliner Oceanclub abseits der gewohnten<br />
musikalischen Pfade auf Entdeckungsreise. Gemäß dem Prinzip »nur Highlights« werden<br />
in regelmäßigen Radiosendungen (z.B. wöchentlich im Berliner Raum auf Radio Eins<br />
95,8 und in Guangzhou (China)), auf mobilen Clubabenden weltweit, und natürlich auf<br />
Tonträgern kreative Helden zusammengeführt.<br />
Weitere Infos unter: www.oceanclub.de<br />
www.v2music.de<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
BIGBEAT<br />
TEXT MIKE RIEMEL | RIEMEL@BORDER2000.ORG<br />
WALL OF SOUND WIRD 10<br />
GUT GELAUNT VON<br />
BIGBEAT ZU 80’S<br />
Big Beat und Rave. Bei den Chemical Brothers<br />
heißt es Rave und Big Beat. Beim englischen Label<br />
Wall of Sound eben andersherum. Beide sind aber<br />
Teil eines großen Feierimperiums, das in seinem<br />
selbstverständlichen, bierselig schulterklopfigen<br />
Egalitäts-Drang so nur Anfang der 90er in UK<br />
wachsen konnte. Ein Feierimperium, in dem man<br />
nicht rückblickend über die alten, chaotisch improvisierten<br />
Amateurzeiten, sondern über die Abstecher<br />
in die fettigen Major-Kochtöpfe wegwerfend<br />
grinst. Und in dem man es gelassen hinnimmt,<br />
wenn man nach Zeiten bombastischster Major-<br />
Hofierung nur noch am goldenen Faden von<br />
Röyksopp und Zoot Woman hängt. <strong>De</strong>r Gründer<br />
des Wall-of-Sound-Labels Mark Jones setzt sich zurecht<br />
und holt zum 10-jährigen Label-Jubiläum ein<br />
paar handfeste Anekdoten raus.<br />
MARK JONES: Oh Boy, wie oft habe ich mich gefragt:<br />
weitermachen oder verkaufen? Als es mit den<br />
Propellerheads durchstartete, 1997, 1996, als wir uns<br />
die heißeste Band gegriffen hatten, was haben wir da<br />
mit den Ohren geschlackert, wie weit die Majors gehen<br />
würden. Es wurde richtiggehend hysterisch. Ich<br />
wurde am Ende in Landschenken zum Essen eingeladen,<br />
weil alle Londoner Nobelrestaurants abgeklappert<br />
waren. Und frag' mich mal nach Frauen. Ich war<br />
ein lediger Mann damals ...<br />
Alex Gifford von den Propellerheads hat mich schließlich<br />
vom Major-Karren weggezerrt. Er wollte unabhängig<br />
arbeiten und hat mich überzeugt, dass wir es<br />
schaffen können. Wir haben's geschafft.<br />
DEBUG: ... und du bist immer noch nicht müde?<br />
MARK JONES: Ein Indie-Label schaukelt sich durch<br />
solch enorme Aufs und Abs, das hält einen ordentlich<br />
wach. Und wenn es gut ist, dann ist es WIRKLICH gut.<br />
Rock'n'Roll. Ohne das Label hätte ich zum Beispiel nie<br />
Nile Rodgers von Chic getroffen. Er kam zu unserer<br />
Wall-Of-Sound-Nacht in New York. Mein Gott, bin<br />
ich ein Fan von ihm. Ich klammerte mich an sein Gesicht,<br />
hielt ihn fest, ganz dicht. Rodgers sagte nur:<br />
"Yeah, hi." Dann: "Security, könnten sie diesen Typ<br />
von mir abhebeln?" Schließlich: "Was zum Teufel ist<br />
das für ein Psychopath?" Das waren seine drei Sätze<br />
zu meiner Person. So cool, richtig cool.<br />
DEBUG: Gehst du noch viel aus?<br />
MARK JONES: Mein Lieblingsort heißt "Melotonian<br />
Dreams".<br />
DEBUG: Melotonian Dreams?<br />
MARK JONES: Yeah, so eine kleine Pille, die dich im<br />
Schlaf in die wildeste Gegend führt ...<br />
DEBUG: Welche Musik hat dich als Teenager angetrieben?<br />
MARK JONES: Ich stand auf Abba und Blondie. Abba,<br />
Blondie, The Clash, ABC ... Ich liebe Pop-Musik.<br />
Und Gabba - ein bisschen. Wir hatten eine WOS-<br />
Nacht in Rotterdam und vertaten uns in der Adresse.<br />
Also landeten wir auf einer Gabba-Party. Verrückt,<br />
fucking intensiv.<br />
DEBUG: Oho, aus der Ecke wehen neue Pläne für<br />
Wall Of Sound?<br />
MARK JONES: Nö, ich plane keine neuen Acts. Wir<br />
hatten aber mal eine 10Inch, die klang wie Gabba-<br />
Rock falsch herum, von Pascal R. Sehr Nerven-beruhigend.<br />
DEBUG: Mit "Les Rhythmes Digitales" und "Zoot<br />
Woman" ist Wall Of Sound nicht ganz unschuldig<br />
am 80s-Hype ...<br />
MARK JONES: Das hingegen finde ich gar nicht Nerven-beruhigend.<br />
Als wir deren Album "Dark Dancer"<br />
herausbrachten, hielt es die Mehrheit für einen Witz.<br />
Es war aber ganz autobiografisch Liebhaber-mäßig<br />
gemeint. Niemand hatte sich gesagt, okay, lass uns<br />
die 80er wieder erfinden. Sobald sich Elektroclash genau<br />
das sagte, wurde es wirklich zu einem Witz, einem<br />
schlechten. Wenn ich noch eine Platte höre, auf<br />
der eine Frauenstimme "Bhoo ... Berlin" krakeelt,<br />
bringe ich jemanden um!<br />
INFO<br />
www.wallofsound.net<br />
Die Wall of Sound-Jubelcompilation "Off the<br />
Wall" ist auf Wall of Sound/Labels erschienen.<br />
CHEMOKEULE<br />
THE CHEMICAL BROTHERS<br />
RAVE-O-LUTION IN DER ZEITSCHLEIFE<br />
TEXT SVEN VON THÜLEN | SVEN@DE-BUG.DE<br />
Sie entstiegen der glorreichen Acid-House-Ursuppe und wurden mangels DJ-<br />
Skills zu einem der prägenden Live-Acts der 90er: die Chemical Brothers. Zwischen<br />
"Song To The Siren" und "Star Guitar" liegen nun auch schon zehn Jahre.<br />
Mittlerweile sind sie in den Dreißigern, fallen aber immer noch gerne mit der Tür<br />
ins Haus.<br />
What I think about our music, is that it has a human element,<br />
it's quite emotional but not in a <strong>De</strong>troit emotional<br />
way, it's got more sweatiness, more clubiness."<br />
(Tom Rowlands anno 1994 in Jockeyslut)<br />
Die Chemical Brothers sind eine Legende. Oder besser,<br />
sie sind Teil einer Legende. Einer Legende, die von den<br />
Feldern der englischen Pampa, vom Summer of Love,<br />
der Hacienda, dem Criminal Justice Act, Ecstasy und allem,<br />
was auf diese ebenso aufregenden wie aufreibenden<br />
Dingen folgte, erzählt. <strong>De</strong>r gemeine englische Lad<br />
pflegt diesen Mythos, der wie der Kelch der Erkenntnis<br />
immer weitergereicht wird. Zuletzt besang ihn Mike<br />
Skinner von The Streets in "Weak Become Heroes" inklusive<br />
Respektsbekundung und Danksagung " … to<br />
everyone who gave us these times". Und weil Ed Simmons<br />
und Tom Rowlands, die beiden thirtysomethings,<br />
die es heutzutage unter dem Namen Chemical Brothers<br />
zu einiger Bekanntheit gebracht haben, damals, als Acid<br />
House und Raveculture wie die Wirkung von diesen kleinen<br />
Tabletten, die es plötzlich überall gab, einschlugen,<br />
nicht nur mit dabei waren, sondern auch einige richtungsweisende<br />
Tracks in Eds Schlafzimmer produziert<br />
haben, ist ihnen ein Platz in der Ahnengalerie dieser Mythologie<br />
sicher. Gleich neben Paul Oakenfold, The Prodigy<br />
und Danny Rampling. Nur, dass ihre musikalischen<br />
Verdienste eben nicht im Rausch von Ruhm und Erfolg,<br />
Starallüren und Mainstreamanbiederung auf der<br />
Strecke geblieben sind.<br />
Ihre erste Maxi, "Song To The Siren", samplete Meat Beat<br />
Manifesto und This Mortal Coil und verschmolz metallische<br />
Breakbeats und manisches Sirenengeheul zu<br />
einem Track gewordenen Ravesignal. Wenn "Song To<br />
The Siren" ertönte, war auch dem letzten Spiral Tribe-<br />
Hippie klar, dass die gebeutelten Synapsen jetzt auch<br />
noch musikalisch bombardiert würden, dass jetzt ernst<br />
gemacht werden würde. Mit der Party, dem Tanzen, dem<br />
Raven an sich. Andrew Weatherall und Richie Hawtin sahen<br />
das ähnlich, spielten den Track rauf und runter und<br />
sind im Endeffekt dafür mitverantwortlich, dass es die<br />
Chemical Brothers als das Live-Erlebnis, zu dem sie in<br />
den Jahren gereift sind, überhaupt gibt. Platten auflegen<br />
konnten die beiden damals, so 1993, nämlich noch nicht.<br />
Oder besser gesagt begann ihnen bei der Vorstellung,<br />
neben Richie Hawtin oder Andrew Weatherall bei dessen<br />
Clubnacht Sabresonic aufzulegen ("Man, this was a<br />
serious techno night."), leicht schwindelig zu werden.<br />
Da Ed und Tom die Einladung der beiden aber nicht ablehnen<br />
wollten, bastelten sie lieber einen zwanzigminütigen<br />
Live-Act zusammen, als mit ihren bescheidenen<br />
DJ-Fähigkeiten im Schatten der Meister unterzugehen.<br />
IMMER REIN IN DEN HEIßEN BREI<br />
Am musikalischen Konzept der Chemical Brothers hat<br />
sich seit jener ersten Maxi, die sie noch unter dem Namen<br />
The Dust Brothers veröffentlicht hatten, wenig<br />
geändert. (Die echten, Beastie Boys produzierenden<br />
Dust Brothers fanden diese Ehrerbietung der beiden<br />
übrigens weniger lustig und deren Rechtsanwälte überzeugten<br />
Ed und Tom davon, ihrer Vorbilder von da an lieber<br />
im Stillen zu gedenken.) Prinzipiell fällt man lieber<br />
mit der Tür ins Haus, als das man lange um den heißen<br />
Brei herumtanzen würde. Die Tracks der Chemical Brothers<br />
zeichnete dieser unbedarfte Drang, den kürzesten<br />
Weg zur totalen Euphorie zu gehen, immer aus. So viele<br />
Einwände Distinktionshüter vielleicht auch gerechtfer-<br />
INFO<br />
The Chemical Brothers, Singles 1993-2003 ist auf<br />
Virgin erschienen.<br />
www.chemicalbrothers.com<br />
Eds Lieblingssingle: "Leave Home"<br />
Toms Lieblingssingle: "Star Guitar"<br />
tigterweise anbringen mochten, charmant und vor allem<br />
mitreißend war dieses Kaleidoskop aus Ravesignalen,<br />
dicken Beats und verstrahlter Euphorie, das die Initationszusammenhänge<br />
der Rave-o-lution von Happy<br />
Mondays bis <strong>De</strong>troit Techno immer wieder heraufbeschwor,<br />
trotzdem. Live alle mal. Dass ihnen später das<br />
Prädikat Big Beat angehängt wurde, lag dann auch eher<br />
daran, dass die beiden als alte Fans von My Bloody Valentine<br />
und New Order keine Berührungsängste mit<br />
Rockanleihen hatten und das sprichwörtliche Rocken<br />
sowieso Sinn und Zweck der ganzen Sache war, als dass<br />
sie mit dem anderen großen Big Beater, Fatboy Slim,<br />
musikalisch wirklich etwas gemeinsam hätten. Schenkelklopfersamples<br />
sucht man bei den Chemical Brothers<br />
zumindest vergeblich. Dann eher eine ordentliche Portion<br />
psychedelischen Mummenschanz und entzückend<br />
sinnfreie Texte von geschätzten Indiekumpels wie Noel<br />
Gallagher oder Richard Ashcroft.<br />
Wenn "Song To The Siren" ertönte, war auch dem letzten<br />
Spiral Tribe-Hippie klar, dass die gebeutelten Synapsen<br />
jetzt auch noch musikalisch bombardiert würden.<br />
Song To The Siren, Chemical Beats, Leave Home, Block<br />
Rockin Beats, Let forever be, Out of Control, Get yourself<br />
High, The Test, The Golden Path; zehn Jahre nach ihrer<br />
ersten Maxi kann man allein anhand ihrer gesammelten<br />
Singletitel den fröhlichen Hedonismus der Chemical<br />
Brothers noch einmal nachvollziehen. Rave on.<br />
"I've always thought that when you're near hippies you're<br />
never far away from good music." (Ed Simmons)
INDIETRONICS<br />
THE BOOKS<br />
SCHÖNER ESSEN<br />
TEXT RENÉ MARGRAFF | THECRASHKID@GMX.DE<br />
Die Niederländer "The Books" machen Musik zum Köcheln knackigen Gemüses,<br />
die den Unterschied zwischen grünem und schwarzem Tee vertont. Jau, sie sind<br />
eine Lebensmittel-Band! Und als solche kümmern sie sich mit ihrem folky Cut-<br />
Up-Pop um die elementaren Dinge des Lebens in aller fortschrittlichen Konservativität.<br />
Farbenfroh wie in der Herbstsonne getrocknetes Laub<br />
klingt die Melange aus Akustikgitarren, Celli und Vocals,<br />
die "The Books" auf ihrem zweiten Album für Tomlab zusammengerührt<br />
haben. Nick Willscher Zammuto und<br />
Paul <strong>De</strong> Jong haben einige Zeit gemeinsam in einem alten<br />
Haus in North Adams, Massachusetts verbracht und<br />
schicken uns nun einen herbstlichen Küchensoundtrack.<br />
Das Rezept ist eigentlich simpel, aber hier<br />
schmeckt alles besonders gut. Man nehme drei Befehle<br />
am Computer, nennt sie Cut, Copy & Paste. Nimmt akustische<br />
Instrumente auf, baut sich eine Samplebank und<br />
sorgt für einen vollen Magen, dann klappt das mit dem<br />
folky Cutup-Pop. The Books berichten von Essen, ihrer<br />
Zusammenarbeit und was sie sich erhoffen …<br />
WE'RE NOT A PUNK BAND, WE´RE A FOOD BAND<br />
Die ganzen platten Küchen-Metaphern seien mir bei<br />
The Books verziehen, denn schließlich nannte sich ihr<br />
erstes Album aus dem Jahr 2002 “Food for Thought“. Es<br />
ist eines dieser Alben, die Tomlab gerade eben nachpressen<br />
lassen musste. Schön, dass so etwas auch 2003<br />
noch passiert. <strong>De</strong>r Titel des neuen, “The Lemon Of Pink“,<br />
kommt vitaminreich und positiv bei mir an. Sind The<br />
Books eine Lebensmittelband?<br />
NICK UND PAUL: “YES! Wir sind eine Lebensmittelband<br />
und wären auch gerne als solche bekannt. Es wäre uns<br />
nämlich lieber, bei Konzerten für die Gäste zu kochen als ihnen<br />
unsere Musik zu präsentieren. Essen ist essentiell, da<br />
gibt es wohl keine Zweifel. Wenn einer von uns im Studio arbeitet,<br />
steht der andere in der Küche. Wir bevorzugen einfaches<br />
und gesundes Essen, dunkelgrünes Gemüse, Kartoffeln,<br />
guten Käse, Vollkornbrot, süße reife Früchte, Mandeln,<br />
Pilze und etwas Rotwein.“<br />
HÖR MAL<br />
Das eigentliche Ziel von The Books war Pop. "Das hat<br />
nicht wirklich geklappt, aber Spaß hatten wir allemal.“ Ei-<br />
ne gemeinsame Freundin hat die beiden miteinander<br />
bekannt gemacht und nachdem die gemeinsame Leidenschaft<br />
für komische Sounds entdeckt war, begannen<br />
sie auch gleich mit ihrer Zusammenarbeit. Und die<br />
klappt prächtig, obwohl die beiden auf den ersten Blick<br />
aus unterschiedlichen Ecken kommen und Tom Steinle<br />
ihnen immer wieder Termine setzen musste. Paul <strong>De</strong><br />
Jong komponiert sonst Musik für die städtischen Bühnen<br />
in Rotterdam, gibt klassische und zeitgenössische<br />
Konzerte, komponiert Scores für Tanz- und Bühnenstücke<br />
und bringt den Kids in Manhattan bei, wie sie mit<br />
ihrem Cello umgehen sollen. Nick Willscher Zammuto<br />
ist der Koch in der Band, hat aber auch Kunst unterrichtet<br />
und sich mit "Soundskulpturen“ beschäftigt. Einiges<br />
davon ist unter dem Namen Zammuto auf Apartment B<br />
und dem Netaudiolabel No Type erschienen.<br />
The Books ist für beide etwas Spezielles und Neues: "Es<br />
geht hauptsächlich um die Zusammenarbeit. Wenn die<br />
nämlich klappt, passieren magische Dinge, das Ergebnis ist<br />
dann viel größer und schöner als die einzelnen von uns beigesteuerten<br />
Teile. Es ist das beste Gefühl, dass wir kennen<br />
und gibt uns einen guten Grund, hier auf diesem Planeten<br />
zu sein. Wenn die Musik ‘funktioniert’, verwandelt sie sich<br />
in etwas eher Universelles. Inspiriert werden wir dabei von<br />
allen Dingen, die unseren Weg kreuzen (Musik, Filme, Literatur,<br />
Geschichte, Familien, Freunde, Wetter). Unsere Musik<br />
ist unsere Art, all das umzudrehen und etwas zurück zu<br />
geben. Im Zentrum steht dabei das Hören. Richtiges<br />
Zuhören hat aber weniger mit den Ohren zu tun als man<br />
INFO<br />
The Books, The Lemon of Pink, erscheint Ende<br />
Oktober auf Tomlab/Hausmusik<br />
www.tomlab.de<br />
www.thebooksmusic.com<br />
glaubt. Die Technik, die es uns ermöglicht, so zu arbeiten<br />
und zu komponieren, ist einfach wunderbar. Wir können so<br />
wirklich zuhören und den Klang komplett aufsaugen. Hoffentlich<br />
hört man das unserer Musik an, vorsichtiges<br />
Zuhören und eine Leidenschaft für Sound.“<br />
MY DEFINITION OF …<br />
“Food for Thought” wirkte in der Soundauswahl unter-<br />
Wir sind eine Lebensmittelband<br />
und wären auch gerne<br />
als solche bekannt.<br />
schiedlicher, nervöser und auch unentschlossener. Auf<br />
“The Lemon Of Pink“ sind sowohl Sprache als auch Akustikgitarren<br />
und Celli weiter ins Zentrum geschoben.<br />
Sind The Books absichtlich noch “folkier” geworden?<br />
NICK UND PAUL: Hmmm ... die beiden Alben sind eher<br />
wie schwarzer Tee versus grüner Tee. 'Folky' ist momentan<br />
ein so oft gelesenes Wort. Es geht bei The Books ganz sicher<br />
nicht um ’Twang-Twang Folk’. Für uns bedeutet ‘folky’ eher<br />
seltsam, aber ehrlich, offen, aber persönlich, zugänglich,<br />
aber eigen, verwurzelt, aber nach vorne schauend, irgendwie<br />
konservativ, aber zugleich fortschrittlich. Es wäre<br />
schön, wenn dies auf unsere Platten zutreffen würde.<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
ELEKTRONIKA<br />
MACH MEINEN KUMPEL NICHT AN / Apparat<br />
TEXT THADDEUS HERRMANN | THADDI@DE-BUG.DE BILD SIBYLLE FENDT<br />
Frickeln allein macht auf die Dauer auch nicht glücklich. Und so faszinierend<br />
MAX/MSP auch immer noch ist, Sascha Ring aka Apparat lässt die Synthese auf<br />
seinem dritten Album "Duplex" Synthese sein und holt sich ein paar Musiker ins<br />
Studio. Ganz oldschool. Und sehr angemessen für den ruhenden Pol des rotzigen<br />
Shitkatapult-Universums<br />
Es gibt diese Szene bei "Die drei ??? und der Kapartenhund",<br />
in der Justus Jonas und Bob Andrews in einer Kirche<br />
niergergeschlagen und dann eingeschlossen werden.<br />
Wieder aufgewacht bollern sie gegen die Tür und<br />
werden schließlich vom Pfarrer gefunden. Nach kurzer<br />
Unterhaltung reicht Justus dem Pfarrer die Visitenkarte<br />
der <strong>De</strong>tektive und ermuntert den Pfarrer, sich bei ihnen<br />
zu melden, sollte dieser noch Fragen haben. <strong>De</strong>r Pfarrer<br />
sagt daraufhin lediglich: "Fragen? Ich habe keine Fragen."<br />
Bei der neuen LP von Apparat aka Sascha Ring fühle<br />
ich mich wie eine Mischung aus beiden Charakteren.<br />
Tracks wie "Steinholz" erschlagen mich und sobald ich<br />
wieder zurechnungsfähig bin, kann ich nur sagen: "Fragen?<br />
Nee, hab ich nicht. Mir ist alles klar, so sonnenklar,<br />
wie es mir noch nie war."<br />
"Duplex", besagtes neues Album, ist ein Monster, im positivsten<br />
Sinne, ist advanct wie lange kein Album mehr,<br />
ohne das stolz zur Schau zu stellen. Vielmehr verweist<br />
Sascha Ring, der auf seinen beiden Vorgänger-Alben<br />
"Multifunktionsebene" und "Tttrial And Eror" seine<br />
Fähigkeiten als Programmierer eindrucksvoll unter Beweis<br />
gestellt hat und in Berlin schon lange als offizieller<br />
MAX/MSP-Beauftragter gilt, auf "Duplex" sowohl die<br />
Elektronik als auch die verstärkt zum Einsatz kommenden<br />
akustischen Elemente auf ihre Plätze und lässt die<br />
Tracks einfach aus ganz eigener Kraft leuchten, lässt jegliche<br />
technische Feinheit erscheinen, als sei es das Normalste<br />
der Welt, und revolutioniert das elektronische<br />
Songwriting. Strike. Oder so ähnlich. Da muss man auch<br />
gar nicht viele Worte verlieren und sich schon gar nicht<br />
an überstrapazierten Allgemeinplätzen abarbeiten. Wie<br />
das denn ist mit der Invasion der Sänger und akustischen<br />
Instrumenten in der elektronischen Musik und<br />
warum das jetzt alle machen und ob die Frickelei jetzt<br />
ein für alle Mal vorbei ist und wie es denn um Gottes<br />
Willen weitergeht oder weitergehen könnte. Vielmehr<br />
macht man die Augen zu und stellt sich vor, wie Apparat<br />
den Club rockt, seine zurückhaltenden Tracks mit Bassdrums<br />
aufmotzt ("Ich hatte auch mal eine Gabba-Phase,<br />
ja.") und einfach alles in Schutt und Asche legt. Wieder<br />
im positivsten Sinne, denn: Apparat ist ein Guter<br />
und mit den Platten von Cosmic Baby aufgewachsen.<br />
LAUNE VERDERBEN MIT LOOP-TECHNO<br />
"Das hat damals irgendwie gepasst", wiegelt Sascha ab,<br />
"ich war auch noch klein." Als ob man sich da rechtfertigen<br />
müsste. Über MfS-Releases in Berliner Platten-<br />
sammlungen könnte man die eine oder andere Enthüllungsgeschichte<br />
schreiben. Und außerdem war diese<br />
Phase ziemlich schnell wieder vorbei, Apparat kaufte<br />
Plattenspieler und fing an aufzulegen, "härter und härter<br />
und härter und irgendwann hat mir Loop-Techno alles verdorben<br />
und ich kaufte meinen ersten Synthesizer und alles<br />
ging mehr in Richtung Kerzen anzünden." Schließlich kam<br />
der Umzug nach Berlin, erste <strong>De</strong>mos wurden verschickt<br />
und neben Jetlag interessierte sich Marco Haas von<br />
Shitkatapult, ebenfalls gerade nach Berlin übergesiedelt,<br />
für die Tracks. Beide verstanden sich so gut, dass<br />
sie sich fortan gemeinsam um das Label kümmerten.<br />
Heute, Jahre später, kann sich Sascha Ring eigentlich<br />
genüsslich zurücklehnen, denn außer dem immer noch<br />
nicht begonnenen Studium ("kommt immer wieder was<br />
dazwischen") läuft alles nach Plan, auch wenn es fürchterlich<br />
stürmisch ist beim Interview und der Apfelsaft<br />
fast vom Tisch fegt.<br />
<strong>APPARAT</strong>: Ich wollte das immer machen ... mehr Instrumente<br />
in die Tracks packen. Das hat eine Weile gedauert.<br />
<strong>De</strong>n Sänger zum Beispiel habe ich ganz einfach per Aushang<br />
an der Musikhochschule gesucht. Wir haben ein bisschen<br />
gebraucht, bis wir uns sozusagen synchronisiert hatten,<br />
aber dann war es prima. Im Unterschied zu den ersten<br />
beiden Platten, habe ich "Duplex" gründlich geplant, mir eine<br />
Library an Sounds angelegt, ganz gezielt ein paar Patches<br />
programmiert und mit diesem Grundstock dann angefangen,<br />
an den Tracks zu arbeiten. Prinzipiell hatte ich<br />
von Synthese aber die Nase voll, ich konnte das alles nicht<br />
mehr hören. Mittlerweile ist das schon wieder ein bisschen<br />
anders.<br />
DEBUG: Wird ja eh alles gerade wieder fluffiger zur Zeit,<br />
oder? Die Zeit des endlosen Programmierens ist irgendwie<br />
vorbei. Oder zumindest veröffentlichen die Leute<br />
nicht mehr jedes neue Patch auch gleich als Track.<br />
<strong>APPARAT</strong>: Absolutes Revival, ganz klar. Oldschool. Mal<br />
Sounddesign ist irgendwie<br />
komplett abgecheckt. Ich<br />
frage mich zwar immer<br />
noch bei bestimmten<br />
Tracks, wie die das zur Hölle<br />
gemacht haben, aber ich<br />
möchte selber sowas nicht<br />
mehr machen.<br />
wieder einen Drumcomputer benutzen, ohne die Snare<br />
stundenlang nachzubearbeiten. Sounddesign ist irgendwie<br />
komplett abgecheckt. Ich frage mich zwar immer noch bei<br />
bestimmten Tracks, wie die das zur Hölle gemacht haben,<br />
aber ich möchte selber sowas nicht mehr machen. Die Zeitspanne<br />
zwischen Idee oder Motiv und Ergebnis muss einfach<br />
wieder kürzer werden, gerade wenn man mit anderen<br />
Leuten zusammenarbeitet.<br />
DEBUG: Wieso überhaupt selber programmieren?<br />
<strong>APPARAT</strong>: Früher war die Motivation ganz klar ein Innovationsdrang.<br />
Diese naive Vorstellung, jeder Track müsse<br />
und könne das Rad neu erfinden und wenn Autechre etwas<br />
INFO<br />
Apparat, Duplex, ist auf<br />
Shitkatapult/Hausmusik/Kompakt erschienen.<br />
www.shitkatapult.com<br />
www.apparat.net<br />
schon mal gemacht hatten, konnte man eh alles hinschmeißen.<br />
Geändert hat sich das ja auch nicht wirklich.<br />
Die einen feiern neue Tracks, die anderen behaupten, dass<br />
sei auf "Amber" alles schonmal vorgemacht worden.<br />
DEBUG: Außerdem gab es plötzlich so eine Hetzjagd<br />
auf diese Musik.<br />
<strong>APPARAT</strong>: Zu Unrecht. Wenn heute irgendwo Minimaltechno<br />
läuft, sagt ja auch keiner "Ey, Maurizio". Aber so ist<br />
das halt. Ich sage nicht, Elektronika ist tot, man muss sich<br />
einfach umschauen und für sich selbst rausfinden, wie man<br />
weitermachen will. Ich hab ja sogar mal Schlagzeug gespielt,<br />
so richtig in der Musikschule mit theoretischer Ausbildung.<br />
Mich ärgert total, dass ich damals zwei, drei Jahre<br />
zu jung war, um nicht bei einer dieser Kellerbands einzusteigen.<br />
Als dann die elektronische Musik losging, hab ich<br />
mich gefragt, warum um Gottes Willen ein Schlagzeug.<br />
DEBUG: Ich habe das Gefühl, im Moment bringen alle<br />
Platten raus mit den Tracks, die sie schon immer machen<br />
wollten, aber nie konnten, warum auch immer. Ist "Duplex"<br />
auch das Ende deiner Beta-Phase?<br />
<strong>APPARAT</strong>: Eigentlich hat sich nicht viel geändert. Ich bin<br />
nach wie vor ein wenig sentimental in den Melodien, vielleicht<br />
haben sich die Sounds und das Arrangement ein bisschen<br />
verändert, was auch daran liegt, das in einem Track<br />
mittlerweile viel mehr Zeit steckt. Aber du hast schon recht.<br />
Viele Platten in den letzten Jahren waren einfach nur Experimente.<br />
Dass das dann gleich veröffentlicht wurde, ist komisch.<br />
Zwar cool, aber doch komisch.<br />
DEBUG: Hat 'ne Menge kaputt gemacht...<br />
<strong>APPARAT</strong>: Kann sein. Heute ist die Hemmschwelle viel<br />
kleiner, um sich in das Musikmachen reinzustürzen. Das<br />
merke ich vor allem als Labelbetreiber. Das ist ganz doll<br />
schlimm. <strong>De</strong>mos werden immer schlechter. Ich habe in letzter<br />
Zeit auf jeden Fall gemerkt: Mir ist das alles nicht easy<br />
genug. Ich höre beim Arbeiten auch gerne Otto von Schirach,<br />
aber irgendwie ist es das nicht.<br />
DEBUG: Live ist das aber wieder eine ganz andere Geschichte<br />
...<br />
<strong>APPARAT</strong>: Ja, live ist alles viel straighter. Weil man ja letztendlich<br />
doch immer wieder im Club spielen muss und es<br />
einfach auch verdammt viel Spaß macht zu rocken. Die<br />
Jungs von Modeselektor haben mir das wieder beigebracht.<br />
Wenn wir zusammen als Moderat spielen, sind unsere<br />
Rechner einfach nur gesynct, alles andere passiert einfach.<br />
Drauf los. Das haben mir die Jungs beigebracht. Und ich bezahle<br />
in Form von Software. Das reizt mich immer noch.<br />
Wenn ein Problem auftaucht, irgendwas programmiert<br />
werden soll, dann setze ich mich die ganze Nacht hin und<br />
frickel.<br />
Zum Glück steht groß auf dem neuen Apparat-Album<br />
"There Are Things That Can Never Be Frickeled". So wird<br />
plötzlich alles klar. Danke, Apparat.
TECHNOROCK<br />
DER TRUCKER<br />
FÄLLT NICHT<br />
WEIT VOM<br />
STAMM<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong><br />
TEXT SVEN VON THÜLEN | SVEN@DE-BUG.DE BILD SIBYLLE FENDT<br />
Die Schnorrer-Punks in der U-Bahn haben sich von den Fashion-Punks nicht in<br />
ihrer Haltung beeindrucken lassen. Na, und wer trägt jetzt immer noch Nietenarmband<br />
und hat Spaß dabei? Auch T.Raumschmiere knarzt und bolzt auf seinem<br />
neuen Album "Radio Blackout" siegreich der Dreck-Trash-Mode davon.<br />
<strong>De</strong>nn wo muss man das Nietenarmband tragen? Im Herzen.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Mit dem Album wollte ich wieder in<br />
die Richtung meiner ersten Platte "Stromschleifen" auf Shitkatapult<br />
gehen. Da waren ja auch sehr unterschiedliche<br />
Stücke drauf. Und nicht nur so Bolzen wie auf den Maxis danach.<br />
Bei der ersten Platte damals habe ich mich einfach frei<br />
gefühlt. Es gab niemanden, der irgendetwas erwartet hat.<br />
Ich habe gemacht, worauf ich Bock hatte. Und so wollte ich<br />
es dieses Mal auch machen, deswegen habe ich Novamute<br />
auch von Anfang an gesagt, dass ich kein Techno-Album<br />
machen werde, weil ich auch kein Techno-Artist sein will und<br />
ich auch nicht in diese Ecke gedrängt werden will.<br />
DEBUG: Welche Ecke wäre denn dann deine?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Ich weiß nicht genau. Ich kann das<br />
immer so schlecht in Schubladen oder Kategorien einstufen.<br />
Ich will ganz einfach nicht meine Karriere mit "Sonne Mond<br />
und Sterne" etc, jetzt nichts gegen das Festival, also dieser<br />
klassischen Techno-Veranstaltung, verbringen. Das ist immer<br />
mal nett, aber interessiert mich auf Dauer nicht. Da<br />
passiert nichts und die Art und Weise, wie da Musik konsumiert<br />
wird, ist auch nicht mein Ding. Da fahre ich primär<br />
hin, um Geld zu verdienen.<br />
DEBUG: Ist das Fusion-Festival am Müritzsee dann so<br />
ein Festival, das als Gegenmodell herhalten könnte?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Die Fusion ist auf jeden Fall interssant,<br />
weil die sich ganz einfach von Anfang an was trauen,<br />
die Leute einladen, die keinen Namen haben. Die sie aber unbedingt<br />
da haben wollen. Das machen andere etablierte<br />
Festivals nicht. Die gucken, dass sie große Namen auf dem<br />
Flyer haben und das wars. Von denen wäre ich vor drei, vier<br />
Jahren niemals eingeladen worden.<br />
DEBUG: Hat sich für dich dieses ganze Punkrock-Ding<br />
nicht nochmal zugespitzt? Ist es expliziter geworden, sowohl<br />
ästhetisch als auch musikalisch?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Auf jeden Fall. Es ist ja gerade unübersehbar,<br />
dass es diesen Punkrock- und Trash-Hype gibt. Da<br />
haben jetzt auch viele ihre Fahne in den Wind gehängt, die<br />
vor einer Weile noch von der neuen Technogeneration geredet<br />
haben und bei Gitarren sofort ins Koma gefallen sind.<br />
DEBUG: Ich meine auch für dich selber. Ich denke, von<br />
deiner alten Punkband Zorn bis T.Raumschmiere ist für<br />
dich eine stringente Linie, aber spätestens mit "The<br />
Great Rock'n'Roll Swindle" hast du den Aspekt Punkrock<br />
nochmal an eine exponierte Stelle gerückt.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Für mich hat sich da tatsächlich<br />
nichts geändert. Ich mache immer noch Musik, die laut ist<br />
und meinetwegen auch hart, um Dampf abzulassen. Statt<br />
Hardcoregebratze gibt es jetzt halt Technogeknarze. Ich<br />
mach das nach wie vor aus dem selben Antrieb heraus. Aber<br />
es stimmt schon, mit "The Great Rock'n'Roll Swindle" haben<br />
wir das perfekte Timing gehabt. Wie Malcom McLaren damals<br />
mit den Sex Pistols (lacht). Zur richtigen Zeit, am richtigen<br />
Ort hat er die richtige Idee gehabt. Und im Grund war<br />
die Platte ja genau das. Sie hatte den Namen, weil da ein<br />
neues Stück drauf war. <strong>De</strong>r Rest war altes Zeug. Aber der<br />
Plan ist aufgegangen (lacht noch lauter).<br />
DEBUG: Welche Platten haben dich für elektronische<br />
Musik begeistert?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Schwer, da etwas hervorzuheben. Das<br />
hat sich ja langsam herauskristallisiert. Hm … , was mir auf<br />
jeden Fall damals den Dreck und das dreckige in elektronischer<br />
Musik nahe gebracht hat, waren die ersten Profan-<br />
Platten. Dieses stumpfe, dreckige Nach-vorne-Gebolze. Da<br />
konnte ich gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Ich dachte,<br />
dass gibt es doch gar nicht. Aber natürlich haben mich auch<br />
so Sachen wie Aphex Twin beeindruckt. Gerade weil ich damals<br />
auch noch keine Ahnung von der Technik hatte. Man<br />
kann also doch mit Elektronik Rock'n'Roll machen.<br />
DEBUG: Glaubst du eigentlich, dass diese explizite Auseinandersetzung<br />
mit Punkrock irgendwann für dich gegessen<br />
ist? So nach dem Motto: Jetzt hab ich dazu alles<br />
gesagt, es reicht.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Wenn ich überall gespielt habe, ist<br />
Schluss. Das war schon vorher bei meinen Bands so. Wir haben<br />
immer aufgehört, wenn es am besten war. Oder auch<br />
beim Sport. Immer, wenn ich kurz vor irgendwelchen Nationalmannschaften<br />
stand, wurde es mir zu blöd. Das artete in<br />
Arbeit aus und das wollte ich nicht.<br />
DEBUG: (ungläubig) In welche Nationalmannschaft<br />
wärst du denn fast gekommen?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: (lacht) Okay, Nationalmannschaft ist<br />
vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es wurde ernster als<br />
ich wollte.<br />
DEBUG: In welchen "Nationalmannschaften" hast du<br />
denn nun fast gespielt?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Fußball und Basketball.<br />
DEBUG: So so.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>:Shitkatapult und T.Raumschmiere<br />
macht mir immer noch sehr viel Spaß. Das ist das, was ich<br />
immer machen wollte. Und seit zwei Jahren läuft es halt.<br />
Manchmal denke ich mir auch, fuck, was ich für ein Glück<br />
habe, dass ich so ein Leben leben darf. Das ist schon was besonderes.<br />
Unsere ersten drei Platten haben wir immerhin<br />
noch selbst finanziert. Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger,<br />
die wir waren, haben wir alles zusammengekratzt,<br />
was irgendwo auf der Kante lag. Und jetzt trägt<br />
sich das Label.<br />
DEBUG: <strong>De</strong>ine Live-Acts haben sich in den letzten zwei<br />
Jahren ja auch immer mehr zu einer rotzigen Performance<br />
entwickelt. Es scheint, als ob du da viel selbstbewusster<br />
geworden bist.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Die Kompakt-Party zur Popkomm vor<br />
zwei Jahren war der Katalysator. Da stimmte plötzlich alles.<br />
Als Wolfgang Voigt bei meinem Live-Set dann noch Stagediving<br />
gemacht hat, habe ich mir gedacht, Marco, du bist auf<br />
dem richtigen Weg (lacht).<br />
INFO<br />
T.Raumschmiere, Radio Blackout, ist auf Novamute<br />
erschienen.<br />
www.novamute.com<br />
www.shitkatapulkt.com<br />
Von seiner aktuellen Punkrockband “Crackhorse<br />
Society” (vormals Mos Eisley Rock) sind eine 7" und<br />
diverse Samplerbeiträge erschienen.<br />
DEBUG: Und wie soll es live weitergehen?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Mein Plan, beziehungsweise mein<br />
Wunsch ist es ja, bis nächstes Jahr für die Festivalsaison eine<br />
kleine live Punkrocktrashelektrocombo auf die Beine zu stellen.<br />
So mit E-Drums und Moog Bass ...<br />
DEBUG: Ist das bis jetzt nur eine Idee oder …?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>:<br />
Ich hab da schon ein paar potenzielle Kandidaten, mit denen<br />
ich das gerne machen möchte. Ideen gibt es genug und die<br />
Tracks, die ich gerade mache, hören sich schon so an, als<br />
wären sie für eine Band arrangiert. Ich genieße es zwar auch<br />
oft, aber auf die Dauer nervt mich das alleine Rumreisen<br />
schon. Und wie gesagt, musikalisch passt das sowieso. Wenn<br />
du dir die neuen Stücke unserer Band (Die seit neuestem auf<br />
den schönen Namen Crackhorse Society hört. Vorher Mos<br />
Eisley Rock. Anm.) anhörst und die mit meinen Solosachen<br />
vergleichst, dann kann man da sehr viele Ähnlichkeiten feststellen.<br />
Natürlich ist der elektronische Kram viel filigraner,<br />
aber das liegt einfach auch daran, wass wir vier Punkrocker<br />
sind, die meistens zu verpeilt sind, um großartigen Wert auf<br />
<strong>De</strong>tails zu legen.<br />
DEBUG: Dann geht der ganze Bandhustle aber los. Ihr<br />
seid doch zu viert oder nicht?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: (stuzt) … Oh ja, da muss man sich<br />
dann immer erstmal darauf einigen, wie der Bass überhaupt<br />
klingen soll. Ähm, …. das war ja eigentlich auch der Grund,<br />
warum ich überhaupt mit elektronischer Musik angefangen<br />
habe, weil ich auf diese ganze Kompromissscheiße keinen<br />
Bock mehr hatte. Weil ich meine Soundvision umsetzen<br />
wollte, ohne jemanden zu fragen, ob das so okay ist. Ach, das<br />
wird schon.<br />
DEBUG: Darf ich zum Abschluss um die Namen deiner<br />
Top-Five Rockplatten bitten?<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Shellac, "At Action Park" ist auf jeden<br />
Fall Number One. "<strong>De</strong>stroy Oh Boy" von den New Bomb<br />
Turks, "Goo" von Sonic Youth und dann natürlich Helmets<br />
"Meantime". Die Platte hat mich schwer beeinflusst. Da<br />
kann ich immer noch Arrangements und Riffs klauen. Das<br />
Album hat echt Druck. Wieviel waren das jetzt?<br />
DEBUG: Vier.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: (grübelt) … was gab es denn noch für<br />
gute Platten? Ach ja natürlich: fünfte Platte ist Neurosis'<br />
"Souls At Zero". Das war der Burner damals. Diese Monotonie,<br />
die die da in Gitarrenmusik reingebracht haben, das war<br />
auch so ein entscheidender Moment in meiner Entwicklung.<br />
DEBUG: Die gibt es noch.<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong>: Ich weiß, ich steh bei denen auf der<br />
Mailingliste. Aber man hört denen jetzt an, dass sie alle clean<br />
sind und Kinder haben. Das ist zwar noch brachial, aber<br />
es hört sich alles so bodenständig, so durchdacht an.
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
DUB<br />
JETZT GEVOICT<br />
RHYTHM & SOUND<br />
TEXT JAN OLE JÖHNK | JANOLE@LEBENSASPEKTE.DE BILD CHRISTOPH KLENZENDORF<br />
Rhythm & Sound-Veröffentlichungen sind Platten, für die man auch eine Bank überfallen würde, nur um sie weiterhin<br />
sammeln zu können. Mark Ernestus und Moritz von Oswald haben in den vergangenen Jahren nicht nur ihre Produktionsmethoden<br />
immer mehr verfeinert, sondern ihr eigenes Universum um Reggae-Legenden erweitert. Soeben ist eine<br />
umfangreiche Werkschau erschienen.<br />
Rhythm & Sound, jenes Projekt der beiden Basic Channel-Masterminds<br />
Mark Ernestus und Moritz von Oswald,<br />
das jetzt mit einer aus zwei CDs bestehenden Werkschau<br />
Bilanz zieht, scheint der mit Abstand Jamaika-orientierteste<br />
Output der beiden Berliner zu sein. Hört man nämlich<br />
die acht Vocal-Versionen der “w/ the artists”-CD,<br />
könnte man denken, hier hätten sich zwei in Gänze dem<br />
Dub verschrieben und sich vom Techno komplett losgesagt.<br />
Doch weit gefehlt, denn die beiden haben ihre eigene<br />
Formel elektronischer Musik zwar modifiziert, gehen<br />
aber nicht völlig neue Wege. Evolution nicht Revolution<br />
ist das Motto.<br />
Einen stärkeren Dub-Einfluss sehen die beiden nämlich<br />
keineswegs, das wurde gleich zu Beginn des Gespräches<br />
deutlich. Was sich auf den beiden CDs findet, hat sich<br />
eher ergeben, als dass es geplant war, die Grundhaltung<br />
ist keine andere geworden. Sie bewegen sich und arbeiten<br />
auch nicht anders, als etwa bei Basic Channel- oder<br />
Maurizio-Veröffentlichungen. Die beiden ausgewiesenen<br />
Reggae- und Dub-Kenner lassen sich nicht auf diese<br />
letztendlich billige Analogie festlegen. Tracks sind<br />
schließlich immer Momentaufnahmen, die dem außenstehenden<br />
Hörer durchaus als großer Bruch und Neuorientierung<br />
erscheinen können. Für die Schöpfer sind sie<br />
das Ergebnis eines kontinuierlichen Prozesses, den sie<br />
komplett gestaltet haben und weiter betreiben, der Abschluss<br />
eines Kapitels, das für sie nicht in klar umrissene<br />
Phasen zu unterteilen ist. In diesem Prozess haben sich<br />
Mark und Moritz sehr oft treiben lassen, ein Motiv übrigens,<br />
das einem bei elektronischer Musik immer wieder<br />
begegnet. Da muss die Frage nach einem stärkeren Einfluss<br />
durch Dub seltsam anmuten. Hört man nämlich genau<br />
hin, unterscheiden sich Basic Channel-Tracks nicht<br />
so stark von Rhythm & Sound-Stücken. Im Raum steht da<br />
eher die Bemerkung, dass die beiden schon vor langer<br />
Zeit eine gewisse 4/4-Club-Orientiertheit, mithin also<br />
diese Funktions-Orientierung ihrer Musik, aufgegeben<br />
haben. Es ist also eher etwas fortgefallen und Dub eben<br />
nicht als neues plakatives Element hinzugefügt oder ver-<br />
1) CORNEL CAMPBELL: Dieser Sänger zählt zu den<br />
ganz großen Veteran Artists unter den Roots Reggae-<br />
Sängern Jamaikas. Er hat seit Ende der 60er kontinuierlich<br />
mit verschiedenen Produzenten aufgenommen, unter<br />
anderem mit Bunny Lee. Er stand aber immer im<br />
Schatten der ganz großen Namen, und ist daher eher<br />
nur den Reggae-Kennern als einer größeren Öffentlichkeit<br />
bekannt.<br />
2) JAH BATTA: Dieser in New York lebende Exil-Jamaikaner<br />
stammt aus dem engsten Wackies-Umfeld und<br />
nimmt vor allem dort seit Ende der 80er als Sänger Platten<br />
auf. Er ist vor allem für seinen DJ-Style bekannt geworden,<br />
der sich auf vielen Aufnahmen perfekt mit den<br />
Vocals von Sugar Minott ergänzt. Er ist ein klassischer<br />
DJ, der aber auch mit Gesang experimentiert.<br />
stärkt worden. Als bewusste Orientierung möchten sie<br />
das aber nicht verstanden wissen, ja eigentlich ist das<br />
Thema für die beiden gar keine Frage.<br />
NICHT MEHR ALLEIN<br />
Wichtiger ist in diesem Zusammenhang ganz offensichtlich<br />
das Arbeiten mit Sängern, denn hier geht es um Probieren,<br />
um einen bestimmten Grund-Sound und -Groove<br />
zu finden, der zu den jeweiligen Vocals passt. Wie weit<br />
kann man gehen, was muss weggenommen werden, wo<br />
reduziert werden. An verschiedenen Orten – Berlin, New<br />
York und auf Jamaika – gevoict, mussten sich die beiden<br />
immer auf die Sänger und die jeweiligen Gegebenheiten<br />
einstellen, was oft in eine kurzfristig improvisierte Skizze<br />
mündete, über die dann gesungen wurde. Eine ausführlichere<br />
Vorbereitung war nur bei Paul St. Hilaire (der<br />
früher als Tikiman veröffentlichte) möglich, da dieser in<br />
Berlin lebt, man sich sehr gut kennt und immer wieder im<br />
Studio zusammen arbeitet. Jeder Sänger ist anders, arbeitet<br />
anders, was gleichzeitig Reiz und Hauptschwierigkeit<br />
darstellt. Jemand anderen in den eigenen Arbeitskosmos<br />
zu lassen, ist nicht unbedingt das Naheliegendste<br />
für Mark und Moritz, arbeiten die beiden doch seit<br />
Jahren vor allem zu zweit. Diese Öffnung scheint ihnen<br />
aber keinerlei Probleme zu bereiten. Ebensowenig wie<br />
den Sängern, die oft Entwürfe im Kopf haben, aus denen<br />
sie dann sehr schnell vollständige Vocals improvisieren<br />
können. Beide Seiten können sich also sehr schnell aufeinander<br />
einstellen.<br />
VON DER SKIZZE ZUM TRACK<br />
Rhythm & Sound verwandten für die Zusammenarbeit<br />
fast immer einen skizzenhaften Basic Track, der dann gevoict<br />
wurde. Was für den Laien so klingt, als blieben den<br />
Produzenten nach den Gesangsaufnahmen nicht mehr<br />
viele Möglichkeiten der Bearbeitung, scheint ein sehr offenes<br />
Sound-Universum zu sein. Moritz von Oswald offenbarte<br />
verschmitzt, dass aller Spielraum bleibe und<br />
man die Tracks von Grund auf neu definieren könne. Es<br />
solle ja schließlich ein Rhythm & Sound-Stück sein! Das<br />
3) JENNIFER LARA: Sie hat Ende der 60er bei Studio<br />
One unter dem legendären Produzenten Clement “Coxsone”<br />
Dodd ihre Gesangskarriere begonnen, hat aber<br />
danach auch mit anderen zusammengearbeitet. Auf Jamaika<br />
hatte sie verschiedene Hits, was auch sie zu einem<br />
bekannten veteran artist des Rocksteady und später<br />
des Lovers Rock machte.<br />
4) LOVE JOY: Claudette Brown, eine Hälfte des Lovers-<br />
Vocal-Duos Love Joys, hat jamaikanische Wurzeln, ist<br />
aber via Brixton – ja der Londoner Stadtteil ist gemeint<br />
– in New York aufgeschlagen. Berühmt ist sie für ihren<br />
wunderschönen Gesang auf den beiden legendären<br />
Love Joys-Alben sowie ihre Beteiligung an den Backing<br />
Vocals auf zahlreichen Wackies-Produktionen.<br />
gerät dann mal zu einer schwierigen, mal zu einer einfachen<br />
Aufgabe, in jedem Fall nimmt man sich die Zeit, die<br />
nötig ist.<br />
Das Voicing hingegen fand meist unter improvisierten<br />
Umständen statt. Nicht immer konnte es so einfach sein,<br />
wie mit der jamaikanischen Sängerin Jennifer Lara, die<br />
“King In My Empire” mit Cornel Campbell hörte und sofort<br />
eine Answer-Version aufnehmen wollte. Mark und<br />
Moritz mussten nicht mal in die Karibik reisen, denn es<br />
wurde einfach die version gevoict, um eine hinreißende<br />
weibliche Antwort zu erhalten. Die Reggae-Legende Cornel<br />
Campbell war da schon weniger einfach vor ein Mikrophon<br />
zu bekommen. <strong>De</strong>r weilte nämlich nur zufällig<br />
einen Tag länger in Berlin, weil ein Konzert abgesagt worden<br />
war. Man traf sich spontan im Studio, nachdem der<br />
in Berlin lebende DJ (das ist der MC im Reggae!) Joseph<br />
Cotton das Treffen vermittelt hatte. In 30 Minuten musste<br />
eine der besagten Skizzen produziert werden.<br />
Zunächst musste mit Campbell allerdings die Gage verhandelt<br />
werden. In Jamaika muss eben jeder sehen, wo er<br />
bleibt und vor allem sein Geld herbekommt. Mark und<br />
Moritz wissen das natürlich, einigten sich mit Cornel<br />
Campbell und das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist<br />
ein Stück, das uns sechs der schönsten Minuten unseres<br />
Lebens schenken kann: “King In My Empire”.<br />
ALLES WAR FLIEßEND<br />
Während der New York-Aufenthalte bei Lloyd “Bullwackies”<br />
Barnes, mit dem die beiden seit langem freundschaftlich<br />
wie geschäftlich verbunden sind – Basic Channel<br />
betreut die sorgfältige Neuedition der ebenso raren<br />
wie legendären Reggae- und Dub-Veröffentlichungen<br />
seines Labels Wackies –, hing man oft tagelang im Haus<br />
und Studio von Bullwackies in der Bronx herum. Barnes<br />
fungierte dabei als eine Art Koodinator. Die Uhren gehen<br />
dort eben etwas anders, Sänger und Musiker gehen ein<br />
und aus, und irgendwann ergibt sich etwas. Das konnte<br />
dann schon mal morgens um 7 Uhr sein. Also ab ins Studio,<br />
schnell einen Basic Track gebastelt und los ging es.<br />
01 02 03 04 05 06 07<br />
5) PAUL ST. HILAIRE: <strong>De</strong>r früher als Tikiman aktive, in<br />
Berlin lebende und ursprünglich von der südkaribischen<br />
Insel Dominica stammende Sänger steht für einen eher<br />
offenen Umgang mit Reggae-Vocals. Nachdem er mit<br />
Mark Ernestus und Moritz von Oswald erste Erfahrungen<br />
in der Zusammenarbeit mit elektronisch arbeitenden<br />
Produzenten machte, arbeitet er seitdem auch mit<br />
anderen. Sein eigenes <strong>De</strong>bütalbum “Specified” erschien<br />
jüngst auf False Tuned/Indigo.<br />
5) SHALOM: Dieser jamaikanische Sänger stammt aus<br />
dem Wackies- und Sugar Minott/Youth Promotion-Umfeld<br />
und ist seit Ende der 80er aktiv. Er zählt also zur jüngeren<br />
Generation und gilt als Lovers Rock- und Roots-<br />
Sänger, der mit “I Got News For You” vor einiger Zeit einen<br />
Nr. 1-Hit auf der Insel hatte. Mittlerweile reist er oft<br />
für Aufnahmen nach New York.<br />
INFO<br />
Rhythm & Sound, “W/ The Artist”s und<br />
“The Versions”, sind auf Burial Mix/Indigo<br />
erschienen<br />
www.basicchannel.com<br />
www.wackies.de<br />
Alles war fließend, gestaltete sich unglaublich vage. Ein<br />
“Kommen lassen” eben, dem sich die beiden aber gerne<br />
überließen. Die Relaxtheit der New Yorker-Reggae-Szene<br />
färbte einfach auf sie ab – und auf ihre Stücke.<br />
Da aber kein verbindlicher Plan existierte, mit wem man<br />
Stücke aufnehmen wollte, gestalteten sich die Treffen<br />
immer sehr ungezwungen und man tastete sich zunächst<br />
ab. So fanden beide Seiten heraus, ob es passen könnte.<br />
Die letztendliche Auswahl der Sänger hing somit auch<br />
eher von Zufällen ab, auch wenn sich die Ergebnisse<br />
überhaupt nicht so anhören. Vielmehr ist eine organische<br />
Einheit aus Produktion und Vocals entstanden, die<br />
nicht unbedingt selbstverständlich ist bei diesen doch<br />
eher ungeplanten und bisweilen auch holperigen Voicing-Umständen.<br />
Wenn man dann noch bedenkt, dass<br />
die meisten Sänger eine weniger elektronisch-improvisierende<br />
Arbeitsweise gewöhnt sind, staunt man über<br />
die Musik nur noch mehr. <strong>De</strong>nn die Stimmen sind so homogen<br />
in die Produktion eingebettet und drücken ihr<br />
gleichzeitig ihren Stempel auf, ohne sie einzuengen. Es<br />
sind die Stimmen, die die Rhythm & Sound-Musik von<br />
Track- hin zu Song-Orientiertheit zu modifizieren scheinen.<br />
Menschen haben eben die Angewohnheit, sich an<br />
Stimmen festzuhalten. Texte und Stimmen sind immer<br />
prägnanter als Sounds, dominieren diese auf eine Art, so<br />
auch bei Rhythm & Sound. Da ist es nur folgerichtig,<br />
wenn die Versions einem deutlich elektronischer, ja fast<br />
schon technoider erscheinen. Und hörte man nur diese,<br />
ohne Kenntnis der Vocal-Stücke, erledigte sich die Frage<br />
nach dem Jamaika Bezug vielleicht. Aber wer kann nach<br />
dem Hören der wunderschönen Vocal-Stücke diese<br />
schon aus seinem Kopf verbannen. Ursprünglich auf 10”s<br />
als A- und B-Seite veröffentlicht, waren sie sowieso als<br />
zwei Aspekte eines Stückes gedacht, ergänzen sich also<br />
und sind keineswegs als Gegensatz zu verstehen. Nur um<br />
zum Schluss einem möglichen weiteren Irrtum vorzubeugen.<br />
7) CHOSEN BROTHERS:<br />
Unter diesem Pseudonym singt der Produzent Lloyd<br />
“Bullwackies” Barnes. Als Emigrant kam er Anfang der<br />
70er von Jamaika nach New York, gründete dort das erste<br />
dortige Reggae-Studio und wenig später mit<br />
Wackies auch das erste Reggae-Label im big apple. Singen<br />
ist seine zweite Leidenschaft, die er so meisterlich<br />
beherrscht wie das Produzieren.
FREISTIL-PARTY<br />
LAUNISCHE<br />
KREATUREN<br />
PSYCHONAUTS<br />
TEXT RENKO HEUER | RENKOHEUER@WEB.DE BILD JUERGEN TELLER<br />
Lange haben sie nur aufgelegt, die Psychonauts. Als lebende Schnittstellen stellen<br />
sie die Genrefixierungen auf unscharf und packen umso vielschichtiger ihre<br />
Launen, nächtlichen Träume und jahrelangen Erfahrungen auf ihr <strong>De</strong>but-Album.<br />
Schnittstellenphilosophie. <strong>De</strong>r DJ als lebende Schnittstelle.<br />
Als Punkt, an dem Konsum und Eigenkreation von<br />
Musik zusammentreffen. Wo Genre-Grenzen und Tracks<br />
gleichermaßen verschwimmen. Die Kunst dieses DJ-Balanceakts<br />
haben Paul Mogg und Pablo Clements lange<br />
Zeit praktiziert. Fast eine <strong>De</strong>kade, als Psychonauts. Seit<br />
der Grundschule befreundet, begannen die beiden bereits<br />
früh damit, Songs für andere Kreaturen zu spielen:<br />
von den Pet Shop Boys zu Breakdance, von Soul zu Disco.<br />
Immer zusammen, und immer auch dem HipHop verpflichtet.<br />
Was folgte, war der Kontakt zu James Lavelle<br />
und somit der Einstieg in die dieser Tage implodierende<br />
Mo’Wax-Sphäre. Sie remixten Money Mark, Liquid Liquid<br />
und vieles mehr. Und lernten nebenbei, wie man selber<br />
Musik macht: "Vorher haben wir eigentlich nichts anderes<br />
gemacht, als irgendwo aufzulegen. Pablo und ich waren<br />
die ganze Zeit unterwegs. Daher haben wir nach und<br />
nach erst gelernt, wie man wirklich selber Musik macht,<br />
mit den ganzen Computern und dem Equipment umzugehen<br />
hat.“ Das ist auch der Grund, warum ihr spätes <strong>De</strong>but<br />
erst jetzt erscheint, im Hell’schen Hause Gigolo. Einmal<br />
im Besitz der Producer-Skills, mussten die beiden nur<br />
noch morgens mit dem rechten Bein aufstehen. Man<br />
kann das Eklektizismus nennen, oder Launenhaftigkeit:<br />
"Unsere Songs entstehen eigentlich jedes Mal aus einer<br />
Laune. Dafür ist natürlich wichtig, wie man am Morgen<br />
aufgestanden ist, was man geträumt hat.“ Die unterschiedlichen<br />
Traumwelten der "Songs For Creatues“ ergeben<br />
ein vielschichtiges Ganzes, die Jahrzehnte ihrer<br />
musikalischen Sozialisation scheinen sich "magnetic“ anzuziehen:<br />
"Pablo ist immer noch mehr beim HipHop geblie-<br />
DJ CULTURE<br />
JEDES DING<br />
HAT 3 SEITEN<br />
DJ DSL<br />
"My name is DJ DSL – I want to L.O.V.E love you.“ Ein Satz<br />
und seine Melodie, den man über Stunden in sich trägt<br />
und der mit wachsender Begeisterung andauernd wiederholt<br />
werden will. DJ DSL ist Sampling-Kultur in Reinstform,<br />
personifiziertes Sampling sozusagen: Seit mehr als<br />
15 Jahren legt er auf, hat letztes Jahr sein <strong>De</strong>büt auf G-Stone<br />
herausgebracht. <strong>De</strong>r gebürtige Wiener und jetzige<br />
Wahl-Hamburger erlebte nicht erst mit der Veröffentlichung<br />
des obigen Tracks weltweite Anerkennung, gewann<br />
zunehmend Legenden-Status und wurde daher von<br />
seinen Freunden schon früh tautologisch doppelt richtig<br />
DJ DSL getauft, was für "DJ Super Leiwand“ steht und<br />
"Leiwand“ im Wienerischen so viel wie "super“ heißt –<br />
Beschreibungen, die jemandem wie DJ DSL für seine eigene<br />
Person fern lägen.<br />
DJ DSL legt Wert darauf, dass das DJ in seinem Namen<br />
nicht weggelassen wird, und das aus gutem Grund: "Dadurch,<br />
dass ich mich als DJ sehe und auch einer bin, nehme<br />
ich mir das Recht heraus, woanders Sachen zu samplen, weil<br />
ich mich auch beim Produzieren immer als DJ betrachte. Ich<br />
setze also nur die DJ-Aktion in eine Musikproduktion um und<br />
benutze meine Plattensammlung als Reservoir, aus dem ich<br />
homöopathische Dosen schöpfe. Mir geht es dabei gar nicht<br />
so um die Melodie, sondern vielmehr um den Sound. Man<br />
sampelt ja eine einzelne Snare nicht deswegen, weil der<br />
Drummer so einen Superbeat gespielt hat, sondern man<br />
klaut eigentlich die Mischung, die der Tontechniker gezaubert<br />
hat. Eigentlich sind die die Leidtragenden.“<br />
DJ DSLs Verständnis von HipHop gibt der Musikrichtung<br />
außerdem eine Freiheit wieder, die bei vielen Jiggy-Jiggy-<br />
Pling-Plings in Vergessenheit geraten zu sein scheint:<br />
"Ich habe es immer so empfunden, dass im HipHop alles<br />
möglich ist. Auch wenn der HipHop-DJ zwischen zwei anderen<br />
Stücken z.B. Country spielt, wird dieses Stück in dem Moment<br />
auch zu einem Bestandteil von HipHop. <strong>De</strong>swegen<br />
darf der HipHop-DJ alles spielen, was er will.“ Eine gedank-<br />
ben, hat sich zwar dann mal für Rock interessiert, aber generell:<br />
HipHop. Ich habe schon länger House, Folk, Disco,<br />
ganz viele Sachen in die Musik mit reingebracht.“ So variiert<br />
ihr Sound von Stück zu Stück. Während die "Distance<br />
Between Dreams“ noch an ihr Zusammentreffen mit<br />
Mark Ramos-Nishita erinnert, ist an den nicht zu denken,<br />
wenn "Hot Blood“ die Geschwindigkeit nach vorne treibt<br />
oder "World Keeps Turning“ einen glauben lässt, sie könne<br />
sich nunmehr um eine Eighties-Snare drehen. Die Zeit,<br />
die sie sich genommen haben, um ihr Wechselbad der<br />
Träume zu vertonen, spiegelt sich letztlich im 9-Minüter<br />
"Dream Chaser“.<br />
Freunde und Bekannte wurden dabei natürlich auch bedacht,<br />
so gibt es vereinzelt Vocal-Parts von James Yorkston<br />
oder Siobhan Fahey, während Major Force-Mitglied<br />
Kudo das Mixen übernahm. <strong>De</strong>r musste auch damit klarkommen,<br />
dass die Launen der beiden eine Menge Arbeit<br />
bedeuteten: "Wir haben die Songs in bis zu fünfzehn Versionen<br />
aufgenommen, weil wir uns einfach nicht festlegen<br />
konnten. Eigentlich ist es schade um einige von denen, aber<br />
wir werden versuchen, sie noch auf den 12“s rauszubringen.“<br />
Vor den Maxis sollte eigentlich eine Tour stattfinden, doch<br />
das ist "leider alles sehr teuer“, so dass die beiden wohl<br />
noch ein wenig ihrer Schnittstellentätigkeit nachgehen<br />
werden.<br />
INFO<br />
Psychonauts, Songs For Creatures, erscheint bei<br />
International <strong>De</strong>ejay Gigolos.<br />
TEXT HEIKE LÜKEN | HEIKELUEKEN@WEB.DE BILD WWW.TASEK.DE<br />
<strong>De</strong>r Wiener DJ DSL ist der leidenschaftlichste Professional des DJing - seit Jahren.<br />
Ein Mann, auf den immer wieder aufmerksam gemacht werden sollte.<br />
liche Pole Position, bei der die Berufswahl eine logische<br />
Konsequenz ist: "Es gibt niemand, der Platten macht, die so<br />
klingen wie meine, das selbe gilt fürs Auflegen. Da ist es am<br />
offensichtlichsten, weil im Prinzip jeder DJ der Welt die genau<br />
gleiche Ausgangsbasis hat. Ich habe mich immer gewundert,<br />
warum die anderen DJs nicht die gleichen Platten<br />
spielen, die ich spiele. Das liegt halt daran, dass die eine andere<br />
Wahrnehmung und andere Prioritäten haben, und ich<br />
habe mir gedacht, ich möchte aber gerne das spielen, was<br />
mir am besten gefällt. Und darum bin ich dann DJ geworden.“<br />
In seiner Arbeit als Produzent bezeichnet sich DJ DSL als<br />
Einzelkämpfer, der sowieso alles nur nach einem "leicht<br />
autistischen Wahrnehmen beurteilt“ und die Zusammenarbeit<br />
mit anderen oftmals scheut, weil er weder Kompetenzen<br />
noch Entscheidungsfreiheit abgeben will.<br />
Was sich nahezu einsiedlerisch anhört, läuft fast konträr<br />
zu dem Kosmos, den DJ DSL nicht nur in der Musik streift.<br />
Nach "L.O.V.E.“ hier ein weiterer gedanklicher Ohrwurm:<br />
“Es gibt einen super Spruch, den ich mal in so einer österreichischen<br />
Fernsehserie gehört habe und den ich mein Leben<br />
lang griffbereit haben werde. Da hat der eine Typ zum<br />
anderen gesagt: 'Schau, jedes Ding hat ja bekanntlicherweise<br />
drei Seiten. Nämlich die eine, die andere - und die, wie es<br />
wirklich ist.' Das finde ich, ist die unglaubliche Wahrheit. Es<br />
gibt immer eine Argumentation dafür, aber andererseits ...<br />
Und in Wirklichkeit ist es genau die Schnittmenge aus beiden,<br />
die dann irgendwie die Wahrheit produziert.“ It's all in<br />
the Mix.<br />
INFO<br />
DJ DSL, #1, ist 2002 bei G-Stone recordings<br />
erschienen<br />
www.dj-dsl.com<br />
BIZ MARKIE FT. ELEPHANT MAN<br />
"LET ME SEE YOU BOUNCE"<br />
GROOVE ATTACK 12" (GAP087-1) / CDM (GAP087-2)<br />
Kaum zu glauben, aber sie ist finally am Start, die erste offizielle<br />
Single vom im Oktober erscheinenden Weekend Warrior<br />
Album. "Let Me See You Bounce" featured den Dancehall<br />
Chef Elephant Man. Biz in full effect am 27.10.03!!!<br />
FREUNDE DER SONNE "NUR NOCH 24 STUNDEN..."<br />
FDS RECORDS CD (FDS001CD) / 2LP (FDS001LP)<br />
Kool Savas und Costa aka Illmat!ic mit brandneuem<br />
- in einem 24 Stunden Marathon - aufgenommenen Album!<br />
Produziert von den 3P Kollegen DJ Release und Katch<br />
Money werden Brücken geschlagen und der Sonne<br />
gehuldigt! 12 Tracks und 2 Skitz for da Headz!<br />
Champions League eben!<br />
FUNKBRÜDER "GRAND PRIX UNITED"<br />
EGO STYLE MUSIC CD (ESM002)<br />
Sebastian Studnitzky & Markus Kössler - jahrelang erfolgreich<br />
als Musiker unterwegs ( u.a. bei Joy <strong>De</strong>nalane, den<br />
Fantastischen 4 & div. internationalen Jazzgrössen), stellen<br />
nun ihre eigene Musik vor und diese hat einiges zu bieten -<br />
stets clubbig, zwischen Chill Out, House & NuJazz! Die Herren<br />
bedienen: Fender Rhodes, Bass, Trompete & Laptop!<br />
Clubsessel & Dance Floor Füll Garantie!<br />
3582 "SITUATIONAL ETHICS"<br />
HUM DRUMS 2x12"(HD008-1) / CD (HD008-2)<br />
Neues Mini-Album mit Lone Catalysts-Produzent J.Rawls an<br />
den Reglern und Five <strong>De</strong>ez Mastermind Fat Jon am Mic!<br />
Inklusive der Singles "Vanessa From Venezuela" und "The E"!<br />
Die CD kommt mit 2 Bonus-Remixen von Fat Jon, Vinyl-Format<br />
beinhaltet alle Instrumental-Versionen!<br />
e m p fie h lt<br />
VARIOUS "LE POP VOL. 2"<br />
LE POP MUSIK 2LP ( LPM02-1) / CD (LPM02-2)<br />
Pop aus Frankreich. Das war bis vor einem Jahr vor allem Daft<br />
Punk, Air und HipHop. Doch dann kam "Le Pop". Jetzt ist der<br />
lange herbei gesehnte zweite Teil zu haben. Die 16 Songs bieten<br />
einen faszinierenden Einblick in das aktuelle Geschehen der<br />
"Nouvelle Chanson"-Szene Frankreichs. Mit Jérôme Minière,<br />
Coralie Clément, Superflu, Toog, Mathieu Boogaerts, Pascal<br />
Parisot, Toma, Mickey 3D, Camille, Olivier Libaux ...<br />
VARIOUS "SOUL:UTION VOL.1"<br />
SOUL:R CD (SOULR010)<br />
Soulful Drum & Bass deluxe. Das Erste Compilation Album<br />
des Top DJs und Producers Marcus Intalex auf seinem<br />
grandiosen SOUL:R Label. 16 fette, zum Teil unveröffentlichte<br />
Tunes von Calibre, Zero Tolerance, M.I.S.T, D.Kay,<br />
DJ Marky & XRS, Nu:Tone, Mist:I:Cal und Sonic & Silver<br />
vom Meister persönlich - wie gewohnt - perfekt gemixt.<br />
Zweifelsfrei "die" D&B Mix-CD des Jahres!!!<br />
VARIOUS "THE SOUND OF COLOGNE VOL.3"<br />
SOUND OF COLOGNE RECORDS 2CD (SOC003CD)<br />
3. Runde! Vielseitiger Überblick über die Kölner Elektronikszene<br />
auf 2 CD's. Spetrum: Techno-House, Electro, Drum&Bass &<br />
experimentellere Elektronik ! 30 Tracks von Künstlern wie: Justus<br />
Köhncke, The Modernist, Thomas Brinkmann, Wassermann,<br />
Hans Nieswandt, Michael Mayer & Reinhardt Voigt, Brant,<br />
Mathias Schaffhäuser, Superpitcher, Joseph Suchy, TGM, Beige,<br />
u.a., machen diese Silberlinge zum Pflichtkauf!<br />
HIEROGLYPHICS "FULL CIRCLE"<br />
HIEROGLYPHICS 2LP (230109-1) / CD (230109-2)<br />
Nach 5 Jahren endlich der Nachfolger zu "Third Eye Vision"!<br />
Das zweite Album vereint wieder die gesamte Crew aus<br />
Oakland um <strong>De</strong>l The Funky Homosapien, Souls Of Mischief,<br />
Pep Love, Casual & Domino und featured Goapele &<br />
Abstract Rude sowie die aktuelle Single "Powers That Be".<br />
Addicts know where to get it... 25 Music Hannover, Apollo-disc Berlin, Bamboo Bays Essen, Beat Boutique Magdeburg,<br />
Benning Bremerhaven, Blu:Box Kiel, Cover Schallplatten Berlin, City CD Darmstadt, Crazy Diamond Heidelberg, <strong>De</strong>ejays<br />
Bremen, <strong>De</strong>eroy’s Dubstore Berlin, Dussmann das Kulturkaufhaus Berlin, Dig A Little <strong>De</strong>eper Berlin, Discover Bochum, Dis<br />
Records Göttingen, Drop-Out Records Dresden, Elpi Münster, Elpi Wuppertal, Flight 13 Records Freiburg, Freebase Records<br />
Frankfurt, Groove Attack Köln, Groove City Hamburg, Kunstkabinett Brandenburg, Magic Music Lounge Düsseldorf,<br />
Michelle Records Hamburg, Optimal München, Oye Records Berlin, Pentagon Darmstadt, Plattenlädle Reutlingen, Pro Vinyl<br />
Frankfurt, Pauls Musique Stuttgart, Pressezentrum Rostock, Rex Rotari Saarbrücken, Record Corner Osnabrück,<br />
Recordstore 77 Straubing, Rimpo Tübingen, Schall & Rausch Leipzig, Scratch-Records Kottbusser Damm, Berlin, Scratch-<br />
Records Zossener Straße, Berlin, Soultrade Berlin, Soundcircus Ulm, Space-Hall Berlin, Studio 2 Konstanz, Tam Tam<br />
Aachen, Tonträger Augsburg, Unger Sound + Vision Paderborn, Underworld Chemnitz, Vinyl West Stuttgart, Woodstock<br />
Erfurt, www.hiphopvinyl.de Berlin, Zardoz Schallplatten Hamburg, Zitelmann’s Musicland Erlangen ... to be continued.
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
MUSIKTECHNIK<br />
DRUMPRESETSCHLEUDER MIT EXTRAS / Groove Agent<br />
TEXT BENJAMIN WEISS | NERK@DE-BUG.DE<br />
Ähnlich vermarktet wie der Virtual Guitarist in der Drummer-Ausführung ist<br />
Groove Agent eine Art Drumcomputer PlugIn, das vor allem die, ähem, "authentische"<br />
Emulation eines echten Drummers sein soll, der die wichtigsten Stile<br />
der letzten 50 Jahre beherrscht und das auch noch im jeweils charakteristischen<br />
Sound. Dass das natürlich ein bischen hochgegriffen ist, versteht sich von<br />
selbst, die Funktionen und Sounds von Groove Agent sind aber auf jeden Fall eine<br />
genauere Untersuchung wert.<br />
ÜBERSICHT Auf einer Zeitleiste sind die ca. 50 verschiedenen<br />
Musikstile angeordnet, die der Groove Agent zu<br />
bieten hat. Mit einem Schieberegler kann man den gewünschten<br />
Stil und die entsprechenden Samples auswählen.<br />
Ein weiterer Schieberegler erlaubt die Auswahl<br />
des Patterns nach Komplexität (je Stil gibt es 20 Patterns).<br />
Beide Schieberegler können auf Wunsch auch gesplittet<br />
werden: beim oberen lassen sich dann auch Stil<br />
und Samples unabhängig voneinander auswählen (zum<br />
Beispiel 2Step Patterns mit Samba Sounds spielen), beim<br />
unteren die Zuordnung der Patterns und Fills voneinander<br />
trennen. Dann gibt's noch diverse Buttons, die das<br />
Abspielen der Fills beeinflussen: Fill spielt sofort ein Fill,<br />
Auto Fill dient dem automatischen Spielen von Fills (alle<br />
MUSIKTECHNIK<br />
MELODYNE 2.0 UPDATE<br />
TEXT BENJAMIN WEISS | NERK@DE-BUG.DE<br />
Gib alles. Aber nicht<br />
um jeden Preis.<br />
Druckvolle Drumtracks, fauchende Hammond B3-<br />
Riffs, coole E-Piano-Akkorde und fette Synthesizer-<br />
Bässe – du hast jeden Song und die Sounds dafür<br />
schon im Kopf. Dann wird es Zeit, dass du sie aufnimmst.<br />
Das Logic Gold Production Kit enthält<br />
alles, was du für richtig professionelles Recording<br />
brauchst. Sogar die Instrumente sind integriert.<br />
Und das zu einem um über die Hälfte günstigeren<br />
Preis im Vergleich zur Summe der Einzelprodukte.<br />
Das Logic Gold Production Kit enthält den Logic<br />
Gold 6 MIDI/Audio-Sequenzer für Aufnahmen in 24<br />
Bit/96 kHz mit 42 hochwertigen Effekt-Plug-ins<br />
zur kreativen Soundbearbeitung, das A62 m<br />
USB-Audio/MIDI-Interface mit 6 Aufnahme- und<br />
2 Wiedergabekanälen, die EVB3 Vintage-B3-Orgel<br />
und das EVP88 E-Piano für die unglaublich realistische<br />
Klangerzeugung dieser Klassiker sowie den<br />
EXSP24 Sample Player inklusive der Sample-CD<br />
Xtreme Digital für<br />
das Beste an digitalen<br />
Synthesizer-<br />
Klängen. So viele<br />
Profi-Tools für so<br />
wenig Geld gibt’s<br />
nur mit dem Logic<br />
Gold Production Kit<br />
von Emagic.<br />
Technology with soul.<br />
vier oder acht Takte), Random Fill tut das gleiche, jedoch<br />
in unregelmäßiger Reihenfolge. Auch für die Patterns<br />
gibt es eine Zufallsfunktion, die beliebige Patterns aus<br />
dem ausgewählten Stil spielt, außerdem sind da noch die<br />
Buttons Snare/Sidestick (wahlweise wird die Snare oder<br />
der Sidestick im Pattern gespielt), Accent (spielt per<br />
Knopfdruck eine Crash) und 1/2 Tempo Feel. Ganz links<br />
gibt's die Drehregler für patternübergreifende Einstellungen:<br />
Shuffle (wohl selbsterklärend), Humanize (addiert<br />
Ungenauigkeiten beim Spielen), Limiter (ein einfacher<br />
Limiter für den Gesamtsound) und Ambience (hiermit<br />
kann dem Signal Raumanteil / Hall zugefügt werden).<br />
Die einzelnen Sounds lassen sich separat austauschen,<br />
muten, tunen sowie mit <strong>De</strong>cay und Ambience ver-<br />
Audio-Dateien zerlegen und bearbeiten, als ob es Midi-Noten wären: Das konnten<br />
die bisherigen Melodyne-Versionen ziemlich gut, genossen trotzdem bislang<br />
aber eher Geheimtipp-Status. Das wird sich jetzt ändern, denn Version 2.0<br />
spendiert dem Programm ein dickes Mehr an neuen Funktionen.<br />
Für alle, die Melodyne nicht kennen, noch mal eine kurze<br />
Zusammenfassung der Features: automatische Melodieerkennung<br />
aus Audiofiles jeglicher Herkunft mit der<br />
Möglichkeit, daraus Midifiles zu machen, Pitch und Formantkorrektur,<br />
wahlweise pro Note oder pro File sowie<br />
diverse Timestretchfunktionen. Die neue Version Melodyne<br />
2 kommt in zwei Geschmacksrichtungen: Melodyne<br />
Cre8 und Melodyne Studio Edition. Erstere besitzt gegenüber<br />
der Studio Edition folgende Beschränkungen:<br />
die Zahl der Audiospuren ist auf acht im Monobetrieb<br />
begrenzt, außerdem geht die verfügbare Samplerate nur<br />
bis 24 Bit / 48 kHz , die Studio Edition unterstützt bis zu<br />
192 kHz und 32 Bit und bietet darüber hinaus noch Unterstützung<br />
für Digidesigns Direct IO.<br />
NEUE FUNKTIONEN:<br />
INTEGRATION: Lange gefordert und jetzt da: die Integration<br />
von Melodyne in bestehende DAW Setups. Auf<br />
der einen Seite lässt sich Melodyne nun per ReWire einbinden<br />
(sowohl als Client als auch als Host), aber auch<br />
über die sogenannte MelodyneBridge: diese muss als erster<br />
Insert Effekt in die zu bearbeitende Spur eingeklinkt<br />
werden und schickt an das im Hintergrund laufende Melodyne<br />
die entsprechenden Audiodaten. Die lassen sich<br />
dann in Melodyne wie gewohnt bearbeiten und werden<br />
anstelle der Ursprungsdaten an das DAW gestreamt, wo-<br />
bei man sie auch problemlos in Echtzeit editieren kann.<br />
MelodyneBridge unterstützt dabei das <strong>VS</strong>T und das Audio<br />
Unit Format.<br />
INTERFACE LIFTING: Das gesamte Interface von Melodyne<br />
gab sich bisher etwas spröde, wenn es an schnelles,<br />
intuitives Editieren ging, was jetzt aber durch eine Menge<br />
von <strong>De</strong>tailverbesserungen geändert wurde. Neu dabei<br />
sind Features wie Import von Audiofiles per Drag &<br />
Drop, die verbesserte Grafikengine (geht jetzt irgendwie<br />
alles schneller), die grafische Darstellung des ausgewählten<br />
Snapwerts, aber auch die Copy & Paste Möglichkeiten<br />
wurden intelligent erweitert. So ist es nun<br />
möglich den Loop zu selektieren, die Selektion umzukehren,<br />
die gleichen Noten auf dem ganzen Track zu selektieren,<br />
eine Selektion auf die danebenliegende Spur zu<br />
kopieren (wahlweise an gleicher Stelle oder unabhängig<br />
von der Quantisierung, oder auch mit leichter Ungenauigkeit<br />
im Timing um Stimmen zu doppeln) usw. Das Pitch<br />
Align Tool kann jetzt bestehende Vibratos invertieren<br />
und mit dem Pitch Tool können nun auch einzelne "Noten"<br />
unter Beibehaltung ihrer Tonhöhenschwankungen<br />
in der Höhe geändert werden.<br />
MIDI FUNKTIONALITÄT: Auch auf der Midiseite hat<br />
sich viel getan. Das Exportieren von Mididateien einer<br />
sehen und in der Lautstärke und der Velocity einstellen.<br />
Außerdem können sie vier verschiedenen Einzelausgängen<br />
zugeordnet werden, was glücklicherweise auch für<br />
den Hallanteil separat möglich ist. So weit so gut, aber<br />
der Groove Agent kann noch ein bischen mehr als das:<br />
die Patterns und Fills mit allen Einstellungen wie Shuffle<br />
und Humanize können auch über Midi ausgegeben werden,<br />
damit man bei Bedarf auch eigene Samples mit Ihnen<br />
ansteuern kann, auf Wunsch auch im General Midi<br />
Format.<br />
PERFORMANCE, BEDIENUNG UND SOUND Die Performance<br />
ist den Erwartungen entsprechend problemlos<br />
und auch die Bedienung übersichtlich und logisch. Die<br />
Sounds sind, bis auf die "neueren" (80er und 90er in der<br />
Zeitleiste) erstaunlich gut, besonders gefallen haben mir<br />
die pappigen Snares und Toms aus den 50ern und auch<br />
die Ambience Funktion klingt trotz der relativen Beschränktheit<br />
recht gut. Dass man eigene Sounds nicht in<br />
das PlugIn laden kann, ist auch nicht wirklich ein Nachteil,<br />
weil man sie über die Mididaten mit einem Sampler<br />
oder einer Drummachine ja trotzdem nutzen kann.<br />
Einzig der Preis von 248,- Euro ist bei dem Funktionsumfang<br />
vielleicht ein bisschen arg hoch, ansonsten macht<br />
der Groove Agent schon Spaß.<br />
INFO<br />
Melodyne 2.0 cre8: 395 Euro<br />
Melodyne 2.0 Studio Edition: 695 Euro<br />
Upgrade von Version 1.5x: je 99 Euro<br />
Systemanforderungen:<br />
PC: Windows SE/ME/XP<br />
Mac: OS 9 (Einschränkungen siehe Text), OS X<br />
Info & <strong>De</strong>modownload: www.celemony.com<br />
erkannten Melodie ist jetzt noch präziser möglich, da auf<br />
Wunsch auch entsprechende Pitchbenddaten und Controller<br />
wie Volume ausgegeben werden können. Außerdem<br />
lässt sich Melodyne jetzt auch über Midi wie ein<br />
ganz normales Instrument spielen. Es geht aber auch andersrum:<br />
Melodyne kann die Mididaten einer erkannten<br />
Melodie auch selbst in Echtzeit an externe Instrumente<br />
schicken. Gesynct werden kann jetzt sowohl per Midi<br />
Clock (in & Out) als auch zu SMPTE und MTC.<br />
HARDWARE CONTROLLER: Melodyne lässt sich nun<br />
auch per Hardware fernsteuern. Unterstützt werden dabei<br />
MackieControl und LogicControl sowie Radikal SAC.<br />
<strong>De</strong>r Test mit der Mackie Control war aber ein wenig<br />
ernüchternd, denn es funktionierten zwar sämtliche<br />
Transport Controls, die LED Anzeige blieb allerdings leer<br />
und die Fader bestanden darauf, unten zu bleiben wenn<br />
man versuchte, sie hochzuschieben. Da muß wohl noch<br />
nachgebessert werden, auch wenn ich persönlich für die<br />
bei Melodyne vergleichsweise übersichtliche Parameteranzahl<br />
nicht unbedingt einen Hardwarecontroller<br />
brauche.<br />
MIXER AUSBAU: <strong>De</strong>r bisher eher spartanische Mixer<br />
wurde deutlich ausgebaut. Neben integrierten EQs gibt<br />
es nun auch Inserts, Auxsends und Gruppentracks, wo-<br />
INFO<br />
*** (wegen Preis)<br />
Preis: 248 Euro<br />
Info & <strong>De</strong>modownload: www.steinberg.de<br />
Systemanforderungen:<br />
PC:<br />
Pentium III/AMD 400 MHz, 256 MB RAM, 300 MB<br />
Plattenplatz, W2000/XP, <strong>VS</strong>T 2.0 Host<br />
Mac:<br />
G3/500MHz, 256 MB RAM, 300 MB Plattenplatz,<br />
OS9/X, <strong>VS</strong>T 2.0 Host<br />
bei die Sends und Inserts sich jetzt auch mit Audio Units<br />
und <strong>VS</strong>T PlugIns bestücken lassen. Die EQs klingen ziemlich<br />
gut und verfärbungsfrei und lassen sich auf Wunsch<br />
auch grafisch editieren.<br />
EINSCHRÄNKUNGEN UNTER OS 9: Für alle, die noch<br />
auf OS 9 arbeiten, ist dieses Update wohl leider keine so<br />
gute Nachricht: alle wirklich interessanten Neuerungen<br />
wie ReWire, die MelodyneBridge und die <strong>VS</strong>T Unterstützung<br />
sowie die Möglichkeit Melodyne in Echtzeit per Midi<br />
zu steuern oder von Melodyne aus externe Geräte<br />
steuern zu können fallen weg, übrig bleibt der aufgeräumte<br />
Mixer und die anderen Verbesserungen.<br />
PERFORMANCE, BEDIENUNG UND SOUND: Die Performance<br />
wurde erstaunlicherweise trotz der Vielzahl an<br />
neuen Funktionen noch einmal verbessert, auch im Betrieb<br />
mit der MelodyneBridge mit exzessivem Editieren<br />
gab es hier auf meiner alten 733er Kiste keine Probleme.<br />
Die Hardwarecontrollersektion ist das einzige neue Feature,<br />
das noch nicht richtig funktioniert, meiner Meinung<br />
nach aber auch eher überflüssig. Die Bedienung<br />
wurde sehr vereinfacht: selbst ohne das Handbuch kann<br />
man relativ schnell einsteigen und loslegen. Die wesentlich<br />
verbesserten und effizienteren Editfunktionen und<br />
die Integration per MelodyneBridge und ReWire lassen<br />
beim Basteln und Manipulieren noch viel mehr Spaß aufkommen<br />
und Steigern den Workflow gewaltig.<br />
<strong>De</strong>r Sound ist nach wie vor konkurrenzlos gut, und wenn<br />
PitchCorrection à la Autotune inzwischen das einzig verbleibende<br />
Feature ist, dass sich mit anderen Apps vergleichen<br />
lässt, so kann man nur sagen: 10 zu 0 für Melodyne<br />
und zwar nicht nur wegen dem deutlich besseren<br />
Sound, sondern auch wegen den viel weitergehenden<br />
und präziseren Manipulationsmöglichkeiten. Für alle OS<br />
X und XP User bedingungslos zu empfehlen!<br />
gold<br />
Production Kit<br />
www.emagic.de
MUSIKTECHNIK<br />
PROTOOLS UND LIVE TUN ES<br />
NEU VERDRAHTET<br />
TEXT THADDEUS HERRMANN | THADDI@DE-BUG.DE<br />
ReWire baut Brücken. Jetzt sind ProTools, erwürdige Könige des Harddiskrecording,<br />
dran. <strong>De</strong>nn mit der Version 6.1 macht Digidesign einen kleinen Quantensprung<br />
in der sonst konservativen Entwicklungspolitik und baut die ReWire-<br />
Schnittstelle ein. Auf das sich die soliden Recording-Fähigkeiten von ProTools<br />
mit der Flexibilität von Reason und LIVE produktiv kombinieren mögen. Auch<br />
wenn dabei erstmal die ein oder andere Hürde zu überwinden ist.<br />
ProTools gilt immer noch als der heilige Gral des Hard<br />
Disk Recording. Zu Recht, möchte ich sagen, denn selbst<br />
in der Flut der Programme ist mir noch keine Software<br />
untergekommen, mit der sich Audiomaterial so einfach,<br />
schnell und übersichtlich schneiden lässt. Die Schar von<br />
Musikern, die ihre gesamten Produktionen in ProTools<br />
mischen, ist weiteres Argument, dass Digidesigns Megaseller<br />
nichts von seiner Wichtigkeit eingebüßt hat. An<br />
diesem Studiostandard kommt man nicht vorbei. Die<br />
Nachteile oder Probleme liegen ebenso deutlich auf der<br />
Hand: <strong>De</strong>zidierte Hochpreispolitik, die fast immer zwingende<br />
Anbindung von ProTools an Hardware und eine<br />
sehr konservative Entwicklungspolitik haben User in der<br />
Vergangenheit das eine oder andere Mal zur Verzweiflung<br />
getrieben. Aber was tut man nicht alles, um ein Pro-<br />
TEXT THADDEUS HERRMANN | THADDI@DE-BUG.DE<br />
Mit dem Kauf von Emagic hat sich letztes Jahr Apple wieder an seinen einstigen<br />
Schlüsselmarkt Musikproduktion erinnert. Jetzt liegt Soundtrack vor, ein kleiner,<br />
feiner Loop-Player mit Final Cut Pro Anbindung. Apples definitiver Einstieg<br />
in den Sequencer-Markt? Oder nur überteuertes Tool?<br />
Wir stellen uns das so vor: Da sitzt man bei Apple in Cupertino<br />
zusammen, Steve Jobs erzählt irgendwas und alle<br />
schauen aus dem Fenster oder daddeln an ihrem Powerbook.<br />
Und dann sagt einer: "Damn it, Steve, wir müssen<br />
uns einfach wieder an die alten Hardcore-User erinnern.<br />
Die Musiker." "Musiker?", fragt Steve. "Haben wir<br />
nicht gerade diese deutsche Firma gekauft, die diese<br />
Programme macht? What's it called ... Emagic!" "Genau,<br />
genau. Ich hätte da eine Idee. Einen Loop-Player." "Bitte<br />
was?" "Einen Loop-Player für Final Cut". "Bitte was?" "Alle<br />
Musiker arbeiten zur Zeit mit Loops, mit Programmen<br />
wie ACID oder LIVE. Schau doch mal hier." "Du hast Virtual<br />
PC auf deinem Powerbook laufen? Hast du ein<br />
Glück, dass ich heute gute Laune habe." 20 Minuten<br />
später hat Steve Jobs einen kleinen Track mit ACID gebaut.<br />
"Kauft diesen Mann, sofort. Dann baut der uns einen<br />
Loop-Dingsbums mit Final Cut Integration. Einen<br />
Namen habe ich schon. Wir nennen das "Soundtrack".<br />
dukt zu benutzen, dass man wohl als 150% rock solid bezeichnen<br />
darf. In meinen fünf Jahren ProTools ist mir das<br />
Programm nicht einmal abgestürzt. Hinzu kommt, dass<br />
mir, vom Sound Manager mal abgesehen, einfach kein<br />
Protokoll bekannt ist, das Soundkarten besser und mit<br />
<strong>De</strong>r intuitive Umgang mit Audiomaterial in LIVE dürfte<br />
für User der Digidesign-Welt die eine oder andere Revolution<br />
bedeuten.<br />
MUSIKTECHNIK<br />
APPLE SOUNDTRACK<br />
weniger Latenz ansteuert als die Direct I/O Schnittstelle.<br />
ASIO kann da auf jeden Fall einpacken.<br />
Aber auch bei Digidesign hat man die Zeichen der Zeit<br />
erkannt und ProTools nach und nach mehr Erweiterungsmöglichkeiten<br />
spendiert. Neben preiswerter Hardware<br />
wie der MBox spricht ProTools schon seit längerem auch<br />
MIDI, über das PlugIn Format RTAS können auch Software-Instrumente<br />
eingebunden werden und spätestens<br />
seit der RTAS-Version von PLUGGO kann ProTools auch<br />
richtig dreckig klingen.<br />
BOXENSTOPP<br />
Gesagt, getan. Apple hat seinen eigenen Loop-Player<br />
und macht damit einen Schritt in den hart umkämpften<br />
Musiksoftware-Markt, einen Markt, der ohne Apple-<br />
Rechner so eigentlich nie denkbar gewesen wäre. Auf<br />
Macs wird Musik gemacht. Punkt.<br />
Die Oberfläche sieht sehr vertraut aus. Links findet sich<br />
der Browser, der einem eine Übersicht über seine Soundfiles<br />
gibt, Suchfunktion und Favoriten-Verwaltung<br />
inklusive, rechts daneben das Arranger-Fenster, das<br />
oben Platz für die Videospur bietet, darunter kommen<br />
die Audiotracks. Man braucht ungefähr zehn Sekunden,<br />
um sich zurecht zu finden. Per Drag & Drop werden die<br />
Soundfiles (AIFF und WAV in 8, 16 oder 24 Bit bei 22.05,<br />
32, 44.1, 48 oder 96 kHz) in den Arranger gezogen, entweder<br />
als Loop oder in längeren Arrangements als One-<br />
Shot. Einmal in den Kanälen nehmen die Samples sofort<br />
das Master-Tempo an. Die Time Stretch Engine klingt<br />
sehr ordentlich und braucht sich hinter Programmen<br />
wie LIVE nicht zu verstecken. Auch der generelle Pitch<br />
Seit der Version 6 beschränkt sich Digidesign Mac-seitig<br />
auf OS X und das Update 6.1 integriert per ReWire die<br />
Möglichkeit, andere Programme in das SetUp mit einzubinden.<br />
Reason oder Live können nun als Slave brav im<br />
ProTools-Takt mittuckern, diverse Bundle-Angebote gibt<br />
es beim Fachhändler. Mit von der Partie, und aus Sicht<br />
der ProTools Anwender sicherlich das interessanteste<br />
Angebot, ist Ableton LIVE. Interessant, weil der intuitive<br />
Umgang mit Audiomaterial für User der Digidesign-Welt<br />
die eine oder andere Revolution bedeuten dürfte.<br />
AUSPROBIERT<br />
Über ReWire sind schon Freundschaften zerbrochen.<br />
Zwei Programme gleichzeitig auf dem Rechner laufen zu<br />
lassen, ist per se schon mal kritisch, weil Audio Processing<br />
den Computer um ein Vielfaches mehr belastet. Andererseits,<br />
weil es bislang ordentlich Nerven gekostet<br />
hat, ReWire richtig und funktional einzurichten. Also los.<br />
Unser Test-SetUp besteht aus einem Powerbook<br />
G4/1Ghz mit 512 MB Ram, Hardware-seitig einem DI-<br />
GI002 Rack, dem neuen Audio-Interface von Digidesign,<br />
das genau wie sein großer Bruder Digi002 per Firewire<br />
angesteuert wird, und Software-seitig ProTools 6.1 und<br />
LIVE 2.1.2. Die Installation und die ReWire-Aktivierung<br />
verläuft problemlos, im Zweifelsfall hilft das kleine Tutorial<br />
auf www.ableton.com. LIVE lässt sich im Mixer von<br />
ProTools direkt ansteuern und läuft tadellos. ReWire galore<br />
sozusagen, so einfach hatte ich das nicht in Erinnerung.<br />
Zuerst knallen wir ProTools voll mit einer ziemlich<br />
komplexen Session mit ordentlich Effekten und reichlich<br />
Automation. Alle Audiodaten werden hier von der internen<br />
ATA-Festplatte gestreamt, auf die von Digidesign<br />
empfohlene, externe Firewire-Platte verzichten wir. Aus<br />
Shift klingt amtlich. Eine Mixereinheit gibt es nicht, Parameter<br />
wie Volume oder Pan werden direkt im Kanalzug<br />
eingestellt. Alle Kanäle können mit Effekten belegt<br />
werden. Soundtrack unterstützt, wie könnte es anders<br />
sein, Audio Units. <strong>VS</strong>T und RTAS werden bislang nicht<br />
unterstützt, wobei auch in zukünftigen Updates eine Integration<br />
dieser Schnittstellen fraglich scheint. Apple<br />
bleibt gar nichts anderes übrig, als ihr eigenes PlugIn-<br />
Format zu pushen. Und können hier nach dem Kauf von<br />
Emagic ja auch aus dem Vollen schöpfen. Soundtrack<br />
wird mit Logic PlugIns ausgeliefert, sowie mit den Eigenentwicklungen<br />
von Apple. Third Party Plugs werden<br />
problemlos akzeptiert. Schade nur, dass Anwender von<br />
Logic nicht auf all ihre Emagic PlugIns zurückgreifen<br />
können. Für alle aktivierten Komponenten der PlugIns<br />
legt Soundtrack in den entsprechenden Kanalzügen Automationskurven<br />
an. Für das jeweilige Projekt können<br />
darüber hinaus auch Master-Envelopes angelegt werden,<br />
die Volume, Transponierung und das Song-Tempo<br />
beeinflussen. Hüllkurven-Verläufe können problemlos<br />
kopiert und so an mehreren Stellen des Projektes verwendet<br />
werden.<br />
IN DER BIBLIOTHEK<br />
Im Lieferumfang enthalten ist eine umfangreiche Loop-<br />
Library, die flotte 4 GB Platz auf der Festplatte beansprucht<br />
und aus der Sicht der elektronischen Lebensa-<br />
INFO<br />
ProTools User bekommen LIVE derzeit zum Vorzugspreis<br />
von<br />
239 Euro (Download) und 259 Euro (Box)<br />
ProTools 6.1 kostet im Bundle mit dem DIGI002 Rack<br />
ca. 1300 Euro.<br />
Neue ProTools User erhalten beim Kauf zusätzlich<br />
Einsteigsversionen von LIVE, Reason, Sampletank<br />
und AmpliTube<br />
www.digidesign.com<br />
www.ableton.com<br />
Erfahrung, denn auch alte Systeme unter OS 9 verhielten<br />
sich prima ohne die (damals noch) empfohlenen SCSI-<br />
Platten. Das DIGI002 Rack klingt laut, druckvoll und sehr<br />
exakt. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen,<br />
die Soundkarten von Digidesign (egal, ob die gute alte<br />
Audiomedia oder aber die Digi001) klingen nunmal sehr<br />
gut. Sobald LIVE ins Spiel kommt, ist aber ziemlich<br />
schnell Schluss. Drei kurze Beats in LIVE produzieren den<br />
ersten Overload. Stille. Kopfkratzen. Also die Audiodaten<br />
auf eine Firewire-Platte kopieren und erneut versuchen.<br />
Jetzt läuft es besser, aber ein reibungsloser Betrieb<br />
mit unfangreichen Sessions ist über längere Zeit nicht<br />
wirklich einwandfrei zu garantieren. Wir schieben diese<br />
Tatsache mal auf das kleine Gigahertz und erinnern uns<br />
wehmütig an die schnellen Windows-Rechner und träumen<br />
vom G5. <strong>De</strong>n Test deklarieren wir dennoch ganz klar<br />
als bestanden.<br />
DRÜBER NACHGEDACHT<br />
Die ReWire-Integration von ProTools ist vorbildlich und<br />
für User auf beiden Seiten interessant. Die Digidesign-<br />
Gemeinde kann endlich mit einem Teil der restlichen<br />
Welt reden und kann die spontanen Eingriffsmöglichkeiten<br />
von LIVE nutzen. Nutzer von LIVE wiederum können<br />
mit ProTools komfortabel Audiomaterial schneiden und<br />
andere Arten des Arrangierens ausprobieren und sogar<br />
MIDI-Sequencing in ihr SetUp integrieren, wenn sie auf<br />
Logic oder Reason keine Lust haben. LIVE profitiert<br />
obendrein von der Direct I/O Schnittstelle. ProTools und<br />
LIVE sind ein gutes Team, keine Frage.<br />
INFO<br />
Soundtrack kostet ca. 350 Euro<br />
www.apple.com/soundtrack<br />
spekte ungefähr so nützlich ist wie eine Flying V für einen<br />
Technotrack. Will sagen, Apple legt hier den Fokus<br />
ganz klar auf den Familienpapa, der seine Urlaubsvideos<br />
ein bisschen aufmotzen will. Aus musikalischer Sicht<br />
kann man diesen Ordner gerne gleich wieder in den<br />
Mülleimer ziehen. Daher ist es mehr als praktisch, dass<br />
Soundtrack neben den selbst gesammelten Loops auch<br />
aufnehmen kann. In der Loop-Utility können diese<br />
Loops dann mit den entsprechenden Tags versehen werden.<br />
IM LADEN<br />
Soundtrack schlägt mit 350 Euro zu Buche. Das ist nicht<br />
gerade billig, wenn man sich überlegt, das LIVE auch nur<br />
50 Euro teurer ist und natürlich ein Vielfaches an Features<br />
beinhaltet. Apple setzt auf Einfachheit und auf die<br />
Integration von Video, macht dadurch also den Unterschied<br />
wieder wett. Soundtrack macht rundum einen<br />
guten Eindruck, ist auf einem Powerbook 1Ghz / 512 MB<br />
ziemlich belastbar, sehr leicht einsetzbar und extrem<br />
Nutzer-freundlich. User, die sich die Anschaffung von<br />
Soundtrack aus rein musikalischen Gründen überlegen,<br />
sollten sich das Programm aber genau ansehen und<br />
dann entscheiden, ob ihnen die Funktionalität reicht.<br />
Für Video-Vertoner ist Soundtrack auf jeden Fall ideal.<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
VERLOSUNG<br />
DO, FETT JEWINNEN IS BESSER ALS AT<br />
HOME ALLEENE ABZUSINN’N ...<br />
POLE CD'S<br />
5 X 90/90 MAXI, 5 X PROMO ONLY POLE DJ-MIX<br />
Immer noch toll und deshalb hier nochmal für euch: Wir verlosen fünf<br />
Packages mit der Pole Maxi-CD "90/90" und einer exklusiven Mix-CD von<br />
Stefan Betke mit Tracks vom aktuellen Album. Wenn das nichts ist.<br />
Postkarte an <strong>De</strong>bug, Kennwort “Genau meine Maße”. Brunnenstr. 196,<br />
10119 Berlin. <strong>De</strong>r Pole kennt keinen Rechtsweg.<br />
OOCH KNORKE ...<br />
SCHON JEWONNEN<br />
HABN ...<br />
1 X APPLE SOUNDTRACK<br />
Macht euren eigenen Soundtrack. Mit "Soundtrack" launcht Apple einen<br />
universellen Loop-Player mit Timestretch-Engine, kompletter Final Cut-Integration<br />
und dicken PlugIns von Emagic. Ein feines Tool, vor allem, wenn<br />
es mal schnell gehen muss. Nur für Mac OS X!<br />
Postkarte an <strong>De</strong>bug, Kennwort "Ich gewinn den Oscar", Brunnenstr. 196,<br />
10119 Berlin. Auch der Oscar kennt keinen Rechtsweg.<br />
1 X STEINBERG STUDIO CASE<br />
Prima Startpaket zum Musikmachen auf dem Rechner zu gewinnen: Das<br />
Steinberg Studio Case ist ein Software Bundle, das Cubase SL und leicht<br />
abgespeckte Versionen der PlugIns HALion, The Grand, Virtual Guitarist<br />
Electric Edition, D´cota und Groove Agent umfasst, formschön eingepackt<br />
in eine Pappimitation eines Flightcases. Ihr könnt es gewinnen, wenn ihr<br />
so schnell wie möglich eine Postkarte an <strong>De</strong>:<strong>Bug</strong>, Brunnenstr.196, 10119<br />
Berlin schreibt. <strong>De</strong>r Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen.<br />
GRAPHIC DESIGN FOR THE 21. CENTURY AUS DEM TASCHEN VERLAG HABEN GEWONNEN:<br />
FLORIAN BREITHAUPT, KÖLN; VOLKER BELKHAUS, VELBERT; MARCEL WEBER, LEIPZIG<br />
SENNHEISER KOPFHÖRER HABEN GEWONNEN:<br />
SEBASTIAN BRÜCKNER, WÜRZBURG; THOMAS BERGMANN, KÖLN; MICHAELA WEIERSHAUS, BERLIN;<br />
MIKE THALLAHIDIS, MANCHESTER
FINDER<br />
26 STIMMENFANG PER WEBLOG<br />
Lawrence Lessig über Wahlkampf im Netz<br />
28 WÄHLEN PER LOCHKARTE<br />
Zählmaschinen sind ungenauer, als man denkt<br />
29 FASHION<br />
Aufgemotzte Gebrauchskleidung<br />
WAHLEN<br />
DIE GEEK-KANDIDATIN<br />
Was das mit elektronischen Lebensaspekten zu tun hat?<br />
Eine ganze Menge. Da wäre zum Beispiel Georgy Russell,<br />
die im kalifornischen Recall-Wahnsinn die Rolle der<br />
Geek-Kandidatin einnimmt. Russel ist Mitte 20, arbeitet<br />
als Programmiererin bei der im Silicon Valley ansässigen<br />
Firma Veritas und studierte Informatik an der UC Berkeley<br />
– jener Hochschule, an der man Unix-Distributionen<br />
in Anlehnung an seine Lieblingsdrogen zu benennen<br />
pflegt. Außerdem ist sie Mitglied der demokratischen<br />
Partei, befürwortet die Schwulenehe, will Marihuana legalisieren,<br />
die Reichen stärker besteuern und die Armen<br />
entlasten. Sie ist gegen die Todesstrafe, aber für Open<br />
Source-Software und ein funktionierendes Krankenversicherungssystem.<br />
Und mit diesem Programm will sie<br />
Gouverneurin werden. Ganz ernsthaft.<br />
Wie es sich für einen echten Geek gehört, setzt sie dabei<br />
natürlich auch aufs Netz. Mit Weblog und Thong-<br />
Shop will sie alle Westküsten-Nerds überzeugen, ihr das<br />
höchste Amt im Staat zu übertragen. Zu einem Slashdot-Interview<br />
hat es immerhin schon gereicht. Dort<br />
konnte sie dann erklären, welchen Linux-Editor sie am<br />
liebsten benutzt, ihre Position bezüglich der Tauschbörsen-Problematik<br />
erläutern und ganz nebenbei auch ein<br />
bisschen über Politik reden. So antwortete sie auf die<br />
Frage, ob sie wirklich glaube gewinnen zu können: "Die<br />
Chancen sind ganz offensichtlich gering, aber nicht unerreichbar.<br />
Zu glauben, mein Sieg sei unmöglich, hieße zu akzeptieren,<br />
dass Geld der einzige Sieger sein kann.”<br />
Natürlich ist ihre Kandidatur trotzdem ein völlig unrealistisches<br />
Ansinnen. Georgy Russell mag Slashdot-Lesern<br />
ein Begriff sein, doch in den klasssischen Medien<br />
INTERVIEW: MATTHEW BARNEY<br />
32 Kunst als surrealer Blockbuster<br />
33 DER KUNSTHERBST IST DA<br />
Galerie-Guide für Köln und Berlin<br />
TOTAL RECALL / Kalifornien hat die Wahl<br />
TEXT JANKO ROETTGERS | ROETTGERS@LOWPASS.DE BILD<br />
WWW.JOINARNOLD.COM<br />
Arnold Schwarzenegger for Governor? Bei den kalifornischen Gouverneurswahlen<br />
ist es erstmals jedem möglich zu kandidieren. Und das macht auch jeder:<br />
Arnold Schwarzenegger, Slashdot-Liebling Georgy Russell, Hustler-Verleger<br />
Larry Flynt sind nur drei der 135 Kalifornier, die kommen, um den derzeitigen demokratischen<br />
Gouverneur Gray Davis abzulösen. Unser Amerika-Korrespondent<br />
Janko Röttgers erklärt, warum die Chancen für Chancenlose noch nie so<br />
gut standen. Fortsetzung von Seite 01<br />
kam ihr Wahlkampf höchstens als amüsante Randnotiz<br />
vor. Russell nimmt das offenbar mit Humor. So findet<br />
sich auf der online veröffentlichten Liste ihrer prominenten<br />
Unterstützer auch ihr Querflötenlehrer aus der<br />
sechsten Klasse wieder, der zu berichten weiß, wie<br />
schnell Georgy damals ihre Noten gelernt hat. Wer will<br />
ihr da schon noch vorwerfen, unerfahren zu sein?<br />
Außerdem standen die Chancen für Chancenlose wie<br />
Georgy Russell noch nie so gut. In den Umfragen spielte<br />
sie zwar auch wenige Wochen vor der Wahl noch keine<br />
Rolle. Doch diese machten auch klar, dass es nicht<br />
viel braucht, um diese Wahl zu gewinnen. So ist es gut<br />
möglich, dass der Sieger weniger als 30 Prozent der<br />
Stimmen auf sich vereinigen wird. Bei der letzten regulären<br />
Wahl vor einem Jahr nahmen nicht einmal sieben<br />
Millionen Kalifornier den Urnengang auf sich.<br />
Durchaus vorstellbar also, dass dieses Mal schon weniger<br />
als zwei Millionen Stimmen zu einem Wahlsieg ausreichen.<br />
DER TERMINATOR<br />
Arnold Schwarzenegger könnte die niedrige Wahlbeteiligung<br />
dagegen zum Verhängnis werden. <strong>De</strong>r markige<br />
Österreicher hat sich im Wahlkampf als Anti-Politiker<br />
inszeniert. Als jemand, der es denen da oben mal richtig<br />
zeigen und Gouverneur der einfachen Leute werden<br />
will. Das kommt gut an. Allerdings nicht bei den richtigen.<br />
Schwarzeneggers typischer Fan ist Statistiken zufolge<br />
männlich, jung, Latino - und geht nicht wählen.<br />
Klar, Schwarzenegger könnte versuchen, das Ruder rumzureißen<br />
und seinen jugendlichen Fans zu erklären, dass<br />
<strong>De</strong>mokratie doch 'ne ganz tolle Sache sein kann. Viel<br />
33 CLIP-COMPILATIONS AUF DVD<br />
Die Alternative zum Musikfernsehen<br />
GAMES-CONVENTION LEIPZIG<br />
34 Was gibt’s Neues? ‘ne ganze Menge<br />
35 LESEN NETZLINKE NICHT QUER?<br />
Telepolis, 9-11 und Verschwörungstheorien<br />
Zeit ist ihm dazu jedoch nicht geblieben: Wahlberechtigt<br />
ist in den USA nur, wer sich rechtzeitig zur Wahl registriert<br />
hat. In Kalifornien endete die Frist dazu rund<br />
zwei Wochen vor der eigentlichen Abstimmung.<br />
Bleiben noch die klassischen konservativen Wähler und<br />
enttäuschte <strong>De</strong>mokraten. Bei denen kam jedoch nicht<br />
gut an, dass sich Schwarzenegger praktisch während<br />
seiner gesamten Kampagne um konkrete Antworten gedrückt<br />
hat. Einer Fernsehdiskussion mit fünf bekannten<br />
Opponenten blieb er gar ganz fern, da ihm die Fragen<br />
nicht vorab vorgelegt wurden. Ausgemachten Konservativen<br />
gilt er außerdem als zu liberal – schließlich hat<br />
er in den Siebzigern Drogen genommen und Gruppensex<br />
gehabt. Liberale Aktivisten stoßen sich wiederum<br />
daran, dass zu Arnolds Beraterstab ein ganzer Haufen<br />
ausgemachter Migrantenfeinde gehört.<br />
DER AMTSINHABER<br />
Und wer wird nun neuer Gouverneur? Möglicherweise<br />
niemand. In einer ersten Frage müssen sich die Wahlgänger<br />
nämlich entscheiden, ob sie den Amtsinhaber<br />
Gray Davis überhaupt aus dem Amt werfen werden. <strong>De</strong>r<br />
bemüht sich seit Wochen darum, sein Image aufzupolieren<br />
– was nicht ganz einfach ist für einen Mann, der es<br />
für eine gute Idee hielt, freiwillig den Vornamen Gray<br />
anzunehmen. Trotzdem steigt seine Unterstützung.<br />
Nicht ganz unwesentlich dazu beigetragen hat ein neues<br />
Gesetz, das Davis Anfang September unterzeichnet<br />
hat und das undokumentierten Einwanderern erlaubt,<br />
sich einen Führerschein zuzulegen. Die kleinen gelben<br />
Plastikkarten sind in den USA eben nicht nur ein Beleg<br />
der Fahrerlaubnis, sondern auch Quasi-Ersatz für den<br />
nicht existierenden Personalausweis. Wer ein Bankkonto<br />
eröffnen, einen Kredit beantragen, eine Versicherung<br />
abschließen oder auch einfach nur Alkohol kaufen will,<br />
braucht dazu einen Führerschein. <strong>De</strong>n gab es aber bisher<br />
nur gegen Beleg einer legalen Aufenthaltserlaubnis.<br />
Nun bekommt ihn jeder gegen Vorlage zweier Identifikationsdokumente.<br />
Seit mehreren Jahren haben Aktivisten und progressive<br />
Politiker für die Durchsetzung des Gesetzes gestritten.<br />
Dann kam 911, und die Idee, einfach so Führerscheine<br />
auszustellen, galt plötzlich als extrem gefährlich – und<br />
das, obwohl die Al Quaida-Terroristen bekanntlich we-<br />
GOTO / DEBUG PRESENTS<br />
36 Wohin im Oktober?<br />
36 ABO<br />
Zu schwierig, <strong>De</strong>bug zu jagen?<br />
INFO<br />
Georgy Russell: www.georgyforgov.com<br />
Arnold Schwarzenegger: www.joinarnold.com<br />
Gray Davis: www.gray-davis.com<br />
der an Alkohol noch Lebensversicherungen ein besonders<br />
großes Interesse hatten. Um die Paranoiker in der<br />
eigenen Partei ruhig zu stellen und sich gleichzeitig die<br />
Stimmen aller wahlberechtigten Latinos zu sichern,<br />
heckte Davis deshalb etwas besonders Perfides aus:<br />
Führerscheine für jeden – aber nur gegen zusätzliche Sicherheit.<br />
Schon jetzt muss jeder beim Beantragen des Dokuments<br />
seine Fingerabdrücke abgeben. Wanderten diese<br />
bisher in ein lokales Archiv der jeweiligen Behörde, so<br />
sollten sie nach Davis Plänen biometrisch ausgewertet<br />
und zentral erfasst werden. Aus dem Fingerabdruck sollte<br />
dabei eine Prüfsumme und aus all den Prüfsummen<br />
eine große Datenbank gebastelt werden. In letzter Sekunde<br />
kam dann allerdings jemand auf die Idee, doch<br />
mal einen Fachmann zu fragen, was das ganze Datenbänkeln<br />
denn so kosten würde. Mit dreistelligen Millionenbeträgen<br />
konfrontiert, entschied sich Davis schließlich<br />
dafür, dass Paranoia schlicht zu teuer ist, und ließ<br />
die ganzen Biometrie-Pläne aus dem Gesetz streichen.<br />
DIE MORAL VON DER GESCHICHT?<br />
Egal, ob Gray Davis tatsächlich weitermachen kann oder<br />
nicht – wahrscheinlich wird sich an der kalifornischen<br />
Politik rein gar nichts ändern. <strong>De</strong>r aussichtsreichste<br />
Kandidat zur Ablösung von Davis ist nämlich ausgerechnet<br />
sein Stellvertreter Cruz Bustamante. Wenn Arnold<br />
Schwarzenegger nicht doch noch ungeahnte Kräfte mo-<br />
Von der Oma über 90 über den Hustler-Verleger Larry<br />
Flynt bis zum Wassermelonen-zerschmetternden Comedy-Künstler<br />
ist jedoch alles dabei. Ach ja, und natürlich<br />
Arnold Schwarzenegger. Crazy California.<br />
bilisiert, wird das ganze Spektakel wohl genau da enden,<br />
wo es angefangen hat – mit einem demokratischen<br />
Gouverneur.<br />
Trotzdem wird die ganze Episode nicht ganz umsonst<br />
gewesen sein. Kalifornier sind an ein Zweiparteiensystem<br />
gewöhnt, in dem die Kandidaten für gewöhnlich so<br />
grau sind, wie sie heißen. Grüne und unabhängige Kandidaten<br />
finden praktisch keine Öffentlichkeit, werden<br />
zu TV-Diskussionen gar nicht erst eingeladen. Dieses<br />
mal war es jedoch anders. Überall wurde fröhlich die<br />
Pluralität gefeiert. Wähler konnten erfahren, dass es<br />
tatsächlich auch andere Positionen gibt. Dass Politiker<br />
nicht zwangsläufig die Todesstrafe befürworten müssen.<br />
Und dass Schauspieler ohne guten Regisseur ganz<br />
schön aufgeschmissen sein können.<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
WAHLEN / WEBLOGS<br />
HOWARD DEAN, JOE TRIPPI, WAHLKAMPFHELFER WEBWAHLZENTRALE<br />
DAS ERSTE WEBLOG FOR PRESIDENT / Joe Trippi<br />
TEXT LAWRENCE LESSIG | LESSIG@POBOX.COM<br />
Weblogs machen es möglich: Um Howard <strong>De</strong>an, einem Kandidaten für den Posten<br />
als amerikanischer Präsident, hat die erste Open Source Wahlkampf-Kampagne<br />
eingesetzt. Über ein Weblog hält er enge Verbindung zu den Bürgern -<br />
weitaus effektiver als die Machtlobby um Cheney und Bush. Und das kommt<br />
nicht von ungefähr, denn der <strong>De</strong>mokrat hat als Wahlkampfmanager Joe Trippiengagiert,<br />
der früher bei Progeny Linux Systems gearbeitet hat. Lawrence Lessig,<br />
Rechtsprofessor an der Universität Stanford, kritischer Copyright-Aktivist<br />
und Vorsitzender des Creative Common Projektes, hat Trippi interviewt.<br />
LESSIG: Haben die Weblogs <strong>De</strong>an entdeckt oder <strong>De</strong>an<br />
die Weblogs?<br />
TRIPPI: Eine interessante Frage. Seit mindestens 2 Jahren<br />
bin ich ein regelmäßiger Weblogs-Leser. Ab und an gab ich<br />
mal Kommentare ab, aber eigentlich war ich eher ein "Lurker".<br />
Vor ungefähr 18 Monaten gab es dann im<br />
"myDD.com" Weblog einen Kommentar, dass Howard <strong>De</strong>an<br />
sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen sollte.<br />
Ich kommentierte das wiederum, und war von da an ein<br />
ziemlich konstanter Leser des Blogs. Als ich dann der Manager<br />
der Wahlkampagne von <strong>De</strong>an wurde, wusste ich<br />
zwar, dass wir ein Blog machen wollten, es war mir aber zuerst<br />
nicht ganz so wichtig. Es gab zunächst genug anderes<br />
zu tun.<br />
Aber dann geschahen zwei wichtige Dinge. Das erste war<br />
Meetup.com. MeetUp.com ist eine Website, die Leute mit<br />
gemeinsamen Interessen nutzen, um sich vor Ort zu organisieren.<br />
Ich las eines Tages im MyDD.com-Blog, dass sich<br />
dort auch Leute wegen Howard <strong>De</strong>an versammeln. Innerhalb<br />
weniger Wochen war uns klar, dass wir diese Leute von<br />
Meetup.com unterstützen müssen. Das zweite war eher ein<br />
Schicksalsmoment. Ein Typ namens Matt Gross kam eines<br />
Tages in mein Office. Er erzählte mir, dass er gerade nach<br />
Utah gefahren war, weil er so viel von <strong>De</strong>an halte. Er kam<br />
direkt nach Burlington, ohne vorher anzurufen, um uns<br />
nach einem Job zu fragen. Irgendwie kam er an der Sekretärin<br />
vorbei und hielt seinen Kopf gerade lang genug in<br />
mein Office, um zu rufen: "Ich hab fürs myDD.com-Blog<br />
geschrieben." Ich habe ganz unvermittelt geantwortet: "Du<br />
hast einen Job bei uns". Und ich glaube, keine 48 Stunden<br />
später hatte er ein hässliches Weblog für uns bei Blogspot<br />
aufgesetzt. Das Blog war irgendwie zugleich niedlich und<br />
hässlich, jedenfalls war es wohl das erste Blog in einer Präsidentschaftskampagne.<br />
LESSIG: Welche Art von Problemen gab es mit dem<br />
Blog?<br />
TRIPPI: Ich brauchte über eine Woche, um das IT-<strong>De</strong>partment<br />
davon zu überzeugen, dass wir ein Icon von Meetup.com<br />
auf unser Blog machen. Aber über das Weblog generell<br />
gab es eigentlich keine Diskussion. Es war in der Kampagne<br />
ein Ding unter vielen. Es brauchte wirklich jemanden<br />
wie Matt, der sich jeden Tag um das Blog kümmern konnte,<br />
während Leute wie ich und der Gouverneur quer durch Iowa<br />
reisen mussten. Mittlerweile haben wir ein anderes<br />
Blog. Das "Call to Action" Weblog mussten wir zurückziehen.<br />
Es tat uns leid, aber dem fehlte einfach eine Kommentar<br />
Sektion. Und wenn man eine Community aufbauen will<br />
und so etwas wie die Story der Kampagne erzählen möchte,<br />
dann braucht man Interaktion. Das Feedback, das wir<br />
bekommen und die Ideen, die wir daraus ziehen sind einfach<br />
atemberaubend. Kleine Dinge, an die ein Wahlkampfbüro<br />
niemals gedacht hätte. Das Weblog kann all die kleinen<br />
Löcher unserer Kampagne stopfen, die wir übersehen<br />
haben. Sie sagen uns: "Hey, das habt ihr vergessen, das<br />
braucht ihr noch." Und wir machen es dann und stellen es<br />
zum Download bereit.<br />
Ich habe eine Zeitlang für Progeny Linux Systeme gearbeitet<br />
und mich immer gefragt, wie man die Art der Kollaboration<br />
von Linux und Open Source generell auf unsere<br />
Kampagne übertragen könnte. Was würde passieren, wenn<br />
es einen Weg gäbe, jeden in die Präsidentschaftskampagne<br />
zu integrieren?<br />
LESSIG: Sie würden es also eine Open Source Präsidentschaftskampagne<br />
nennen?<br />
TRIPPI: Ja. Genau der Gedanke kam mir, als ich sah, wie<br />
sich das Blog entwickelte. Ich denke, es ist so "Open", wie<br />
moderne Politik sein kann.<br />
LESSIG: Es ist ja die Aufgabe des Managers einer solchen<br />
Kampagne, Leute dafür zu motivieren. Inwiefern<br />
hilft das Blog dabei auf eine andere Art und Weise als<br />
früher?<br />
TRIPPI: Es stellt einfach eine reale Verbindung zu den Leuten<br />
her. Es wäre unmöglich, die Ideen, die es generiert, sonst<br />
zu bekommen. Wir hätten sonst gar nicht die Möglichkeit<br />
gehabt, mit so vielen Leuten direkt zu kommunizieren, und<br />
jetzt stellen sie zentrale Ideen, Ideen, auf denen unsere<br />
Kampagne aufbaut. Wir wissen auch sofort, wenn wir etwas<br />
falsch machen. Ich hatte gestern Abend einen Auftritt<br />
bei CNBC, Capital Report, und als ich aus dem Studio kam,<br />
bin ich sofort zum Blog und habe allen erzählt: "Das war<br />
der schlimmste Fernsehauftritt, den ich in der gesamten<br />
Kampagne hatte". Ich musste nicht mal vorher nachfragen.<br />
Man weiß einfach, wenn man etwas verpatzt. Man weiß<br />
einfach, dass man über etwas dringend nachdenken muss,<br />
was man vergessen hatte, weil die Leute dich daran denken<br />
lassen.<br />
LESSIG: Angenommen mal, ich wäre der Manager einer<br />
anderen Kampagne und ich würde dir sagen, schau mal,<br />
ich habe eine Email Liste, die ist 10mal so dick wie die Liste<br />
der Leute in deinem Blog. Ich akzeptiere Feedback<br />
und Leute können mir mailen, wenn ich etwas falsch mache.<br />
Was finden Sie im Vergleich dazu an einem Blog<br />
besser?<br />
TRIPPI: Es ist zunächst mal schneller. Fast Real-Time, wenn<br />
man, während man etwas tut, die Kommentare liest. Man<br />
kann die Ideen des Blogs aussprechen. Aber wichtiger ist<br />
diese Art von Community, die sich um ein Blog herum bildet.<br />
Das ist es, worum es im Netz geht: Gemeinschaften<br />
aufbauen. Es mag zwar eine Zillionen Communities geben,<br />
aber du weißt, deine Community bildet sich rings um das<br />
Weblog.<br />
LESSIG: Es ist also eine Gemeinschaft, weil die Leute<br />
dort nicht nur über Ideen lesen sondern auch selber zu-<br />
BILD JOHN PETTITT/DEANFORAMERICA.COM<br />
gleich schreiben?<br />
TRIPPI: Ja, es ist ein Gefühl. Es ist ein Gefühl dafür, dass wir<br />
alle ein Teil davon sind, und dass wir gemeinsam unseren<br />
Weg finden. Egal, ob es um etwas geht, das sehr wichtig für<br />
die Kampagne oder die Nation ist, wir tauschen diese Ideen<br />
offen aus. Trolls ausgenommen.<br />
LESSIG: Lass uns ein wenig über Trolls reden. Wäre ich<br />
ein traditioneller Manager einer Kampagne, dann würde<br />
ich doch als erstes sagen: "Mein Gott, man gibt hier die<br />
Kontrolle aus der Hand und dann steht man sofort vor<br />
einer Horde von Trolls. Wie soll man damit zurecht kommen?"<br />
Was ist Ihre Antwort auf Trolls?<br />
TRIPPI: Also wir haben eine recht gute Methode entwickelt,<br />
die im übrigen direkt aus dem Blog heraus entstand:<br />
Es gibt so etwas wie ein <strong>De</strong>an-Team. Dazu haben wir<br />
einen "Team-Raiser" entwickelt, dem man Geld überweisen<br />
kann. Für Trolls gibt es einen speziellen "Troll <strong>De</strong>an-Raiser".<br />
Wann immer jemand eine Troll-Bemerkung loslässt, gehen<br />
eine Menge Leute hin und überweisen dem "Troll <strong>De</strong>an-Raiser"<br />
Geld. Das funktioniert tatsächlich. Also wenn jemand<br />
ins Blog kommt, nur um <strong>De</strong>an runterzumachen, sorgt er<br />
dafür, dass <strong>De</strong>an innerhalb einer halben Stunde 500$ für<br />
seine Wahlkampagne mehr hat. Das hat einige Troll-Poster<br />
demoralisiert.<br />
Aber was die Kontrolle betrifft. Ich glaube, das ist der<br />
Grund, warum andere Kampagnen keinen Erfolg im Internet<br />
haben. Es ist meine 7te Präsidentenkampagne, und in<br />
jeder habe ich vor allem eins gelernt: Man soll eine strenge<br />
Kontrolle über deine Community haben. Eine Art militäri-<br />
sche Kommandokette. Man gibt den Direktoren der Staaten<br />
Befehle, die geben die Befehle weiter ins County und die<br />
in die kleineren Reviere.<br />
Ich habe nun mit genug Technologie im Netz gearbeitet,<br />
um zu wissen, dass man definitiv alles erstickt, wenn man<br />
im Internet mit einer 'Command and Control'-Mentalität<br />
arbeiten will. Es ist schwer, das aufzugeben, aber wir haben<br />
uns einfach dazu entschieden. Ich denke, die anderen Kampagnen<br />
werden sich das nicht trauen.<br />
Es gibt ein paar Gründe, warum das gerade mit Howard<br />
<strong>De</strong>an funktionieren kann. Erst mal ist er der, der er ist. Er ist<br />
anders als die restlichen Kandidaten. Er ist offen, fällt Entscheidungen,<br />
die auf Fakten basieren und er glaubt wirklich,<br />
dass es darum geht, die Menschen wieder für die <strong>De</strong>mokratie<br />
zu engagieren.<br />
Die Kampagne sagt aber auch ganz klar: "Okay, wir sind bereit,<br />
den Leuten die Schläger in die Hand zu geben, das Blog<br />
sozusagen, und sind offen für ihre Hilfe." Und drittens, egal<br />
was ihre Meinung zu Gesundheit, Copyright oder all die anderen<br />
Themen sind, um die wir uns kümmern, wenn die<br />
Menschen nicht aufhören zu jammern und sich nicht in der<br />
<strong>De</strong>mokratie engagieren und daran partizipieren, dann ist<br />
es auch egal wie ihre Meinung ist, denn es wird nie jemand<br />
kommen und sich für ihre Meinung einsetzen. <strong>De</strong>nn, so wie<br />
es jetzt ist, geht es doch vor allem ums Geld.<br />
Diese Kampagne versucht etwas anderes zu sagen: "Sieh<br />
her, man kann das anders machen. Es muss sich nicht immer<br />
alles um die 33 Lobbyisten pro Kongressmitglied in<br />
Washington drehen. Die Leute haben die Macht, sich zu engagieren<br />
und einen Unterschied zu machen." Ich glaube,<br />
unser Blog hilft genau an dieser Stelle. Und je mehr wir diese<br />
Community aufbauen, um so mehr verstehen auch Leute<br />
mit Positionen, die sich vom Gouvernor unterscheiden,<br />
dass wir das gemeinsam tun. Wenn wir ins Weiße Haus<br />
kommen, dann wissen die Leute, dass wir ihnen zuhören<br />
und einige ihrer Issues diskutieren werden.<br />
[Es folgt eine 'Governor-on-the-phone-Break']<br />
TRIPPI: Es gibt eine Verantwortung der Bürger, sich in ihre<br />
<strong>De</strong>mokratie zu involvieren. Das fehlt uns seit 20, 30 Jahren.<br />
Wenn Tausende kleine Aktionen machen würden, ein wenig<br />
Zeit und Geld investieren, dann gibt es eine Chance, dass<br />
ein Kandidat wie unserer das Weiße Haus erobert und den<br />
Leuten wird ihre Regierung endlich wieder gehören. Und<br />
dann haben wir auch eine ehrliche Diskussion über all die<br />
Themen, die normalerweise von den Mächten unterdrückt<br />
werden, die darüber keine Diskussion haben wollen.<br />
LESSIG: Wenn also das "<strong>De</strong>mocratic Leadership Council"<br />
eure Kampagne attackiert, dann sind sie einfach mit<br />
dieser Form von <strong>De</strong>mokratie nicht glücklich?<br />
TRIPPI: Ja. Ich glaube, das ist einer der Hauptgründe. Die<br />
mögen es, berufen zu sein. Die mögen es auch so, wie es<br />
Ich habe eine zeitlang für Progeny Linux Systeme gearbeitet<br />
und mich immer gefragt, wie man die Art der Kollaboration<br />
von Linux und Open Source generell auf unsere<br />
Kampagne übertragen könnte.<br />
jetzt ist. Zuviele von ihnen jedenfalls. Und sie haben Angst<br />
davor, was passiert, wenn das Volk sich wieder kümmern<br />
würde, wenn es beispielsweise verlangen würde, dass ein<br />
Thema wie das Gesundheitswesen wirklich wieder in Angriff<br />
genommen wird.<br />
Aber genau das ist es, was wir wollen: Das Verlangen des<br />
Volkes danach schüren, wieder eine Stimme zu haben. Unsere<br />
Kampagne ist eine Plattform für sie. Wenn es uns gelingen<br />
sollte, haben wir eine große Veränderung in der politischen<br />
Landschaft. Und eine große Veränderung in der<br />
Art, wie Kampagnen finanziert werden. Wir hätten die partizipierende<br />
<strong>De</strong>mokratie zurück.<br />
Unsere größte Hürde dabei ist, die Leute davon zu überzeugen,<br />
dass sie wirklich etwas bewirken können. Das Internet<br />
ist einer der Orte, an dem die Menschen daran glauben<br />
können. Dieses Gefühl der Gemeinschaft, wenn sie an einem<br />
Blog teilnehmen oder wenn sie Reaktionen an die Regulierungsbehörde<br />
Federal Communication Commission<br />
(FCC) schicken. "Warte mal, wir haben ja wirklich die<br />
Macht, etwas zu tun". Bei der FCC haben sie gesehen, wie<br />
der Kongress reagiert hat. Und bei unserer Kampagne sehen<br />
sie es auch.<br />
Es geht nicht darum, dass uns jeder 25$ spendet. Diese Art
WAHLEN / WEBLOGS<br />
HOWARD DEAN FOR HOWARD DEAN<br />
von Akt ist nicht so viel wert. Es geht um etwas anderes.<br />
Darum, dass so viele Leute daran glauben, dass sie, wenn sie<br />
etwas tun, damit das Rennen auf das Präsidentschaftsamt<br />
rocken können. Das hat sie dazu gebracht, es zu versuchen.<br />
Ich finde, das hat die gleiche Bedeutung wie: "Wir haben die<br />
Macht, das System zu verändern."<br />
Wenn man selber Kandidat ist, ist das natürlich schwieriger.<br />
Es gibt eine Art natürlichen Zynismus, etwa ob der Kandidat<br />
es wirklich ernst meint und solche Sachen. Ist der<br />
echt? Oder ist er einer von den anderen? Unsere Kampagne<br />
gibt sich Mühe zu zeigen, dass er keiner von den anderen ist<br />
und dabei hilft das Weblog auch. Jeden Tag kann man da<br />
hin und nachschauen, was los ist, und man bekommt einen<br />
Eindruck von den Leuten, die hinter der Kampagne stehen.<br />
Wer sie sind und wofür sie stehen. Und irgendwie hoffen<br />
wir, dass aufgrund dieser Beziehung die Menschen irgendwann<br />
realisieren, "Ja, vielleicht sind die wirklich anders.<br />
Vielleicht ist diese Kampagne wirklich anders." Wie man<br />
das von einer Wallpaper-Webseite bekommen sollte, weiß<br />
ich nicht. Mit einem Blog gibt es jedenfalls eine andere Art<br />
Tiefe in der Verbindung mit den Leuten. Ich hoffe das jedenfalls.<br />
LESSIG: Also glauben Sie, dass die Architektur des Blogs<br />
etwas ist, was eine engere Verbindung mit den Leuten<br />
ermöglicht als Webseiten normalerweise oder das Fernsehen<br />
z.B.?<br />
TRIPPI: Auf jeden Fall.<br />
LESSIG: Ich möchte noch einmal über Geld reden. Wie<br />
stehen die Zahlen zur Zeit? Was sind die Durchschnitte?<br />
War der Erfolg überraschend oder haben Sie das so erwartet?<br />
Und, lassen Sie uns auch über das Abendessen<br />
von Dick Cheney reden.<br />
TRIPPI: Wir haben jetzt 224.000 Leute, die subscribed sind,<br />
um Howard <strong>De</strong>an zu supporten. Was das "Cheney Lunch"<br />
betrifft, der Vizepräsident hatte ca. 125 Leute zu einem<br />
Lunch eingeladen, die ihm je 2000 Dollar gegeben haben.<br />
250.000 Dollar insgesamt. Wir hatten 9.700 Leute, die im<br />
Durchschnitt 53$ gespendet haben. Das sind 508.000$.<br />
Es gab dabei ein paar Dinge, die uns überrascht haben. Wir<br />
haben zunächst mal ein wenig daran gezweifelt, dass unsere<br />
Supporter wirklich an die Cheney Summe rankommen<br />
würden. Und dass es so schnell passieren würde, hätten wir<br />
nie erwartet. Wir haben die Email mit unserem Aufruf erst<br />
Freitag Abend eher spät losgeschickt, wir waren deshalb<br />
nicht sicher, ob überhaupt die Hälfte der Leute ihre Email<br />
lesen würden. Wir dachten, am Wochenende gehen eh die<br />
meisten weg und wenn sie zurückkommen, wüssten sie gar<br />
nicht mehr, dass etwas passiert war.<br />
Aber andererseits haben wir die ganze Zeit gewusst, dass<br />
wir das alles nicht wegen des Geldes machen. Das war das<br />
Interessante daran. Wir haben das vom ersten Tag an aufgebaut,<br />
weil wir überzeugt waren, dass es nicht reicht, "irgendetwas"<br />
im Netz zu machen. Wir wollten, dass die Leute<br />
sich organisieren und die Online Community dazu nutzen,<br />
die Offline Community weiter zu organisieren. Und<br />
was wir bisher gesehen haben, war absolut begeisternd.<br />
Wir hatten z.B. eine Email-Liste von 481 Leuten in Austin.<br />
<strong>De</strong>nen haben wir gemailt: "Wir kommen.” Als wir dann an-<br />
INFO<br />
Lawrence Lessig, einer der profiliertesten und interessantesten<br />
unter den kritischen Copyright Aktivisten,<br />
plant derzeit ein Buch über Weblogs. Er hatte<br />
dieses Interview mit Joe Trippi in einer geringfügig<br />
ausführlicheren Version für sein eigenes Weblog geführt.<br />
Es steht unter der Creative Commons License<br />
Nummer 1 und kann kopiert, verteilt, verändert und<br />
auch kommerziell genutzt werden unter der Voraussetzung,<br />
dass der Name des Autoren genannt wird<br />
und die Lizensierungskonditionen beibehalten und<br />
kenntlich gemacht werden. Fair Use, oder?<br />
http://lessig.org/blog/<br />
(Mit RSS Feeds)<br />
http://www.lessig.org/blog/archives/001428.shtml<br />
kamen, waren 3200 Leute da. Und der Grund für diese hohe<br />
Zahl war, dass diese 481 Leute hingegangen sind und die<br />
Flyer heruntergeladen haben, sie kopierten, sie in der Latino<br />
Community ausgelegt haben, in den Wahlstationen, in<br />
denen Kommunalwahlen waren, und dass sie andere Leute<br />
angerufen haben und all diese Dinge von selbst organisiert<br />
haben. Das passiert uns andauernd. In Seattle waren 1200<br />
Leute, die Hälfte davon hatten niemals vorher etwas mit<br />
Politik zu tun. Sie wurden organisiert von Leuten, die im<br />
Blog waren oder irgendwie sonst unsere Organisationstools<br />
benutzt haben. All das sind Effekte der <strong>De</strong>an-Community,<br />
die wir aufgebaut haben.<br />
Und genau deshalb haben wir die Community ja auch aufgebaut,<br />
und es war uns auch nicht entgangen, dass bestimmt<br />
Geldspenden daraus folgen würden. Aber die Menge<br />
hat uns völlig überrascht. Bislang haben wir 83.000<br />
Spenden bekommen, alles in allem mehrere Millionen<br />
Es gibt eine Verantwortung der Bürger, sich in ihre<br />
<strong>De</strong>mokratie zu involvieren. Das fehlt uns seit 20, 30<br />
Jahren. Das Weblog ist eine Plattform für sie, eine Plattform<br />
für eine partizipierende <strong>De</strong>mokratie.<br />
Dollar. Als wir diesen Wettkampf mit Cheney hatten und<br />
mit Howard <strong>De</strong>an vor dem Blog saßen, bewaffnet mit einem<br />
3$ Turkey-Sandwich und gegen Cheney und sein 2000$<br />
Essen antraten, das hat einen der Punkte, die wir machen<br />
wollen, wirklich gut herausgebracht. Wir lernen aber jeden<br />
Tag dazu. Als der Governor das erste Mal hier war, wusste<br />
er nicht mal, was ein Blog ist. Jetzt fragt er: "Hey, warum<br />
hat das Weiße Haus kein Weblog?" Es ist ein Lernprozess für<br />
ihn. Für beide. Leute, die das Netz benutzen, um mehr über<br />
die Themen zu erfahren, die alle betreffen, sehen, dass da<br />
jemand ist, der Präsident werden will und der wenigstens<br />
ein Interesse für dieses Medium hat und das als Erfahrung<br />
begreift und es versucht. Manchmal vielleicht zum ersten<br />
Mal und nicht ganz den Erwartungen entsprechend, aber<br />
ich denke, es ist cool, ihn dabei zu beobachten. Er hat Dinge<br />
entdeckt, die wir schon vor drei Jahren wussten, aber es<br />
ist trotzdem cool, einen Präsidentschaftskandidaten dabei<br />
zu beobachten, wie er die gleichen Dinge entdeckt, die man<br />
selber schon entdeckt hat. Ich selber war einer der Early<br />
Adopters, als das Netz noch etwas war, das nur wenige<br />
kannten. Und ich bin da schon durch, aber vor allem habe<br />
ich für eine Menge Leute gearbeitet, die gegenüber dem<br />
Netz keinerlei Neugierde haben.
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
WAHLEN / LOCHKARTEN / EDV<br />
SCHMEISS DIE URNE INS MEER / Wählen mit Maschinen<br />
TEXT ANTON WALDT | WALDT@QUINTESSENZ.AT<br />
Ist Papier zu old-fashioned und sind Sonntage Menschen zu schade zum Zählen,<br />
müssen die digitalen Maschinen einspringen. Auch wenn sie sich in Echtzeit<br />
selbst auszählen, verschieben sie aber nur das unmoderne Imageproblem: Mit<br />
ihrer Unsicherheit verlieren sie vielleicht die wichtigste Wahl-Funktion. Das<br />
Vertrauen der Wähler.<br />
Wahlen können so viel Spaß machen. In Korsika wurden<br />
zu Osolemirnixs Zeiten die Urnen liebevoll gefüllt, ins<br />
Meer geworfen und dann der Gewinner ehrlich ausgefochten.<br />
Aber auch ohne Salzwasser und Messer macht<br />
es richtig Laune, alle vier Jahre die lokale Grundschule<br />
zu betreten, hinter muffigen Stellwänden Kreuzchen auf<br />
einen großen Zettel zu machen und diesen dann nach<br />
einer komplizierten Faltprozedur in eine Blechbox zu<br />
werfen, dessen Schlitz von einem eigens dafür abkommandierten<br />
Grünflächenbeamten mit einem Klassenbuch<br />
geschützt wird, damit kein Scherzbold das demokratische<br />
Hochamt mit einer Müllermilch versauen<br />
kann. Außer den Gerüchen und dem sozialen Erlebnis<br />
der Sonderklasse ist die Prozedur aber auch ziemlich fälschungssicher,<br />
weil die Grünflächenbeamten meistens<br />
ein Kreuz erkennen und fast nie Zettel aufessen oder<br />
verbrennen. Da kann man Wahlen sinnhaft finden wie<br />
man will, am Ergebnis ist da nicht viel rumzudeuten.<br />
Zettel haben allerdings auch ihre Nachteile, sie zählen<br />
sich zum Beispiel nicht in Echtzeit selbst aus und die Bereitschaft<br />
der Grünflächenbeamten für die <strong>De</strong>mokratien<br />
einen Sonntag zu opfern läßt rapide nach. Zettel sind<br />
aber vor allem altmodisch. Und auf sowas stehen heute<br />
nicht mal konservative Politiker, auch diese wollen es<br />
überall modern und chic, auch und gerade bei den Wahlen,<br />
also muss moderne Technik her, am besten sogar<br />
"modernste Technologie". In den USA sieht das nicht anders<br />
aus, auch wenn in einigen Bundesstaaten bei Präsidentschaftswahlen<br />
am Wahlmänner-Prinzip festgehalten<br />
wird, das mal sinnvoll war, als der Westen noch von<br />
stinkenden Kuhtreibern spärlich bevölkert war. In Gottes<br />
eigenem Land waren viele Politiker sogar schon vor<br />
ein paar Jahrzehnten ganz heiß auf den modernen<br />
Scheiß, was zur Anschaffung der berüchtigten Stanzmaschinen<br />
führte, die durch das Auszählungsdebakel bei<br />
der "Wahl" George Bushs weltweit berüchtigt wurden.<br />
Diese Maschinen arbeiten nach dem eigentlich bewährten<br />
Lochkartenprinzip, dass schon vor mehr als hundert<br />
Jahren die automatische Datenverarbeitung ermöglichte.<br />
Leider lochen die Wähler nicht durchgehend so sorgfältig<br />
wie früher die IBM-Hilfskräfte und auch viele Karten-Layouts<br />
hätten die Qualitätskontrollen der Internationalen<br />
Büromaschinen-Manufaktur nicht überstanden,<br />
so dass es immer wieder zu halben oder verrutschten<br />
Stanzungen kommt, die dann zu unschönem Streit<br />
zwischen den Grünflächenbeamten und den Wahlbeobachtern<br />
der Parteien führen. Nun könnte man im Sinne<br />
der Wiedergewinnung des Wählervertrauens eigentlich<br />
zu den bewährten Zetteln zurück kehren, aber es soll ja<br />
wie gesagt alles immer moderner werden, also müssen<br />
digitale Maschinen ran. Womit die Probleme auf einer<br />
anderen Ebene weitergehen: Statt über analoge Loch-<br />
debakel dürfen sich jetzt viele US-Bürger darüber Sorgen<br />
machen, dass die Wahlmaschine ihre Stimme nicht<br />
korrekt speichert oder ein ganz böser Hacker die Ergebnisse<br />
verfälscht, denn die eingesetzte Software scheint<br />
nach jüngsten Erkenntnissen etwa so sicher zu sein, wie<br />
Microsofts beliebte Software für die Massen und die<br />
Hersteller der Wahlsysteme gebären sich auch in etwa<br />
so heimlichtuerisch und obskur wie der Konzern aus<br />
Redmond.<br />
SKIP BETA-TEST<br />
Allerdings passieren den Herstellern auch genauso<br />
peinliche Pannen wie Microsoft und so konnte kürzlich<br />
von einem völlig ungeschützten Server der Firma Diebold<br />
deren "Direct Recording Electronic"-System (DRE)<br />
zur Begutachtung herunter geladen werden. Diebold ist<br />
weltweiter Player im Bereich Bankensicherheit und<br />
stellt auch Geldautomaten und eben Wahlmaschinen<br />
her, das DRE kam unter anderem bereits in Georgia bei<br />
Wahlen zum Einsatz. Bis zum Entdecken des offenen<br />
Servers war eine unabhängige Überprüfung der Software<br />
nicht möglich, da eine solche in bester Microsoft-<br />
Tradition ein "Sicherheitsproblem" darstellen soll. Bei<br />
der Auswertung der Diebold-Software durch Wissenschaftler<br />
der Johns Hopkins University kam allerdings<br />
eher heraus, dass das System selbst das Sicherheitsproblem<br />
zu sein scheint. So fanden die Forscher Manipulationsmöglichkeiten<br />
in fast allen Schritten des Wahlprozesses:<br />
Beim SetUp der Touchscreen-Maschinen, die etwa<br />
so manipuliert werden könnten, dass Kandidatennamen<br />
ausgetauscht und daher falsch gezählt werden. Die<br />
Authentifizierung der Wähler mittels eines PIN-Codes<br />
oder einer Smartcard könnte außerdem leicht ausge-<br />
INFO<br />
Diebold www.diebold.com<br />
Kritische DRE-Untersuchung<br />
http://avirubin.com/vote.pdf<br />
trickst werden und so Stimmen schlicht gestohlen werden.<br />
Und schließlich können Eindringlinge die Übertragung<br />
der Ergebnisse vom Wahllokal zur zentralen Auswertung<br />
manipulieren. Das Ergebnis ist um so erschreckender,<br />
als dass die Informatiker nur einen Teil<br />
des Diebold-Codes untersuchten und auf den - schlecht<br />
Nicht mal konservative<br />
Politiker stehen auf Zettel.<br />
Modernste Technologie<br />
muss her - auch und gerade<br />
bei den Wahlen.<br />
verschlüsselten - Rest verzichteten, um nicht mit dem<br />
US-Copright-Gesetz in Konflikt zu geraten. Und der<br />
größte Schaden dürfte nicht einmal darin bestehen,<br />
dass bisher wirklich Wahlen manipuliert wurden oder<br />
dies in der Zukunft geschieht, weil entsprechende Komplotte<br />
in der Regel an zu vielen Mitwissern kranken.<br />
Wirklich schlimm an der wackeligen Wahlsoftware ist<br />
dagegen - mit Schröder-Stimme vorstellen - "<strong>De</strong>r Vertrauensverlust<br />
der Bürgerinnen und Bürger in die <strong>De</strong>mokratie":<br />
Die fehlerhafte Software dürfte zukünftig in<br />
jede paranoide Verschwörungstheorie über das US-System<br />
Eingang finden und so die politische Kultur des<br />
Landes noch obskurer machen.
STECKT EIN WALTER IN DIR ? / Feine Unterschiede, social Engineering und Status-Paranoia<br />
"... Später auf der Toilette spricht mich Walter an: 'Du, dein Chef [Adler], der<br />
lässt mich nicht hängen, der ist doch gar nicht so, wie du mir am ersten Tag<br />
gesagt hast ... Hast du das gesehen, wie der vielleicht geguckt hat, als er sah,<br />
dass ich den gleichen Anzug wie er an hab'?' ... Beide tragen zwar einen blau-<br />
en Nadelstreifenanzug. Adler einen äußerst teuren maßgeschneiderten und<br />
Walter einen billigen aus dem Kaufhaus von der Stange."<br />
Günter Wallraff, Ganz unten, Köln 1985, Seite 188 ff.<br />
BLAUMANN: LEVI'S RED TM / RIPPENTRÄGERHEMD: SCHIESSER REVIVAL
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Produktion: Jan Joswig<br />
Foto: Gene Glover<br />
Styling: Jan Joswig<br />
Styling-Assistenz: Martina Kolvenbach, Felix Koschinsky<br />
Make Up & Haare: Kitty Fox<br />
Models: Kitty & Peter *<br />
* Kitty und Peter wissen: Liebe ist cool. Mit feinen Unterschieden, die die Liebe be- und ausgrenzen, halten sie sich nicht auf.<br />
Im Juli ist auf Bruchstücke 12 ihre "Liebe EP" erschienen, Teil 1 ihrer sozialen Plastik. Teil 2 folgt im Winter 2003. www.liebeistcool.de<br />
FÖRSTERINNENJOPPE: GSUS / JOGGINGHOSE: ADIDAS YAMAMOTO Y3 / TRAININGSBLOUSON: BRD / EINKAUFSBEUTEL: GRAVIS
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
KUNST<br />
EIN VERSTÖRENDER BLOCKBUSTER / Cremaster von Matthew Barney<br />
TEXT VERENA DAUERER | VERENA@DE-BUG.DE BILD M. BARNEY / M.J. O'BRIEN<br />
Matthew Barney hat mit seinem aalglatt surrealen und pathologisch schönen<br />
"Cremaster"-Alptraum aus Film, Fotografie und Installationen der Kunstwelt<br />
den verstörendsten Blockbuster aus Kafka und "Twin Peaks" aufgefrachtet.<br />
Beim Filmfest in Locarno traf Verena Dauerer den Allround-Künstler.<br />
Matthew Barney ist jemand, der in der Kunstwelt der<br />
90er so ungefähr den Status hatte/hat wie - darf ich das<br />
sagen? - Jeff Koons in den 80ern, der schon vor seiner ersten<br />
Soloausstellung 1991 ungemein gehyped wurde.<br />
Für die hat Barney sich dann nackt an Eiszapfen von der<br />
<strong>De</strong>cke der New Yorker Gallerie von Barbara Gladstone<br />
rumgehangelt. Barney ist der jüngste Künstler, der zur<br />
Zeit im kompletten New Yorker Guggenheim Museum<br />
ausstellt. Ein Mann mit einer Affinität zu glitschiger Vaseline<br />
und elfenbeinfarbenen, zart schimmerndem Bienenwachs,<br />
der in seinem aktuellen Cremaster-Film zum<br />
Beispiel daraus eine Dudelsack-Schaf-Mutation modelliert.<br />
Nochmal: <strong>De</strong>r "Cremaster” ist der Muskel, der die<br />
Hoden kontrolliert. Diesem widmete sich Barney fast<br />
die letzten zehn Jahre mit dem Cremaster-Zyklus, seinem<br />
Monumenten-Ouevre in Form von fünf chronologisch<br />
nicht durchnummerierten Arbeiten.<br />
Als Kunstwerk in der Produktion teuer, aber als Filme<br />
und im Verhältnis zu ihrer Länge Low Budget-Produktionen<br />
verstrahlen die Arbeiten wunderschöne Bilder<br />
und fächern unverhoffte Levels an Glattheit auf. <strong>De</strong>r<br />
letzte Teil, "Cremaster 3” mit Produktionskosten von 4<br />
Millionen Dollar, wurde 2002 teilweise im Guggenheim<br />
Museum gefilmt. Er thematisiert, platt zusammengezogen,<br />
den Bau des Chrysler Buildings. Barney erzählt Geschichten<br />
und benutzt dazu Partikel vom American Way<br />
of Life, Mythen und Märchen. Amerikanische Straßenkreuzer<br />
verbinden sich mit merkwürdigen Gynäkologiestühlen<br />
mit Freimaurerinsignien mit Mormonensymboliken<br />
mit Freeclimbing in Gebäuden. Er benutzte den<br />
Schriftsteller Norman Mailer, Ex-Bond Girl Ursula Andress<br />
und aktuell den Bildhauer Richard Serra, um verschiedene<br />
Querverbindungen durch und über sie zu<br />
knüpfen.<br />
"Cremaster 3” lief gerade auf dem Filmfest in Locarno.<br />
Ein Screening als allabendliche Vorführung auf dem betulichen<br />
Marktplatz mit mehr als 6000 Stühlen, an dessen<br />
östlichem Ende eine riesige Leinwand die Häuserseiten<br />
verbindet, darüber der Himmel. Und dann dort<br />
dieser Film, nicht gerade ein Publikumsfilm und dann<br />
noch drei Stunden ab nachts um halb zwölf. Schon eine<br />
Mutprobe.<br />
Wie ist Matthew Barney so, wenn man ihm begegnen<br />
darf? Die Zusammenstellung seiner Erscheinung ist<br />
äußerst abgestimmt und soll keinen Raum für Unsicherheiten<br />
lassen. Er kommt ganz akkurat in Understatement<br />
an, in seiner blauen Workwear. Alles muss stimmen,<br />
das System wird davon gehalten, strukturiert, eingegrenzt.<br />
Ähnlich wie er seinen Körper offensichtlich<br />
mit Extremsportarten züchtigt/regelt wie dem Freeclimbing.<br />
Ein kleines Ecklein Versnobtheit ist doch dabei,<br />
bei ihm, der in Yale studiert hat. Einer, der sich nicht<br />
um Publikumsgriffigkeit bemüht und eher sogleich<br />
schüchtern entschwindet, sobald er nicht mehr in Umgebungen<br />
eingebunden ist. Nur für zwei Sekunden gab<br />
es einen anderen Blick. Er nähert sich mit der Presseagentin,<br />
sieht einen von weitem und hat diesen Ausdruck<br />
im Gesicht von Erschrecken, so die Ecke unheilvolles<br />
Wiedererkennen. Keine Übertreibung: Als wäre<br />
man aus einem seiner Alpträume entstiegen. Später<br />
wird er sagen, dass er tut, was er tut, um die Dämonen<br />
los zu werden. Das war gerade so ein Moment, um sich<br />
davon ein Bild zu machen. Bei den Interviewern davor<br />
und danach wird er offensichtlich flüssiger, sicherer re-<br />
den. Er setzt sich also hin. Das Mikro fällt ihm runter,<br />
wobei ihm eben ein unsicheres Grinsen entwischt. Bei<br />
fast jeder Frage beginnt er erst mit dem Antworten,<br />
stockt dann, als ob sich seine Gedankenkette verhakt<br />
hat. Er überlegt, guckt auf den Boden, auf meine Füße,<br />
auf das Grünzeug neben ihm, und sieht aus, als hätte er<br />
den Faden verloren und sich in seinem Kopf verlaufen. In<br />
seinem Gesicht gibt es keine Regung, nichts. Als ob er<br />
dahinter rumtapert, nach Gedanken sucht und nur Nebel<br />
findet. Wie bei einer Art Verdrängungstaktik. Sobald<br />
er aber seine konstruierte Welt ausbreitet, werden die<br />
Worte plastisch. Dann klingt es während er redet, als ob<br />
Analogien zwischen nebeneinander stehenden Türmen<br />
hergestellt werden, schnelle und immer mehr Verbindungen,<br />
und die sind milchig weiß verschwommen und<br />
sehen aus wie seine länglichen Skulpturen.<br />
DEBUG: Warum das Guggenheim Museum als Setting<br />
für den Cremaster 3?<br />
MB: Teils mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Retrospektive<br />
bald nach der Fertigstellung von Nummer 3 kommen<br />
würde. Ich wollte zurück zur begonnenen Arbeitsweise<br />
vor dem Cremaster Zyklus: Zur Absicht, etwas an ein und<br />
demselben Ort aufzunehmen und abzuspielen. Die Absicht,<br />
eine Spur aus Objekten mit dem Video Playback zu<br />
kombinieren und damit eine Geschichte zu erzählen, die<br />
nicht mit allein einem von beiden erzählt werden könnte.<br />
Diesen Arbeitsprozess habe ich nie aus meinem System verbannt.<br />
Und da die Erzählung von Nummer 3 im Chrysler<br />
Building stattfindet, schien die Ornamentsprache des Guggenheim<br />
wie ein verfügbarer Verwandter des Chrysler Building.<br />
Damit wurde ein Aspekt der Arbeit organisiert, was<br />
der auch brauchte. <strong>De</strong>r Aspekt einer ziemlich binären Geschichte<br />
zwischen dem Lehrling und dem Architekten. Einem<br />
sehr unbarmherzigen bis zu dem Punkt, wo die Story<br />
im Fundament des Bürohauses beginnt und sich ihren Weg<br />
hoch zur Nadel arbeitet. Am Höhepunkt der Geschichte<br />
schien es, dass sie in diesem Fall in fünf Konfliktebenen zerbrechen<br />
muss.<br />
DEBUG: Wie die Ebenen in einem Game?<br />
MB: Diese zwei Strukturen waren voneinander abhängig.<br />
Durch das Zerbrechen des Endes wird ermöglicht, dass der<br />
Anfang der Geschichte eher wie ein Gangsterfilm funktioniert.<br />
Die Art von Story, mit gut und böse. Die Szene im<br />
Guggenheim funktioniert wahrscheinlich ähnlich wie die<br />
Szenen aus den vorangegangenen Stücken. Die waren in<br />
mancher Hinsicht vom Humor oder der Gewalt abhängig,<br />
um den Druck freizusetzen, der sich im Stück bis dahin aufgebaut<br />
hatte. Während der Planung von Nummer 3 wollte<br />
ich, dass das mehrmals mit Szenen geschieht, damit alle<br />
fünf Filme darin repräsentiert würden - wie durch eine Art<br />
Chor. Das passiert bei der Vernichtungsszene in der Lobby,<br />
in der alle fünf Autos die fünf Symbole und Farben der jeweiligen<br />
Filme tragen. Und in der Szene mit den Pferden<br />
auf der Rennbahn - und dann in der Guggenheim Szene.<br />
DEBUG: Gibt es eine Art Kontrollsystem, das alle fünf<br />
Filme zusammenhält?<br />
MB: Ja, aber ich denke, dass es letzten Endes unmöglich<br />
funktioniert. Es gibt da eine Reihe an Befehlen, die angelegt<br />
werden, soweit wie die Geschichte geschrieben wurde. Die<br />
Befehle sind wie Prüfungen, die wir durchführen. Das sind<br />
die wesentlichen Szenen. Die Dinge ändern sich auf jeden<br />
Fall, und die Regeln müssen gebrochen werden, um eins<br />
dieser Dinge beenden zu können. <strong>De</strong>r Umfang des ganzen<br />
ist es, warum ich immer wieder zu dieser Arbeitsweise<br />
zurückkehre. Zu einem Ausmaß, das so viel größer ist als<br />
ich, und das eine Gruppe von Leuten trägt. Ein Umfang, der<br />
verlangt, dass man sich ihm manchmal unterordnet.<br />
DEBUG: Heißt das mehr Freiheit, im Sinne von Freiheit<br />
innerhalb der Regeln?<br />
MB: Ja, es geht verschoben darum, eine freie Art der Arbeit<br />
zu finden. Aus der Distanz scheint es wahrscheinlich ziemlich<br />
starr und wie etwas, das mit Kontrolle zu tun hat. Aber<br />
eigentlich ist es völlig außer Kontrolle.<br />
DEBUG: <strong>De</strong>in Arbeitsverfahren?<br />
MB: Die Bestandteile haben sich nicht gegenüber den<br />
mehr plastischen Arbeiten vor dem Cremaster Zyklus<br />
verändert. Aber die Anordnung. Anders gesagt, Projekte<br />
vor dem Cremaster begannen mit einem Objekt, aus<br />
dem sich die Geschichte entwickelte. Im Fall des Cremaster<br />
Zyklus führte die Erzählung und das Objekt entwickelte<br />
sich daraus. Aber deren Beziehung zum Objekt<br />
hat sich nicht verändert. Auf einer praktischen Ebene<br />
beginnen beide Fälle mit dem Zeichnen.<br />
DEBUG: Arbeitest du assoziativ?<br />
MB: Bei den Projekten kam es durch das Reisen, das Zu-einem-Ort-Gehen<br />
und darin Aufgehen. Es der Form des Cre-<br />
Amerikanische Straßenkreuzer verbinden sich mit merkwürdigen<br />
Gynäkologiestühlen mit Freimaurerinsignien<br />
mit Mormonensymboliken mit Freeclimbing in Gebäuden.<br />
Und das ist absolut auf den Punkt. Im Ernst.<br />
master Projekts erlauben, lokale Mythen, Symbolismen<br />
und Figuren dieser Orte zu absorbieren. Ich würde es nicht<br />
freie Assoziation nennen. Aber es ist eine leicht intuitive<br />
Annäherung, an einem Ort so offen wie möglich zu bleiben<br />
und zu sehen, welche von den Dingen nach vorne kommen,<br />
welche sich an dem beteiligen können, was bereits in meinem<br />
Projekt vorhanden ist.<br />
Was mich interessiert ist der Inhalt und die Rezeption als<br />
verzögerte Reaktion darauf. Wenn diese Arbeiten sich auf<br />
diese Regel einlassen, auch gefühlsmäßig, und eine Zeit<br />
später in den Köpfen ankommen. Es geht um die emotionale<br />
Erfahrung und die in den Eingeweiden. Und wie der Inhalt<br />
sich langsamer durch eine visuelle Sprache anstatt<br />
durch einen expliziten Text oder eine Narration erschließt.<br />
DEBUG: Soll es provozieren?<br />
MB: Bei den schwierigeren Szenen geht es eher um den Versuch,<br />
die Dämonen auszutreiben. Es geht darum, einen<br />
Kreativitätszyklus fortzusetzen und die Hemmstoffe auszuschalten.<br />
INFO<br />
www.cremaster.net<br />
www.guggenheim.org/exhibitions/past_exhibitions/barney
DVD<br />
MUSIKFERNSEHEN?<br />
LIEBER VIDEOS<br />
AUF DVD<br />
TEXT VERENA DAUERER | VERENA@DE-BUG.DE<br />
Welche Plattformen gibt es eigentlich für Musikvideos? Verena Dauerer hat sich<br />
im Business umgehört, jetzt, wo das Musikfernsehen inspirationslos und ziemlich<br />
tot ist. Zuletzt ist sie bei einem aktuellen DVD-Sampler "Visual Niches 2"<br />
hängen geblieben. Cop that shit.<br />
<strong>De</strong>r Nischenclip als Ausgangspunkt lässt erstmal über<br />
den Stand des selbigen Nachdenken. Wenigstens ist er<br />
eine Weile und nicht erst seit dem Einmarsch vom Musikfernsehen<br />
im Kunstkontext und als Gegenstand von<br />
AnalysenInterpretationenPsychologisierungen anerkannt.<br />
Da wären Peter Weibels alte Texte bis zu neueren<br />
Aufsätzen in der testcard oder Christoph Drehers alles<br />
umgreifende Dokuserie "Fantastic Voyages" auf 3sat. <strong>De</strong>r<br />
Musikclip als Genre ist akzeptiert, weil er halt als innovativ<br />
gilt. Junge, bastelfreudige Regisseure fangen mit ihm<br />
an, bis die Firmen ihnen später und irgendwann vielleicht<br />
den Umfang einer Hollywood-Produktion zutrauen. Beispiele<br />
wären da vor einer Weile David Fincher, später Spike<br />
Jonze, Jonas Akerlund, Michel Gondry oder Jonathan<br />
Glazer. <strong>De</strong>r Clip ist deshalb ein rundum bearbeitbares<br />
Multitool, weil er den ähnlichen Stand unter Kreativlingen<br />
hat wie der Werbetrailer. Nur leider mit einem Minimum<br />
des Budgets vom letzteren. <strong>De</strong>shalb machen Leute<br />
wie Rigley und Tony Scott oder Spike Lee Werbung. Und<br />
weil man über ihn auch die Fühler in Richtung Kunst ausstrecken<br />
kann, wie das Chris Cunningham mit seinen<br />
Perfomances macht.<br />
KUNSTTERMINE<br />
KUNST IM HERBST<br />
TEXT JUTTA VOORHOEVE | J.VOORHOEVE@GMX.DE<br />
Gerne spricht man ja, wenn nach den Sommerferien die Flipflops wieder gut<br />
verstaut sind, immer von so was wie einem Kunstherbst, bei den kränkelnden<br />
Kunstmessen sollte man allerdings lieber von einem Kunstherbstlein reden.<br />
Egal: Wir haben uns umgeschaut und notiert, wann die Messen sind und was<br />
sonst noch so drum herum stattfindet.<br />
BERLIN:<br />
Das finanziell in Bedrängnis geratene Art Forum Berlin<br />
bildet den Auftakt. Vom 1. - 5. Oktober ist in den Messehallen<br />
18-20 auf dem Messegelände Berlin täglich von<br />
12-20 Uhr zwar nur noch wenig Berlin zu sehen, die stadtbekannten<br />
Galerien glänzen wegen ansteigender Konzeptlosigkeit<br />
der Messe mit Abwesenheit, aber dennoch:<br />
hingehen, es könnte ein letztes Mal sein. Mit nur noch 94<br />
Ausstellern extrem verschlankt, ist der Blick auf osteuropäische<br />
Galerien vielleicht das Interessanteste.<br />
Spannend könnte auch die Ausstellung "Im Geschmack<br />
der Zeit" von Christian Philipp Müller in der Weydinger<br />
Str. 20, 10178 Berlin werden (03.10.-30.11.). Veranstaltet<br />
vom Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa<br />
Luxemburg Platz und von Plattform-Macherin Ulrike<br />
Kremeier kuratiert, ist Müllers Show eine eigene Auseinandersetzung<br />
mit der Innenarchitektin Marlene Poelzig<br />
und deren Mann, dem Architekten Hans Poelzig, der die<br />
Volksbühne baute, aber vor allem für außergewöhnliche<br />
Bauten u.a. im Stil des Expressionismus bekannt ist.<br />
Und da zwischen den Events die regelmäßigen Veranstaltungen<br />
gerne mal untergehen, packen wir zu den ak-<br />
AKZEPTANZ OHNE PLATTFORM<br />
Das Problem sind offensichtlich eher die Plattformen für<br />
die Clips. Wo man als erstes beim Musikfernsehen anlegt.<br />
Das Kriterium fürs Musik-TV ist mit Rücksicht auf<br />
mögliche Zielgruppen Chartlastigkeit, die Musik muss<br />
ins Programm passen. Auch nichts neues. Das TV will<br />
nichts Unkommerziellem Platz machen. Randgruppensendungen<br />
wurden im Zuge der Rationalisierung weggeschluckt.<br />
Die seligen Tage von früher Tele5, unlängst VI-<br />
VA 2 und anfangs noch VIVA Plus sind vorbei. Allein der<br />
Opisender ONYX hat sich ein wenig gemacht. Das war es<br />
auch schon. MTV ist vorgezogen, VIVA dackelt dahinter:<br />
Letzten Endes soll die einfache Clippräsentation durch<br />
Entertainment ersetzt werden, so Jörg Sädler von Bits +<br />
Pieces bei VIVA: "VIVA zeigt Clips tagsüber und ist zu Serien<br />
im Abendprogramm übergegangen. Die generelle Strömung<br />
im Musikfernsehen ist, dass es sich überlebt hat und<br />
verstärkt in den Bereich des Jugendentertainment reingeht.<br />
Es reicht nicht mehr, einfach nur Videos zu zeigen."<br />
Ein möglicher Ersatz ist das Online-Gucken der Clips. Ein<br />
Argument dafür: Wenn man die Glotze anmacht, kommt<br />
nie das Video, das man sehen möchte. Mit dem PC-Monitor<br />
befasst man sich sowieso den ganzen Tag, also war-<br />
tuellen Tipps noch unsere Lieblingsreihen oben drauf:<br />
Um das Bootlab im raum 3 (Ziegelstrasse 20, 10117) zeigt<br />
man ja ansonsten immer ein exzellentes Kinoprogramm,<br />
derzeit gibt es dort allerdings die Veranstaltungsreihe<br />
"Attachement" und zwar mit Fokus auf selbstorganisierter<br />
Wissensaneignung, also nicht-institutionellem Wissen.<br />
http://lists.minordomo.org/raum3/<br />
Außerdem wird Ende Oktober das Magazin Starship in<br />
neuem relaunchten Kleid erscheinen. Und zwar mit dem<br />
Special "Verdunkelung". Wir sind gespannt. www.starship-magazine.org<br />
KÖLN:<br />
Die auf ihre Tradition beharrende und inzwischen leicht<br />
angemuffte rheinische Metropole schickt vom 29.10. bis<br />
2.11. die 37. Art Cologne ins Rennen - und alles gähnt. Am<br />
Messeplatz 1 in 50679 Köln ist das internationale Terrain<br />
auch eingebrochen, doch viele Global Players sind hier<br />
nach wie vor am Start. Dieses Jahr gibt es nach Jahren<br />
wieder eine Zusatzmesse in Köln, doch vom Engagement<br />
der "Unfair" anno 1992 oder der "Messe2ok" keine Spur.<br />
Eventmanager stecken hinter der art.fair, die unweit der<br />
um ihn nicht gleich weiter statt dem TV benutzen. Bitfilm,<br />
viva.tv und vh1.com sind Alternativen im Netz, zumindest<br />
für die Hits. Volker Heisterberg, Regisseur von<br />
T.Raumschmieres "Monstertruckdriver" empfiehlt Sputnik7<br />
für Anregungen, weil, eben: "Ich guck selber nicht<br />
sonderlich viel VIVA."<br />
Eine weitere Nische, in die man sich ducken kann, bevor<br />
einen der Popstrom mitschwemmt, sind Sampler wie die<br />
zweite "Visual Niches"-DVD. Die fangen die Nischenclips<br />
ein, die wegen ihres Sounds ein paar Mal nachts im Musikfernsehen<br />
laufen. Wie DJ Shadows "Walkie Talkie", eine<br />
wild-wüste Collagenästhetik, bei der die zusammen<br />
geschnipselten Figuren mit der Kettensäge reinen Tisch<br />
machen. Eine Compilation also als Gartenteich für allerhand<br />
trashige Annäherung. Trash heißt auch lustig und<br />
mit sich selbst lustig, nicht zu vergessen. Wie Laurent<br />
Garnier, der in "Flashback” (Quentin Dupieux) als Rocker<br />
im Keller mit den schmachte Groupies headbangend auf<br />
der Gitarre schrammelt. Oder Turner, der kleine Pelzmopsies<br />
an Luftballons wegfliegen lässt. Oder Rocko<br />
Schamoni mit der Strichmännchen-Geschichte vom<br />
dicken Sabberer.<br />
WAS GIBT ES AN AUSWAHL?<br />
Sowohl die Simpelkunstfertigkeit von Low-Budget-Produkten<br />
(Modeselektor), als auch die anstrengende Verkünsteltheit<br />
von Experimentalclips in bester Tradition<br />
(Anti-Pop Consortium) wie genauso fette Sfx-Teile<br />
(<strong>De</strong>ichkind). Was vielerlei Platz hat für beispielsweise die<br />
Weathermen-nahe Parole "Make Pigs Pay” von Carsten<br />
Art Cologne im Palladium, Schanzenstrasse 40, 51063<br />
stattfindet. Nach dem Muster von New York und London<br />
als "Affordable Art Fair” angelegt, kostet Kunst höchstens<br />
5000 Euro. Die Kaufhausvariante einer Kunstmesse<br />
mit "Führungen für Beginners” zeigt 50 Galerien, die<br />
sich an der Jury der Art Cologne nicht vorbeischummeln<br />
konnten und wollten. Täglich von 14 bis 22 Uhr und mit<br />
viel Eventcharakter gilt es, neue Sammlerschichten zu erschließen.<br />
Gucken kostet 8 Euro.<br />
Am besten sofort zur KunstFilmBiennale gehen, einem<br />
ungewöhnlichen Filmfestival mit ernst gemeinter<br />
Schnittstelle von Bildender Kunst und Film. Chris <strong>De</strong>rcon,<br />
der Leiter des Hauses der Kunst in München, kuratiert<br />
drei Programme mit neustem Künstlerfilmimport<br />
aus den Niederlanden und Belgien. Vom 26.10. bis 2.11.<br />
kann man zwischen 2001 und 2003 entstandene Filme<br />
von Pierre Hyghe und Konsorten in diversen Locations<br />
schauen. Ein Internationaler Wettbewerb mit 40 Filmen<br />
wird am Ende einen von der Filmstiftung Nordrhein-<br />
Westfalens gestifteten Hauptpreis von 15.000 Euro vergeben.<br />
Zusätzlich diskutiert das Symposion jenseits der<br />
großen Apparate die Produktionsbedingungen von<br />
Jost mit von <strong>De</strong>monstranten gemachten Aufnahmen der<br />
Genua-Ausschreitungen. Direkt neben architektonisch<br />
schwungvoll sich überlagernden Split-Screens mit Stills<br />
von Amon Tobins "4 Ton Mantis” (Floria Sigismondi).<br />
Oder Mosaikkaskaden des Duos Klöfkorn/Husain bei Alter<br />
Egos "Betty Ford”. Alte Bekannte dürfen auch nicht<br />
fehlen wie die Knetmännchen- und Puppentrickanimation<br />
mit zusammengewürfelten Robotern bei Consoles<br />
"14, Zero, Zero”. Oder <strong>De</strong>ichkinds Game-Setting bzw. Samurai<br />
bzw. Michael Jackson-Lookalike in "Limit”. In einem<br />
Sinn dürfen die Clips auch Punk sein, Spaßpunk, wie<br />
bei den Spaßprollis Basement Jaxx, die in "Where's Your<br />
Head At?” als Affen im Versuchslabor musizieren. Einen<br />
ähnlichen Ansatz packt der bolzige T.Raumschmiere in<br />
"Monstertruckdriver”: immer schön unbarmherzig anrotzen<br />
und plattwalzen. Als Alternative zum Musikfernsehen<br />
lohnt sie sich jedenfalls, die Compilation.<br />
INFO<br />
www.efa-emotion.de/visualniches2<br />
www.bitfilm.de, www.sputnik7.com<br />
www.cliparchiv.tv<br />
DVD (e:motion/EFA), VÖ: Oktober<br />
Künstlerfilmen.<br />
Wer zu der Zeit in Köln unterwegs sein sollte und nicht<br />
ins Ludwig Museum, Bischofsgartenstr. 1, 50667 Köln<br />
geht, hat das selber zu verantworten. Dort ist vom 18.10.<br />
bis 11.01.04 Roth-Zeit - die erste große Retrospektive des<br />
1998 verstorbenen Dieter Roths, der alles und nichts war:<br />
Künstler, Musiker, Filmer - manisch immer am Ticker der<br />
Zeit und dahinter. Alles klar?!<br />
Wirklicher Schnittpunkt Köln/Berlin ist der liebenswerte<br />
kjubh-Ausstellungsraum in der Dasselstrasse 75, 50674<br />
Köln. Eingeladen von Annette Freudenberger gibt sich<br />
die Berliner Künstlerin Friederike Clever mit neusten<br />
Gemälden und Zeichnungen dort ein Stell-dich-Ein.
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
GAMES<br />
MEHR VON ALLEM, TEIL ZWEI / Games Convention<br />
TEXT NILS DITTBRENNER | NILS@PINGIPUNG.DE<br />
Seitdem die Games Convention sich in Leipzig etabliert hat, liegt die Stadt zumindest<br />
für einen Moment neben Tokio oder London. Gameredaktion Nils und<br />
Heiko verschafften sich zwischen 92 000 anderen Besuchern durch tapferes tagelanges<br />
Daddeln den Überblick über das, was da so kommt.<br />
<strong>De</strong>r oben zitierte, zugegebenerweise dämliche Spruch<br />
war zwar nicht offizieller Leitspruch der zweiten Games<br />
Convention, doch immerhin, Fachbesucher sollten mit<br />
ihm im Vorfeld zur Anreise nach Leipzig bewegt werden.<br />
Scheinbar mit Erfolg: Diese wie auch das gemeine<br />
Fußvolk kamen zahlreicher als noch letztes Jahr nach<br />
Sachsen (92.000 Besucher, 6.000 vom Fach wurden gezählt),<br />
um sich über den aktuellen Spiele-Markt auf dem<br />
Laufenden zu halten. Neuerungen trugen u.a. dem novellierten<br />
Jugendschutzgesetz Rechnung, wie die Altersnachweis-Plastikbändchen<br />
für Teenage-Besucher und<br />
der eigene Bereich "GC Family", welcher in verschiedenen<br />
Foren vor allem Medienkompetenz-Schulungs-Potenziale<br />
im Edutainment-Bereich beschwor und einen<br />
Kindergarten für den kleinen Nachwuchs bereitstellte.<br />
LEIPZIG NEBEN LONDON<br />
"Mehr von allem" hieß in den beiden Messehallen: Mehr<br />
Aussteller, mehr dB, mehr Masse, mehr Goodies, GIGAund<br />
VIVA-Liveübertragungen vom Puls des Geschehens<br />
und das Frohlocken vieler Branchenvertreter, Leipzig<br />
neben London, Los Angeles und Tokio im Weltmarkt der<br />
Spielemessen etabliert zu haben.<br />
Die drei Konsolenfirmen waren jeder in seinem Marktsegment<br />
dank Powerpoint am Führen und kamen mit<br />
überraschend wenig Neuem daher. Die Marketingteams<br />
von Microsoft und Sony haben scheinbar inzwischen<br />
mal zusammen vor der Konsole gesessen und verabschiedeten<br />
sich in Leipzig von ihren auf Eskapismus basierenden<br />
Claims "Play more – the Xbox Xperience" und<br />
"The third Place" zugunsten von – höchst originell: "It’s<br />
good to play together" oder "Fun, anyone?". Vor allem<br />
wohl um das Daddelvergnügen zu mehreren mit Eye Toy<br />
bzw. dem angekündigten Karaoke-Dienst der Gates-Firma<br />
neu zu besetzen. Bei Sony wird die kleine Kamera,<br />
die mit für den lustigsten Messestand sorgte, als Killerapplikation<br />
ins Weihnachtsgeschäft ziehen, gleichzeitig<br />
soll alles ein wenig alberner werden, um, tja, den<br />
"Fun" in den Vordergrund zu stellen.<br />
Das Microsoft-Imperium will mit dem Music Mixer<br />
spaßige Karaoke-Partys endlich auch in deutschen<br />
Wohnzimmern etablieren. <strong>De</strong>r Clou: Die Software soll<br />
aus beliebigen AudioCD-Tracks die Gesangsspur rausfiltern<br />
können, um diese dann mit eigenem Gesang zu ersetzen.<br />
Hauptsache wohl: In jedem steckt ein Superstar.<br />
Über den Live!-Dienst soll dann auch ein Voice-Chat-<br />
Dienst und gemeinsames, vernetztes Krakelen von verschiedenen<br />
Party-Standorten aus möglich sein, it’s good<br />
to - wir sind gespannt.<br />
Nintendo - in diesem Jahr erstmals auf der GC - baut auf<br />
Game Boy, Pokémon und "Connectivity", also den Link<br />
zwischen Konsole und Handheld. Sowohl die von der<br />
Idee geniale PacMan-Umsetzung (ein Spieler spielt Pacman<br />
auf dem GBA, drei Geister jagen diesen am Cube-<br />
Screen in jeweils kurzsichtigen Ausschnitten) als auch<br />
der Sequel-Titel Mario Kart: Double Dash ("Multiplayer<br />
Game der Show"-Award-Gewinner) zeigen, dass die<br />
Mehrspieler-Spaß-Verheißungen im Mario-Wohnzimmer<br />
schon mitgedacht wurden.<br />
GRÖßER, KLEINER, SCHNELLER<br />
Omnipräsent auf der Messe zeigte sich Nokia, jugendlich<br />
und fest entschlossen mit dem im Oktober erscheinenden<br />
Spielehandy N-Gage eine selbst entdeckte<br />
Marktlücke im Segment Portable und Online zu füllen.<br />
Inwieweit das N-Gage zum Preis einer "großen" Konsole<br />
mit kleinerem Display als die portablen Mitstreiter<br />
und als Telefon-Zwitter bestehen wird, wird die nähere<br />
Zukunft zeigen, gerade das "online" will auf Game-Seite<br />
noch nicht überzeugen, müssen wir uns doch auf eine<br />
"Arena" zum Austausch von Geist-Daten im Internet beschränken.<br />
Trotz des hohen Preises und der zum Telefonieren<br />
eigenartigen Form (abgedrängt auf die Seite)<br />
könnte durch die bei Handys üblichen Bundle-Angebote<br />
dem N-Gage ein gewisser Erfolg beschert werden. <strong>De</strong>r<br />
Markteintritt in Europa des aus Korea stammenden Gamepark<br />
32 (für DEBUG die Hardware der Show) dürfte<br />
den Nokia-Managern dennoch Schweißperlen auf die<br />
Stirn zaubern, kommt es doch als Feature-Riese mit<br />
320x240 Pixel großem Display, Open Source OS samt<br />
jetzt schon riesiger Online-Software-Bibliothek, USB-<br />
Link, MP3- und DivX-Player sowie weiteren Gimmicks,<br />
voraussichtlich zur Hälfte des N-Gage-Preises und zur<br />
selben Zeit in den Handel und könnte dem Nokia im angepeilten<br />
Altersgruppensegment (ohne Telefonoption)<br />
ein unerwarteter Konkurrent werden. <strong>De</strong>r Gameboy Advance<br />
/ SP bleibt auch dank Pokémon unangefochten<br />
Marktführer beim portablen Gaming, ihn wird es ab sofort,<br />
dem Erfolg Rechnung tragend, in zwei weiteren<br />
Farben geben. <strong>De</strong>n schmucken Nintendo-Handheld<br />
durften sich Interessierte einen Messetag lang gegen<br />
Abgabe eines Pfandes ausleihen und so vom ganzen<br />
Drumherum gebührend Abstand nehmend den Tag verdaddeln.<br />
Eine Randnotiz noch: Von Sonys PSP (Playstation<br />
Portable) war noch nix zu sehen und zu hören.<br />
DIE GAMES<br />
Das Haupthema 2003 war anders als letztes Jahr jedoch<br />
weniger die Hardware, sondern selbstredend die Games.<br />
Und denen ist es grundsätzlich egal, auf welcher<br />
Plattform sie laufen. Viele Toptitel wie das lange erwartete<br />
Soul Calibur 2 erscheinen von vornherein auf allen<br />
drei Konsolen, ebenso der grafisch imposante Sequel zu<br />
Prince of Persia, der Cel-Shooter XIII oder der Genremix<br />
Beyond Good & Evil (alle von Ubi Soft, die Franzosen<br />
hatten eines der besten Line-Ups vorzuweisen). Letzteres<br />
erhielt nebenbei zusammen mit Konamis Pro Evolution<br />
Soccer 3 die Auszeichnung "bestes Gameplay" der<br />
Show. Auch Activision setzt mit Tony Hawks Underground<br />
sowie dem brutalen Gangsterepos True Crime (welches<br />
GTA ernsthaft Konkurrenz machen könnte) weiterhin<br />
auf die größtmögliche Plattform-Abdeckung, ebenso<br />
wie Mega-Publisher Electronic Arts.<br />
Sowohl Atari als auch Vivendi Universal haben sich aufs<br />
Thema Hollywood eingestochen, im Großen und<br />
Ganzen dürften diesem Trend aber keine Klassiker entspringen.<br />
Das Rohmaterial für die Lizenzen können wir<br />
ab frühestens nächstem Jahr in Peter Molyneux’ jüngstem<br />
Spiel "The Movies" selbst produzieren, auch bei<br />
dieser Filmstudiosimulation ist die Plattform egal und<br />
das Gameplay viel versprechend, auch im Hinblick auf<br />
die sogenannte Machinimas (Spielfilme in Computerspielengines)<br />
dürfte das Spiel ein interessanter Titel<br />
werden. Auf Sonys Konsole stach neben der späten und<br />
grafisch spartanischen Online-Rollenspiel-Umsetzung<br />
"Everquest" besonders der kuriose Titel "A Dog’s Life"<br />
(nomen est omen: die Simulation eines Hundelebens<br />
aus der Wauwauperspektive, "Innovativstes Produkt der<br />
Show"-Award inklusive) aus dem Gezeigten heraus.<br />
Microsoft präsentierte die ersten Titel vom aufgekauf-<br />
ten Ex-Nintendo Hausteam Rare: das aufpolierte N64-<br />
Eichhörnchen Conker (wir freuen uns) ebenso wie das<br />
witzige Grabbed by the Ghoulies und (mal wieder) Kameo:<br />
Elements of Power. Darüber hinaus wurden mit<br />
Amped 2 und TopSpin zwei anspruchsvolle Sportspiele<br />
für den Live-Dienst vorgestellt. Für Gamecube gab es<br />
neben den oben genannten Multiplayer-Hits vor allem<br />
den grafisch beeindruckenden Superstar-Plattformer<br />
"Viewtiful Joe", den neuen F-Zero-Racer und das langerwartete<br />
"Pikmin 2" (endlich mit 2-Spieler-Modus) zu sehen.<br />
Die für den PC erwarteten Blockbuster "Half Life 2"<br />
und "Doom 3" gab es leider nicht zu sehen, auch die<br />
"Sims 2" wurde uns vorenthalten. Dafür gab es als Premieren<br />
den neuen, vierten "You don’t know Jack"–Teil<br />
mit erwartungsgemäß zotigem Humor sowie eine wahre<br />
Flut an Ego-Shooter- und Strategietiteln und ein wirklich<br />
bahnbrechendes, weil neues Spielkonzept in Form<br />
von "In Memorian" zu sehen. "In Memorian" versetzt<br />
den Spieler in die Rolle eines <strong>De</strong>tektives, der ein gutes<br />
Paket von auf CD mitgeliefertem medialen Footage<br />
durch eigene Analyse-Skills und darauf folgenden Real-<br />
Life-Google-Recherchen, Minispielchen und ("wirklichen")<br />
Emails zur Lösung einer Serienkiller-Angelegenheit<br />
geschickt miteinander kombinieren muss. Laut der<br />
französischen Entwickler Lexis Numérique wurden für<br />
das auf Mac wie PC im Oktober erscheinende Spiel in<br />
den vier Jahren Entwicklungszeit über 300 Fake-Webseiten<br />
online gestellt. Mit einer Vielzahl von Lösungswegen<br />
und einer intelligenten "Lösungs-KI" dürfte das<br />
Spiel selbst für Neulinge interessant sein, scheinbar<br />
wurde von den Fehlern aus EAs "Majestic" gelernt. In<br />
Memorian gehört auf jeden Fall zu den innovativsten<br />
und interessantesten Produkten der diesjährigen GC.<br />
Ob die E-Mails vom Game nicht im Spam der Inbox untergehen,<br />
wird sich dabei noch zeigen. Ein weiteres PC-<br />
Highlight stellt "Tron 2.0" da, welches gut 20 Jahre nach<br />
dem ersten Tron-Film demnächst erscheint und wie der<br />
Film schon einige interessante Ansätze zur Visualisierung<br />
bzw. Verstofflichung der Computerwelt ausführt.<br />
GAMES STATT STEINKOHLE<br />
In den Messehallen versteckten sich neben den großen<br />
und kleinen Publishern mit ihrem multimedialen Popanz<br />
außerdem Case-Modding-Spezialhändler, die Dreamcast-Freaks<br />
der gleichlautenden Petition sowie die Games<br />
Academy mit einem interessanten Vortrags-Programm.<br />
LAN-Partys gab es ebenso, und - ganz ernst und<br />
ein wenig deplaziert wirkend - Stände vom Arbeitsamt<br />
und der Bundeswehr.<br />
Auf einer GC Germany dürfen die Diskussionen zu<br />
<strong>De</strong>utschland als (oder gerade nicht) Entwickler-Land<br />
nicht zu kurz kommen, weitaus mehr Diskussionen als<br />
im letzten Jahr gab es im Vorfeld der eigentlichen Messetage<br />
auf der <strong>De</strong>veloper–Konferenz GC/DC sowie im<br />
Dunstkreis der Game-Face-Initiative, die anstehende<br />
Novellierung des Gesetzes zur staatlichen Filmförderung<br />
auf den Bereich der Computerspiele auszuweiten.<br />
Die Initiatoren versprechen sich von dieser Gamesstatt-Steinkohle-Lösung,<br />
lenkend auf Qualität und Inhalt<br />
von in <strong>De</strong>utschland produzierten Titeln Einfluss<br />
nehmen zu können. Ein in <strong>De</strong>tailfragen kritisch diskutierter<br />
Beitrag, der aber grundsätzlich unterstützenswert<br />
ist, gerade wenn wir uns im europäischen Ausland<br />
umschauen.<br />
Mehr von allem – Teil 2. Was bleibt? Die Vorfreude auf<br />
eine von der digitalen Unterhaltung her gesicherte kalte<br />
Jahreszeit und die Gewissheit, dass sich die Games<br />
Convention als wichtigste europäische Fachmesse für<br />
digitales Entertainment etabliert hat. Dieses Jahr war es<br />
Content-bezogen und abseits der messetypischen Kommerz-Sonderbarkeiten<br />
spannender und vielfältiger in<br />
Leipzig. Das, finden wir, ist schon was.<br />
INFO<br />
http://www.dreamcast-petition.com<br />
http://www.game-face.com<br />
http://www.games-academy.de<br />
http://www.gc-germany.de<br />
http://english.gamepark.com<br />
http://www.n-gage.com<br />
http://www.nintendo.de<br />
http://www.playstation2.de<br />
http://www.ubi-soft.com<br />
http://www.xbox.de<br />
DOGSLIFEGAME<br />
GAMEPARK 32<br />
NOKIA N-GAGE<br />
SONY STAND
INTERNET<br />
9/11 IS A JOKE / Oder: Lesen Netzlinke nicht quer?<br />
TEXT SEBASTIAN LÜTGERT | SEBASTIAN@ROLUX.ORG BILD OLE BRÖMME<br />
Im September waren die Beiträge auf Rohrpost, der<br />
"deutschsprachigen Liste zur Kultur digitaler Medien<br />
und Netze", aufgeregt. Man diskutierte - zunächst -<br />
den Zustand des Netzmagazins Telepolis. Nach dem<br />
Weggang des langjährigen, verdienten Redakteurs<br />
Armin Medosch diagnostizierte man einen "Niedergang<br />
von Telepolis", andere fanden den "alltäglichen<br />
links-paranoiden Scan durch die Presse" trotz alledem<br />
"durchaus angenehm". Klar wurde jedoch, dass<br />
mit Armin Medosch auch den Kulturproduzenten im<br />
Netz irgendwie das öffentliche Medium abhanden<br />
gekommen war. Tatsächlich hat sich Telepolis seit einiger<br />
Zeit eher auf politische Topoi bzw. Wissenschaftsnachrichten<br />
konzentriert und Netzkultur<br />
außer bei Plichtevents eher vernachlässigt. Unheimlichen<br />
Verschwörungstheorien um den 11. September<br />
wurden dagegen extrem viel Platz eingeräumt. Zuviel<br />
und vor allem zuviel mit antisemitischer Tendenz,<br />
findet Sebastian Lütgert und zeigt gleichzeitig,<br />
dass solche Momente in Telepolis auch früher schon<br />
da waren.<br />
Übrigens: In Sachen Webmagazin tut sich nach der<br />
Diskussion zumindest etwas. Serverplätze wurden<br />
sofort angeboten. Um das Ganze allerdings realistisch<br />
auszubauen, braucht es noch eine Trägerstruktur.<br />
Eine kleine Gruppe von Leuten hat sich gefunden,<br />
Konkreteres scheint sich etwa um art.net/hartware,<br />
Dortmund zu ergeben - aber man soll den Tag ja<br />
nicht vor dem Abend loben. Wir sind gespannt, was<br />
folgt. Übrigens: In Sachen Webmagazin tut sich nach<br />
der Diskussion zumindest etwas. Serverplätze wur-<br />
den sofort angeboten. Um das Ganze allerdings realistisch<br />
auszubauen, braucht es noch eine Trägerstruktur.<br />
Eine kleine Gruppe von Leuten hat sich gefunden,<br />
Konkreteres scheint sich etwa um art.net/hartware,<br />
Dortmund zu ergeben - aber man soll den Tag ja<br />
nicht vor dem Abend loben. Wir sind gespannt, was<br />
da folgt. Jetzt aber folgt erstmal Sebastian Lütgert:<br />
Die Frage, "was am 11. September wirklich geschah",<br />
treibt auch in diesem Herbst wieder Millionen <strong>De</strong>utsche<br />
um. Fernsehmagazine erreichen Rekordquoten, "Sachbücher"<br />
werden zu Bestsellern und auch im Internet<br />
steigen die Zugriffszahlen. Wer dort nach Verschwörungstheorien<br />
sucht, braucht sich nicht bis an obskure<br />
Ränder des Netzes durchzuklicken, sondern wird<br />
bereits mitten im Mainstream fündig.<br />
Besonders viele Treffer in Sachen 9/11 liefert Telepolis,<br />
das vom Heise Verlag betriebene "Magazin der Netzkultur".<br />
In 52 Folgen durfte dort Mathias Bröckers, der seine<br />
Sammlung "unterdrückter Beweise" mittlerweile<br />
vom Zweitausendeins-Verlag unter die Leute bringen<br />
lässt, über die "wahren Hintergründe" der Terroranschläge<br />
spekulieren. Um seine These zu belegen, der 11.<br />
September ginge auf das Konto amerikanischer und israelischer<br />
Geheimdienste, karrte der ehemalige taz-Redakteur<br />
ganze Halden angeblicher "Fakten, Fakten, Fakten"<br />
an: Die Anschläge seien ein "Turmopfer im geopolitischen<br />
Schach" gewesen, geplant von einer "Kosher<br />
Conspiracy" aus "Gestapo Homeland und Stasi Security",<br />
die "Propagandamythen aus dem Führerbunker"<br />
verbreite. "Hail Bush!" sei deren Motto, und: "<strong>De</strong>r Mossad<br />
lässt grüßen!"<br />
Dass sich Telepolis mit einem solchen Feuerwerk antisemitischer<br />
Klischees in die Nachbarschaft noch berühmterer<br />
Knallköpfe katapultiert hat, scheint der Redaktion<br />
mittlerweile zu dämmern. Schließlich behauptet auch<br />
Horst Mahler, das World Trade Center hätten "die Juden"<br />
auf dem Gewissen. Und "weil eine auch nur angenommene<br />
Übereinstimmung mit Horst Mahler jeden<br />
aufrechten <strong>De</strong>utschen ins Zwielicht bringt", so Telepolis,<br />
ist jetzt Vorwärtsverteidigung angesagt gegen jene<br />
"Schlammschlacht", die in den deutschen Medien tobe.<br />
Meinungsfreiheit gelte auch für Mahler und man müsse<br />
sich zumindest fragen, "ob was dran sein könnte an seiner<br />
Theorie, dass da gar kein Flugzeug, sondern vielmehr<br />
ein Marschflugkörper ins WTC gelenkt wurde."<br />
Doch wer sich ernsthaft mit der "Theorie" auseinander<br />
setzen muss, bei den meistwiederholten Bildern des<br />
bestübertragenen Live-Ereignisses der Menschheitsgeschichte<br />
handele es sich um eine Fälschung, wird als<br />
Nächstes die Frage beantworten müssen, ob die Gaskammern<br />
in Auschwitz nicht vielleicht doch bloß<br />
Duschräume waren. <strong>De</strong>nn der einzige Zweck dieser Figur<br />
- "ob was dran sein könnte" an einer offensichtlichen<br />
Lüge - besteht darin, den Verstand der Leute zu untergraben,<br />
im Vertrauen auf die Grundthese der Nazi-Propaganda,<br />
dass das Volk eine große Lüge eher glaubt als<br />
eine kleine. Die von Telepolis wöchentlich neu enthüllte<br />
"WTC Conspiracy" ist nicht bloß der übliche Borderline-<br />
INFO<br />
www.telepolis.de<br />
Journalismus, sondern Holocaustleugnung für Anfänger.<br />
<strong>De</strong>m Ruf des Online-Magazins scheint das nicht zu<br />
schaden. Telepolis ist nicht nur File-Sharing-Partner von<br />
<strong>De</strong>bug, sondern wurde sogar von Konkret als Startportal<br />
für Netzlinke empfohlen. Ehemalige Autoren machen<br />
eine Umbildung der Redaktion für den angeblichen<br />
Kurswechsel verantwortlich. Doch wer glaubt, Telepolis<br />
sei erst kürzlich rechts abgebogen, sollte sich mal im Archiv<br />
umsehen. Was dort schon 1998 aus "postmodernen<br />
Reichskristallnächten", "virtuellen Holocausts" und "Ermächtigungsgesetzen<br />
des Europäischen Rats" zusammengerührt<br />
wurde, gehört zum gequirltesten Dreck, der<br />
je, Seite an Seite mit Texten von Geert Lovink und John<br />
Perry Barlow, als "Netzkultur" beworben wurde.<br />
Da die vermeintliche Netzlinke aber fast nichts im Netz<br />
auch nur querliest, hatte sie mit Telepolis nie ein Problem.<br />
Ohnehin steht die Vita von Bröckers exemplarisch<br />
für den Langen Marsch einer Linken, auf deren Traditionen<br />
ein Großteil des heutigen deutschen Antiamerikanismus<br />
zurückgeht. Dass schon für den Tod von Baader<br />
und Ensslin der Mossad verantwortlich gemacht wurde,<br />
ist kaum noch jemandem in Erinnerung. Und dass die<br />
beiden Anwälte, die Horst Mahler verteidigt haben, als<br />
der noch vom "Sieg im Volkskrieg" der RAF gegen die<br />
USA träumte, heute die Bundesrepublik regieren,<br />
scheint nicht mal Donald Rumsfeld so richtig klar zu<br />
sein.<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –
GOTO<br />
DE:BUG PRESENTS: GOTO<br />
TEXT KAREN KHURANA | KAREN@DE-BUG.DE<br />
MUSIK DIDACTIQUE Zürich, 24. Oktober bis 30. November<br />
"Musik Didactique - Inhalte und Botschaften in elektronischer Popmusik nach Techno" ist Lounge, Ausstellung, Musik-Bibliothek<br />
und Symposium in einem bzw. in drei Teilen: Plastik, Praktik, Plausch. Die Veranstaltungs-Serie verfolgt<br />
die Zeichen einer neuen Zuwendung elektronischer Musik hin zum Geschichten-Erzählen, der Wiederentdeckung<br />
der Live-Show und einer Neuformatierung von Vocal-Einsätzen in elektronischer Popmusik. Anstatt gleich<br />
den "Rückfall in Rockattitüden" auszurufen oder mit "Bewahrt den Techno"-Fahnen durch die Clubs zu ziehen, versucht<br />
Musik Didactique zu einer zeitgemäßen <strong>De</strong>finition der Formate "Inhalt" und "Botschaft" zu finden, zu einer<br />
Art elektronischem Update also. Dazu gibt es im "Plausch" Panels, Künstlergespräche und konzentrierte Vorträge<br />
(etwa zu Copyright, Gender und Clubkultur) mit u.a. Ekkehard Ehlers, Hans Nieswandt und Diedrich Diederichsen;<br />
in der "Praktik" Performances und mitreißende Konzertauftritte von u.a. Chicks on Speed (Photo), Electric Indigo<br />
und Senor Coconut und im dritten Segment, "Plastik", erwartet euch eine Club-Lounge inkl. Lesesaal-Features: ein<br />
Archiv aus Tonträgern, Videos (Musikclips, Dokumentationen, künstlerischen Arbeiten) und Texten (Bücher, Musikzeitschriften,<br />
Theorie). Kopiert das weiter. www.musik-didactique.net<br />
MUSIKPROTOKOLL / STEIRISCHER HERBSTGraz, 19. September bis 30. November<br />
Was prägt die Kunst heute? <strong>De</strong>r Steirische Herbst erkundet die Gegenwart jedes Jahr neu und verstrickt sich in<br />
neue Positionen: Das von <strong>De</strong>bug präsentierte Musikprotokoll versammelt Konzertinstallation, Elektronik und Video<br />
im Medienturm. <strong>De</strong>but- & Uraufführungen (von u.a. Salvatore Sciarrino, George Lopez oder Michael Jarrell) füllen<br />
den Innenraum mit Klang, während der Video- und Photokünster Phill Niblock ein Wasserreinigungssilo in einen<br />
Subwoover umgebaut hat. <strong>De</strong>ssen Frequenzsprünge und Druckwellen werden in Michael Pinters Komposition<br />
Sub/Dc zu Musik. Aber auch ein Blick ins herbstliche Gesamtprogramm lohnt sich: Neben Lynchs "Lost Highway"<br />
als Musiktheater tritt hier Kid606 samt Label-Tigerbeat-Community gegen Kim Cascone an: Soundscape vs Laptop<br />
Punk. Nachschub hier: www.kultur.orf.at/musikprotokoll // www.steirischerbst.at<br />
BACK_UP FESTIVAL Weimar, 30. Oktober bis 02. November<br />
Das "Back_up Festival. Neue Medien im Film" zeichnet mittels Ausschreibung des Backup_Awards erneut Treffpunkte<br />
aus, an denen sich gegenwärtig digitale Technologien mit Film auf der Leinwand zusammenschließen und<br />
so neue Pfade in Ästhetik, Narration oder Produktion entwickeln. Das Festival substituiert dazu die üblichen<br />
Genre-Kategorien und teilt die Filme einfach in Programm-Farben ein: Rot, Grün, Blau (RGB). Nett. Neben dem<br />
Film-Award verleiht das Festival gemeinsam mit <strong>De</strong>bug den gutdotierten Musik-Clip.Award, lädt unter dem Titel<br />
"Testing Truth XOR" ins backup.loungelab und fügt mit dem backup.closeup-Baustein noch Podien und Präsentationen<br />
(etwa zu On-Air-<strong>De</strong>sign, Partnerfestivals) hinzu. Weitere nichtidentische Sicherungskopien (backup.preroll,<br />
backup.club), <strong>De</strong>tails und Updates unter: http://www.backup-festival.de/<br />
ABO<br />
nnement<br />
ALLE DE:BUGS VERGRIFFEN ?<br />
ZU ANSTRENGEND, DE:BUG ZU JAGEN ?<br />
UNSER MONATSANGEBOT:<br />
EIN JAHR DE:BUG MIT CD-PRÄMIE,<br />
SOLANGE DER VORRAT REICHT (merke: zahlungseingang entscheidet)<br />
AESOP ROCK - BAZOOKA TOOTH (DEF JUX)<br />
Wenn Aesop Rock mit seinen gigantischen Lyrics um die Ecke kommt, guckt dein<br />
Poesiealbum dumm. Dreckig, funky und eine Spur daneben schlägt sein zweites<br />
Album bei <strong>De</strong>f Jux in die urbane Kante und bewahrt sich das schmutzige Moment am<br />
Beat.<br />
FABRICE LIG - (RAYGUN)<br />
Kaum einer, der <strong>De</strong>troit so im Geiste und im Herzen trägt wie Fabrice Lig. Und kaum<br />
einer, der das typische florale Melodiezwitschern aus Motorcity so packend umsetzt.<br />
Sein neues Album breitet die Arme weit und vollmundig aus, bis auch der Letzte zu<br />
Fabrice rockend Mad Mike und Co. eine Kerze anzündet.<br />
RHYTHM & SOUND - THE ARTISTS/THE VERSIONS (BURIAL MIX)<br />
Da steigt selbst Jah aus dem Himmel hinab. Rhythm & Sound versammeln ihre<br />
Geniestreiche auf zwei CDs, bei denen einem glatt die Superlativen ausgehen. Jeder<br />
Track ein Gigant. Und das alles jeweils einmal als Instrumental und Vocalversion.<br />
<strong>De</strong>r Hammer. Ja ja.<br />
MATMOS - THE CIVIL WAR (MATADOR)<br />
Sie sind zurück. Die knusprigen Matmos-Beats sind wieder auf so unerklärliche und<br />
trackähnliche Weise zusammengeknuspert, dass am Ende ein Bastard entsteht, der<br />
in seinem Hybrid-Dasein auf lange Zeit unübertroffen dastehen wird! So soll es<br />
sein. Und wir verneigen uns vor so viel Größe.<br />
V.A. - SOUL:UTION (SOUL:R)<br />
Kaum ein Label hat mit einer Hand voll Veröffentlichungen für so viel Wirbel<br />
gesorgt wie Soul:R. Marcus Intalex und seine Mannen rollen die Drum and Bass<br />
Welt von Manchster aus auf. Die erste Mix-Compilation vereint alles, was das<br />
housige Drum and Bass Herz höher schlagen lässt. Um es mit Cleveland Watkiss zu<br />
sagen: "You gotta meditate on this one."<br />
01<br />
02<br />
03<br />
SOUND STUDIES<br />
Berlin, 30. Oktober bis 1. November, jeweils 18-24 Uhr<br />
Vorbereitend zum neuen Aufbau-Studiengang “Sound<br />
Studies” (ab Herbst 2004) findet an der Universität der<br />
Künste an drei Abenden ein gleichnamiges Symposium<br />
Raum, das Möglichkeiten und Wirkungsweisen der<br />
Sound Studies von heute auslotet. Die junge Disziplin<br />
interessiert sich für künstlerische, theoretische und philosophische<br />
Versuche, in Klangumgebungen einzugreifen:<br />
Welche gestalterischen Möglichkeiten bietet das<br />
Verhältnis von Mensch und Klang? Das Symposium<br />
dreht sich dazu schon vorab in diesem Herbst um Fragen<br />
von Identität und Sound, um Spielräume neuer Formate<br />
(etwa von elektronischer Musik) und experimenteller<br />
Sound-Gestaltung (z.B. in Film, Installationen, Computerspielen).<br />
So schließt es mit dem umrissenen Studienfeld<br />
an Arbeitsfelder wie Architektur, Urbanistik, Produkt-<br />
und Corporate <strong>De</strong>sign an, ohne politische Agitation<br />
und das tägliche Leben auszuschließen. Und was<br />
hörst du gerade?<br />
soundXchange@udk-berlin.de (formlos anmelden)<br />
http://www.soundxchange.net<br />
MEDIA-SPACE 03<br />
Stuttgart, 10. bis 12. Oktober<br />
<strong>De</strong>r Media Space 03 von Wand5 (Stuttgarter Filmwinter)<br />
forscht nach Dreieckskonstellationen zwischen Architektur,<br />
Pop Culture und Maschinen/Körper. Dazu gibt es<br />
drei Tage Präsentationen, Filmvorführungen und Panels<br />
mit Spezialisten und Künstlern aus den verschiedenen<br />
Ecken. Zu Gast sind der Gründer und Chef-<strong>De</strong>signer von<br />
<strong>De</strong>signers Republic Ian Anderson (Platten auflegend<br />
und über Oberfläche und Architektur sprechend), der<br />
Philosoph Andrew Benjamin (Sydney), der Robotikspezialist<br />
Stefan Doepner (f18, Hamburg) sowie der Architekt<br />
Patrik Schumacher (Zaha Hadid Architects, Lon-<br />
DEBUG VERLAGS GMBH, BRUNNENSTRASSE 196, 10119 BERLIN<br />
FON 030 2838 4458 EMAIL: ABO@DE-BUG.DE<br />
DEUTSCHE BANK, BLZ: 10070024, KONTO: 1498922<br />
HIERMIT BESTELLE ICH 12 AUSGABEN DE:BUG<br />
inlands_abonnement<br />
de:<strong>Bug</strong> für ein Jahr zum Preis von 28,- ¤ inkl. Porto und Mwst.<br />
don). Neben Panels zu elektronischer Musik, Kybernetik,<br />
Körper und Umgebung präsentieren sich Bots und Simulationssoftware<br />
einzeln sowie Brezel Göring und Jim<br />
Avignon zusammen und performen im Dreieck.<br />
www.media-space.org<br />
AUTO-NOM<br />
Düsseldorf, 27. September bis 4. Januar<br />
Die Ausstellung “Auto-nom” fokussiert das Automobil -<br />
nicht wie üblich allein als Symbol für Mobilität und Unabhängigkeit,<br />
sondern vor allem als eigenständiges Objekt<br />
mit formalen, strukturellen Eigenschaften, die es in<br />
Kunst und Diskurs freizustellen, anders zusammenzufügen<br />
und zu verformen gilt, um sie als kulturelles Zeichen<br />
lesbar zu machen. Die von Ulrich Lehmann (Victoria &<br />
Albert Museum London) kuratierte Austellung fasst dazu<br />
Arbeiten (Filme, Fotografien, Videos und Autos) von<br />
u.a. Frank Stella, Jenny Holzer, Julien Opie, Wolfgang<br />
Tillmanns zusammen und bildet sie auch noch mal zum<br />
Mitnehmen im Katalog (Hatje Cantz Verlag) ab - gemeinsam<br />
mit einer ersten deutschen Übersetzung von<br />
Roland Barthes Text "Mythologie des Automobils".<br />
http://www.nrw-forum.de<br />
GAMES/KUNST<br />
Dortmund, 11. Oktober bis 30. November<br />
Die Ausstellung "Games. Computerspiele von KünstlerInnen"<br />
versammelt ca. 30 Arbeiten internationaler<br />
Künstler (darunter Space Invader, Jodi, Tillmann Reiff,<br />
Vuk Cosic und Josephine Starrs), die Computerspiele<br />
(Tetris und Co) manipuliert und modifiziert haben, bis<br />
man nur noch auf ihre blanke Logik blickt, ihre Funktionen<br />
versagen oder die Grenze zwischen virtuell und<br />
wirklich sich vervielfältigt und anfängt mitzuspielen.<br />
http://www.hartware-projekte.de<br />
auslands_abonnement<br />
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überweisen,<br />
Verwendungszweck und Namen auf der Überweisung angeben oder als ehrlichen Verrechnungsscheck beilegen.<br />
Akzeptieren: Falls man nicht spätestens 8 Wochen vor dem Abonnementablauf kündigt, wird es sich durch einen funky Automatismus<br />
sehr wohl verlängern.
REVIEWS<br />
37 CDS 40 DEUTSCHLAND 42 CONTINENTAL 44 USA 44 DRUM AND BASS 45 UK<br />
45 HIPHOP 46 DVD 47 BÜCHER 47 NETAUDIO 47 GAMES 48 TERMINE<br />
CD<br />
LFO - SHEATH [WARP]<br />
Schon der Opening-Track “Blown” bläst uns weg, weil Jahre nach dem letzten Lebenszeichen von Mark Bell in seiner LFO-Verkleidung, hier<br />
plötzlich alles wunderbar weich und freundlich schimmert, leicht gleitet und dem LFO-Sounddesign gleich zu Beginn eine Verjüngungskur verabreicht<br />
wird. Herr Bell hat es ja auch schwer. “Frequencies” ist ein Klassiker, der auch vom Nachfolger “Advance” nicht mehr wirklich eingeholt<br />
werden konnte. Wenn von LFO gesprochen wird, reden alle von eben diesem Track oder von “Simon From Sydney”, eher selten von “Tied<br />
Up”. Schon die Maxi-Auskopplung “Freak” hat aber gezeigt wohin die Reise auf dem neuen Album geht. Zurück. Klassisch. Noisy, mit Bassdrums,<br />
die mindestens drei Meter breit sind und zerren, was das Zeug hält. War “Freak” die klare Kampfansage an alle Remixe alter Rave-Hits<br />
und vielleicht von vornherein als zweiter Teil von “We’re Back” geplant, verlässt sich Bell auf “Sheath” auf sein Gefühl für schmirgelnde Grooves,<br />
den Headroom seines Analogpultes und rollt den ganzen rotzigen Punk, der gerade so rumlungert, mit präzise gesetzen Beats von einer<br />
ganz anderen Seite auf. Jedenfalls manchmal, denn natürlich ist das nur die eine Geschichte, denn natürlich hat Bell auch immer noch Gefühl<br />
für diese einzigartigen, plöckrigen Melodieverläufe, die in ihrem früheren Leben bestimmt mal Acid-Sequenzen waren und wie Bienenschwärme<br />
durch die Tracks fluffen. Gen Ende tritt Bell aufs Gas, rettet den Warehouse-Rave in die Jetztzeit und beweist, dass die Euphorie von<br />
damals heute immer noch genauso gilt. Next is the E. www.warprecords.com<br />
THADDI •••••<br />
CD<br />
JAYLIB - CHAMPION SOUND [STONES THROW]<br />
<strong>De</strong>r Herbst ist die optimale Zeit, um stilvoll abzuprollen, weswegen Jaylib diesen Monat einer unser Favoriten ist. Schließlich bekommt man<br />
nicht oft zwei der besten HipHop Produzenten, die beide zugleich auch MCs sind, gemeinsam auf einer Platte zu hören. Jay <strong>De</strong>e ist <strong>De</strong>troiter<br />
und bisher neben seinen Einzelveröffentlichungen durch seine ehemalige Gruppe “Slum Village” und Beats für “ATribe Called Quest” u.v.m.<br />
aufgefallen, während Madlib bei dem Westküstenlabel Stones Throw zuhause ist, dort vor drei Jahren unter seinem Alter Ego Quasimoto, einer<br />
fiktiven Rapfigur mit skuriller Stimme, eine sehr charmante LP gemacht hat, vorher mit Lootpack Klassiker gedroppt und kürzlich eine Art<br />
Remixplatte bei Blue Note rausgebracht hat. <strong>De</strong>finitiv markante und multiaktive Produzenten, die beiden. Hier haben sie einen Track zusammen<br />
produziert, ansonsten jeder acht Beats, auf denen entweder der jeweils andere oder Talib Kweli, Frank’n Dank, Guilty Simpson und Percee<br />
P rappen. Zustande kam Jaylib übrigens, weil Madlib mal eine CD mit Beats von Jay <strong>De</strong>e von DJ J-Rocc bekam und davon so begeistert war,<br />
dass er sie komplett berappt und verlegenheitsmäßig Jaylib genannt hat. Irgendwann wurden von einem Track dieser eigentlich nur spaßeshalber<br />
entstandenen CD bei Stones Throw so 300 Maxis gepresst, wodurch Madlibs Aktion natürlich auch zu Jay <strong>De</strong>e durchdrang, der die Kombination<br />
cool fand und ein gemeinsames Album vorschlug. Gesagt, getan, gerockt. <strong>De</strong>nn tatsächlich ergänzt sich Jay <strong>De</strong>es lässige Druckbass-<br />
Prollart perfekt mit Madlibs feingliedrigem und humorvollem Jazzstyle. Funky, fett und schlicht... Killer. www.stonesthrow.com<br />
CAYND •••••<br />
CD<br />
MATMOS - THE CIVIL WAR [MATADOR]<br />
Auch wenn es sich vielleicht anfangs so anhört, Matmos legen hier keine Geschichststunde zum amerikanischen Bürgerkrieg vor und zeigen<br />
sich trotz des Titels auch nicht kämpferisch oder aggressiv. Es geht wohl eher um die persönlichen Auseinandersetzungen im privaten Miteinander.<br />
Einige angedeutete Referenzen auf die englischen und amerikanischen Bürgerkriege finden sich unüberhörbar hier und da und auch<br />
auf die verdummte Politik ihres gewählten Präsidenten wird zweideutig verwiesen - aber Achtung: dennoch sollte man dringlichst vermeiden,<br />
Matmos als politisch motiviert zu verstehen. Jetzt aber zur Musik: zuallererst muss gesagt werden, dass der opener ‘Regicide’ fast nichts mit<br />
ihrem letzten Album ‘A Chance to Cut’ zu tun hat, sondern viel mehr einer futuristischen Vertonung der Canterbury Tales gleichkommt. Sowieso<br />
poppen übers ganze Album hin die seltsamsten und nie dagewesenen Anachronismen auf, die das Album in kein bekanntes Genre oder<br />
einen begreifbaren Kontext rücken lassen. Und das ist natürlich gut so. Wo sonst gehen Hurdy Gurdy, Kaninchenfell (!),Piano (David Grubbs),<br />
Violine (Bevin Blectum), Modular Syth (KFWhitman) etc. und die knusprigen Matmos-Beats auf so unerklärliche und trackähnliche Weise zusammen,<br />
um am Ende einen Bastard entstehen zu lassen, der in seinem Hybrid-Dasein auf lange Zeit hin unübertroffen dastehen wird? In der<br />
Tat ist ‘The Civil War’ ein wahres Monster mit großem Geist dahinter! www.matadorrecords.com/<br />
ED •••••<br />
NETAUDIO<br />
CD • = NEIN / ••••• = JA<br />
PHILIP COHRAN AND THE ARTISTIC HERITAGE<br />
ENSEMBLE - ON THE BEACH<br />
[AESTUARIUM 01/ HEFTY]<br />
In den 60ern schiffte sich der Free Jazz gerne mal nach<br />
Afrika ein und packte die Kuhglocke unter die kollektiv<br />
erhitzten Überblasungen. Das Art Ensemble of<br />
Chicago oder Archie Shepp waren ganz groß in diesen<br />
psychedelisch bluesigen Groove-Bündelungen der totalen<br />
Freiheit. Auch Philip Cohran und sein 14-köpfiges<br />
Ensemble gehören vorne mit dazu. Auf diesem<br />
Reissue des 67er Albums “On The Beach”, das damals<br />
nur in Kleinstauflage erschienen war, umtänzeln sie<br />
locker zwischen Afroperkussion, Funkrock, Folk und<br />
Wasserballett das goldene Kalb “Freie Improvisation”,<br />
ohne je die Nach-vorne-Dynamik aus dem Visier zu<br />
nehmen. Jamie Hodge startet mit “On the Beach” auf<br />
seinem Aestuarium-Label in eine wahnwitzige Reissue-Reihe,<br />
die als nächstes Singles (!) von Soul/Funk-<br />
Raritäten rausbringen wird. Dürfte ein Geheimtipp<br />
werden.<br />
www.aestuarium.com<br />
JEEP •••••<br />
CHRONOMAD [ALIEN TRANSISTOR / N02]<br />
<strong>De</strong>r tolle Saam Schlamminger, der auch schon auf<br />
dem Lichter-Sountrack von den Notwists mit dabei<br />
war, debütiert hier mit einer E.P., in die man sich sofort<br />
verguckt, so toll und bedacht klickern die Streicher<br />
in “Sard” rein. Ein Killertrack, mit weit weg gezogenen<br />
Megaphon-Ansagen und dieser Trademark-<br />
Percussion. “Sabs” gibt sich dann sehr orientalisch,<br />
klingt aber nur auf den ersten Blick wie ein Tune, der<br />
auch aus dem türkischen Cafe um die Ecke rauswummern<br />
könnte, ist natürlich viel feingliedriger und<br />
protzt mit Tambourin-Tiefe. Vier sehr gelungene<br />
Tracks, die irgendwie einen völlig neuen Horizont aufmachen,<br />
ohne dabei gleich nach MultiKulti-Sponsoring<br />
zu klingen.<br />
www.alientransistor.de<br />
THADDI ••••<br />
JAY HAZE - MUST HAVE BACK [Textone]<br />
Jay Hazes Netlabel ist ja schon in der letzten <strong>De</strong>bug im Interview angekündigt worden. Jetzt hat der Wahlniederländer den Worten Tracks folgen<br />
lassen. Eine erste EP kommt von Rene Breitbarth und ist natürlich exzellent. Noch mehr ans Herz gewachsen ist mir jedoch die EP 02 vom<br />
Contextterrior-Mastermind himself. Die EP legt mit einer Art düsterem, elektronischem HipHop-Track los, nutzt dann im folgenden Track die<br />
Schnittstelle zu Elektro, um das Tempo anzuziehen und Raum zu machen, den dann Track Nummer drei (Lush Lover) mit einer verspielt-verträumten<br />
<strong>De</strong>epness ausfüllt. Weiter geht's mit minimalistisch-experimentellem Dub-Techno für Leute, die bei Dub nicht an Jamaica-Sonne,<br />
sondern an Fabrikhallen oder auch unaufgeräumte Schreibtische denken. New Shoes schließlich zoomt noch mal ganz genau ran, wirft ein<br />
funky Drumbreak ein und lässt die Cubicles dieser Welt zum Dancefloor werden. Großartig. Textone veröffentlicht übrigens alle Releases unter<br />
einer Creative Commons License. Außerdem will das Netlabel seinem Namen alle Ehre machen und tatsächlich neben Musik auch Artikel<br />
und Interviews veröffentlichen. Geplant ist zudem ein Release vom Shitkatapult-bekannten Kero. http://www.textone.org<br />
JANKO •••••<br />
JLIAT - MY COMPUTER<br />
[ALKU / BEGINNING47]<br />
Lecker Ding kommt hier: 39 Tracks tummeln sich auf<br />
knapp 9 Minuten. Zuvor wurden ordentlich .exe files<br />
ins Hörbare konvertiert, um endlich den ganzen Sotz<br />
Digiterror in markanten Häppchen auszuröhren. Wer<br />
unten ist mit farmers, Hecker und Tone, riskiert hier<br />
kein Ohr, aber vielleicht beide.<br />
personal.ilimit.es/principio<br />
ED •••••<br />
THE USER - ABANDON<br />
[ASPHODEL / ASP2016-2]<br />
Oh je, was ein langweiliges Album. Zwar scheint die<br />
location, wo ‘Abadon’ entstand, der Traum vieler Musiker<br />
zu sein (ein altes Getreidesilo, 20 Stockwerke<br />
hoch und eine halbe Meile lang), aber das war’s dann<br />
auch schon. Was The User abliefern, klingt schlichtweg<br />
nach verkorstem Soundcheck eines Thomas Köner,<br />
also nach Musik, die im Grunde jedes Label ablehnen<br />
sollte. Was Asphodel bewegt hat, diese eindimensionalen<br />
Drones trotzdem zu veröffentlichen,<br />
bleibt daher äußerst fraglich.<br />
ED •<br />
V.A. - LET IT ROLL<br />
[BEATMASTER]<br />
Nachdem Let It Rock auf der Berlinale 2003 für Furore<br />
sorgte, machte sich Oldenburg auf, mit Let It Roll<br />
ein Pendant auf die Leinwand und schließlich auch in<br />
die heimischen CD-Player zu bringen. Joe Zanul<br />
brachte hierfür tatsächlich einige der fähigsten Elektroniker<br />
der sympathischen und familiären Großstadt<br />
kurz vor Ostfriesland zusammen. Das alleine verdient<br />
schon einen Orden. <strong>De</strong>r Soundtrack zeigt sich daher<br />
sehr vielseitig. <strong>De</strong>r Techno-Head Svensson trifft auf<br />
die HipHop-Skills von Acetronaut, der Houser Phish<br />
trifft auf einen Moonman-NuJazz-Remix von Insanity<br />
5 und 2Step Marke Michiko auf Drum’n’Bass von Realson<br />
aka Real DJ Real. In der Bandbreite bleibt da kaum<br />
ein Wunsch offen. Die Produktionen können jedoch<br />
nicht durchweg überzeugen. Einiges braucht den Vergleich<br />
mit Berlin - wo ja bekanntlich auch nicht alles<br />
glänzt - aber absolut nicht zu scheuen. Auch wenn der<br />
dann hinkt. Mich überzeugt insbesondere Frank Röseler,<br />
der gleich mit 3 unterschiedlichen Projekten (Tribal-Trance<br />
als Kowloon, Techno als Mikko Eloranta<br />
und Afro-Percussion-House als Paul Fernandez) vertreten<br />
ist. www.beatmaster.tv<br />
M.PATH.IQ ••••-••<br />
NURSE WITH WOUND - THE MUSTY ODOUR OF<br />
PIERCED RECTUMS<br />
[BETA-LACTAM RING / MT056]<br />
Nicht umsonst lautet der Untertitel des neuen NWW<br />
Albums ‘A Collection of Obsolete Primitive Variations’,<br />
finden sich doch größtenteils, so scheint es zumindest,<br />
unfertige Fragmente, die der weiteren Ausarbeitung<br />
bedürfen (auch fehlen jegliche Tracktitel).<br />
<strong>De</strong>nnoch macht sich unbedingt von Anfang an diese<br />
typisch-organische und unwirkliche Stimmung breit,<br />
die ein einzigartiges Behagen im Unbehagen hervorrufen<br />
kann und die allein Steve Stapleton kreieren<br />
kann. Fernab aller Gewöhnlichkeit babbeln seltsame<br />
Stimmen in nicht näher auszumachende Klanggebäude,<br />
die allerdings auch ohne Stimme auskommen können<br />
und zu jeder Zeit einem wahnsinnig-windenden<br />
Cut zu Opfer fallen können, um sich nach allen Richtungen<br />
in noch fremderen Hybriden auszubreiten<br />
oder ohne Teilnahme am Verlorenen verstörend weiterwirken.<br />
<strong>De</strong>nnoch handelt es sich bei ‘The Musty<br />
Odour..’ natürlich um eine Wohltat für die Seele.<br />
records.com<br />
ED •••••<br />
BRIQUE ROUGE 4 - THE FELLOWSHIP OF THE BRI-<br />
QUE [BRIQUE ROUGE]<br />
Die vierte der Labelcompilations mit Tracks der Posse<br />
rings um David Duriez, und schon wieder ist das ein<br />
reines Fest für alle, die ihre Housewelt slammend und<br />
dennoch deep funky halten wollen. Massive Monster<br />
für den Dancefloor, der sich schnell mal in reine Physis<br />
verwandeln kann und dabei trotzdem den Soul auf<br />
einen Sockel stellt, von dem ihn keiner mehr runterholen<br />
kann. Mit dabei viele der neuen und kommenden<br />
Releases auf dem Label wie James Flavours “Come<br />
Inside”, der Killertrack “<strong>Bug</strong>gin Da Headphones”,<br />
aber natürlich auch Phil Weeks “Song For Maya” und<br />
Daniel Spencer im Llorca Remix, Cartoons<br />
“Time/Change” oder ein Phonique Remix von Funky<br />
Transport. Ach so, vergesst auf keinen Fall die Webseite<br />
von Briquerouge zu checken, denn dort gibt es<br />
ab dem 15.ten September eine Mixcompilation von<br />
Duriez mit dem Namen “Duriez Downloaded” zum<br />
runterladen. www.briquerouge.com<br />
BLEED •••••<br />
RHYTHM & SOUND - THE VERSIONS<br />
[BURIAL MIX / BMD-3]<br />
Genauso essentiell wie die Versionen mit Vocals sind<br />
bei Rhythm & Sound die B-Seiten, die klassischen Versions.<br />
Einerseits, weil es aus historischer Sicht einfach<br />
so sein soll und muss, andererseits weil man auf diese<br />
Weise noch tiefer in den Klang hineinkrabbbeln kann<br />
und detaillierte Protokolle über die Echoschleifen anfertigen<br />
kann. Erst so ergibt sich das komplette Bild.<br />
Muss man wohl auch kaufen. www.basicchannel.com<br />
THADDI •••••<br />
RHYTHM & SOUND - W/ THE ARTISTS<br />
[BURIAL MIX / BMD-2]<br />
Was um alles in der Welt soll man zu so einer Compilation<br />
sagen. Wo jede einzelne 10” das Gigantischste<br />
der Welt, jeder Release per se ein Meilenstein war und<br />
den Sound von Mark Ernestus und Moritz von Oswald<br />
wieder um ein Vielfaches verfeinerte, auch wenn man<br />
sich immer sich war, dass das eigentlich unmöglich<br />
war und man mit den Platten wochenlang durchs<br />
Zimmer flog, sich in jedes <strong>De</strong>tail vertiefte, in die Bassbins<br />
der Genelecs reinkroch und einfach glücklich<br />
war. Was also um alles in der Welt soll man schreiben.<br />
Außer: Gigantisch, unfassbar, brilliant. Die Zeit steht<br />
still, wenn Cornel Campell, Jennifer Lara, Paul St. Hilaire,<br />
Shalom, The Chosen Brothers, Jah Batta (neu!),<br />
Love Joy und nochmal The Chosen Brothers (auch<br />
neu!) vor dem Mikro stehen und ihre kleinen Universen<br />
an die endlose Tiefe des Sounds von Ernestus und<br />
von Oswald andocken. Alles ist gut, wenn diese CD<br />
läuft. Einfach alles. Ohne Ausnahme. Und das ist<br />
sonst nie so, nein. Pure Magie. www.basicchannel.com<br />
THADDI •••••<br />
MATT FLORES - METAWORLD<br />
[COMBINATION RECORDS]<br />
Man weiss schon bei den ersten Tönen, dass man dieses<br />
Album lieben wird, denn Matt Flores bewegt sich<br />
einfach so sicher zwischen den Stilen, die irgendetwas<br />
mit <strong>De</strong>epness und Breaks zu tun haben, dass man immer<br />
das Gefühl hat, es könnte jetzt einfach nicht<br />
mehr smoother und präziser kicken. Selbst wenn er<br />
Vocals benutzt, und das macht Flores auf dem Album<br />
verdammt gerne, dann bewegt er sich niemals in einer<br />
Idee, sondern immer mitten im Groove, und Grooves<br />
macht er aus Sounds und Breaks, die so frisch klingen,<br />
als würde er mit jedem neuen Track immer erst mal alles<br />
wieder vergessen und sich ganz von vorne dransetzen.<br />
Wenn diese Platte Popmusik ist, und definitiv<br />
ist das Pop, dann eine Art von Pop die durch Jahre von<br />
Cluberfahrung gegangen ist, und sich nicht einmal davon<br />
abwendet. www.combination-rec.de<br />
BLEED •••••<br />
ROOM 207 [CIRQUE]<br />
Wieder mal eine neue Compilation von Yoshihiro<br />
Hanno zusammengestellt, und natürlich ist das dann<br />
auch Geknister bis zum Umfallen. Sehr schön aber<br />
auch und technologisch vielseitig von Sinus-Kuhglocken-Vibe<br />
Minifers über die eigenwillige Barjazz-<br />
Click-Oper von Nobuyasu Sakonda mit dem skurrilsten<br />
Vocoder, den ich bislang gehört habe, über flir-<br />
FAVORITEN<br />
01. B. Fleischmann - Sleep<br />
(Morr Music)<br />
02. Aesop Rock - Bazooka Tooth<br />
(<strong>De</strong>fJux)<br />
03. Jaylib - Champion Sound<br />
(Stones Throw)<br />
04. LFO - Sheath (Warp)<br />
05. I:Cube - 3 (Versatile)<br />
06. Luke Vibert - Synthax / I Love Acid<br />
(Warp)<br />
07. T.Raumschmiere - Radio Blackout<br />
(Novamute)<br />
08. Like A Tim - Draw A Bot (Like 002)<br />
09. Bucci - Dude (WMF Records 018)<br />
10. Matt Flores - Metaworld<br />
(Combination 021 / PP Sales)<br />
11. V.A. - Soul:ution Vol.1 (Soul:R)<br />
12. Twerk - Living Vicariously<br />
(Mille Plateaux)<br />
13. Monolake - Momentum<br />
(Monolake)<br />
14. Kid Koala - Some Of My Best<br />
Friends Are DJs (Ninja Tune)<br />
15. Appear - Bound Club (Freispiel)<br />
16. Lusine ICL - Condensed (Hymen)<br />
17. Monolake - Momentum<br />
(Imbalance Computer Music)<br />
18. Rhythm & Sound - W/ The Artists<br />
(Burial Mix / BMD-2)<br />
19. The Books - The Lemon Of Pink<br />
(Tomlab/032)<br />
20. Spinform (Hobby Industries)<br />
21. Chicken Lips - DJ Kicks (K7)<br />
22. Hanna - Glamorous<br />
(Séparé Records)<br />
23. Nick Holder - The Other Side<br />
(NRK)<br />
24. The Rapture - Echoes (DFA)<br />
25. James DIN A 4 - Leisure World<br />
(Diät)<br />
26. Lowfish (Suction)<br />
27. Matmos - The Civil War<br />
(Matador)<br />
28. Tijuana Mon Amour Broadcasting<br />
Inc (Hobby <strong>De</strong>luxe)<br />
29. Henrik Schwarz - Chicago<br />
(Mood Music 023) 30.<br />
30. V/A - Ocean Club For China (V2)<br />
rend sweet bonbonbunte Kirmes-Loops von Shinsei &<br />
Regressive Audio bis zum strenger konzeptionierten<br />
Carl Stone Track, dem rabiat knatternden Staubfresser<br />
von Hanno selbst, unglaublich schönen Tracks von<br />
Discom und O.Lamm und einem Bonus-Harmonie-<br />
Gezerr von Aoki Takamasa gegen Ende, eine Compilation,<br />
die sich einen Freiraum für ruhige Impressionen<br />
von eher schüchtern vorgetragenem Hightech<br />
schafft, der nicht zwingend grooven muss, aber eben<br />
auch nicht wie ein Experiment klingt.<br />
cirque.cd<br />
BLEED •••••<br />
MATT FLORES - METAWORLD<br />
[COMBINATION]<br />
2Step war einer dieser Hypes, der irgendwie nie so<br />
richtig bei uns ankommen wollten. Damals arbeitete<br />
Matthias Flores noch mit J.Buzz an 2Smart. Gush<br />
Collective war das Zauberwort. Inzwischen ist dieser<br />
Sound zwar fast verstorben wie eine Eintagsfliege,<br />
doch was uns die Düsseldorfer hier zusenden, riecht<br />
nach einer unheimlich inspirierten Reanimation inklusive<br />
Frischzellenkur. Was sich schon durch die beiden<br />
12”s andeutete, bringt Flores nun auch auf Albumlänge.<br />
Diesen Sound umgibt etwas schwer fassbares,<br />
das seine Kraft aus Drum’n’Bass, Reggae, House,<br />
Jungle und aus <strong>De</strong>troit zieht und damit ganze Szenen<br />
en passant näher zusammen rückt in eine warme Metawelt<br />
Breakbeats. Da steuert auch Tyree Cooper gerne<br />
ein paar Vocals bei.<br />
www.combination-rec.de<br />
M.PATH.IQ •••••<br />
V/A - ENNIO MORRICONE REMIXES/VOL.1<br />
[COMPOST]<br />
Was wäre die Welt ohne Morricone. <strong>De</strong>r Mann, der<br />
Filmmusik am Fliessband komponieren kann und<br />
doch im Vergleich zu Kollegen wie Zimmer, etc. für Soundtracks<br />
steht, die man allein als morriconesk bezeichnen<br />
kann. Obwohl manchmal nah am Klas-<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
RECORD STORE • MAIL ORDER • DISTRIBUTION<br />
Paul-Lincke-Ufer 44a • 10999 Berlin<br />
fon +49 -30 -611 301-11 • fax -99<br />
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business hours Mo-Sa 12.00-20.00<br />
Rhythm & Sound w/ Jah Batta:<br />
Music Hit You<br />
Burial Mix 13 (D 10" @ ¤ 8,50)<br />
Rhythm & Sounds meets the leg-<br />
endary Wackies DJ, b/w version<br />
41865<br />
René Löwe & Paul St. Hilaire: Faith<br />
False Tuned 003 (D 12" @ ¤ 8,00)<br />
R.Löwe (aka Vainqueur) & P. St. Hilaire<br />
delievering deepest dub house vibes -<br />
TIP!<br />
41804<br />
Rhythm & Sound: the versions<br />
Burial Mix BMD 3 (D CD @ ¤ 15,00)<br />
Collection of all the instrumental ver-<br />
sions of BMD-2. An essential dub<br />
album!<br />
41896<br />
Various Artists: New Town<br />
Area Industries LP 005 (UK Do LP @ ¤ 17,00)<br />
brilliant compilation between classic<br />
warm detroit techno, electro & IDM<br />
41732<br />
Television Set: Moscow At Midnight<br />
Genetic Music 016 (D LP @ ¤ 12,00)<br />
Skanfrom's latest efforts: more 80s<br />
minimal electronic tracks, more vox<br />
41745<br />
Shake / Soundhack:<br />
Like A Dream / Lay Back<br />
Frictional 014 (US 12" @ ¤ 10,00)<br />
ultra funky & cuted up Sound Hack<br />
rmx; B-side deep & soulful downtempo<br />
track<br />
41409<br />
Erik Travis: Return Of Voices<br />
Data Bass 046 (US 12" @ ¤ 9,00)<br />
fast pumpin' <strong>De</strong>troit electro bass<br />
tracks w/s x-rated vocals<br />
41822<br />
Secret Frequency Crew: Miamy Eyes<br />
Mass Transit 007 (US 12" @ ¤ 9,00)<br />
a/w strong Miami vocoder electro tune<br />
b/w cool Andrea Parker remix<br />
41810<br />
DJ Godfather: Trash Bag Ho<br />
Data Bass 047 (US 12" @ ¤ 9,00)<br />
fast pumpin' <strong>De</strong>troit booty bass tracks<br />
41820<br />
Freeform: Prowl<br />
Warp 073 (UK Do 12" @ ¤ 14,00)<br />
released in 1997, tricky technoid blue<br />
atmospheric pre-IDM electronics - TIP!<br />
12012<br />
Various Artists: Skampler<br />
Skampler (UK CD @ ¤ 15,50)<br />
sampler of that legendary<br />
label,Gescom, Freeform, Jega, Bola,<br />
B.O.C -TIP!<br />
18178<br />
Push Button Objects: A day in a life<br />
Skam 011 (UK 12" @ ¤ 8,50) 26351<br />
Skam 011 CD (UK CD @ ¤ 8,50) 41103<br />
6 deep & smooth instrumental hip<br />
hop tracks - TIP!!!<br />
Dual Purpose: Runfastmaybefaster<br />
30 Mil 002 (UK 12" @ ¤ 10,00)<br />
2nd on a Skam related (?!) label,<br />
excellent raw + noisy electro-esque<br />
tracks<br />
41904<br />
Bogdan Racynski:<br />
I Will Eat Your Children Too<br />
Rephlex 131 (UK 12" @ ¤ 9,00)<br />
absolute mindblowing super fast<br />
drill'n'bass electronics - TIP!!!<br />
41903<br />
Amen Andrews: Vol. 3<br />
Rephlex 140 (UK 12" @ ¤ 9,00)<br />
third strike for Luke Vibert: wicked<br />
oldschool d'n'b cuts w/ reggae vibes<br />
41902<br />
Diese Liste kann nur eine Auswahl aus unserem Angebot sein. Wenn diese Liste vom Drucker kommt,<br />
sind manche Platten vielleicht schon vergriffen und andere wieder neu reingekommen (wir setzen nur<br />
Platten in die Liste, die wir zu dem Zeitpunkt des eintippens auch wirklich am Lager haben!). <strong>De</strong>shalb bei<br />
Bestellung bitte möglichst Ersatztitel angeben. Normalerweise bekommen wir jeden Tag Lieferungen mit<br />
Neuheiten oder Nachbestellungen. Bestellung telefonisch oder schriftlich und bitte die Bestellnummern<br />
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Titeln oder Labels vorkommen). Versand erfolgt per Nachnahme oder Bankeinzug mit Paketpost.<br />
Innerhalb <strong>De</strong>utschland berechnen wir als Versandspesen pauschal: Paketpost standard NN: ¤ 9,74<br />
(dazu kassiert die Post noch ¤ 2,00 NN Gebühr) / Paketpost Bankeinzug: ¤ 5,56 (eine Standardsendung<br />
sollte normalerweise innerhalb 48 Stunden ankommen). Bei einem Rechnungswert über ¤ 150,-<br />
übernehmen wir die Versandkosten für Standardsendung (nur Inland). Expressversand ist gegen<br />
Aufpreis möglich. Wenn eine Lieferung durch Verschulden des Empfängers zurückgeht, müssen wir die<br />
entstandenen Porto- bzw. Rückportokosten berechnen. Großhandelsanfragen sind willkommen.<br />
Nachdruck oder Vervielfältigung dieser Liste (auch auszugsweise) ist nicht erlaubt.<br />
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Rhythm & Sound w/ the artists<br />
Burial Mix BMD 2 (D CD @ ¤ 15,00) 41895<br />
This album showcases the series of heavily Reggae-orientated tunes that was created throughout the<br />
past three years - starting with the landmark King In My Empire w/ Cornel Campbell - and that so far has<br />
only been available on 10" vinyl format. After the previous Burial Mix album Showcase (BMD-1, released<br />
1998), exclusively with vocals by Paul St. Hilaire, the present release features eight tunes, voiced in<br />
Berlin, New York and Jamaica by seven artists, some of them living legends; Cornel Campbell, Paul St.<br />
Hilaire, Shalom, The Chosen Brothers, Love Joy, Jennifer Lara and Jah Batta. Released simultaneously,<br />
The Versions (BMD-3) contains the corresponding instrumental versions b/w Dubs that integrate minimal<br />
structures with Rhythm & Sound's breathtaking athmospheric density. An essential twin-release.<br />
Rhythm & Sound w/ Chosen Brothers: Mash Down Babylon<br />
Burial Mix 12 (D 10" @ ¤ 8,50) 41897<br />
Burial Mix 12 Coloured (D 10" @ ¤ 10,00) 41898<br />
Alternate riddim version of BM-13 with classic Bullwackie lyrics.<br />
CD • = NEIN / ••••• = JA<br />
senkämpfer mit Joan Baez “Heres to you”, die Grenzen des<br />
hörbaren austestend mit “L´Attentat”. Morricone ist der<br />
dickste Fisch, wenn es um die gekonnte Vertonung geht. Le-<br />
gendär seine Zusammenarbeit mit Sergio Leone, mit dem<br />
Wahnsinnsansatz, der immernoch seines gleichen sucht:<br />
Drehbuch und Film entstehen wechselseitig zur Musik. Nun<br />
Remixe und damit der Versuch, Morricone auf den Dance-<br />
floor zu locken. Das Aufgebot ist mächtig, die Stilmittel<br />
reichlich: 4/4 bis Drum and Bass. Das Ergebnis kann sich se-<br />
hen lassen. Wenn man International Pony, Hakan Libdo,<br />
Alex Attias, Raw <strong>De</strong>al, Kabuki, Needs für die erste Ausgabe<br />
des Samplers und im folgenden 2Raumwohnung, Rima und-<br />
soweiterundsofort auf den Römer Ennio los lässt, muss es<br />
einfach funken. Besonders International Pony schiessen<br />
hier die Haarkante ab. So eine lustig groovende 60ties Beat<br />
Version ist die wohl denkwürdigste Überraschung und Ver-<br />
neigung vor dem fast am Fliessband werkelnden Genius. Si-<br />
cherlich kann man das Original nie wirklich mit dem Ergeb-<br />
nis vergleichen, weil Genre und Aura weit auseinander lie-<br />
gen, aber Respekt, es mit dem Don der Filmmusik aufge-<br />
nommen zu haben.<br />
KAM •••••<br />
KOOP - WALTZ FOR KOOP - ALTERNATIVE TAKES<br />
[COMPOST 153-2]<br />
Die gesammelten Remixe für das unglaubliche Waltz For Ko-<br />
op-Album kursieren überwiegend schon eine Weile auf<br />
Vinyl. Zu Nicola Conte, Rima, DJ Patife, Markus Enochson,<br />
Dorfmeister vs. Madrid <strong>De</strong> Los Austrias und Carlito gesellen<br />
sich nun noch 2 Banks Of 4, Hird und D’Malicious. Da hilft<br />
nur andächtiges Schweigen und Lauschen. Selbstläufer für<br />
alle, die irgendwie um die Vinyle rumgekommen sind.<br />
www.k-o-o-p.com<br />
M.PATH.IQ •••••-••••<br />
DO MAKE THEY THINK - WINTER HYMN COUNTRY<br />
HYMN SECRET HYMN [CONSTELLATION / CST025]<br />
Hier hüpft per se schon mal mein Herz, weil Do Make They<br />
Think einfach toll sind und Kanada mal von der anderen Sei-<br />
te beleuchten, wobei ich nicht mal sicher bin, ob sie daher<br />
kommen oder nicht. Ist auch egal, denn im Prinzip träumen<br />
immer alle nur von Chicago, von wilden Tempiwechseln in<br />
der molligen zarten Grundstimmung. Jeder Track birgt<br />
schon genug Ideen für ein separates Album und so ist das<br />
Album eine wilde Achterbahnfahrt der Gitarren. Groß von<br />
der ersten bis zur letzten Sekunde und irgendwie ein Licht-<br />
blick auf Constellation, vor allem, wenn man Godspeed! ein-<br />
fach nicht mehr ertragen kann in ihrem pathetischen Rum-<br />
gesumpfe. Voller wundervoller Überraschungen.<br />
THADDI ••••<br />
FERTILE GROUND - REMIXED<br />
[COUNTERPOINT]<br />
Das Sextett aus Baltimore um die charismatische Sängerin<br />
Navasha Day kann sich nach drei erfolgreichen Indepen-<br />
dent-Alben die Remixer scheinbar aussuchen. Die Ansamm-<br />
lung von Seiji, Ayro, Waiwan, Jazztronik, Blueboy oder Kaidi<br />
Tatham spricht eine deutliche Sprache und zeigt, was Sache<br />
ist. Das Ausgangsmaterial scheint zusätzliche Motivaion ge-<br />
spendet zu haben. <strong>De</strong>m Jazz und Soul wird eine gehörige Pri-<br />
se Leftfield-Dancefloorism eingeimpft. Die großartige<br />
Drum’n’Bass-Version von Waiwan dürfte einigen von Rüt-<br />
tens Tribes 7 Compilation bekannt sein. Ansonsten handelt<br />
es sich aber überwiegend um neues Material, dass leider auf<br />
Vinyl gar nicht erscheinen wird. Schade eigentlich, denn die-<br />
se spirituellen Grooves gehören in jedes eklektrische Set.<br />
www.blackoutstudios.com<br />
M.PATH.IQ •••••<br />
ZOMBIE NATION - ABSORBER<br />
[DEKATHLON]<br />
Zombie Nation, einst Hells großer (vielleicht größter?) Fang<br />
für Gigolo, kennt man ja landläufig unter dem Pseudonym<br />
“die, die Kernkraft 400 gemacht haben”. Fluch oder Segen<br />
des Erfolgs, jedenfalls müssen Zombie Nation heute nicht<br />
mehr groß erklärt werden. Nach “Leichenschmaus” (1999,<br />
Gigolo) nun auf <strong>De</strong>kathlon in ähnlichem Soundkostüm: Von<br />
straight clubtauglich bis Stolperelectro-nisch grüßen 80s<br />
Synthies der Sorten Wave bis Proto-EBM. Die Frage, ob das<br />
nun wirklich innovativ ist, darf augenzwinkernd mal über-<br />
sprungen werden, gefolgt von der Selbstbezichtigung, so-<br />
undmäßig für immer 80s Fan zu bleiben, ohne zum elec-<br />
troclashigem Retro-Plagiat zu verkommen. Und die 80s wa-<br />
ren nun mal musikalisch vielschichtig genug, ihre dunklen<br />
Seiten (die Besucher nicht nur des ehemaligen Zillo-Clubs in<br />
Hamburg werden sich ihrer langen Wehrmachtsledermän-<br />
tel erinnern) warten noch immer auf eine abschließende<br />
Aufarbeitung, die darken Belgier T. Fixmer und Co stehen<br />
schon in den Startlöchern... Also nix wie Schulterpolster<br />
rausgerissen, Kinder- und Klamottendisko ausgestellt, Neon<br />
gegen Kajal getauscht und ab in den Nebel, der so dark gar<br />
nicht zu sein braucht (“Crystal Six”).<br />
SK ••••<br />
ULRICH TROYER - ROSE DE SHIRAZ<br />
[DELUXE RECORDS]<br />
Mit welcher Sicherheit <strong>De</strong>luxe Records immer wieder CDs<br />
rausbringt die so außergewöhnlich und überraschend klin-<br />
gen, ist schon erstaunlich. Klar, das ist wie immer Hitech,<br />
was Uli Troyer (der schon auf Mego releast hat) hier macht,<br />
aber es es auch extrem melodische Musik, und es arrangiert<br />
Field Recordings, sehr eigenwillig spartanische Beats aus<br />
unbekannten Sounds und Einflüsse von verschiedensten<br />
Ländern so gut miteinander, dass jeder der Tracks eine<br />
Oberfläche aus Pop bietet, die er gleichzeitig so perfekt un-<br />
terläuft, dass man es sofort ganz gross findet. Verspielte,<br />
aber nie alberne Tracks die immer extrem viel Raum öffnen<br />
und sich darin austoben wie ein Traum den man sofort nach<br />
dem Aufwachen wieder vergisst, weil die Konnotationen<br />
einfach zu seltsam waren, obwohl alles so greifbar schien.<br />
Sehr, sehr schöne Platte.<br />
www.deluxerecs.com<br />
BLEED •••••<br />
ASMUS TIETCHENS - BIOTOP<br />
[DIE STADT / DS61]<br />
Mag ja sein, dass Tietchens 1980 ganz weit vorne im Anwen-<br />
den neuster Technik war, aber ob dieses getaktete und bas-<br />
slose Moog-Geeiere heute noch in irgendeiner Form taug-<br />
lich sein kann, wage ich stark zu bezweifeln. Viel zu unspan-<br />
nend hallen die 18 Tracks ins leere Niemandsland und ver-<br />
wehen wie Wind um den Mund. Nee, Tietchens’ Sky-Phase<br />
bleibt mir verschlossen, und muß eigentlich auch nicht sein.<br />
<strong>De</strong>nnoch freuen wir uns natürlich schon auf Teil drei der<br />
außergewöhnlichen Rückschau.<br />
stadtmusik.de<br />
ED •-••<br />
ORGANUM - DIE LETZTE MUSIK VOR DEM KRIEG<br />
[DIE STADT / DS70]<br />
Ein wunderbarer Titel für verwundbare sechseinhalb Minu-<br />
ten zweier herausragender Arbeiten David Jackmans am Pi-<br />
ano und am Tibetan Horn. Natürlich klingt neben den In-<br />
strumenten auch unüberhörbar alles Kaputte mit. <strong>De</strong>r<br />
ganze Müll, auf dem sich unsere Kultur seit Jahrhunderten<br />
aufbaut, knartzt bedrohlich hinter jedem Anflug Heimselig-<br />
keit, der immer nur Andeutung bleibt und sich im Wieder-<br />
holgang aufs Neue zu beweisen versucht. Leider fehlge-<br />
schlagen. Oh, welch große Musik!<br />
stadtmusik.de<br />
ED •••••<br />
TRICKY - BACK TO MINE<br />
[DMC / ZOMBA]<br />
Afterhour in Trickys Wohnzimmer? So zumindest dürfte die-<br />
se MixCD gemeint sein. Seit die 90er wieder zum Revival an-<br />
setzen, hauen die einstigen Größen der <strong>De</strong>kade fleißig Plat-<br />
ten, Werkschauen oder sonstige unveröffentlichtes Sachen<br />
raus. In diesem Zusammenhang wundert dieses Release<br />
vom Trip Hop Godfather und Bristol-Hero Tricky nicht wirk-<br />
lich, die Zusammenstellung der Tracks allerdings auch nicht.<br />
Neu auferstanden oder nicht, in entsprechenden Lokalitä-<br />
ten wird Trickys Musik nie gänzlich retro sein, seine Kompi-<br />
lation jedenfalls setzt zum Freestyle-Ritt (Punk, Reggae,<br />
New Wave, Blues etc.) durch die Tricky’sche Plattenkiste an<br />
und schert sich wenig um aktuelle Hypes: einmal tief durch<br />
die Epochen und Styles gewühlt finden sich The Cure und<br />
Chet Baker neben Kate Bush, Eric B & Rakim und Doctor<br />
John neben Morphine wieder. 80er Jugendlieblingstape<br />
meets 90er Latte Macchiato im Mojo-Café (R.I.P.).<br />
SK •••-••••<br />
SOUL GLOW - WE COME ALONG<br />
[DRAFT]<br />
Eine stellenweise etwas überproduziert wirkende Platte<br />
zwischen den Stühlen von <strong>De</strong>ephouse und Broken Beats, die<br />
aber trotzdem irgendwie immer leicht genug dahinfedert<br />
um einen für sich einzunehmen, und das was man als über-<br />
produziert empfinden kann, eben schnell auch in eine Nai-<br />
vität im Umgang mit Fragmenten aus lang ausgedienten Ge-<br />
schichten verwandelt, die dann doch wieder bezaubernd<br />
wirkt. Sehr musikalisch und immer in die Vollen der Strings<br />
und Samples greifend, aber irgendwie wird es trotzdem nie<br />
zu sehr zu Kitsch.<br />
www.soulglow.de<br />
BLEED ••••<br />
BENT - FABRICLIVE 11<br />
[FABRIC]<br />
Bent tummeln sich auf Gemeinplätzen und mixen sich durch<br />
den Environ-Katalog, hat man den Eindruck, zumindest bei<br />
gleich drei Environ-Tracks im ersten Drittel der CD. Metro<br />
Areas “Caught up” oder Morgan Geists “24K” sind zwar nett,<br />
hat man nun schon oft genug gehört. Annies “Greatest Hit”<br />
im letzten Drittel ebenso. Selbst Perlen wie I:Cubes “Tunnel<br />
Vision” oder Giorgio Moroders “From here to Eternity” fal-<br />
len kaum weiter auf, in dieser kuscheligen Umgebung. Kom-<br />
biniert mit unspannendem Mixing führt das dazu, dass ich<br />
mir vorstelle, wie ein Tänzer nach dem anderen auf dem<br />
Bent-Floor im Fabric im Stehen einschläft und in Zeitlupe<br />
vornüber kippt. Und das ist schon eine Leistung, bei in den<br />
Boden eingelassenen Bassboxen. Nicht gerade die stärkste<br />
Folge der Fabriclive-Reihe.<br />
LUDWIG •••<br />
GROOVE GALAXI - BACK ON DECK<br />
[FANTE / AUDIOPHARM / SPV]<br />
Auch ausgedehntes Touring kann Drummer und Samplo-<br />
naut Sönke Düwer und Keyboarder Markus Kuczewski nicht<br />
davon abhalten, auf sicherem Erfolgskurs ihren bereits drit-<br />
ten Longplayer zu veröffentlichen. Und dabei wandern sie<br />
nicht nur selber auf unbetretenen Umlaufpfaden, sondern<br />
haben erstmals eine ganze Truppe von Fachkräften mit ins<br />
All genommen. Dadurch bekommt ihre futuristische Auffas-<br />
sung von elektronischem Live-Jazz weitere Teils ungeahnte<br />
Facetten. Ob nun der Tabla-Breakbeat Nada Brahma, der<br />
Vocal-Drum´n´Bass On My Trip To Myself oder die Jazz-<br />
House-Stücke Silence und Discotheque Brazil, die beiden<br />
Hamburger ruhen sich nicht auf ihrem Status als Mojo-Club-<br />
Hausband aus, sondern entwickeln ihren Sound konsequent<br />
weiter. Zum ersten Mal kommen auch Scratchings und ein<br />
MC zum Einsatz. Unbedingt live checken!<br />
www.groovegalaxi.de<br />
M.PATH.IQ •••••-••••<br />
SIDEWINDER - RESOLUTION<br />
[FENETIK / SOMA]<br />
Alan Bryden ist sicherlich nicht der erste, der sich nach hin-<br />
ten umschaut, um nach vorne zu kommen. Aber er tut das so<br />
resolut, dass es tatsächlich als Lösung von so manch selbst<br />
angewöhntem Zwang der Hörgewohnheiten taugt. Er kom-<br />
biniert analog und digital, Funk und Jazz mit Midtempo-Bro-<br />
kenBeats und zeigt damit gleich die angenehmen Seiten des<br />
Herbsts daheim auf. Seine Erfahrung als professioneller Cel-<br />
list half ihm dabei, dass all die eingespielten Instrumentals<br />
so warm klingen und subtil Zufriedenheit auslösen. Durch<br />
sein Gefühl für das Arrangement trennt er sich endgültig<br />
von der Spreu. Dabei kann er es sich auch leisten, fast ganz<br />
auf Gesang zu verzichten. Allein die 7”-Auskopplung Ego<br />
Riot rockt im Disco-Funk-Format.<br />
www.fenetik.co.uk<br />
M.PATH.IQ •••••<br />
BABY FORD - BASKING IN THE BREAKLIGHTS<br />
[FORCE INC]<br />
Ein Album von Baby Ford, das ausnahmsweise mal nicht so<br />
klingt wie alles, was er immer schon am besten konnte, auch<br />
wenn das immer verdammt funky war. Mr. Ford scheint<br />
zunächst mal irgendwie doch noch Gefallen zu finden an der<br />
digitalen Welt spartanischerer Beats und sehr räumlicher<br />
Grooves, an der Vielseitigkeit verschiedenster Ansätze und<br />
kommt dann plötzlich mit minimalen Funktracks, rollend<br />
deepen Housebreaks, verknarzten Prähiphop-Electrotracks,<br />
schiebenden Akufen Annäherungen oder warmen Minimal-<br />
housesounds. Natürlich finden sich auch hier diese merk-<br />
würdig zusammengewürfelten Stimmfetzen von Baby Ford,<br />
die manche Tracks zu Hits machen, ohne dass man wüsste,<br />
was daran nun eigentlich so ergreifend sein sollte und wer<br />
vermutet, dass Ford jetzt seine <strong>De</strong>epness verloren hat, der<br />
täuscht sich gewaltig. Ein Album das einem seine Neuorien-<br />
tierung einem eher ins Ohr haucht, als damit in plakativen<br />
Samples hausieren zu gehen. Aber das kommt dadurch nicht<br />
weniger an.<br />
www.force-inc.com<br />
BLEED •••••<br />
K-LED - TOMORROW IN THE MORNING<br />
[FORCE INC]<br />
Lange hat man auf eine <strong>De</strong>troit-Platte auf Force Inc warten<br />
müssen, dabei ist das genau der Sound, den man hier per-<br />
fekt zu allen anderen Labeln passend zum Durchbruch brin-<br />
gen könnte. Das “<strong>De</strong>troit City” Intro wäre ein guter Start-<br />
schuss dafür, denn was sonst außer einer Hymne an diese<br />
Stadt hält diese Art souliger Technosounds zusammen. Stel-<br />
lenweise mit einer sehr dunklen analogen Basis, macht sich<br />
K-Led an das Thema, ohne sich dabei zu sehr bei Strings oder<br />
einem eher an dem breitwandigen eposartigen <strong>De</strong>troit-Part<br />
zu bedienen, aber natürlich fehlt auch das nicht. Eine Platte,<br />
die wieder mal bezeugt, dass <strong>De</strong>troit weniger ein Genre ist,<br />
als vielmehr eine Herangehensweise, eine Suche nach Tiefe<br />
und Kicks in einem Sound, der genügend offen lässt, um nie<br />
zu streng zu klingen. Sehr schöne, aber auch durchweg<br />
kickende Platte, die stellenweise sogar richtig heiter klingt,<br />
selbst wenn es mal dichter wird.<br />
www.force-inc.com<br />
BLEED •••••<br />
DIGITAL DISCO - 2<br />
[FORCE TRACKS]<br />
Die neue Compilation der Digital Disco Serie zeigt einiges<br />
von den letzten 12”es des Labels, das sich ja rasant schnell<br />
von einem Minimalhouse- hin zu einem Discolabel ent-<br />
wickelt hat und so die Floors mit einer stampfenderen, aber<br />
ebenso zwingenden Art von Flackergroove aufmischt. Sehr<br />
gerne voller Vocals und überschwenglicher Euphorie,<br />
manchmal eben dabei auch ein wenig zu dreist, aber dann<br />
immer in einem verdammt stylischen Sound, der auf der<br />
Compilation um so klarer wird, da nur die Hits der jeweiligen<br />
12”es drauf sind. Filter, Effekte, Blitzlichter, Neon. Alles da,<br />
alles mit einer Lust an Albernheiten durchgezogen, dass ei-<br />
nem schon manchmal ein wenig schwindelig wird. Und das<br />
einzige, was wir uns fragen ist, wo ist hier eigentlich die<br />
Gungeligung-Posse, die ja irgendwie einer der Vorläufer die-<br />
ses Sound war. Mit dabei: Dub Taylor, Luomo, Hakan, Adju-<br />
ster, Moonbootica, MRI, Unai und auch wieder Ian Pooley.<br />
www.force-tracks.net<br />
BLEED •••••<br />
APPEAR - BOUND CLUB<br />
[FREISPIEL]<br />
<strong>De</strong>utschland hat seinen Mad Professor. <strong>De</strong>r Engländer Mad<br />
Professor hat in den 80ern mit seiner freisinnigen Außen-<br />
sicht auf jamaikanischen Dub die kuriosesten Spielarten<br />
jenseits des <strong>De</strong>nkbaren hervorgezaubert. Und auch Appear<br />
schlängelt sich mit raunziger Stimme durch einen krachigen<br />
Irrgarten aus Dancehall, HipHop, Klezmer, Glitch und MC-<br />
Rollenspiel, den man so nicht für denkbar gehalten hätte.<br />
Ein superfrisches Amalgam, das seine einzelnen Teile or-<br />
dentlich homogen clashen lässt. Ach ja, Appear ist das Solo-<br />
projekt von Seeeds Sänger und Texter ear. Da arbeitet also<br />
jemand an der Schnittstelle zwischen Rappen/Toasten und<br />
Elektronika, die von der anderen Seite auch Pole oder Dani-<br />
el Meteo/Bus angehen. Das führt aber zu stupende anderen<br />
Ergebnissen. Mad Professor eben.<br />
www.freispielmusic.de<br />
JEEP •••••<br />
THIRD FACE - TOPICS IN PRACTICAL SCIENCE<br />
[FULL CYCLE]<br />
Genau, Full Cycle, das Drum and Bass Label, das schon im-<br />
mer mehr sein wollte, macht das jetzt hier endlich wahr und<br />
releast eine CD die eigentlich eher Downtempogrooves mit<br />
einem sicheren Flair für gut spartanische HipHop Grooves,<br />
aber eben auch sehr viel Jazz und Brasilgitarre bringt, und<br />
auch schon mal ambient werden kann oder in den Skits et-<br />
was experimenteller mit Vocals umgehen kann. Manche<br />
Tracks wachsen definitiv über das Genre hinaus und dürften<br />
ihre Freunde auch bei der Broken Beats Posse oder den eher<br />
eklektizistischen Downtempo-Hörern finden. Vielleicht<br />
mag sowas sogar der ein oder andere Westcoast-B-Boy.<br />
BLEED ••••<br />
MIDWEST PRODUCT - WORLD SERIES OF LOVE<br />
[GHOSTLY / GI-16]<br />
<strong>De</strong>finitiv Killer, dieses Midwest Produkt. Auch wenn hier ei-<br />
gentlich mal wieder nur Elektronik mit Akustik gemischt<br />
wird, aber irgendwie passiert das völlig anders und ich stel-<br />
le mir das vor wie eine monumentale Rockband mit minde-<br />
stens zwölf Leuten, die alle an Basssynthesizern stehen und<br />
rocken und auch das AC/DC Schlagzeug im Hintergund<br />
hören und, mal laut mal leise, einfach machen und dabei to-<br />
tal großartig sind. In so einer Kombination habe ich das<br />
noch nie gehört. Wunderbar kraftvoll und leicht zugleich,<br />
sehr plinkernd und motzig dick. So stelle ich mir Technorock<br />
vor, wenn er kein Schimpfwort ist.<br />
www.ghostly.com<br />
THADDI •••••<br />
LITTLE ANNIE & THE LEGALLY JAMMIN<br />
[ITALIC]<br />
<strong>De</strong>finitv mal etwas ganz anderes für Italic, dieses Album von<br />
Kahn, Jendreiko und Little Annie. Und: ihr seid gar nicht<br />
überrascht, das ist No Wave der schwülen Art, in der in den<br />
80ern schon Chanson, Blues, elektronische Beats und viel<br />
Percussion zusammengefunden haben. Bestimmt wird das<br />
Album definitiv von der Sängerin, die sleazy, dirty und leicht<br />
poetrymässig über die dunklen, etwas rotzigen aber eher<br />
slowmotion swingenden Tracks ihren Sprechgesang legt,<br />
den man definiv lieben muss, vielleicht nach ein paar Fla-<br />
schen Wiskey, um mit dieser Platte klarzukommen. Wer von<br />
verräuchteren Bars träumt, in denen die LEDs sich in drin-<br />
gend benötigten Eiswürfen brechen und die Discokugel<br />
dem Ganzen das Gefühl eines viel zu tief ausgeatmeten<br />
Grooves gibt, der wird diese Platte lieben wie eine gute Zi-<br />
garre, und wenn er Blut riechen will von den verlassenen<br />
Strassen New Yorks träumen.<br />
www.italic.de<br />
BLEED ••••<br />
HIGHGRADE COMPILATION VOL1<br />
[HIGHGRADE RECORDS]<br />
Etwas irreführend, da es ja schon mal eine Compilation auf<br />
Vinyl gab, die soweit ich weiß genau so hieß, aber hier nun<br />
die erste Zusammenstellung der Labelgeschichte so far, mit<br />
einer Bonus CD voller Downtempo der gleichen Posse, die<br />
fast nur aus exklusiven Tracks besteht. Clark, Flavour, Bodi-<br />
ne, Soopa-Fi, Dialogue, Interpol und Sven Brede jedenfalls<br />
rocken lässig durch ihr Repertoire, und wenn ihr die 12”es<br />
kennt, dann wisst ihr, dass hier eins der lässigsten Minimal-<br />
houselabel Berlins von Anfang bis Ende in einer solchen Per-<br />
fektion kickt, dass man nichts davon auslassen möchte.<br />
Schön, das jetzt endlich auch mal auf CD zu haben, und die<br />
8 Tracks der Downtempo CD haben auch etwas, auch wenn<br />
man sich stellenweise nicht ganz sicher ist, ob sie als 12”es<br />
ähnlich viel bewegen könnten wie Highgrade sonst. Sollte<br />
man vielleicht eher als Bonbon betrachten.<br />
www.highgrade-records.de<br />
BLEED •••••-••••<br />
TIJUNA MON AMOUR BROADCASTING INC. - SONGS<br />
[HOBBY DELUXE / INDIGO]<br />
Irgendwie eine meiner Lieblingsplatten diese Monat. Die Ti-<br />
juana-Jungs aus Dresden, deren erstes Album bei mir kom-<br />
plett unterging, setzen sich einfach hin und spielen. So stel-<br />
le ich mir das jedenfalls vor. Zwischen tollem, besigem<br />
Schlagzeug, einem immer presenten Rhodes und der<br />
ganzen Bandbreite akustischer Instrumente, die man sich so<br />
vorstellen kann, wird man hier sofort gefesselt von Tracks,<br />
die ihre merkwürdig anmutende Darkness nur dazu benut-<br />
zen, einen ganz woanders hinzustuppsen, die ihre Spookin-<br />
ess immer wieder aufbrechen zum Durchlüften, kurz die<br />
Sonne reinlassen, um sich dann wieder im Kreis zu drehen,<br />
bis einem so schwindelig ist, dass man nicht mehr kann. Die-<br />
se Wüste würde ich gerne mal besuchen. Sechszehn wun-<br />
dervoll inszenierte Kamerafahrten, unbedint checken!<br />
THADDI •••••<br />
JAMES HARDWAY - BIG CASINO<br />
[HYDROGEN DUKEBOX 126CD]<br />
James Hardway will wohl auf Gummigliedern im Zoot-Suite<br />
durch sein Casino eiern. Er kann noch so housig werden -<br />
und das will er auf diesem Album -, immer gerät ihm ein Wal-<br />
king Bass und irgendwelches moody Getröte dazwischen.<br />
Muss der seine musizierenden Verwandten beschäftigen?<br />
Nicht, dass er keine flotten Grooves bis zu Breakbeats hin-<br />
kriegen würde, aber immer klingt es, als hätte er durchhän-<br />
gende Downtempo-Tracks in den Zeitraffer gesteckt. Viel-<br />
leicht der Matt Bianco des Techno-Zeitalters?<br />
JEEP •••<br />
NEUTRAL - CALLER ID<br />
[HYMEN / 733]<br />
Tut mir leid, ich bin nicht informiert. Nicole Elmer sagt mir<br />
gar nichts, aber offenbar hat sie schon diverse Platten ver-<br />
öffentlicht und “Caller ID” scheint eine Sammlung von Re-<br />
mixen zu sein, aufgefüllt mir ein paar neuen Stücken, und ist<br />
stilistisch ungefähr so breit wie alle Freeways nebeneinan-<br />
der. Wenn Yingu Hill remixen, ist alles sehr scharf und ab-<br />
rupt, wenn Solenoid mixt, dann sieht die Sasche schon wie-<br />
der ganz anderd aus. Wir vermuten auch, Nicole Elmer singt<br />
und treibt sich eher im experimentelle Umfeld rum und<br />
dann ist so eine Compilation hier natürlich der perfekte Ein-<br />
stieg. Von sweet bis harsch über dark findet man hier alle.<br />
Mal die Artist Releases checken. Und noch zur Vervollstän-<br />
digung: Es remixen PAL, Solenoid, Xingu Hill, Gridlock Chan-<br />
geo Feo.<br />
THADDI •••-••••<br />
LUSINE ICL - CONDENSED<br />
[HYMEN / 734]<br />
Das war ja wohl überfällig. Lusine kompiliert sich durch sein<br />
Werk und weil wir uns an absolut keinen schlechten Track<br />
des Meisters erinnern können, kann hier auch nichts schief-<br />
gehen. Um die frische Chaos E.P auf Mental Industries her-<br />
um gibt es hier Tracks, die es bislang nur auf Vinyl gab oder<br />
auf Compilations zu finden waren, konkret auf Zeal, <strong>De</strong>lika-<br />
tessen, Awkward Silence, !K7, U-Cover, Tigerbeat 6 und ei-<br />
ner früheren Mental Industries, aufgefüllt mit einem bislang<br />
unveröffentlichten Stück. Wir hatten das fast vergessen.<br />
Dass Lusine in seiner Anfangsphase gar nicht nur so weich<br />
und tief sein konnte, sondern die Beats viel mehr in den Vor-<br />
dergrund mixte und alles irgendwie viel härter und vor allem<br />
schärfer war und erst im Breakdown die Fläche droppte. Je-<br />
denfalls manchmal. Tracks wie “Vacate” erzählen da schon<br />
wieder eine ganz andere Geschichte. One for the iPod. Und<br />
für jede Sekunde des Musikhörens. Riesengroß!<br />
THADDI •••••<br />
MONOLAKE - MOMENTUM<br />
[IMBALANCE COMPUTER MUSIC]<br />
Monolake, dass wisst ihr bestimmt, hat ja schon immer eine<br />
Art von dubbig bis fraktalem Sound gepflegt, der einem die<br />
Ohren öffnen konnte für eine unbekannte Dichte von So-<br />
und. Reste davon findet man auch noch auf dem neuen Al-<br />
bum, aber “Momentum” klingt gegen andere Tracks von<br />
Robert Henke erstaunlich aufgeräumt. Stellenweise mit<br />
Harddiscschreddern versehen, wollen die Beats hier auf ein-<br />
mal kicken wie ein Raggamonster, die Sounds wirken kon-<br />
kreter arrangiert als zuvor, dürfen auch schon mal als Hoo-<br />
kline fungieren und trotzdem findet Henke dazwischen im-<br />
mer noch Zeit seine Grooves so zu verknoten, dass auch die<br />
Liebhaber endloser Effektreihen nach dem Hören erst mal<br />
an der Oberfläche der CD schnuppern werden, ob das auch<br />
alles seine Richtigkeit hat. Gegen Ende werden die Tracks<br />
von “Momentum” dann immer dunkler und finden auch<br />
noch zu Techno zurück.<br />
www.monolake.de<br />
BLEED •••••<br />
VOLKER MEITZ - VERTIKAL<br />
[INFRACOM]<br />
Volker Meitz gehört ganz gewiss zu den Produzenten und<br />
Musikern, die jeden Studenten hinter seiner Sammlung<br />
selbstgebrannter Alternativ-Scheiben hervorlocken kön-<br />
nen. <strong>De</strong>r Gute öffnet Ohren und lockert Hüften bei jenen,<br />
für die House abseits von Daft Punk unbekannt und Down-<br />
beat jenseits von K&D ein Rätsel ist. Sicher ist das ein Er-<br />
gebnis seines Ansatzes, die Musik, die er produziert, stets<br />
mit seiner achtköpfigen Combo live umsetzen zu können.<br />
Diesen Weg verfolgt er mit seinem <strong>De</strong>büt “Vertikal” konse-<br />
quent. Das auch führte dazu, statt beim beheimateten So-<br />
nar Kollektiv zu veröffentlichen, die Infracom-Live-Offensi-<br />
ve maßgeblich mitzugestalten. Die “Vertikal”-Songs pen-<br />
deln zwischen bekannten wie “Can You Live”, “Get On Up”<br />
sowie “Africa” und Neuigkeiten, die für schnucklige Überra-<br />
schungen sorgen.<br />
KAM •••••<br />
CHICKEN LIPS - DJ KICKS<br />
[!K7]<br />
Diese CD ist so gut kopiergeschützt, dass wie sie leider auf<br />
drei Geräten nicht abspielen konnten, dabei hatten wir uns<br />
so auf ein Chicken Lips DJ Set gefreut.<br />
www.K7.com<br />
BLEED<br />
HECQ - A DRIED YOUTH<br />
[KALEIDOSKOP / KAL003Y]<br />
Ein Neueinsteiger. Benny Boysen, sag mal, warum hast du<br />
nicht schon früher angefangen Musik zu machen? “A Dried<br />
Youth” ist in der Tat trocken, die Beats sind sehr präzise ge-<br />
setzt und voller Klarheit auf der Suche nach dem perfekt mi-<br />
nimalen Groove, finden Menschen wie Lusine bestimmt<br />
großartig und hören abends immer heimlich noch mal ge-<br />
nau hin. Überhaupt findet hier jemand Lusine bestimmt<br />
ganz große Klasse, die tiefen, stehenden Flächen strahlen<br />
auf jeden Fall eine ähnliche Heiligkeit aus, auch und viel-<br />
leicht vor allem wenn das Tempo auf Tracks wie “Numb<br />
Woods” angezogen wird. Mit verführerischem Hall und aus-<br />
gebremsten RestHop, einem untrüglichen Gefühl für weite<br />
Dubs und molligen Flächen kann bei Hecq eigentlich auch in<br />
der Zukunft nichts schiefgehen.<br />
THADDI •••-••••<br />
HEIKO LAUX PRESENTS - OFFSHORE FUNK<br />
[KANZLERAMT/099]<br />
Ein Projekt von Heiko Laux und dem Studionachbarn und Ja-<br />
zzmusiker Teo Schulte, das sehr funky ist, wie ihr euch den-<br />
ken könnt, und vor Maracas und sonstiger Percussion nur so<br />
strotzt, das böse Breaks kennt, rotzige Basslines, grade Bas-<br />
sdrums, discoid kickendes Schlagzeug und schillernde Se-<br />
quenzen, aber trotzdem definitiv nicht so klingt als wollte<br />
Laux jetzt doch mal Downtempo machen, sondern eher die-<br />
ses Herumspielen mit soviel altbekanntem Material im So-<br />
und geniesst und je nach Laune eine Idee so lange weiter-<br />
verfolgt, bis man sich auf etwas eingegroovt hat das nicht<br />
sagt: schau mal, hier spielt die Band; sondern: pass auf, hier<br />
kommt ein Studio mit allem was es kann. Von sehr offensi-<br />
ven Latintracks über Tejada ähnliche <strong>De</strong>troittracks (nur in<br />
einem ganz anderen Sounddesign) bis hin zum Technomon-<br />
sterfunk. Ein Album, das so floorsicher wie angejazzt ist und<br />
nur ab und an mal eine Trompete zuviel auf die Festplatte<br />
gejagt hat.<br />
BLEED •••••-••••<br />
CHICKS ON SPEED - 99CENTS<br />
[LABELS]<br />
Jetzt machen auch die Chicks ernst und bringen eine richti-<br />
ge Popplatte raus. Bislang waren sie ja dann doch oft eher<br />
etwas spröde und verknautscht, obwohl sie definitiv an der<br />
Electroclash Welle mit ihren ersten Singles nicht unschuldig<br />
waren, hatten sie immer noch soviel Noise dazwischen, dass<br />
es für die Charts nicht gereicht hätte, hier aber sind sie stel-<br />
lenweise nicht weit davon entfernt eine Mischung aus<br />
50Cent und dem Ketchupsong zusammenzufusseln, oder<br />
die Glamrockphase von Brittney Spears übertreffen zu wol-<br />
len. Sogar ein Braziltrack ist dabei. Tja, wir sind sicher, dass<br />
wir die Chicks von nun ab eher im Fernsehen treffen werden<br />
als auf Ausstellungen, aber irgendwie mag ich das trotzdem<br />
meist.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
MUGISON - LONELY MOUNTAIN<br />
[LIFELIKE]<br />
Auf Lifelike lässt Herbert weiter seine Vorliebe für Singer-<br />
songwritergenerationen der Zukunft aus, und hat mit Mugi-<br />
son aus Island einen perfekten Kandidaten gefunden, denn<br />
ihm ist egal ob er nun eine One Man Studiorockband ist, ein<br />
Elektronika-Schnupftuch, ein sleazy Soulmonster oder eher<br />
jemand, der im Bett mit seiner Freundin herumtuschelt. Das<br />
hat alles Platz und wirkt alles zusammen, lässt Träume aus<br />
40 Jahren Popmusik aufmarschieren wie Schosshündchen<br />
mit Aufziehschlüssel, steckt jedem brav ein Stück Papier in<br />
den Mund und wirbelt los um jedem Traum von Ehrlichkeit<br />
gegenüber Popmusik gute Nacht zu sagen. Stellenweise<br />
klingelig im Sound wie ein Xylophon aus Schneeflocken,<br />
manchmal aber auch eher vollgedröhnt mit Rock eines Eis-<br />
brechers der auf Kerosin läuft.<br />
www.mugison.com<br />
BLEED •••••<br />
THE LITHIUM PROJECT - MANY WORLDS THEORY<br />
[HYDROGEN DUKEBOX 125CD]<br />
Ist das die Chance für Downtempo-Engländer? So schleimig<br />
elegant zu klingen wie Air? Das Lithium Project heuert mit<br />
Lenor-gewaschenen Engtanz-Schmonzetten auf umgebau-<br />
ten Krabbenkuttern an, die mühsam auf Luxusliner mimen.<br />
Eine echte Karfreitags-Platte.<br />
JEEP ••<br />
DANIEL BELL - BLIP, BLURP, BLEEP THE MUSIC OF DA-<br />
NIEL BELL<br />
[LOGISTIC]<br />
Machen wir es kurz: Das hier ist eine Sammlung seiner ganz<br />
frühen Tracks auf Accidential (oder dem was hinterher auf<br />
Klang noch erschienen ist und anderen Labeln), von denen<br />
allerdings längst nicht alle drauf sind und manche aus ir-<br />
gendeinem Grund verrauschter klingen, als die auf den<br />
12”es, vielleicht bilde ich mir das aber nur ein. Was ein wenig<br />
trist ist, denn seine Tracks dieser Zeit leben ja gerade davon,<br />
dass sie so spartanische unglaublich minimale Monster<br />
sind, die einem die Lücken in den Tracks um die Ohren hau-<br />
en mit einer Intensitiät, der wir definitiv zu großen Teilen<br />
das zu verdanken haben, was wir heute unter Minimal ver-<br />
stehen. Wer die 12”es nicht wie ich und ein paar andere vor-<br />
sorglich Stück für Stück gesammelt hat und in einem kleinen<br />
Schrein aufbewahrt, der wird diese Platte definitiv brau-<br />
chen.<br />
www.logistic.com<br />
BLEED •••••<br />
V/A - MERCK MIX 2<br />
[MERCK]<br />
Wieder mal unschlagbar. Schon die zweite NicePrice MixCD<br />
in Folge, die den gesamten Merck-Katalog grandios durch-<br />
einanderwürfelt und Hit nach Hit droppt. Machinedrum,<br />
Kristuit Salu, Esem, Brothomstates, Blamstrain, Ikae, Syn-<br />
drone, Lackluster, Adam Johnson, Proem usw mussten<br />
wahrscheinlich in ihren Verträgen krassen Pitch-Unter-<br />
schieden zustimmen in solchen Mixen. Zum Glück. Ben Cor-<br />
mier und Dan Hartell mixen was das Zeug hält und ich<br />
schnuppere schon ein neues Genre. Elektronika-Mixe für<br />
den Dancefloor. Das gehört zum Allerbesten zur Zeit. Killer.<br />
www.m3rck.net<br />
THADDI •••••<br />
SECEDE - BYEBYEGRIDLOCKTRAFFIC<br />
[MERCK / 017]<br />
Wieder ein ganzer Stapel neuer Merck-Releases diesen Mo-<br />
nat, naja, immerhin drei. Los geht es mit Secede, der ganz<br />
vorsichtig seine Geschichten in kleine ambiente Gewänder<br />
hüllt, den Hall selbstverständlich immer voll aufdreht und<br />
zwischen Pianofiguren und weichen Sounds mit unfassbar<br />
langer Einschwingphase nach dem richtigen Beat sucht.<br />
Zwischendrin hört man allerhand Merkwürdiges, bevor die<br />
berghohen Flächen in den unglaublichsten Euohoriesounds<br />
alles zudecken. Irgendwie sehr oldschoolig und schön und<br />
vor allem beruhigend, dass es sowas noch geben kann heut-<br />
zutage.<br />
www.m3rck.net<br />
THADDI ••••<br />
MIASMAI<br />
[MERCK / 018]<br />
Ungewöhnlich für Merck: Miasmai kann zwar sehr Merck-<br />
mäßigen HipHop cutten, fühlt sich aber, mutmaßen wir fre-<br />
cherweise, in seichteren Gefilden viel, viel wohler. Das ist<br />
stellenweise ganz bezaubernd, oft aber einfach nicht genug.<br />
So ist das mit Miasmai.<br />
THADDI •••<br />
TILMAN EHRHORN - TASK<br />
[MILLE PLATEAUX]<br />
Microjazz von einem Saxophonisten, der aber nun gar nicht<br />
so klingt, als wäre hier jemand mal eben von einem ins an-<br />
dere Genre geflüchtet, sondern so verdammt verclickert<br />
und deep dabei, dass man jeden einzelnen Sound genießt.<br />
Wer nicht mehr weiß, wohin Clicks & Cuts eigentlich führen<br />
sollte, der dürfte mit dieser Platte seinen Glauben zurück-<br />
gewonnen haben, noch ehe das erste Stück vorbei ist. Groo-<br />
ves aus dem allseits beliebten und immer neue Varianten<br />
entdeckenden Knistern, Kratzen, Knacksen, dazu sehr gut<br />
herumgeisternde freie Akkorde und eine Auswahl an Sam-<br />
ples in Bruchstücken, die jedem Track eine Art von Ge-<br />
schmack verleiht, den man fast anfassen kann. Ich kenne<br />
nicht viele Jazzmusiker, die den Sprung in die Elektronik so<br />
gnadenlos perfekt hinbekommen haben, dass sie fähig<br />
wären eine Platte zu machen, die sowohl Raster Noton wie
CD • = NEIN / ••••• = JA<br />
auch Intr_Vision staunen lassen dürfte. Gross.<br />
www.mille-plateaux.com<br />
BLEED •••••<br />
TWERK - LIVING VICARIOUSLY THROUGH<br />
BURNT BREAD [MILLE PLATEAUX]<br />
Irgendwie ist Mille Plateaux auf einem neuen Plateaux<br />
gelandet. Release nach Release nur brilliante<br />
Platten. Die Neue von Twerk ist so deep und schön, so<br />
warm und zeitlos, dass man jeden einzelnen der<br />
Tracks hört wie einen großen Schluck Honig, der nicht<br />
klebt. Clicks & Cuts ist ein Genre, das sich heimlich<br />
weiterentwickelt und immer eigener und vertiefter<br />
wird, ohne dabei irgendwie auch nur den Hauch eines<br />
nervigen Frickeltums anzunehmen. Sehr harmonisch,<br />
aber dennoch verdammt klar und knisternd, erinnert<br />
diese Platte ein wenig an Dan Abrahams oder Electric<br />
Birds und schafft es sowohl in den sehr ruhigen Passagen,<br />
wie auch wenn es funkiger wird, einfach immer<br />
majestätisch zu wirken. Eine fraktale Hymne an die digitale<br />
Tiefe.<br />
www.mille-plateaux.com<br />
BLEED •••••<br />
PARSLEY SOUND - PARSLEY SOUNDS<br />
[MO WAX]<br />
Das beste an dieser Psychedelika-Truppe ist eigentlich,<br />
dass ihre Sounds immer so angerauscht klingen,<br />
ist ja leider kein Muss. Preston Mead und Danny Sargasse<br />
lassen es jedenfalls im besten 70erfolk meets<br />
Lofipop und Schrammelgitarre und -Spinett Stil<br />
rocken, so als wäre das Träumen von bengalischen<br />
Teppichen und blubbernden Lavalampen eigentlich<br />
nie ausgestorben, und warum auch, gibt ja schließlich<br />
Speichermedien. Etwas für die Zuckergussliebhaber<br />
unter euch, die schon mal Sonntagsnachmittags auf<br />
dem Bett sitzen und sich denken, hey, weisst du was,<br />
ich häkle mir heute eine Überzugdecke mit voll bunten<br />
blumigen Mustern. Sweet und ein wenig selbstverloren.<br />
BLEED ••••<br />
V/A - FEEDBACK TO THE FUTURE<br />
[MOBILÉ / MOBCD03]<br />
Die neue Mobilé widmet sich dem guten, alten Shoegazing,<br />
weil, einerseits ist das eh mal fällig und zweitens<br />
zeitlos, drittens knorke und viertens killer. Neben<br />
den Helden Ride und Slowdive, Pale Saints, Lush und<br />
Adorable, finden sich auf der CD auch Tracks, die damals<br />
in <strong>De</strong>utschland schon eher untergingen: Moose<br />
zum Beispiel, oder auch Revolver. 1990-1992 wird hier<br />
als zeitlicher Rahmen gesteckt und mir geht das Herz<br />
auf. Ohne Slowdive und Plae Saints könnte ich heute<br />
noch genauso wenig leben wie damals und, ähem, die<br />
großartigen Telescopes zum Beispiel hatte ich<br />
schlicht vergessen. Große, unglaublich wichtige<br />
Tracks. Ende. Und wenn man sich überleggt, dass ein<br />
Großteil der Rechte an diesen Tracks bei irgendwelchen<br />
Majors vergammeln, die ganzen Alben nicht<br />
mehr wirklich erhältlich sind, wird einem erst bewusst,<br />
wie wichtig so eine Compilation hier ist. Und dass<br />
es auch die einzige bleiben wird für eine lange Zeit.<br />
Please appreciate.<br />
THADDI •••••<br />
MONOLAKE - MOMENTUM<br />
[MONOLAKE / IMBALANCE COMPUTER MUSIC]<br />
Schier unglaublich gutes neues Album von Monolake,<br />
aber das war nach der 12” neulich ja eigentlich schon<br />
klar. Straighter geht es auf Momentum zu, eher so,<br />
wie man Robert Henke von seinen zahlreichen Konzerten<br />
kennt, bei denen der Beat immer weiter in den<br />
Vordergrund rückt und einfach alles klar macht. Vollgestopft<br />
mit mächtigen Bassdrums und den wahnwitzigsten<br />
Modulationen, immer mit einem Auge auf der<br />
Hallfahne, die allen Tracks eine unwirkliche Tiefe verleihen,<br />
ist Momentum ein knalliger Angriff auf die<br />
langweiligen Dancefloors dieser Welt. Monolake<br />
dürfte mittlerweile beim Patentamt kein Unbekannter<br />
mehr sein, so viele Trademarks schleppt er mittlerweile<br />
mit sich rum, die auf Momentum noch weiter<br />
verfeinert werden, auch wenn das eigentlich kaum<br />
noch möglich scheint. Hin- und hergerissen zwischen<br />
einer immer präsenten Darkness und einer Wahnsinnskälte,<br />
abstrahiert Robert Henke den Groove und<br />
lässt den Kopf klackern. Diese verwobenen Elemente<br />
aus sehr gradeaus gedachten Beats, die aber nur deshalb<br />
so straight sind, weil sie durch Milliarden fein<br />
granulierter Irritationen so mechanisch funken, und<br />
dem ständigen Kampf zwischen trockenem Stomp<br />
und weiter Atmosphäre, macht Monolakes Faszination<br />
aus. Ein distanzierter, kalter Traum, der dennoch<br />
warm und vertraut schimmert. Großartig.<br />
www.monolake.de<br />
THADDI •••••<br />
TIED & TICKLED TRIO - OBSERVING SYSTEMS<br />
[MORR]<br />
Jaussa, der Boden ist noch fruchtbar, auf dem sich von<br />
Taj Mahal bis Carla Bley das eiernde Hippie-Kollektiv<br />
in sauwohler Groove-Improvisation verjazzte. Das<br />
Weilheimer Kern-Trio ist diesmal zur Big Band angeschwollen,<br />
die einen unverkrampft bauchigen Nachmittags-Jazz<br />
um schiefe Achsen, verkurvte Rhythmen<br />
und dickwangige Bläser strickt. Unsperriger und gastfreundlicher<br />
kann der Treffpunkt von Kollektivimprovisation<br />
und Elektronika nicht anvisiert werden. Space<br />
is the Place? Die Landkommune is the Place.<br />
JEEP ••••-•••••<br />
ERYKAH BADU - WORLD WIDE UNDERGROUND<br />
[MOTOWN]<br />
Entweder man hasst Erykah Badu, weil sie so ethnomäßig<br />
und angeplinkert für reichen und sauberen<br />
Soul steht, inzwischen schon viel zu oft an den<br />
falschen Plätzen zu hören war und man sie latent mit<br />
anstrengenden Pseudo-Consciousness-Bräuten assoziiert.<br />
Oder man liebt sie, weil sie so eine weiche Stimme<br />
hat, immer die Flagge für die Liebe hochhält, einen<br />
unverkennbaren Stil hat und ein bisschen kosmisch<br />
angehauchten Optimismus verbreitet, gerne auch<br />
mal in HipHop Stücken. Womit wir direkt beim besten<br />
Stück dieser CD wären, einem funky Remix von “Love<br />
of My Life” mit Bahamadia, Queen Latifah und Angie<br />
Stone, extrem poppig und dabei sehr gut. Die anderen<br />
Stücke sind halt so wie erwartet, sphärisch, clean und<br />
mit zwischen der Produktion schwebendem lieblichem<br />
Gesang. Zeitgemäßer Retro-Soul.<br />
CAYND ••••<br />
KID KOALA - SOME OF MY BEST FRIENDS ARE DJS<br />
[NINJA TUNE]<br />
Insbesondere wegen seiner Nebenaktivität als Comic-<br />
bzw. Figurenzeichner ist Kid Koala der sweeteste<br />
DJ der Welt. Kürzlich erschien seine gezeichnete melancholische<br />
Liebesgeschichte “Nufonia Must Fall”<br />
und seitdem hat er natürlich nicht untätig in seinem<br />
kanadischen Heim herumgesessen und Däumchen<br />
gedreht, sondern Fader geschüttelt, Jazz ausgebuddelt<br />
und alles so zusammen gestellt, dass daraus eine<br />
höchst niedliche neue Platte entstanden ist. Schließlich<br />
ist Kid Koala einer der wenigen DJs, die nur weil<br />
sie scratchen etc. können, nicht ständig daran erinnern<br />
müssen, dass es HipHop gibt. Im Gegenteil, hier<br />
geht der Groove und eine Menge analoge und dadurch<br />
sehr weiche Sounds mit einer ruhigen Perspektive<br />
Hand in Hand, und um sowas wie Jazz zu sein, ist<br />
es zu komplex und flowig zugleich. Zwischen fidelen<br />
Instrumenten erfährt man beispielsweise, wie Koalas<br />
so miteinander umgehen, warum Hifi-Fans immer<br />
barfuß auf dem Boden sitzen und ähnliches, hört sich<br />
alles sehr lebendig und real an. Sehr nette Platte.<br />
www.kidkoala.com<br />
CAYND •••••<br />
HOMELIFE - FLYING WONDERS EP<br />
[NINJA TUNE / ZOMBA]<br />
Als exzentrisch werden Homelife gerne bezeichnet.<br />
So exzentrisch gar, dass sie in dieser Disziplin alle anderen<br />
Ninjas glatt ausboten. Und das will einiges<br />
heißen. Anders als andere klingt das Kollektiv, von<br />
dem 12 für diese EP ins Studio gingen, immer. Dabei<br />
entstanden 2 weitere 4. Welt-Songs, die näher zu beschreiben<br />
zu einer Farce verkommen muss. <strong>De</strong>nn all<br />
die Violinen, Glockenspiele, Banjos, chinesischen<br />
Streicher und hast Du nicht gehört in eine Schublade<br />
zu stecken, wäre immer weit ab von der Realität. Da<br />
sind sie Lieblinge vom gern herbeizitierten Gilles Peterson.<br />
Und der sollte zwischen unmotiviertem Freak-<br />
Out und eigenständiger Genialität unterscheiden<br />
können. Was nichts daran ändert, dass sich jeder zu<br />
Homelife noch mehr als sonst seine eigene Meinung<br />
bilden muss.<br />
www.madwaltz.com<br />
M.PATH.IQ ••••<br />
AGF - WESTERNIZATION COMPLETED<br />
[ORTHLORNG MUSORK]<br />
Die neue Platte von Antje Greie Fuchs geht nicht nur<br />
musikalisch noch mal einen ganzen Schritt weiter als<br />
das letzte Laub Album, oder manche ihrer anderen<br />
AGF Tracks. Antje singt jetzt auf englisch, was allen,<br />
denen ihre Stimme vielleicht manchmal etwas zu nah<br />
war, zu intensiv, entgegenkommen dürfte, aber sie<br />
versucht definitiv nicht zu verstecken, woher sie<br />
kommt, im Gegenteil, denn bei den Texten hat man<br />
oft genug das Gefühl, dass Agf irgendwie noch direkter<br />
geworden ist. Die Tracks, die Musik dazu ist sehr<br />
spartanisch, aber trotzdem ausgefeilt und vertrackt.<br />
Stellenweise stehen die Lücken im Vordergrund, um<br />
dem Groove mehr Druck zu geben, vielleicht geht es<br />
aber auch um Skandierung, darum, die Brüche gut<br />
hörbar zu machen, mit denen die Sounds sowieso leben,<br />
kurze schwarze Vorhänge zu ziehen, damit man<br />
die Distanz wahren kann, weil man in dem Nachflackern<br />
der Erinnerung noch ein Stück näher an die<br />
Szenen rutscht. Das theatralische Moment solcher<br />
Stücke verliert seine Künstlichkeit aber sofort in den<br />
Momenten wieder, wo das Ganze in einen eigenwilligen<br />
Humor mit der Auseinandersetzung der eigenen<br />
Geschichte auch als Producer zusammenfällt und<br />
nach Vocals wie: “You are my most amazing new<br />
patch, with the special features, beautiful” plötzlich<br />
der Track einfach eine Festplatte weiterspringt und so<br />
Dinge nebeneinander stehen lassen kann, und schlüssig<br />
und dicht erscheinen lässt, die trotzdem sauber<br />
getrennt werden. Musik, die man auf vielen Leveln<br />
hören kann, aber nicht ohne gelegentlich vom einen<br />
ins andere zu sliden. Ja, der Titeltrack erzählt von Antjes<br />
Aufwachsen in der DDR.<br />
www.musork.com<br />
BLEED •••••<br />
BOMB 20 - REALITY SURPASSES FICTION<br />
[NOISE/SRD]<br />
Unter anderem ist Bomb 20 der DJ der Puppetmastaz,<br />
besagter unterhaltsamen, angeranzten und dabei<br />
äußerst poptauglichen Puppenkombo aus Berlin, wobei<br />
man das DJ sein hier nicht auf Schallplatten ineinander<br />
mischen beschränken sollte, Bomb20 kann da<br />
mit seinem Powerpack an vorgefertigten Mix-CDs<br />
und MP3s weitaus mehr leisten. Hier also eine neue<br />
Platte von diesem famosen Terrorproduzenten, komplett<br />
unbehaglich rumpelig und vollgestopft mit aneinandergeschnittenen<br />
Sprachfetzen, zerquetschten<br />
Melodiefragmenten und musikalischen Samples,<br />
nicht nur aus der HipHop Bibliothek. Vielmehr hat<br />
Bomb20 hier schmutzigen elektronischen Lärm mit<br />
einem weiten Spektrum angefangener Aussagen und<br />
abgebrochener Wahrheiten zusammengestellt, was<br />
nie leicht oder langweilig wirkt, sondern auch außerhalb<br />
von Berliner Kellergewölben eine Menge an verquerer<br />
Eigenheit hergibt. Korrekter Krach.<br />
CAYND ••••-•••••<br />
T.<strong>RAUMSCHMIERE</strong> - RADIO BLACKOUT [<br />
NOVAMUTE]<br />
Ist ja ein gnadenloser Rocker, der T.Raumschmiere,<br />
und wenn er dann schon mal eine Platte für eine Majorfirma<br />
machen kann, dann nutzt er das um so gnadenloser<br />
aus und deshalb klingt “Radio Blackout”<br />
auch so unverfroren brachial und böse knarzig wie<br />
schon lange nichts mehr, und bratzt alle Elektroclash<br />
Freunde einfach so nebenher an die Wand, lässt aber<br />
auch ruhigere und dubbigere Tracks miteinfließen,<br />
damit hinterher keiner denkt, das wäre jetzt der reine<br />
Sellout, und letztendlich geht es damit von Glamrock<br />
über Bassbin Gebratze im grossen Stil bis hin zu<br />
schwermütig verknurspelten Downtown-Tempo-<br />
Moshouts, überschreitet aber selten das Format kurzer<br />
Tracks und leistet sich gerne mal eine Portion Pogo<br />
dazu. Guest Appearences von Kittin und MC Soom<br />
T. Eine ranzige Trashplatte vom Feinsten, die die<br />
ganze Bandbreite des Spektrums von Raumschmiere<br />
auf den Tisch haut wie einen frisch geschlachteten<br />
Eber.<br />
BLEED •••••<br />
ROLANDO - NITE:LIFE 016<br />
[NRK]<br />
Sehr gute Mix-CD von Rolando. So viel schon mal vorweg.<br />
Sehr elegant, und weit weniger fix und hart, als<br />
die Sets, die ich bis jetzt von ihm kannte, balanciert er<br />
zwischen deepen, treibenden House- und Technotracks,<br />
die alle mehr oder weniger vom musikalischen<br />
Vermächtnis <strong>De</strong>troits beseelt sind, hin und her. Da<br />
bleibt viel Platz, um auch so unterschiedliche Produzenten<br />
wie Nick Holder, Adam Beyer, Gene Farris,<br />
Agoria, Joey Beltram John Thomas, Technasia, Steve<br />
<strong>Bug</strong>, Model 500, Jeff Mills und natürlich Los Hermanos,<br />
seinem neuen Projekt, in seinem knackigen Mix<br />
zu vereinen. Sehr cool.<br />
SVEN.VT •••••<br />
ALTON MILLER - STORIES FROM BOHEMIA<br />
[PEACEFROG]<br />
Dieser Glaube an Bohemia hört wohl nie auf. Merkwürdig<br />
eigentlich. Man weiß aber auch genau, warum<br />
das bei einer solchen <strong>De</strong>troitsoul Platte irgendwie<br />
auch scheiter muss. Soul heiß hier Soul Gesang und es<br />
gibt keine Frage, jede einzelne Zeile klingt so, als hätte<br />
man sie schon ein paar tausend Mal gehört, aber<br />
das Problem ist, dass die Musik dazu einfach zu sehr<br />
Musik ist, die für sich stehen möchte und überhaupt<br />
keine Vocals verträgt oder nur ab und an mal. Wenn<br />
die dann auch wegfallen, ist es eine stellenweise extrem<br />
schöne, deepe Houseplatte mit sehr zerbrechlichem<br />
Sound, der fast ein wenig verstaubt klingt, aber<br />
grade deshalb gut.<br />
BLEED •••-••••<br />
NICK HOLDER - THE OTHER SIDE<br />
[NRK]<br />
Auf seinem fünften Longplayer nimmt sich der Toronto<br />
Don mal wieder so ernst und alle Freiheiten dazu.<br />
Dabei zeigt er uns sein kanadisches Humorverständnis<br />
und einige äußerst fähige Nachbarn. Überragend<br />
etwa die Spoken Word Performance von Jemeni, die<br />
mit ihrem Text zu No More Dating DJs jeden auch nur<br />
mit minimalen Englischkenntnissen ausgestatteten<br />
Plattendreher lachend zu Boden befördert. Gilles Peterson<br />
schaffte es auch hier wieder als einer der ersten<br />
zurück zum Arbeitsgerät. Aber auch Reigns Raps<br />
bei History In The Making und Sankofas Reggae-Lyrics<br />
überzeugen augenblicklich. Natürlich fehlt auch<br />
die Straighness im House nicht. Eher mellow bei Player<br />
1, percussiv bei Magic Carpet Ride und direkt stompend<br />
bei The Dream Loves On. Cool.<br />
music.com<br />
M.PATH.IQ ••••-•••••<br />
V.A. - NOVA VIDA VOL. 1<br />
[NOVA VIDA / TRAMA]<br />
Bei Nova Vida handelt es sich um neues Leben im<br />
Hause Trama. Bruno E hat dazu die brasilianische Produzentenelite<br />
für House und Broken Beats in São Paulo<br />
versammelt. Die stellt er uns mit seinem Mix erstmal<br />
vor. <strong>De</strong>nn an Anderson Soares, Mad Zoo, Alpha 5<br />
und auch seinen eigenen Namen dürfen wir uns gewöhnen.<br />
Endlich kommt Brasil-House auch von dort.<br />
Das Temperament geht jedoch mit keinem der Beteiligten<br />
durch. Eher deep und zuweilen gar jazzy stellen<br />
sie sich bislang dar. Von den beiden Dreingaben erfreut<br />
zusätzlich noch der progressive Makako-Remix<br />
für Patricia Marx besonders.<br />
www.trama.com.br<br />
M.PATH.IQ ••••<br />
THE SOUND OF YOUNG NEW YORK<br />
[PLANT]<br />
Hätte man ja eigentlich schon früher mit gerechnet,<br />
vielleicht war aber einfach doch noch nicht genug Material<br />
da, das zwischen Rapture und Metro Area passt.<br />
Hier jedenfalls Tracks von Rinocerose (Rapture Mix),<br />
Metro Area (DFA Mix), The Glass, Clones, Syrup, Ilana,<br />
Kap 10 Kurt bis Plant, von denen man eigentlich nur<br />
Rapture und die DFA-Posse kennt, und natürlich ist es<br />
irgendwo zwischen Oldschoolhouse und No Wave angesiedelt,<br />
wirkt aber stellenweise auch fast schon so<br />
wie die Band-Version von Herbert. Wenn man nicht irgendwann<br />
ein wenig genug von den etwas klassisch<br />
slammenden Drumsounds, hätte die hier fast durchgehend<br />
benutzt werden, dann würde man sogar an eine<br />
Lebensdauer von mehreren Jahren dieses Sounds<br />
glauben, aber genau an dieser Stelle, da wo der<br />
Hauptgroove herkommt, wirkt diese Platte dann so<br />
wie ein Schlaglicht auf eine Szene, die sich vermutlich<br />
schnell in ganz verschiedende auseinanderdividieren<br />
wird. Aber genau das macht es zur Zeit eben auch<br />
spannend. Glücklicherweise viel weniger Rock als viele<br />
von euch vielleicht befürchtet hätten. Checkt es aus<br />
und sucht nach den einzelnen Acts, denn es gibt definitv<br />
etwas zu entdecken.<br />
BLEED •••••<br />
MOORE MUSIC - TO THE COWBOYS<br />
[POPUP-RECORDS]<br />
Nettes, adrettes <strong>De</strong>but von Patric Lange und Laurent<br />
<strong>De</strong>dieut. Eingebettet zwischen melancholischen Melodien<br />
finden sich sphärische Klänge und repetitive<br />
Gesangspassagen, wie man es noch von Airs “Moon<br />
Safari” kennt, allerdings bewegt sich das Album variantenreich<br />
über die Grenzen dieses Bereichs hinaus.<br />
Das Air-Erbe hat wohl einen Trend geschaffen, der in<br />
Frankreich noch länger anzuhalten scheint. Mit “stars<br />
are burning” oder “can’t get used to it” sind ein paar<br />
durchaus gelungene, potentielle Hits auf der CD, und<br />
zwischendurch kann man vielleicht noch heraushören,<br />
dass <strong>De</strong>dieut und Lange ursprünglich aus der<br />
klassischen Vier-Mann-Bandformation kommen. Die<br />
französische Herkunft ist unverkennbar, und wenn<br />
man sowas gern erkennt, liegt man mit “to the cowboys”<br />
bestimmt richtig.<br />
MATTHIAS ••••<br />
BUS - MIDDLE OF THE ROAD<br />
[SCAPE 19]<br />
Ja, wir sprechen von Dub. Und wir meinen nicht den<br />
minimalen Dubhouser vom Spree-Rhein oder den<br />
wursthaarbehangenen Eurohippie mit verkifftem<br />
Echtheitszertifikat in Grün-gelb-rot, sondern “Bus”.<br />
Das Projekt der Berliner Produzenten Daniel Meteo<br />
(auch Betreiber des Labels Meteosound und umtriebiger<br />
Clubveranstalter des guten Geschmacks) und<br />
Tom Thiel (sonst “Ocean Club”-Member) umkurvt<br />
elektronisch bis HipHop-lastig alle Genreklischeefallen,<br />
um jenseits von Posertum und introvertiert harmlosem<br />
Dubgefrickel die Hüften zu schwingen. Die<br />
Leichtigkeit, mit der “Middle of the Road” mit Dub<br />
und seiner überdeterminierten Symbolwelt verfährt,<br />
rührt nicht zuletzt aus der Hinzunahme des Glasgower<br />
MC Soom-T von Monkeytribe (Meteosound): eine<br />
Frau mit derart hingerotzt cooler Stimmlage und<br />
Schnelligkeit, die die männliche Konkurrenz wie unlängst<br />
bei den 8 Mile MC Championships alt aussehen<br />
ließ und die allzu oft gesehene Kombination “Jungs an<br />
die Rechner und Mädels ans Mikro” gründlich durcheinander<br />
wirbelt. Ihr Sprechgesang steht stark im Vordergrund,<br />
während sich auf den Instrumentalstücken<br />
eine intelligente Dubinterpretation ihrer elektronischen<br />
Zitierweise jamaikanischer Musiktradition<br />
nicht zu schämen braucht. Mal affirmativ warm, mal<br />
gebrochen mit Arschtritt.<br />
SK •••••-••••<br />
HANNA - GLAMOROUS<br />
[SÉPARÉ RECORDS]<br />
Sehr schön, dass auch Hanna aus Cleveland mal wieder<br />
eine Platte macht, und dass es dieses Mal ein Label<br />
aus <strong>De</strong>utschland ist und so Hanna vielleicht auch<br />
hierzulande endlich mal etwas bekannter wird, denn<br />
nicht nur seine Produktionen mit Dan Curtin und seine<br />
Alben und 12”s auf Sublime, Shadow, Headspace,<br />
Track Mode, Viva usw. haben uns ja schon lange zu<br />
Fans seines sehr smoothen <strong>De</strong>troit-House Sounds<br />
werden lassen, sondern vor allem die immer jazziger<br />
werdenen Tracks, diese Stakkatobrillianz in den Grooves,<br />
die manchmal klingt wie der reinste Broken Beats<br />
Himmel und die immer deeper werdende Musikalität<br />
der Tracks, die hier noch mal einen neuen Höhepunkt<br />
erreicht und sich selbst diverse Synthesizersolos leisten<br />
kann, ohne in Kitsch abzudriften. <strong>De</strong>ephouse<br />
sollte man allerdings schon mögen. Sehr fein.<br />
www.separe-rec.com<br />
BLEED •••••<br />
THE ZEPHYRS - A YEAR TO THE DAY<br />
[SETANTA / SETCD103]<br />
Die Zephyrs kommen zurück, dieses Mal auf Setanta,<br />
nachdem das kleine Mogwai Label ja irgendwie eingeschlafen<br />
zu sein scheint, schnüff. Zur Erinnerung: Auf<br />
ihrer ersten LP, eigentlich die zweite, aber das ist eine<br />
andere Geschichte, in Schottland machen offenbar<br />
immer wieder mal Bands so LPs in Miniauflage), sang<br />
Rachel Goswell von Slowdive und einige Tracks waren<br />
so wahnsinnig deep, das es schon beängstigend war.<br />
“A Year To The Day” knüpft mit einem gigantischen<br />
Songwriting da an, auch wenn ich kein Fan der Slide-<br />
Guitar bin, aber egal. Und auch wenn Island ja ganz<br />
schön ist, denke ich, dass die Zephyrs eigentlich genauso<br />
viele Platten verkaufen müssten wie Sigur Ros.<br />
Verdient hätten sie es allemal. Herrliche SlowMotion<br />
Karrussells, diese Tracks. Mitten ins Herz. Klar, dass<br />
Ulrich Schnauss da demnächst einen Remix machen<br />
wird...<br />
THADDI •••••<br />
2ND COCOWAFFLE FLAKE<br />
[SKI-PP]<br />
Ah, Weltkongress der spleenigsten Harddiscspalter<br />
der Erde. Blechdom, Dat Politics, Scratch Pet Land,<br />
Aelters, Goodiepal, Felix Kubin und ein paar weniger<br />
bekannte Bekannte wie Hitz Express, Secret Mommy,<br />
Anne, Nathan Michel und The Park Royal Trio. Monsterlineup<br />
denkt ihr? Wartet erst mal bis Kevin Blechdom<br />
mit “Slow Me Down” loslegt und alle Zweifel an<br />
ihr, die irgendein Banjohasser hatte, auf einmal weggefegt<br />
sind, und eure Ohren gleich mit, denn der<br />
Track geht gleich in den DAT Politics Remix über, und<br />
da wird wirklich nichts ausgelassen, was einen digitalen<br />
Effekt zum Popstar machen könnte. Hitz Express<br />
lassen die Beats so versprengt rocken, dass selbst<br />
dem besten Elektronika-HipHopper ganz schwach in<br />
den Knien werden dürfte, Secret Mummy machen einen<br />
unglaublichen Bluestracks aus ein wenig Niesen<br />
und viel Spinnerei, definitiv einer meiner Lieblingstracks<br />
des Monats, und überhaupt ist diese Platte so<br />
albern, dass man endlich mal wieder einen dieser etwas<br />
seltenen Momente erwischt, wo man einfach<br />
nicht anders kann als sich über die Musik die man grade<br />
hört wegzulachen. Mehr Spass gibt’s gar nicht auf<br />
CD. Ach so. Als Bonus noch 15 skurrile Flashfilme, wie<br />
man sie von der Ski-PP Seite kennt und ein A2 Poster<br />
zum selberausdrucken.<br />
www.ski-pp.com<br />
BLEED •••••<br />
AE - BOOTLEG<br />
[SONIG]<br />
Ouch, ganz schön rasant was Andrew Sharpley und<br />
Emiko Ota da machen, und wer an No Wave und Elektroclash<br />
glaubt, den dürfte diese CD sogar heilen können,<br />
denn die beiden wuseln im ersten Track so unverfroren<br />
in einem Soundclash aus Sampleoverload<br />
derselben Zeit, kennen aber einfach ein paar Zentner<br />
vergessener 45s zuviel und flirren durch die verschiedensten<br />
Ideologien mit Tracks, die nur noch einen halben<br />
Zeh auf dem Boden haben. Harddisc-Monster die<br />
man am liebsten gar nicht freigelassen hätte. Wer<br />
Peoplelikeus liebt, der wird sich bei AE gleich zu Hause<br />
fühlen. Musik, die wirkt als hätte man seine Wohnung<br />
mit einem Tornado geduscht und aus irgendeinem<br />
unerklärlichen Grund wäre am Ende nichts als<br />
ein nach eher schwer zu begreifenden Kriteren “aufgeräumtes”<br />
Kinderzimmer dabei rausgekommen.<br />
www.sonig.com<br />
BLEED •••••<br />
JOSEPH SUCHY - CALABI.YAU<br />
[STAUBGOLD / 43]<br />
Suchy ist nicht nur Franke, sondern auch Ordinarius<br />
der Gitarrenforschung, so steht es geschrieben. Und<br />
der Opener seines mittlerweile vierten Album läßt<br />
auch schnell Großes erahnen: gemächliches Pocken,<br />
Rumpeln und Fiepen der Gitarre verwurzeln sich mit<br />
digitaleren und ebenso gemütlichen Klangfeldern,<br />
wobei Zeit sich in sich selbst zurückziehen darf und alles<br />
Wichtige erstmal belanglos wird. Wie ein Sog nehmen<br />
die acht weiteren Tracks alle Aufmerksamkeit in<br />
sich auf und lassen die unausstehlichen 35° Zimmertemperatur<br />
des vergangenen August durch weite,<br />
wellige Dronelandschaften mit kurzweiligen Melodieskizzen<br />
in kühlere Gefilde driften. Ein perfekter Soundtrack<br />
für anstehende Herbstnächte.<br />
www.staubgold.com<br />
ED ••••<br />
MO´HORIZONS - ...AND THE NEW BOHEMIAN<br />
FREEDOM<br />
[STEREO DELUXE / SPV]<br />
Die neue künstlerische Freiheit lässt sich an dieser<br />
Stelle leicht beschreiben. <strong>De</strong>r massive Erfolg der ersten<br />
beiden Alben Come Touch The Sun und Remember<br />
Tomorrow sowie des Hits Photo Viva gab ihnen<br />
zum einen die Freiheit, ein - wie es in Promotion-Neu-<br />
<strong>De</strong>utsch heißt - Finished Product abzuliefern und zum<br />
anderen ihre Laptops über den halben Planeten zu<br />
schleifen, um im Gefühl des ewigen Sonnenuntergangs<br />
zu arbeiten. Die Einflüsse sind daher vielfältiger<br />
geworden. Fans wie Jürgen Trittin dürfen sich auf<br />
Mundharmonika, Drum’n Boogaloo, Mambo, Sitar<br />
und einiges mehr freuen. Und zu guter letzt treffen<br />
wir wieder auf Jazz-Ikone Karin Krog, deren Vocals bereits<br />
beim Labelkollegen Espen Horne aka Bobby<br />
Hughes aufhorchen ließen.<br />
www.stereodeluxe.com<br />
M.PATH.IQ ••••-•••<br />
LOWFISH - 1000 CORRECTIONS PER SECOND<br />
[SUCTION / 018]<br />
Um Lowfish haben wir uns in letzter Zeit ein bisschen<br />
sorgen gemacht. Einfach weil es uns komisch vorkam,<br />
die Jungs in kanada immer so von <strong>De</strong>troit Electro geschwärmt<br />
haben, Ersatz Audio hin oder her und Roboter,<br />
selbst nüchtern, eigentlich lieber Synthpop machen<br />
sollten. Da ist Lowfish jetzt wieder, mit einem Album<br />
voll wundervoller Tracks, die untenrum immer<br />
ein gigantisches Bollerfeuerwerk veranstalten, sich<br />
aber im Gesamtsound einfach sehr schwelgerisch geben<br />
und den Oktavbass nur als bouncenden Flummi<br />
extrem präzise plazieren. Die alten Maschinen laufen<br />
heiß, uns ist auch ziemlich warm und wir tanzen den<br />
Highspeed und fragen uns, warum Futurama-Fry neulich<br />
im alten New York nur den Breakfast Club-Soundtrack<br />
gefunden hat. Tse, tse. Vor allem, weil doch eigentlich<br />
klar sein müsste, dass, aber lassen wir das.<br />
“1000 Corrections Per Second” ist ein großartiges Album,<br />
das in seiner Liebe für damals moderner klingt<br />
als so manch andere Platte, bei der auf dem Cover eine<br />
große 80 drauf ist. Aber das ist ja immer so bei Suction.<br />
www.suctionrecords.com<br />
THADDI •••••<br />
KOMA & BONES - SHUTTERSPEED<br />
[TCR]<br />
Im Jahr der Breakbeat-Longplayer-Releases dürfen<br />
auch die Breakbeat Meister Koma & Bones nicht fehlen.<br />
Ihre letzten 12”es waren nicht immer mein Ding,<br />
aber hier gibt’s was Feines auf die Ohren. Beim ersten<br />
Hinhören ist man ja immer ein wenig enttäuscht,<br />
wenn man eine volle CD hört, die im Gegensatz zu<br />
den EPs einen nicht gleich anspringt. Aber Shutterspeed<br />
begeistert gerade durch diese Mischung von<br />
Clubtracks und Homelistening-geeigneten Songs. Ein<br />
Hören ist zu jeder Zeit und an jedem Ort möglich. Stil:<br />
im weitesten Sinn Breakbeat natürlich, auch mal geradeaus<br />
und oft mit einem gehörigen Anteil an Soul, u.a.<br />
durch die Vocaleinlagen von Robert Owens und Matt<br />
Maudsley. Highlight ist die aktuelle Single Black Satsuma.<br />
Für mich ein Song des Sommers, die einem zu<br />
heftigen Kopfnicken nötigt und die Dancefloors rockt.<br />
www.tcr.uk.com<br />
FABIAN •••••<br />
GEORG LEVIN - CAN´T HOLD BACK<br />
[SONAR KOLLEKTIV / ZOMBA]<br />
Nun hat also auch das Sonar Kollektiv seinen Soul-<br />
Brother. Wer dabei gleich wieder Philadelphia-Schablonen<br />
oder andere progressive Kollegen wie Leme im<br />
Ohr hat, sieht sich getäuscht. Hier ist Soul wirklich<br />
noch Soul. Wenn er nicht gerade wieder einen housigen<br />
oder boogiesken Hit Marke When I’m With You, In<br />
Your Car oder (I Got) Somebody New schreibt, ist er<br />
eher pathetisch. Aber nie aufgesetzt. Levin hat eine<br />
Vision, die durch alle Songs durchscheint, egal ob bei<br />
der Jazz-Ballade Polar Odyssey, oder wie bei Mrs Superficial<br />
nur von Piano und Klavier begleitet. Er bleibt<br />
auch digital von Leuten wie Axel Reinemer oder Roskow<br />
Kretschmann (Jazzanova), Robert Philipp (Mellowbag)<br />
oder seinem Wahoo-Kollegen Dixon co-produziert<br />
unverwechselbar und trifft die Töne, die Kerze<br />
und Sofa förmlich herbeizitieren.<br />
M.PATH.IQ •••••-•••<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
CD • = NEIN / ••••• = JA<br />
KEN IKEDA - MERGE<br />
[TOUCH / T33.19]<br />
Merge bringt Ausschnitte aus Ikedas Sound-Tagebuch,<br />
das er seit 1990 auf unzähligen Tapes festhält.<br />
Wir werden aber keineswegs mit den tiefen Leidenschaften<br />
und Geheimnissen des Musikers vertraut gemacht,<br />
sondern durch nicht darstellbare Ortschaften<br />
und über minimale Melodiebögen getragen, denen<br />
auf den insgesamt elf Tracks dennoch eine fast unheimliche<br />
Intimität anhaftet. Oft ist ein einzelner, hoher<br />
Ton Ausgangspunkt. Dieser entwickelt durch seine<br />
unüberhörbare Präsenz nicht annähernd eine verständliche,<br />
lineare Narrativität und konfrontiert mit<br />
mit gehörigem Übermaß an Möglichkeiten, in diese<br />
wunderschönen Sounds konkrete Bedeutung hineinzuinterpretieren.<br />
Das entpuppt sich letztendlich sogar<br />
als vielleicht zu große Herausforderung an unsere<br />
Vorstellungskraft.<br />
www.touchmusic.org.uk<br />
ED •••••<br />
K.I.M. - MIYAGE<br />
[TIGERSUSHI]<br />
Tigersushi legt uns diese CD einer veganen semifiktiven<br />
Terrortruppe vor, die eigentlich eher eine Mix-<br />
Compilation ist, die irgendwo zwischen dem Teaching-Faktor<br />
der Webseite und den Re-Edits der Kill<br />
The DJ Serien seine eigene Ideologie zwischen Remixen,<br />
Mixen, Herauskramen, Neubearbeiten und all<br />
diesem Gewusel aus wem gehörts, wo kommts her,<br />
wo gehts hin als neue Frage stellt, die jedes Mal wieder<br />
gelöst werden muss, bevor eine Platte überhaupt<br />
erst mal losgrooven kann. Sehr strange Reise durch<br />
verschiedenste Tempi, Filmmusik, Disco, Absonderlichkeiten,<br />
Fata Morganas von Mixen, Überblendun-<br />
BRD<br />
MONOSURROUND - BO BULLET - MINI IPI<br />
[1ST DECADE]<br />
Sehr schön deep rockende aufwühlende Technotracks<br />
mit genau der richtigen Portion aus Oldschoolbeats,<br />
Disco, Harmoniewechseln, Popalbernheiten und allem,<br />
was so ein richtiger grenzüberschreitender Hit<br />
begehrt. Dabei ist es nicht einfach irgendwie so Elektrotrash,<br />
sondern ziemlich ausgefuchste Discomusik,<br />
die die Berliner da auf “Take Me, Love Me, Hate Me”<br />
veranstalten. Das etwas mehr rocken wollende “Bo<br />
Bullet” scheitert aber leider an der sich etwas in dirtyness<br />
selber überfordernden Stimme, da würden wir<br />
fürs nächste Mal einen Raggasänger vorschlagen, und<br />
“Dreamer” ist dann wirklich nicht wesentlich anders<br />
als Marilyn Manson, nur halt ohne das ganze Image<br />
drumherum.<br />
BLEED •••••-••<br />
JEFF MILLIGAN - IN MY LIFE<br />
[BACKGROUND RECORDS/036]<br />
Sehr schöne Platte die mit dem Titeltrack für Jeff ungewohnt<br />
sanfte Töne anschlägt. “In My Life” ist soetwas<br />
wie ein Aufbruch zu einer Geschichte die noch erzählt<br />
werden will und soviel Zukunft in sich trägt wie<br />
Vergangenheit. Es ist etwas das man mit sich herumträgt<br />
und dass einen bestimmen kann, definieren,<br />
vielleicht nur als der Raum in dem man selber nur<br />
noch ein Pronomen ist, vielleicht aber auch als das<br />
was man anderen als Geschenk in die Hand drücken<br />
möchte. Wir setzen mal vorraus, ihr kennt Jeff Milligan<br />
von Revolver. <strong>De</strong>n canadischen <strong>De</strong>ckwizzard und<br />
plinkernden Hyperminimalisten. “Eight” auf der Rückseite<br />
geht noch weiter in sich, ohne sich festhalten zu<br />
wollen und reduziert das Tempo bis hin zu einem<br />
Groove, der jeden Tropfen Melodie sofort verdampfen<br />
lässt, wie Sommernieselregen auf dem viel zu<br />
heissen Pflaster der Unendlichkeit.<br />
www.background-records.de<br />
BLEED •••••<br />
RHYTHM & SOUND W/ THE CHOSEN BROTHERS -<br />
MASH DOWN BABYLON<br />
[BURIAL MIX / BM-12]<br />
Die Chosen Brothers kehren zurück ins Rhythm & Sound-Studio<br />
und “Mash Down Babylon” ist in seiner<br />
trockenen Funkyness wieder mal ein kompletter heiliger<br />
Gral, allein schon, weil die typischen Akkorde und<br />
warmen Harmonien diesmal weit im Hintergrund<br />
sind, nur noch andeutungsweise in den Stabs wahrgenommen,<br />
mitunter durch spookige Sonnenaufgänge<br />
abgelöst werden und den Congas allen Platz der Welt<br />
lassen. Sehr aufgeräumt und dem windigen Dub so<br />
nah wie nie. Perfekt.<br />
THADDI •••••<br />
PORTABLE - CYCLING<br />
[BACKGROUND RECORDS/037]<br />
Ah, wieder ein Album von Portable. Und es ist mehr<br />
als erstaunlich wie sehr er sich in der kurzen Zeit weiterentwickelt<br />
hat, obwohl er von uns aus auch hätte<br />
stehen bleiben können. Das Cover besteht aus Bäumen,<br />
die wiederum aus Namen von Tour <strong>De</strong> France<br />
Gewinnern zu bestehen scheinen. Oder Gito D`Italia,<br />
oder beides, die Schatten sind kleine Fahrradicons.<br />
Ob Fahrräder so etwas wie die Metapher eines Exils<br />
sind, das sich nicht auf ein Land bezieht, wie sagen wir<br />
mal so wie bei Beckett... keine Ahnung. Die Musik<br />
zählt hier eh. Und die vertieft sich noch weiter in der<br />
Dichte, die Portable immer schon ausgezeichnet hat,<br />
lässt einen weit hinabsteigen in einen Groove, der<br />
sich nur mit der Zeit erschließt, nur indem man sich<br />
wirklich drauf einlässt, der dann aber auch immer un-<br />
gen ins unmöglichste, Zusammenbrüche, Aufgefangenem<br />
und weichen Landungen. <strong>De</strong>finiv eine der Mix-<br />
CDs des Jahres, denn so vielseitig (von Piaf bis zu<br />
Weevie Stonder, von Gun Club zu Psychic TV und immer<br />
wieder K.I.M. als Puffer dazwischen) war nicht<br />
nur wenig, sondern so wenig eklektizistisch wirkte<br />
auch nichts was sich mit den Federn von Freestyle<br />
schmücken wollte, und so gut ineinandergemixt war<br />
sowieso schon mal nichts. Alles ist Material und alles<br />
ist Souvenir. Gross.<br />
www.tigersushi.com<br />
BLEED •••••<br />
THE BOOKS - THE LEMON OF PINK<br />
[TOMLAB/032]<br />
Die letzte The Books CD war ja Ewigkeiten eine meiner<br />
Lieblingsplatten was skurrile Arrangements und<br />
überzogende Samples anbelangt, und so schnell und<br />
rasant, dass man dazu am liebsten explodiert wäre,<br />
aua, die neue ist ruhiger und hat ein zentrales Thema,<br />
Folk, Stealgitarren, Cottonfelder, Blues, Geigen, alles<br />
was einen in ein virtuellen Oklahoma versetzen kann,<br />
in eine Zeit als man seine Quantencomputer noch aus<br />
Grasshalmen basteln musste. Das Ganze bekommt<br />
dann so eine Art japanischer Patina aus verfrickeltem<br />
Unsinn und schon ist man in einer Parallelwelt, aus<br />
der man erst mal nur unter Gebrüll wieder raus möchte.<br />
Die zweite Spezialität des Album sind übrigens<br />
sehr merkwürdige Stimmfetzen und deren absurde<br />
Zusammenstellung. Platte für jeden, der gerne überrascht<br />
wird und sich in der Überraschung dann gleich<br />
zuhause fühlt, obwohl er niemals dahin kann.<br />
www.tomlab.de<br />
BLEED •••••<br />
gewöhnlicher wird, und aus jedem Geräusch irgendwie<br />
etwas zieht, das einen bewegt. Die ersten Hinweise<br />
auf seine Liveumsetzung mit Bassisten finden<br />
sich auf “Counter Source”, und anstatt, wie so viele<br />
die Sounds immer transparenter zu machen und weiter<br />
im Raum zu verteilen, findet Portable eine Methode,<br />
Sounds zusammen zu schmelzen und dichter werden<br />
zu lassen, ohne dass sie dabei auf übliche Zusammenhänge<br />
zurückgreifen müssten. Eine schwierige<br />
Platte, die man trotzdem immer wieder gerne hört<br />
und die einem mit jedem Mal, wo man sich auf sie einlässt,<br />
immer leichter und immer mehr zurückgibt.<br />
www.background-records.de<br />
BLEED •••••<br />
TWIG - AUTUMN<br />
[BOXER SPORT/010]<br />
Ach, was für ein Hit. Ok, ich gebe zu, das ist ganz<br />
schön dreist, so einen Popsong rauszuhauen, aber irgendwie<br />
kann man das besser nicht singen: “It was<br />
summer, now it`s autumn” könnte auch ein Track<br />
sein, den die Pet Shop Boys für die große Schwester<br />
einer unbenannten Discoheldin “New Order” umgeschrieben<br />
haben, aber eigentlich ist es selbst dafür zu<br />
prägnant. Auf der Rückseite wird es dann etwas<br />
smoother und mit eher klassischem Minimalsound<br />
der weichzeichnenderen Art, bleibt aber immer noch<br />
sehr charmant und leicht melancholisch (“Olympic”)<br />
bis weltumarmend (“Traffic”). Sehr glitzernde Platte<br />
von Torsten Mauss, der sonst zusammen mit Volker<br />
Bertelmann “Tonetraeger” macht. Überraschung.<br />
www.boxer-recordings.com<br />
BLEED •••••<br />
STEFAN SCHROM - TANZVOYEUR<br />
[BOXER SPORT/011]<br />
Das sind die Leute, die im Club immer am Rand der<br />
Tanzfläche stehen, und davon gibt es ja immer schon<br />
viele, und ob sie es bleiben bei solchen Hits wie denen,<br />
die Boxer gerade raushaut, bleibt zu bezweifeln.<br />
Etwas mehr Mitte und ein Hauch discoider kommt<br />
Schrom von Big Chief Electric hier mit einem Track<br />
zwischen Acid-Gebrubbel, Discobasslines und guter<br />
deutscher Polka, die einen natürlich an Tracks wie<br />
“Tanz Dazu” erinnert, aber, hey, über das Tanzen<br />
Tracks zu machen, war schon immer eine <strong>De</strong>tailarbeit<br />
kleinster Nuancen. “Come On” rockt funkiger und mit<br />
gut durchgestyltem Electro-Flavour, das einen in der<br />
Art der freigestellten Sounds manchmal an manche<br />
Areal Platte erinnert und wenn es dann noch in die<br />
Umlanddisco zieht, wenn in Köln alles schließt, der<br />
wird wohl irgendwann unweigerlich dem <strong>De</strong>composed<br />
Subsonic Mix begegnen, denn der hat sich vorgenommen,<br />
Westbam und Hell auf einmal den Kampf<br />
anzusagen.<br />
www.boxer-recordings.com<br />
BLEED •••••-••••<br />
HOUSEMEISTER - PSYCHO<br />
[BPITCHCONTROL/068]<br />
<strong>De</strong>finitv der Richtige, wenn auch ein wenig irreleitender<br />
Name für diese Platte, denn auf der Rückseite<br />
kommt zum von allem gestrippten Punkbeats, die nix<br />
von Elektroclash haben, sondern eher von guter alter<br />
Kirmespolka, Zirpen, Quietschen und Quäken, als<br />
wären mindestens Generationen von Gummitieren<br />
für die Produktion dieser Tracks gestorben, und Orgeln<br />
aus dem Gruselkabinett einer 50er Jahre Unterhaltungsindustrie<br />
auf Speed, dann auch noch gelegentlich<br />
eine Acidline hinzu, etwas Stummfilm-Uhr-<br />
Tackern und Basslines für those who können einfach<br />
nicht mehr vor Lachen. Musik eher für Seitenstiche als<br />
ANDREY KIRITCHENKO - BEES AND HONEY<br />
[ZEROMOON]<br />
Fünf Tracks von Kiritchenko und ein voller Satz von<br />
zehn Remixen bzw. Bearbeitungen von Leuten wie<br />
Scanner, Marcus Maeder, Brian Lavelle, Kotra, Kim<br />
Cascone, Feiband usw. Wer andere Platten von ihm<br />
kennt, weiß, dass es hier um relativ strenge Musik<br />
geht, die nah am akustischen reinen Experiment arbeitet,<br />
Microsounds in langsam verfremdeten Loops,<br />
aber manchmal eben auch harmonischere Umgebungen<br />
mit leichtem Knistern, immer jedoch Musik, die<br />
viel mehr im Raum steht, als sich zu bewegen und ihn<br />
langsam von einer Impression zur anderen morpht.<br />
Die Remixe bewegen sich von manchmal etwas darkeren<br />
Sounds über reine Click-Experimente bis hin zu<br />
großangelegten generativen Breitwand-DSP-Szenen<br />
für den Dancefloor, aber trotzdem brüllend gut. Die<br />
etwas brachial betitelte A-Seite “Panzer” rotzt einmal<br />
ordentlich ins Gesicht aller Electrotrash- und Booty-<br />
Fans und zeigt einem dann mit dem sicheren Grinsen<br />
eines Gewinners die kalte Chicago-Schulter. Blendend.<br />
www.bpitchcontrol.de<br />
BLEED •••••<br />
ELLEN ALLIEN - ALLES SEHEN REMIXE<br />
[BPITCHCONTROL/073]<br />
Martini Brös, Safety Scissors, Miss Kittin und Ellen<br />
machen die Remixe dieser Platte und jeder Track<br />
stimmt. Die Martinis knuffeln Ellens Stimme zu einem<br />
flüsternden Orakel zusammen und brutzeln sich eine<br />
Monster-Bassline über’m offenen Feuer solider Oldschool-Acid-Referenzen<br />
in blubbernder Synthesizer-<br />
Sauce, Safety lässt es trocken abperlen und heizt<br />
durch die Tasten, als wäre er einfach, was vielleicht<br />
stimmt, der unschlagbare Funkgott mit den Samthandschuhen,<br />
eine Art Bleep-König, der kommt, um<br />
das Rockit der nächsten Generation zu kicken, das<br />
man sich als Mobile über den Dancefloor und übers<br />
Bett hängen kann, als gäbe es da keinen Unterschied.<br />
Ellen lässt es in ihrem Mix ordentlich krachen und fällt<br />
trotz noisiger Sounds immer wieder auf die swingenden<br />
Füße, auch wenn sie sich verraucht verruchter<br />
klingen lässt, als man es ihr abnehmen würde, und erinnert<br />
mich dabei merkwürdigerweise an M.A.N.D.Y.<br />
Zum Abschluss ein Track von Kittin, der so deep und<br />
verclickt tuschelt, dass man glauben könnte, sie hätte<br />
ihn zur eigenen Beruhigung direkt nach einem Traum<br />
von einem Abendessen mit Aphex Twin und Oval gemacht.<br />
www.bpitchcontrol.de<br />
BLEED •••••<br />
BEN MONO - PLASTIK PASSION, SUBURBAN RE-<br />
SIDENT/REMIXE<br />
[COMPOST]<br />
Ach ja, der Ben, Space Clique im Hinterkopf, das Album<br />
vor Augen, schneien die Mixe von Plastik-Passion<br />
recht unvermutet herein und machen Freude. Vorneweg<br />
und vor allem gewiss John Tejada, der mal wieder<br />
einen VIP-Mix bastelt, der die Vorlage in neue<br />
Höhen schießt und die Dancefloor-Tortenschlacht<br />
eröffnet. Wer hier keinen Kullerkeks abkriegt, ist selber<br />
Schuld. So verdammt gewitzt, dass es Spass<br />
macht über alle Ohren. Landslide klopfen auf<br />
Hartholz und stiebitzen dem Ben mindestens einen<br />
Kanal. Schließlich der Dharma One Mix.<br />
Drum´n´Bass, oh ja, so dick aufgetragen und doch<br />
phasenweise nach Beanfield auf Quasselstrippe klingend,<br />
da hat sich der Michael Reinboth bestimmt sehr<br />
gefreut.<br />
KAM •••••<br />
STEPPAH HUNTAH - WALK THIS STEP/WITH SEIJI<br />
REMIXES<br />
[COMPOST]<br />
Die Freunde der gebrochenen Beatschule dürfen sich<br />
auf Neuigkeiten von Seiji freuen. Paul Dolby kommt<br />
mit seinen Mixen für Steppah Huntah diesmal ohne<br />
hektischen Einschlag aus. Das Original legt er in<br />
gleich zwei Mixen dezent tiefer, ohne die Funktionalität<br />
einzubüßen. Die Vocals aus dem Original geben<br />
seinen Ideen neuen Spielraum. Ist die Steppah-Vorlage<br />
schon so gelungen, dass hier gebrochene Musik<br />
ohne Erinnerungen an vergangene Wirrungen auskommt,<br />
setzt Seiji dem Ganzen das West-London-geschulte<br />
Sahnehäubchen auf.<br />
KAM •••••<br />
und selbst ein wenig Harddisc-Funk darf da schon mal<br />
auftauchen. Nur selten Musik die wirklich anstrengend<br />
ist in ihrer Experimentalität.<br />
www.zeromoon.com<br />
BLEED •••••-•••<br />
OCEAN CLUB FOR CHINA<br />
[V2]<br />
<strong>De</strong>r Ocean Club um Gudrun Gut und Thomas Fehlmann<br />
war eingeladen hochoffiziell nach China. Künstlerisch<br />
freier Blick, das kategorische Verlassen auf die<br />
eigene Geschmackssicherheit und Sinn für die Homelistening-Variante<br />
von 4/4-geschraubter Elektronika<br />
sind hier das Exportgut, das nun auch hierzulande veröffentlicht<br />
wird. Herausgekommen ist dabei Musik<br />
für Ocean Club Radiohörer mit kleiner Küche und daher<br />
zu wenig Platz zum Tanzen. Also keine Hektik, und<br />
so grast man gemächlich kulturbotschaftlerisch mit<br />
OK-Stempel der staatlichen Zensurbehörde die flauschigeren<br />
Seiten der verschiedenen Richtungen ab,<br />
die der elektronische Kosmos so zu bieten hat, zwischen<br />
Shuffeligem wie Komeits “3 hours” im T.Raumschmiere-Mix<br />
oder “From a distance” von the Orb und<br />
poppig Kuscheligem im Sinne von Jürgen Paapes “So<br />
weit wie noch nie”. Bleibt dabei aber meist vorhersehbar<br />
und zählt den Bitcrusher selbstverständlich zu<br />
den gängigen Küchengerätschaften, die in jeden guten<br />
Haushalt gehören und die anscheinend auch in der<br />
asiatischen Küche nicht fehlen sollten.<br />
LUDWIG ••••<br />
CH.ELECTRONIQUE [ZAP MUSIC]<br />
Eine Doppel-CD mit schweizer Elektronik, die mit<br />
Golden Boy und Miss Kitten natürlich gleich einen<br />
thematischen Startschuss bekommt und sich dann<br />
TRÜBY TRIO - UNIVERSAL LOVE<br />
[COMPOST 139]<br />
<strong>De</strong>r zweite Teil der Remixe zu Elevator Music bringt<br />
uns raus aus dem Fahrstuhl direkt in die Berliner Partykultur,<br />
wo sowohl die Gebrüder Schwarz als auch<br />
me (Sonar Kollektiv) sitzen. Für sie war der Weg vom<br />
Boogie des Originals zu House bzw. 80er Electroclash<br />
besonders kurz. Tiefschwarz setzen ihrem Retrostyle<br />
durch ein Gitarrensolo zum Break die Ironiekrone auf.<br />
Dass dürfte zwar die meisten Trüby-Jünger nicht wirklich<br />
berühren, rockt aber bereits an manch unerwarteter<br />
Stelle. me liegen da ihrem Rootdown Round<br />
Midnight Mix fast schon in der goldenen Mitte und<br />
versöhnen Rainer und seine Faunas mit den straighten<br />
Floors. <strong>De</strong>r Soul in den Vocals von Marcus Begg<br />
bekommt durch den fein gebrochenem <strong>De</strong>eptroit-Style<br />
erst richtig Raum. Hammer!<br />
M.PATH.IQ •••••-••••<br />
STEPPAH HUNTAH - WALK THIS STEP<br />
[COMPOST 143]<br />
Was die Produktion angeht, hat sich Meister Reinboth<br />
mal wieder einen ganz dicken Fisch geangelt. Steppah<br />
Huntah alias Steven-Joyce Ames und Olessia Tourkevitch<br />
sind bei ‘Walk This Step’ so dermaßen West-<br />
West-London, dass auch Seiji nach dem ersten Hören<br />
bei Rainer Trübys Root Down nicht anders konnte, als<br />
eine Remixanfrage zu stellen. Oder eben gleich zwei.<br />
Allein das ‘Bahdapbahdap-bapdabadap’ will beim<br />
Meister nicht immer so flowen wie beim Original. Da<br />
geht der zweite Track von Steppah fast aber eben völlig<br />
zu unrecht unter. <strong>De</strong>r abstrakte BrokenFunk von<br />
‘Earth’ besitzt nämlich auch jede Menge Tiefe.<br />
M.PATH.IQ •••••-••••<br />
RHYTHM & SOUND W/ JAH BATTA - MUSIC HITS<br />
YOU<br />
[BURIAL MIX / BM-13]<br />
Mit fast demselben Backing Track wie “Mash Down<br />
Babylon” geht Jah Batta an den Start, fühlt sich in der<br />
Gesellschaft von Jerry Harris’ Gitarre mehr als wohl<br />
und organisiert das gesamte Rhythm & Sound-Gefühl<br />
komplett um, das eh immer, im klassischen Sinn, traditioneller<br />
wird und sich nicht mehr auf die jahrelang<br />
eingeführten Trademark-Sounds verlässt, sondern<br />
sich selbst immer mehr zurücknimmt und Dinge einfach<br />
passieren lässt. Unfassbar deep und neu.<br />
THADDI •••••<br />
TRÜBY TRIO - A FESTA / JALEO<br />
[COMPOST 146]<br />
Mit A Go Go ebneten sie seinerzeit in der Tat den Weg<br />
für Drum’n’Bossa. A Festa kann das zwar nicht mehr<br />
erfüllen, kombiniert aber Jorge Ben auf so raffinierte<br />
Weise mit Bassline und deepen Synths und Bongos<br />
von Mike T. (Organic Grooves), dass es nur so flockt.<br />
Sure shot. Dazu kümmern sich Cuica und Señor Coconut<br />
um die erste Single Jaleo. Wem dort die Vocals von<br />
Concha Buica zu prägend waren, dürfte durch Simone<br />
Serritella und Pete Herbert beglückt werden. Perfekt<br />
arrangierter Prime-Time-Brasil-House, wie man es<br />
von ihnen kennt. Atom Heart dagegen legt noch einige<br />
Kokosnüsse drauf und zeigt, dass Mallorca und<br />
Mambo nicht nur im Lexikon dicht beieinander liegen.<br />
Spätestens wenn dann aber das Saxophon in die Gitarrenphalanx<br />
hineinbricht, ist mir das aber doch zu<br />
albern.<br />
M.PATH.IQ •••••- •••<br />
PHONIQUE - FAKE IT<br />
[DESSOUS RECORINGS/040]<br />
“Fake It” kommt erst mal in einem deepen ruhigen Re-<br />
quer durch die Szenen von Styro2000, Monoblock B,<br />
Crowdpleaser, Plastique de Reve, Fugo, Steinbrüchel,<br />
Box Blaze, Kalabrese bis hin zu Dictaphone wuselt, eigentlich<br />
durchgehend mit sehr guten Tracks, aber, geben<br />
wir es mal zu, die Schweiz ist musikalisch längst<br />
so fett geworden, dass man mit einer Doppel CD einfach<br />
soviel auslassen muss, was dort passiert (dass die<br />
Schweiz eine <strong>De</strong>troit-Hochburg ist, kommt z.B. gar<br />
nicht vor), dass man sich eigentlich schon gar nicht<br />
mehr nach dem Land benennen müsste. Wir fordern<br />
eine Kanton-Compilation für jeden! Egal. Eher die<br />
rockenden Tracks mit leichtem 80s Einschlag und alles<br />
was irgendwo zwischen Elektro und Knarz Platz<br />
findet. <strong>De</strong>nnoch sehr gute CD für alle, die tatsächlich<br />
wenig von der Schweiz wissen und eher mal von der<br />
Party zu elektronischer Musik kommen.<br />
www.electonique03.ch<br />
BLEED ••••<br />
PHIL WEEKS - YEAH I LIKE THAT<br />
[ROBSOUL RECORDINGS]<br />
Und ob ich das mag. Das Album von Phil Weeks ist<br />
endlich draußen und es featured neben den Tracks,<br />
die schon als Promovinyl durch die Welt geisterten<br />
und die Floors bei jedem Set von ihm und Duriez und<br />
ein paar anderen gerockt haben, noch einen Haufen<br />
anderer und alles ist so verdammt mächtig, dass einem<br />
ganz schwarz vor Augen wird. Weeks ist definitiv<br />
jemand, der nicht nur die Bassline aus dem Sumpf<br />
hebt, sondern auch die Art von Sprechgesang zu dichten<br />
Houseslammern so perfekt beherrscht, dass man<br />
ihm, wenn es nicht so verdammt grooven würde, auch<br />
den ganzen Abend zuhören könnte. Sehr mächtige<br />
Platte die definitiv zu den Houseplatten des Jahres<br />
gehören dürfte. Wenn nicht mehr. Von den alten Hits<br />
mix von Frankman daher, der sehr lässig auf funkigem<br />
Fundament das Vocal auskostet und mit den Strings<br />
in die Höhe treibt, bis eigentlich jeder Housefloor das<br />
hier zu seiner Hymne auserkoren hat. Phonique ist ja<br />
in seiner Produktion etwas direkter und mittlerweile<br />
so ein Bleepliebhaber, dass sich “This Junk” sofort in<br />
die Reihe der lässig bewegenden Hits einreiht, die den<br />
Sommer bestimmt haben, und das breakigere Orignal<br />
von “Fake It” dürfte dann den Herbst einleiten, denn<br />
der fordert definitv wieder mehr Breaks überall, und<br />
glücklicherweise ist Phonique dabei nicht so klassisch<br />
Disco wie viele andere, sondern immer noch sehr harmonisch<br />
und real. Sehr schöne Platte.<br />
www.dessous-recordings.com<br />
BLEED •••••<br />
JAMES DINA4 - LEISURE WORLD<br />
[DIÄT/002]<br />
Endlich die zweite Platte des Bremer Labels, die mit<br />
James DinA 4 natürlich strengst bei der Familie bleibt,<br />
vor allem aber 5 dieser unglaublichen Tracks rausbringt,<br />
die den Sound von James DinA 4 so typisch<br />
und unverwechselbar machen. Mal konteraktive<br />
Grooves, mal straightes Rocken, schwere harmonische<br />
<strong>De</strong>troitsounds, offen gelegte und ans Herz gedrückte<br />
Sampleloops, Beats die Theo Parrish aussehen<br />
lassen wie einen gradlinigen Technoproduzenten,<br />
Stimmfragmente, die lockerer hängen als bei manchen<br />
Herbert Tracks aber trotzdem Stücke, die eine<br />
Faszination ausüben und so unablässig gegen den<br />
Strich grooven, dass man einfach immer wieder voller<br />
Staunen mitwippt.<br />
BLEED •••••<br />
FLOWMOTION - VISUAL PLEASURE VOL.2<br />
[ELEKTROLUX]<br />
Was auf Bayern 3 die Space Night, das ist im Hessen<br />
Fernsehen die Flowmotion. Wer keine Lust hat, Wölkchen<br />
beim Kräuseln überm Nildelta zuzuschauen,<br />
kann hier bei Videoanimationen in den Schlaf finden.<br />
Die Musik kommt trotzdem von Elektrolux, wie auch<br />
bei der Space Night. Die arbeiten weiter am audiovisuellen<br />
Chilloutmonopol, machen sich in ihrer Nische<br />
breit und bringen mit Flowmotion 2.0 schon das zweite<br />
musikalische Resümee ihrer nächtlichen Aktivitäten<br />
heraus. Darauf finden sich mit Múm, Aural Float,<br />
üNN oder The Sushi Club sowas wie die Allstars der<br />
nächtlichen Chilloutgemeinde. Hier also im Doppelpack<br />
der perfekte Bildschirmschoner für vom urbanen<br />
Lärm geplagte Ohren.<br />
LUDWIG ••••<br />
DOLE & KOM PRES. REPLAY - MELODIE & RHYTH-<br />
MUS<br />
[FORCE TRACKS]<br />
Tja, da sind sie wieder die unermüdlichen Kasinogänger<br />
Dole und Kom und zu aller Überraschung auf Force<br />
Tracks. Schenkelklopfende Disco ist die Folge, klar,<br />
mit allem was das Genre so an typischen Basslines,<br />
Strings, Wumms und Effekten zu bieten hat, perfekt<br />
produziert aber irgendwie auch etwas zu glatt und gefällig<br />
für meinen Geschmack und die Rückseite will<br />
auch noch einen Hauch Elektroclash-Darkness abhaben,<br />
was wirklich ein wenig zu viel des Guten ist.<br />
www.force-tracks.net<br />
BLEED ••••-•••<br />
MARKUS MÜLLER - QUATTRO STAGGIONE<br />
[FESTPLATTEN/018]<br />
Festplatten haben ja gerne etwas holziges, sprödes.<br />
Man könnte auch sagen, sie verzichten gern auf überflüssige<br />
Effekte. Und diese vier Funkmonster von Mar-<br />
“Fire in the Woods”, “Hypnose” bis hin zum Killertrack<br />
der zur Zeit alles wegrockt, “Track for Maya”, der Produktion<br />
mit Diz, “Searching For Someone”, eine Platte<br />
die einfach immer stärker wird. Endlich eine Nachfolge<br />
für das Freaks Album gefunden.<br />
www.robsoulrecordings.com<br />
BLEED •••••<br />
NOBODY - PACIFIC DRIFT<br />
[UBIQUITY]<br />
Western Water Music Vol. 1 lautet der Untertitel des<br />
zweiten Albums von Elvin Estela. Darin lässt er wieder<br />
seine Wurzeln HipHop, 60s Psychedelic und Indie-<br />
Pop zusammenfließen. Dieses Mal neigt sich der Wasserpegel<br />
wie die Gästeliste, die von Jimmy Tamborello<br />
und Paul Larson (Dntel), Dave Scher und Chris<br />
Gunst (Beachwood Sparks) und Ikey Owens (Mars<br />
Volta) bevölkert wird, eher dem Indie entgegen. Die<br />
Beats halten das, was aus seinen prähistorischen<br />
Samplern und Sequencern kommt, zusammen. Dabei<br />
träumt er von der Westküste, wie es sonst wohl kein<br />
normaler Fünfundzwanzigjähriger tut. Abstrakter bis<br />
weirder Chill.<br />
www.ubiquityrecords.com<br />
M.PATH.IQ ••••-•••<br />
M a sse und M a cht 0 6 – CD: Alvin Luciers „Ex plora tion of the House“<br />
2 5 .1 0 .2 0 0 3 : Psychogeogra phie III<br />
Begehung Leipziger Pla tz. w w w .musik missbra uch.org<br />
2 9 .1 0 .2 0 0 3 : ma sse und ma cht disco<br />
Ca fé M osk a u, M a tra tzen und M eyer Sound im ersten Stock , 2 0 :0 0 Uhr<br />
www.masseundmacht.com<br />
M a n n e h m e<br />
6 (12)<br />
M O E B E L H O R Z O N<br />
kus Müller machen da keine Ausnahme. Sichtlich<br />
ebenso verliebt in dieses Universum in dem Rock sich<br />
perfekt in einen Technokillertrack transponieren lässt<br />
und die neue Ada mal wieder jeden an die Wand rockt,<br />
der es wagt ein Schulterhalfter zu tragen, kann man<br />
auch schon mal den letzten Spice aus einem Grashalm<br />
knabbern bis alles seelig mit dem Groove klatscht. 4<br />
Hits für alle Freunde von Black Music in Pixeln denen<br />
irgend jemand ein paar Bärte angemalt hat. Wir finden<br />
flipflopflying.com sollte die Festplatten Crew<br />
endlich in seine Hall Of Minipopfame aufnehmen.<br />
www.fest-platten.de<br />
BLEED •••••<br />
K-LED - DETROIT CITY<br />
[FORCE INC/242]<br />
Tja, wem diese Platte in den ersten Tönen nicht vorkommen<br />
wird wie eine <strong>De</strong>troit-Ode von Fabrice Lig,<br />
der hört schlecht. Aber mit dem Beat geht es in eine<br />
ganz andere deepere Richtung von <strong>De</strong>troit, die nicht<br />
so pushy ist, sondern eher grabend und leicht acidinfiziert<br />
mit Rauchschwaden über der Stadt der Ahnen.<br />
Ist <strong>De</strong>troit eigentlich sowas wie Altgriechisch für<br />
Technosophen? Und selbst wenn, dann geht es hier<br />
um einen Eindruck, ein Bild, und das steht und wird<br />
von Winkel zu Winkel eben nur dichter. Die “Change”<br />
Seite kommt mit einem noch langsameren Acidtrack<br />
der sich irgendwie anhört, wie man sich eine frühe<br />
Djax Platte zurechgeträumt haben mag. Sehr gute<br />
Wendung, als <strong>De</strong>troitlabel sollte Force Inc weitermachen.<br />
www.force-inc.com<br />
BLEED •••••<br />
V.A. - F.U.N. COMPILATION<br />
[FOUR MUSIC]<br />
Glänzender Glitzer-Glamour, was ist echt, was ist Fake?<br />
Was ist gut und was nur <strong>De</strong>ko aus der vermeintlichen<br />
Undergroundkostümkiste für Jetsetschneckchen<br />
und Fashion-Boys mit der man sich<br />
schmückt, weil das, hach, so schick ist? Wer kann das<br />
schon sagen, jedenfalls kommt die Compilation des<br />
Berliner F.U.N. Clubs ziemlich lasziv elektroid 80iesmäßig<br />
rüber, mal simpel plump (DJ Naughty), mal augenzwinkernd<br />
(Tiefschwarz), aber immer betont feierwütig,<br />
auch mal gerne ein paar Schweissfleckchen auf<br />
den teuren Gewändern riskierend. Jedenfalls haben<br />
hier die DJs besagten Clubs jeder einen exklusiven<br />
Track beigesteuert und damit einen angemessen<br />
mondänen Soundtrack kreiert, der, so man sich den<br />
darauf einlassen will, durchaus Spaß machen kann<br />
und mit Tiefschwarz, Headman, DJ Kaos und den Turntablerockern<br />
ja auch ganz ordentlich was auffährt. Für<br />
Leute, die Sonnenbrillen auch nachts tragen und kein<br />
Problem damit haben, wenn neben ihnen auf der<br />
Tanzfläche Karl Lagerfeld den Pferdeschwanz kreisen<br />
lässt. Dandytum galore.<br />
LUDWIG •••<br />
ULTRAHIGH - FIBONACCI<br />
[FUMAKILLA]<br />
Tja, das soll ein Ravemonster sein, aber irgendwie fusseln<br />
die beiden, Kerosene und Jammin Unit, dann<br />
doch ein wenig zu sehr oder zuwenig, je nach dem aus<br />
welcher Perspektive man das sieht, in Oldschoolgewässern<br />
herum. “Fibonacci” kann sich nicht so recht<br />
entscheiden, ob es einfach durchschnittlicher<br />
Wummstechno der Mittneunziger sein will oder lieber<br />
doch mal ein Piano rausholt, “Pay Me” versucht in<br />
den etwas neurotisch weggetriggerten Psychofunk<br />
etwas zuviel an unheimlichen, tereminartigen Sounds<br />
reinzudrängen und schwappt dann irgendwann über
BRD • = NEIN / ••••• = JA<br />
in ein Tommy Rework und erst auf der Rückseite<br />
kommt mit dem Autotune Remix von “Pay Me” etwas<br />
mehr für so eine Platte notwendige Direktheit in die<br />
Platte, und dann geht auch wieder alles auf. Manchmal<br />
ist die Grenze zwischen Oldschool und altmodisch<br />
eben nicht leicht zu definieren.<br />
www.fumakilla.de<br />
BLEED •••••-•••<br />
DEXTER - THINGS HAVE CHANGED<br />
[FORCE TRACKS]<br />
Mit Abstand die albernste Force Tracks der letzten<br />
Zeit. Die zur Zeit ganz schön beliebten Vocalstakkatomelodien,<br />
fiepsige Discogrooves und dazu ein Vocal<br />
für alle die Housemusik lieben die sich wie ein Karussell<br />
dreht und von der Vergänglichkeit erzählt, soweit<br />
jedenfalls der Adjuster Mix. Die Dinge verändern sich,<br />
ach, aber manches verändert sich nie. Auf der Rückseite<br />
entpuppt sich ein deeperer Mix in Oldschool mit<br />
Akufensample, als das Orginal von Hakan Lidbo. Es<br />
herrscht schon ganz schön Verwirrung im Land der digitalen<br />
Disco. Lidbo immer vorne dabei.<br />
www.force-tracks.com<br />
BLEED •••••-••••<br />
CLEMENS NEUFELD - FAIRLIGHT / LOVE AT SUN-<br />
SET<br />
[GIANT WHEEL/016]<br />
Großer Sport das. Clemens Neufeld hat so dieses<br />
heimtückische Abräumergrinsen in manchen seiner<br />
Tracks. “Fairlight” bringt das auf den Punkt. Ein relativ<br />
reduzierter Neodisco-Monstergroove, der perfekt<br />
zwischen M.A.N.D.Y. und ähnliche passen würde und<br />
dazu ein so blöde albernes Vocalsample (mal sagt es<br />
“a” mal “o” oder so, jedenfalls klingt wie auf dem old-<br />
schooligsten Sampler der Welt, hey, ein Fairlight etwa?,<br />
zusammengesamplet) und dazu noch ordentliche<br />
Arrangements aus der guten alten Technowelt.<br />
Perfekt. Das kickt, rockt, heizt ein und macht obendrein<br />
auch noch Spaß, weil einfach nicht dreist genug<br />
sein kann. Etwas stampfiger und noch prototypischer<br />
Neodisco, die Rückseite mit Claps aus der Tanzschule<br />
und Strings aus dem Trance-Arsenal, Funk-Gitarren<br />
wie auf einer Supersoundsingle und trotzdem, tja, nix<br />
mit Hüter der elektronischen Intelligenzia und Bewahrer<br />
des kritischen Grooves, das schlägt so manche<br />
Kompakt-12”.<br />
www.giant-wheel.com<br />
BLEED •••••<br />
MEITZ - VERTIKAL<br />
[INFRACOM!]<br />
Raschelnde Snares, Steeldrums, afro-portugiesisch<br />
anmutende Chöre, mal aus weiblichen, mal männlichen<br />
Kehlen, slicke Rhodeslicks und Streicher. Kurz<br />
mal breakige Beats, sprechende Basslines und doch<br />
drängt sich dieser Un-Begriff auf, ja dieser, der Liebhaber<br />
dieser Musik immer so böse schauen lässt, und<br />
um den man manchmal trotzdem nicht herum<br />
kommt, auch wenn’s weh tut. Kurz: Nu-Jazz. Hier nicht<br />
gerade die fröhlich-unbedarfte Variante, wie sie sich<br />
so auf mancher Nuphonic Platte findet, sondern eher<br />
die nachdenkliche und - schon wieder ein Un-Wort -<br />
sophisticatetere Spielart. Solide klassisch, verlässlich<br />
und betont musikalische Arrangements. Wollsocken<br />
an, Honig in den Tee, die CD in die Bang & Oluffsen<br />
schlenzen und gucken, ob sich nicht doch noch mal<br />
kurz die Sonne zeigt.<br />
LUDWIG •••-••••<br />
PSYCHONAUTS - SONGS FOR CREATURES<br />
[INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RECORDS/121]<br />
Schon strange, dass die Psychonauts auf Gigolo gelandet<br />
sind. Das ist nämlich je nach belieben eine 70er<br />
Funkband mit einem satten Psychedelika Overload,<br />
zu dem ein zahnloser Tripster singt, Beachboys Phantasien<br />
in Plüsch, Freaks-Rock mit Knieschonern, Slideguitar<br />
Flowermusikalität die selbst Manitoba als überzogen<br />
betrachten könnte, Mundharmonika Hi-Energy<br />
für Trucker und noch so ein paar diverse skurrile Dinge<br />
mehr. Mann könnte fast sagen, hey, das sind druchgeknallte<br />
Engländer, die machen sowas wenn es ihnen<br />
im Studio zu rauchig wird, und klar, schon andere sind<br />
dem Kif erlegen, nur, wenn sie dann nicht manchmal<br />
dieses Klebrige an den Fingern hätten, dass kommt<br />
wenn der Stoff einfach zu frisch ist, dann gäbe es eigentlich<br />
auch nichts was einen diesen Trip nicht mitmachen<br />
liesse. So muss man schon durch gelegentliche<br />
Untiefen.<br />
www.gigolo-records.de<br />
BLEED •••••-•••<br />
TERRENCE FIXMER<br />
[INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RECORDS/127]<br />
Tja, mit Fixmer komme ich einfach nicht klar. Das ist<br />
mir zu sehr Düsterelektro der aus seinen Hollywoodvorbildsoundscapes<br />
einfach nicht so wirklich den<br />
Sprung schafft, Tracks zu machen, die einem etwas<br />
mehr als einen kalten Schauer des “gleich kommt ne<br />
Verfolgungsjagt” Bangens beizubringen. Er macht das<br />
gut, aber letztendlich klingts dann doch wie Musik zu<br />
einem etwas stumpfsinnigen One-Person Shooter.<br />
www.gigolo-records.de<br />
BLEED •••<br />
HELL FEAT ERLEND OYE - KEEP ON WAITING<br />
[INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO<br />
RECORDS/122]<br />
Hey, wenn das hier der neue Style von Hell ist der<br />
auch auf seiner kommenden LP “NY Muscle” kommt,<br />
dann war Hell nie besser, und Erlend Oye übrigens<br />
auch nicht. Killertrack durch und durch der einfach<br />
gar nicht gestrickt sein könnte und trotzdem perfekt<br />
rockt. Beats aus der darken NoWave wie auch immer<br />
ihr es nennen wollt Schule, einfach Bassline und Sequenz<br />
drüber und mehr braucht es gar nicht außer<br />
vielleicht hier und da mal ein Break und schon rockt<br />
Hell ganz vorne mit in der Neodiscoszene an der er ja<br />
eh nicht ganz unschuldig ist. <strong>De</strong>r Remix von Tomas<br />
Andersson ein bischen mehr klassisches Clubflair mit<br />
DAF-artigen Sequenzen und viel Claps und Bleeps<br />
aber bleibt der Art von Retro treu, die jedesmal Revolution<br />
rufen möchte wenn es etwas neues gibt das mal<br />
alt war aber jetzt wieder ganz neu klingt. Hit.<br />
www.gigolo-records.de<br />
BLEED •••••<br />
FABRICE LIG - LOS PICAROS<br />
[KANZLERAMT/098]<br />
Tja, wer gedacht hätte, Fabrice ruht sich jetzt erst mal<br />
aus auf den Loorbeeren seines Monsterhits auf der<br />
letzten “Universal Tech” EP und dem Album bei Raygun,<br />
der hat sich verdammt getäuscht, denn hier erfindet<br />
er Latin-<strong>De</strong>troit noch einmal mit so poppig<br />
übertriebenem Charme und fast prototypisch neu,<br />
dass man, obwohl hier schon wieder ein “<strong>De</strong>troit”-<br />
Sample vorkommt und die Strings und Basslines aus<br />
der Reese Schule stammen, langsam glaubt, Fabrice<br />
wäre soetwas wie ein Architekt, der Monumente für<br />
die Vergangenheit entwirft, die sie jedes Mal ein wenig<br />
größer erscheinen lassen und das Monument<br />
selbst jedesmal noch atemberaubender. Auf der Rückseite<br />
kontert Diego ganz unerwartet mit einem Remix,<br />
der augenzwinkernd zu den Jazzanovas rübergroovt.<br />
<strong>De</strong>ep, breakend und verdammt lässig federnd<br />
und gnadenlos durchgezogen bis hin zum virtuellen<br />
dial16<br />
v.a. - the lost tracks<br />
lost tracks by autosundmädchen, carsten jost and<br />
cross fade enter tainment.<br />
www.dial-rec.de<br />
Xylophonsolo.<br />
www.kanzleramt.com<br />
BLEED •••••<br />
HEIKO VOSS - I THINK ABOUT YOU<br />
[KOMPAKT POP/003]<br />
Eine Gesangsnummer mit leichtem Popfunk-Hintergrund,<br />
für die Heiko Voss viele Gitarren, Strings und<br />
dezente 70er Discobeats verwendet hat, was man<br />
natürlich schon endlos oft gehört hat, und, klar, wenn<br />
man immer an dich denkt, dann wiederholt man das<br />
auch immer, aber hören wir uns doch mal die Remixe<br />
an. <strong>De</strong>r Geiger Mix plustert den Track auf zu einem<br />
richtigen Discodubmonster, das die Elemente des Orginals<br />
eher ans versöhnliche Ende verlegt. Koze ist<br />
schon auf dem “I” hängen geblieben und baut sich,<br />
leicht mönchshaft, seine Disco-Funkvariante drumherum,<br />
die mit Sicherheit auch auf Physical hätte erscheinen<br />
können, den 7ten Himmel unter der Discokugel<br />
verspricht, hält und einlöst. Zum Abschluss versucht<br />
Adolf Noise, das Ganze dann noch klingen zu<br />
lassen, als wäre es eigentlich eine Turner-Maxi. Dank<br />
an die Erfindung des Remixes.<br />
www.kompakt-net.de<br />
BLEED •••-•••••<br />
SUPERPITCHER / WASSERMANN - SCHAFFELFIE-<br />
BER 2 [KOMPAKT/082]<br />
<strong>De</strong>r Superpitcher Track von der Schaffelfieber CD und<br />
ein neues Wassermann Stück. Zur trancig triefigen<br />
String-Sause von “To Turn You On” ist eigentlich<br />
schon alles gesagt, wenn man weiß, mit wieviel Hingabe<br />
Trance in Köln zur Zeit wieder gepflegt wird, und<br />
auch wenn es einen etwas tragischen Beigeschmack<br />
hat, nimmt man das gerne mit, der Hit aber ist sicher<br />
die Glamrock-Schmonzette von Wassermann auf der<br />
Rückseite, die dem Freiland die Lederhosen als Trophäe<br />
überreicht und sich freudig und ausgelassen auf<br />
die Schenkel klopft, während sich die Pop-Ideen Kölns<br />
mal wieder im Kreise drehen.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
DR. SCHMIDT - BORG<br />
[MASCHINEN MUSIK 01]<br />
Maschinen-Musik ist Dr. Schmidt und Schmidt ist gerade<br />
in Süddeutschland kein Unbekannter in der DJ-<br />
Szene. Mit seinem neu gegründeten Label will er sich<br />
und anderen jetzt eine Plattform für elektronische<br />
Musik zwischen Breakbeat, Elektro und Techno, verpackt<br />
in einem kühlen industriellen Gewand schaffen.<br />
Release Nummer 1 kommt natürlich von ihm selbst:<br />
die vorliegende 12” mit 3 Stücken skizziert recht anschaulich<br />
das, was Dr. Schmidt mit seinem Label vorhat:<br />
darker, Industrialelektrobreakbeat gepaart mit<br />
Atmosphäre und Melodie aufs Vinyl und die Tanzfläche<br />
zu bringen. Borg auf der A-Seite ist ein derber<br />
Elektrokracher und mit dem nötigen Druck und Tempo<br />
gut clubtauglich. Die Flip kommt etwas ruhiger daher.<br />
Robot’s Dream schiebt sich in kühler Ästhetik<br />
voran, umgarnt von Flächen und Melodien und mit Electronic<br />
Self wird die Platte mit entspannten elektroiden<br />
Breakbeats abgerundet. Eine viel versprechende<br />
Startveröffentlichung. Zu bestellen und zu hören unter:<br />
www.maschinen-musik.de<br />
FABIAN •••••<br />
STAR YOU STAR ME - ANTIDIS<br />
[MOOD MUSIC 021]<br />
Tatu Metsatahti und Jani Lehto, die zwei Jungs hinter<br />
Star You Star Me schwelgen mit “Antidis” in melodischen,<br />
angenehm unaufgeregten House-Sphären. Die<br />
Original-Version mit Rhodes-Chords und harmonischen<br />
Stringsätzen baut freundlich eine Hängematte,<br />
in die sich der Beat entspannt fallen lassen kann, und<br />
das tut er dann auch gerne. So wiederholt sich dann<br />
Pattern um Pattern, alles ist am richtigen Platz, ohne<br />
dass viel passiert und man kann sich zurücklehnen,<br />
ohne von einer unerwarteten Wendung überrascht zu<br />
werden. Im Common Factor Mix kommt der Track<br />
zunächst etwas trockener und die zirpsigen Melodien<br />
rücken mehr in den Vordergrund, werden dann Richtung<br />
Ende aber wieder von mehr Melodien aus dem<br />
höheren Klangspektrum umgarnt. Sasse bzw. Freestyle<br />
Man haut uns dann auf der B-Seite mit seinem Thirsty<br />
Monk Mix die analog Snares um die Ohren, verstärkt<br />
die Percussion-Komponente und greift sich<br />
eher die düsteren Melodielemente heraus und trimmt<br />
so das Ganze Richtung Club-affinem, Elektro beeinflusstem<br />
House, was sich wiederum mit dem ohnehin<br />
schon stark repetitiven Charakter des Originals gut<br />
verträgt und atmosphärisch dem Track auf jeden Fall<br />
neue Seiten abgewinnt.<br />
LUDWIG ••••<br />
ALESSANDRO OLIVIERO - REVIEW AND PROFILE<br />
EP [PERFECT.TOY 005 / GROOVE ATTACK]<br />
Zumeist lässt sich NuJazz von Jazz in seinen Strukturen<br />
gar nicht unterscheiden. Und doch ändert sich die<br />
Natur schon durch die Verwendung von Loops gewaltig.<br />
Alessandro Oliveiros Musik klingt wie die perfekte<br />
Ineinanderreihung von Sessionschleifen. Eben genau<br />
der lupenreine Klang, von dem sich Compost zur<br />
Zeit eher distanziert. Eigentlich schade, denn Oliveiro<br />
beherrscht die Temperamente anscheinend spielerisch,<br />
zeigt sich dabei aber nie übertrieben verspielt,<br />
sondern eher mit einem klaren Blick zurück, also sachlicher<br />
als seine Mitstreiter bei Schema. Wie der Titel<br />
schon sagt, eine Essenz dessen, was man ruhigen Gewissens<br />
NuJazz nennen darf. Mich erfreut insbesondere<br />
der Latin-Percussion-Bassline-flow von ‘Get Off’.<br />
www.perfecttoy.de<br />
M.PATH.IQ •••••-•••<br />
HENRIK SCHWARZ - CHICAGO<br />
[MOOD MUSIC 023]<br />
Die Mood Music Nummer 23 heißt nicht nur Chicago,<br />
sondern klingt auch so. Henrik Schwarz hat da aus<br />
Roy Ayers “Chicago” einen vor <strong>De</strong>epness im positivsten<br />
aller Sinne nur so strotzenden, sich zeitlupenartig<br />
entwickelnden, ziemlichen massiven Brummer<br />
von einem Track gebastelt. Ein Track, der sich so richtig<br />
viel Zeit nimmt, sich lässig groovend aus dem Intro<br />
schält, mit Strings, die sich im Hintergrund gemächlich<br />
hochschaukeln und runtergepitchter Stimme, die<br />
immer wieder - na was wohl -”Chicago” grummelt und<br />
die, wie auch Teile des strictly einfach gehaltenen Beats,<br />
durch die verschiedenen Frequenzbereiche gewarped<br />
wird. Langsamkeit ruled hier und trotzdem:<br />
Bei all diesen plakativen Zutaten wirkt das Ganze<br />
nicht aufgesetzt, im Sinne von “Och, jetzt mach ich<br />
mal auf Theo Parrish”, sondern extrem dicht verwoben<br />
und als Ganzes richtig stimmig. Kickt! Kann man<br />
nur hoffen, dass Henrik Schwarz nicht anfängt hinter<br />
Vorhängen aufzulegen und sich auf die Mixe freuen,<br />
denn die sind auf der Promo noch nicht mit drauf.<br />
LUDWIG •••••<br />
HENRIK SCHWARZ - CHICAGO<br />
[MOOD MUSIC 025]<br />
Uargh! Er zeigte kürzlichst erst bei Jon, seinem ersten<br />
Release auf seinem eigenen Imprint Sunday Music,<br />
dass er ein unglaubliches Gefühl für epische Strukturen<br />
hat, die nicht nur Gilles Peterson oder Michael<br />
Rütten zu Supportern machen, sondern auch noch<br />
derbe grooven. Und nun haut er auf Sasses Mood Music<br />
ein dermaßen kickendes <strong>De</strong>epHouse-Brett raus,<br />
dass es selbst mich, obwohl ich nur sehr selten die<br />
straighten Sachen präferiere (Ja, Outings sind out...),<br />
richtig erwischt hat. Dieses Mal hat er sich nach Jon<br />
Lucien eben selbiges Chicago von Altmeister Roy Ayers<br />
gegriffen und schafft es, diesen in ein so neues Gewand<br />
zu hüllen, das es wohl fast gar nicht auffallen<br />
wird. Wer das Original kennt, wird mir aber in jedem<br />
Falle beipflichten, wenn ich sage, dass es hier zu einer<br />
verblüffenden bis genialen Interpretation kommt. Ein<br />
Endlosfilterintro steigert die Spannung, bis endlich<br />
die 115 Schläge percussiv daherstampfen, und sich<br />
bald auch ein Chic-Sample einarbeitet, das dann erst<br />
im kurzen aber exstatischen Hauptteil im Ganzen erstrahlt.<br />
Ich kann die jubelnden Schreie schon hören...<br />
Auch live ein Killer!<br />
www.moodmusicrecords.com<br />
M.PATH.IQ •••••<br />
V.A. - MICROFUNK E.P.<br />
[NEUTON MUSIC/012]<br />
Das ist endlich mal die richtige Idee für das Inhouselabel<br />
von Neuton. Minicompilations zu einem guten<br />
Thema mit Ausnahme-Tracks der Leute machen, die in<br />
ihrem Vertrieb sind, oder einfach zur ausgedehnten<br />
Familie gehören könnten. Jackmate, M.I.A., Cabanne<br />
und <strong>De</strong>frag Sound Processing. Eine Tour dazu soll es<br />
auch noch geben. Aber von vorn: “Tapeworms” von<br />
Jackmate kickt mit einem sehr skurrilen Vocal, das in<br />
den besten Chicagozeiten schon ein Muss gewesen<br />
wäre und hier zu konkret quietschig hüpfenden Beats<br />
und heimlichen Oldschool-Schüssen einfach glücklich<br />
macht. M.I.A. ist immer sweet, sie hätte ihren Track<br />
gar nicht so nennen müssen, obwohl es einfach zu gut<br />
passt. Sehr melancholisch bassgetriebener Minimaltrab<br />
mit einer charmanten Oldschool-Synth-Sound-<br />
Melodie, die den Bassbin-Brecher perfekt abrundet.<br />
Am besten zum Thema passt natürlich der Cabanne<br />
Track “Tartaton”, der mit leichten clickrig schuffelnden<br />
Beats und analogen Blubbereffekten zu Schluckauf-Breaks<br />
und spartanischer Topfdeckel-Percussion<br />
ein Nest für alle baut, die den Groove verknubbelt<br />
und kompakt (nein, nicht die) lieben. Etwas relaxter in<br />
den Knien groovend, aber mit einem ähnlichen Sound,<br />
kommt der Italiener <strong>De</strong>frag Sound Processing daher<br />
und wendet den Sound ins dezent melancholische mit<br />
einem deepen Orgelvibe. Sehr schöne Compilation<br />
auf jeden fall.<br />
www.neuton.com<br />
BLEED •••••<br />
TOLCHA - STREET VIBES<br />
[P-PACK RECORDS / LASSOMUSIC]<br />
“Oh Streets vibes, cold like ice”, singt der Reaggae-<br />
Künstler Martin Jondo immer wieder über die Flächen<br />
von Tolchas <strong>De</strong>but-12” und beweist damit, dass man<br />
nicht viel Textmasse braucht., um einen Track zu füllen.<br />
<strong>De</strong>büt-12” ist ein wenig untertrieben: Genau genommen<br />
ist es eine Doppel 12”. Ihren Sound bezeichneten<br />
die vier Berliner mal als Elektro-Dub. In ihrem<br />
aktuellen Info heißt es inzwischen etwas genauer “electronic<br />
crossover”, obwohl auch dieser Name das<br />
Phänomen Tolcha noch nicht richtig fasst, denn soo<br />
elektronisch ist es nicht die Loops und Samples vom<br />
Laptop mit Schlagzeug, Bass, Percussion und DJ zu begleiten.<br />
Aber es ist doch das treffendste Wort für die<br />
große Musik, die Tolcha abliefern und der man anhört,<br />
wie wohlüberlegt der Auftritt ist. Die Sounds sind<br />
feingedreht, die Flächen aufgeräumt, der Rhythmus<br />
treibt. An Tolcha ist alles selbstgemacht: der Sound,<br />
das Cover mit der “Never Mind the Bollocks”-Farbgebung,<br />
die Visuals, welche sie bei Konzerten hinter die<br />
Bühne projizieren und auch das Label: P-Pack Records.<br />
Alles außer den sechs Remixen: Die stammen<br />
von Kraans de Lutin + Mellow Mark, den Produzenten<br />
der Puppet Masters Prosetti Brothers, dem broken-<br />
beats Künstler Seidemann (Hammer-Rmx!!), den Bungalow<br />
Machern Le Hammond Inferno und Ms. John<br />
Soda, die zur Hälfte aus dem Notwist Gitarristen besteht<br />
und deren Rmx schicke Indie-Gitarren sportet.<br />
Super Platte von einer Band von der noch mehr zu erwarten<br />
sein dürfte und die vor allem auf dem Tanzboden<br />
funktioniert. Thumbs up, Kumpel!<br />
JANK •••••<br />
CRACK - WE ARE ROCK<br />
[INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RE-<br />
CORDS/126]<br />
Sehr skurrile Platte, die auch mal Leuten gefallen<br />
dürfte, denen Gigolo normalerweise etwas zu provokant<br />
ist, denn hier bratzt die Bassline zwar, und es gibt<br />
auch einen gepflegten Punkette Sprechgesang, aber<br />
irgendwie ist das doch eher ein smoother ruhiger<br />
Track der eher spooky und zum zuhören ist. Perfekt<br />
für Bladerunner und andere Szenarios des kalten Krieges<br />
zwischen Robotern und dem Rest. Auf der Rückseite<br />
ein Tommie Sunshine Electro Remix der zwischen<br />
den satten Beats immer noch Zeit findet mit<br />
den Fingern zu schnippen, als wäre er der Chefgangster<br />
Chicagos per se.<br />
www.gigolo-records.de<br />
BLEED •••••<br />
BASIL FEAT. DIGITAL DIVIDE - ANOTHER WAY<br />
[PESTO/002]<br />
Sehr deepe Vocalhouse-Platte mit Remixen vom Jesper<br />
Dahlbäck Cousin John, Pino Shamlou und einem<br />
Pesto Dub, dieses Tracks, der hier noch mal als Rework<br />
mit sehr süßlichen Melodien und einer Trompete zu<br />
nicht gerade Weisheit versprühenden Lyrics zur Relativitätstheorie<br />
(“between black and white i found shades<br />
of grey”) kommt. Dahlbäck packt das Vocal weich<br />
und muffig ein und flirrt mit eher smoothen Harmoniewechseln<br />
und analogem Synthsound mit leicht detroitigen<br />
Bleeps herum, was noch mal 100% mehr<br />
<strong>De</strong>epness verheißt, Shamlou holt sich leider das<br />
Trompetensample ins Haus und scheint die sonstigen<br />
Sounds von einer Sample-CD zu holen, während der<br />
Dub dann mächtig und mit leicht 2Stepiger Bassline<br />
losgroovt. Wir hätten’s genau andersrum gepresst.<br />
www.pesto.de<br />
BLEED •••-•••••<br />
SID DITHERS & JOHNY LARUE - THE 2ND CITY EP<br />
[ONITOR/020]<br />
Jeff Milligan und Mike Shannon sind schon ein Dream<br />
Team, da gibt es gar nichts. 4 minimale Tracks mit deepen<br />
Bassdrums und plinkernden Melodien die so gut<br />
auf den Zähnen rollen, dass man am liebsten eine Orgel<br />
von den beiden kaufen möchte. Verspielt und vertrackt<br />
aber nie jenseits des Dancefloors, den die beiden<br />
hier besser denn jeh im Griff haben. Milligan etwas<br />
trockener auf der A-Seite und Mike Shannon mit<br />
staighterem Wumms auf der B-Seite, aber dennoch<br />
beide mit Tracks die eine verdammt schlüssige 12” abgeben.<br />
Minimalstfunk der Techno auch in 4 Dimensionen<br />
buchstabieren kann.<br />
www.onitor.de<br />
BLEED •••••<br />
DETROIT GRAND PUBAHS - THE CLAPPER<br />
[POKER FLAT/038]<br />
Schon merkwürdig für Poker Flat, dass sie jetzt auf<br />
einmal die Pubahs haben, und dass nicht nur für diese<br />
EP, sogar ein Album soll nächstes Jahr folgen. <strong>De</strong>r<br />
neue Track von ihnen dürfte allerdings das Herz der<br />
Martini Brös so dermaßen getroffen haben, dass wir<br />
es auch wiederum verstehen können. “The Clapper”<br />
ist schon ein richiges Monster, dass die verdrehte<br />
Ghostbuster-Stimme immer intensiver klingen lässt,<br />
und den Beat dazu langsam immer höher schraubt, so<br />
dass definitiv irgendwann jeden Dancefloor explodie-<br />
ren lässt. <strong>De</strong>r Dahlbäck (Jesper) Remix ist eine ganze<br />
Ecke straighter und so technoid wie man ihn vielleicht<br />
erst mal auf einer Pubahs EP nicht erwartet. Die Stimme<br />
ist wieder runtergetunt und so extrem böse und in<br />
seiner sturen Art definitiv ein Monsterhit, der dem<br />
Orginal ebenbürtig ist.<br />
www.pokerflat-recordings.com<br />
BLEED •••••<br />
MATTHIAS SCHAFFHÄUSER / JAUMETIC - REGU-<br />
LAR LOOKS AT WARE [REGULAR/005]<br />
In einer Serie von 3 SplitEPs macht das Label von Jaume<br />
aus Barcelona einen Rundgang durch Kölner Labellandschaften<br />
und teilt sich jeweils eine 12” mit einem<br />
der Acts der Label. Matthias Schaffhäuser hat<br />
viel Platz um sich mit sehr breiten Dubbasslines und<br />
leichtem Geknacker zu Soundeffekten langsam hochzusteigern<br />
vom deepesten Punkt der Party aus hin zu<br />
einem wirklich verwirrend sprudelnden Slammer namens<br />
“Being Wild”. Während Jaumetic (ich finde die<br />
Punkte auf dem E grad nicht) auf der Rückseite mit<br />
putzig deepen Harmoniewechseln und schwer sinnierender<br />
Orgel eine Art von Nanoprobe aus <strong>De</strong>troit<br />
zieht und in klinisch flirrend percussiver Art mit fast<br />
Latinartigen Melodien verziert und die Festplatten<br />
nur von den Rändern des grossen Kuchens snacken<br />
lässt, während mittendrin eine Ode an Minimalpop<br />
singt, die wir so zurückgenommen und zwingend<br />
schon länger nicht mehr gehört haben. Zwei sehr deepe<br />
Hits.<br />
www.regularlabel.com<br />
BLEED ••••<br />
ZOOM - SAFETY PIN<br />
[SENATOR RECORDINGS 001]<br />
Ein neues Label aus Frankfurt am Main, dass sich laut<br />
Angaben auf ihrer Website sowohl Techno und House,<br />
als auch der Kombination aus beiden widmen will.<br />
Das ist ist ja nun nicht bahnbrechend neu, aber man<br />
muss ja nun auch nicht alle 10 Minuten das Rad neu<br />
erfinden. <strong>De</strong>r erste Release kommt von Zoom und ist<br />
im Original eher housig, mit holzig-klapprigem Beat,<br />
diesem berühmten “Hahaha”-Sample, dessen düstres<br />
Lachen von Effekten nach hinten in den Raum gezerrt<br />
zu werden scheint. Ansonsten sägt da eine gameboymäßige<br />
Synthieline im Hintergrund herum und<br />
melancholische Chords fächern blass durch den<br />
Raum. George Spruce sorgt mit dem Horse Gold-Mix<br />
schon für mehr Drive, wenn auch nicht unbedingt für<br />
frischen Wind. Wobei der Mix mit trockenen Snares,<br />
Pieps-Sounds und einem Zap-Sound, der zusammen<br />
mit der federnden Bassline alles zum Hüpfen bringt,<br />
natürlich auch nicht um das “Hahaha”-Sample drum<br />
rum kommt und am Ende wieder von den Flächen<br />
nascht. Wie auch bei der “Antidis” (Mood Music 21)<br />
sorgt Freestyle Man Sasse wieder mit einem Thirsty<br />
Monk Mix auf der B-Seite für die clubigere Variante,<br />
packt eine gute Ladung mehr Druck hinein und bringt<br />
den Mix so richtig ins Rollen, indem er die breakig gesetzten<br />
Snare-Drums zusammen mit dem Bass so filtert,<br />
dass dieser Talking-Drum-Effekt entsteht. Das<br />
rockt! Sonst: solider, aber nicht gerade aufregender<br />
Labelstart. www.senator-recordings.com/<br />
LUDWIG ••••<br />
MISC. - TRASH TALK EP<br />
[SENDER/029]<br />
Etwas sehr dem Sender Sound angepasst, dürfte die<br />
erste Überraschung sein, wenn man die neue Misc. EP<br />
anhört. <strong>De</strong>r erste Track versucht die bratzigen Basslines<br />
von soetwas wie Headcleaner nachzuempfinden,<br />
wirkt aber nicht ganz so drängend, der zweite wühlt in<br />
dunklen Harmonien und einem Endzeitvocal (“Störsignal”)<br />
ohne dabei ganz so in die Tiefe zu gehen wie<br />
manches von Carsten Jost, und erst auf der Rückseite<br />
finden sie wieder mehr zu ihrer Form zurück und machen<br />
einen Track, bei dem die Sounds orginell und klar<br />
klingen, und alles etwas mehr Flow hat, als nur nach<br />
einer Stilübung zu klingen. <strong>De</strong>r Abschluss klingt ein<br />
wenig wie ein Add-On zu ihrer Niederflur Serie.<br />
www.sender-records.de<br />
BLEED ••••<br />
REWORK - MONTPELLIER<br />
[SCHEINSELBSTÄNDIG/007]<br />
Egal was Rework machen, das stimmt schon. Eine 4<br />
Track Ep auf der sie mal so richtig jenseits vom Popdruck<br />
der wohl nach “You´re so just” auf ihnen lasten<br />
müsste, losjammen können. Die Sängerin kommt dabei<br />
so lakonisch rüber als wäre sie die kleine Tochter<br />
von DJ Rush und die Beats hämmern und rocken hinter<br />
ihr weg als wäre das hier die einzig ware Discotruppe<br />
ohne Illusionen. Auf der Rückseite noch ein<br />
Oldschooltechnoacidhit mit Casiodrums und ein kleines<br />
Stück Grammophonjazz mit Skipps. Perfekt.<br />
www.scheinselbstaendig.net<br />
BLEED •••••<br />
ANDERS ILAR<br />
[SHITKATAPULT/042]<br />
Wer macht die reduziertesten Ravehymnen im<br />
ganzen Land? Richtig, Anders Ilar. Auf seiner neuen<br />
Shitkatapult EP rockt er mit sehr ausgefeilten harmonisch<br />
verdrehten Acidbasslines und einer Bassdrum<br />
die sich tief ins Herz pflockt zu einem Hintergrund<br />
aus trudelnden leicht trancigen Sequenzen, die auf<br />
völlig unmögliche Weise nach <strong>De</strong>troit klingt ohne<br />
nach <strong>De</strong>troit zu klingen. Ihr wisst, was ich meine. Ein<br />
Track der Superpitcher an monströser Elegie locker<br />
um Längen überholt. Auf der Rückseite dann wieder<br />
eisiger, wie man es von seinem Album kennt. Sehr<br />
weitläufige Flächenhintergründe zu grabend tiefen<br />
Basslines und clickrigem Groove, bei dem jedes Kerzenlicht<br />
zu einem Eiskristall gefriert auf dem ersten,<br />
und Subbassorgien mit angekratzer Oberfläche auf<br />
dem zweiten Track, den für mich so klingt, wie eine<br />
herbeihalluzinierte Hymne aus den nicht mehr existenten<br />
Ruinen des Ostgut.<br />
www.shitkatapult.com<br />
BLEED •••••<br />
KLAS LINDBLAD<br />
[SUNDAY MUSIC 002]<br />
Nach der extrem coolen ersten Sunday Music von Klas<br />
(aka Freestyle Man, Sasse) und Henrik Schwartz, auf<br />
der die beiden <strong>De</strong>ep House aufs Nötigste reduziert<br />
haben, schaltet Klas hier einen Gang zurück. Es wird<br />
heimelig. da passt der Name des Labels, wie der Holzscheit<br />
in den Kamin. Sehr entspannte Tracks, locker<br />
angebreakt und auch hier kein Krümel typsichen<br />
<strong>De</strong>ep House-Schluffs zu viel. Sehr cool.<br />
www.dnp-music.com<br />
SVEN.VT ••••-•••••<br />
GEORG LEVIN - YOU KNOW WHAT YOU WANT ...<br />
[SONAR KOLLEKTIV 13]<br />
Man mag von Georg Levins Album halten, was man in<br />
seinen Soul-Ressentiments will. Aber die EP-Auskopplungen<br />
und Remixe verschieben das Licht. Es fällt<br />
plötzlich aus dem etwas sehr gefühlig gefälligen Maßanzugs-Feldweg<br />
auf spitziges Kopfsteinpflaster.<br />
Dixons Street Edit von “You know what you want ...”<br />
bewegt sich noch in einem Rahmen, in dem sich ausgewiesene<br />
House-Kenner hinter vorgehaltener Hand<br />
Karaoke Kalk Roonstrasse 61 | 50674 Köln | kalkfee@netcologne.de | www.karaokekalk.de | Im Vertrieb von Indigo, Hausmusik, Kompakt & A-Musik.<br />
Im Oktober<br />
Pluramon feat. Julee Cruise<br />
Dreams Top Rock<br />
kk32 | cd23<br />
Im November<br />
Pascal Schäfer<br />
Melody Express<br />
kk33<br />
das Attribut “deep” zuraunen. Space-gesanglich interessant,<br />
aber insgesamt sehr abgesichert wohlig. Die<br />
beiden Spinna-Remixe von “In your car” - der Spannungs-geladenere<br />
editiert von Dixon - machen aus<br />
Georg Levin aber den coolsten Neo-Soul-Stepfather<br />
seit Mtume und Nick Martinelli: die abgespeckte<br />
Wahrheit hinter lederbeschlagenen Loft-Entrees.<br />
JEEP ••••<br />
COORDINATES - TUNING FIELDS<br />
[SUB STATIC/032]<br />
Irgendwie hinterlässt Sub Static gerade den Eindruck<br />
,als würden sie ein wenig Minimalismus-Pause in <strong>De</strong>troitigeren<br />
Sounds suchen, aber der Sound von Coordinates<br />
hat beides, diese bestimmte Art Sounds nicht<br />
ausbrechen zu lassen, und das deepe Jamflavour von<br />
<strong>De</strong>troittracks, die so schwermütig aber dennoch ungebrochen<br />
dahingleiten. Zwei Tracks, die einem endlos<br />
viel Zeit lassen, sich in den Groove einzuleben und<br />
dann einfach nur immer ungreifbarer werden. Sehr<br />
schöne sehr unscheinbare Platte.<br />
www.sub-static.de<br />
BLEED •••••<br />
ATTILA JAHANVASH - MADE IN IRAN<br />
[Z-SCHALLPLATTEN/011]<br />
Acht neue Tracks von Jahanvash, die seine unterkühlte<br />
aber dennoch intensive Art von verhangen dunklen<br />
aber auch halluzinatorischen Technotracks noch einmal<br />
in voller Bandbreite auf den Teller legen und dabei<br />
manchmal mehr rocken als zuvor, wie z.B. bei<br />
“Nicht Ohne <strong>De</strong>ine Tochter” oder dem fast überraschend<br />
funkigen “The American Way”, manchmal<br />
aber auch wenig zu sehr diese Art von schnellschiessenden<br />
Basslinesequenzen als Basis nimmt, die manche<br />
Trancetracks als Fundament ansehen und hier<br />
glücklicherweise von sehr breit geschichteten Sounds<br />
und Effekten aufgefangen wird. Vielseitiger als bisher,<br />
aber immer noch sehr verwüstet.<br />
www.z-schallplatten.de<br />
BLEED ••••<br />
OLIVER NICOLO & WOLLE HAARNAGEL - MITTE<br />
SUCKS EP [TEN24FIVE MUSIC/001]<br />
Ja, oder? Kreuzberg ist geil. <strong>De</strong>r SO36-Resident Wolle<br />
und Oliver Nicolo schlagen zurück. Sagen wir’s mal so:<br />
Mitte suckt mindestens schon länger als Neue Mitte.<br />
Gibt’s Mitte überhaupt anders denn als Schimpfwort?<br />
Jedenfalls in Berlin? Nun ja. Und die Tracks dazu? Etwas<br />
gestelzte Technoslammer mit stampfigen Beats<br />
und relativ reduziertem Sound. “Eins” gerade und aufrecht<br />
wie ‘ne Eins und “I Say” mit Oldschool-Drumsounds<br />
und Mitte-Bassline. Trocken, spartanisch, aber<br />
nicht ganz so selbsterklärlich wie der Titel der EP.<br />
BLEED ••••<br />
STERIL - A DAY AT THE RACES<br />
[INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RCORDS/128]<br />
Sagen wirs mal so. “While You Were Art” ist so etwas<br />
wie ein japanisches “Inner City Life” das am liebsten<br />
als Oper aufgeführt werden möchte. Die ganze Platte<br />
hat so etwas. Man will ganz groß hinaus (“es sollte ein<br />
Film werden, der nie gedreht wurde”), man will das alles<br />
sagen, man will so richtig Pop sein, aber irgendwie<br />
bricht das mittendrin dann doch immer zusammen<br />
und man bleibt ein Teil der grossen Träume von einer<br />
Unterhaltungsindustrie des Undergrounds, den man<br />
nun doch nicht so einfach nachmachen kann. Etwas<br />
für Leute die auch Jazztanz Unterricht nehmen würden.<br />
www.sterilatex.com/<br />
BLEED •••-••••<br />
MARCO CABRAL - I [TRAPEZ LTD/009]<br />
Eine für diese Ltd. Serie relativ darke Platte, deren A-<br />
Seiten Track mit einer funkig kantigen Bassline und<br />
flirrendem Hintergrund langsam immer drängender<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
BRD • = NEIN / ••••• = JA<br />
wird auf einer Art, die man vielleicht als eine Kreu-<br />
zung aus DAF und Housemusik beschreiben könnte.<br />
Auf der B-Seite mit ähnlich knubbeligen Basslines<br />
aber mehr Sounds und einem nervösen Background<br />
aus Discoresten, die flattern wie aufgescheuchte<br />
fliegende Hunde, deren Flugbahnen irgendeine Me-<br />
lancholie nachzeichnen. <strong>De</strong>r letzte Track ist dann ei-<br />
ner dieser strangen Kanalisationsepen, in denen al-<br />
les glitzert, obwohl eigentlich kein Licht da sein<br />
dürfte.<br />
BLEED ••••<br />
RILEY REINHOLD & STEVE BARNES - AIRFIX<br />
[TRAPEZ/032]<br />
Die erste Platte von Riley auf einem seiner Label,<br />
produziert mit seinem langjährigen Freund Barnes,<br />
aka Process, und wer sich noch an die EMD von ihm<br />
erinnern kann, der weiß, RRR geht es eher um den<br />
Groove, die Beständigkeit, als um kleinteilige Arran-<br />
gements oder irgendeine Art von Musikalität. Es soll<br />
rocken und das tut es, auch wenn es dabei minimal-<br />
ste Mittel benutzt. Schiebende Basslines, ein wenig<br />
Plockern, und ab und an mal ein spartanischer So-<br />
und auf der A-Seite; leichter, federnd und vielleicht<br />
sogar ein wenig melancholisch, aber ebenso straight<br />
auf der Rückseite, die mich etwas an die Zeiten ma-<br />
gischer und endloser Modulationen erinnert.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
LIL’MARK - DIVERSION<br />
[WMF REC. 020]<br />
Da hat WMF einen dicken Fisch eingeheimst. Lil’-<br />
Mark gehört zur Blase der UK-Aufrechten um Clas-<br />
sic/ Music for Freaks. Und auch auf WMF Records<br />
spielt er diesen ungemein frohgemut bis übermüti-<br />
gen Rosaroter-Panther-House voller unverschämter<br />
Melodien, rhythmisch flummiger Griffigkeit und<br />
dem Wissen, dass einmal um die Ecke denken wirk-<br />
lich mal reichen kann, voll aus, der gerade deshalb<br />
imer ganz vorne ist, weil er sich weder um Minimal-<br />
noch <strong>De</strong>ep-Dogmen schert. Ein leichtsinniger Spaß<br />
an knarzigem “Vom Herz in den Hintern”-Schwung<br />
(um die Teichmänner zu zitieren).<br />
JEEP ••••-•••••<br />
THE MODERNIST - PROTEST SONGS [WONDER]<br />
Vier Mixe dieses neuen Tracks von Burger, der sich<br />
mal wieder weit zurücklehnt in der Zeit und irgend-<br />
wie auf einmal wieder da anfängt, wo Köln mit La-<br />
beln wie Trance Atlantic begann, nur um dann in ei-<br />
ner Popnummer aufzugehen, die der geheimen Pet<br />
Shop Boys Verschwörung in Köln neues Futter gibt.<br />
<strong>De</strong>r Remixereigen beginnt mit einem glücklich im<br />
Plinkern aufgehenden Reinhard Voigt, der so befreit<br />
wie lange nicht mehr wirkt. Michael Mayer hingegen<br />
versucht es auf die Großravealarmsignalschiene<br />
breitwandigstem Trance die irgendwie nicht so ganz<br />
zünden will, weil die Vocals dann doch viel zu viel<br />
Pop über die möglichen Kicks legen, aber dafür in die<br />
Annalen als eine Art Ambientravetrance eingehen<br />
könnten. Und als Abschluss holt M.I.A. die Gitarren<br />
raus gibt dem ganzen einen Hauch von minimalem<br />
Wavecharme. Wir vermuten einige der Mixe werden<br />
wir noch oft genug in der nächsten Zeit hören, ist ja<br />
auch einfach viel zu verlockend das Thema.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
KEEN K - ROCK YOU [STARSCHNITT/003]<br />
Sympathische, einfache, gelegentlich etwas überzo-<br />
gene Elektrotracks aus Berlin mit relativ gut breaki-<br />
gen Beats, bleepigen Melodien in den verschieden-<br />
sten Spielarten des Genres. Von schnell und nah an<br />
Computerspielemusik für Futuristen über trällernd<br />
und zum Mitsingen, bis hin zum Disco-HiEnergy Re-<br />
tro mit dezenter Schnitzelfunktechnik oder abstrak-<br />
terem digitalem Elektronika-Funk auf strangen Ab-<br />
wegen ist alles dabei. Und manchmal erwischt es ei-<br />
nen auch komplett. www.starschnitt.com<br />
BLEED ••••-•••••<br />
KAMUE FLASH / BEA - NACHBAUKASTEN<br />
[RINGELBEATZ/010]<br />
Sehr strange Platte, jedenfalls der erste Track, bei<br />
dem eine eigenwillig angesäuselte Stimme zu einem<br />
Spinett und solidem Trancegefühl einem etwas über<br />
“Feel The Freedom” erzählt. <strong>De</strong>r zweite Track jam-<br />
mert auch mit einem Vocal herum, dass klingt wie El-<br />
ton John aus dem Odenwald und der letzte gibt dem<br />
Ganzen dann wenigstens noch etwas Grammophon-<br />
flair. Tragisch, aber definitiv etwas zu weit in die Per-<br />
former mit Piano Ecke gegangen finde ich.<br />
www.ringelbeatz.de<br />
BLEED •••<br />
MAX.E<br />
[MAX ERNST/013]<br />
Thomas lässt nichts rumliegen. Ein Promopacket<br />
von Minus wird schnell zum Cover seiner 13ten EP<br />
auf dem immer funkiger werdenden Max Ernst Label<br />
umfunktioniert und die Tracks halten die trocken<br />
plockernde Bassdrum aufrecht und säuseln und sur-<br />
ren mit Samples aus der Black Music Revolutionsge-<br />
schichte drumherum als gelte es die Floors zu einem<br />
ganz persönlichen Schlachtfeld zwischen Technolo-<br />
gie, Erinnerung und eben Funk zu machen. Hängen-<br />
bleiben vs. Schweinegroove auf 4 Tracks die so wohl<br />
von niemand anders kommen könnten. Wer sonst<br />
hätte soetwas wie eine Slapbass Carte Blance?<br />
www.max-ernst.de/<br />
BLEED •••••<br />
CONTINENTAL<br />
SQUARE MEAL - PERLE DU LAC<br />
[ARM RECORDS/003]<br />
Arm rockt einem die Oldschool in Teile des Hirns, wo<br />
man sie gar nicht vermutet hätte. Mit “Power 106” vom<br />
Team aus Rosario und Ianeq kicken grade Beats, ver-<br />
drehte Vocalstakkatos und bratzige Samplesounds in<br />
einem perfekten Acidpop-Style, der alle Arme in der<br />
Luft sehen will und mit den Akkorden dann plötzlich<br />
die Zeitmaschine gen 1990 ganz unverfroren aus-<br />
packen kann, ohne uns für Retro zu verkaufen. “Gam-<br />
ma” ist dann plötzlich ein tiefer fiepsiger Dubtrack mit<br />
Besenbeats und schwermütigen Akkorden, der in der<br />
Bassline Dub wirklich Respekt zollt, während es auf der<br />
Rückseite mit “Late Afternoon” erst mal wieder zurück<br />
in die Schule geht, in der House erst noch erfunden<br />
werden musste und es mit jedem Sound darum geht,<br />
frisch und ausgelassen die Party zu kicken. Zuletzt<br />
dann noch ein Full-Vocal-Downtempo-Track, der mei-<br />
ner Meinung nach allerdings ein wenig an der Stimme<br />
scheitert. Ansonsten aber Killerplatte.<br />
www.imploz.com<br />
BLEED •••••-••••<br />
AUDIO DELICATESSEN - VOL 1<br />
[AUDIO DELICATESSEN]<br />
Eine Mashup EP mit Metro Area vs. K.O.T. auf der A-<br />
Seite, das “Caught Up” mit dem Vocal von “Finally” zu<br />
einem Discoslammer verbindet, der klingt, als wären<br />
die beiden Dinge nie voneinander getrennt gewesen.<br />
Auf der Rückseite ein Mr.Caine & Mr.Case Discostück<br />
mit Sting Vocal, das einem natürlich auf die Nerven<br />
geht, wenn man allergisch gegen Sting ist, und einen<br />
auf “Why dont you answer” natürlich mit, hey, ist be-<br />
setzt, du <strong>De</strong>pp, antworten lässt. Ansonsten sicher ein<br />
Hit für die Mitte-Crows und sonstige Freestyler und<br />
außerdem eine recht gelungene Übung in Undercover-<br />
Dreistigkeit.<br />
BLEED •••••-••••<br />
PAUL HUGHES - LOST TO MUSIC EP<br />
[BRIQUE ROUGE/032]<br />
Ein sehr deeper Release auf Brique Rouge, mit Vocals<br />
die auch auf frühen Drum and Bass Platten ihren Platz<br />
gefunden hätten, sehr weichen Akkorden und Harmo-<br />
nien und einem schleppend fetten Groove. “Wait” ist<br />
einfach einer der süßlichsten Sommergrooves über-<br />
haupt. “Lost” pusht die Beats einiges percussiver und<br />
entwickelt sich mit der Zeit zu einem detroit Track,<br />
dessen Breakdown so gewaltige Stringberge aufbaut,<br />
dass einem der Atem wegbleibt, während “Sunrise”<br />
diese detroitige Stimmung noch mit shuffeligen Beats<br />
antreibt. Verdammt deep auch das.<br />
www.briquerouge.com<br />
BLEED •••••<br />
PHONIQUE - MISCH MASCH EP<br />
[BRIQUE ROUGE/033]<br />
Phonique auf einem Abstecher bei Brique Rouge, und<br />
seine Tracks geben sich Mühe, sich der <strong>De</strong>epness und<br />
dem funkigen Groove des Labels anzupassen, eigent-<br />
lich schaffen sie das sogar mit Leichtigkeit. <strong>De</strong>r mon-<br />
ströse “Hypno Dub” Track geht über schwergewichtige<br />
10 Minuten mit einem Vocal, das etwas Ragga klingt<br />
und sehr spartanischem aber fundamentalem Groove,<br />
der spleenige kurze Funktrack “Nothing To Say” über-<br />
rascht einen mit albernen Slowmotion-Exkursen in<br />
Computervocals, “Mexico” rockt wie ein Housetrack<br />
von vor 10 Jahren in der <strong>De</strong>troitbassline und holt weit<br />
auch mit flirrenden Synthesizern zu einem smoothen<br />
Clubhit mit plinkernder Melodie und “Wiggle It” ist<br />
komplett spartanischer Killerfunk der deepesten Art<br />
mit einem Hauch Berliner Rockattitude. Sehr schöne<br />
Platte.<br />
www.briquerouge.com<br />
BLEED •••••<br />
DAVID DURIEZ - TRIBE OF THE WAVE EP<br />
[BRTRAX/009]<br />
Auf der A-Seite ein Tony Hewitt Remix des Duriez<br />
Tracks, der mit einem sehr satten, fetten Groove ein-<br />
fach nur noch ab und an ein paar Effekte und Sounds<br />
einspielen muss um ein perfektes Dancefloormonster<br />
zu werden. Leicht acidangehaucht ohne auf die übliche<br />
303 kommen zu müssen. Tracks für den Körper, defini-<br />
tiv, der nur noch Groove will. Das orginal ist in den Be-<br />
ats um einiges komplexer und verlagert die Effekte viel<br />
tiefer in den Groove, und man bekommt langsam eine<br />
Ahnung, dass Duriez diese Label vor allem dazu<br />
braucht seine Beats soweit zu perfektionieren, dass er<br />
allen anderen die Knochen bricht.<br />
www.briquerouge.com<br />
BLEED •••••<br />
RUBBA J - KIND OF PEOPLE<br />
[BRTRAX/010]<br />
Was diese Posse rings um David Duriez zur Zeit an<br />
Tracks raushaut ist schon wirklich ziemlich unglaub-<br />
lich, und nichts was einen nicht umhauen würde. “Kind<br />
Of People” ist ein Oldschoolhit mit verhangenen an-<br />
gedubbten Pizzicatostrings und einer trompetenden<br />
Bassline zu slammend trockenen, böse einpeitschen-<br />
den Beats. “Hot Griddle” geht eher in die Tiefe und läs-<br />
st die Synthesizer in quer gestellten Loops brummen,<br />
während der Duriez Mix des Tracks dem ganzen wieder<br />
schwer kickenden Groove verleiht.<br />
www.briquerouge.com<br />
BLEED •••••<br />
CABO SAN ROQUE <strong>VS</strong>. LUCIANO - MEMBRILLO EP<br />
[BRUCHSTUECKE/013]<br />
Cabo San Roque sind eine Band aus Barcelona, die auf<br />
selbstgezimmerten Instrumenten so etwas wie Calyp-<br />
so machen, und dabei einfach so lässig rumschrabbeln<br />
und singen, dass man ihnen einfach jeden Abend<br />
zuhören würde, wenn sie auf einmal am Strand der<br />
Barceloneta auftauchen würden, obwohl man sich si-<br />
cher erst mal kaum schlimmeres im Spanienurlaub<br />
vorstellen könnte, als eine folkloristische Band zu se-<br />
hen. Auf der Rückseite, zurück in der elektronischen<br />
Heimat, ein Remix von Luciano, der wider Erwarten<br />
erst mal nicht mitten im Latin-Sample-Wirrwar be-<br />
ginnt, sondern nach gut rockendem Techno-Intro nicht<br />
einfach versucht, die Methode von Luciano mit ande-<br />
ren aber eh schon immer ideell zu Grunde liegenden<br />
Sounds zu verwirklichen, sondern wirklich ein hartes<br />
Stück nacharbeiten des Tracks. Eher eine Coverversion<br />
also als ein Remix.<br />
www.bruchstuecke.com<br />
BLEED •••••<br />
LAB - FRIENDLY REMIXED BY...<br />
[CLAPPING MUSIC]<br />
Wieder so ein Fall, wo ich passen muss, was das Origi-<br />
nal angeht. Bei solchen Remixen ist mir das aber auch<br />
egal. My Jazzy Child legen los, zerbollern kurz einen<br />
Stab, lassen eine Gitarre zerfließen und benutzen eine<br />
hektische Bassdrum, um die Erinnerung an This Mortal<br />
Coil aufzufrischen. Erich Zahn (nein, Arovane hat kei-<br />
nen Bruder, also hat er doch, aber der macht keine Mu-<br />
sik) vergräbt sich unter seinem Prozessorlüfter, schrot-<br />
tet einen kurzen Moment granulierter Aufmerksam-<br />
keit und modernisiert den Dub als solchen. Encre gibt<br />
sich klassisch, träumt von Massive Attack Basslines<br />
und gescratchtem Kindergegluckse, fügt ein paar<br />
Streicher hinzu, fertig. PS: perfekt. Nur King Q4 ist am<br />
Ende ein bisschen zu wattig und starr, wenn auch noi-<br />
sig.<br />
www.clappingmusic.com<br />
THADDI ••••<br />
LAB RAT XL - MICE OR CYBORG<br />
[CLONE/031]<br />
Es ist schwer etwas über Drexciya zu sagen. Diese letz-<br />
te der schon vor viel zu langer Zeit angekündigten<br />
Platten könnte das letzte Release sein, dass wir von<br />
ihm zu hören bekommen und trotzdem klingen die<br />
Tracks, egal wie schwer manche an ihren Sequenzen<br />
knacken und wie sehr die Sounds manchmal an der<br />
Grenze der Zerstörung knirschen, irgendwie optimi-<br />
stisch. <strong>De</strong>r Opener sowieso, denn er ist vielleicht eines<br />
der schönsten leichtesten Stücke das jeh aus den Tie-<br />
fen kam. 6 sehr präzise Experimente in einem Sound<br />
der sich immer treu geblieben ist, aber dennoch so<br />
klingt als wäre jeder einzelne Part immer wieder neu<br />
entdeckt worden.<br />
www.clone.nl<br />
BLEED •••••<br />
ARKUS P - STAUS ENQUIRY<br />
[DEFINITION RECORDS]<br />
Autsch! Brachial diese Leipziger. Ts. Klirrende Melodie-<br />
rushs, Bassdrums aus der Kriegsmaschinerie der Un-<br />
terhaltungsindustrie und Hihats, die die Luft in der<br />
Luft zerreißen, wie es sich gehört. Musik für Leute, die<br />
zwar harte brachiale Technohits mögen, dabei aber<br />
nicht darauf verzichten möchten, ihren Speed-Rausch<br />
mit ein paar klingelnden Tönen zu versüßen. Ich mag’s.<br />
www.definition-records.de<br />
BLEED ••••<br />
R.E.C. - BATTER UP EP<br />
[EEVOLUTE/2302]<br />
Tja, wer hätte gedacht, dass sich R.E.C. nochmal<br />
zurückmeldet. Mr. Robbers selbst mit dark arrangier-<br />
ten Slammertracks die Eevolute auf einmal in eine<br />
Welt zurückbringen, in der Electro und Disco noch zu-<br />
sammengehörten und mit einer Steppdecke aus brum-<br />
mend dunklen Basslines und angetrümmerten Beats<br />
zusammengehalten werden. Auch die Acidbassline<br />
holt er raus, die guten alten Roland Sounds, ohne al-<br />
lerdings in eine Retro-Nostalgie zu verfallen, sondern<br />
immer mit einem verdammt gut konstruierten perfekt<br />
arrangierten Sound. Mal schwebend leicht, mal fast<br />
EBM Style und ein Vocoder-Poptrack ist auch noch<br />
drauf, aber nichts davon, was andere so gerne mal klin-<br />
gen lässt wie die tausendste Version eines Sounds, den<br />
man nicht mehr hören kann, schmeckt auch nur im ge-<br />
ringsten wie das Fahrtwasser, sondern jeder macht in<br />
seiner leicht verschrobenen Art zwischen Reminis-<br />
zenz, Erinnerung und Wiederentdeckung durch und<br />
durch Sinn.<br />
www.eevolute.com<br />
BLEED •••••<br />
LAB INSECT<br />
[ELECTROFON/001]<br />
Dunklere Elektrotracks mit irgendwie unheimlicher<br />
Stimmung, die trotzdem nicht runterziehen, sondern<br />
irgendwie auch noch einen Hauch von der Discostim-<br />
mung mitnehmen und irgendwie Soul transportieren<br />
und diese poppige 80er Leichtigkeit französischer Mu-<br />
sik, ohne dabei auf allen Tracks zu tief in die Retrokiste<br />
schauen zu müssen. Die Vocals von “<strong>De</strong>praved Girls”<br />
sind natürlich reinster Wavesound, aber dafür fangen<br />
es Stücke wie “Fill For Me” und das darkere Prototech-<br />
noelektrostück “A.D.N. Transfer” wieder auf.<br />
www.electrofon.com<br />
BLEED ••••<br />
LAURENT GARNIER - EXCESS LUGAGE<br />
[F COMMUNICATIONS]<br />
Laurent Garnier setzt sich selbst ein <strong>De</strong>nkmal. Wer<br />
nach seiner DVD noch immer nicht genug von seinen<br />
Dj-Künsten hat, kommt jetzt aber sowas von voll auf<br />
seine Kosten, denn mit “Excess Lugage” wird ein Werk<br />
in nahezu epischen Dimensionen vorgelegt: Konzi-<br />
piert für bescheidene 5 CDs, kommen erstmal drei Mi-<br />
xe als 3er CD Box, zwei sind separat erhältlich. Die Or-<br />
te der Aufnahme sind ebenso illuster wie verschieden:<br />
Sonar Festival (wo er anscheinend unter einem obsku-<br />
ren Pseudonym gespielt hatte), <strong>De</strong>troit (auf einer ge-<br />
busteten Party, die dann wohl spontan mehrfach ver-<br />
legt wurde, daher ist das Set nur nachgespielt), im Rex<br />
in Paris, auf seinem eigenen Webradio PBB und<br />
schließlich noch ein Mix für BBC 1 “Annie on One”, wo<br />
er nach eigenen Angaben wohl seinen Unmut über<br />
den Ausgang des ersten Wahlgangs der letzten franzö-<br />
sischen Präsidentschaftwahl musikalisch verarbeitet<br />
hat. Dabei streift er durch die verschiedensten Einfär-<br />
bungen im Vier-Viertel Bereich, was da halt so geht,<br />
zwischen Bleeps und Saxophon, technoid und elektro-<br />
like, housig, italo- und Discohaftem. Manchmal setzt<br />
die gerade Bassdrum auch mal kurz aus, sonst domi-<br />
niert aber schon der treibende, mal leicht angedüster-<br />
te, mal euphorischere Garnier-Style, der immer raus-<br />
zuhören ist, auch wenn er sich gerade durch verschie-<br />
dene Sub-Genres zappt, um diese dann elegant auf<br />
dem reduziert soliden 4/4 Tablett zu präsentieren. Mo-<br />
numental.<br />
LUDWIG ••••<br />
VICKNOISE & UNDO - NOCTAMBULA<br />
[FACTOR CITY/001]<br />
Sehr smooth und darauf angelegt ein melodischer<br />
Technohit für den Spätsommer zu werden, geht das<br />
neue Label aus Barcelona mit “Noctambula” auf einen<br />
Sound zu der irgendwo zwischen <strong>De</strong>troit und leicht<br />
trancigem Technasia-Sound eine Nische gefunden hat,<br />
in der perlende Sequenzen und Harmoniewechsel sich<br />
solange abwechseln, bis man komplett Melodiesüch-<br />
tig geworden ist. Die Rückseite “Another Soul” ist et-<br />
was deeper und ein wenig dunkler, mehr Strings und<br />
Percussion, bewahrt aber diese schwebend glückliche<br />
erhabene Stimmung. Fein.<br />
BLEED •••••<br />
VIRTA - COUNTRYSIDE CRACKHEAD<br />
[FAK RECORDS/016]<br />
Muss sagen ich hatte dieses Finnische Label ein wenig<br />
aus den Augen verloren. Aber sie sind zurück und ha-<br />
ben hier mit Tracks, die irgendwie so klingen, wie eine<br />
Country-Techno-Version von DJ Rush auf einer Gallone<br />
psychedelischem Whiskey definitv eine Monsterplatte<br />
für alle, die selbst beim schwer angescheppert tech-<br />
noiden Part eines Abends noch fest im Sattel ihrer<br />
Hirnschale sitzen gemacht. Und warum? Damit auch<br />
der Rest an Verstand noch rausgewummert wird. Die<br />
Tracks ohne diese Irrenvocals sind zumindest noch<br />
verdammt ausgelassen rumrockende Schranznum-<br />
mern erster Güte.<br />
www.fak-records.com<br />
BLEED ••••<br />
SCALLYMATIC ORCHESTRA - AUTUMN FOREST<br />
SONG<br />
[FLYIN´ HIGH RECORDS 001 / RUSHHOUR]<br />
Aus Utrecht kommt diesen Monat eine Überraschung.<br />
Bereits mit dem ersten Release auf ihrem neuen Label<br />
Flyin´High macht das MFP Kollektiv Schlagzeilen. Das<br />
Scallymatic Orchestra, in den Niederlanden bereits<br />
durch diverse (Jazz-)Club-Gigs auf ihren souveränen<br />
Brückenschlag zwischen Jazz, Funk, Brasil, 70s Sound-<br />
tracks und progressiveren Clubsounds geeicht, zeigt<br />
bei ihrem <strong>De</strong>büt gleich den Kern dessen. Dazu drei Re-<br />
mixe von Buruman, dem MFP Collective und Rednose<br />
Distrikt. Buruman und die MFP-Gesellen machen mit<br />
gedämpfter Trompete und mellow broken Vibes auf<br />
Atjazz. Rednose haben wohl einen zuviel getrunken<br />
und fallen daher fast ganz aus der Reihe. <strong>De</strong>r rotzig-<br />
schmutzig funkende Downbeat wartet zwar auf den<br />
ekstatischen Moment, bleibt aber auch so wirklich un-<br />
verschämt groovy. Absolut rundes Package!<br />
www.mfpcollective.com<br />
M.PATH.IQ •••••-••••<br />
SPINFORM<br />
[HOBBY INDUSTRIES / HI 014]<br />
Spinform ist ja der unglaubliche Erik Möller, aka I, akai<br />
Unai, der mit diesem Projekt hier eher die ruhige Seite<br />
seiner multiplen Persönlichkeit unter die Lupe nimmt<br />
und mit ein paar wundervollen Tracks für kurze Zeit die<br />
Sonne über meinem Fenster festhält. Dabei ist das al-<br />
les zunächst gar nicht so klar, sondern klingt eher so<br />
wie ein ganz arg unordentliches Zimmer, in dem aber<br />
ein ganzer Trupp kleiner Helferlein schon dabei ist, klar<br />
Schiff zu machen. Aber Herr Möller beherrscht das aus<br />
dem FF und so wird aus dieser EP ein wundervolles<br />
Monster, spätestens mit dem Pianotrack am Ende der<br />
A-Seite ist man Spinform verfallen. Hier verschwinden<br />
die klackernden Beats, dafür wird der Mini-Spiel-<br />
mannszug ausgepackt. Die B-Seite wird dann noch<br />
akustischer, protzt mit echtem Schlagzeug, hihi, und<br />
ist ein Hit. Aber sowas von. Unfassbar schwelgerisch.<br />
Und so bleibt es. Erik, bitte spiel immer einfach nur Pi-<br />
ano. Und ein bisschen Schlagzeug. “Fallstjemor” ist ei-<br />
ner der tollsten Tracks des Jahres, mir läuft es schon<br />
eiskalt den Rücken runter und suche das Taschentuch,<br />
so weich und warm brennt sich die Melodie ins Ohr.<br />
Das darf nie aufhören. Ein Christoffer Brus Remix run-<br />
det die EP ab. Bei Hobby Industries kann man eh nie<br />
was falsch machen.<br />
www.hobbyind.com<br />
THADDI •••••<br />
PAULI JYLHÄNKANGAS - CLUTZ<br />
[KLAKSON/007]<br />
Wer auf seiner Webseite verkündet: Klakson is broke,<br />
please buy all our records now”, der ist auf dem richti-<br />
gen Weg. Eigentlich ist Klakson längst angekommen.<br />
Eins der spleenigsten Label der Niederlande mit den<br />
Taschen so voller Elektro und Oldschool, dass sie sich<br />
schon nicht mehr in die Half-Pipe wagen. Die neue<br />
Platte klingt so als wäre sie von einem Finnen, was<br />
weiß ich, aber es sind vier Killertracks mit so rocken-<br />
den Basslines und verfusselten Melodien, so viel uplif-<br />
tendem Sound und lässig rockenden Albernheiten<br />
trotz gelegentlich ernsthaftester Discomiene, und so<br />
satt in den Oldschool-Bassdrums und Tanzstilen, dass<br />
wir das kleine Wunderwerk am liebsten sofort auf den<br />
Dancefloor zerren würden, um der Welt die nächste<br />
Disco-Revolution nahezulegen. Da kann Metro Area<br />
doch einpacken.<br />
www.klakson.nl/<br />
BLEED •••••<br />
SCAPE ONE - THE FUTURE...IT WILL NEVER BE THE<br />
SAME<br />
[KONE RECORDS/004]<br />
Eigenwillig ruhiges Electroalbum, dass sich stellenwei-<br />
se etwas zu sehr in Soundscapes verliert, aber es dann<br />
mit bleepigen Klängen und stellenweise sehr gut<br />
durch die Elektronen tropfenden Beats doch ganz gut<br />
wieder auffängt und letztendlich auf seinen 8 Tracks<br />
alles versucht um einer zu engen <strong>De</strong>finition zu ent-<br />
kommen und dabei eine ganze Menge Oldschoolstaub<br />
aufwirbelt. Lieblingstracks: der etwas detroitigere “In-<br />
to the Void” und das sehr elegische reine perlende Me-<br />
lodiestück “The Dark Side Of Nowhere” wegen denen<br />
allein sich das Album schon lohnt.<br />
www.konerec.net<br />
BLEED ••••<br />
TERRESTRISTESTIGRES - SEA & CABLE EP<br />
[KONE/003]<br />
Ein noch sehr frisches Label aus Genf, das auf dieser EP<br />
der Leute mit dem sehr strangen Namen eine ver-<br />
dammt feinsinnig gestrickte Art von Electro releast,<br />
die irgendwie smooth und ruhig wirkt, aber dennoch<br />
genug Intensität hat um den Floor zu rocken und mit<br />
einem Hauch von Discosounds und dem Vocoder, der<br />
klingt wie Oxtongue eine Poppigkeit erzeugen, die ir-<br />
gendwie auch noch einen Rest von Elektronica mit ins<br />
Boot bekommt. Die rubbelndere Rückseite bewahrt<br />
diesen Popaspekt auf “Lia” mit etwas mehr klassi-<br />
schem Retrosound und kommt auf “Konetic” dann<br />
noch mal mit Bonusfunkyness. Wir sind gespannt, wie<br />
sich das Label entwickelt.<br />
www.konerec.net<br />
BLEED •••••-••••<br />
LIKE A TIM - DRAW A BOT<br />
[LIKE/002]<br />
Wer es noch nicht mitbekommen haben sollte, Like A<br />
Tim hat ein eigenes Label. Die erste EP voller kleiner<br />
Acidtracks immer noch in den Ohren, kommt er hier<br />
von einer ganz anderen Seite und beschwört uns mit<br />
einem Discosmasher der drittten Art, einem rasseln-<br />
den, ungezogen deepen Electro-Freakout, einem Track<br />
der “Girls just wanna have Fun” in eine Art Popcorn<br />
Version für junggebliebene 303 Alleinunterhalter ver-<br />
wandelt, und einem Stück fürs Herz. Grandiose Platte,<br />
die in einer handgemalten Sonderedition erscheint, al-<br />
so am besten schon mal ein Ticket nach Rotterdam<br />
booken.<br />
home.wanadoo.nl/like/<br />
BLEED •••••<br />
JOHN THOMAS & TECHNASIA - ALWAYS TRYING<br />
EP<br />
[LOGISTIC RECORDS/032]<br />
Hey, Dreamteam. Ich gebe zu, lange Zeit konnte ich<br />
Technasia nichts abgewinnen aber irgendwie werden<br />
sie von Track zu Track besser und so pushen sie hier ei-<br />
nen External Remix so massiv und straight wie einen<br />
Pflock in das Herz eines jeden Zombieravers, auf dass<br />
er wieder erwache. Ein Beat, langsam modulierte Ak-<br />
korde und verdammt viel Euphorie mit sehr gut einge-<br />
fädelten Harmoniewechseln und extrem süsslichem<br />
Flavour ohne dabei an Brachialität zu verlieren. Härte,<br />
Stringenz und dennoch nur ein charmant säuselnder<br />
Track sein wollen war schon immer eine gute Idee. Auf<br />
der Rückseite dann zwei der deepesten John Thomas<br />
Tracks. “In <strong>De</strong>pth” ein minimal clonkiges Basslinedub-<br />
stück dass in friedlicher Nähe zu Telegraph dem Sub-<br />
label schnurrt, und das smooth swingende Bassline-<br />
monster “Jeff`s Song” vom Blackstage Album.<br />
www.logisticrecords.com<br />
BLEED •••••<br />
CANSON - HOLIDAY PLUG IN<br />
[MORRIS AUDIO CITY SPORT EDITION/005]<br />
Canson, aka Amar <strong>De</strong>rradj, dessen zwei EPs auf Hand-<br />
held, auf Substatic und Stattmusik, jedesmal wieder<br />
klingen wie der pure minimalistische Sonnenschein,<br />
kommt hier mir vier neuen Stücken, die allesamt so<br />
sweet und leicht sind, wie man es von ihm gewohnt ist.<br />
“Streetbeat” rockt mit pappiger Bassdrum und sparta-<br />
nischen Vocalsamples zu einem gut von allem befreiten<br />
trippligen Orgel-Groove, “Selberg” könnte man für sei-<br />
nen rockigsten Track halten, aber auch hier ist soviel<br />
Luft zwischen den einzelnen Sounds, dass man ihm die<br />
Maxime, Kleckern, nicht Kleistern zuschreiben würde.<br />
Leicht melancholisch, aber immer upliftend geht es<br />
weiter mit “Itoma” einem fast klonkigen Pixeldiscotrack<br />
für Nachmittagsspaziergänge durch das Glück und mit<br />
“Flause” gibt’s zum Abschluss noch einmal Minimalst-<br />
Funk mit tief in den Magen gehenden Bass-Slides und<br />
zeitlos tapsig eingeflechteten Snare-Wirbeln. Perfekte<br />
Platte wie immer von Canson.<br />
www.morrisaudio.com<br />
BLEED •••••<br />
AROY DEE - GODDESS / RAZOR<br />
[MOS RECORDINGS/001]<br />
Aroys eigenes Label featured zwei Killertracks für alle<br />
Liebhaber dichter breiter <strong>De</strong>troitsounds, die weniger<br />
auf sehr präsente Melodien bauen, als vielmehr auf ei-<br />
nen getragenen endlosen Groove. Melodisch zwar aber<br />
auch etwas dubbiger und mit eher heimlicher Harmo-<br />
niesucht, als offen vorgetragener Überfülle. Sehr smoo-<br />
the Platte mit einer Guestappearance von Peel Seamus<br />
auf “Razor”. Musik für flauschige Tage.<br />
www.nomorewords.net<br />
BLEED •••••<br />
SONAR LODGE & MAX 4040 - CELSIUS<br />
[MUSIC FOR SPEAKERS/023]<br />
Die EP beginnt mit einem Remix von Domu, der seine<br />
Raggavorlieben jetzt auch bei Broken Beats einfliessen<br />
lässt, verdrehte vor lauter Kanten nur so sprudelnde<br />
Breaks mit blubbernden Synthesizereffekten versetzt,<br />
und so einen verdammt gut kickenden Groove ent-<br />
wickelt. Max 404 verwandelt das auf seinem Remix<br />
dann in etwas gleitendere detroitigere Stimmung und<br />
gerät mit der Percussion näher an Latinsounds mit ei-<br />
nem Synthesizerkammermusikflair. Sonar Lodge nen-<br />
nen ihren ersten Remix “Needlework” und natürlich ist<br />
es ein loopiger knisternder Track mit sehr deepen Har-<br />
monien und einer flüsternd singenden Stimmung. <strong>De</strong>r<br />
zweite ist etwas housiger, kommt aber in seinen Per-<br />
cussionparts und den Funklicks gelegentlich auch et-<br />
was zu abgehangen rüber. Als Bunus gibts dann noch ei-<br />
ne kleine beatlose Skizze von Domu.<br />
www.musicforspeakers.com<br />
BLEED •••••-•••<br />
MUSICSYSTEM / RONALD REAGAN<br />
[MUSICSYSTEM/009]<br />
Eigentlich eine Compilation mit Acts wie: Lo-Bat, Om-<br />
nicac, Seducers und DJ Kondi. Weshalb da Ronald das<br />
Cover ziert, wissen wir auch nicht so genau, vielleicht<br />
um Distanz zu wahren. Die Tracks jedenfalls sind so<br />
überstürzt rockender hyperaktiver Elektropop der zir-<br />
pend, zauselig, wuselnden Art, mit einer gewissen Nähe<br />
zu Gameboy-Hymnen, dass einem jeder Zusammen-<br />
hang schwerfällt. Merkwürdigerweise klingt die EP aber<br />
auch so geschlossen, dass selbst wenn Omnicac sehr<br />
dubbig und mit Slowmotionalbernheiten meets früher<br />
Sähkö-Style, kommen Lo-Bat ringsum fremde High-<br />
Scores erschießt, die Seducer atemlos zu einem fast lo-<br />
optechno-artigen Beat Silikonreste ausspucken und DJ<br />
Kondi eher die Harddisc scratcht bis die letzte Old-<br />
schoolhousehymne aus dem Regal gepurzelt ist, alles<br />
miteinander perfekt Sinn macht. Bis vielleicht auf das<br />
Wappentier auf dem Label.<br />
www.musicsystem.dk<br />
BLEED •••••<br />
DEL WIRE - ANGE<br />
[NACOPAJAZ]<br />
Sehr strange und verdammt schöne EP auf diesem neu-<br />
en Französischen Label, dass eine ganz andere Annähe-<br />
rung an BrokenBeats und Jazz nimmt, als man erwarten<br />
würde, denn sie rütteln es mit dem Shutterhiphop von<br />
Prefuse zusammen und lassen es dabei nicht nur noch<br />
mehr clickern und knuspern, sondern bewegen sich<br />
gleichzeitig in einer Tradition von eher kinoartigen Har-<br />
monien aus den Zeiten als es noch ein französisches Ki-<br />
no gab. Zwei Tracks von <strong>De</strong>l Wire, die mit jedem Hören<br />
gewinnen und immer ungewöhnlicher werden und ein<br />
Remix von Kapsaicine, der mit einer extremen Soundbi-<br />
bliothek und Drum-and-Bass- geschulten Beats an die<br />
Sache rangeht. Eins der überraschendsten neuen Label.<br />
www.nacopajaz.net<br />
BLEED •••••<br />
CANVAS - ORIGINE J<br />
[NACOPAJAZ]<br />
Canvas lassen sich für diese EP von Labelmates <strong>De</strong>l Wi-<br />
re und Readymade FC remixen, und der Track den sie<br />
vorlegen, “Origine J”, bietet so viele Möglichkeiten mit<br />
seinen clickrigen Broken Beats und den Livebasslines,<br />
dem vertrackt funkigen Jazz und der gleichzeitig so ab-<br />
gehobenen Soundästhetik, dass man sich auf die Hard-<br />
Disc-HipHop-Variante von <strong>De</strong>l Wire zurecht freut. Die<br />
reißen alles in Grund und Boden mit schwergewichti-<br />
gen Beats und wirrem aber präzisem Effektgeflausel<br />
wie aus einem tropischen Gewächshaus, das bis auf sei-<br />
ne Eingeweide untersucht wird. Auf der Rückseite ein<br />
Stück hypertechnisierter <strong>De</strong>troitdancefloor mit wei-<br />
chen 808 Bassboomern und minimaler aber drängen-<br />
der Glückseligkeit. Verdammt schöne Platte, die Elec-<br />
tronika einen völlig neuen Beigeschmack gibt.<br />
www.nacopajaz.net<br />
BLEED •••••<br />
CANVAS - NAKED EP<br />
[NACOPAJAZ]<br />
Eine EP mit Remixen von Burger, Canvas selbst und Du-<br />
plex 100 eines Vocaltracks von denen Burger natürlich<br />
den leicht Country-Minimalistischen macht, Canvas<br />
selber mit leicht 80er angehauchten Beats und Funk-At-<br />
titude losrockt und Duplex dann alles in eine stolpern-<br />
de Highspeed-House-Szenerie setzen, die soviel Rave-<br />
Charme hat, dass sie sicherlich zu einer wenigen Club-<br />
hymnen mit Kontrabass werden dürfte.<br />
www.nacopajaz.net<br />
BLEED ••••-•••••<br />
RAIDERS OF THE LOST ARP - 3<br />
[NATURE]<br />
Auch diese Platte hier von Mario Pierro mit einem Re-<br />
mix von Passarani aka Analogue Fingerprints, rockt wie<br />
schon jede einzelne der Pigna Releases, so optimistisch,<br />
dass man jede Sekunde genießt und einem der flow kalt<br />
den Rücken runterläuft. Die A-Seite ein schwerer Mon-<br />
sterstomper mit leichten Oldschool-, leichten Disco-Ef-<br />
fekten, aber trotzdem so frisch und treibend, dass man<br />
es sofort zu seinem Lieblingsclubhit erklärt, wenn man<br />
es hört und sei es nur weil hier Funk lebt, ohne wieder-<br />
auferstanden zu sein. Auf der Rückseite die verdrehtere<br />
bleepigere Version des Tracks mit slammenden Old-<br />
school-Technobeats von Analogue Fingerprints, die<br />
wohl einer der wenigen Tracks sein dürfte, die man LFO<br />
diesen Monat entgegensetzen kann und als Bonus noch<br />
ein ruhiges Stück 808 Synthesizerpoesie mit leicht ba-<br />
learischem Unterton. Killerplatte.<br />
www.finalfrontier.it<br />
BLEED •••••<br />
MIRWEIS SANGIN<br />
[PHICTIV RECORDS/001]<br />
Eine minimale Techfunk-Platte von einem neuen Pro-<br />
ducer, die weniger in Richtung von gewohntem Mini-<br />
malsound geht, sondern eher dem verbunden ist, was<br />
Robert Hood mal mit Minimal Nation ganz gut auf den<br />
Punkt gebracht hat. Sehr “analog” in gewisser Weise,<br />
sequentiell und leicht dunkel mit pumpenden Beats<br />
und stellenweise wobbligen Basslines, die sich irgend-<br />
wo in der Percussion dann auch wieder mit so etwas<br />
wie Cabanne trifft. Musik, die man auf englisch ver-<br />
mutlich “physical” nennen würde, mit einem sehr char-<br />
manten “Rubab Dub” am Ende, bei dem Mirweis San-<br />
gin dann ein paar einfache Gitarrentöne zu einem per-<br />
fekt swingenden hüpfenden Shuffletrack der Kölner<br />
Popschule macht. Fein.<br />
www.imploz.com<br />
BLEED ••••-•••••<br />
MARK WILLIAMS - ALL I NEED IS BEATS EP<br />
[PHONT MUSIC/032]<br />
Sehr percussive Beats meint er damit. Das kann er<br />
auch, und viel mehr ist dazu eigentlich kaum zu sagen.<br />
4 Tracks die viel Druck machen, aber viel mehr auch<br />
nicht.<br />
mypage.bluewin.ch/PHONT-PAGE<br />
BLEED •••<br />
BERLIN DUB SESSIONS<br />
[FUTUREDUB/004]<br />
Warum eigentlich Berlin? Vielleicht, weil dieser Teil<br />
der Dubserie so unglaublich weitläufig und trotz aller<br />
Kopfnicker hin zu den großen Göttern des Dubs in den<br />
Hallräumen irgendwie etwas technoideres hat, etwas<br />
ausgebleichter lineares, etwas, das einem wie ein Ge-<br />
schmack am Morgen danach auf der Kopfhaut kleben<br />
geblieben ist? Wir sind uns nicht ganz sicher. Jedenfalls<br />
die clickernste, irgendwie weicheste der Serie, aber<br />
dennoch nicht frei von sehr überzeugenden Experi-<br />
menten mit Hall und breitester Breite. Fundamental.<br />
www.futuredub.com<br />
BLEED •••••<br />
FRANCISCO - FRENGA<br />
[PIGNA/005]<br />
Mein derzeitiges Lieblingslabel aus Italien schafft es<br />
auch mit der neuen EP von Francisco, dem Jollymusic<br />
DJ, wieder voll und ganz das Herz eines jeden gutge-<br />
launten anti-retro Oldschoolfans zu überzeugen.Drei<br />
Tracks zwischen skurril quietschiger Italodisco, bratzi-<br />
gem Neodiscosound mit Bleeps und leicht disharmo-<br />
nischen Tapferkeiten der dreist kickenden Art. Es<br />
steckt einfach so viel in diesen einfachen Tracks, dass<br />
man es gar nicht abwarten kann, sie im Club zu hören,<br />
denn sie sind immer einfach genug, um jeden zu über-<br />
zeugen und dabei trotzdem so auf den Punkt, dass<br />
man einfach mittanzen muss. Italien lebt. Und das<br />
nach wie vor bei Finalfrontier.<br />
www.finalfrontier.it<br />
BLEED •••••<br />
PROCESS / JAUMETIC - REGULAR LOOKS AT<br />
TRAUM<br />
[REGULAR/003]<br />
Process kommt auf dieser EP mit einem seiner ruhige-<br />
ren, aber dennoch straight durchrockenden Tracks, die<br />
vor allem von den extrem gut sitzenden Beats leben,<br />
die alles im Griff haben und, obwohl der Track auf der<br />
Oberfläche eher ruhig wirkt, einen verdammt treiben-<br />
den Groove entwickeln. Jaumetic “Feinh han” kommt<br />
eher mit einem shuffelnden Beat und dagegen ver-<br />
spielt wirkender Minimal-Percussion, die auf darkere<br />
treibendere Sounds trifft, die gelegentlich etwas be-<br />
drängend wirken können, aber innerhalb des immer<br />
funkiger werdenden Tracks einfach nur sehr gut die<br />
Spannung aufbauen. Jaumetic wird noch zu so was wie<br />
dem Punisher des Minimalhouse, wenn er so weiter<br />
rockt. Perfekter Start dieser Reihe von Split EP Koope-<br />
rationen mit Kölner Labels.<br />
www.regularlabel.com<br />
BLEED •••••<br />
M.RAHN / IÃKI MARÍN - REGULAR LOOKS AT<br />
TRAUM<br />
[REGULAR/004]<br />
Mit seinem “Freischwimmer” Track hat Matthias Rahn<br />
es so lässig angehen lassen, dass man ganz schön baff<br />
ist, warum dieser Track einen eigentlich so faszinieren<br />
kann. Alles einfach, Beats leicht balearic, Dubs schil-<br />
lernd, Bassline leicht knusprig, aber trotzdem erwischt<br />
einen dieser Track mit seiner verdammt ungreifbaren<br />
Stimmung so, als wäre er etwas wie eine Impression,<br />
die man immer wieder erinnert, nur um wieder da zu<br />
sein, wo der Track war. Extrem charmanter smoother<br />
Track, der einfach immer weiter wächst. Iãki Marín`s<br />
“Unarmed” klingt etwas aufwendiger produziert, hat<br />
aber auch diese sehr ruhige dahingleitende Art von un-<br />
bekümmertem Minimalsound, der keine Pressure und<br />
kein Pumpen kennt, aber trotzdem einen Groove ent-<br />
wickelt dem man kaum widerstehen kann.<br />
www.regularlabel.com<br />
BLEED •••••<br />
MARK KNIGHT - THE GROOVE<br />
[SLOP SHOP RECORDS]<br />
Strange Platte zwischen dreistem Discofunk incl. Filter<br />
und allem drum und dran nebst UK-Rave Shouter, Slap-<br />
bass, Discostrings in gleich zwei Mixen. Solider Dance-<br />
floorrocker für die ganze Familie.<br />
www.slopshop-records.com<br />
BLEED ••••<br />
V/A - A SPEZIAL MATERIAL COMPILATION [SPE-<br />
ZIALMATERIAL / SM03]<br />
Endlich Neuigkeiten von Spezialmaterial, die hier mit<br />
einer fetten Doppel-LP (Remix-)Compilation in die Re-<br />
gale zurückkehren. Intricate, Staubsauger, Monoblock<br />
B, Person, Solotempo und Softland rocken, was das<br />
Zeug hält, sind dabei aber zum Glück strellenweise<br />
sehr verträumt und retten so die Frickelei vor dem Um-<br />
kippen. Remixe kommen dann von Bistream, Skan-<br />
from, Plaid, Team Doyobi, E.Stonji, Made + Ad Vanz<br />
und Phonem, die dem sehr technischen Approach der<br />
Spezialmaetrial Crew ein völlig anderes Leben einhau-<br />
chen; die Scratch-Orgie von Bitstream macht da einen<br />
beeindruckenden Anfang. Alle fühlen sich irgendwie<br />
total wohl, das merkt man gleich, und so ... ja. Alles pri-<br />
ma bei Spezialmaterial.<br />
THADDI •••-••••<br />
ENDORPHINS - TAMING TEXTURES<br />
[VYNALOGICA/004]<br />
Merkwürdig, dass ich jetzt erst checke, dass Endorph-<br />
ins natürlich Endorphine auf englisch bedeutet. Was<br />
sonst eigentlich? Hatte ich meinen Kopf so voll mit<br />
ihren Tracks, dass ich gar nicht mehr nachdenken<br />
konnte? Egal. Endorphins machen hier Elektrotracks,<br />
wie sie zur Zeit nur aus den Niederlanden kommen.<br />
Sehr melodisch, aber nie zu sehr in dieser alten Schule<br />
stecken geblieben, sehr einfach aber dennoch alles an-<br />
dere als platt, verspielt aber nicht technologisch, und<br />
so völlig weg von jeder Future-Romantik und allem,<br />
was nur nach Spielzeug klingt, mal ein wenig in Rich-<br />
tung Electronika driftend, aber dennoch nie zu triefig,<br />
und vieles mehr. Eine Platte für Rumlungerer, Raver,<br />
Rastlose und Elektronikfreaks zugleich. Vynalogica ist<br />
eines der überragendsten Label der Niederlande zur<br />
Zeit.<br />
www.cemstudio.com<br />
BLEED •••••<br />
DJ LINUS - FLOKATI / TEMPER<br />
[STAY TRUE/006]<br />
Nach der Kooperation mit Duriez hier eine Linus EP auf<br />
dem Stay True Label, auf der er seine Vorliebe für La-<br />
tinpercussion so elektrifiziert ausleben kann, dass ei-<br />
nem ein Schauer den Rücken runterläuft und dann<br />
packt er auch noch Vocals aus und diese Oldschoolor-<br />
geln und alles rockt nur noch besinnunglos. Die “Tem-<br />
per” Rückseite ist etwas smoother und straighter und<br />
hat noch mehr Oldschoolvibe in der Art mit leicht an-<br />
gehallter, hyperpräsenter Bassline umzugehen. Ein<br />
Klassiker.<br />
BLEED •••••<br />
HÅKAN LIDBO - 4 EASY PIECES<br />
[WOLFSKUIL RECORDS/002]<br />
Ein neues Label aus Nijmegen, das mit vier außerge-<br />
wöhnlichen Tracks des eh schon immer vielseitigen<br />
Håkan Lidbo bestimmt den Sprung in die Liga der Wat-<br />
chlist-Labels schaffen dürfte. Mal beginnt Lidbo mit ei-<br />
nem solide darken Technogroove, der sich langsam<br />
aber sicher hochschaukelt zu einem unter die Haut ge-<br />
henden Acid-Horror-Sirenen-Monster, dann breakt er<br />
zu <strong>De</strong>troit-Basslines und Strings so ausgelassen fiepsig<br />
herum, dass man sofort per <strong>De</strong>kret einen Technosoul-<br />
Abend in jeder Großstadt fordern möchte, dann shuf-<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
442<br />
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überleben<br />
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In Politik und Gesellschaft liegt<br />
Manches tiefer als es scheint.<br />
Die taz schaut unter die Oberfläche.<br />
Abb.: Nahrungsbeschaffung in Gewässern
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
CONTINENTAL • = NEIN / ••••• = JA<br />
felt er auf einmal percussiv und jazzig minimal in ausbrechenden<br />
Sequenzen, die sich für eine abstraktere<br />
Idee von House stark machen, die Chicago ganz groß<br />
schreibt und am Ende rockt er uns auch noch mit einem<br />
seiner Tracks, die er wohl auch live spielt, den<br />
Dancefloor-Vocoder-Smasher zwischen die Beine, der<br />
klingt, als hätte er 101 bei Mad Mike studiert. Grandios.<br />
BLEED •••••<br />
DAVIDE SQUILLACE - CONTROLLIN PIECES<br />
[SUPERBRA/025]<br />
Wenn ich nicht wüsste, dass es einfach solide Techhousetracks<br />
sind, dann würde ich es für Disco halten.<br />
So in einer <strong>De</strong>nkrichtung die sich ein Fragment der<br />
sich immer noch drehenden Spiegelkugel herauspickt<br />
und darauf herumschwirrt, bis allen ganz schwindelig<br />
geworden ist. Manische hängengebliebene Tracks für<br />
Filterfreaks.<br />
BLEED ••••<br />
DRUM AND BASS • = NEIN / ••••• = JA<br />
RESISTANCE & D-TEK`D - LOSING CONTROL /<br />
SPACE JAM<br />
[DZR/003]<br />
Wieder mal sehr feine, melodisch soulige Tracks auf<br />
diesem Label. “Losing Control” verliert die Kontrolle<br />
vermutlich deshalb, weil es einfach ein deepes Stück<br />
ist, dass sich um nichts weiter kümmert und das fast<br />
albern heitere “Space Jam” rockt mit dichtem, gefilterten<br />
Orgelsound und sehr dezent verteilten Effektsounds<br />
so tief in die Hysterie um alte Houseplatten<br />
hinein, dass man einfach schon beim ersten Ton<br />
glücklich ist. Feine Platte.<br />
BLEED •••••<br />
ELEMENTZ OF NOISE - COLD LIGHT OF DAY /<br />
TORNADO [EMOTIF]<br />
Weiter geht’s mit Naturgewalten und Drum and Bass<br />
und auf “Cold Light Of Day” haben die Elementz Of<br />
Noise einen Break eingebaut, bei dem sogar der<br />
kitschigste Hollywoodproduzent rot werden würde,<br />
so trieft es da vor Verlassenheit und Unglück. Klar,<br />
dass da eine ansteigene Snaredrum über mindestens<br />
256 Takte hermuss. Nunja. Vielleicht etwas übertrieben,<br />
aber dafür schleicht sich die Rückseite böse und<br />
mit Acidsounds herein und rockt ab.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
PROGRESSION SESSIONS - MAKOTO FEAT. DE-<br />
EIZM<br />
[GOOD LOOKING]<br />
Wieder eine CD aus LTJ Bukems “Progression Session”-Reihe,<br />
die, obwohl den Fortschritt im Namen,<br />
strikt dem Kontext des angejazzt flächigen Drum’n’bass<br />
treu bleibt. Diesmal ist es eine Doppel-CD mit<br />
dem Good-Looking-Mann für den fernen Osten, Makoto.<br />
Einmal als Mix-CD aus seinem Heimatclub in Tokyo<br />
zusammen mit der Sängerin/MC <strong>De</strong>eizm, einmal<br />
ungemixt. <strong>De</strong>r Livemix bringt die Stimmung aus dem<br />
Tokyoer Club erstaunlich gut rüber, auch dank Sängerin<br />
<strong>De</strong>eizm. Allerdings tritt das<br />
Gesangselement sehr in den Vorder- und die Musik<br />
etwas in den Hintergrund. <strong>De</strong>nn durch die homogene<br />
Trackauswahl scheinen die einzelnen Stücke zu einem<br />
einzigen Strom zu verschmelzen - der von funky, über<br />
asia, bis flächig, aber immer sehr GoodLooking, 34 Minuten<br />
kurz, dahinrollt. Das ein oder andere Highlight<br />
ist auch dabei, z.B. kann man bei Makotos “Take my<br />
Soul Baby” förmlich das begeisterte Glitzern in den<br />
Augen der Tänzer leuchten sehen, während man bei<br />
AMERIKA • = NEIN / ••••• = JA<br />
PACIFIC TECHNICS - EP VOL.2<br />
Eine Serie von EPs und eine Mix-CD von Noah Pred<br />
mit lauter unveröffentlichten Tracks, deren Erlöse an<br />
Amnesty International in Kanada gehen. Auf der zweiten<br />
der Serie Mateo Murphy mit einem smooth techhousigen<br />
Track namens “<strong>De</strong>ep Thoughts”, der mit<br />
weichen Dub-Effekten wirklich verdammt deep und<br />
housig rockt, ein Marky Star Track mit härteren, pulsierenden<br />
Grooves und dem skurrilen Titel “I Love<br />
Your Money”. “Refuge” von Noa Pred ist ein klassischer<br />
Dubhousetrack mit sehr solider Subbassline<br />
und einem Groove, der einem das Rückgrat gerade<br />
zerrt. Zum Abschluss noch ein Track von Preach mit<br />
leicht strangem Flair zwischen Techhouse-Percussion-Andeutungen<br />
und vollmundigem Housetrack.<br />
thmicnyc.com<br />
BLEED •••••-••••<br />
URSULA RUCKER - SILVER OR LEAD [!K7]<br />
Nach ihrem groß gefeierten <strong>De</strong>büt sammelt Ursula<br />
Rucker wieder mit The Roots, King Britt, Rob Yancey<br />
und Tom Motzer die Produzentenriege aus Philadelphia,<br />
sowie Little Louie Vega für New York, Jazzanova<br />
für Berlin und 4hero für London um sich. Die liefern<br />
den diesmal etwas orchestraleren Soundtrack, der ihre<br />
Spoken-Words musikalisch untermalt, während sie<br />
immer weiter die weibliche Variante in der Tradition<br />
von Gil Scott Heron ausarbeitet, konsequent ihren<br />
Ansatz der lyrischen Spoken-Word-Poetry-Texte zum<br />
Mitdenken weiterführt. Wort für Wort gesprochen in<br />
dem ihr eigenen Flow, der bislang seinesgleichen<br />
sucht und sich wieder durch Themen wie Ausbeutung,<br />
Frau-sein, Politisches und Afrozentristisches durcharbeitet.<br />
Dabei tastet sich ihre Stimme sanft durch die<br />
Strophen, mit Musikalität die Bedeutungsschwere<br />
der Textinhalte abfedernd, obwohl sich dieser traurige<br />
Blick auf die Welt, wie sie nunmal ist, natürlich immer<br />
wieder als omnipresent erweist, viel Raum einnimmt,<br />
und das soll ja auch so sein. Trotzdem möchte man ihr<br />
nach dieser ganzen dunkelgrauen Melancholie eigentlich<br />
gerne mal zurufen: Lach doch mal, Ursula.<br />
Hier, nimm ein paar Lachgummis!<br />
LUDWIG ••••<br />
TRAPEZ 31<br />
OLIVER HACKE - Clip<br />
TRAPEZ 32<br />
RILEY REINHOLD &<br />
STEVE BARNES - Airfix<br />
anderen Tracks eher an den Sonnenaufgang über Tokyo<br />
und Wohnröhren-Drum’n’Bass denken mag.<br />
LUDWIG •••-••••<br />
MATHEMATICS / AQUASKY - ONE DAY /BRASIL<br />
66<br />
[INCIDENT/006]<br />
Mathematics bleiben eine der Posses, die mit melodischen<br />
Drum and Bass Tracks nach wie vor eben so gut<br />
rocken, als hätten sie den Funky Drummer hinter sich,<br />
und das hier auf “One Day” vor allem, weil sie diese<br />
gut brummende lässige Bassline durchziehen, die<br />
klingt wie eine schnurrende Katze, deren Fell mal grade<br />
zwischen zwei Wolkenkratzer passt. Sehr lässig<br />
und mit dezenten Oldschoolhousefragmenten versetzt.<br />
Aquasky hingegen amüsieren sich trotz Titel<br />
mit eher detroitigen Sequenzen und tun so, als würden<br />
sie Bukem samplen der irgendwie Metroplex<br />
sampelt, landen dann aber über sehr gut brummenden<br />
deepen Subbasslines in einem deepen Funktrack<br />
mit immer wiederkehrendem Vocal in dem eigentlich<br />
ab und an mal eine Querflöte klingt, als wäre hier etwas<br />
folkiger.<br />
BLEED •••••<br />
JAHEIM - CALIBRE REMIX<br />
[WHITELABEL]<br />
Großartiger Remix vom Belfaster Wunderkind. So nahe<br />
waren sich klassischer US-Garage und Drum and<br />
Bass selten. Das Piano drückt einen einfach an die<br />
Wand vor Übermut und eleganter Euphorie. Fast<br />
schon zu geschmackssischer. Wer mit den Vocals<br />
nicht so viel anfangen kann, der darf sich dann mit<br />
dem Instrumental amüsieren. Calibre hat momentan<br />
einfach seine Asse im Ärmel.<br />
SVEN.VT •••••<br />
J.MAJIK PRESENTS - NEW GENERATION<br />
[INFRARED]<br />
Futurebound mixt sich durch die Hits der kommenden<br />
Infrared Generation und neben Wickerman, Futurebound,<br />
Jaquen, Sonic, Cookie Monsters und Codec<br />
ist natürlich vor allem J.Majic der den Sound hier bestimmt<br />
und die Posse zusammenhält. MC E-LL sorgt<br />
dafür dass die massiven Basslinediscomonster in einen<br />
Flow kommen der Oldschoolfans von Drum and<br />
Bass ebenso zusammenhält wie die neuen Kids, die<br />
einfach die Filter nicht voll genug bekommen können,<br />
und wenn wir mal ehrlich sind und man es wirklich<br />
PACIFIC TECHNICS - EP VOL.1<br />
Die erste EP dieser Serie von Tracks deren Erlöse an<br />
Amnesty in Canada gehen kommt mit Tracks von<br />
Adam Jay, der mit schillernden Akkord-Dubs und einem<br />
kurz angerissenen Vocal-Sample recht smooth<br />
und mächtig durch die langsam rauf und runter gefadeten<br />
Hihats rauscht, einem unglaublichen Stück von<br />
Ben Neville, der jedesmal wieder ganz woanders ansetzt,<br />
um einen aus dem Hinterhalt zu locken. “Chicago<br />
On TP” wummert so knisternd und tuschelnd über<br />
einer deepen dunklen Dubstimmung, dass man sich<br />
danach fühlt, als hätte einem jemand ein Kilo Gänsefedern<br />
in die Ohren gesteckt. HD Substance enttäuschen<br />
leider etwas in ihrer pulsierenden Techno-Beliebigkeit,<br />
aber dafür holt es Mike Shannon mit einem<br />
deep verdubbten kompromisslosen Monster wieder<br />
raus.<br />
thmicnyc.com<br />
BLEED •••••-•••<br />
HOLY C [ATTIC SPACE]<br />
Ah, schon wieder ein Billie Holiday-Sample. Immer.<br />
Und wenn dazu auch noch ein so erfrischend anders<br />
arrangierter Housetrack dazu kommt, der mal wieder<br />
die Grundlagen durchforstet und zu Ergebnissen<br />
kommt, die nicht nur kicken, sondern auch noch eine<br />
Art von Musikalität definieren, die definitiv eine Ausnahmeerscheinung<br />
bleibt, weil sie so selbstgezimmert<br />
wie perfekt klingt, dass selbst ein Break mit<br />
Trompete irgendwie cool kommt, dann um so mehr.<br />
“Da G-Tar Of Sorrow” ist ein Latintrack, kommt aber<br />
auch so skurril mit einer Lofiattitude um die Ecke,<br />
dass es einfach funktioniert, “Dusk” schwirrt vor lauter<br />
Sonntagsnachmittags-Filmsounds und ist dennoch<br />
deep wie Bushkangaroo und erträgt selbst eine<br />
Bonusgitarre und mit “<strong>De</strong>licioso” hört die EP genau so<br />
zwieschneidig, aber ebenso überraschend auf. Eine<br />
Art von House die man viel zu selten hört.<br />
www.ultrasoundrecordings.com<br />
BLEED •••••<br />
UNRAVELLED VOL.1 [CONTEXT/010A]<br />
Das hat definitv eine Weile gedauert, bis endlich wieder<br />
mal was von Sutekhs Label Context zu hören war.<br />
Und jetzt kündigt er gleich eine Serie von drei Kollaborations<br />
12”es an, die, wenn sie alle so kicken wie die-<br />
TRAPEZ 33<br />
DIALOGUE - Serious Swingers<br />
WWW.TRAUMSCHALLPLATTEN.DE<br />
FON 0049 (0)221 23 32 97<br />
TRAUM@NETCOLOGNE.DE<br />
FYM - THE MONKEY STYLER [TELEGRAPH/010]<br />
Klar, das Fym von Boogizm auf seiner Platte für Telegraph<br />
öfter als sonst die gerade Bassdrum rausholt,<br />
aber dass er dabei weniger verdreht und funky sein<br />
würde, ist absolut nicht drin. Sechs Tracks mit feinstem<br />
Geraschel, deepest davonschleichenden Grooves,<br />
smoothen Akkorden, die dem Ganzen einen Zusammenhalt<br />
geben, einem Zuckerguss aus Knistern und<br />
Fiepsen, aber trotzdem bleibt die Platte etwas, das<br />
man gerne auch auf dem Dancefloor spielt und das<br />
aushält, diese Energy über eine knappe Dreiviertelstunde<br />
durch sich rushen zu lassen wie einen Sturm<br />
von Beats und Effekten, dann ist man am Ende ganz<br />
platt und glücklich und lässt sich von niemand mehr<br />
erzählen, dass Drum and Bass ja nicht mehr das ist,<br />
was es mal war. Aber wir bewegen uns ja eh grade in<br />
einer Phase, wo alle wieder neugierig auf Drum and<br />
Bass werden. Zu Recht. Monsterset mit Tracks wie<br />
“Share The Blame” von Majik & Kathy Brown, Pit Bull<br />
von der gesamten Posse, das mörderische Amenrockout<br />
“Flat Spin” von Futurebound & Codec und das kleine<br />
Brasilschmuckstück “Capoeira”.<br />
www.infraredrecords.co.uk<br />
BLEED •••••<br />
SPIRIT & DIGITAL - CHINESE WHISPERS / KNIGHT<br />
RIDER [INNERACTIVE MUSIC/006]<br />
An Pathos kaum noch zu überbieten, dieses Intro<br />
“Chines Whispers” und dann auch noch diese Triolen<br />
von Snarerolls. Eine Platte, die so böse wie mächtig ist<br />
und fast schon klingt wie in den bösesten Hardcore-<br />
Zeiten, als nur noch gemosht wurde. Die Rückseite<br />
kommt mit einem sich überschlagenden Congabreak<br />
und geht dann völlig in Bass-Wellen unter, die einem<br />
die Haut bei lebendigem Leib über die Ohren ziehen.<br />
Böse Platte das.<br />
BLEED •••••<br />
XRS - LAND<br />
[SAMBALOCO RECORDS]<br />
Das Dreigestirn am wolkenlosen Brasil’n’Bass-Himmel<br />
heisst Marky, Patif und XRS. Letzterer legt nun ein<br />
Album vor, dass eigentlich in die Sparte “brasilianische<br />
Volksmusik” gehört, denn sowas in der Art stellt<br />
Drum’n’Bass in Brasilien ja wohl mittlerweile dar. Und<br />
so wird sich der vom konventionellen Drum’n’Bass<br />
“made in UK” erzogene Hörer hier erstmal verdutzt<br />
umgucken und sich fragen, wo denn die ganzen High-<br />
Speed-Sounds aus Musik-gewordener Geschwindigkeit<br />
und die dicken Mörder-Basslines hin sind. <strong>De</strong>nn<br />
XRS lässt es ruhiger angehen, bzw. verbleibt eher in<br />
akkustischen Soundentwürfen, die allein schon von<br />
der Attitude mehr Brasil als Drum’n’Bass sind. Finsterkeit?<br />
Falsche Ausfahrt, hier ist Brasilien, die Sonne<br />
scheint, die Tracks haben Zeit, auch wenn die Beats<br />
schnell sind. Dabei arbeitet XRS an den <strong>De</strong>tails des<br />
musikalischen Hybriden, fernab von knalliger Effekthascherei.<br />
Das muss man ihm zu Gute halten, wenn er<br />
se Platte hier, Context zu einem unserer Lieblingslabel<br />
diesen Winter machen dürfte. Sutekh remixt Ben<br />
Nevile zu einem sehr quirligen Minimalfunkbreakmonster<br />
zusammen, Kit Clayton wirft die eher<br />
schwergewichtigen Sounds von Murcof in die Luft<br />
und lässt sie mit einem Aliengrummeln zum Soundtrack<br />
von Alien 23 werden, Portable brilliert mit einem<br />
Remake von Sutekh Material, das so viel smoothe<br />
Dichte hat, und so lässig Beats erfindet, die man noch<br />
nie gehört hat, dass man spätestens jetzt nach einem<br />
neuen Namen für all diese Musik sucht, und Twerk beendet<br />
das Ganze wiederum mit Portable Sounds in einem<br />
sehr weichen, clickrig-digitalen Nebel aus brodelnden<br />
Athmosphären. Perfekt bis ins allerkleinste<br />
<strong>De</strong>tail.<br />
www.context.fm<br />
BLEED •••••<br />
OSBOURNE [GHOSTLY INTERNATIONAL / 015]<br />
Auf Ghostly kommen zur Zeit nur Killer. Von diesem<br />
hier waren wir so betört, dass wir glatt vergessen haben,<br />
ihn in der letzten Ausgabe würdig zu feiern. Zwei<br />
sehr feingliedrige Tracks, die so melodisch, so euphorisch,<br />
dabei aber so unaufdringlich sind, dass man sich<br />
erst mal setzen muss, sobald die Pianos einsetzen.<br />
Und erst der Isolee Remix. Da ächzt man vor Verzückung<br />
und jubelt in glückseliger Eintracht. Ein Fest<br />
von einer Platte.<br />
SVEN.VT •••••<br />
ALEX BIOTIC - FUNK MATTER EP [GOTHAM<br />
GROOVES/005]<br />
Tja, und auch die neue Gotham Grooves kommt aus<br />
diesem etwas eintönig slammenden Technosound<br />
von vor Jahren nicht heraus. Nur der ganz gut in den<br />
Bässen groovende Agent Orange Mix hebt sich aus<br />
dem ansonsten eher US-schranzigen Umfeld ab.<br />
www.gothamgrooves.com<br />
BLEED ••-••••<br />
V/A - FRAMED & FORMED [IRON BOX / IBOX007]<br />
Sehr gelungener 4-Tracker dieses Labels aus Dallas.<br />
Scott Findley lässt sich zu Beginn viel Zeit, um seinen<br />
Groove zu entwickeln und sparsam kleine Fitzelelemente<br />
hinzuzugeben, bevor der große House-Stab,<br />
nicht nur, um ihn aufzuräumen, sondern um ihm etwas<br />
Bandbreite zurückzugeben. Hyperaktiv und überfunky,<br />
wenn man es nur laut genug knallen lässt und<br />
den Kopf frei hat für ein paar Aliensounds.<br />
www.logisticrecords.com<br />
BLEED •••••<br />
BANGKOK IMPACT FEAT. KASSEN - COLOUR OVER<br />
TASTE [VYNALOGICA/003]<br />
Während hierzulande Disco immer einen Hauch Rich-<br />
auch manchmal etwas dudelig wird und brasilianisch<br />
über den Beat gehauchter Gesang sicher nicht jedermanns<br />
Sache ist. Auf die Fresse kriegt hier keiner,<br />
höchstens ein paar sanfte Streichler mit dem Palmwedel<br />
und das ist ja auch was.<br />
LUDWIG ••-••••<br />
LICKABLE BEATS - SAMPLER<br />
[INTERCOM]<br />
Killer, das wisst ihr ja schon von der CD, aber hier endlich<br />
auch vier der Tracks auf sattem Vinyl, das einem<br />
die Basslines hinter die Augäpfel nagelt vor lauter<br />
Realness und mit “Crowd Rocker” in beiden Versionen<br />
so dermaßen abräumt, dass man sogar Angst um die<br />
Fundamente eines jeden Clubs haben muss, in dem<br />
das gedroppt wird. Dazu noch das hypereuphorische<br />
“Tonight” von 60 Minuteman und DJ Touch und der<br />
unglaubliche Tommy Knocker Track “Roule”. Intercom<br />
ist definitv eins der kickendsten Label der Stunde, und<br />
haben es wirklich auch mehr als verdient. Killerplatte<br />
durch und durch.<br />
www.intercomrecordings.com<br />
BLEED •••••<br />
COMMIX - SOMETHING BETTER<br />
[NEW IDENTITY RECORDINGS/029]<br />
Sehr smoothe leichte Tracks von diesem neuen Act<br />
auf New Identity, der aus Cambridge kommt und hier<br />
auf “All You Need” mit guten Oldschool-Soulvocals<br />
und langsam hereingefilterter String-Euphorie perfekt<br />
in einen sehr swingenden Jazztrack rast, der mit<br />
seinen fast albernen Basslines und Funk-Licks vor lauter<br />
Groove nur so aus sich heraussprudelt. “Something<br />
Better” ist die deepere Variante davon, die mit<br />
lässig aus dem Ärmel geschüttelten Gitarren und Subbasslines<br />
eine hitzig dünstende Sommerstimmung erzeugt.<br />
Könnten glatt zur Konkurrenz von Influx Datum<br />
werden, wenn sie so weiter machen.<br />
BLEED •••••<br />
‘TEEBEE - WAREHOUSE / BOUNCE<br />
[PHOTEKPRODUCTIONS]<br />
Klar, ein Teebee-Track rockt immer alles weg. Und<br />
wenn er sich so fundamentalen Themen widmet wie<br />
hier, “Warehouse”, dann sind die Techno-Piano-Dubs<br />
eigentlich vorprogrammiert und wir grooven uns erst<br />
mal locker warm in dem langsam hochgefilterten<br />
Monster aus purem brachialem Funk und lassen Teebee<br />
auf der Rückseite die Tragik in vollen Kannen mit<br />
hier in warmer Akkordform, loslegt. Soultek sind einen<br />
Tick schneller und effektverliebter, dabei aber immer<br />
sehr auf Trockenheit bedacht und malen den<br />
Techno nur sehr vorsichtig an. Dann bricht der gecuttete<br />
Shuffle aus, alles ist irre funky und im Breakdown<br />
reichen wir uns die Hände. Maetrik will es auf der B-<br />
Seite dann wissen, droppt den Dub und legt volle Kanne<br />
los. Stomper-Style, muss sein, wissen wir alle. Brian<br />
Aneurysm baut sich ein minimales Bett, das irre<br />
gut swingt und oben rum toll fiept und singt ein bisschen<br />
dazu. Vier sehr gute Tracks.<br />
THADDI ••••<br />
HRDVISION - OH TEHO SAVES [ITISWHATI-<br />
TIS/008]<br />
Eine der wildesten Techno-EPs des Jahres und gleichzeitig<br />
eine Platte, die auch Elektronika-Fans der fusseligeren<br />
Art zu einem Ansatz führen könnte, der nicht<br />
nur heißen muss: DSP über alles. <strong>De</strong>nn was Nathan<br />
Jonson hier macht, hat einfach viel mehr Ansätze als<br />
das, und auch wenn er manchmal sehr strange und<br />
schwierig wirken kann, geht es doch auch immer um<br />
kickende Beats und um einen Wahnsinn, der sich<br />
nicht klassifizieren lässt. Sehr eigenwillige Platte, die<br />
voller Beats und schwebender Stimmungen hängt, die<br />
sich weder als Melancholie auflösen lassen wollen,<br />
noch als Neurose, sondern immer eine Intensität bewahren,<br />
die irgendwie unter die Haut geht.<br />
www.itiswhatitisrecordings.com<br />
BLEED •••••<br />
NIETSCH & GLEINSER - TIME CONTROL EP [LA-<br />
SERGUN]<br />
Lasergun ist auf einem recht merkwürdigen Trip zur<br />
Zeit, denn hier kommen auf einmal nach wirklich<br />
smashenden Technomonstertracks eher smoothe<br />
Elektrotracks mit vielen Strings und alten Synthesizersequenzen,<br />
die vor allem deshalb nouveaux klingen,<br />
weil die Beats so Schlagzeugartig kicken. Sehr<br />
amüsant meist und irgendwie verspielt ohne dabei<br />
nur herumzwirbelnd zu wollen, aber dennoch auf<br />
manchen Tracks einfach ein klein wenig zu dark. Ach,<br />
und wer hat von euch wirklich ein Indiestück mit<br />
Schrummelgitarre und breitwandiger Melancholie<br />
auf Lasergun erwartet? Niemand. Aber allein dafür<br />
POLAR<br />
VÖ: September/ Ok tober 0 3<br />
TRAUM CD1 3<br />
PROCESS - Spectra CD<br />
VÖ: Ok tober 0 3<br />
TRAUM V4 0<br />
POLAR II - Ada m K<br />
WWW.TRAUMSCHALLPLATTEN.DE<br />
FON 0049 (0)221 23 32 97<br />
TRAUM@NETCOLOGNE.DE<br />
tung Funk driftet, scheint in Holland vor allem die Synthesizerphase<br />
der 70er immer wieder druchzublitzen<br />
und das mit jedem Mal frischer und glücklicher. Die<br />
neue Bangkok Impact markiert mit “Bounce Baby” definitiv<br />
einen Höhepunkt in diesem Sound. Auch “Poppets”<br />
rockt, wenn auch dezenter und mit einer Art an<br />
Melodien ranzugehn, die so einfach wie überzeugend<br />
ist. Musik irgendwo zwischen Leierkastenschlager und<br />
Aliendisco. Die Rückseite blubbert ein wenig mit 1/16-<br />
Discobass und Vocoder und hat zum Abschluss noch<br />
Gitarren und Strings ausgießen in einem dieser<br />
Tracks, die sehr spartanische trockene Beats zu einer<br />
leicht trancigen Hymne entwickeln, die aber mit ihren<br />
Drumrolls und dem lässig gesprochenen “Bounce”<br />
Sample trotzdem nicht kitschig wirkt sondern irgendwie<br />
sehr süß.<br />
www.photekproductions.com<br />
BLEED •••••<br />
JONNY L - 24 HOURS A DAY<br />
[PIRANHA RECORDS]<br />
Yes. Jonny L ist zurück und das Album dürfte wirklich<br />
für alle die Drum’n’Bass nicht nur rockend und fett lieben,<br />
sondern auch voller deeper Melodien und verdammt<br />
guter Effekte, denn was er auf diesen zehn<br />
Tracks macht, ist mal wieder mehr ein Beweis dafür,<br />
dass die Computer endgültig Einzug gefunden haben<br />
in Drum’n’Bass und das zu einem Effekt, der in England<br />
vermutlich “devastating” heißen würde. Die Beats<br />
sind oft wie bei Jonny L früher schon böse und drastisch<br />
knochig, die Sounds verfremdet bis zum geht<br />
nicht mehr, und trotzdem kickt diese Platte auf jedem<br />
der Tracks bis ins Letzte. Strangerweise haben einige<br />
Tracks auch noch dieses Monstergefühl von Ragga<br />
aus dem nächsten Jahrtausend, und, wenig überraschend,<br />
jeder der Tracks ist ein Hit. Massivstes Return.<br />
www.jonnyl.net<br />
BLEED •••••<br />
EASTENDERS - MISTERIO (KABUKI REMIX)<br />
[POETS CLUB 028]<br />
Kabuki arbeitet mal wieder mit Precision. Nur eben<br />
heute im Hofheimer Klub der Poeten, wo sich sonst<br />
eher Atom Hockey oder auch Slop Shop aktiv zeigen.<br />
Er bastelt ein schlichtes und gerades, aber äußerst<br />
eingängiges und effektives Tool, bei dem nur die kurzen<br />
indischen Gesänge noch an den Ethno des Ausgangsmaterials<br />
erinnern. Und wer meint, dass das<br />
nicht geht, lasse sich hier eines besseren belehren.<br />
Warme Chords und kurze Streicher unterlegen den<br />
Marsch der Snare zu einem Warm-Up-Tune, der dann<br />
auch direkt die DCC stürmte.<br />
www.poetsclubrec.com<br />
M.PATH.IQ ••••<br />
YOUNG AX - CONFUSED / SLICK<br />
[SANTORIN]<br />
Doch, auch Santorin ist jetzt auf dem Brasilvibe. Und<br />
muss man dieses Label einfach lieben.<br />
www.lasergun-records.com<br />
BLEED ••••<br />
ALGORITMO [MINUS]<br />
Und weiter geht es mit dieser Serie von neuen Platten<br />
des Hawtin-Labels, die den amerikanischen Minimalismus<br />
wieder neu beleben. Auf der A-Seite ein grabendes<br />
Bassline-Monster mit gelegentlichen Bleeps<br />
in Dub, ein Stück tief wummernder Piano-Swingtime<br />
mit fast psychotischen Vocals, die wirklich “close”<br />
sind, und auf der Rückseite ein weiterer tiefer Graben<br />
aus Bassline und Effekten namens “ChaCha” und ein<br />
leicht angeschrägtes Stück, das perfekt jeden Hangover<br />
nach einer durchtanzten Nacht auffangen kann.<br />
Sehr kickende, aber dennoch extrem leise und präzise<br />
Platte.<br />
m-nus.com<br />
BLEED •••••<br />
BRUNO PRONSATO - READ ME / SILVER CITY<br />
[ORAC/005]<br />
<strong>De</strong>finitiv Seattles Label Nr.1 geht Orac hier mit einer<br />
extrem clickrig kickenden Platte von Bruno Ponsato<br />
noch mal einen Schritt in eine ganz andere Richtung.<br />
“Read Me” lässt die komplexen Basslines heimtückisch<br />
ausbrechen, rattert mit sehr vielen digitalen<br />
Percussion-Effekten und hinterlegt alles mit einer<br />
ständig kleiner gehackten Stimme und deepen<br />
Chords, die allein schon die Platte zu einem der Minimal-Releases<br />
des Monats machen dürften. Die Stimme<br />
gibt es noch einmal in einem perkussiven Acapella<br />
und auf der Rückseite kommt ein weitere Track in<br />
diesem perfekt detaillierten Sound mit Kick, der mit<br />
seinen shuffelnd verdrehten Beats und der tief unter<br />
allem pumpenden Bassdrum selbst den besten Background-Platten<br />
Konkurrenz macht. Dazu ein Remix<br />
von Frozen Modules, der das Ganze dann noch in die<br />
Ästhetik gebreakter Harddisc-Frickel-Sounds übersetzt<br />
und damit trotzdem rockt. Etwas für Menschen,<br />
deren Ohren einfach nicht genug bekommen können,<br />
und die trotzdem tanzen wollen. Orac bleibt eins meiner<br />
Lieblingslabel.<br />
www.orac.vu<br />
BLEED •••••<br />
BARF - LIEBE MEINE EP [PROPTONICS]<br />
Keine Ahnung, wer dieser DJ Pooterhoots sein soll,<br />
von dem die Tracks dieser neuen Proptronix EP stammen,<br />
aber er hat Acid mit dem Kinderbrei eingeflösst<br />
bekommen und quietscht so ausgelassen wie rockend<br />
vor sich her und wirft einem Lofipianos zwischen die<br />
Beine, sing dazu als wäre sein Bart länger als die von<br />
allen ZZ Top Mitgliedern zusammen, säuselt nebenher<br />
ein wenig Alleinunterhaltermusik für die Harddisc-Gameshow<br />
dazwischen, lässt sich von Safety zu einem<br />
sprudeligen Cocktail aus verspieltem Gefussel<br />
zusammenmixen. 6 Tracks kompletter Verwirrung, die<br />
für einen Dancefloor plädieren auf dem der Irrsinn<br />
hinter jeder Ecke lauert, und trotzdem funky gegroovt<br />
werden darf. Sehr alberne Platte.<br />
www.proptronix.com<br />
BLEED •••••<br />
JACKSTONE [PROPTRONIX/003]<br />
Das Label von Safety Scissors, jetzt wieder in San<br />
Francisco, lässt Geoff White hier mit Michael Jackson<br />
Tracks herumalbern und klar, wir wissen alle, Bootlegs,<br />
Aufgewärmtes, im Windschatten von Pop stehen<br />
ist nicht der heißeste Scheiß. Geoff weiß das ebenso,<br />
deshalb sind die Tracks auch weniger blöde nachgespieltes,<br />
nachgesampletes, sondern eher auseinandergefastertes<br />
Licht und selbst auch ohne Jackson so<br />
sehr Pop, dass es einem schon den Atem verschlagen<br />
kann, wie präzise, klar, leicht und melodieverliebt so<br />
ein Chefminimalist auf einmal loslegt und mit den<br />
kleinstteiligen Sounds aus Midifragmenten oder was<br />
immer als Ausgangsmaterial benutzt wurde, eine Ode<br />
an Jackson zusammenzwirbelt, die so klingt, wie<br />
Kraftwerk heutzutage klingen müssten. Funky und<br />
quirlig.<br />
www.proptronix.com<br />
BLEED •••••<br />
SEAN SMITH - WHAT YOU FEEL IS REAL<br />
[ULTRASOUND DISCO]<br />
Sehr sommerliche Discoplatte mit Hörnern, kurz ge-<br />
mal einen tief in den Modulationen wühlenden eher<br />
ruhigen Track. Alle Daumen hoch jedenfalls für Bangkok<br />
Impact, denn das ist definiv ihre beste Platte ever.<br />
www.cemstudio.com<br />
BLEED •••••<br />
das mit mindestens ebenso lässig gezupften Gitarren<br />
und verdammt freshen Oldschoolbeats, wie die üblichen<br />
Verdächtigen. Sehr eigenwilliger Track, dieses<br />
“Confused” weil hier Breaks zum Einsatz kommen, die<br />
man viel zu lange vermisst hat und die trotzdem nicht<br />
alt klingen, und dann auch noch ein Vocal von MC Ramon<br />
dass durch die Luft fegt wie eine Sommerbriese.<br />
Auf der Rückseite stranger und verwirrter aber mindestens<br />
ebenso fresh mit höchst merkwürdig kollabierenden<br />
Samples und Vocals. Überraschung und eines<br />
der Releases, das ganz neue Wege für Drum and<br />
Bass verspricht ohne die Kriegspfade verlassen zu<br />
müssen.<br />
www.santorin.de<br />
BLEED •••••<br />
V.A. - SOUL:UTION VOL.1 [SOUL:R]<br />
Perfekt. Marcus Intalex hat nochmal alle Highlights -<br />
und derer gab es viele - der Soul:ution Serie zusammengesucht,<br />
noch einige Future Classics aus den Archiven<br />
der Soul:R-Hitschmiede dazugesellt und den<br />
Ausnahmenstatus seines Labels einmal mehr eindrucksvoll<br />
unter Beweis gestellt. Mit dabei natürlich<br />
Calibre, M.I.S.T., D.Kay, DJ Marky & XRS, Labelneuling<br />
Nu:Tone und Jenna G. So stilbildend, wie die Jungs und<br />
Mädchen aus Manchester, schafft es zur Zeit niemand,<br />
unterschiedliche House-Spielarten in ein Drum<br />
and Bass-Kostüm zu übersetzen und dabei so wahnsinnig<br />
smart rüberzukommen. Da real Shit!<br />
SVEN.VT •••••<br />
THE RAGGA TWINS & SKETCH & CODE - WHERES<br />
THE PARTY<br />
[TIMES TWO]<br />
Ob mans glaubt oder nicht, aber nach Flava for Raver<br />
setzten die Leute von Times Two noch einen drauf und<br />
holen die Ragga Twins als MCs zurück und lassen sie<br />
über den Basslinerocker “You Don`t Know” von<br />
Sketch & Code rocken, als wäre es einfach nur eine<br />
Frage des gut durchgebrutzelten Dancefloors und ein<br />
paar lustiger Oldschoolelemente und schön würde alles<br />
wieder sein wie damals. Dampfwalzen Track. Auf<br />
der Rückseite mit etwas steppender und mit “Wheres<br />
the party at” definitv mit mehr gut gelauntem und etwas<br />
übertriebenem Partyflavour. Trotzdem sweet und<br />
irgendwie bin ich froh, die Ragga Twins wieder da zu<br />
haben wo sie hingehören.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
hackten Sampleloops und Filtern und einer ausgelassen<br />
dazu brummelnden Bassline. Vielleicht nicht so<br />
die Monsterhits, aber mit ihren typisch amerikanisch<br />
shuffelnden Grooves und dem guten Grundgerüst jazzig<br />
angehauchter Chicago-Slammer-Attitude eigentlich<br />
sehr sympathische einfache und charmant altmodische<br />
Discoplatte.<br />
www.ultrasoundrecordings.com<br />
BLEED ••••<br />
WEST MAGNETIC - LIGHT IN ME [ULTRASOUND<br />
RECORDINGS]<br />
Sehr smoother deeper Vocalhousetrack mit etwas<br />
trällernden aber sehr netten Vocals zu einem leichten<br />
Gitarren-bestimmten Groove mit Orgel und straight<br />
durchshuffelndem Beat, der vor allem von der warmen<br />
Bassline lebt. Perfekter Popsong für Houseliebhaber.<br />
www.ultrasoundrecordings.com<br />
BLEED ••••<br />
JORIS VOORN - THE WAY THINGS APPEAR<br />
[WOLFSKUIL RECORDS/001]<br />
Joris Voorn ist ja ein Spezialist für tief grabende Technohymnen<br />
und das lebt er auf dieser EP wieder voll<br />
aus. Schwergewichtige Basslines, sehr dubbige Percussion,<br />
schimmernde Akkordpads und weitläufig arrangiertes<br />
<strong>De</strong>troitflair überall treiben die A-Seite an<br />
und auf der Rückseite gibt es dazu noch die Electrosmasher<br />
mit treibenster Acidbassline. Checkt das aus.<br />
BLEED ••••-•••••<br />
DJ COSMO - THE DISCO-TECH OF... [YELLOW /<br />
TODAY AND TOMORROW]<br />
Disco-tech, der Begriff trifft die Richtung, in die diese<br />
Mix CD von DJ Cosmo aus New York abzielt schon<br />
ganz gut. Abseits von jeglichem Elektrogeclashe treffen<br />
hier wenige deepe Garage-Tracks auf viele offiziell<br />
zertifizierte Euphorieschleudern wie “Freek” und “I<br />
know a Place” jeweils im Ewan Pearson Mix, “He not<br />
in” von den Chicken Lipps oder “House of Jealouse<br />
Lovers” von The Rapture im Morgan Geist Mix. Zwischendurch<br />
wird mit “The Visitors” (Gino Soccio)<br />
noch schnell die totale Italo-House-Bombe gezündet,<br />
dann schraubt es sich mit Carl Craigs “Science Fiction”<br />
in Richtung Höhepunkt, jegliche Beatkonventionen<br />
liegen sprachlos in der Ecke, dann dieses ekstatische<br />
Gitarrensolo und es geht zum Ende hin wieder<br />
ruhigeren Gefilden zu. So weit, so rund. Nicht das sowas<br />
noch nie gegeben hätte, aber trotzdem ein Treffer.<br />
Daumen hoch!<br />
LUDWIG •••••<br />
LIFESTYLE INTERIORS<br />
[240 VOLTS]<br />
<strong>De</strong>finitiv eine der smoothesten deepesten Platten auf<br />
dem Label von Swayzak, dass sich hier freimacht von<br />
allen zwingenden Clubeffekten und eher eine leichte<br />
clickrig minimale aber sehr harmonische Sicht auf vier<br />
Tracks ausbreitet, die ausgelassen vor sich hin swingen<br />
kann, als hätte sie zuviel Farben gehört und dabei<br />
dennoch eine etwas leichtere fast ländliche Stimmung<br />
bewahrt. Wir vermuten, hinter dieser Platte<br />
steckt ein ausgedehnter Urlaub auf einem Ponyhof.<br />
Sehr schön. Ach so, klar kann man dazu tanzen. Man<br />
sollte sich das jedenfalls nicht entgehen lassen.<br />
www.swayzak.com<br />
BLEED •••••<br />
KONRAD BLACK - SCRAWLED IN BLOOD ACROSS<br />
YOUR T-SHIRT<br />
[240 VOLTS/005]<br />
Eine sehr deepe Minimalplatte mit etwas skurrilen Titeln<br />
von dem Kanadier, der auch Mitproduzent bei<br />
Headgear ist. “Busting Down The Door With A Shotgun”<br />
erzählt vom Unwohlsein in den Gittern strenger<br />
Elektronik und klingt so komplex reduziert und dabei<br />
so transparent und endlos, wie ein Nachthimmel aus<br />
Neon. Dark, aber nicht bedrückend und mit einem<br />
breitwandig endlosen Acid-Nachgeschmack wie manche<br />
Minus Platten. “The <strong>De</strong>vil May Care, I Thought...”<br />
geht in eine ähnlich abstrakte Richtung von Minimalelektronik<br />
zu rockender Bassdrum und bleibt leicht<br />
klinisch bis zu dem Moment, an dem Vocalsamples<br />
dem Ganzen noch einen Hauch von B-Boy Sound geben.<br />
“Still Waiting...Haven´t Even Started Yet” hingegen<br />
setzt sich mit seinen breitwandigen Vocoderstimmen<br />
und dem flirrend harmonischen Background<br />
gleich in die Mitte von Tracks, die man als letzte an einem<br />
Abend so lange hören möchte, bis die Sonne endlich<br />
wieder untergeht.<br />
www.swayzak.com<br />
BLEED •••••<br />
RICHARD DAVIS - EP<br />
[240 VOLTS/007]<br />
Tracks von Richard Davis reißen einen einfach mit.<br />
Und das jetzt noch umso mehr, als Davis schon mit<br />
dem ersten Track, einem tragisch angehauchten<br />
Stringtrack, der auch Rolando und die 430West-Gebrüder<br />
kalt erwischen würde, einen Strudel von Intensität<br />
entwickelt, die auf der neuen EP für das Swayzak<br />
Label ein slammenderes Fundament bekommt. “Bring<br />
You Closer” ist von den Vocals nah an seiner “Safety”<br />
LP (Wer’s nicht erwarten kann, neues Album kommt<br />
im Frühjahr 2004 auf Punktmusik) aber rockt im Hin-
UK<br />
tergrund so deep, dass es mit Sicherheit einer der<br />
Clubhits wird, die man nicht nur in jedem Ricardo-Set<br />
der nächsten Zeit hören dürfte. Und so geht es Hit auf<br />
Hit weiter auf der Platte. “A Million Miles” pumpt tiefste<br />
Bassdrums über Phaser-Effekte zu monumentalen<br />
Subbasslines und einem 80s Hook, der ausnahmsweise<br />
mal das Gegenteil von peinlicher Erinnerung ist,<br />
“Your Hands” lässt eine clickernde Uhr in den Groove<br />
einfließen, ohne dass man es merken würde und lässt<br />
die ganze Garde der neuen Discoproduzenten im Regen<br />
stehen, so fett kickt die Bassline zu den leicht angeshuffleten<br />
Housebeats, und mit “Cruel Sun” landet<br />
man endgültig im deepesten House-Himmel mit einem<br />
Gefühl, dass es weicher kaum grooven könnte als<br />
hier. Killer.<br />
www.swayzak.com<br />
BLEED •••••<br />
V/A - NEWTOWN<br />
[AI RECORDS / AI005]<br />
<strong>De</strong>r nächste Teil der Ai-Compilations rollt an, auf unglaublich<br />
schön designtem Doppelvinyl und erschütternd<br />
limitiert, also schnell sein, denn, wie immer, Ai<br />
macht seinem Ruf als Killer-Label alle Ehre. Andy Feer,<br />
Claro Intellecto, Fold, SWF, Joe Franks etc., irgendwie<br />
wieder ein Haufen Newcomer also, bouncen zwischen<br />
detroitiger Tiefe, rockendem Minimal-Electro (die<br />
808 wird der nächste Bürgermeister in Manchester,<br />
dafür sorgt schon Rob Hall), mit oder ohne schwerem<br />
Breakbeat alle knallig geradeaus und ja, irgendwie<br />
scheint die schwarze Drummachine der gemeinsame<br />
Nenner diesen Monat bei Ai zu sein. Und Claro Intellecto<br />
macht dann eh wieder alles klar. Sehr gute<br />
Compilation.<br />
www.airecords.com<br />
THADDI •••-•••••<br />
JOHANNES HEIL - THE HITMACHINE 2<br />
[JH RECORDS/007]<br />
Klar sind das wie immer bei ihm fiebrige Technotracks,<br />
aber er schafft es ja dann doch immer noch<br />
trotzdem einen Spririt in die Tracks hineinzubekommen,<br />
der so voller Oldschoolideen in neuem Gewand<br />
ist, dass man mit jedem der Tracks abgeht, wenn sie<br />
nur richtig gedroppt werden. Techno mit einer ganzen<br />
Portion früh90er Sounds, Beats und Stimmung, aber<br />
trotzdem sehr frisch.<br />
BLEED ••••<br />
SEYMOUR BITS - HIT ME WITH TECHNOLOGY EP<br />
[BREAKIN RECORDS 041]<br />
Bei Breakin’ kriegt man die in Tüll gehüllten Achtziger<br />
Jahre Träume immer noch ganz ironiefrei serviert, so<br />
dass das Ganze immer ein bisschen nach Schulparty<br />
klingt und nicht nach Purple Rain, wie uns der Wasschzettel<br />
weismachen will. Vier Elektropoptracks, denen,<br />
außer handzahme Eingängigkeit nur wenig Reizvolles<br />
einfällt. Dann doch lieber Zoot Woman.<br />
SVEN.VT •••<br />
PHLASH 3000 - CHAOS IN THE BOARDROOM<br />
[ESTEREO 036 / 3MV]<br />
Phil Asher erweitert sein Phlash-Pseudonym um einige<br />
Ziffern und bringt bei der Gelegenheit gleich Rich<br />
Medina und Mark de Clive Lowe mit. Eingedenk seiner<br />
vielseitigen Verwendbarkeit ist es immer wieder<br />
HIPHOP<br />
KILLA KELA - THE PERMANENT MARKER<br />
Killa Kela ist Human Beatbox, was heißt, dass er Sounds<br />
wie Basslines, Beats und Scratches mit dem<br />
Mund macht. Nebenbei singt er auch ab und zu und<br />
hat einen breiten wie korrekten Musikgeschmack und<br />
Humor. <strong>De</strong>mzufolge hört man auf dieser genialen,<br />
aber leider etwas kurzen LP fast mehr Drum and Bassals<br />
HipHop-Beats, ein paar andere Instrumente, DJs<br />
wie Plus One und Hype sowie als MC u.a. Akrobatik<br />
plus ein lustiges Skit mit irgendeinem Freak und jemandem,<br />
der wie Jerry von Tom und Jerry klingt und<br />
Diverses mehr. <strong>De</strong>m Ganzen merkt man an, dass es eine<br />
Menge Spaß gemacht hat und das Kela nicht nur<br />
Talent hat, sondern es auch auf Platte umzusetzen<br />
weiß. <strong>De</strong>wegen wird dieses Albumm jetzt, ein Jahr zu<br />
spät, auch tatsächlich veröffentlicht.<br />
CAYND •••••<br />
FREUNDE DER SONNE [3P]<br />
Pelham Power Productions ist noch immer einer der<br />
vielversprechendsten Labelnamen. Kool Savas hat<br />
hier zusammen mit IllMat!c nach einer gemeinsamen<br />
Radiosendung in Frankfurt wohl die spontane Idee,<br />
eine CD in 24 Stunden komplett aufzunehmen, in die<br />
Tat umgesetzt. Freunde der Sonne heißt dieses Projekt,<br />
an dem noch zwei DJs beteiligt sind, in Alehnung<br />
an die FDJ. Kool Savas prahlt damit, dass er voll fix Texte<br />
schreiben kann, viel Kohle gemacht hat und überhaupt<br />
der Geilste ist. Illmatic macht dasselbe, beide<br />
mit dezentem Verweis darauf, dass sie türkische bzw.<br />
griechische Vorfahren haben. Ihre Bitch-Fixiertheit ist<br />
etwas anstrengend, etwas platt auch der Indierapdiss.<br />
Ansonsten ganz cool agressiv, aber wie eine Radiosendung<br />
eben eine auf Dauer langweilige Eintagsfliege.<br />
CAYND •••<br />
THEMSELVES - THE NO MUSIC OF AIFFS<br />
[ANTICON]<br />
Jeffrey Logan aka Jel ist so oder so schon einer der<br />
gradlinigeren Produzenten aus dem Anticon-Haufen.<br />
Er hat die HipHop-Schule länger besucht als Odd Nosdam.<br />
Doseone, sein Vokalist bei Themselves, bietet<br />
dazu stets den Scatterbrain-Gegenpol. Stiftet Verwirrung.<br />
Nun handelt es sich bei dieser Platte um ein Remix-Album.<br />
<strong>De</strong>nn die eigentliche “No Music” gab es<br />
schon, im letzten Jahr. Die Vocals bleiben also erhalten,<br />
Jels Produktionen werden umgearbeitet. Und dabei<br />
meistens sogar noch weiter entschärft, geglättet.<br />
Why?s Version von “Poison Pit” ist so harmonisch,<br />
dass man sich fragt, wo er die Ruhe auf einmal hernimmt.<br />
“Dr. Moonorgun Please” wird von John Herndon<br />
in eine Chill-Out Stimmung geschneidert, und die<br />
Ecken von “Mouthful” darf Controller 7 abschneiden.<br />
Dazu wird Dose auch auf völlig neues Terrain geschickt:<br />
Kollege FOG geht in Richtung Old School-<br />
Gangster, die es bei Anticon so noch nie gegeben hat,<br />
Odd Nosdam jagt ihn per Zeitmaschine in die Achtziger,<br />
und die Überraschungsgäste The Notwist bringen<br />
• = NEIN / ••••• = JA<br />
beeindruckend, mit welch Raffinesse der gebürtige<br />
West-Londoner produziert. Das direkt eingespielte<br />
Drum-Loop von Phil und die Rhodes von Mark amalgamisieren<br />
mit der Botschaft Medinas zu einer House-Easyness,<br />
dass Little Louie Vega es gleich lizensiert<br />
hat. Sure Shot für alle, die es subtil und episch bis jazzy<br />
mögen.<br />
www.estereo-recordings.com<br />
M.PATH.IQ •••••-••••<br />
THE AMALGAMATION OF SOUNDZ - FABRIC 12<br />
[FABRIC]<br />
<strong>De</strong>r volle Genre-Parcours: Über Ambient, langsames<br />
Downbeatschwofen, knapp am Dub vorbei, voll rein in<br />
die breakige Haarnadelkurve und dann noch die Kurve<br />
kriegen zur technoiden Geraden (Bassdrum), hui<br />
Hochgeschwindigkeit! und dann Quietsch! am Ende<br />
Vollbremsung bei verpeilt Housigem. Nicht schlecht.<br />
Am Steuer sitzen die Chauffeure Amalgamation of Soundz<br />
und fahren die Style-Limousine aus der Fabric-<br />
Schmiede so sicher, dass man so wie bei den ganz teuren<br />
Schlitten gar nicht merkt, wie schnell man eigentlich<br />
unterwegs ist und was da eigentlich alles passieren<br />
könnte. Am Straßenrand flitzen Richard Davis,<br />
The Future Sound of London, Hakan Lidbo und Jeff<br />
Bennett vorbei, das Klima an Bord ist entspannt,<br />
manchmal fragt man sich ob die Jungs die nächste<br />
Kurve noch kriegen, doch dann geht’s souverän weiter<br />
und am Ende sogar in die Punkte, so sagt man doch<br />
unter Rennfahrern. Und jetzt Schluss mit dem Metapher-Quatsch.<br />
LUDWIG ••••<br />
FAT FREDDYS DROP - HOPE [KARTEL 001]<br />
Wem vor noch gar nicht langer Zeit DJ Fitchie & Joe<br />
Dukie mit ihrem Midnight Marauders auf Best Seven<br />
im Ohr lagen, sei an dieser Stelle gleich die nächste<br />
Perle aus Neuseeland empfohlen. Hier tauchen die<br />
beiden beim Septett Fat Freddys Drop wieder auf. Hope<br />
ist wirklich einer dieser Ohrwürmer, die den Tag<br />
mit Sinn beseelen. Da darf zu Dub- und Reggae-Vibes<br />
mitgesungen oder enggetanzt werden. Klingt seltsam,<br />
ist es aber gar nicht. Ich wette, da kommt noch<br />
einiges aus Wellington auf uns zu!<br />
www.fatfreddysdrop.com<br />
M.PATH.IQ •••••<br />
LES JARDINIERS [HAUTEC/006]<br />
Nach langer langer Zeit meldet sich das Label das uns<br />
damals Akufen brachte wieder zurück und die Tracks<br />
der Les Jardiniers haben immer noch diesen Sound<br />
von damals, bringen ihn aber mit einem Schuss mehr<br />
Technobeliebigkeit auf der A-Seite nicht wirklich dazu,<br />
funky zu werden und hechten auf der Rückseite<br />
zwar etwas deeper aber immer noch irgendwie zu rushed<br />
durch die stapfenden Bassdrums. Schade.<br />
BLEED •••-••••<br />
HANNA - FACELESS EMOTION [FREERANGE 031]<br />
Warren Harris bleibt mit seinen unquantisierten Basslinien<br />
einfach unverwechselbar. Das führt soweit,<br />
dass flüchtige Vergleiche mit SunRa im Raume schweben.<br />
Obwohl er wahrlich um einiges straighter zum<br />
Beate geht, so schafft er es doch, zugleich minimal,<br />
rau und soulig zu erscheinen. Das ist im Grunde auch<br />
bei Here’s To Love nicht anders. Lediglich die Synths<br />
• = NEIN / ••••• = JA<br />
endlich mal Ruhe unter sein Gezeter. Abschließend<br />
dürfen die Electric Birds ihn sogar erstmalig auf die<br />
Tanzfläche schicken. Aus so schon spannender “No<br />
Music” wurde hier noch ein bisschen mehr Musik.<br />
RNK ••••<br />
J. SANDS - THE BREAKS VOL. 1<br />
[BUKA]<br />
J. Sands ist die eine, oder die andere, je nach dem,<br />
Hälfte von Lone Catalysts zusammen mit dem Produzenten<br />
J. Rawls. Hier hat er seine Lieblings-HipHop-<br />
Beats und Classics, J. Sands ist bekennender Tape-Fan<br />
und -Sammler, in neuer Weise zusammengesetzt,<br />
bzw. zusammensetzen lassen, und rappt darüber, es<br />
ist also quasi eine Art Hommage an seine HipHop Sozialisation<br />
und die alte Liga, die einst so viel Gutes tat,<br />
um das mal ein wenig zu verherrlichen. Wichtig ist J.<br />
Sands insbesondere, dass es damals noch vor allem<br />
darum ging, eine gute Zeit zu haben, und nicht irgendwelche<br />
stupiden Battles aufgrund Medientauglichkeit<br />
inszeniert wurden, oder man automatisch in<br />
Schubladen wie “Underground”, “Gangsta” etc. gesteckt<br />
wurde. Mehr Freiheit, das fehlt HipHop<br />
tatsächlich manchmal. <strong>De</strong>swegen ist das hier eine<br />
sehr angenehme Platte, die als Brücke zum nächsten<br />
Lone Catalysts Album im nächsten Frühjahr gedacht,<br />
und dafür auch sehr gut geeignet ist. Ein entspannter<br />
Jazzstyle, der zwischen den Synthie- oder Rockstyles,<br />
die gerade ja sehr beliebt zu sein scheinen, positiv<br />
auffällt, auch wenn man einige der hier verwendeten<br />
Breaks vielleicht schon etwas über hat, aber die Zusammenstellung<br />
macht schon was Nettes draus.<br />
CAYND ••••-•••••<br />
WILL.I.AM - MUSTB21 [BBE]<br />
Er ist Teil der Black Eyed Peas und auch nach seiner<br />
Soloplatte vor zwei Jahren weiss man, dass Will.I.Am<br />
nichts von spaßlosem Betroffenheitsrap hält, sondern<br />
sowohl gehaltvolle als auch hauptsächlich amüsante<br />
und leichtfüßige Sätze stets mit sehr viel Funk präsentiert.<br />
Tanzen und Spaß haben soll man hier anstatt<br />
in der Ecke rumzulungern und zu grübeln. Während<br />
sein vorheriges Album “Lost Change” der Soundtrack<br />
zu irgendeinem Internetfilm war, ist das hier die Musik<br />
zu einem Bier, daher der Plattentitel. Keine reine<br />
Marketingidee, das ganze kam eher zufällig zustande,<br />
laut Will.I.Am war es seine Idee und er findet es eine<br />
gute Sache. Wo Alkohol gesagt wird, ist Tash von den<br />
Alkoholiks natürlich sofort zur Stelle, ebenso Planet<br />
Asia und Phife Dawg, MC Lyte, KRS One etc. Will.I.Am<br />
hosted anscheinend auch eine auf Freestyling basierte<br />
Show auf MTV Amerika. Hier geht es zu wackeligen<br />
und teilweise etwas neptunesk wirkenden Beats um<br />
Aktivitäten, die man so mit Party assoziert, in recht<br />
vielfältiger Weise, manchmal leider etwas schnulzig<br />
und gitarrenbetont. Jedenfalls ein gute Laune Garant,<br />
der aufgehen dürfte.<br />
CAYND ••••<br />
stehen über dem Gerüst der Bassdrum. Konsensfähiger,<br />
weil schon viel eher typischen melodischen Mustern<br />
folgend, ist der Remix von Landslide. Dabei<br />
bleibt er ebenfalls so schlicht und episch, dass sich die<br />
Nuancen langsam enthäuten und zu einem großen<br />
Ganzen verschmelzen.<br />
www.freerangerecords.co.uk<br />
M.PATH.IQ ••••<br />
SCOPER & BUBBA - USE YOUR IMAGINATION<br />
[GLOBAL UNDERGROUND]<br />
Eigentlich bin ich beim besten Willen kein Fan von<br />
diesem Label, aber was sie hier zusammenbrettern ist<br />
einfach zu niedlich, als dass man dran vorbeigehen<br />
sollte. Dubbig nur in den Hintergründen und ansonsten<br />
eher ein Aciddiscoinferno mit bleepigen Untertönen,<br />
das klingt wie die neue LFO, wenn man einen<br />
Zentner zuviel Haschisch geraucht hat. Die “From Us<br />
To You”-Seite ist eher deep und housig, mit Orgeln<br />
und einem wirklich sympathischen Frühstücksspaziergangsgroove.<br />
Nett.<br />
BLEED •••••-••••<br />
ALEX FUSE - WHIPEOUT [HUMANOISE]<br />
Klar, wer ein Label mit einem Advent Remix beginnt,<br />
der hat erst mal in der richtigen Szene die nötige Aufmerksamkeit,<br />
und das auch zu Recht, denn Ferreira<br />
rockt hier einfach so stolz und ungebrochen mit einem<br />
leicht melodisch-orgeligen Housestakkato und<br />
Killerbreaks, die alles andere ringsherum untergehen<br />
lassen und der Looptechnowelt erzählen, dass es einfach<br />
wieder mehr Fun in den Tracks geben muss, egal<br />
wie langsam man das angeht. Meister seines Fachs.<br />
Dagegen fällt der Track auf der Rückseite so dermaßen<br />
flach und wie ein Anfängerversuch, die Oldschool<br />
von Techno wiederaufleben zu lassen, runter,<br />
dass man fast schon besorgt ist, aber, hat man sich<br />
einmal eingegroovt, dann kickt das auch und erwischt<br />
einen unerwartet mit bratzigen Synthesizersounds.<br />
BLEED ••••<br />
THE LITHIUM PROJECT - MAJIK KIOSK<br />
[HYDROGEN DUKEBOX]<br />
Ich kann von mal zu mal weniger unterscheiden zwischen<br />
Salsa, Bossa, usw. Das Orginal ist aber auch<br />
eher ein smoother Broken Beats Track mit Jazzvocalpercussion<br />
und Funklicks, der sich trotzdem nicht mit<br />
Regenmantel in der guten Downtempobeliebigkeitssauce<br />
herumstapft. Metamatics steuern einen behutsamen<br />
Remix bei, der einen daran erinnert, dass Remixen<br />
ja auch mal Archäologie aus der Zukunft sein<br />
kann. Freigekratzte Erinnerungen mit technologisch<br />
hochfrisierten Mitteln, die die Vergangenheit des Orginals<br />
irgendwie magischer erscheinen lassen, auch<br />
wenn sie wissen, dass man niemals eine Wahrheit entdecken<br />
wird. Auf der Rückseite dann noch zwei<br />
schnuckelige Jazzeskapaden für Freunde der Besendrummer<br />
und Kopfhohen Echokammer.<br />
www.hydrogendukebox.com<br />
BLEED ••••<br />
RANDOM NUMBER / MOBLIN - FROM YOUR<br />
SUMMER ROADS [IRRITANT RECORDS/026]<br />
Vier Tracks von Random Number, die mal wieder sehr<br />
frisch und knusprig klingen und sich null darum kümmern,<br />
ob man nun besonders viele DSP-Units ange-<br />
3582 - SITUATIONAL ETHICS<br />
[HUM DRUMS]<br />
Bekanntermaßen verbergen sich hinter 3582 Fat Jon<br />
und J. Rawls. <strong>De</strong>r eine ist für ziemlich angedeepte Abschweifbeats<br />
bekannt, hat u.a. bei Mush ein paar Soloalben<br />
gemacht und rappt und produziert ansonsten<br />
für Five <strong>De</strong>ez. J. Rawls ist Teil der Lone Catalysts und<br />
hat neben seinem eigenen Album so einige Underground<br />
MCs mit angejazzten Beats versorgt. Hier gibt<br />
es zehn Stücke zu hören, alle ziemlich unspektakulär<br />
und einfühlsam produziert, schwelgerisch, klimpernd<br />
und halt sehr sweet, man merkt, dass die beiden gerne<br />
nach Samples graben. Auf der Vinylversion gibt es<br />
alle Instrumentals dazu. In den Lyrics geht es um gutes<br />
Leben, wie man in welcher Situation auf was reagiert,<br />
wie sich Leute und Beziehungen verändern usw.<br />
Eine reflektierte und relaxte Abhandlung über zwischenmenschliche<br />
Angelegenheiten und sehr nett.<br />
www.humdrums.de<br />
CAYND ••••<br />
DDAMAGE/TTC - TROP SIGNE E.P.<br />
[CLAPPING MUSIC]<br />
Sehr dick auftragende HipHop-CutUp Orgie aus<br />
Frankreich, wo TTC ja wohl schon bekannt sind und ihre<br />
Tracks hier in die Hände von DDamage geben, um<br />
genau das damit machen zu lassen. “Trop Signe” hat<br />
dieses Dancehall-Feel, ist aber eigentlich Acid auf halber<br />
Geschwindigkeit mit ordentlich Rotz und sehr direktem<br />
Bitcrusher. Auf “Pas D’Armure” kommt dann<br />
noch Dose One vorbei und alles ist fürchterlich laut<br />
und übersteuert und ja verdammt ziemlich cool. Ich<br />
find das gut!<br />
www.clappingmusic.com<br />
THADDI •••••<br />
ATMOSPHERE - SEVEN’S TRAVEL<br />
[EPITAPH/ RHYMESAYERS]<br />
Es gibt Dinge, die sich anzuprangern lohnt, und man<br />
hat manchmal auch ausreichend Gründe, ein wenig<br />
wütend oder gelassen, weil die Welt nunmal ungerecht<br />
ist, zu werden. Ein bisschen hören sich Atmosphere<br />
danach an, es geht weitgehend darum, dass einem<br />
oft andere Leute und generell Regeln sehr viel<br />
vermiesen können. Einen rockigen bzw. indiemäßigen<br />
Einschlag bekommen sie nicht nur durch ihre Stimmverwendung,<br />
ab und an werden Wörter gerne lang gezogen,<br />
sondern auch durch die Dominanz eingespielter<br />
Instrumente und die reflektierten Betrachtung der<br />
persönlichen Misere. Ein Fall für alle, die ungewöhnliche<br />
HipHop Produktionen zu schätzen wissen, sich<br />
angesichts des persönlichen Übels permanent<br />
schlecht fühlen, und für die Fankurve, die die drei Alben<br />
vor diesem bereits bejubelt hat. Irgendwie eine<br />
sehr amerikanische und nachdenkliche Platte, sie<br />
kommen übrigens aus Minneapolis, der MC namens<br />
Slug, Ant, der die Beats macht und DJ Mr. Dibbs. Epitaph<br />
ist übrigens ein Punkrock Label und bringt diese<br />
Platte deswegen raus, weil HipHop und Punk bekann-<br />
schaltet haben muss, oder einfach auf der Lofi-Orgel<br />
bimmelt, Hauptsache am Ende steht ein Track da, der<br />
einem die Ohren klingeln lässt, weil er so sweet ist wie<br />
kross und die Sounds und Beats knacken und gleichzeitig<br />
blinken lässt. Volksmusik für Laptop-Freunde,<br />
die auch schon mal auf den Lerncomputer der kleinen<br />
Geschwister schielen. Auf der anderen Seite dann<br />
drei Moblin Tracks, die ein wenig ernsthafter und düsterer<br />
in die Klangexperimente gehen und dabei gerne<br />
ihr eigenes Pathos zerbröseln in Beats, die eine Arcademaschine<br />
als Generator zu haben scheinen, aber<br />
kurz vor dem Highscore dann lieber noch mal die Helden<br />
komprimieren. Skurrile Musik zwischen Computergame-Simulation<br />
der nächsten Generation und<br />
Heavymetal-Arrangements ohne den geringsten<br />
Hauch Rock, Fieldrecording-Kammermusik-Geflüster<br />
und Progressive-Ambient.<br />
www.irritantrecords.com/<br />
BLEED •••••<br />
FAD GADGET - COLLAPSING NEW PEOPLE 2003<br />
[MUTE / TT1]<br />
Blasphemie, ganz klar. Könnte man denken. Jetzt, wo<br />
Frank Tovey tot ist und “Herr Lehmann” verfilmt wird,<br />
interpretiert man den definitven Monsterhit von Fad<br />
Gadget als Berlin-typsichen Track und re-releast.<br />
Westbam remixt einen Track, bei dem es eigentlich<br />
nichts zu remixen gibt. Das weiß auch Westbam, der<br />
das Stück dann in seiner Struktur erhält und eher auf<br />
die Industrial-Sounds von den Neubauten fokusiert<br />
(damals mit Tovey im Berliner Hansa-Studio zu<br />
Gange), fügt eine Bassdrum hinzu und kriegt die Kurve.<br />
Glück gehabt. Auf der B-Seite remixt John Aquaviva<br />
das ebenso legendäre “Lady Shave”, arrangiert alles<br />
ein bisschen tighter und moderner, achtet aber genauso<br />
auf die eigentliche Songstruktur und so geht<br />
das eigentlich auch total ok, auch wenn beide Originale<br />
einfach immer noch unerreicht sind. Glück gehabt!<br />
www.mute.com<br />
THADDI ••••<br />
IRIDITE PRODUCTIONS - ELECTRON MUSIC<br />
[IRIDITE PRODUCTIONS/004]<br />
Die kurze Mixcompilation beginnt mit einem Track<br />
von Marco Barnardi, der verdammt schnell und detroitig<br />
deep rockt mit einem flinken Track in dem die Sequenzen<br />
immer wieder ein moduliertes Update bekommen,<br />
und die Beats sich stellenweise fast digital<br />
überschlagen, aber dennoch diese smoothe Stimmung<br />
bewahrt wird. Rei Loci gehen weiter in die Tiefe<br />
von House und lassen in den Zwischenräumen die Galaxien<br />
aufblitzen, Methology kontern mit ihrem vergleichsweise<br />
langsamen “Wake Up Amerika” mit einem<br />
dunklen Track voller Brooklyn-Samples, die unglaublich<br />
intensiv rüberkommen und mit der stellenweise<br />
ausbrechenden Bassline auch den extremen<br />
dunklen Groove dazu haben. Eine Hymne in der die<br />
Acidline nur noch mehr Psychoeffekt hinzufügt. Zum<br />
Abschluss dann ein fast minimales, leicht clickriges digitales<br />
Stück von Tha Poke, das mit extrem coolen Sequenzen<br />
und unterkühlter Spannung langsam die<br />
Sonne aufgehen lässt und einen in eine Welt entführt,<br />
in der solche Tracks plötzlich ganz für sich alleine stehen<br />
und für eine Verheißung einer Zukunft, die unglaublich<br />
wird. www.iridite.com<br />
BLEED •••••<br />
termaßen eine Menge Überschneidungspunkte haben.<br />
Und damit sind hier nicht nur die Gitarren gemeint.<br />
Indierap galore.<br />
www.epitaph.com<br />
CAYND ••••<br />
HIEROGLYPHICS - FULL LENGHT<br />
[HIERO IMPERIUM]<br />
Seit mehr als zehn Jahren gibt es nun diesen rapmotivierten<br />
Verbund in der Bay Area. Zunächst mit Majorplatten<br />
von <strong>De</strong>l als Hitrapper, später dann mit den<br />
Souls of Mischief als Symphatieträgern. Seit 97 haben<br />
sie ihr Label Hiero Imperium, und bringen da in regelmäßigen<br />
Abständen neue Platten raus, während sie<br />
gleichzeitig ihre Website pflegen. “Full Lenght” ist ihr<br />
erstes Album als Crew seit fünf Jahren, klar, dass sie da<br />
vor nicht geringen Erwartungen stehen, die sie auch<br />
recht souverän erfüllen können. Man merkt, dass das<br />
Ende der 90er nicht spurlos an ihnen vorbei gegangen<br />
ist, die Beats, zumeist von Domino, aber auch von<br />
Opio, A+ und Casual produziert, sind alle auf der<br />
Höhe der Zeit, manchmal mit Klassikeinschlag, ab und<br />
zu orientalisch motiviert, oft elektronisch clubbig,<br />
und immer sehr dick. Inklusive Soulsängerin kann<br />
man ihnen nicht vorwerfen, sie wären stagniert, hier<br />
klingt es abwechselnd heiter, bouncig, battelig und<br />
sweet. Musikalisch wie von den Raps her eine ganz<br />
coole Platte.<br />
www.hieroglyphics.com<br />
CAYND •••••<br />
PARIS - SONIC JIHAD<br />
[GUERILLA FUNK RECORDINGS/ GROOVE<br />
ATTACK]<br />
Nach recht langer Abwesenheit auf dem Tonträgermarkt<br />
mal wieder ein Lebenszeichen von Paris, kompromissloser<br />
Kampf-MC aus früheren Tagen. An seiner<br />
kritischen Haltung hat sich nicht viel geändert,<br />
hier zielt seine Kritik insbesondere gegen den amerikanischen<br />
Imperialismus und natürlich mal wieder,<br />
NICK HOLDER - ON MY MIND POOLEY MIXES<br />
[NRK]<br />
Finde das neue Nick Holder Album ja verdammt gut,<br />
und Pooley ist bestimmt auch der richtige, mit so einem<br />
Sound umzugehen, aber irgendwie kommt der<br />
Vocal Mix von “On My Mind” dann doch nicht so wirklich<br />
an die Leichtigkeit von Holder ran und die Rückseite<br />
ohne Vocals wirkt auch eher lässig und smooth<br />
groovend und will etwas zuviel Sounds unterbringen.<br />
BLEED ••••<br />
THE ADVENT - DEEP SPACE EP<br />
[ON TEST]<br />
Drei Tracks des Schrubbertechnohelden, die ihn mal<br />
wieder als einen derjenigen dastehen lassen, die einfach<br />
immer mehr zum Beatfreak werden und egal wie<br />
straight die Tracks sind immer noch Raum finden Breaks<br />
einzubauen, die den wuchtigen Rollern einen extra<br />
Kick geben. Drei Floorfiller für die Knochenbeisser<br />
Posse, die etwas weicher geworden ist.<br />
www.ontest.co.uk<br />
BLEED ••••<br />
TRANSPARENT SOUND - DIRTY CURTAINS AND<br />
FOOTBALL POSTERS [ORSON]<br />
Muss zugeben, dass ich Orson als Label wirklich nicht<br />
kenne, kein Wunder, ist ja auch deren erstes Release,<br />
aber es zeugt mehr als vieles andere davon, dass sich<br />
in England eine neue Szene zwischen Electro und Acid<br />
entwickelt, die so groovy wie trancig und leicht ist, die<br />
kitschige Bleeps genaus so verträgt, wie einfache klare<br />
Sounds, und das tun sie hier auf sechs ziemlich albernen,<br />
manchmal kitschigen, aber immer irgendwie<br />
lässigen Tracks so exzellent, dass sogar die Rotters<br />
Golf Club Posse neidisch werden dürfte. Überraschend.<br />
BLEED •••••<br />
H FOUNDATION - TONIGHT THE FIVESIXMIXES<br />
[SOMA]<br />
Tja, King Britt kann zwar mit Vocals umgehen, aber ob<br />
sein Remix ohne nicht viel mehr der gewünschte<br />
“Sexy Mix” gewesen wäre, wissen wir nicht so genau.<br />
Und DJ Dozias “Hit Mix” geht eher so Richtung Danii<br />
Minogue. Nun ja. Nicht jeder kann singen, noch weniger<br />
sollten.<br />
BLEED •••<br />
SWAYZAK FEAT. KIRSTY HAWKSHAW - STATE OF<br />
GRACE [SWAYZAK]<br />
Jetzt ist dieses Stück ja schon ein bisschen alt, aber<br />
klingt immer noch sehr skurril und irgendwie bezaubernd,<br />
auch wenn die Stimme natürlich nach wie vor<br />
dieses leicht gestelzte kleinkindhafte Elfenflair hat.<br />
Die Remixe kommen von Sillicon Scally, der es irgendwie<br />
in einen deepen Electrotrack verwandelt, der<br />
Hymnencharakter hat, und natürlich Headgear, die es<br />
darker und schwergewichtiger mit nur schwer gezähmten<br />
Bassline-Zähnen und pulsierendem 80er Sound<br />
trotzdem ganz gut rollen lassen und in einen<br />
recht lässigen Retrohit verwandeln.<br />
www.swayzak.com<br />
BLEED ••••-•••••<br />
was man auch auf seiner recht umfangreichen Website<br />
nachlesen kann, um böse Dinge wie z.B. Ecstasy, die<br />
die Community und das Zusammenleben nach vertretbaren<br />
moralischen Gesichtspunkten überhaupt<br />
zerstören. Aufgrund dieser Thematik macht es natürlich<br />
Sinn, Medien, weiße Leute, die ja zumeist in dominaten<br />
Positionen sind, Diskriminierung, Ungerichtigkeit<br />
und mehr in Form von Rap anzufechten.<br />
Schließlich kann das eines der idealsten Ausdruckmittel<br />
für solche Belangnisse sein, vor allem wenn es so<br />
wie hier gleichzeitig heftigst bounct. <strong>De</strong>ad Prez und<br />
Public Enemy waren in diesem Wortgefecht für Freiheit<br />
übrigens mit dabei. Eine essentielle und notwendige<br />
Platte.<br />
www.guerillafunk.com<br />
CAYND ••••<br />
VENTURA BROS. - LIEBEN ODER HASSEN<br />
[LACOSAMIA]<br />
Wir wollen euch nicht unterschlagen, dass diese Kölner<br />
Rap CD, ja, auch da gibt’s harte Rapgangsta, Bösewichte,<br />
oder anderweitig eingeschränkte Leute, von<br />
Karl Kani unterstützt ist. Ein Kleidungsfabrikant, der<br />
für Strumpfmützen, posige Lederjacken und dergleichen<br />
verantwortlich ist. Tja, die Ventura Brüder legen<br />
uns auf ihren pompösen Beats nahe, “es” ernst zu nehmen,<br />
da sonst, na ihr wisst schon. Sie jedenfalls behaupten<br />
von sich Hardcore zu sein, benutzen öfter<br />
mal unoriginelle sexuelle Metaphern, sind aber gerne<br />
auch mal zu ein bisschen Nachdenklichkeit, Gitarrengeklimper,<br />
Outdoorstyles oder einem Miami Bass<br />
Track bereit und meistens sehr grob. Bisschen Spaß<br />
und Leichtigkeit würde ihnen auch nicht schaden.<br />
Hessischer Soul und Berliner Battlerap klingen irgendwie<br />
erträglicher. Afrob, die Spezialistz und die<br />
Firma sind übrigens auch mit dabei.<br />
CAYND ••<br />
NON PROPHETS - HOPE<br />
[LEX RECORDS/WARP]<br />
Lex will uns wohl deutlich machen, dass sie tatsächlich<br />
fest mit beiden Beinen auf HipHop-Terrain agieren.<br />
Ihre Triple-Maxi-Compilation hatte mit vielen Instrumentals<br />
und komischem, elektroidem Kram eine<br />
andere Sprache als die letzten Alben von DM & Jemini,<br />
Tes und nun die Non Prophets. Macht aber nichts:<br />
Non Prophets sind Joe Peats und der MC Sage Francis,<br />
der dieses Jahr auch schon ein Album bei Anticon veröffentlichte<br />
- ganz so gewöhnlich kann das hier also<br />
nicht sein. Anticon-Stress findet man hier aber trotzdem<br />
nicht: vor allem schön locker sind die Beats - böse,<br />
hektisch oder high-tech is nich. Die beiden docken<br />
auf sympathische Art an den früh-90er Alternativ-HipHop<br />
an.<br />
MEYER ••••<br />
TY - UPWARDS [NINA TUNE]<br />
Eine sehr liebliche, harmlose und soulvolle CD, alternativ<br />
könnte man auch sagen, dass es sich bei dem<br />
FILA BRAZILLIA - B2<br />
[TWENTYTHREE RECORDS]<br />
Was haben Fluke und Sven Väth (obwohl auf dem Cover<br />
“Vath” steht), Tosca und die United Future Organisation<br />
gemeinsam? Richtig, sie wurden alle schonmal<br />
von Fila Brazillia geremixt, dem Produzenten-Duo<br />
Dave Mc Sherry und Steve Cobby. Die Beiden remixen<br />
schon ein Weilchen, genauer gesagt seit 13 Jahren.<br />
Und da sie es immer wieder schaffen, aus den Originalen<br />
was rauszuzaubern ohne bloß billig zu remaken,<br />
sind sie als Mixer vom Dienst äußerst gefragt, und haben<br />
hier eine Sammlung von 21 Mixen zusammengestellt.<br />
Klar, dass man als Chef-Remixer dafür Chamäleon-artig<br />
durch die Stile und Genres mäandern muss<br />
und dass machen die Jungs mit einem lässigen Schulterzucken<br />
und irgendwie immer jazzigem Grundtenor.<br />
LUDWIG •••<br />
LUKE VIBERT - SYNTHAX / I LOVE ACID<br />
[WARP]<br />
Wenn mir nochmal jemand erzählt Acid, wäre nix<br />
Neues, dann empfehle ich ihm sich einfach trotzdem<br />
diese Platte von Luke Vibert anzuhören, denn das sind<br />
zwei meiner Lieblingstracks vom Album “Yoseph” und<br />
die holen Acid definitiv nicht nur zurück, sondern<br />
bringen ihn weit nach vorne, denn so albern und<br />
glücklich wie “Synthax” zu Vibert-Breaks herumquengelt,<br />
war schon lange nicht mehr in unserer nicht gerade<br />
Acidarmen Zeit. Und “I Love Acid” ist sowieso eine<br />
Hymne. Soviel Spaß hat Acid eigentlich schon Generationen<br />
lang nicht mehr gemacht.<br />
www.warprecords.com<br />
BLEED •••••<br />
LFO - FREAK<br />
[WARP]<br />
Nein, eigentlich sollte keiner sagen, dass er LFO das<br />
zugetraut hätte. “Freak” ist einfach ein Monster, das<br />
aufräumt. Das Dinge klarstellt, die schön längst mal<br />
wieder hätten klargestellt werden müssen. “Freak”<br />
bringt eine Agression in den Club, wo sie keiner vermutet<br />
hätte. “Freak” klingt irgendwie Oldschool, klar,<br />
das könnte auch Warp 91 sein. Aber irgendwie rockt es<br />
soviel mehr und ist so angriffslustig, dass sich jeder<br />
Elektrotrash dahinter einfach nur verstecken kann,<br />
und mich erinnert es dabei fast eher an Lil Louis “Videoclash”,<br />
oder “Stakker Humanoid” als an irgendetwas<br />
anderes, auch wenn Leute wie Ibrahim Alfa sich<br />
dabei vermutlich totlachen, denn schließlich haben<br />
sie ja lange Zeit die Schnellfeuerbeats für sich gepachtet.<br />
Ein Track der, selbst wenn er geremixt werden<br />
sollte, wohl einfach nicht mehr übertroffen werden<br />
kann, und der LFO als die absolute Ausnahme in<br />
die Clubs zurückbringt, die sie vor über 10 Jahren auch<br />
waren. Killer. Ach, und das hat auch noch eine Rückseite<br />
mit zwei bösen Slammertechnotracks, die vor<br />
keiner noch so bissigen Verzerrung zurückschrecken.<br />
Endlich mal eine Legende, die auch beim Wiederauftauchen<br />
noch eine ist.<br />
www.warprecords.com<br />
BLEED •••••<br />
mittlerweile zweiten Album von Ty um eine Art<br />
Weichspülersound handelt. Im Gegensatz zu seiner<br />
ersten LP “Awkward”, hat er hier eine Menge selber<br />
bzw. mit seinem Partner Drew produziert. Gast war<br />
neben Gesangseinlagen, die hier sehr oft vorkommen,<br />
u.a. der Schlagzeuger Tony Allen. Es hört sich alles<br />
sehr fortgeschritten und nahezu weise an, und das<br />
meint hier erwachsen und mit Herz und Harmonie. Einige<br />
Stücke sind natürlich auch tanztauglich, bei allem<br />
aber immer sehr bewusst und nie Standard oder<br />
glatt. Kann man seinen Kindern vorspielen, so höflich,<br />
licht, überlegt und gereinigt klingt es. Plus Ty gibt einige<br />
Weisheiten zum Besten.<br />
www.bigdada.com<br />
CAYND ••••<br />
THE HERBALISER - SOLID STEEL HERBAL BLEND<br />
[NINJA TUNE/ ZOMBA]<br />
In regelmäßigen Abständen bringen die Briten ihre<br />
Radiosendung Solid Steel als Mix CD raus. Das Intro<br />
bei dieser The Herbalizer Variante ist ganz nett und<br />
besteht aus ein paar britischen MCs, die zu Herbaliser<br />
Beats irgendwo live aufgenommen wurden. Es folgen<br />
allerlei umkombinierte Beats und Acapellas, z.B.<br />
Charles Bernstein mit Iriscience, Jay <strong>De</strong>e mit Run<br />
DMC usw, einige Mischungen sind sehr gelungen, anderen<br />
mangelt es etwas, positiv wie immmer, dass sie<br />
sich nicht bloß auf einen Musikstil beschränken, sondern<br />
in die unterschiedlichsten Kisten greifen, und<br />
daraus dann einen flüssigen Mix zaubern. Mit dem angefunkt<br />
abgespacten Teil der CD kann ich nicht so viel<br />
anfangen, aber es ist eine musikalische und einfallsreiche<br />
Mix-CD.<br />
www.ninjatune.net<br />
CAYND ••••<br />
DJ DEREZON - CHAMPIONS LEAGUE EPISODE 2<br />
[RAP.DE RECORDS]<br />
<strong>De</strong>r Einladung dieses durch seine Gruppe Rok Da<br />
Most bekannten Berliner Oldschoolers und Club-DJs,<br />
auf seinen Beats zu rappen, sind eine Menge MCs gefolgt.<br />
Im Mixtapestyle präsentiert sich diese CD und<br />
eindeutig ist das Herausragende daran die Zusammenstellung<br />
der verschiedenen MCs, die auch teilweise<br />
zu Höchstleistung aufgelaufen sind. Neben Savas,<br />
Fumanschu, Germ, Torch, Fuat, Schivv, Sera, Immo,<br />
Nosliw und vielen mehr sind auch eher weniger<br />
talentierte Rapper wie Afrob und Lisi neben einigen<br />
Sängern und eher nicht so bekannten MCs mit dabei.<br />
Cool ist, dass nicht alle Berliner sind, und schon ein<br />
recht breites Spektrum zu Wort kommt, ob man mit<br />
allen Styles was anfangen kann, ist natürlich Geschmackssache.<br />
Dumm ist, dass hier viele permanent<br />
einen etwas übertriebenen Mix aus englischen und<br />
deutschen Wörtern verwenden, und dass die etwas<br />
mager geratenen Drop-Ins alle von Amerikanern<br />
kommen, auf der CD aber eigentlich nur <strong>De</strong>utsche<br />
rappen. Das wirkt etws planlos und abgekupfert, aber<br />
die Produzentenplattenidee ist eine ganz gute, wenn<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
HIPHOP<br />
sie auch etwas ausgereifter und weniger glatt sein<br />
könnte. Aber da kommen bestimmt noch weitere Episoden.<br />
CAYND •••<br />
AESOP ROCK - BAZOOKA TOOTH<br />
[DEF JUX]<br />
Nicht dass es da irgendwelche Verwirrungen gibt, Aesop<br />
Rock ist kein Poet, er ist MC. Daher würde er irgendwie<br />
nie seine Texte den Platten beifügen, auch<br />
wenn nicht wenige der Ansicht sind, dass das ganz<br />
DVD<br />
VISUAL NICHES 2 - EXTRAORDINARY MUSIC VI-<br />
DEOS [E:MOTION / EFA]<br />
Visual Niches besetzt eine sich ausbauende Lücke im<br />
Gegenwarts-Musikfernsehen. Die DVD captured 15<br />
seltene und visuell nicht so leicht unterzukriegende<br />
Musikclips fürs Laufwerkbook. Die Auswahl hat sich<br />
wie schon bei der ersten Visual Niches-Compilation<br />
auf elektronische Musik konzentriert und Low Budget<br />
Clips integriert. Viel zu selten gesehen: Meret Beckers<br />
Kopf zerplatzt im Clip zu “perpendicular/vector”,<br />
nachdem sie die Worte des Anti Pop Consortiums in<br />
Stummfilmästhetik vernommen hat; Worte, die ein<br />
Mann mittels Cut-up und Fold-in Verfahren aus Zeitungen<br />
und Burroughs Büchern zusammengesetzt<br />
und mit einer Apparatur aus Stimmen-Typewriter und<br />
Telefon scheinbar übertragen ließ, erscheinen als<br />
Krankheit, Ansteckung, vielleicht sogar als Virus. Eigentlich<br />
ist das alles auch noch viel komplizierter.<br />
Oder: Modeselektor reisen in “loving memory” in<br />
wunderschöner Videoqualität aus der Untergrundwelt<br />
an die Erdoberfläche (wo sie als kleine Menschenkinder<br />
gelebt haben) und erfüllen eine Mission.<br />
Dazu das gruselige A&R/Menschen/Affen-Video zu<br />
Basement Jaxxs “Where’s your head?”, das niedliche<br />
“14 zero, zero” aus der Console, das Comic-inspirierte<br />
‘Head in the Sky’ (Turner experimentiert Luftballon-<br />
Fliegen mit Tieren) oder T-Raumschmieres “Monster-<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003<br />
• = NEIN / ••••• = JA<br />
hilfreich sein könnte. <strong>De</strong>nn seine Lyrics sind ziemlich<br />
dicht und man muss sie definitiv ein paar Mal hören,<br />
um zu verstehen, was genau da eigentlich gemeint ist.<br />
Simple Battleraps sind nämlich definitiv nicht seine<br />
Sache, eher volle und bildreiche Betrachtungen seiner<br />
Umgebung und andere Gedanken in cleveren Wortkombinationen.<br />
Seine neue Platte ist zu großen Teilen<br />
von ihm selber produziert worden, hat allerhand<br />
schräge Sounds und ist natürlich trotzdem sehr flüssig,<br />
auch wenn die LP vielleicht eine etwas eigentümliche<br />
Dramaturgie hat, man anfangs eine eher düstere<br />
Platte vermuten könnte, es im Endeffekt bei aller<br />
Komplexität aber doch ein in gewisser Weise fröhliches<br />
Album ist. Mit dabei sind El-P, der sich über die<br />
bekloppte Einstellung einiger Leute auslässt, die <strong>De</strong>f<br />
Jux Crew sei nicht HipHop, sie aber sehr wohl, da sie<br />
schon länger im Biz sind, auch wenn sie nicht mehr besonders<br />
viel Gutes auf die Reihe bekommen und eigentlich<br />
zu Stylefaschisten mutiert sind, desweiteren<br />
Camp Lo, etwas überraschend, aber Aesop Rock ist da<br />
ein sehr großer Fan und es beruht wohl auf Gegenseitigkeit,<br />
in einem wie der Rest der Tracks irgendwie<br />
rumpeligen Apokalypsen Stück. Schwer ist “Bazooka<br />
Tooth” kaum, bedeutsam und sowohl von der Produktion<br />
wie von den Texten einzigartig aber gewiss.<br />
Großartige und sehr urbane Platte.<br />
www.definitivejux.net<br />
CAYND •••••<br />
truckdriver” aus roughem Lo-fi Zeichentrick.<br />
Vielleicht vermisst man als Film Dvd Fan noch das übliche<br />
Zusatz-Material: herausgeschnittene Szenen,<br />
Making of Episoden, Interview-Kram. Aber klar, Visual<br />
Niches versteht seine Musikclips ja schon selbst als<br />
Zusatzmaterial (wenn nicht sogar als Ersatz fürs Musikfernsehen)<br />
und außerdem gibt es ja schon mal die<br />
Liner Notes. Karl Koch (ehemals Redaktion Wah2, freier<br />
Journalist) und Oliver Tepel (ehemals Redaktion<br />
Fast Forward, freier Journalist) stellen darin kurz, aber<br />
konzentriert Bezüge her, erklären Kontexte und geben<br />
Hintergrundinformationen zu jedem Clip. So<br />
schließt Visual Niches 2 ansatzweise auch an eine<br />
zweite, seit der Funtastic Voyages Reihe nicht mehr<br />
wirklich besetzte Lücke an (Verbindungslinien zu ziehen,<br />
Motive zu verknüpfen und sie guten Gewissens<br />
in theoretisch, ästhetische Diskurse geraten zu lassen)<br />
und erinnert mithin zumindest daran, dass Musikclips<br />
doch neben ihrer Promofunktion ästhetischen<br />
Mehrwert produzieren, der sicher nicht weniger wird,<br />
wenn ihn schlaue Köpfe beobachten. Gern noch mehr<br />
davon.<br />
www.efa-medien.de/<br />
KI ••••<br />
MIXMASTERS - EPISODE THREE [MOONSHINE]<br />
Während Ed DMX mit Vivian Wu (zwei skurrile Personen<br />
indeed) sich schon stark Richtung Video-Megamix-Clip<br />
Format umsieht, und krank genug ist, um einen<br />
durchaus zwischen Computerwelten80erretrocutouts<br />
mit Kraftwerkskins zu unterhalten, machen<br />
Wayward Soul & V-CR (Berlinerin!) einen London Bass<br />
Speadshutterurbanism-Grundkurs (Graffitti,<br />
Straßenszenen, immer gut) mit etwas überschätzten<br />
Animationspassagen (tanzende Männchen in Neongrün,<br />
fast immer blöd). Allen TG und Nurotroptics and<br />
Psi-Borg braucht man nur zu lesen, schon stehen einem<br />
die Nackenhaare fraktal und ordendlich gruftig<br />
(TG steht für Torture Garden, bäh), Pearle vom hierzulande<br />
fast inexistenten Law & Auder Label und Stan<br />
Mytkowski (Ministry Resident) pflegen die leicht<br />
überschätzte Kunst der Neonkalligraphie in sattem<br />
Grundfarbenterror, Quantik und VJ Kriel (Radio One<br />
VJ?) haben sich glatt eine Choregraphin dazugeholt,<br />
ergo Tanzschule, aka Kaleidoskoperobic mit schnuffigen<br />
arabisch-asiatischen Bonustänzerinnen und<br />
Clubschweiß im H&M Kleidchen, und wer sich von<br />
Tim Love Lee eine schmuddelig-käsig-kranke Videoumsetzung<br />
(engl. bonkers) wünscht, der wird von<br />
Word Salad und Vivid definitv nicht enttäuscht, weil<br />
sie irgendwo zwischen Schwarzweißportraitüberblendwahn,<br />
Ikebana-Revue mit unterschwelliger<br />
FERRIS MC - AUDIOBIOGRAPHIE<br />
[YO MAMA/ SONY]<br />
Ferris MC hat sein lange Jahre aufgebautes Image<br />
vom schnoddrigen Asirapper, der sich um nichts kümmert<br />
und voll real ist, irgendwie in den Dreck geworfen.<br />
Dass er den Glaubwürdigkeitsrapper beim Popsternchen<br />
Vanessa spielt, es gibt davon übrigens auch<br />
eine Version mit G.E.R.M., gibt ihm nicht gerade ein<br />
Symphatieplus, auch wenn er dazu vielleicht vertraglich<br />
verpflichtet war, Kohle brauchte o.ä. Hier also eine<br />
neue LP von Ferris, der einst zusammen mit Immo<br />
als Freak Assoziation Bremen unterwegs war und bekanntermaßen<br />
kein rappendes Mittelklassenkind ist.<br />
Neben dem Wegknallen geht es um Vergangenheit,<br />
ist ziemlich elektromäßig und rockend massiv produziert,<br />
zieht über Popstars her und man erfährt, dass<br />
Ferris ganzes Leben Sozialkritik ist. Naja, irgendwie<br />
Pathos und Pop aber in der Liga bestimmt ganz gelungen.<br />
CAYND •••<br />
INVISBLE - INVISIBLE<br />
[TABLETURNS]<br />
Ghettos auf der ganzen Welt, weiß Invisble aus Brooklyn,<br />
haben eins gemeinsam: sie stinken. Auf seinem<br />
Erstlingswerk erzählt er mit unterstrichener Ehrlichkeit,<br />
wie es so ist, dort aufzuwachwachsen, alles in einer<br />
sehr gelassen Art vorgetragen, dabei stets deutlich,<br />
verständlich und ohne unnnötige Aufregung. Das<br />
macht diese LP dann auch zusammen mit den durch-<br />
Wasserballettnähe, zwar immer auf einfache Effekte<br />
setzen, aber dafür aber Humor haben.<br />
www.addictive.com<br />
BLEED •-<br />
BARBARA MORGENSTERN - KLEINER AUS-<br />
SCHNITT<br />
[MONIKA VISION 01]<br />
Die erste Monika DVD ist ausgeschmückt von 11 Videos,<br />
gemacht zur Musik von Barbara Morgenstern.<br />
Die Filme zeigen den jeweils eigenen Blick auf den<br />
kleinen Ausschnitt, den Barbara mit ihrer Musik von<br />
sich preisgibt. Ihre sehr persönliche Musik von<br />
“Nichts Muss” veranlasst zu persönlicher Bezugnahme.<br />
“Phantasmen: Nichts und Niemand” verfolgt sich<br />
beispielsweise selbst leicht paranoid in den menschenleeren<br />
U-Bahn-Fluchten des Berliner Alexanderplatz,<br />
“Jantos und H.Rühl: Ohne Abstand” zeigt<br />
Barbara hautnah, durch den Effekt wie in einer Traumwelt,<br />
“Gudrun Gut: Nichts Muss” setzt Assoziationen<br />
im Interieur frei, “Thomas Fehlmann: Reset” erzeugt<br />
Aufmerksamkeit durch Langeweile, “Eike Swoboda:<br />
Aus heiterem Himmel” lässt den aufwendig aus Draht<br />
gebastelten Löti in seiner Festplattenwohnung wieder<br />
träumen, “Tina und Alex: Kleiner Ausschnitt” machen<br />
die Sicht der Kamera im Lumpini Park in Bangkok<br />
zum Fenster mit Ausblick, “Tim Voss: Gute Nacht”<br />
filmt eine weiße Feier mit Farn, “OCBK: Move” zeigen<br />
weg sehr netten und unspektakulären Beats zu einer<br />
hoffnungsspendenden, überdachten und so netten<br />
wie streetwisen, positiven und persönlichen Platte.<br />
CAYND •••••<br />
V.A. - STREET HOP: UNDERGROUND HIP<br />
[RICO]<br />
Zwar ein eher fragwürdiger Titel für eine Compilation,<br />
aber das macht die Sache zumindest explizit, man<br />
weiß, das hier keine Fersehhits zusammen gestellt<br />
mit drei Sportlerinnen auf der Aschebahn den Move<br />
des Lebens, “Rob Flint: Is” abstrahiert das Figürliche<br />
und umgekehrt und schließlich Barbara selbst mit<br />
“We`re all gonna fucking die”, wo sie ausgelassen Faxen<br />
macht und sich austobt. Das geniale Geschenk also<br />
für Sozialposer und Flunkerbräute mit dem dezenten<br />
Hinweis: “Alles kann, nichts muss.”<br />
ANETTF ••••<br />
GRAW BÖCKLER - SUPER 8 JAHRE<br />
[MUSIKVIDEO DVD COMPILATION]<br />
“Super 8 Jahre” ist eine wundervolle Video-Hommage,<br />
die sich an Freunde von Freestyleästhetik und<br />
grobkörniger 70er-Jahre Aufzeichnungstechnik wendet.<br />
Graw Böckler treten hier mit ihrem Videolabel eine<br />
improvisiert dokumentierte Reise an, mit Super<br />
Sieben Musikvideos “von Köln nach Korea über Ibiza<br />
nach Helsinki zum Amazonas auf das Damenklo des<br />
Nizzaclubs in Barcelona”. Wir sind unterwegs auf<br />
Straßen und Plätzen, im Kornfeld, im Vorbeifahren, in<br />
Autos, im Zug, in asiatischen Großstädten bei Nacht,<br />
im Sommer, per Zeitraffer oder im Loop gefangen, am<br />
Wasser, zwischen Menschen und mit Freunden, im<br />
Park beim Grill neben der Kuhwiese, in Schwarzweiß-<br />
Ästhetik oder auch in Retrobunt. Die Musik zu den Videos<br />
kommen von Donna Regina “Why”, Mantler<br />
“This time last year”, Ulf Lohmann “Because”, Markus<br />
Guentner “Regensburg Rmx”, Jürgen Paape “So weit<br />
worde, sondern eine recht treffsichere Auswahl an<br />
nicht besonders bekannten und auch nicht so massentauglichen,<br />
deswegen vermutlich Underground<br />
genannten, Tracks zu hören sind. Einige davon wurden<br />
noch nie veröffentlicht, andere sind eher selten.<br />
Mit dabei sind Apani, Rise&Shine, Saian Super Crew,<br />
Shabaam Sahdeeq, Cee-Rock feat. Promoe, Pachecos<br />
feat. The Pharcyde, Metaphysics, C-Rayz-Walz und<br />
viele mehr, also nicht nur Amerikaner, auch wenn<br />
hauptsächlich auf Englisch gereimt wird, sondern<br />
auch ein paar andere Nationalitäten, aber wir wissen<br />
ja, dass es darum eigentlich eh nicht mehr geht. Das<br />
Wild-Style-mäßige Trainyard Cover ist auch ganz nett,<br />
man erinnert sich halt gerne an die glorifizierten sogenannte<br />
goldene und unverdorbene Zeit und versucht<br />
was von dem damaligen Vibe heute weiterleben<br />
zu lassen. Ein netter Sampler, denn Reimen können<br />
sie alle und einen eigenen Style haben sie weitgehend<br />
auch.<br />
CAYND ••••-•••••<br />
ROYCE THE 5’9” - BUILD AND DESTROY, LOST SES-<br />
SIONS 1 [TROUBLE RECORDS]<br />
Die Beats sind definitiv cool chrom und bouncig, und<br />
Royce The 5’9”, <strong>De</strong>troiter MC, u.a. bekannt durch<br />
Clubknaller wie “Boom”, glänzt auch neben seinem<br />
Stadtkumpanen und Rapstar Eminem nicht weniger.<br />
Auf dieser Doppel-CD bekommt man neben auf Maxis<br />
untergekommenen Stücken hauptsächlich unveröffentlichte<br />
Tracks, oder z.B. einen schrägen RJD2 Re-<br />
wie noch nie” (leider ohne Orginalvocals), Thomas<br />
Brinkmann “Ursula” und von Niobe mit “Villa E”.<br />
Außerdem befindet sich ein kleines Werbefilmchen<br />
zur sinnvollen Gestaltung des öffentliches Raumes in<br />
Köln auf der DVD. “Mein Vorschlag Friesenbad”<br />
macht Werbung für Ideen und möchte ein Riesen-<br />
Friesen-Freibad in der Kölner City. Die Musik stammt<br />
von Danmass und “FormFreak”. Dieses Projekt ist<br />
dem Berliner “Flussbad” sehr ähnlich. “Realities United”<br />
stellten bereits 1998 ihre Vision der Spree als<br />
Swimmingpool inmitten der Museumsinsel vor. Als<br />
kleinen Zusatz kann man sich am Ende das Making of<br />
der Videoproduktionen ansehen.Supersüß und bezaubernd!<br />
Leider funktioniert das Scheibchen nur unwirsch<br />
auf “Sony Vaio” und Aldi-Rechnern.<br />
mfuerprojektion.de<br />
ANETTF •••••<br />
PETER THOMAS SOUND ORCHESTER - RAUMPA-<br />
TROUILLE [BUNGALOW/ZOMBA]<br />
<strong>De</strong>r Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das<br />
Jahr 3000. Dies sind die Abenteuer des schnellen<br />
Raumkreuzers Orion VIII und seiner tollkühnen Besatzung<br />
unter Commander Cliff Allister McLaine. In<br />
Wirklichkeit befanden wir uns im Jahr 1966, der Weltraum<br />
war ein Studio der Bavaria, die zu erkundenden<br />
Planeten ein Tagebaugelände in der Nähe von Aachen,<br />
gedreht wurde in schwarz-weiß und der Soundtrack<br />
stammte von Peter Thomas. <strong>De</strong>r hatte allerdings<br />
das Problem, dass es keine erschwingliche Elektronik<br />
für futuristische Musik gab. Also setzte er auf Jazz,<br />
Unterhaltungsmusik, 12-Ton-Kompositionen, abstrakte<br />
wie auch dramatische Sounds, nannte es “New<br />
Astronautic Sound” und bastelte daraus einen Soundtrack<br />
zusammen, der höchst amüsant die teutonischen<br />
Raumabenteuer vertont. Was aber noch wichtiger<br />
ist: Diese Musik funktioniert auch ohne die wenig<br />
bunten Bilder, kann also ohne Probleme für sich alleine<br />
bestehen. Vor einiger Zeit bereits von Bungalow<br />
wieder veröffentlicht, kommt der Soundtrack nun, um<br />
zehn bislang nicht erhältliche Bonus-Stücke ergänzt,<br />
zum Filmstart der fragwürdigen 90-Minuten-Kinoversion<br />
mit Elke Heidenreich-Überleitungen. <strong>De</strong>:<strong>Bug</strong>-<br />
Rat: Doppel-DVD samt diesem Soundtrack kaufen<br />
und zu Hause mit Freunden, Bügeleisen und Bleistiftanspitzer<br />
Spaß haben.<br />
JOJ •••••<br />
MIXMASTERS - EPISODE ONE [MOONSHINE]<br />
Äh, ihr erinnert euch an 2Step? Audio-Video-Clash im<br />
Fernsehformat? Oder ihr habt VJs in eurer Stadt, die<br />
es ernst meinen und kaum noch ein Clubabend<br />
mix von “Boom” zu hören. Als Produzenten waren ansonsten<br />
u.a. Neptunes, Jay <strong>De</strong>e und Rush dabei, weitere<br />
Gastrapper sind Methodman und Kelis. Royce<br />
The 5’9” hat auf jeden Fall einen sehr akkuraten, deutlichen<br />
und asozialen Rapstil.<br />
CAYND •••••<br />
FANNY PACK - SO STYLISTIC<br />
[TOMMY BOY]<br />
Salt’n’Pepper oder die unbekannteren aber ziemlich<br />
irren und guten L’Trimm sind die deutlichen Referenzen<br />
von Fanny Pack. Also Female Rap der späten 80er:<br />
aufgekratzt freche Raps plus minimalistische Beats<br />
aus der Roland-808. In der Version der zwei musizierenden<br />
Jungs und der drei Girls (Jessibel, Belinda und<br />
Cat heißen die) paart sich das zudem mit fettem Booty-Style.<br />
Das klingt zwar erst einmal sehr ausgedacht<br />
- und ist es wohl auch - doch die Mischung funktioniert<br />
vorzüglich. Wenn man „Push it” mochte und gegen<br />
Partymusik mit einer Extraportion Bass nichts<br />
einzuwenden hat, ist das genau das richtige. Und bitte<br />
nicht vom 80’s-Trash-Cover mit original Fat Boys<br />
Schriftzug abschrecken lassen und sich auf das Album<br />
im Oktober freuen.<br />
MEYER •••••<br />
kommt ohne aus? Dann dürfte euch klar sein, dass<br />
DVDs irgendwie das Medium dafür sind, solche Kollaborationen<br />
auch rauszubringen. Genau das macht<br />
diese neue Serie von Moonshine, und zwar gleich mit<br />
einem ganzen Satz von DVDs. Keine Clipsammlung,<br />
sondern eben schnell und (vermuten wir mal) live geschnitten.<br />
Bewegen wir uns also mit Alpha Omega<br />
von Reinforced durch seine letzten Releases und die<br />
Schrottplatzbesuche von Tapehed (“nichts rollt wie ne<br />
Markenfelge”), skippen durch eine Diashow von Tourerlebnissen<br />
der Krust Posse zu Skater- und Stadt-<br />
Hintergründen mit stellenweise outdateten und teachenden<br />
Animationshintergründen vom nicht unabsichtlich<br />
so genannten JustD Phantasmagoria, machen<br />
Stippvisite bei den Initiatoren der CD, Addictive<br />
TV, die frech viel Zeit für ihre polyforme und multiscreenende<br />
Oszillatoren Street-TV Sause zu etwas<br />
latinlastigen Spacer (Pussyfoot) Tracks hatten. So, das<br />
waren die musikalisch großen Namen von denen ichs<br />
wissen wollte. Und nu? Ist ja so schlimm interaktiv, so<br />
eine CD. Und wenn einen die Bilder nicht sofort bannen,<br />
die Musik tuts bestimmt nicht, denn bei DVDs ist<br />
nun mal das Bild das Primärmedium. Mellowtrons<br />
meets Giles Thaker ist was für Leute, die gerne vom<br />
Lesen in der Badewanne zum Nachtbaden zwecks<br />
sensorischer <strong>De</strong>privation zur Psychosensteigerung<br />
driften, Jes Benstock von Technobabble entführt uns<br />
mit Pork-Musik ins Land der Babyträume (Angeblich<br />
sehen die ja unscharf, vielleicht haben sie Glück), und<br />
Justin Eade von Glimpse zu Musik von Fructose (sagt<br />
mir beides absolut gar nichts) ist, vermutlich weil die<br />
Bilder einfach aus der interessantesten Stadt kommen,<br />
Hochbahnen sind einfach eine kulturelle Investition<br />
die sich auszahlt, mit seinen vielen Speedshuttereffekten<br />
zwar nicht unbedingt das coolste was ich<br />
so gesehen habe, aber wenigstens erzählt es einem<br />
schnell sehr, sehr viele Geschichten in verdammt vielen<br />
Bildern. An Glimpse geht also klar der Videopreis,<br />
an AlphaOmega die Schrotthaufenkrone. Als Bonus<br />
gibts dann von allen ein kurzes Interview (Musikanten<br />
wie Visualitäter (sorry), leider in einem etwas doofen<br />
Screendesign, das auch von Kulturzeit kommen könnte<br />
und in eher steifer Interviewsituation). Ich freu<br />
mich schon drauf, wenn die Videoposses demnächst<br />
so DVDs kaufen gehen müssen wie Producer 12”es, allein<br />
schon um von ihrer Szene zu hören. Das Label<br />
nennt es “Acid Film-Making” oder “Visual Therapy”,<br />
UK-Rave-Falldown also immernoch. Mixmasters ist<br />
jedenfalls Einsteigermaterial, etwas das man als Serie<br />
selbst auf gängigen Musikkanälen senden könnte,<br />
aber ausbaufähig.www.addictive.com<br />
BLEED ••-••••
BUCH • = NEIN / ••••• = JA<br />
NETAUDIO<br />
AXEL HONNETH, MARTIN SAAR (HG.) - FRANK-<br />
FURTER FOUCAULT-KONFERENZ 2001 [SUHR-<br />
KAMP]<br />
Bei Rezeptionen muss man ja immer auf der Hut sein<br />
und gerade bei einem unangepassten <strong>De</strong>nken wie<br />
dem von Foucault sind große Konferenzen unter Titeln<br />
wie “Zwischenbilanz einer Rezeption” nicht ungefährlich,<br />
sind sie doch immer auch der Versuch einer<br />
Aneignung und institutionellen Eingliederung<br />
dessen, was ihn zu einem besonderen und irritierenden<br />
Theoretiker gemacht hat. Tatsächlich zeigt dieser<br />
Band mit Beiträgen von Judith Butler, Nancy Fraser,<br />
Axel Honneth, Lorraine Daston, Christoph Menke<br />
et.al. zwischen politischen, philosophischen und wissenschaftsgeschichtlichen<br />
Leseweisen aber immer<br />
noch, dass Foucaults <strong>De</strong>nken zu vielfältig und zu unruhig<br />
ist - und auch bleibt. Trotzdem die Konferenz<br />
schon 2001 gewesen ist, lohnt es sich also auf Grund<br />
dieser Vielfalt, in den Band zu gucken. Beruhigend.<br />
14 Euro<br />
MERCEDES •••••<br />
AXEL HONNEDARIO AZZELLINI/BORIS KANZLEI-<br />
TER (HG.) - DAS UNTERNEHMEN KRIEG<br />
[ASSOZIATION A]<br />
Neben theoretischen Auseinandersetzungen zur Einschätzung<br />
der so genannten Neuen Kriege (die oft so<br />
neu nicht sind) analysieren die AutorInnen in 9 länderspezifischen<br />
Fallbeispielen Kooperationen von<br />
Staat, Militär, Private Military Companies (PMCs),<br />
Warlords und Konzernen. Sie entgehen dabei den Fallen<br />
der Überdeterminierung von kriegerischen Auseinandersetzungen<br />
durch ethnische oder religiöse<br />
Konflikte und richten den Blick auf die ökonomischen<br />
GAMES<br />
POKÉMON - RUBIN & SAPHIR EDITION<br />
[GBA / NINTENDO]<br />
Zugegebenerweise ließen uns Nintendos Pocket<br />
Monster bis dato ziemlich kalt. Klar, das Marketingkonzept,<br />
mit dem der technisch längst überholte Game<br />
Boy erster Generation viel länger verkauft wurde,<br />
als eigentlich fair gewesen wäre, verdiente Respekt,<br />
aber sonst? Gerade die penetrante Omnipräsenz von<br />
Pikachu, dem “gelben Scheißding” (aus einer alten<br />
<strong>De</strong>:<strong>Bug</strong>-Headline) und Konsorten, seit Jahren in Medien,<br />
Spielzeugabteilungen bis hin zu Bildungseinrichtungen<br />
kaum zu übersehen, verleitet einen gerne zu<br />
einem vorschnellen Diss. Sprich: Wir haben alle fünf<br />
Gameboy-Module sowie die zwei Titel fürs N64 geflissentlich<br />
ignoriert. Bis jetzt. Und wir sind überrascht.<br />
Einmal angeschaltet entfaltet das Spiel einen<br />
unwiderstehlichen Charme, der gerne trotz simpler<br />
Basisparameter zu ausufernden Sessions führt. Als<br />
Pokémon-Trainer gehen wir in der mit allen Nintendotypischen<br />
Finessen gespickten Welt Hoenn auf Reisen<br />
und werden ständig in rundenbasierte Kämpfe verwickelt.<br />
Somit ist das Spielziel nicht etwa, den Kontinent<br />
vorm Untergang oder entführte Adelige aus den<br />
Klauen fieser Unholde zu retten, nein, allein in sportlich-friedlichen,<br />
nie martialischen Kämpfen wird sich<br />
ausgetauscht. Alle Hoenn-Bewohner lieben Pokémon<br />
und leben mit ihnen in freudiger Eintracht. Die Fights<br />
verlaufen entweder gegen andere Trainer im Duell<br />
oder kontra wilde Pokémons, die im hohen Gras lauern.<br />
Unser Team verdient hierin die rollenspieltypischen<br />
Erfahrungspunkte und wir das nötige Kleingeld<br />
für Einkaufstouren in den zahlreichen Städten. Wilde<br />
Viecher können in Pokébällen eingefangen werden<br />
und gehören von dem Augenblick an zu unserem Dream-Team.<br />
So weit, so gut. Einen wesentlichen Reiz<br />
des ganzen Spektakels macht auf lange Sicht die<br />
schwer zu stillende Gier nach neuen, nur kurz gesehenen<br />
oder wieder entwischten Monstern und einige Erfahrungslevel<br />
später deren Weiterentwicklung aus:<br />
“Schnapp sie Dir alle!” Das Kampfsystem erinnert an<br />
alte Rollenspiele, ist in seiner Komplexität aber nicht<br />
zu unterschätzen (allein 14 Charakterklassen mit eigenen<br />
Attacken, Stärken, Schwächen etc.). Außerdem<br />
gibt es immer etwas zu tun, der Multilinearität sei<br />
dank. Ehe alle Arenaorden gesammelt und die Pokémonliga<br />
gewonnen ist, kann einige Zeit vergehen.<br />
Von Nintendos Produktspezi werden 200 Stunden<br />
grob geschätzt. Wir haben in gut 50 Spielstunden bisher<br />
nur 120 der insgesamt knapp 400 Pokémon zu Augen<br />
bekommen und nur 66 tatsächlich catchen können.<br />
Neben dem sehr clever designten, sich sukzessive<br />
aufbauenden, mannigfaltigen Arsenal an Spielelementen<br />
steckt nicht zuletzt auch wegen der Link-<br />
Möglichkeit zu anderen Spieler-GBAs, mit denen man<br />
Wesen tauschen, battlen oder einfach nur die zur Style-Entwicklung<br />
nötigen Kraftriegel mischen kann, einiges<br />
an Langzeit-Potenzial im farbigen Spielmodul.<br />
Wer das Phänomen Pokémon verstehen möchte, sollte<br />
es selber gespielt haben, soviel scheint nun klar.<br />
Dabei kann wohl auch ein anderer der fünf bisher erschienenen<br />
Haupttitel als Versuchsobjekt fungieren,<br />
denn laut Expertenmeinung sind die neuen Folgen<br />
mehr Updates als Pokè-Revolution. Pokémon ist ein<br />
grandioses Rollenspiel mit opulentem Umfang, vielen<br />
Freiheiten und wird aller Voraussicht nach weiterhin<br />
Nintendos Goldesel bleiben, denn Unkenrufen und<br />
der spartanischen Präsentation zum Trotz verkauft<br />
sich auch das aktuelle Duo wie geschnitten Brot. Unser<br />
Fazit: Kinder mögen sich zwar fix von Hypes verleiten<br />
lassen, greifen langfristig aber doch zu Qualität.<br />
BUB & BOB •••••<br />
SUPERPOWER [PC / DREAMCATCHER]<br />
140 Nationen und sie führen eine! Es geht los. Die<br />
Strategie spielt, und Sie spielen die Strategie. Super<br />
Power gibt sich hier als recht realistische geopolitische<br />
und militärische Simulation, deren Datenbankinformationen,<br />
über drei bis vier Jahre (??) gesammelt<br />
wurden. Da ist sie endlich, die perfekte künstliche Intelligenz<br />
und will ein ernstzunehmender Gegner, Pardon,<br />
Partner sein: der EME. Also nur Sie und die anderen<br />
139 Nationen dieser Welt. Vor allem all jene, die eigentlich<br />
schon immer‚ was zu nörgeln hatten, und sowieso<br />
alles besser machen, können hier auf politischer,<br />
wirtschaftlicher, demografischer und militärischer<br />
Ebene ihr tatsächliches Können unter Beweis<br />
stellen, wohlgemerkt in ganzer “Hau den Lukas”-Sensibilität.<br />
OK, Sie haben Geheimdienste und diplomatisches<br />
Geschick. Offen bleibt eigentlich nur alles Religiöse,<br />
Kulturelle und so. Vielleicht besser, vielleicht<br />
nicht. Kurzum, es passiert viel und es gibt viel zu tun.<br />
Doch leider bekommt man davon nichts mit. Man<br />
Vorteile vom Kriegzustand für die Akteure vom einzelnen<br />
Plünderer bis zum Waffenproduzenten. Ethnische<br />
Konflikte stellen sich dabei als Effekt von<br />
Kriegsökonomien ein oder dienen als notwendige Repräsentation<br />
und Legitimation von Kriegsakteuren.<br />
Azzellini beschreibt beispielsweise, wie Kolumbien<br />
seit 20 Jahren als “Versuchslabor für privatisierte<br />
Kriegsführung” funktioniert - was nicht als<br />
Schwächung des Staates gewertet werden kann. Paramilitärs,<br />
Warlords und Privatarmeen als Akteure<br />
der Neuen Kriegsordnung - so der Untertitel des Bandes<br />
- wollen die AutorInnen nicht als Verursacher von<br />
Chaos und Staatszerfall untersuchen, denen der Westen<br />
meist hilflos gegenübersteht. Die von Dieter<br />
Drüssel in diesem Band beschriebene Private Military<br />
Company DynCorp zeigt, wie die USA (neben anderen)<br />
als Auftraggeber die Privatisierung von Kriegen<br />
forciert. DynCorp hat sich seit seiner Gründung 1946<br />
zu einem global agierenden Konzern mit Einnahmen<br />
von über 2 Milliarden $ gemausert. Ihm obliegt die<br />
Verwaltung von Gefängnissen ebenso, wie die Ausbildung<br />
bosnischer und irakischer Polizisten, die Entwicklung<br />
hochsensibler Software für Sicherheitsapparate,<br />
der Schutz der US-mexikanischen Grenze,<br />
Wartung der US-Air Force-Stützpunkte, die Entwicklung<br />
von Impfstoffen gegen Pocken und Anthrax, Managing<br />
der Ölreserven der USA, Einsatz von Sprühflugzeugen<br />
in Kolumbien und Überwachung der Vernichtung<br />
der Massenvernichtungswaffen in Russland.<br />
In der Durchsetzung staatlicher und privatkapitalistischer<br />
Interessen, sowie der “Aufstandsbekämpfung”<br />
kooperieren PMCs, Paramilitärs, Armee,<br />
transnationale Konzerne, die US-Drogenbehörde,<br />
Viehzüchter und US-Army in wechselnden Konstellationen.<br />
Etwa wenn Texaco, Nestlé und Coca-Cola<br />
Paramiltärs zur Bewachung ihrer Anlagen und zur<br />
Verhinderung gewerkschaftlicher Organisierung aufbauen,<br />
die nicht selten die Liquidierung der Gewerkschaftsmitglieder<br />
bedeutet. Knut Rauchfuss beschreibt<br />
das Zusammenspiel von Geheimdiensten,<br />
organisiertem Verbrechen und Killerkommandos in<br />
der Türkei, wenn es um die Bekämpfung der PKK<br />
geht, und wie Drogenhandel und Glücksspiel dabei<br />
als lukrative Einnahmequelle genutzt wird. Stefanie<br />
Kron und Matilde Gonzales untersuchen Massenvergewaltigungen<br />
als Mittel der “Aufstandsbekämpfung”<br />
und kontrollierten (Neu-)Organisierung von<br />
Dorfgemeinschaften in Guatemala. Lisa Rimli beleuchtet<br />
die private Sicherheitsindustrie um Öl- und<br />
Diamantenfelder in Angola. Insgesamt gerät das<br />
Weltbild mit der analytischen Konzentration dieses<br />
Buchs auf die vom Krieg profitierenden Beteiligten<br />
pessimistisch, fast ohnmächtig. Einige Beiträge gera-<br />
sieht nichts, hört nichts, gar nichts, keine Bilder, das<br />
verdammte Ding redet nicht einmal mit Ihnen. Nur<br />
die gröbste aller Weltkarten im westlich zentrierten<br />
Stil und Striche. Ein Wust, fast ein Durcheinander, von<br />
verschiedenen Menüs und unterschiedlichen Buttons<br />
bildet die Basis dieses Spieles. Geduld ist hier gefragt.<br />
Und plötzlich hat Belgien ihnen die Handelsverträge<br />
über Energie gekündigt. Für passionierte Vielklicker<br />
und System-Nerds wie uns und Hardcore-Strategiespieler<br />
wie Euch genau die richtige Portion Realismus.<br />
Danke. Das nächste bitte.<br />
PUR ••-•••<br />
CARCASSONNE [PC / KOCH MEDIA]<br />
Carcassonne ist als Brettspiel der Burner der letzten<br />
Jahre. Ritter, Bauern und Wegelagerer versuchen ihr<br />
Glück und bauen die südfranzösische Stadt so auf,<br />
dass die eigenen Mannen möglichst viele Burgen, Wege,<br />
Wiesen, Wirtshäuser und Klöster ihr Eigen nennen.<br />
Dabei muss jeder pfiffig puzzeln und den<br />
Überblick behalten, denn jeder Nachbar schmarotzt<br />
und sahnt die eigenen Punkte ab. Riesenspaß! Das<br />
Spielfeld ist zunächst nur eins von den 72 quadratischen<br />
Kärtchen groß, an die die restlichen angelegt<br />
werden. Oder mehr, wenn man sich die Erweiterungen<br />
leistet. Also sieht Carcassonne immer anders aus.<br />
Jetzt gibt es das Game auch für den PC, optisch aufpoliert<br />
und onlinefähig. Die Spielfiguren können<br />
selbst gestaltet werden und sind, wenn erwünscht,<br />
auch spaßig animiert. Für jeden Spieler gibt es die Option,<br />
eine andere Perspektive zu wählen, so dass auch<br />
im Netzwerkdaddeln klar ist, wer an der Reihe ist. Die<br />
mitgelieferte Musik kann praktischerweise und dürfte<br />
schnellst möglichst durch eigene MP3s ersetzt werden.<br />
Ansonsten bietet die digitale Variante keine neuen<br />
Optionen, aber die Qualität des Originals überzeugt<br />
auch auf dem Screen, allein die Menüführung<br />
kann nicht überzeugen. Als kleiner Goodie liegt die<br />
Flusserweiterung für das Brettspiel bei, die nicht im<br />
Handel erhältlich ist.<br />
OTTO ••••<br />
CHAOS LEGION [PS 2 / CAPCOM]<br />
Neben diversen Fortsetzungen und Remakes, die in<br />
der letzten Zeit leider gameplay-technisch nicht gerade<br />
taufrisch ausfielen, schickt Capcom heuer einen<br />
unverbrauchten, wie es neuerdings auch in der Gamesbranche<br />
gerne heißt, “Franchise” ins Rennen.<br />
Zwei aktuelle Tendenzchen der Traditionsfirma spiegeln<br />
sich in Chaos Legion wider: ein irgendwie Gothic-angehauchtes<br />
Setting mit Burgen und Kathedralen<br />
(aber zum Glück wenig Darkness-Schmock) und<br />
die Affinität zu deutschen Namen. Fightete sich so<br />
letzten Monat noch Vanessa Schneider in P.N.03<br />
durch die Wüste “Öde”, so trägt diesmal unser Protagonist<br />
allen ernstes den Namen “Sieg Wahrheit” und<br />
das tut er natürlich auch in der japanischen Originalversion.<br />
Spielerisch besteht Chaos Legion rein aus<br />
sehr linearen Massenkeilereien, ein Begriff der auf<br />
dieser Seite öfter mal fällt, hier aber wie die Nadel ins<br />
Öhr passt: Sieg sieht sich mit seinem Schwert meist<br />
einer zweistelligen Feindanzahl gegenüber. Abhilfe<br />
schaffen die namensgebenden Legionen, kleine<br />
Kampftruppen mit unterschiedlicher Bewaffnung,<br />
die, temporär hervorgezaubert, uns einen Backup und<br />
den Gegnern Saures geben. Eine taktische Note verspricht<br />
die Limitierung auf nur zwei Einsatztrupps, die<br />
“mitgenommen” werden dürfen. <strong>De</strong>r Preis für die<br />
technisch ohne Mucken ablaufenden, oftmals gut losrockenden<br />
Schlachten, sind karge, unbelebte Schauplätze,<br />
die man sich mehr als singulär aneinander ge-<br />
ten aufgrund der Fülle an Informationen und Recherchen,<br />
was Namen, Akteure, Unter-und Nebenorganisationen,<br />
Filialen und jeweilige Umbenennungen angeht,<br />
an die Grenze der Lesbarkeit, die man andererseits<br />
aber den AutorInnen dann wieder nicht anlasten<br />
kann. 14 Euro www.schwarzerisse.de<br />
KK •••••<br />
ALEXANDER MESCHNIG/MATHIAS STUHR (HG.) -<br />
ARBEIT ALS LEBENSSTIL [SUHRKAMP]<br />
Auf der neverending Arbeitsparty der New Economy<br />
wurden die Macs zusammengefegt - zur Pink-Slip-<br />
Party wollte man nimme r- der Nemax ruht auf dem<br />
Indexfriedhof und was bleibt, stiftet die Ich-AG. Zeit<br />
für dafür, bleibenden Phänomenen wie der viel beschworenen<br />
“Kulturalisierung der Ökonomie” genauer<br />
nachzuspüren. Oscar Negt entdeckt den postfordistischen<br />
Optionisten, der statt Geld und Sicherheit<br />
von seinen Arbeitgebern nichts weiter als temporäre<br />
Zusatzqualifikation erwartet und seine Arbeitslosigkeit<br />
nur als selbst verschuldet begreifen kann. Auch<br />
das proteische Individuum bei Alexander Meschnig<br />
rackert sich eher für ein Arsenal an Erfahrungen und<br />
Beziehungen als für Produktion und Akkumulation<br />
ab. Arbeit wird also zum Workshop, für den (nicht nur<br />
potentiell) bezahlt werden darf. Gerburg Treusch-<br />
Dieter spannt in ihrer Analyse den Bogen von antiken<br />
und biblischen Diskursen zum Baudrillardschen<br />
nicht-vorhandene-Arbeit- simulierenden “Arbeitsmannequin”,<br />
zu Kontrollgesellschaft und Hartz-Papier.<br />
Sie setzt mit ihrer feministischen Kritik bei der<br />
ursprünglichen Akkumulation und bei Adam und Eva<br />
an, um Veränderungen im Verhältnis von Produktion<br />
und Reproduktion, Automation und Klonung zu beschreiben.<br />
Und resümiert, dass anstelle der Revolution<br />
die Postevolution auf den Plan tritt, um die Körper<br />
und nicht die Gesellschaft, zu verändern. In weiteren<br />
Beiträgen wird die New Economy als erste Popökonomie<br />
verhandelt, die Gegenwart des Nomadischen einer<br />
Kritik unterzogen oder gefordert, den Arbeitsbegriff<br />
auf emotionale Arbeit auszuweiten. Insgesamt<br />
bilden die 11 Beiträge ein theoretisch/analytisch<br />
reichhaltiges Buch, auch wenn sich von Zeit zu Zeit in<br />
Kulturpessimismus geflüchtet wird oder Effekte der<br />
Verflüssigung der Subjekte naturgemäß nur spekulativ<br />
verhandelt werden können. Etwas verwunderlich,<br />
dass die neoliberalen Verhältnisse zwar mit viel Geschichte,<br />
aber umso weniger Welt daherkommen. Arbeitsmannequin,<br />
Abfindungsempfänger und arbeitsloser<br />
Optionist dürften in denselben Turnschuhen<br />
aus recht eindeutigen Produktionsverhältnissen daherkommen.<br />
10,- Euro www.suhrkamp.de<br />
KK ••••-•••••<br />
reihte Arenen denn als erkundbare Welt vorstellen<br />
sollte. <strong>De</strong>r Gesamteindruck bleibt irgendwo zwischen<br />
Spektakel und Simplizität stecken, denn nach nur wenigen<br />
Stunden verliert das Gekeile seine Verlockung,<br />
ohne aber aufgrund der überdeterminierten Struktur<br />
einen “Immer mal wieder für ‘ne Runde gut - Reiz” á la<br />
“State of Emergency” zu entwickeln. Freunde von Dynasty<br />
Warriors & Co sollten trotzdem antesten.<br />
BUB •••<br />
DIE HARD VENDETTA<br />
[XBOX / VIVENDI UNIVERSAL]<br />
Wenn es einen Film gab, der dem Genre des so genannten<br />
Action-Film die absoluten Weihen verliehen<br />
hat, dann war es wohl Die Hard von John McTiernan.<br />
Seine Spannung zog dieser Film aber weniger aus irgendeiner<br />
Rachemotivation wie die Schwarzenegger-<br />
Filme davor, aus spektakulären Stunts oder aus Gunshot-Zelebrierungen<br />
(das hatte Sam Peckinpah schon<br />
lange vorher erledigt), sondern aus seiner fast schon<br />
aristotelisch zu nennenden Einheit von Zeit, Ort und<br />
Handlung. Die klaustrophobische Situation innerhalb<br />
des Nakatomi-Towers, die verzweifelten Bemühungen<br />
um Laufwege, das Spiel mit den Fahrstühlen, den<br />
Lüftungsschächten, den Funkgeräten - all das trug dazu<br />
bei, dass Die Hard etwas Besonderes wurde (OK,<br />
OK, Bruce Willis war auch noch da). Interessanterweise<br />
entstand Die Hard zu einer Zeit, als ein anderes<br />
Medium gerade seine Grundkonstituenten definierte<br />
und ausbaute, das der Computerspiele. Und auch dort<br />
ging es nur in Handbüchern und Vorspännen um Psychologie,<br />
auch dort entstand Spannung aus einer Einheit<br />
von Ort, Zeit und Handlung, auch dort ging es um<br />
Laufwege, Informationslogistik und Reaktion. Die<br />
Hard war gewissermaßen der filmische Ausdruck eines<br />
Paradigma, das sich seit Breakout an einem anderen<br />
Ort ausgebildet hatte, eine Reflexion auf die Möglichkeiten<br />
des anderen und eine <strong>De</strong>monstration der<br />
eigenen Stärken in Bezug darauf. Seltsam, dass erst<br />
seit zwei Jahren die Marketingstrategen der Entwicklungsstudios<br />
darauf gekommen sind, dass es ja eine<br />
Rückverwertung dieser Beeinflussung geben könnte,<br />
dass man Verspielungen von dieser Quasi-Verfilmung<br />
von Computerspielen machen kann, um noch mal abzukassieren.<br />
Das begann mit Die Hard - Nakatomi Plaza<br />
und setzt sich nun fort mit Die Hard Vendetta, und<br />
es lässt all das vermissen, was den Film so groß gemacht<br />
hat. Wo der Film filmisch war in seinem Aufgreifen<br />
des Computerspielparadigmas, da ist das<br />
Spiel nicht spielerisch genug, um diese zwei Ebenen<br />
nachzuvollziehen. Es ist ein gescripteter Ego-Shooter,<br />
mehr nicht. Also ein langweiliger Film. Nicht ganz<br />
schlecht. Aber weder so begeisternd wie anno-dunnemals<br />
Die Hard im Kino und Doom auf den Bildschirmen.<br />
Wenigstens hat man Manfred Lehmann als Stimme<br />
gewinnen können.<br />
MWM ••<br />
SUPER BUST A MOVE ALLSTARS<br />
[GAMECUBE / TAITO, UBI SOFT]<br />
Die Bust-A-Move- alias Puzzle-Bobble-Serie gehört zu<br />
den besten Spielen im schwer zu schubladisierenden<br />
Genre der Games von Breakout bis Tetris, in denen<br />
man fröhlich Farben und Formen aneinander reiht,<br />
herumdreht, abschießt usw., um den Bildschirm in irgendeiner<br />
Art zu “leeren”. Nun bekommt auch der<br />
Würfel seine exklusive Version, lobenswerter Weise<br />
gleich zum 30 Euro-Mid Price und unsere Namensvettern<br />
Bub&Bob sind auch wieder dabei, leider erneut<br />
zu Munitionsträgern degradiert. Das Grundprinzip<br />
bietet zum Glück business as usual: In diversen Varianten<br />
schießen wir mit unser Kanone verschiedenfarbige<br />
Blasen auf ebensolche. Sind mehr als drei der<br />
gleichen Couleur, platzen sie herunter und, vereinfacht<br />
gesagt, dem Opponenten auf den Schirm. Reißt<br />
ein feister Schuss noch andere Blasen mit in die Tiefe,<br />
kommt es zu einer Kettenreaktion. Für Komplexitätserhöhung<br />
sorgen neben verschiedenen Bubble-Typen<br />
wie Mini-, Explosions-, Bowling-, Sternen- oder<br />
Riesenblasen noch diverse Arten von Blocksteinen<br />
und die unterschiedlichen Farben- und Blubbertypus-<br />
Angriffsmuster der Charaktere. Technisch bleibt sich<br />
die Serie treu, ist also gut zwei Hartwarengenerationen<br />
hinten und mit vielen ultratrashigen, aber in der<br />
Gesamtheit sehr charmanten Hintergründen ausgestattet.<br />
Gezockt wird gegen menschliche Widersacher<br />
oder die CPU, ein exzellenter Puzzle- und ein<br />
neuer Shoot Em Up-Modus runden die Chose ab. Einen<br />
Rüffel gibt es allerdings für den Mogeltitel “Allstars”,<br />
denn wider Erwarten findet hier kein Aufeinandertreffen<br />
der Lieblingscharaktere aus den 10.000<br />
vorherigen Games der Reihe statt, sondern allein die<br />
Crew aus der letzten Folge gibt sich ein Stelldichein.<br />
Auch wenn Imperative in Rezis manchmal nerven: Einen<br />
Bust-A-Move-Titel sollte jede(r) in der Sammlung<br />
haben. Da diese Folge zum ersten mal einen vernünftigen<br />
Vierspieler-Simultanmodus sowie den größten<br />
Variantenreichtum aller Teile besitzt, greift in Massen<br />
zu!<br />
BUB •••••<br />
VARIOUS ARTISTS: AUTECHRE REMIX [XLTRONIC]<br />
Xltronic.com hat in diesem Sommer einen anscheinend halbwegs offiziellen Autechre-Remix-Contest veranstaltet.<br />
Insgesamt 171 Beiträge umfasst die komplett im Netz veröffentlichte Sammlung aller Remixe. Darunter<br />
findet sich natürlich eine ganze Menge unsinniges Rumgedrohne und so manch ein langweiliger Selbstverwirklichungsversuch<br />
– aber auch ungefähr genauso viele gute, interessante und bisweilen auch brillante<br />
Tracks. Schwierig ist es nur, sich das ganze Zeug tatsächlich anzuhören, ohne eine IDM-Allergie zu bekommen.<br />
<strong>De</strong>shalb hier jetzt mal ein paar völlig willkürlich ausgesuchte Highlights: Tilapia im Tia Reebot Remix von <strong>De</strong>fpoint<br />
(# 082) rockt definitiv, Gooks Milk DX Remix (#025) beweist Humor und Pixelliebe, Handoverthecarts<br />
Overand Remix (#035) ist ein guter Ohrwurm für Leute, die keine Würmer mögen, Intensivebears Vose In Remix<br />
(#007) bringt ein bisschen Elektronika-Sweetness mit ins Spiel und Shawn Grantzes Graf-Mix (#023)<br />
schwelgt im <strong>De</strong>tail. Fortsetzung folgt?<br />
http://www.xltronic.com<br />
JANKO •-•••••<br />
HPC: CONTRAST THE CATERPILLAR [DOPEDESIGN]<br />
Es gibt Situationen, da wird man richtig neidisch als Review-Schreiber. Zum Beispiel, wenn im Dopedesign-Forum<br />
so Sätze fallen wie dieser: "Ich weiß nicht, ob irgend jemand Zeug wie dieses macht ... ausgenommen vielleicht<br />
die Leute, die Jingles für das Cartoon Network machen." Besser könnte man nämlich den verspielten Optimismus<br />
dieses Tracks nämlich gar nicht auf den Punkt bringen. Weshalb ich's jetzt auch gar nicht erst versuche.<br />
Toller Track. Runterlanden!<br />
http://www.dopedesign.com<br />
JANKO •••••<br />
SYMPHONIC STEREO: 19 [PLEASEDOSOMETHING]<br />
<strong>De</strong>r Herbst kann kommen. Schließlich besitzt Symphonic Stereos neueste Netz-EP genug Wärme und Spätsommerromantik,<br />
um jeglichen Wetterwechsel zu vergessen. Fünf schöne Tracks, mit denen uns das schon von<br />
Starvingbuthappier bekannte Duo gleichzeitig wohlig einlullt und auf den Dancefloor drängt. Mein persönlicher<br />
Favorit ist Get Away mit einem Bass, der einen freundlich aus der Lethargie aufweckt. Apart In the Dark<br />
dagegen klingt für meinen Geschmack fast ein bisschen zu sehr nach 80er-Sentimentalität. Trotzdem, eine feine<br />
EP. Und ganz nebenbei ein Netlabel, das man im Auge behalten sollte.<br />
http://www.pleasedosomething.com<br />
JANKO ••••<br />
V.A.: ID.001 [IDEOLOGY]<br />
Netlabels sind im Jetzt und Hier wohl schon langsam aber sicher das, was<br />
die 7“Labels in den 90ern waren, zumindest wird es unüberschaubar.<br />
Schuld daran haben in diesem Fall Kollege Moritz Sauer, Jörg Friedrichs,<br />
Christian Sierpinski und Brigitte Bijoux mit ihrem neuen Netlabel Ideology.<br />
Super ist, dass es hier nicht um IDM zu gehen scheint. Stattdessen<br />
pendeln die Tracks zwischen Downbeat, entspanntem HipHop und<br />
Bleeps und Clonks der straighteren Sorte. Irgendwie klingt durch, dass<br />
die Ideology-Menschen wohl mal ganz tief drin waren im Drum and Bass.<br />
Für Fans von Tokyo Dawn ein Tipp, mir persönlich eine Spur zu sehr im<br />
Downbeat und Chill Out verhaftet. <strong>De</strong>nnoch auf jeden Fall eine Bereicherung<br />
der Netaudio-Landschaft.<br />
http://www.ideology.de RENÉ ••••<br />
SYLVAIN CHAUVEAU: GUINETTE PIRATE 09.01.2003<br />
Wunderbare 27 Minuten vom Minimalklassikwunderkind Sylvain Chauveau,<br />
dessen letzte Mini-LP eigentlich gerade jetzt zum Herbstbeginn<br />
passender veröffentlicht werden sollte, insgesamt im Frühjahr aber leider<br />
etwas untergegangen ist. Auf der Website von Grand Teton gibt es<br />
ein MP3 von Chauveaus Supportgig für Windsor for the <strong>De</strong>rby. Ein sich<br />
aufbauschendes Loopmonster voller Gitarrenplinkereien, Flächen und<br />
Samples, das gut und gerne doppelt so lang sein könnte. Ein Track, der einem<br />
tröstend auf die Schulter klopft, die Hand reicht und einfach den Tag<br />
rettet. Statt des Pianos ist es in diesem Fall die Gitarre, die Sylvain Chauveau<br />
bearbeitet und gleichzeitig streichelt. Windsor for the <strong>De</strong>rby sahen<br />
bestimmt verdammt blass aus. Loopdichimmerweiterbitteschön.<br />
http://www.grand-teton.net RENÉ •••••<br />
Silent Season Dub [Thinnerism]<br />
Eine Compilation eines der nun wirklich am konsequentesten releasenden Netzlabel im eher minimal orientierten<br />
Bereich und eine Compilation, die Minimal Dub endlich auch mal wieder so lässig und breitwandig cool<br />
klingen lässt, dass man sofort drin untergeht und jeden der Tracks bis ins letzte Knistern ausschöpfen möchte.<br />
Mit dabei Falter (Krill.Minima), Lufth, Selfish, Off The Ski, Rasmus Moebius, Periskop, Chronolux, Taho, Digitalis<br />
und Benfay, und nicht einer der Tracks enttäuscht, sondern jeder entwickelt in seinem eigenen Sound zwischen<br />
extrem ruhigen, fast geflüsterten Dubs und clickrigem Rauschen eine Welt, die smoother kaum sein<br />
könnte. Minimal Dub Platte des Monats für mich. Wie immer als 192kbps Qualitäts MP3s auf der Webseite.<br />
http://www.thinnerism.com<br />
BLEED •••••<br />
Krill.Minima - Zwischen Zwei Und Einer Sekunde [Thinnerism]<br />
Und nein, so kurz sind die Track natürlich nicht, die Krill.Minima hier macht. Im Gegenteil. Meist sind die Stücke<br />
von Martin Juhls eher lang, und diese Zeit brauchen sie auch, denn hier wird jeder Sound bis ins letzte <strong>De</strong>tail<br />
ausgehört. Eine Dubplatte auch das, aber Dubs in einem Tempo, dass man nicht mehr in Beats messen kann,<br />
sondern eher in Momenten. Sehr sehr smooth und trotzdem noch immer mit einem Hauch von Popappeal. Eine<br />
der ruhigsten Platten zur Zeit, die alles andere als dazu verleitet einzuschlafen.<br />
http://www.thinnerism.com<br />
BLEED •••••<br />
René Breitbarth - oo's [Textone/001]<br />
Auf dem neuen Label von Jay Haze erscheinen hier 4 Tracks der eher dark und funky steppenden Art von Breitbarth,<br />
den man so afro eigentlich selten erlebt hat. Weniger dubbig oder smooth als aus seinen Releases für<br />
Treibstoff bleibt aber natürlich auch hier die ein oder andere schwebende Fläche nicht aus, und mit "Woosave"<br />
gibt es auch einen dieser sweeten detroitigen Dubhits mit Extrasnaps von ihm, aber als Ganzes richtet sich diese<br />
EP viel mehr Richtung US-House, oder was daraus eigentlich hätte werden müssen. Sehr lässig.<br />
http://www.textone.org<br />
BLEED •••••<br />
DE:BUG.75 - 10.2003 –<br />
- DE:BUG.75 - 10.2003
DE:BUG PRESENTS: TERMINE IM OKTOBER:<br />
RICARDO VILLALOBOS<br />
ALCACHOFA TOUR<br />
Er ist nicht zu stoppen. Nachdem sein "Easy Lee" schon den halben<br />
Sommer als Promo durch die Plattenkisten geisterte,<br />
während Herr Villalobos selbst so gut wie kein Open-Air ausließ<br />
und fleißig Augenringe sammelte, kommt er jetzt nochmal mit<br />
der Tour zum Album bei euch vorbei.<br />
03.10. 12/34, Berlin / 17.10. Zieglers, Heidelberg / 25.10. Via Felsenau,<br />
Bern / 28.11. Preassure, Glasgow * / 29.11. Fabric, London *<br />
(* mit Richie Hawtin)<br />
ISO68 TOUR<br />
Florian Zimmer und Thomas Leboeg verzaubern mit ihren Miniaturen<br />
aus Akustik und Elektronik wieder das ganze Land. Mit im<br />
Gepäck: ein frisches Remix-Album mit Größen wie Calexico, Sixtoo<br />
oder Corker/Conboy. Hingehen und glücklich sein.<br />
24.10. Hann.Münden, Kurbelkasten / 25.10. Stuttgart, Neuer Travellersclub<br />
/ 26.10. Berlin, Magnet / 28.10. Marburg, Cafe Trauma (w/<br />
Ulrich Schnauss) / 29.10. Köln, Studio 672 / 30.10. Hamburg, Tanzhalle<br />
/ 31.10. Flensburg, Volxbad / 01.11. Leipzig, Ilses Erika / 02.11. Bayreuth,<br />
Glashaus / 07.11. München, Hausmusikfestival @ Pathos-<br />
Transport Theater<br />
TIGERBEAT 6 - PAWNS ACROSS<br />
EUROPE<br />
Kid 606, DJ/ Rupture und Dwayne Sodahberk. Brutaler Laptop-<br />
Berserker-Rock’n’Roll, was sonst. Kid 606 zieht durch die Clubs<br />
und zieht seine Buddies mit. Pogo im Club stirbt nie. Am Tresen<br />
festhalten, yo!<br />
01.10. Wien, Rhiz / 02.10. Karlsruhe, ZKM / 03.10. tba / 04.10. Dresden,<br />
Scheune, 05.10. tba / 07.10. Leipzig, Conne Island / 09.10. Köln, Studio<br />
672 / 09.10. Berlin, WMF / 10.10. Hamburg, Phonodrome<br />
SOUL:UTION TOUR<br />
Mit Marcus Intalex' Soul:ution Tour macht sich der Imprint für die<br />
soulfulle Seite des Drum and Bass auf die Reise durchs kontinentale<br />
Europa. Da sich dieser Sound hierzulande bereits großer Beliebtheit<br />
erfreut, darf man sich auf gut besuchte Abende mit Marcus<br />
Intalex & MC DRS jenseits jeglichen Endzeit-Geschredders<br />
freuen.<br />
11.10 . Genf /15.10. Düsseldorf / 16.10. Stuttgart, Le Fonque / 17.10. Berlin,<br />
Watergate /18.10. Leipzig, Conne Island (mit High Contrast!)<br />
WEILHEIM AUF RÄDERN TOUR<br />
Weilheim - längst ein Begriff in der Musik wie New Orleans Jazz<br />
oder Sound of Munich. Nur lebendig und auf Tour. Alle Stars der<br />
indietronischen Schneidersitz-Ballade schnallen sich im Kompaktpack<br />
die Räder unter - und die schwarzen Raben fliehen das<br />
Land. Dabei gibt es jeweils zwei Dates pro Stadt und zwei Lineup-<br />
Kombis: Entweder Ms John Soda, Tied&Tickled Trio und Console<br />
oder Couch, Lali Puna und Notwist. Schöner kann man die dunkle<br />
Jahreszeit nicht begehen.<br />
01.10. + 02.10. Berlin, Columbiafritz / 04.10. + 05.10. Brüssel, AB /<br />
06.10. + 07.10. Hamburg, Markthalle / 08.10. + 09.10. Köln, Stollwerk<br />
/ 15.10. + 16.10. München, Alabamahalle / 28.10. + 29.10. Wien, WUK<br />
ESSEN ELEKTRONISCH<br />
Weg mit den Hemmschwellen: Medien ins Leben, Leben ins Medium.<br />
Das hat man sich für diese Veranstaltung in der Essener<br />
Trichterhalle auf die Fahnen geschrieben. Dafür wird die Zeche<br />
zur audio-visuellen Landschaft zwischen Kunstprojekt und Live-<br />
Musikfestival, und das für Umme. Vormittags Workshops, abends<br />
Live-Auftritte von und mit:<br />
Porter Ricks / Frank Bretschneider / Lumen / Semiqrum / F.X.Randomize<br />
/ Vert / Niobe.<br />
03.10. Essen, Trichterhalle auf dem Gelände des Zollvereins<br />
ON THE FLOOR<br />
BAD KLOSTERLAUSNITZ - MUNA<br />
18.10. - Anthony Rother (live), Soundfreaks<br />
feat. He-Man, Foch, Kay<br />
BERLIN - 12|34<br />
03.10. - Richie Hawtin, Ricardo Villalobos,<br />
Sammy <strong>De</strong>e, Ata<br />
BERLIN - AUSLAND<br />
09.10. - Brenn van de Nessel feat.: Sascha (live),<br />
Döbereiner (live), Hey Driver Cool Down<br />
The Horses (live) / 10.10. - Otomo Yoshihide,<br />
Sachiko M, Aexel Dörner, Andrea Neumann,<br />
Annete Krebs / 25.10. - Colleen, Hervé Boghossian<br />
/ 31.10. - Si-Cut. DB<br />
BERLIN - BASTARD<br />
08.10. - Schneider TM, Justine / 08.10. - Schneider<br />
TM, Justine / 22.10. - Why (live)<br />
BERLIN - ICON<br />
03.10. - DJ Flore, T-Ina, Christine Lang, MC Looney<br />
Tunes / 04.10. - Klute, Alley Cat, Obiwan,<br />
MC Mace, White MC / 11.10. - Flare 5, Emisz,<br />
N'<strong>De</strong>e, White MC / 18.10. - Bassface Sascha,<br />
N'<strong>De</strong>e, Obiwan, MC Stunnah / 25.10. - J.Majik,<br />
Metro, Emisz, MC Mace<br />
BERLIN - LOVELITE<br />
10.10. - Caynd, Basti Zett, Gaucho, Kiwi, Audiossey,<br />
Shir Khan<br />
BERLIN - MARIA<br />
24.10. - Audio Bullys, Brooks, Alexkid, DJ Rabauke<br />
/ 31.10. - Barry Ashworth, Tanith Brx, Vela,<br />
Arzt, ED2000, Rollin Thunder, Mamiko San<br />
(live)<br />
BERLIN - PFEFFERBANK<br />
02.10. - Turner / 09.10. - Meteorites (live)<br />
BERLIN - PLANETARIUM PRENZLAUER<br />
ALLEE<br />
23.10. - Monolake (live)<br />
BERLIN - POLARTV<br />
04.10. - Alter Ego (live), Woody, Luciano, Frank<br />
Finger, Samim (live) / 11.10. - Savas Pascalidis,<br />
Luke Solomon, Martin Landsky, Broker / <strong>De</strong>aler<br />
(live) / 18.10. - Electric Indigo, Housemeister,<br />
MC Wuzi Khan, Modelselktor (live), Bucci<br />
(live), Clé / 22.10. - Diringer / 24.10. - Sven Väth<br />
/ 25.10. - Rob Mello, Phonique, Mike Vamp, Kiki,<br />
Damian Lazarus, The Glimmer Twins /<br />
29.10. - Hannes Teichmann<br />
BERLIN - SO36<br />
06.10. - Monomash (live), Oliver Nicolo, Lyaric<br />
Johnson / 13.10. - Wimpy, Wolle Haarnagel /<br />
20.10. - Mo, Monika Kruse, / 27.10. - DJoker<br />
Daan, Sebbo, Marc Snow<br />
BERLIN - STERNRADIO<br />
02.10. - Tasaka, Autotune / 03.10. - Funkie Junkie,<br />
Jan Driver, Daniel Sunn, Mohan, Felix Rennefeld<br />
(live) / 04.10. - Tom Clark, Bundi, Sven<br />
Brede / 10.10. - Frank Finger, Bad Baxter, Samim<br />
(live) / 11.10. - Jeremy Caulfield, Michi Moser,<br />
Tobi Dreher / 17.10. - Kiki, Silversurfer /<br />
18.10. - Matthias Tanzmann, Martin Landsky, P.<br />
Parker / 24.10. - Lowdon, Gunjah / 25.10. - Gebrüder<br />
Teichmann, Kombinat 100 (live) / 26.10.<br />
- Eric D. Clark, Dole & Kom, Mat Diaz, Da Rule,<br />
PF NFX, Frederic / 31.10. - Sascha Funke, Housemeister<br />
BERLIN - WATERGATE<br />
02.10. - Adam Sky, Terranova Soundsystem<br />
feat.: Fetisch & Naughty, Mike Vamp, Sebo K /<br />
03.10. - Aziz, MC Shnek, <strong>De</strong>fraq, Scamp, Bonobo,<br />
40 Oz / 04.10. - Tobi Neumann, Cornelius<br />
Tittel, Yannick, Hefner / 10.10. - Kabuki, Metro,<br />
<strong>De</strong>fiant, MC Santana, <strong>De</strong>joe / 11.10. - Magda,<br />
Dinky, Mo, Stella 76, Zoe, Nanday, Codex /<br />
16.10. - COKE DJ-Culture: Afrika Bambaataa,<br />
Turntablerocker, Sebo K, Mason / 17.10. - Marcus<br />
Intalex, MC DRS, Metro, <strong>De</strong>fiant, Danie<br />
Best, Daniel Störtebecker / 18.10. - ND Baumecker,<br />
Carsten Klemann, Gelbmusik / 23.10. -<br />
Ricardo Villalobos, Ewan Pearson, Carsten<br />
Klemann, Cornelius Tittel, Nick Höppner,<br />
Dixon, Ata / 24.10. - Lee, Metro, <strong>De</strong>fiant, MC<br />
Soultrain, Sebo K, 40 Oz / 25.10. - Dan Bell,<br />
Sammy <strong>De</strong>e, Cabanne (live), Baby Ford, Dimbiman<br />
(live), Thomas Melchior, Zip / 30.10. -<br />
Vela, Branka, Ipek, Popayata, Jose, D. nase,<br />
Okan, Sedyst / 31.10. - MTC Yaw, Wolff, <strong>De</strong>fiant,<br />
MC Soultrain, 40 Oz<br />
BERLIN - WMF<br />
04.10. - Jackmate (live), Highfish / 09.10. - Kid<br />
606, Dwayne Sodahberk, DJ Rupture / 18.10. -<br />
Egoexpress (live), Andreas Sachwitz, Daniel<br />
Wetzel, Shumi, Paulsen, Plock, Dreamz, Benjamin<br />
Gouda / 23.10. - Miss Kittin & Ellen Allien /<br />
25.10. - Tobias Thomas, Jennifer / 30.10. - Fenin<br />
(live), Safety Scissors (live), Daniel Meteo<br />
BERLIN - ZENTRAL<br />
14.10. - Criterion, Doily, 1-Speed Bike<br />
DRESDEN - FESTSPIELHAUS HELLERAU<br />
11.10. - Tuna Trigger (live)<br />
DüSSELDORF - KOELN E.V.<br />
11.10. - Safety Scissors (live), Frank D'Arpino,<br />
Marc Kanuer<br />
DüSSELDORF - UNIQUE<br />
01.10. - Aquasky / 03.10. - Luke Vibert / 15.10. -<br />
Crazy Cuts / 17.10. - Ata, Jan Krüger, Gee /<br />
24.10. - Rainer Trüby<br />
FRANKFURT / MAIN - MOUSONTURM<br />
11.10. - Meteorites (live), Ragazzi (live)<br />
FREIBURG - ELEKTROLOUNGE<br />
10.10. - Cabanne, Marek Dima, Ephy<br />
ON TOUR<br />
COLOMA<br />
07.10. - Linz, Stadtwerkstatt / 08.10. - Wien,<br />
B72 / 09.10. - München, Orange House / 10.10.<br />
- Heilbronn, Mobilat / 11.10. - Genf, L'Usine /<br />
12.10. - Feldkirch, Sonderbar / 21.10. - Hamburg,<br />
Indra / 22.10. - Berlin, Paradis / 23.10. - Hannover,<br />
Glocksee / 24.10. - Leipzig, Ilses Erika /<br />
25.10. - Dresden, Hellerau<br />
DONNA REGINA<br />
15.10. - Münster, Luna Bar / 16.10. - Hamburg,<br />
Astrastube / 17.10. - Berlin, Roter Salon / 18.10.<br />
- Dresden, Scheune / 19.10. - Würzburg, Cafe<br />
GRAZ - POSTGARAGE<br />
17.10. - Krust, CPt. Jogin, Suhaid, Illinois<br />
HAMBURG - ASTRASTUBE<br />
01.10. - Silly Walks / 02.10. - H.Heh, Black Walter<br />
/ 03.10. - Raf Le Spoink / 04.10. - Black<br />
Bunny, KXR / 05.10. - The Movement / 06.10. -<br />
G.Büttner, J. Rabeler / 07.10. - Kepler, Snailhouse<br />
/ 08.10. - Reggae Club Silly Walks /<br />
09.10. - Stromzähler: Nicromantik / 10.10. -<br />
S:Cream / 11.10. - Plastic Ivy, DJ Caulfield / 13.10.<br />
- Criterion, Dioly, One-Speed-Bike / 14.10. -<br />
Drekka, Mäkkela's Trasch Lounge, Mano Nelson<br />
/ 15.10. - Reggae Club Silly Walks / 16.10. -<br />
Donna Regina, Anna Loog, Tom Bola / 17.10. -<br />
Stubenarrest / 18.10. - Sunday Service / 20.10. -<br />
Okkervil River / 21.10. - H7-Club / 22.10. - Reggae<br />
Club Silly Walks / 23.10. - Gaffa, DJ<br />
Ram_Löser / 24.10. - Metroheadmusic for Metroheadpeople<br />
/ 25.10. - Harry Merry, Sonata<br />
Rec. / 27.10. - Ditterich von Euler-Donnersperg<br />
/ 28.10. - Colleen (Leaf / France) / 29.10. - Reggae<br />
Club Silly Walks / 30.10. - 7inchSpektor<br />
Drop-Out / 31.10. - Britta & Neil, Pussa & Roman<br />
HAMBURG - CLICK<br />
02.10. - RObi Insinna aka Headman, Marc<br />
Schneider / 04.10. - Ada (live), M.I.A., Cranque<br />
/ 10.10. - Stamina, ROmpa Stompa, MC Ire Vibe,<br />
Flowpro, Wile / 11.10. - Trike (live), Feadz,<br />
Lawrence / 17.10. - Beta 2, Zero Tolerance,<br />
Amaning, Fu / 18.10. - Luciano, Harre / 25.10. -<br />
Steve <strong>Bug</strong>, <strong>De</strong>troti Grand Pubahs (live), Martin<br />
Landsky, Henry<br />
HAMBURG - HOCHBUNKER<br />
02.10. - Richie Hawtin, Carson Plug, Maurizio<br />
Schmitz<br />
HAMBURG - INDRA<br />
31.10. - Ragazzi, Meteorites, Angie Reed<br />
HAMBURG - PHONODROME<br />
04.10. - Huah, die Sterne, Superpunk, Stella,<br />
Spillsbury, Von Spar, Arne Zank, Ascii Disko,<br />
Lado DJ-Team / 17.10. - Jeans Team, Das Bierbeben,<br />
Turner / 18.10. - Steve D, Mad Max, Pacou,<br />
Recyver Dogs (live) / 25.10. - Steve <strong>Bug</strong>, martin<br />
Landsky, <strong>De</strong>troit Grand Pubahs, Oliver Lieb,<br />
Mijk van Dijk<br />
HAMBURG - PUDEL<br />
01.10. - Oddatee , Mixwell & Friends / 03.10. -<br />
Marc Schneider, Zoran Zupanic / 04.10. - Carsten<br />
Jost, Lawrence / 05.10. - Raf, Superdefekt<br />
/ 08.10. - Cranque & Seriously Tight / 10.10. -<br />
Marc Schneider, Zoran Zupanic / 11.10. - Bonnie,<br />
Carsten Jost / 12.10. - Raf, Superdefekt /<br />
15.10. - Mixwell & Friends / 17.10. - Marc Schneider,<br />
Zoran Zupanic / 18.10. - Everlast Soundstation<br />
/ 19.10. - Paul B. Davis, Lektrogrill / 22.10. -<br />
Mr. Son & Twizzard / 24.10. - Marc Schneider,<br />
Zoran Zupanic / 25.10. - Bonnie, Lawrence /<br />
26.10. - Error23 (live), Repogrrl, Raf, Superdefekt<br />
/ 29.10. - Mixwell & Friends / 31.10. - Lawrence<br />
(live), Carsten Jost, Sten<br />
HAMBURG - STUBNITZ<br />
14.10. - Benjamin Wild (live), Vincenco, Lowtec<br />
(live), Losoul, Tobias Thomas, Carsten Jost,<br />
ND-Baumecker<br />
HAMBURG - TANZHALLE<br />
02.10. - Justin Case, Stanley Ipkiss / 03.10. -<br />
Psychonauts, <strong>De</strong>ine Villa / 09.10. - Gold Chains<br />
(live) / 16.10. - Erobique / 24.10. - Basteroid (live),<br />
Jan Eric Kayser, <strong>De</strong>ine Villa / 31.10. - D. Diggler<br />
HAMBURG - WAAGENBAU<br />
11.10. - Felix Kubin (live), CObra Killer (live), Jacques<br />
Palminger (live), Puyo Puyo, Raf Le<br />
Spoink, Superdefekt / 18.10. - COKE DJ-Culture:<br />
Afrika Bambaataa / 31.10 - Strobocop, Tayler<br />
Durden<br />
HAMBURG - WESTWERK<br />
28.10. - Earlydayminers (live), DJ Patrick Ziegelmüller<br />
HEIDELBERG - SCHWIMMBAD MUSIK CLUB<br />
08.10. - Gold Chains (live)<br />
HEIDELBERG - ZIEGLERS<br />
17.10. - Ricardo Villalobos<br />
INNSBRUCK - HADES<br />
18.10. - Krust, Ego, Node, Zest<br />
KöLN - ARTHEATER<br />
04.10. - Miss <strong>De</strong>e, Walter B38, DC, Henree, MC<br />
Marvelous, DJ Adlib, Harry Swinger<br />
KöLN - BLUE NOTE<br />
03.10. - Cranque, Jake / 10.10. - Jörg Waschat,<br />
Jan Lankisch / 17.10. - Butterfly Potion, Carbonid<br />
Solo / 18.10. - Pocket Rocket (live), Beatschubiger,<br />
Frank Martiniq, Catya / 24.10. -<br />
Cow, Chicken / 31.10. - DJ und ich, DJ Ob, DJ<br />
Kuhl<br />
KöLN - ESSIGFABRIK<br />
25.10. - Audio Bullys, Brooks, Alexkid, DJ Rabauke<br />
KöLN - KULTURBUNKER<br />
26.10. - Colleen, Hervé Boghossian<br />
KöLN - SENSOR<br />
04.10. - Broker <strong>De</strong>aler (live), Strobocop,<br />
Triple R<br />
KöLN - STADTGARTEN<br />
16.10. - COKE DJ-Culture: Afrika Bambaataa /<br />
18.10. - Teebee, basic, Forward, T.J. Hookah,<br />
Rinc, MC Marvelous<br />
KöLN - STUDIO672<br />
03.10. - Tobias Thomas, Eden, Batu / 08.10. -<br />
Kid606, Dwaynee Sodahberk, DJ/Rupture /<br />
Cairo / 20.10. - Konstanz, Kulturladen / 22.10. -<br />
München, Harry Klein / 26.10. - Winterthur,<br />
Kraftfeld / 28.10. - Stuttgart, Neuer Traveller /<br />
29.10. - Frankfurt / Main, Ahoy / 30.10. - Köln,<br />
Gebäude 9<br />
STYROFOAM<br />
08.10. - München, Harry Klein / 14.10. - Stuttgart,<br />
Neuer Traveller / 16.10. - Dortmund, Cosmotopia<br />
/ 19.10. - Hamburg, Hafenklang<br />
ZION I, K-OTIX<br />
04.10. - Biel, La Couple (tbc) / 07.10. - Berlin,<br />
Knaak / 08.10. - Hamburg, Echochamber /<br />
10.10. - Wil (CH), Remise / 11.10. - Aarau (CH),<br />
Kiff / 12.10. - Mannheim, Soho / 15.10. - Nürn-<br />
10.10. - Tobias Thomas, Superpitcher, Safety<br />
Scissors (live) / 15.10. - Styrofoam (live) / 24.10.<br />
- Tobias Thomas, Superpitcher / 29.10. - Iso68<br />
(live) / 31.10. - Tobias Thomas, Michael Mayer,<br />
Superpitcher, Thomas Fehlmann, Gudrun Gut,<br />
Chica Paula, Jan Jelinek<br />
KöLN - SUBWAY<br />
04.10. - Martin landsky, Caro, FM Alexander,<br />
Till Heinzelmann / 11.10. - Christian, Matias<br />
Aguayo / 17.10. - Uh-Young KIm, BB Stöpsel /<br />
25.10. - Acid Maria, Ata / 31.10. - Phanta, Phliipp<br />
Maiburg<br />
LEIPZIG - DISTILLERY<br />
02.10. - Dixon, Till, Isa, Mr. Edd & Mr. Muff /<br />
03.10. - Dr. Schmift, CFM, Sketch / 04.10. - Dave<br />
The Sheikhaka, Marc Figge, Chris Manura,<br />
Philip Alicke / 11.10. - André Galuzzi, Marc<br />
Miroir, Lars Christian Müller / 17.10. - MBValent,<br />
Windy, Booga, MC Phowa / 18.10. - The<br />
Auxmen (live), Keith Tucker, Steve Kotey, Chris<br />
Manura / 25.10. - Blame, Sketch, MC Ronin,<br />
Marlow<br />
MANNHEIM - MS CONNEXION<br />
02.10. - DJ Hype, DJ SS, Shimon, Darren Jay,<br />
Twisted INdividual, Distroted Minds, E. <strong>De</strong>cay,<br />
Bassline Generation, Chronic b2b Alex, Triple<br />
T, The Ragga Twins, Grooverider, High Contrast,<br />
Aquasky, Panacea, Crossfire, Ultraviolet<br />
MüNCHEN - CANDYCLUB<br />
17.10. - Meteorites (live)<br />
MüNCHEN - FLOKATI<br />
03.10. - Sascha Funke<br />
MüNCHEN - HARRY KLEIN<br />
01.10. - Kamerakino (live) / 03.10. - Dis*Ka (live),<br />
Jill Mingo / 04.10. - Oliver Kapp, Dominik<br />
Schuster / 09.10. - House Of Fix (live), Lester<br />
Jones / 10.10. - DJ FC Shuttle, DJ Hometrainer /<br />
11.10. - Acid Maria, König Saatgut, Joe Johnson<br />
/ 18.10. - Lester Jones, Cio D'Or, Mark Marniku<br />
/ 24.10. - Christian Kreuz, Kern 002 / 25.10. -<br />
Sonja Mooner, DJs Klub Kool Khan / 31.10. - Filippo<br />
Naughty Moscatello, Julietta<br />
MüNCHEN - PATHOS<br />
03.10. - Cio, Rho, Julius Kammerl, Frogstar,<br />
Dottore Mooner / 10.10. - Jamie Liddel, Funkstörung,<br />
Chris <strong>De</strong> Luca / 17.10. - La Loakai, Zebra3,<br />
Nemo / 24.10. - Dottore Mooner, Cnut (live)<br />
/ 31.10. - Goldie, MC Rage, Frogstar, Ryan,<br />
Nemo<br />
NüRNBERG - HIRSCH<br />
10.10. - Alexander Kowalski (live), Homebase,<br />
Letter<br />
OFFENBACH - ROBERT JOHNSON<br />
01.10. - Laurent Garnier / 02.10. - Superpitcher,<br />
Tobias Thomas / 03.10. - Miguel Ayala, MC Glacious<br />
/ 09.10. - Heiko MSO, Johnny Love, Weller<br />
/ 10.10. - Sascha Funke, Ellen Allien / 11.10. -<br />
Mocky (live), Munk DJ-Team / 17.10. - Steve<br />
<strong>Bug</strong>, Meat / 18.10. - Heiko MSO, Geoffroy /<br />
24.10. - DJ Koze, House Of Fix (live), Ata / 25.10.<br />
- Thomas Hamann, Gerd Janson, Sven Hellwig<br />
/ 31.10. - Zip<br />
POTSDAM - MINSK<br />
03.10. - Kay Meseberg, Rosko / 04.10. - Pete,<br />
Modelektor / 11.10. - skate, Reflector DJs, Visomat<br />
Inc., Framefarmers<br />
RAVENSBURG - DOUALA<br />
03.10. - Zombie Nation, John Starlight, Dominik<br />
Schuster / 17.10. - Eddie Flashin Fowlkes<br />
SCHWERIN - GERBEREI<br />
04.10. - Sascha Funke, Ellen Allien<br />
STUTTGART - LE FONQUE<br />
03.10. - Tomas Jirku, Joachim Spieth, Björn<br />
Stolpmann / 10.10. - I-F, Mick WIlls / 16.10. -<br />
Markus Intalex, Lightwood / 17.10. - Sascha<br />
Funke / 31.10. - Jackmate, M.R.I (live), Benjamin<br />
Lieten<br />
STUTTGART - NEUE HEIMAT<br />
04.10. - The Horrorist (live), Festes Weiss (live),<br />
Attuk, Mark Mautz / 11.10. - Ellen Allien,<br />
Daniel Benavente, Shon / 18.10. - Daniel Benavente,<br />
Attuk, Chris Sonax / 25.10. - Neil Landstrumm,<br />
Shon, Mark Mautz<br />
STUTTGART - SUITE 212<br />
04.10. - Ark / 11.10. - Ghost Cauldron / 17.10. -<br />
Daniel Haaksmann / 18.10. - Chloe, Rework,<br />
Monoton / 24.10. - The <strong>Bug</strong> & Tikiman<br />
STUTTGART - UNIVERSUM<br />
02.10. - Lee, Native Minds, Teasem NME Click,<br />
MC Haze, MC Remedy<br />
WEIMAR - E-WERK<br />
10.10. - 20.15 Uhr Robert Lippok (live) und<br />
Pingfm<br />
WIEN - FLEX<br />
11.10. - Panacea, Gon & Duke, Break Pitt / 16.10.<br />
- Krust, Suhaid, Resista, Coda<br />
ZüRICH - BOGEN 13<br />
18.10. - The Meteorites / 24.10. - Plaid, Spezialmaterial<br />
DJ-Team<br />
ZüRICH - ROHSTOFFLAGER<br />
03.10. - DAF (live) / 04.10. - Alexander Kowalski<br />
(live), Diego (live), Gangsta, Bang Goes, T-<br />
Nova / 10.10. - Bad Company, Neuro_Technologies,<br />
Task Horizon / 11.10. - Westbam, Lexy &<br />
K-Paul (live), Pauzl Kalkbrenner, Styro2000,<br />
Haito / 18.10. - Claude Young, Robert Hood,<br />
<strong>De</strong>etron, Mikky B / 25.10. - Luke Slater, Jesco<br />
Schuck, Mirko Loko, Eric Borgo / 31.10. - Remadfy,<br />
Player, Mark K, RCK<br />
berg, Viperroom (tbc) / 16.10. - Wien, tba /<br />
17.10. - Pfarrkirchen, Boogaloo / 18.10. - München,<br />
Muffathalle / 21.10. - Paris, Batofar /<br />
23.10. - Moers, Volksschule / 24.10. - Leipzig,<br />
Conne Island / 25.10. - Mattsee (A), Postkutsche<br />
/ 26.10. - Trier, Exhaus /<br />
NORTHERN LITE<br />
03.10. - Rostock, Mau Club / 18.10. - Erfurt, Centrum<br />
/ 24.10. - Ludwigshafen, Loft / 25.10. -<br />
Stuttgart, Wohlfahrt<br />
CLIENT + DJ ANDREW FLETCHER<br />
29.10. - Hamburg, Neu / 30.10. - Berlin, Maria /<br />
31.10. - Dresden, Blauer Salon<br />
DATES-DEADLINE FÜR DEN NOVEMBER: 12.10.03 / GETIPPT UND GEFILTERT VON THADDEUS HERRMANN
Informationen unter 0211 4371 5820<br />
www.royalelastics.com