WeltBlick 1/2019
Unsere Mission
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Hinweisschild in Bethlehem.<br />
die Macht. Als Religion der Herrscher war – und ist –<br />
er für die Beherrschten attraktiv. In Kombination mit<br />
Einschränkungen für die AnhängerInnen anderer<br />
Religionen hat dies dazu geführt, dass viele orientalische<br />
Christen über die Jahrhunderte zum Islam<br />
konvertierten.<br />
Die oben benannte »ethnische« Definition der<br />
Christen des Nahen Ostens gilt spätestens seit der<br />
muslimischen Machtübernahme in der Regel gesellschaftsintern:<br />
Demnach sind »die Araber« nur »die<br />
Muslime« (sofern nicht argumentiert wird, die meisten<br />
Araber seien »gestohlene«, also einst konvertierte<br />
Kopten, Syrer etc.). Nach außen hin werden<br />
christliche Araber meist betonen, dass auch sie arabisch<br />
seien und sich nicht aus ihrer Gesellschaft<br />
herausdefinieren lassen, sondern sich eher als Nukleus<br />
ihrer Gesellschaft, z. B. in Syrien, Ägypten oder<br />
dem Irak, verstehen.<br />
Im Herrschaftsbereich des Islam wird ein –<br />
gesetzlich kodifiziertes oder »nur« kulturell etabliertes<br />
– Konversionsverbot praktiziert, das es Muslimen<br />
verbietet, dem Islam zu entsagen. In diesem Kontext<br />
haben die Kirchen des Nahen Ostens ihre missionarische<br />
Tätigkeit weitestgehend eingestellt.<br />
Der Wegfall der Mission als Gewinnung von<br />
Menschen anderen Glaubens für das Christentum<br />
wurde und wird von den Kirchen kompensiert,<br />
indem sich die orientalischen Denominationen<br />
nachdrücklich »tribal« bzw. »national« verstehen.<br />
So gehören zur syrisch-orthodoxen Kirche die Menschen,<br />
die als Syrer definiert werden bzw. sich als<br />
Syrer verstehen. Menschen aus anderen Völkern<br />
müssen nicht für die(se) Kirche gewonnen werden.<br />
Entsprechend pflegt diese christliche Gemeinschaft<br />
unter sich eine eigene Sprache, eine eigene Tradition.<br />
Damit besteht der missionarische Impetus der<br />
ersten Jahrhunderte nicht mehr: Es geht nur mehr<br />
darum, die »eigenen Leute« in der Kirche zu halten,<br />
statt andere Menschen für die Kirche zu gewinnen.<br />
Hinzu kommt, dass der Glaube im nahöstlichen<br />
Kontext nicht nur als individuelle Religiosität verstanden<br />
wird, sondern auch als kollektives soziales<br />
Kriterium. Die Religionszugehörigkeit ist weniger<br />
eine Aussage über den praktizierten Glauben, sondern<br />
vielmehr die Zuschreibung zu einer sozialen<br />
Gruppe. Zur eigenen – und damit zur gemeinsamen<br />
– Religion gehören auch die Eltern, Geschwister,<br />
Verwandten, die Vorfahren wie die kommenden<br />
Generationen, mithin das ganze soziale Umfeld.<br />
Insofern wird die Religion bzw. Konfession auch<br />
nicht individuell gewählt, ein Religionswechsel<br />
bedeutet meist den sozialen Tod. Entsprechend wird<br />
auch ein nahöstlicher Atheist sich dennoch als<br />
Christ oder Muslim bezeichnen – zumal es nach<br />
nahöstlicher Denkweise einen Menschen ohne Religion<br />
nicht gibt.<br />
Daher kommen die Glieder jüngerer Kirchen<br />
meist aus den Reihen der historischen Kirchen. Die<br />
Familien, die heute zur Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL)<br />
oder zur Nilsynode gehören, wurden im 19. Jahrhundert<br />
aus den Reihen der orthodoxen, syrischen,<br />
armenischen, koptischen Familien gewonnen. Diese<br />
Kirchen sehen entsprechend die palästinensischen<br />
Lutheraner und die ägyptischen Reformierten als<br />
»gestohlen« an. Umso bedrohlicher empfinden die<br />
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