Sandra Gruenheid - Verhandeln mit dem MagnetPrinzip
Wirksam kommunizieren in Beratung, Service und Vertrieb *** eine Leseprobe meines Buches ***
Wirksam kommunizieren in Beratung, Service und Vertrieb
*** eine Leseprobe meines Buches ***
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<strong>Sandra</strong> Grünheid<br />
<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>MagnetPrinzip</strong> ®
<strong>Sandra</strong> Grünheid<br />
<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>MagnetPrinzip</strong> ®<br />
Wirksam kommunizieren in<br />
Beratung, Service und Vertrieb
Inhalt<br />
VORWORT<br />
Warum sind manche Menschen erfolgreicher als<br />
andere – und was hat die Sprache da<strong>mit</strong> zu tun?.................... 9<br />
EINFÜHRUNG<br />
<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong>............................................ 13<br />
Das <strong>MagnetPrinzip</strong> ® .............................................................. 17<br />
Natürliche Autorität .......................................................... 19<br />
Sprachliche Brillanz ......................................................... 21<br />
Nachhaltiges Denken ....................................................... 22<br />
Originalausgabe<br />
Copyright © 2018 <strong>Sandra</strong> Grünheid<br />
DIE PHASEN EINER VERHANDLUNG ......... 25<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Die Autorin steht Ihnen für Anfragen zur Verwertung der Inhalte gerne zur Verfügung.<br />
Ich freue mich über Ihr Interesse, Anregungen und Zuschriften unter: info@sandragruenheid.de<br />
Umschlaggestaltung: Götz Rohloff – Die Buchmacher, Köln<br />
Innengestaltung und Satz: Ortrud Müller – Die Buchmacher, Köln<br />
Druck und Einband: Online-Druck.BIZ, Krumbach<br />
Printed in Germany<br />
ISBN 978-3-00-060134-7<br />
1 Vorbereitung ......................................................................... 29<br />
Warum ist eine gute und ausführliche Vorbereitung<br />
sinnvoll? .................................................................. 29<br />
Ihre klaren Ziele und Argumente ...................................... 30<br />
Die Position der Gegenseite ............................................. 34<br />
Verhandlungsstrategie und Rhetorik .............................. 36<br />
Die eigene Einstellung: Gewonnen wird im Bauch ........... 37<br />
5 4 3 2 1<br />
Sie finden mich im Internet unter www.sandragruenheid.de<br />
2 Professioneller Gesprächseinstieg ....................................... 42<br />
Der erste Eindruck: Vertrauen schaffen ................................. 42<br />
Körpersprache .................................................................. 44
Sprache ist psychoaktiv ................................................... 48<br />
Sprachliche Wirkung erzeugen, und zwar bewusst .......... 52<br />
Small Talk als Chance für den Vertrauensaufbau ................... 57<br />
Small Talk als Strategie ......................................................... 59<br />
Den Rahmen abstecken ......................................................... 61<br />
3 Informationsaustausch: Bedarfsanalyse<br />
und Angebotsphase .............................................................. 66<br />
Den Bedarf erkennen: Mit Fragen filtern ............................... 68<br />
Sechs verschiedene Fragearten optimal einsetzen .......... 69<br />
Aktives Zuhören ............................................................... 76<br />
Das Angebot präsentieren: Schaffen Sie Magneteffekte! ...... 81<br />
Nutzenargumentation: Nennen Sie die<br />
konkreten Vorteile! ...................................................... 82<br />
Emotionen wecken: Erzeugen Sie Bilder im Kopf! ............ 85<br />
Nur im Notfall: Geistige Brandstiftung ............................. 92<br />
Völlig überflüssig: Du-Depp-Botschaften, Weichmacher<br />
und Unwörter .............................................................. 94<br />
Strategische Überlegungen ................................................... 96<br />
Kluger Umgang <strong>mit</strong> den eigenen Argumenten .................. 97<br />
Beweise und Behauptungen richtig einsetzen ................. 98<br />
4 Die eigentliche Verhandlung ................................................. 100<br />
Rhetorische Eskalationsstufen .............................................. 101<br />
Der »grüne« Bereich .............................................................. 103<br />
Die VFL-Methode .............................................................. 104<br />
Preisverhandlung ............................................................. 110<br />
Eskalationsstufe »Gelb«: Deeskalieren in<br />
schwierigen Situationen ................................................... 115<br />
Wenn die Verhandlung eskaliert: Die Situation<br />
verstehen, um sie zu meistern .................................... 115<br />
Erste Hilfe in emotionalen Gesprächen ............................ 117<br />
Konstruktive Schlagfertigkeit: Die BUH-Technik................ 119<br />
Reagieren auf Totschlagphrasen ...................................... 124<br />
Powerfragen stellen ......................................................... 129<br />
Appelltechnik ................................................................... 134<br />
Eskalationsstufe »Rot« .......................................................... 138<br />
Grenzen setzen <strong>mit</strong> positivem Sie-Feedback .................... 138<br />
Abbruch der Verhandlungen ............................................. 144<br />
Fazit zur eigentlichen Verhandlung ...................................... 147<br />
5 Abschlussphase .................................................................... 148<br />
Wie Sie den Kunden in der Abschlussphase professionell<br />
unterstützen ..................................................................... 149<br />
Professioneller Gesprächsausstieg ....................................... 151<br />
Der letzte Eindruck bleibt ................................................. 152<br />
Kaufreue vorbeugen ......................................................... 155<br />
Fazit zu den Verhandlungsphasen ......................................... 155<br />
6 Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen Menschentypen ........................ 157<br />
Die Typen erkennen und <strong>mit</strong> ihnen umgehen ................... 168<br />
Der gewissenhafte Typ: introvertiert und<br />
an der Aufgabe orientiert.............................................. 169<br />
Der dominante Typ: extrovertiert und<br />
an der Aufgabe orientiert............................................ 170<br />
Der initiative Typ: extrovertiert und<br />
am Menschen orientiert ............................................ 172<br />
Der stetige Typ: introvertiert und<br />
am Menschen orientiert .............................................. 174<br />
Die Schnellerkennung von Verhandlungstypen<br />
perfektionieren........................................................... 175
7 Die rhetorische Schatzkiste:<br />
Werkzeuge des Erfolgs .......................................................... 181<br />
Die Tangenten-Antwort ..................................................... 184<br />
Steuern <strong>mit</strong> der Alternativ-Technik ................................... 186<br />
Die Ja-Schleife ................................................................. 188<br />
Das Good-Cop/Bad-Cop-Spiel .......................................... 191<br />
In der Ruhe liegt die Kraft ................................................. 193<br />
Die Herzinfarkt-Taktik ....................................................... 196<br />
Die Drama-Queen ............................................................. 198<br />
Eine höhere Instanz anrufen ............................................. 200<br />
Einige Einschüchterungstaktiken .................................... 203<br />
Der strategische Rückzug ................................................ 205<br />
Dann eben nicht ............................................................... 207<br />
Im Leben des anderen wichtige Menschen oder<br />
Dinge einbeziehen ............................................................ 208<br />
Give-aways als Rabattersatz ............................................ 211<br />
Ein kriminelles Beispiel: Spiel <strong>mit</strong> der Wahrnehmung ...... 213<br />
Ausblick ................................................................................. 218<br />
Zum Abschluss<br />
Den Kommunikationsmuskel trainieren ..................................... 220<br />
Über die Autorin ......................................................................... 224<br />
Literatur ..................................................................................... 226<br />
VORWORT<br />
Warum sind manche Menschen<br />
erfolgreicher als andere – und was<br />
hat die Sprache da<strong>mit</strong> zu tun?<br />
Den ersten Schritt haben Sie getan. Sie halten dieses Buch in den Händen<br />
und zeigen da<strong>mit</strong>, mir ist es ernst – ich will mehr wissen zum Thema:<br />
Wie kommuniziere ich erfolgreich in Vertrieb, Service und Beratung?<br />
Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Handwerker, sagen wir ein Zimmermann.<br />
Da<strong>mit</strong> ein Zimmermann seinen Job gut ausführen kann, benötigt<br />
er einen ganzen Werkzeugkasten, in <strong>dem</strong> er seinen Hammer, seine Säge<br />
und seine Brechstange aufbewahrt. Und natürlich hat er diesen Werkzeugkasten<br />
bei je<strong>dem</strong> seiner Aufträge dabei. Zu seinem Handwerkskönnen<br />
gehört es, jedes Werkzeug zum passenden Anlass fachgerecht<br />
anzuwenden. Viele Menschen arbeiten heute nicht mehr im Handwerk,<br />
dennoch brauchen auch sie immer ein für die Situation passendes Werkzeug.<br />
Für alle, die in Dienstleistung, Service oder Verkauf arbeiten, ist das<br />
Hauptwerkzeug die Sprache. Und auch bei der Sprache müssen sie unterscheiden<br />
können, wann sie einen verbalen Schraubenzieher, wann<br />
eine Brechstange und wann sie sogar nur eine ganz feine Feile benutzen.<br />
Mit diesem Buch werden Sie Ihre Verhandlungswerkzeugkiste richtig<br />
vollpacken können. Ganz sicher werden Sie im Verlauf dieses Buches<br />
feststellen, dass Sie das ein oder andere Werkzeug schon intuitiv anwenden.<br />
Die dahinterliegenden sprachlichen Strukturen zu erkennen,<br />
hilft Ihnen dabei, die Stärken, die Sie schon haben, ganz bewusst einzusetzen<br />
und weitere Wahlmöglichkeiten in der Kommunikation zu lernen.<br />
Dieses Buch ist für Sie geeignet, wenn Sie<br />
8<br />
9
• in je<strong>dem</strong> Kundengespräch die Vertrauensbeziehung zu Ihrem<br />
Kunden stärken wollen,<br />
• Ihre Abschlussquote und Ihre Wirksamkeit in Verhandlungen<br />
deutlich erhöhen möchten,<br />
• Ihre Kunden in Ihre Fans und so<strong>mit</strong> in aktive Empfehlungsgeber<br />
verwandeln wollen,<br />
• anders sein wollen als andere und da<strong>mit</strong> Sog statt Druck auslösen<br />
möchten,<br />
• in Gesprächen lieber führen wollen, als vorgeführt zu werden,<br />
• schlagfertiger werden wollen,<br />
• in bisher sprachlosen Situationen endlich aktiv werden wollen,<br />
• in Verhandlungen agieren statt reagieren wollen,<br />
• sich vor sprachlicher Manipulation schützen möchten,<br />
• entspannter in Kunden- oder Verkaufsgesprächen sein möchten,<br />
• Ihre Verkaufs- oder Beratungsgespräche erfolgreich abschließen<br />
möchten,<br />
• Ihren Auftritt in einen starken Auftritt verwandeln möchten.<br />
10<br />
In einer Zeit, in der die Produkte aufgrund des Internets vergleichbarer<br />
und austauschbarer werden, ist ein Berater oder Verkäufer mehr denn je<br />
darauf angewiesen, bei der Beratung etwas Besonderes zu leisten, da<strong>mit</strong><br />
der Kunde nicht nur einmalig kauft, sondern zu einem langfristigen<br />
Fan wird. Der Verkäufer ist im Idealfall unverwechselbar und einzigartig.<br />
Immer wieder suchen Firmen nach den USPs, den Alleinstellungsmerkmalen,<br />
die ihr Angebot aus <strong>dem</strong> Markt der Möglichkeiten hervorheben,<br />
doch die Suche sollte anderswo beginnen, denn: Menschen kaufen von<br />
Menschen.<br />
Immer da, wo nur der Preis zählt, ist das Internet die erste Wahl als<br />
schnelle Beschaffungsplattform. Doch spätestens bei erklärungsbedürftigen<br />
Produkten, wie <strong>dem</strong> Verkauf von Bankdienstleistungen oder<br />
der Beratung bei der Anschaffung einer landwirtschaftlichen Großmaschine,<br />
wird sich nicht jeder zum Fachmann ausbilden können oder wollen.<br />
Und hier bleibt der Fachmann, der Geheimtipp unter den Beratern,<br />
der Spezialist in seinem Fachgebiet, im Spiel. Vorausgesetzt, er befolgt<br />
die Regeln, die das <strong>MagnetPrinzip</strong> zusammenfasst. Das <strong>MagnetPrinzip</strong><br />
beinhaltet drei Punkte, ohne die kein Verkäufer oder Berater in seinem<br />
Job antreten sollte: natürliche Autorität, sprachliche Brillanz und nachhaltiges<br />
Denken.<br />
Ziel dieses Buches ist, diese drei Punkte in Gesprächen immer im<br />
Auge zu behalten und dadurch – genau wie ein Magnet – Anziehungskraft<br />
zu entwickeln. Die Anziehungskraft eines Magneten ist spürbar,<br />
aber nicht sichtbar. Von magnetischer Anziehungskraft spreche ich daher<br />
dann, wenn Sie durch Ihr Verhalten und Ihre Persönlichkeit so anziehend<br />
für Ihren Kunden sind, dass er immer wieder gern bei Ihnen kauft.<br />
Statt Druck auf Verhandlungspartner auszuüben, ist Sog das Mittel der<br />
Wahl. Dafür dürfen Sie selbst zum Magneten werden. Denn nur wer<br />
die drei Punkte konsequent umsetzt, wird langfristig der gesuchte Gesprächspartner<br />
sein.<br />
Ich möchte Sie begeistern für die Macht und die Magie der Rhetorik.<br />
Sprache ist psychoaktiv, jedes Wort entfaltet Wirkung, und alle, die <strong>mit</strong><br />
Menschen kommunizieren, werden erkennen, wie wichtig es ist, um die<br />
eigene sprachliche Wirkung zu wissen. Dafür werde ich in diesem Buch<br />
<strong>mit</strong> Ihnen auch eine kleine Reise durch das Gehirn unternehmen. Wer<br />
die menschliche Psyche versteht, für den ist es ein Leichtes, sprachlich<br />
gut <strong>mit</strong> anderen Menschen umzugehen oder sie von den eigenen Zielen<br />
zu überzeugen.<br />
Mir ist es ein Anliegen, die im Hintergrund ablaufenden psychologischen<br />
Vorgänge zu beschreiben. Eine Seminarteilnehmerin sagte dazu<br />
einmal: »Wenn man die kennt, dann weiß man, was man zu tun hat!«<br />
Trotz<strong>dem</strong> ist dieses Buch kein psychologisches Buch. Ich erkläre, was<br />
Sie benötigen, um die Grundlagen einer guten Rhetorik zu verstehen,<br />
und vereinfache daher die Wirkungsweisen.<br />
11
Wer immer dasselbe denkt, sagt und tut, wird immer dasselbe Ergebnis<br />
erzielen. Das ist so gewiss wie ein Naturgesetz. Die immer gleichen<br />
Gedanken erzeugen die gleichen Gefühle und da<strong>mit</strong> die gleichen<br />
Handlungen und Ergebnisse. Wollen Sie in Ihren Verhandlungen bessere<br />
Ergebnisse erzielen, müssen Sie anders denken, anders fühlen und<br />
anders agieren. Für Ihre erfolgreichen Veränderungen in Ihrem Verhandlungsverhalten<br />
habe ich dieses Buch geschrieben. Dafür habe ich Ihnen<br />
viele Beispiele aus der Praxis zusammengestellt. Allen ist gemeinsam,<br />
dass ich sie entweder selbst in meiner Vertriebstätigkeit erleben durfte<br />
oder sie im Rahmen der von mir durchgeführten Coachings oder Seminare<br />
kennengelernt habe. An dieser Stelle danke ich daher sehr herzlich<br />
meinen Geschäftspartnern, Seminarteilnehmern und Coaching-Kunden<br />
für die Freigabe dieser Praxisfälle und für die Erfahrungen, die wir zusammen<br />
machen durften. Fangen wir also an, uns <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> spannenden<br />
Themenfeld »Verhandlung« näher zu beschäftigen.<br />
12<br />
EINFÜHRUNG<br />
<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong><br />
Wann haben Sie das letzte Mal über etwas verhandelt? Denken Sie kurz<br />
darüber nach, bevor Sie weiterlesen!<br />
Was bedeutet denn <strong>Verhandeln</strong> eigentlich? Woran denken Sie, wenn<br />
Sie das Wort »verhandeln« hören? Sehen Sie vor Ihrem inneren Auge<br />
ein verglastes Hochhaus, in dessen 55. Stockwerk ein knappes Dutzend<br />
Herren im grauen Business-Anzug an einem großen Konferenztisch sitzt<br />
und über die Zerschlagung eines Unternehmens berät? Oder ein Treffen<br />
eigentlich verfeindeter Staatschefs, die <strong>mit</strong> ihrer Entourage Entscheidungen<br />
über einen Waffenstillstand verhandeln? Natürlich gibt es solche<br />
Szenarien.<br />
Aber Verhandlung ist jede Art von Entscheidungsfindung, bei der<br />
zwei oder mehr Parteien versuchen, ihre entgegenstehenden<br />
Interessen durchzusetzen. Als Kinder verhandeln wir <strong>mit</strong> unseren<br />
Eltern, wie lange wir aufbleiben dürfen. Wenn wir erwachsen werden,<br />
brauchen wir dringend Vatis Auto, um da<strong>mit</strong> in den nächsten Club zu<br />
fahren – natürlich so lange, wie wir wollen. Wenn wir älter werden,<br />
verhandeln wir <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Lebenspartner darüber, ob uns der diesjährige<br />
Urlaub an die spanische Küste führt oder doch lieber in die Südtiroler<br />
Berge.<br />
Aber Verhandlungen gehen sogar noch »kleiner« los, wie das folgende<br />
Szenario illustriert: Samstagmorgen an der Fleischtheke Ihres<br />
Lieblingssupermarktes bestellen Sie guten italienischen Schinken. Sie<br />
sagen: »Ich hätte gern eine Lage vom Parmaschinken. Bitte frisch abgeschnitten.«<br />
Die nette Frau an der Fleischtheke erwidert: »Dieser hier<br />
ist frisch!«, und bewegt gleichzeitig ihre Fleischgabel in Richtung des<br />
13
vor ihr liegenden Schinkenstapels, um Ihnen eine Lage von <strong>dem</strong> bereits<br />
abgeschnittenen Schinken herauszuholen. Wer hat bis jetzt die Verhandlung<br />
gewonnen? – Richtig, unsere Fleischereifachverkäuferin. Nun<br />
liegt es an Ihnen, zu betonen, dass Sie frisch aufgeschnitten meinen,<br />
wenn Sie frisch aufgeschnitten sagen, und sich nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> bereits<br />
auf <strong>dem</strong> Stapel liegenden Schinken zufriedengeben. Das Zusammenspiel<br />
von klarem Auftreten, eindeutiger Sprache und der körperlichen<br />
Bewegung der Verkäuferin macht genau das aber schwierig.<br />
Solche Alltagsverhandlungen führen wir ständig, und daher ist auch<br />
dies ein wichtiger Aspekt von Verhandlung. Oft handeln wir in diesen<br />
Situationen aus einem Muster heraus, das uns gar nicht bekannt ist.<br />
Vielleicht geben wir in Verhandlungen schnell klein bei, oder wir werden<br />
schnell gereizt und wütend. Ziel des <strong>MagnetPrinzip</strong>s ist, souverän<br />
und freundlich unsere Punkte durchzubringen und da<strong>mit</strong> Handlungsalternativen<br />
zu automatisierten Verhandlungsmustern zu bekommen.<br />
Leider haben wir selten die Zeit dazu, lange über die nächste Antwort<br />
nachzudenken oder unsere eigene Reaktion vorzubereiten, sondern wir<br />
müssen schnell reagieren. Das setzt neben <strong>dem</strong> Wissen um wirksame<br />
Methoden auch Training voraus.<br />
Eine Bitte habe ich daher schon jetzt an Sie: Nutzen Sie von nun an<br />
jede Gelegenheit, um Ihren Verhandlungsmuskel zu trainieren. Auch<br />
<strong>Verhandeln</strong> lernt man nur, in<strong>dem</strong> man es übt, und sobald Sie dieses<br />
Buch lesen, werden sich für Sie vielfältige Möglichkeiten dazu ergeben,<br />
Ihren Verhandlungsmuskel zu stärken.<br />
Was unterscheidet eigentlich Beratung, Verkauf und Verhandlung?<br />
14<br />
Dieses Buch wendet sich an alle Menschen, die beraten, verkaufen<br />
oder verhandeln. Und obwohl ich in meinen Seminaren immer wieder<br />
höre: »Ich bin ja kein Verkäufer, ich berate meine Kunden. Und zwar<br />
langfristig!«, gibt es keine wirklichen Unterschiede bei der dafür nötigen<br />
Rhetorik oder der Vorgehensweise im Gespräch. Der Unterschied<br />
besteht in der persönlichen Einstellung zum Thema Verkaufen. Die einen<br />
haben kein Problem da<strong>mit</strong>, sich selbst »Verkäufer« zu nennen, die<br />
anderen fürchten vielleicht, dass das Wort Verkäufer unterstellt, dass<br />
Kunden Produkte verkauft bekommen, die sie nicht benötigen. Auf<br />
der Visitenkarte Ihres zuständigen Bank<strong>mit</strong>arbeiters steht bestimmt<br />
»Finanzberater«, doch auch er verkauft Finanzdienstleistungen. Bei einem<br />
Schuhgeschäft in der Fußgängerzone scheint die Situation klarer<br />
zu sein. Dort werden Schuhe verkauft, also handelt es sich um einen<br />
Verkäufer. Doch auch dort erwartet man eine gute Beratung zu den<br />
neuen Wanderschuhen. Und wenn Sie Ihre private Wohnung kaufen,<br />
dann treffen Sie schon per Definition auf einen Verkäufer. Sie werden<br />
ganz bestimmt auch über den Preis und andere Themen verhandeln.<br />
Unter Beratung versteht Wikipedia das Ziel, einen Menschen dazu zu<br />
bewegen, eine bestimmte Handlung zu tun oder zu unterlassen. Beim<br />
Verkauf ist das primäre Ziel des Verkaufsgesprächs, einen Vertragsabschluss<br />
über eine angebotene oder nachgefragte Leistung zu erzielen.<br />
Unter Verhandlung dagegen wird die Besprechung oder Erörterung eines<br />
Sachverhalts verstanden, die der Herbeiführung eines Interessenausgleichs<br />
dient, wobei sich die Parteien durch Interaktion untereinander<br />
einen Vorteil gegenüber der aktuellen Situation versprechen. So<br />
oder so versucht man, seine Interessen durchzusetzen und trotz<strong>dem</strong><br />
<strong>mit</strong> anderen Menschen eine Übereinkunft zu erzielen. Deswegen sind<br />
die sprachlichen Methoden, <strong>mit</strong> denen Sie in Beratung, Verhandlung<br />
oder Verkauf agieren, dieselben. Sie sind universell. Sie können sie<br />
überall anwenden. Sehen wir uns also an, wie Sie das <strong>MagnetPrinzip</strong> in<br />
allen Lebenslagen nutzen können, im Geschäftsleben, im Privatleben,<br />
als Verkäufer in einem Schuhgeschäft genauso wie als Finanzexperte<br />
oder Immobilienmakler. Deswegen richtet sich dieses Buch an alle, die<br />
<strong>mit</strong> Menschen in Interaktion treten. Dabei werden Ihnen immer die folgenden<br />
»Zutaten« begegnen:<br />
15
• Es sind zwei oder mehr Parteien beteiligt.<br />
• Die Parteien verfolgen unterschiedliche Ziele.<br />
• Die Parteien wollen aber über das große Ganze eine Übereinkunft<br />
erzielen oder sind gegenseitig voneinander abhängig.<br />
Beispiel:<br />
Nehmen wir an, ein gewerblicher Mieter sucht neue Räumlichkeiten für<br />
sein Unternehmen. Nach umfangreicher Suche ist er froh, endlich seine<br />
Traumimmobilie gefunden zu haben. Auch der Vermieter ist glücklich,<br />
einen solventen Mieter als Interessenten gewonnen zu haben. Beide<br />
wollen ein Mietverhältnis eingehen. Da<strong>mit</strong> sind sie sich über das große<br />
Ganze einig. Trotz<strong>dem</strong> wird es bei der Verhandlung über die Details<br />
noch einmal ans Eingemachte gehen, und bei den Unterpunkten, zum<br />
Beispiel <strong>dem</strong> monatlichen Mietzins oder der Renovierung der Mietflächen,<br />
wird jeder Verhandlungspartner versuchen, seine persönliche<br />
Lage zu verbessern. Beide Seiten haben ihre Vorteile von <strong>dem</strong> Geschäft<br />
und sind dadurch in einer gewissen Abhängigkeit voneinander, denn es<br />
ist genauso schwierig, eine passende Gewerbeimmobilie zu finden wie<br />
einen solventen Mieter.<br />
In diesem Buch geht es darum, wie Sie Ihr Auftreten steuern können,<br />
wenn Sie <strong>mit</strong> Ihren Kunden dauerhafte Geschäftsbeziehungen aufbauen<br />
wollen – langfristige Kundenbeziehungen, die Sie zum Beispiel als Bankberater,<br />
als Vermieter einer Gewerbeimmobilie, aber auch als Handwerker<br />
oder Besitzerin einer Boutique etablieren möchten. Oft lesen wir bei<br />
Firmen wie diesen: »Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt.« Die<br />
Frage ist allerdings: Wie gestalten Sie für den Kunden erlebbar, dass<br />
er im Mittelpunkt steht? Und dass Sie »anders« sind als andere Anbieter?<br />
Die Antwort ist: Der Kunde muss spüren, dass Sie sich deutlich von<br />
anderen Anbietern oder Verhandlungspartnern unterscheiden. Er muss<br />
16<br />
die Andersartigkeit fühlen. Die entscheidende Frage ist also: Wann fühlt<br />
sich der Kunde wohl bei Ihnen und folgt Ihnen und Ihren Argumenten? Er<br />
folgt Ihnen, wenn sich bei ihm das Gefühl des Vertrauens einstellt; das<br />
heißt für Sie, dass Sie Vertrauen herstellen müssen. Vertrauen bedeutet<br />
für den Kunden, dass er sich als Mensch bei Ihnen gut aufgehoben fühlt<br />
und Ihre Dienstleistung einen Nutzen für ihn bietet. Wie Sie <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>MagnetPrinzip</strong> Vertrauen herstellen und so<strong>mit</strong> Anziehung statt Druck in<br />
Ihrer Kundenbeziehung aufbauen, möchte ich Ihnen <strong>mit</strong> diesem Buch<br />
beantworten.<br />
Das <strong>MagnetPrinzip</strong>®<br />
Nehmen wir einen Kompass zur Hand, dann sehen wir etwas, das wir<br />
<strong>mit</strong> bloßem Auge sonst nicht bemerken: Die Erde ist ein riesiger Magnet<br />
<strong>mit</strong> zwei magnetischen Polen. Der Magnetismus ist zwar nicht sichtbar,<br />
die Kraft wirkt aber so stark, dass sich die Kompassnadel sofort entsprechend<br />
<strong>dem</strong> Magnetfeld ausrichtet. Diese heftige magnetische Anziehungskraft<br />
kommt nicht durch das Gestein an der Oberfläche zustande,<br />
sondern durch tief in der Erde liegende Strömungen von elektrisch<br />
leitender Materie.<br />
Auch wenn zwei Menschen sich begegnen, treffen zwei Energiefelder<br />
aufeinander. Und jeder von uns kennt den Effekt, dass wir manche<br />
Personen sofort anziehend oder zumindest nett finden, während<br />
andere uns derart abstoßen, dass wir sofort wissen, dass wir nicht mehr<br />
Zeit als nötig <strong>mit</strong> ihnen verbringen wollen. Diese Anziehung oder Abstoßung<br />
zwischen Menschen – ich möchte sie in diesem Buch analog<br />
zu <strong>dem</strong> Naturphänomen als »magnetisch« bezeichnen – ist ein ebenso<br />
grundlegendes Muster menschlicher Interaktion wie der auf unserem<br />
Planeten wirkende Magnetismus. Wir wissen, bevor überhaupt ein Wort<br />
gesprochen wurde, ob wir uns von Menschen abgestoßen oder zu ih-<br />
17
nen hingezogen fühlen. Dieser erste Eindruck entsteht bereits <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
Blickkontakt. Und das, was uns da zu unserer Einschätzung verhilft, ist<br />
ebenfalls nicht oberflächlich zu sehen und zu greifen. Es ist vielmehr ein<br />
Gefühl, eine erste Intuition, die wir spüren. Und dieses schnell gefällte<br />
Urteil werden wir im Laufe einer Unterhaltung entweder weiter verfestigen<br />
oder revidieren. Anders als beim physikalischen Magnetismus<br />
ist die Wirkung eines Menschen von uns beeinflussbar. Gleichwohl ist<br />
diese Kraft unter Menschen ebenso stark wirksam wie in der Natur: Ein<br />
Magnet übt eine Kraft aus, <strong>dem</strong> sich andere Magnete nicht entziehen<br />
können.<br />
Ebenso kennt jeder von uns Menschen, die eine einmalige Ausstrahlung<br />
haben und uns sofort von sich begeistern. Diese Kraft, der man<br />
sich nicht entziehen kann. In Verkauf, Vertrieb oder Beratung wollen wir<br />
im besten Fall genau das erzielen. Von magnetischer Anziehungskraft<br />
spreche ich daher dann, wenn ein Mensch durch seine Ausstrahlung,<br />
sein Verhalten, seine Persönlichkeit, aber auch durch sein Fachwissen<br />
so anziehend für seine Mitmenschen ist, dass sie gerne <strong>mit</strong> ihm in<br />
Kontakt kommen und ihn als langfristigen Geschäftspartner schätzen.<br />
Statt Druck auf Verhandlungspartner auszuüben, ist das Erzeugen von<br />
Anziehung das Mittel der Wahl. Ich lade Sie in diesem Buch ein, selbst<br />
zum Magneten werden, denn nur wer die drei Punkte des <strong>MagnetPrinzip</strong>s<br />
verfolgt, wird langfristig der gesuchte Gesprächspartner sein. Diese<br />
sind:<br />
• Natürliche Autorität<br />
• Sprachliche Brillanz<br />
• Nachhaltiges Denken<br />
18<br />
Ohne diese Eigenschaften oder Fähigkeiten sollte kein Verkäufer oder<br />
Berater in seinem Job antreten. In den folgenden Kapiteln bleiben diese<br />
drei Punkte und deren unterschwellige Wirkung immer im Visier, um genauso<br />
wie ein Magnet Anziehungskraft zu entwickeln. Wie Sie in der Folge<br />
noch sehen werden, wirken diese drei Punkte un<strong>mit</strong>telbar zusammen<br />
und auch aufeinander ein. Keiner von ihnen kann seine ganze Kraft alleine<br />
entfalten, es braucht das Zusammenspiel, da<strong>mit</strong> das <strong>MagnetPrinzip</strong><br />
in Beratung, Service oder Verkauf wirken kann. Sehen wir uns zunächst<br />
die drei Punkte genauer an.<br />
Natürliche Autorität<br />
Natürliche Autorität schreiben wir einer Person immer dann zu, wenn<br />
sich andere Menschen im Denken und Handeln nach dieser Person richten.<br />
Unter natürlicher Autorität versteht das <strong>MagnetPrinzip</strong>, dass Sie<br />
Ihre soziale Position bewusst so weit ausbauen, dass andere Personen<br />
Sie als Wissens- und Entscheidungsträger respektieren und akzeptieren<br />
und Ihnen freiwillig, das heißt <strong>mit</strong> möglichst wenig Reibungsverlust,<br />
folgen. Sog statt Druck entsteht als zwischenmenschliche Reaktion auf<br />
eine selbstverständliche, selbstbewusste, ja lässige Ausstrahlung. Wir<br />
alle respektieren Menschen, die Rückgrat zeigen, sich nicht aus der<br />
Ruhe bringen lassen und auch anspruchsvollen Situationen gewachsen<br />
sind. Menschen finden Gefallen an diesem »gewissen Etwas«. Natürliche<br />
Autorität kann nur nach außen wirken, wenn sie im Inneren aus charismatischen<br />
Werten wie Warmherzigkeit und Stärke sowie Kompetenz,<br />
Tradition und Innovation gespeist wird. Natürliche Autorität entsteht<br />
durch emotionale Stimmigkeit, mentale Ausgeglichenheit, ausgeprägte<br />
Wahrnehmung, eine sichere Körpersprache und fundiertes Fachwissen.<br />
Die emotionale Stimmigkeit umfasst die fühlbar positive innere Einstellung<br />
zum Kunden, zum Produkt oder zum Verhandlungsgegenstand.<br />
Die Freude am eigenen Produkt, die Lust und Leidenschaft, <strong>mit</strong> Freude<br />
das zu tun, was man macht, wirkt ansteckend. Je mehr ein Verkäufer<br />
hinter einem Produkt steht, umso begeisterter wird er davon berichten.<br />
19
Einwänden wird er, ohne <strong>mit</strong> der Wimper zu zucken, begegnen und sein<br />
Produkt gekonnt verteidigen.<br />
Zur natürlichen Autorität gehört die mentale Ausgeglichenheit. Viele<br />
Menschen glauben, dass Wut ihnen in Verhandlungen helfen könne,<br />
ein größeres Stück des Kuchens abzubekommen. Sie bewerten Verhandlungen<br />
als Wettstreit. Gezeigte Emotionen, so meinen sie, lassen<br />
einen stärker und mächtiger erscheinen. Zu den Auswirkungen von Wut<br />
bei Verhandlungen gibt es bereits eine Reihe von Forschungsergebnissen,<br />
zum Beispiel von Keith Allred, der früher an der Kennedy School of<br />
Government der Harvard University lehrte. Diese Untersuchungen zeigen,<br />
dass Wut schadet, weil sie Konflikte eskalieren lässt, beide Parteien<br />
am Denken hindert und so dazu führt, dass sie sich eher festfahren.<br />
Sowohl in entspannten als auch in eskalierenden Gesprächssituationen<br />
Ruhe und Gelassenheit zu behalten und als Profi zu agieren zeugt hingegen<br />
von Souveränität. Wenn die innere Haltung auch in schwierigen<br />
Situationen relaxt bleibt, legt der Gesprächspartner dies als starken<br />
Auftritt aus.<br />
Eine ausgeprägte Wahrnehmung seiner selbst und der Situation ist<br />
die Grundlage, um in Gesprächen gekonnt die richtigen Register zu ziehen.<br />
Die eigene Wahrnehmung zu schärfen und <strong>mit</strong> ausgeprägtem Feinsinn<br />
Situationen und die handelnden Personen zu betrachten, um sie zu<br />
verstehen, sorgt für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Dazu ist es<br />
wichtig, die Situation aus der Vogelperspektive beobachten zu können<br />
und die Emotionen im Gesprächsverlauf wahrzunehmen.<br />
Wer ängstlich oder angespannt ist, transportiert das <strong>mit</strong> seiner Körpersprache<br />
und Gestik nach außen. Entweder er gestikuliert zu viel und<br />
zu hektisch oder er erstarrt regelrecht. Beides deutet der Gesprächspartner<br />
als Schwäche. Wer hingegen auch in stressigen Situationen<br />
nach außen ruhig und gelassen bleibt, signalisiert: Mich kann nichts erschüttern,<br />
ich bewahre in jeder Situation einen kühlen Kopf. Das erzeugt<br />
Respekt.<br />
20<br />
Ein profundes Fachwissen rundet das Bild ab. Auf fachliche Fragen<br />
die richtige Antwort zu wissen, ist schwer zu ersetzen. Für Ihren Verhandlungs-<br />
oder Verkaufsbereich sollten Sie Experte sein. Doch kein<br />
Fachwissen nützt viel, wenn man nicht in der Lage ist, es auch gut zu<br />
ver<strong>mit</strong>teln. Eine brillante Rhetorik hilft genau dabei. Daher geht es im<br />
zweiten Punkt des <strong>MagnetPrinzip</strong>s darum, aus einer Vielfalt an sprachlichen<br />
Reaktionsmustern auswählen zu können.<br />
Sprachliche Brillanz<br />
Es gibt viele Experten, die fachlich wirklich gut sind – und doch keine<br />
guten Verkäufer, da sie ihr Wissen nicht ver<strong>mit</strong>teln können. Sie kennen<br />
zwar alle Fakten über ihr Produkt oder ihre Dienstleistung, wenn sie aber<br />
versuchen, sie einem Nichtprofi zu erklären, verschwinden die wichtigen<br />
Punkte im fachchinesischen Detail-Dschungel, oder die fachliche Stärke<br />
schwindet bei der unbeholfenen Reaktion auf den ersten Einwand.<br />
Um <strong>mit</strong> der eigenen natürlichen Autorität gut an andere andocken<br />
zu können, braucht man in jeder Situation die passende Rhetorik und<br />
das Wissen darüber, wie man Produktinformationen oder Verhandlungsargumente<br />
aufbaut. Um magnetische Wirkung zu entfalten, benötigen<br />
Sie sprachliche Brillanz. Dazu gehört, die Grundlagen der Wirkung der<br />
Sprache zu verstehen und einzusetzen. Falls eine Verhandlung einmal<br />
nicht so läuft wie gewünscht, lohnt es sich, verschiedene Möglichkeiten<br />
im Kopf zu haben, um konstruktiv auf Eskalationen reagieren zu können.<br />
Eine gut gefüllte Schatzkiste voller Verhandlungsstrategien rundet die<br />
eigenen Fähigkeiten ab.<br />
Sprache ist Wirkung. Jedes Wort führt zu einer Wirkung bei Ihrem<br />
Gegenüber, und zwar ständig. Dessen sollten Sie sich immer bewusst<br />
sein. Folgen Sie <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong>, können Sie diese verstehen und<br />
lernen, sie so einzusetzen, dass Ihre Wirkung kein Zufall mehr bleibt.<br />
21
Gerade in emotionaler werdenden Gesprächen benötigten Sie verschiedene<br />
Eskalationsstufen, um die Diskussion immer wieder in ruhigeres<br />
Fahrwasser zurückzuführen und dadurch den Verhandlungsablauf<br />
bewusst zu steuern. Mit den Eskalationsstufen können Sie Ihre Rhetorik<br />
flexibel einsetzen und in jeder Situation angemessen antworten. Da<strong>mit</strong><br />
bekommen Sie auch mehr Wahlmöglichkeiten in Ihrem Verhalten, um<br />
gekonnt zu agieren – statt nur impulsgesteuert zu reagieren.<br />
Je nach<strong>dem</strong>, wie schwierig eine Verhandlung ist, muss man <strong>mit</strong> allen<br />
Wassern gewaschen sein, wenn es um mehr oder weniger manipulative<br />
Techniken geht. Denn natürlich gibt es auch Tipps und Tricks, die in Verhandlungen<br />
die eigene Position stärken, ohne dass Argumente dabei<br />
eine Rolle spielen. Die eigene Schatzkiste <strong>mit</strong> Verhandlungsstrategien<br />
sollte daher gut gefüllt sein. Wenn Sie wissen, welche Tricks verwendet<br />
werden, können Sie fiese Machenschaften Ihres Gegenübers erkennen<br />
und sich selbst stets gut präsentieren.<br />
Nachhaltiges Denken<br />
Aus meiner Sicht sind die Zeiten des »harten Verkaufens« vorbei. Verhandlungen,<br />
in denen beide Parteien stur auf ihrer Position beharren,<br />
verhärten die Fronten und machen weitere Gespräche oft schwer. In<br />
Zeiten des Internets und der allgegenwärtigen Bewertung auf Portalen<br />
wie ProvenExpert oder XING sind die Kunden aufgeklärt und <strong>mit</strong>unter<br />
auch kritisch. Eine weichere Verhandlungsform, die beiden Seiten Raum<br />
lässt, ist daher der erstrebenswerte Weg.<br />
Das nachhaltige Denken beinhaltet, jeden Handlungsschritt auf eine<br />
dauerhafte Kundenbeziehung auszurichten. Dafür benötigt man ein<br />
echtes Interesse am Gegenüber und dessen Bedürfnissen, um die Einstellung<br />
in Gesprächen auf Lösungen zu fokussieren, die beiden Seiten<br />
nutzen.<br />
22<br />
Als langfristig gesuchter Gesprächspartner, der über Jahre hinweg<br />
als professioneller Ansprechpartner gefragt ist, werden Sie nur wahrgenommen,<br />
wenn Sie sich konsequent an den Interessen und Bedürfnissen<br />
Ihrer Kunden oder Geschäftspartner orientieren.<br />
Denn nur wer die Ziele des anderen versteht und versucht, für diese<br />
Ziele Lösungen zu finden, wird eine Beziehung aufbauen können, die<br />
dauerhaft Bestand hat. Haben Sie den Bedarf Ihres Gegenübers verstanden,<br />
haben Sie die Grundlage dafür gelegt, gemeinsame Lösungen zu<br />
schaffen.<br />
In<strong>dem</strong> Sie Lösungen für beide Seiten entwickeln, sorgen Sie für Gespräche<br />
auf Augenhöhe, die für beide Seiten faire Ergebnisse zulassen.<br />
Wenn Sie nicht nur in der Kundenberatung tätig sind, sondern sich Ihr<br />
Arbeitsfeld auch um Verhandlungen <strong>mit</strong> gleichberechtigten Gesprächspartnern<br />
dreht, ist es umso wichtiger, die Vorteile beider Seiten im Auge<br />
zu behalten. Die Beziehungen werden nur von Dauer sein, wenn für die<br />
Bedürfnisse aller Parteien Lösungen gesucht werden oder im besten Fall<br />
auch mehrere Lösungsalternativen entwickelt werden.<br />
Da<strong>mit</strong> Geschäftsbeziehungen langfristig erfolgreich sind, gibt es eine<br />
Grundvoraussetzung: Wir wollen als gleichberechtigte Partner agieren.<br />
Wir wollen keinen Kampf, aber Klarheit, wir wollen uns auch niemals<br />
kleinmachen oder über den anderen erheben, sondern auf Augenhöhe<br />
unsere Dienstleistung oder unser Produkt zu einem fairen Preis verkaufen.<br />
Die Konzentration liegt darauf, für beide Seiten Lösungen zu finden,<br />
welche die jeweiligen Bedürfnisse erfüllen.<br />
Um dies zu erreichen, gilt es, die Höhen und Tiefen während einer<br />
Verhandlung erkennen und steuern zu können. Dieses Buch ist entlang<br />
der Phasen einer Verhandlung aufgebaut. Und die Kompetenzen, die<br />
diesen Magnetismus ausmachen, sind an den passenden Stellen hineingewoben.<br />
23
Die Phasen einer<br />
Verhandlung
Wir haben festgestellt: Verhandlungen finden permanent statt, egal ob<br />
im Arbeitsalltag oder im privaten Umfeld. Als Profis wollen wir das natürlich<br />
professionell gestalten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden<br />
und zu lernen, wo genau Sie die in der Einführung angesprochene magnetische<br />
Anziehungskraft aufbauen, schauen wir uns in diesem Kapitel<br />
das Phänomen »Verhandlung« genauer an.<br />
Jedes Gespräch, jede Verhandlung lässt sich in unterschiedliche<br />
Phasen aufteilen, und jede dieser Phasen hat einen Sinn, eine eigene<br />
Bedeutung. Am Ende sollen die beiden Verhandlungspartner nicht nur<br />
zufrieden sein, sondern es soll auch der Boden für eine weitere Zusammenarbeit<br />
geebnet sein. Auch als langfristiger Verhandlungspartner<br />
möchten Sie jedoch möglichst viele Ihrer Ziele erreichen. Um diesen<br />
scheinbaren Widerspruch aufzulösen, ist es wichtig, das eigene Verhalten<br />
während des gesamten Verhandlungsprozesses bewusst und<br />
geschickt zu steuern, denn Ihr Verhalten wirkt un<strong>mit</strong>telbar auf die Reaktionen<br />
Ihres Verhandlungspartners. Die Reaktion des einen Verhandlungspartners<br />
hängt von der des anderen ab. Und da<strong>mit</strong> Sie im Gespräch<br />
die Führungsrolle einnehmen und natürliche Autorität ausstrahlen können,<br />
ist es wichtig, die verschiedenen Phasen bewusst zu steuern. In<br />
der Folge werden Sie die einzelnen Phasen einer Verhandlung im Detail<br />
kennenlernen.<br />
Phasen der Verhandlung<br />
Spontan denken viele Menschen, eine Verhandlung sei das Feilschen<br />
um den Preis, in <strong>dem</strong> nur der abschließende Händedruck zählt. Doch<br />
das ist viel zu kurz gesprungen. Ob Sie ein für sich erfolgreiches Geschäft<br />
abschließen und ob Sie einen Kunden zufriedenstellen, der auch<br />
in Zukunft <strong>mit</strong> Ihnen im Geschäft bleiben möchte, entscheidet sich schon<br />
viel früher und geht gleichzeitig über die reine Preisverhandlung hinaus.<br />
Diesen Gesamtprozess einer Verhandlung kann man in die folgenden<br />
Phasen einteilen:<br />
26<br />
• Vorbereitung<br />
• Gesprächseinstieg<br />
• Informationsaustausch<br />
• eigentliche Verhandlung<br />
• Abschluss<br />
Schon bevor Sie Ihren Gesprächspartner das erste Mal sehen, können<br />
Sie viel für das Gelingen Ihrer Kundenbeziehung unternehmen. Die<br />
gute Vorbereitung auf ein Gespräch ist das A und O. Oft wird diese erste<br />
Phase der Verhandlung unterschätzt, weil sie noch ohne Gesprächspartner<br />
stattfindet. Oder man beschäftigt sich aus Zeitmangel nicht<br />
ausreichend <strong>mit</strong> der anstehenden Situation. Dennoch: In der Verhandlung<br />
ist man darauf angewiesen, seine Energie auf die spontan anfallenden<br />
Themen zu richten. Zu diesem Zeitpunkt wird keine Zeit mehr<br />
sein, zum Beispiel die eigenen Argumente in eine logische Reihenfolge<br />
zu bringen. Einen wesentlichen Vorsprung können Sie erzielen, wenn<br />
Sie diese Phase nutzen, sich inhaltlich, sprachlich und mental vorzubereiten.<br />
Mit der Magie des ersten Augenkontakts zum Kunden beginnt der<br />
Gesprächseinstieg, den man auch als Sympathiephase bezeichnen<br />
kann. Die wesentlichen Handlungen sind hier die Begrüßung und der<br />
Small Talk. Was sich aus strategischer Sicht dahinter verbirgt, ist das<br />
Abstecken des Gesprächsrahmens. Der Gesprächseinstieg endet, wenn<br />
die Unterhaltung sich <strong>dem</strong> eigentlichen Thema zuwendet und da<strong>mit</strong> die<br />
Phase »Informationsaustausch« beginnt.<br />
Im Informationsaustausch geht es nicht mehr primär um das Zwischenmenschliche,<br />
ab jetzt stehen die Sachthemen im Vordergrund. Ziel<br />
dieser Phase ist, den Bedarf des Kunden gut zu verstehen. Ehrliches Interesse<br />
und die richtige Fragetechnik schaffen die Grundlage für das passende<br />
Angebot. In der Vorstellung des Angebots braucht es dann noch<br />
gut aufbereitete Argumente, um das eigene Produkt ins rechte Licht zu<br />
rücken.<br />
27
Nun erst schließt sich die eigentliche Verhandlung an. Aufkommende<br />
Einwände werden hier geklärt oder die möglicherweise strittigen<br />
Punkte im Detail ausgehandelt.<br />
In der folgenden Abschlussphase gilt es, noch ein endgültiges Ja<br />
oder eine Unterschrift unter Ihren Vertrag zu bekommen.<br />
Nicht immer ist es einfach oder möglich, konsequent in diesen Phasen<br />
zu bleiben. Oft hören Verkäufer sofort Fragen wie: »Was kostet das<br />
bei Ihnen …?« Doch gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten ist es<br />
wichtig, <strong>dem</strong> Ablauf »Bedarf – vor Angebot – vor Preis« zu folgen. Anders<br />
ausgedrückt: Zuerst muss <strong>dem</strong> Kunden sein Problem klar sein, danach<br />
müssen Sie <strong>dem</strong> Kunden seinen Nutzen in der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Ihnen<br />
aufzeigen, und erst danach ist der Preis das Gesprächsthema. Vor<br />
diesen drei Punkten steht unbedingt der Aufbau des Vertrauens durch<br />
freundlichen und direkten Blickkontakt. Nur wenn das Vertrauen groß<br />
ist, ist es sinnvoll, Probleme oder Nutzen oder Preise anzusprechen.<br />
Wenn der Kunde Ihnen vertraut, sind Sie <strong>mit</strong> Ihren Argumenten und Preisen<br />
erfolgreich.<br />
Ein Verhandlungsablauf ist also komplex. Und die Unterscheidung<br />
der verschiedenen Phasen hilft, das Gespräch trotz dieser Vielfältigkeit<br />
gut zu steuern. Lassen Sie uns in den nächsten Kapiteln daher die verschiedenen<br />
Phasen eines Verhandlungsgespräches genau beleuchten.<br />
1 Vorbereitung<br />
»Angst ist der Preis für schlechte verbale,<br />
inhaltliche oder mentale Vorbereitung.«<br />
Warum ist eine gute und<br />
ausführliche Vorbereitung sinnvoll?<br />
Viele Menschen gehen <strong>mit</strong> einem schlechten Bauchgefühl in eine Verhandlung.<br />
Mit einem unguten Gefühl wird es aber sehr schwer, selbstbewusst<br />
aufzutreten, denn der entspannte und selbstbewusste Auftritt<br />
entscheidet über die eigene Wirkung. Um sich in Verhandlungen gut gewappnet<br />
zu fühlen, kann man jedoch eine Menge tun. Ein Top-Leichtathlet<br />
bereitet sich am Wettkampftag bis zu zwei Stunden intensiv auf einen<br />
Wettkampf vor. Er läuft sich warm, er dehnt seine Muskeln, im Geiste<br />
geht er den vor ihm liegenden Wettkampf durch. Wenn er dann das Stadion<br />
betritt und auf die Gegner trifft, ist er bereits zu 100 Prozent in seiner<br />
Kraft. Die wichtigste Regel lautet daher: Der Wettkampf beginnt vor<br />
<strong>dem</strong> Betreten der Wettkampfarena. Und auch im Geschäftsleben kann<br />
man für den Ausgang der Verhandlung viel tun, bevor die Verhandlungsarena<br />
betreten wird. Statt die körperlichen Muskeln aufzuwärmen, gilt<br />
es, sich vor Verhandlungen inhaltlich, mental und sprachlich warmzulaufen.<br />
Schon im Vorfeld kann man die Verhandlung vor seinem geistigen<br />
Auge durchspielen und sich gedanklich auf verschiedene Punkte<br />
vorbereiten. In Verhandlungen sind das die folgenden drei Aspekte:<br />
• Ihre (klaren) Ziele und Argumente,<br />
• die (unterstellte) Position der Gegenseite und die<br />
• eingesetzte Verhandlungsstrategie und Rhetorik.<br />
28<br />
29
Ihre klaren Ziele und Argumente<br />
Dass Sie sich in Ihrer Produktwelt auskennen sollten wie in Ihrer Westentasche,<br />
versteht sich von selbst. Ein fundiertes Produktwissen ist die<br />
Grundvoraussetzung dafür, dass Ihr Kunde, auch bei Nachfragen, Vertrauen<br />
in Ihre Kompetenz bekommt. Ein Teil Ihrer magnetischen Wirkung<br />
entsteht, weil Sie topfit in Ihrem Produkt sind.<br />
Sicher sind manche Produkte heutzutage sehr komplex und umfangreich<br />
aufgebaut, oder es gibt Unwägbarkeiten bei Ihrem Produkt. Und<br />
es ist auch für Kunden nachvollziehbar, wenn Sie zum Beispiel als Versicherungsagent<br />
Detailfragen in den Versicherungsbedingungen nachlesen<br />
müssen oder als Verkäufer einer Immobilie erst in den Bauplänen<br />
nachsehen müssen, ob eine ganz bestimmte Wand eingerissen werden<br />
kann. Doch sollten Sie die Unterlagen, in denen Sie diese Antworten<br />
finden, schnell zur Hand haben. Solche Unterlagen, die als Back-up im<br />
Gespräch von Vorteil sein könnten, sollte man dabeihaben und sollte<br />
zum Beispiel Markierungen anbringen, um sich darin schnell zurechtzufinden<br />
– auch dies gehört zu einer guten Vorbereitung. Ebenso wichtig<br />
ist, bei einfachen Formulierungen zu bleiben, die jeder versteht. Es ist<br />
nicht Ihr Job, Kunden zu Experten auszubilden oder <strong>mit</strong> möglichst vielen<br />
Fremdwörtern zu brillieren. Sprechen Sie in einer zu Ihrem Gegenüber<br />
passenden Sprache und bringen Sie die Argumente, die wichtig sind.<br />
Wie Sie Ihre Argumente klar und deutlich aufbauen beziehungsweise<br />
strukturieren, lesen Sie in Kapitel 3: »Das Angebot präsentieren«.<br />
Bei Ihrer Zielfindung sollten Sie Ihr Maximalziel, Ihr Minimalziel sowie<br />
Ihre beste Alternative berücksichtigen und Ihre Argumente für jede<br />
dieser Möglichkeiten klar formulieren.<br />
Das Wichtigste zuerst: Welches ist Ihr Maximalziel, also Ihr Traumziel?<br />
Wenn Sie so erfolgreich wie nur möglich in der Verhandlung wären,<br />
wie sähe dann das Ergebnis aus? Es schadet nicht, groß zu denken. Behalten<br />
Sie Ihr maximales Ziel klar im Blick, wenn Sie es erreichen wollen.<br />
30<br />
Formulieren Sie es vor der Verhandlung für sich aus. Überlegen Sie genauso,<br />
wie Ihr Minimalziel aussehen kann. Bis wohin gehen Sie <strong>mit</strong>, ab<br />
wann steigen Sie aus der Verhandlung aus? Das ist besonders wichtig,<br />
da<strong>mit</strong> Sie – wenn es in der Verhandlung möglicherweise heiß hergeht –<br />
nicht Zugeständnisse machen, die Sie später viel Geld kosten und Ihnen<br />
nichts bringen. Manche Menschen verhalten sich bei Verhandlungen<br />
wie auf einer Auktion. Wenn der Jagdinstinkt erst einmal geweckt ist,<br />
sind sie bereit, jeden Preis zu zahlen. Umgekehrt gilt das für manche<br />
Verkäufer auch. Ist der Kunde erst einmal da, sind sie schnell zu vielen<br />
Zugeständnissen bereit. Gern können Sie Kunden entgegenkommen,<br />
aber auf keinen Fall zu früh – und wenn, dann verkaufen Sie dies auch<br />
positiv an den Kunden.<br />
Praxisfall:<br />
In Köln begleitete ich einmal einen Vermieter einer gewerblichen Mietfläche<br />
zu einem Gespräch <strong>mit</strong> seinem Mieter. Im anstehenden Gespräch<br />
waren viele Punkte zu verhandeln. Ein Ass im Ärmel des Vermieters war,<br />
dass die Fenster des gesamten Gebäudes, wie vom Mieter gewünscht,<br />
in der Firmenfarbe gestrichen werden konnten. Wir sprachen vorher ab,<br />
dass er diesen Punkt – immerhin 4000 Euro Verhandlungsmasse – erst<br />
erwähnt, wenn einer der anderen Punkte auf der Verhandlungsliste zulasten<br />
des Mieters ansteht. Was passierte? Wir betraten den Konferenzraum,<br />
beide Partner begrüßten sich, das heißt, wir waren noch in der<br />
Phase »Gesprächseinstieg«, und im zweiten Satz sagte der Vermieter:<br />
»Die Fenster streiche ich Ihnen übrigens in Ihrer Firmenfarbe.« Und ging<br />
zu einem anderen Thema über. Ich fragte den Vermieter später, ob er<br />
denn zumindest eine positive Reaktion auf sein Entgegenkommen erhalten<br />
hätte. Nicht einmal das war der Fall gewesen. Der Mieter – hier<br />
der stärkere Verhandlungspartner – nahm das Geschenk gerne an und<br />
ging in den weiteren Verhandlungen nicht mehr darauf ein.<br />
31
Behalten Sie Ihre Asse immer so lange im Ärmel, bis es wirklich sinnvoll<br />
ist, sie auszuspielen – schenken Sie nichts einfach so weg. Geben Sie<br />
gerne etwas »umsonst« ab – aber achten Sie auf den richtigen Zeitpunkt<br />
und darauf, dass Ihr Entgegenkommen geschätzt wird.<br />
Das Gesetz der Reziprozität, also der Gegenseitigkeit, ist ein Grundprinzip<br />
menschlichen Handelns. Es führt zu Ausgleich im menschlichen<br />
Miteinander und bedeutet: Gebe ich dir etwas, bekomme ich etwas von<br />
dir zurück. Verschenke ich etwas, wird der andere eher geneigt sein, mir<br />
in einem anderen Punkt entgegenzukommen. Dieses gemeinschaftliche,<br />
soziale Denken ist tief in uns verwurzelt. Wenn eine Verhandlung<br />
festgefahren ist, kann es daher durchaus sinnvoll sein, als Erster etwas<br />
zu geben, um Entgegenkommen zu signalisieren und wieder Fahrt aufzunehmen.<br />
Wofür wir allerdings sorgen müssen, ist, dass die andere Partei das<br />
Geschenk oder den gewonnenen Punkt in der Verhandlung auch wahrnimmt<br />
und wertschätzt.<br />
Sie sollten also Ihre Asse immer gut kennen. Falls Sie in der Verhandlung<br />
von Ihrem Maximalziel abweichen müssen, da<strong>mit</strong> das Geschäft<br />
zustande kommt oder die Verhandlung einen guten Lauf nimmt,<br />
ist es wichtig, die gegebenen Nachlässe im Auge zu behalten und sie am<br />
besten in der Kundenakte zu notieren, da<strong>mit</strong> Sie bei späteren Verhandlungsterminen,<br />
falls nötig, darauf zurückkommen können.<br />
Eine weitere wichtige Frage in der Vorbereitung ist, wie die beste<br />
Alternative aussieht, wenn die momentane Verhandlung scheitert.<br />
Weitere Möglichkeiten machen Sie unabhängiger davon, dass genau<br />
diese eine Verhandlung zwingend positiv enden muss. Es ergibt daher<br />
Sinn, auch über die beste Alternative nachzudenken. Bei zu vielen Zugeständnissen<br />
immer noch einen Plan B aus der Tasche ziehen zu können,<br />
gibt zusätzliche Sicherheit. Diese Sicherheit wird sich in der verbalen<br />
Durchsetzungskraft widerspiegeln und zu einem Auftreten führen, das<br />
authentisch wirkt.<br />
32<br />
Praxisbeispiel:<br />
Es gibt verschiedene Wege, in eine Verhandlung einzusteigen. Stellen<br />
wir uns vor, Sie wollen ein Fahrrad kaufen. Das Objekt Ihrer Begierde<br />
steht im Schaufenster eines Ladengeschäftes. Sie gehen hinein und<br />
sagen: »Also, dieses Rad schaue ich mir nun schon eine Weile an, es<br />
gefällt mir sehr gut!« Sie fahren es Probe, schauen verzückt und fragen<br />
dann nach einem Rabatt. Wie wird der Verkäufer reagieren?<br />
Wir sind uns einig – Ihre Chancen auf Rabatt stehen nicht gut. Alternativ<br />
kann die Szene auch so aussehen: Sie gehen in das Radgeschäft<br />
und sagen: »Ich schaue mich am Markt gerade nach einem passenden<br />
Rad für mich um. Im Internet habe ich bereits ein ähnliches Rad im Visier<br />
wie das, das in Ihrem Schaufenster steht. Vielleicht ist das Rad aus<br />
Ihrem Schaufenster ja auch etwas für mich. Wie hoch ist denn Ihr letzter<br />
Preis für dieses Rad? Das andere Rad kostet 200 Euro weniger als<br />
Ihres.« Ihre Chancen, dass Sie einen Rabatt bekommen, steigen.<br />
Nicht immer hat man eine Alternative, und manchmal muss man<br />
etwas länger darüber nachdenken, wie das beste Angebot aussehen<br />
könnte. Doch es lohnt sich, das zu tun. Wenn Ihnen keine annehmbare<br />
Alternative zu <strong>dem</strong> anvisierten Geschäft einfällt, dann ist auch das eine<br />
wichtige Erkenntnis. Denn dann ist es umso wichtiger, den Aufbau der<br />
eigenen Argumentation gut vorzubereiten oder die Verhandlungsposition<br />
auf anderen Wegen zu stärken.<br />
Ebenso kann es in manchen Fällen interessant sein, einen höheren<br />
Preis zu zahlen, als es bei <strong>dem</strong> Alternativangebot der Fall ist. Zum Beispiel,<br />
wenn der zusätzliche Aufwand, den die andere Alternative verursacht,<br />
die Mehrkosten der ersten Verhandlung übersteigt. Das kann der<br />
Fall sein, wenn Sie schon viel Zeit in die Vorbereitung investiert haben<br />
oder wenn Sie in die neue Alternative Zeit investieren müssen, die Sie<br />
nicht haben. In unserem Beispiel des Radkaufes wollen Sie vielleicht am<br />
nächsten Wochenende eine Radtour <strong>mit</strong> Ihren Freunden unternehmen.<br />
33
Würden Sie das günstigere Rad im Internet kaufen, lägen nicht nur mindestens<br />
zwei Tage dazwischen, bis es bei Ihnen ist, sondern auch den<br />
Zusammenbau müssten Sie selbst übernehmen. In der Folge müssten<br />
Sie sich für den schon in zwei Tagen geplanten Radausflug ein Mietrad<br />
besorgen, was wiederum <strong>mit</strong> zeitlichem Aufwand und Kosten verbunden<br />
wäre. So kann es gut sein, dass Sie die vermeintlich teurere Alternative<br />
wählen, da Sie wissen, dass Sie nicht nur viel mehr Spaß daran haben<br />
werden, <strong>mit</strong> Ihrem eigenen Rad auf die Radtour zu gehen, sondern auch<br />
ein von einem Profi aufgebautes und daher sicheres Fahrrad zu schätzen<br />
wissen.<br />
Die Position der Gegenseite<br />
Wer die Position der Gegenseite gut kennt, kann dies in Verhandlungen<br />
für sich nutzen. Wer die Wünsche und Nöte des anderen voraussehen<br />
kann, ist in der Lage, seine Argumentation auf das Gegenüber abzustellen,<br />
da<strong>mit</strong> die eigenen Argumente auf fruchtbaren Boden fallen. Auch<br />
um sich selbst verbal auf mögliche Einwände vorzubereiten, ist es wichtig,<br />
die Position der Gegenseite zu erahnen. Je mehr man über seinen<br />
Verhandlungspartner weiß, umso besser kann man sich vorab die richtigen<br />
Argumente zurechtlegen.<br />
Praxisbeispiel:<br />
Nehmen wir an, ein Geschäftsmann möchte in seinen Handwerksbetrieb<br />
investieren und dafür einen Kredit aufnehmen. Und lassen wir uns darauf<br />
ein, mögliche Gedanken beider Parteien – der Bank und des Geschäftsmannes<br />
– einmal nachzuvollziehen, wenn es um die Kreditaufnahme<br />
geht. Wie denken die beiden Parteien?<br />
Die Gedanken des Bank<strong>mit</strong>arbeiters werden ungefähr so sein:<br />
34<br />
• Die Zinsen sind so niedrig, da ist es schwer, eine gute Marge<br />
reinzuholen.<br />
• Die internen Ratingsysteme machen mir das Leben schwer.<br />
• Wenn ich nicht die richtige Marge erreiche, dann muss ich das<br />
vor meinem Chef rechtfertigen.<br />
• Ich habe schon Zeit investiert, jetzt hätte ich das Geschäft auch<br />
gern.<br />
Der Geschäftsmann wird wahrscheinlich denken:<br />
• Die Margen der Kreditinstitute sind eh zu hoch.<br />
• Die Sicherheitssystematik der Bank ist zu streng.<br />
• Für die Rentabilität meiner Investition brauche ich gute Konditionen.<br />
• Gern hätte ich die Finanzierung gesichert und spare mir die Zeit,<br />
weiterzusuchen. Das kann doch nicht so kompliziert sein.<br />
Beide Parteien denken über ähnliche Themen nach, nämlich über die<br />
Marge, das Ratingsystem und die bereits investierte Zeit. Allerdings<br />
ziehen sie komplett andere Schlüsse. An solchen Stellen treffen Welten<br />
aufeinander. Die Verantwortung, die verschiedenen Standpunkte zusammenzuführen<br />
und zu erklären, hat der Berater. Dementsprechend<br />
ist es für ihn wichtig, sich vorab über die Position der Gegenseite Gedanken<br />
zu machen.<br />
Zur Vorbereitung kann er sich die folgenden Fragen stellen:<br />
• Welche Ziele hat die Gegenseite?<br />
• Welche Gegenargumente werden kommen? Welchen Nutzen hat<br />
die Gegenseite von <strong>dem</strong> Geschäft?<br />
Darauf kann er dann <strong>mit</strong> seinen Argumenten aufbauen. Detailliert wird<br />
das in Kapitel 3 (»Angebotsphase«) thematisiert.<br />
35
Verhandlungsstrategie und Rhetorik<br />
Nach<strong>dem</strong> die eigenen Verhandlungsziele definiert sind und die Einschätzung<br />
der Gegenseite erfolgt ist, kann die Verhandlungsstrategie<br />
festgelegt werden, denn Argumente sind wichtig, aber nicht alles. Genauso<br />
wichtig ist, Verhandlungsstrategien zu kennen und zu wissen,<br />
welche unbewussten Wirkungsmechanismen in Verhandlungen zum<br />
Einsatz kommen. Vielleicht ist es Ihnen auch schon so ergangen, dass<br />
Sie in einer Verhandlung zwar alle Argumente auf Ihrer Seite hatten,<br />
aber trotz<strong>dem</strong> kein befriedigendes Ergebnis erzielen konnten. Wenn das<br />
passiert, liegt es oft daran, dass die Verpackung der Argumente nicht<br />
stimmte. Wer sich nur auf die Argumente verlässt, beraubt sich wichtiger<br />
Grundlagen für den Erfolg, zum Beispiel der, dass es für alles einen<br />
richtigen Zeitpunkt gibt.<br />
Die Strategie sollte vorbereitet sein, bevor Sie in die Verhandlung<br />
gehen. In der Verhandlung selbst haben Sie dadurch immer wieder eine<br />
Leitlinie parat, in welche Richtung Sie den Verlauf des Gesprächs steuern<br />
müssen, um Ihr Ziel zu erreichen. Die Strategie ist der konkrete Weg,<br />
der Sie zum Ziel führen soll.<br />
Bei der strategischen und rhetorischen Vorbereitung geht es um Aspekte<br />
wie:<br />
• die Übernahme der Führung und Steuerung des Gesprächs<br />
• Ihre Wirkung als Person (siehe Kapitel 2: »Gesprächseinstieg«)<br />
• die Verhandlungspersönlichkeit Ihres Gesprächspartners (siehe<br />
Kapitel 6: »Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen Menschentypen«)<br />
• den geschickten Aufbau einer Argumentation und den klugen<br />
Umgang <strong>mit</strong> Ihren Argumenten (siehe Kapitel 3: »Angebot«).<br />
Des Weiteren können Sie auf der Basis Ihrer grundlegenden Einschätzung<br />
der bevorstehenden Verhandlungssituation auch schon überlegen,<br />
36<br />
welche Methoden möglicherweise hilfreich sein könnten (siehe Kapitel 7:<br />
»Die rhetorische Schatzkiste« und Kapitel 2: »Professioneller Gesprächseinstieg«).<br />
Die eigene Einstellung: Gewonnen wird im Bauch<br />
Wie schafft es ein Verkäufer, Menschen emotional zu berühren? Durch<br />
sein Auftreten, seine persönliche Ausstrahlung und sein Einfühlungsvermögen.<br />
Menschen kaufen zuerst die Emotionen des Verkäufers und<br />
danach die klaren Angebotsvorteile.<br />
Wenn Sie Emotionen wecken möchten, müssen also zuerst Sie als<br />
Verkäufer für Ihre Sache brennen. Ihr Lächeln, Ihre Einstellung zu Ihrem<br />
Produkt kann ein Kunde hören, sehen und fühlen. Und Ihre Emotionen<br />
sind ansteckend! Genau das macht einen wichtigen Teil Ihrer magnetischen<br />
Anziehungskraft aus.<br />
> > > > > > EXKURS > >> >> > ><br />
Spiegelneuronen<br />
Rein zufällig stieß eine italienische Forschergruppe um Giacomo Rizzolatti<br />
1996 auf die Spiegelzellen. An der Universität Parma erforschte<br />
das Physiologenteam an Schimpansen, wie Handlungen im Gehirn geplant<br />
und umgesetzt werden. Den Wissenschaftlern ging es ursprünglich<br />
darum, herauszufinden, welche Nervenzellen bei einem Schimpansen<br />
aktiv werden, wenn er nach einer Nuss greift. Als die Forscher<br />
dies <strong>mit</strong> ihren Geräten messen wollten, machten sie eine sensationelle<br />
Entdeckung, denn die Nervenzellen sandten nicht nur Signale aus,<br />
wenn der Affe selbst nach einer Nuss griff, sondern auch, wenn das<br />
Tier beobachtete, wie ein Team<strong>mit</strong>arbeiter die gleiche Handlung aus-<br />
37
führte. Die Nervenzellen des Affen reagierten genauso, als hätte er<br />
selbst nach der Nuss gegriffen. Das Gesehene wurde im Gehirn des<br />
Schimpansen »gespiegelt«. Daher der Name Spiegelneuronen. Seit<br />
diesem Zeitpunkt gibt es auch eine wissenschaftliche Erklärung dafür,<br />
warum wir zum Beispiel gähnen müssen, wenn andere Menschen gähnen,<br />
oder wieso wir zusammenzucken, wenn wir sehen, wie ein anderer<br />
Schmerzen erleidet. Die Spiegelneuronen in unserem Gehirn sind<br />
ein Resonanzsystem, das Gefühle und Stimmungen anderer Menschen<br />
sieht und fühlt.<br />
Jetzt kommt die Krux: Die Spiegelneuronen funktionieren immer,<br />
und zwar unbewusst. Sie dechiffrieren Körpersprache, ohne dass das<br />
Bewusstsein darüber nachdenken muss. Egal, ob es Freude oder Ärger<br />
ist: Wir stecken uns <strong>mit</strong> fremden Gefühlen an wie <strong>mit</strong> einem Grippevirus.<br />
In uns kommen die gleichen Gefühle zum Schwingen, die unser<br />
Gegenüber fühlt. Die Gefahr, dass die schlechte Laune des Verkäufers<br />
unbewusst bemerkt wird, ist also groß. Mit einer schlechten Ausstrahlung<br />
verkauft es sich nicht gut, denn die unbewusst wahrgenommenen<br />
Gefühle des Verkäufers werden genauso unbewusst auf das Produkt<br />
übertragen. Menschen verhandeln lieber <strong>mit</strong> freundlichen Menschen<br />
und in angenehmer Atmosphäre. Und wenn Sie magnetische Anziehungskraft<br />
entwickeln wollen, dann müssen Sie in der Lage sein, eine<br />
angenehme Gesprächsatmosphäre herzustellen.<br />
> > > > > > > >> > > >> >> > > ><br />
38<br />
In meinen Seminaren trainieren die Teilnehmer an einzelnen Fallstudien.<br />
Wenn wir hinterher die Situation analysieren, stellen wir oft fest, wie<br />
stark sich die Teilnehmer in die Verhandlungssituation hineinsteigern<br />
konnten und was bei ihnen oder ihrem Verhandlungspartner Wut oder<br />
Aggression ausgelöst hat. Je aufgebrachter die beiden Gesprächspartner<br />
sind, umso eher endet die Verhandlung in einer Sackgasse oder in<br />
einem angedrohten Rechtsstreit und da<strong>mit</strong> ohne Einigung. Die Teilnehmer<br />
kommen dann zu der Erkenntnis, dass der zentrale Faktor für das<br />
Scheitern die Emotionen sind. Das Problem liegt darin: Verhandlungsteilnehmer<br />
konzentrieren sich in der Regel auf Strategien, die eigenen<br />
Argumente und das Entkräften der Gegenargumente. Sie achten nicht<br />
ausreichend darauf, wie sich Emotionen auf den Verhandlungsverlauf<br />
auswirken. Dabei entscheiden Gefühle über Erfolg oder Misserfolg einer<br />
Verhandlung.<br />
Wir können in Verhandlungen Emotionen spüren oder zeigen. Sei es<br />
Begeisterung, Angst, Wut oder Bedauern: Jedes geäußerte oder unterschwellig<br />
präsente und über Mimik, Gestik oder Körpersprache transportierte<br />
Gefühl beeinflusst das Verhandlungsergebnis. Daher sollten<br />
Sie die für Verhandlungssituationen typischen Emotionen vor Augen<br />
haben und im Blick behalten, welche Reaktionen Sie bei der Gegenseite<br />
hervorrufen. Dann können Sie geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese<br />
Gefühlsregungen zu steuern.<br />
Ängstlichkeit schwächt Ihre Verhandlungsposition. Ärger oder Zorn<br />
verstärken die Neigung, dass Angebote abgelehnt werden. Emotional<br />
geladene Menschen sind weniger in der Lage, sich auf ihre Ziele und Interessen<br />
zu besinnen oder ein Angebot zu beurteilen. Sie wollen ihrem<br />
Ärger Luft machen oder im Eifer des Gefechts <strong>dem</strong> anderen persönlich<br />
schaden. Dann regiert das Ego und nicht die Sachlichkeit.<br />
Es gibt zwar Fälle, in denen die Wut tatsächlich zu besseren Ergebnissen<br />
führt. So zeigen Untersuchungen der Universität Amsterdam, dass<br />
wütende Verhandlungsteilnehmer mehr erreichen, wenn es um einmalige<br />
Käufe oder Verhandlungen geht. Doch das gilt eben nur, wenn es<br />
kaum Möglichkeiten gibt, über einen Kompromiss Mehrwert zu schaffen,<br />
und ergibt nur dann Sinn, wenn Sie eben keine langfristige Partnerschaft<br />
anstreben, sondern die Abneigung der Gegenseite bewusst in<br />
Kauf nehmen, um sich selbst einen kurzfristigen Vorteil zu verschaffen.<br />
39
Deshalb ist es in allen anderen Fällen intelligenter, aufsteigende negative<br />
Emotionen zu vermeiden. Es geht darum, sich als Verkäufer oder<br />
Berater schon vor <strong>dem</strong> Gespräch in ein gutes Gefühl zu versetzen, um<br />
sich emotional auf eine Verhandlung vorzubereiten. Das ist sicher nicht<br />
immer leicht, denn auch Verkäufer haben ein Leben, in <strong>dem</strong> nicht immer<br />
alles rundläuft, und schlechte Tage hat jeder einmal. Doch ist es wichtig,<br />
die eigene Leistungsstärke dann abrufbar zu haben, wenn sie gebraucht<br />
wird. Die gute Nachricht: Wir können auch das selbst steuern. Wir haben<br />
die Wahl, woran wir vor und während einer Verhandlung denken. Und<br />
die Einstellung, 100-prozentig präsent und achtsam zu sein und sich das<br />
Ziel zu setzen, <strong>mit</strong> seinen Gedanken weder in die Vergangenheit noch in<br />
die Zukunft abzuschweifen, hilft dabei.<br />
Stellen Sie sich doch vor <strong>dem</strong> Gespräch die folgenden Fragen:<br />
• Was sollte der Kunde als Empfehlungsgeber über mich sagen,<br />
wenn das Gespräch vorbei ist?<br />
• Welche Wirkung will ich hinterlassen?<br />
• Wie will ich mich während der Verhandlung fühlen?<br />
Tipp:<br />
Wie schaffen Sie es, sich in ein gutes Gefühl zu bringen? Nun, unser<br />
Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Gedanken. Es kennt<br />
diesbezüglich kein Zeitgefühl. Wenn wir beispielsweise an ein unangenehmes<br />
Erlebnis denken, dann schaffen wir es meist hervorragend,<br />
das Kopfkino so in Gang zu setzen, dass unsere negative Fantasie das<br />
Ruder übernimmt und immer schlimmere Zukunftsvisionen kreiert. Die<br />
eigene Stimmung wird dadurch nach und nach immer schlechter. Interessanterweise<br />
kennt so gut wie jeder diese unbewusste negative Gedankenspirale.<br />
Doch genau das funktioniert auch umgekehrt. Sie wollen<br />
souverän und gelassen wirken? Dann denken Sie vor <strong>dem</strong> Gespräch<br />
40<br />
darüber nach, wann Sie das letzte Mal souverän und gelassen waren.<br />
Malen Sie sich die alte Situation in allen Einzelheiten aus. An welchem<br />
Ort waren Sie zu dieser Zeit, welche inneren Bilder verknüpfen Sie da<strong>mit</strong>,<br />
wo in Ihrem Körper konnten Sie dieses Gefühl der Souveränität<br />
und Gelassenheit wahrnehmen? Spüren Sie diese positiven Aspekte<br />
bewusst in sich auf und bleiben Sie ein paar Minuten dabei. So können<br />
Sie Ihre guten Gefühle selbst entstehen lassen.<br />
Auch lächeln hilft. Normalerweise lächeln wir, wenn wir uns gut fühlen.<br />
Doch – was nur wenige Menschen wissen – das funktioniert auch andersherum.<br />
Der Körper verfügt über ein sogenanntes Körpergedächtnis. Das<br />
heißt, die Muskeln um unseren Mund herum wissen ganz genau: Wenn<br />
sie zu einem Lächeln angespannt werden, sind entsprechende Glückshormone<br />
im Blut unterwegs. Lächeln wir nun, ohne dass die Glückshormone<br />
bereits im Blut sind, signalisieren die Muskeln dies <strong>dem</strong> Hirn.<br />
Durch das bewusste Lächeln schüttet das Gehirn die noch fehlenden<br />
Glückshormone aus, und ein positives Gefühl stellt sich im Körper ein.<br />
Diesem Prinzip folgt auch der Trick mancher Verkäufer, sich einen Spiegel<br />
ins Büro zu hängen und vor <strong>dem</strong> Kundentermin sich selbst darin anzulächeln,<br />
um ihre positive Ausstrahlung gezielt zu aktivieren.<br />
Nach<strong>dem</strong> Sie nun viel über die mentale, inhaltliche und sprachliche<br />
Einstimmung gelesen haben, lassen Sie uns den Prozess weiterverfolgen<br />
und uns die erste Begegnung <strong>mit</strong> Ihrem Kunden oder Verhandlungspartner<br />
ansehen.<br />
41
2 Professioneller Gesprächseinstieg<br />
Sie fühlen sich nun gut vorbereitet und können es kaum erwarten, in die<br />
Verhandlung einzusteigen? Und wollen am liebsten gleich <strong>mit</strong> der Diskussion<br />
über die kontroversen Punkte anfangen? Doch wie Sie im vorangegangenen<br />
Kapitel schon gelesen haben, läuft unbewusst eine Menge<br />
ab, wenn sich zwei Menschen begegnen. Die Verhandlung fängt bereits<br />
beim ersten Aufeinandertreffen an. Genau diesen Moment wollen wir<br />
uns in der Folge weiter ansehen. Bei <strong>dem</strong> Gesprächseinstieg legen wir<br />
den Grundstein für die Wirkung des <strong>MagnetPrinzip</strong>s, denn hier klärt<br />
sich, wer die natürliche Autorität besitzt, die Führung des Gesprächs zu<br />
übernehmen.<br />
Zum Beginn der Begegnung findet sowohl die Klärung der Hierarchie<br />
statt wie auch eine erste Einschätzung zwischen den Verhandlungspartnern,<br />
ob sie sich gegenseitig als grundsätzlich vertrauenswürdig<br />
einstufen. Professionelle Berater oder Verkäufer sollten das Ziel haben,<br />
beide Faktoren zu lenken, und schon hier ihre natürliche Autorität unter<br />
Beweis stellen. Diese Phase beginnt <strong>mit</strong> der Begrüßung, die üblicherweise<br />
in einen Small Talk übergeht, danach werden die Eckdaten des<br />
Gesprächs abgesteckt. Sie endet, wenn Sie beginnen, über die Sache<br />
zu reden.<br />
Der erste Eindruck: Vertrauen schaffen<br />
42<br />
Viele Menschen unterschätzen den Moment der ersten Begegnung. Sie<br />
denken, es gehe vorerst nur darum, sich kennenzulernen, sich zu beschnuppern.<br />
Aber die erste Begegnung muss sitzen. Hier werden die<br />
Weichen für spätere Gespräche gestellt, denn unser Unterbewusstsein<br />
ist darauf programmiert, Menschen möglichst schnell einzuschätzen. In<br />
Verhandlungen ist das die Grundlage dafür, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit<br />
überhaupt entstehen kann. Deswegen beginnt dieser wichtige<br />
Teil der Verhandlung genau zu <strong>dem</strong> Zeitpunkt, an <strong>dem</strong> Sie sich zum<br />
ersten Mal sehen oder, wenn es ein Telefonat ist, hören.<br />
Warum? Ob Sie als vertrauenswürdig eingestuft werden oder nicht,<br />
entscheidet sich schon beim ersten Eindruck. Unser inneres Sinnessystem<br />
ist darauf ausgerichtet, in Sekundenschnelle zu überprüfen: Wer<br />
steht da vor mir? Freund oder Feind? Aus evolutionärer Sicht ist das ein<br />
sehr sinnvolles Werkzeug, da uns dieser schnelle Frühwarnmechanismus<br />
in die Lage versetzt, zu handeln, ohne nachzudenken, und so zum<br />
Beispiel schnell aus brenzligen Situationen zu fliehen.<br />
Die Zeit, die das Gehirn benötigt, den Impuls »Lauf um dein Leben«<br />
in die Beine zu schicken, da<strong>mit</strong> sich diese in Bewegung setzen, beträgt<br />
0,25 Sekunden. Und da<strong>mit</strong> ist zu erklären, dass auch die Zeit für den<br />
ersten Eindruck gerade einmal 0,25 Sekunden beträgt. So wirken bis<br />
heute – auch in Verhandlungen – uralte Überlebensmuster der Menschheit,<br />
die es zu beachten gilt. In dieser kurzen Zeit haben Sie gar nicht<br />
die Möglichkeit, kluge und intelligente Worte zu finden. In diesem kurzen<br />
Moment können Sie maximal bewirken, dass Ihr Gesprächspartner<br />
Ihnen ein erstes Grundvertrauen schenkt und Sie sympathisch findet.<br />
Sie können dafür sorgen, dass Sie auf <strong>dem</strong> Vertrauensbarometer Ihres<br />
Kunden Punkte gewinnen.<br />
Der »Harvard Business Manager« vom September 2013 schreibt<br />
dazu in einem Fachartikel, dass die moderne Verhaltensforschung zeigt,<br />
dass 90 Prozent unserer Wirkung von zwei Faktoren beeinflusst werden:<br />
Warmherzigkeit und Stärke.<br />
Zunächst überprüfen wir unbewusst, ob uns eine Person wohlgesinnt<br />
und warmherzig gegenübersteht, und danach, ob wir es <strong>mit</strong> einem<br />
43
durchsetzungsfähigen, erfolgreichen, also starken Partner zu tun haben.<br />
Man könnte auch sagen, zuerst fragen wir uns: Ist das ein Freund<br />
oder ein Feind? Und direkt danach: Wer von uns beiden ist der überlegene,<br />
der mächtigere, der durchsetzungsstärkere Mensch? Habe ich einen<br />
Gesprächspartner, der beides verkörpert, dann bringe ich ihm Vertrauen<br />
entgegen. Es sind die positive innere Einstellung und die Freundlichkeit,<br />
die anziehend wirken, gepaart <strong>mit</strong> der mentalen Ausgeglichenheit und<br />
<strong>dem</strong> authentischen Auftreten, welche die Stärke transportieren.<br />
Natürlich beinhaltet die beschriebene Stärke auch, fachlich und<br />
inhaltlich kompetent zu sein, doch aufgrund der Kürze des ersten Eindrucks<br />
kann das erst in den Minuten danach geprüft werden. Beim ersten<br />
Eindruck wird aufgrund der Körpersprache eine Einschätzung vorgenommen,<br />
ob es sich um einen Gesprächspartner handelt, der sein<br />
Fachgebiet beherrscht.<br />
Körpersprache<br />
Unsere Körpersprache ist davon abhängig, welche Gedanken, Gefühle<br />
und Einstellungen uns beherrschen. Sie reflektiert unseren Zustand<br />
nach außen. Sind wir traurig, lassen wir die Schultern hängen. Sind wir<br />
dagegen zufrieden <strong>mit</strong> uns selbst, gehen wir aufrecht und <strong>mit</strong> stolzgeschwellter<br />
Brust, wie der Volksmund sagt, durchs Leben. Unsere Körpersprache<br />
ist da<strong>mit</strong> der sichtbare Ausdruck unserer inneren, unsichtbaren<br />
Welt. Wer die Körpersprache zu lesen vermag, erhält Einblicke, wie sich<br />
sein Gegenüber gerade fühlt. Auch bewerten wir Menschen unbewusst<br />
nach ihrer Körpersprache. Ein mir nicht bekannter Verfasser sagte einmal:<br />
»Wir beurteilen Bücher nach ihrem Deckel und Menschen nach<br />
ihrem Aussehen.« Dies ist sogar in Studien nachgewiesen worden. Die<br />
bekannteste davon ist sicher die Studie von Albert Mehrabian. Er hat<br />
herausgefunden, dass beim ersten Eindruck die Wirkung zu 55 Prozent<br />
44<br />
von der Körpersprache inklusive Mimik, abhängt und zu 38 Prozent von<br />
der Stimme. Das sind zusammen rund 93 Prozent, die auf die nonverbale<br />
Wirkung zurückgehen. Nur 7 Prozent der Wirkung lassen sich von <strong>dem</strong><br />
Inhalt der ersten Worte beeinflussen. Das ist wahrlich nicht viel, aber<br />
verständlich, wenn man beachtet, dass der Körper ständig ungefähr 600<br />
Signale gleichzeitig sendet, die es zu deuten gilt. Da rückt die Sprache<br />
in den Hintergrund.<br />
Die Frage ist natürlich: Was sagen mir die Signale und welche Signale<br />
sende ich aus, um meine natürliche Autorität zu unterstreichen? Schauen<br />
wir uns die Wirkung der Körpersprache, der Mimik und der Stimme in den<br />
ersten Gesprächsminuten einmal an. In der westlichen Welt findet <strong>mit</strong><br />
<strong>dem</strong> Händedruck die erste physische Berührung des Gesprächspartners<br />
statt. Ein selbstsicherer Händedruck sollte eher fest als weich sein, da<br />
ein schlaffer Händedruck automatisch <strong>mit</strong> wenig Selbstbewusstsein und<br />
<strong>mit</strong> wenig Kraft verbunden wird. Gleichwohl sollte die Stärke des Händedrucks<br />
angenehm dosiert sein. Also fest, aber nicht so, dass er beim<br />
Gegenüber Schmerzen auslöst. Diesen Händedruck bekommen Sie automatisch<br />
hin, wenn Sie die ganze Hand ergreifen und nicht nur die Finger<br />
vorsichtig drücken. Greifen Sie also ruhig in die ganze Hand hinein. Zu<br />
diesem Händedruck gehört eine Körperhaltung, die <strong>dem</strong> Gesprächspartner<br />
zugewandt ist. Man steht sich gegenüber und hält trotz<strong>dem</strong> einen<br />
Mindestabstand ein. Die meisten Menschen wählen automatisch einen<br />
passenden Abstand. Vielleicht kennen Sie aber auch Menschen, die Ihnen<br />
im ersten Augenblick unangenehm nahe kommen. Sie wissen also,<br />
dass es sich für den anderen besser anfühlt, wenn Sie diese Intimzone<br />
nicht betreten. Dieser Wohlfühlabstand beträgt in der Regel eine Armlänge.<br />
Die Körperhaltung von selbstsicheren Menschen ist aufrecht und<br />
gerade. Sie verstecken sich nicht. Sie haben eine gute Grundspannung<br />
im Körper, die ihnen ein dynamisches Auftreten verleiht.<br />
In meinen Seminaren werde ich oft gefragt, welche Position für die<br />
Hände die richtige ist. Auch hier ist die Grundregel: Verhalten Sie sich<br />
45
möglichst offen und selbstbewusst. Die Hände haben in Hüfthöhe einen<br />
guten Platz. Wer eine Hand in der Tasche lässt, wirkt, als halte er noch<br />
etwas zurück oder verstecke etwas. Auch hinter <strong>dem</strong> Rücken haben die<br />
Hände nichts zu suchen. Eine Gestik in Hüfthöhe, die das Gesagte unterstreicht,<br />
ohne nervös zu wirken, ist die beste Lösung. Vielen Menschen<br />
liegt es nicht, beide Hände frei zu haben. Sie wissen dann schlichtweg<br />
nicht, wohin da<strong>mit</strong>. Wenn auch Sie es so empfinden, dann nehmen Sie<br />
doch Ihre eigenen Unterlagen in die Hand. Das hilft, die Hände anderweitig<br />
zu beschäftigen und dadurch einen besseren Stand zu haben.<br />
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass freundlicher Blickkontakt das<br />
Vertrauensbarometer in Verhandlungen deutlich steigen lässt. Man<br />
sagt: Die Augen sind der Spiegel der Seele. Die Magie des ersten Eindrucks<br />
kann daher durch freundlichen und festen Blickkontakt gestaltet<br />
werden. Auch innerhalb der Verhandlung investieren erfolgreiche<br />
Verhandler Zeit in einen weichen Blickkontakt, denn sie wissen, dass<br />
das in sie gesetzte Vertrauen dadurch steigt und Kunden eher geneigt<br />
sind, ihren Argumenten zu folgen. Da<strong>mit</strong> der oben bereits beschriebene<br />
Augenkontakt hergestellt werden kann, ist das Gesicht ebenfalls in<br />
Richtung des Gesprächspartners ausgerichtet. Nur so kann die Mimik<br />
auch gelesen werden. Zur Mimik zählen alle Bewegungen des Gesichts.<br />
Alle Gesichtsmuskeln erzeugen Mimik, und im Gegensatz zur Körpersprache<br />
lässt sich die Mimik nur schwer trainieren. Grundsätzlich kann<br />
man sagen, dass völlig fehlende Gesichtsbewegungen auf die meisten<br />
Menschen verunsichernd und unsympathisch wirken. Ist die Mimik zu<br />
ausladend, erweckt man leicht den Eindruck der Flatterhaftigkeit. Beides<br />
wollen Sie nicht. Ein freundliches Gesicht, bei <strong>dem</strong> der Mund leicht<br />
lächelt und die Augen interessiert schauen, wird von den meisten Menschen<br />
als angenehm empfunden.<br />
Bei der Stimme gilt, dass tiefe Klangfarben als angenehmer und seriöser<br />
eingestuft werden als hohe Stimmen. Hohe Stimmen sind auch ein<br />
Zeichen von Aufregung oder Stress, was erklärt, warum sonore Stimmen<br />
46<br />
eher für Vertrauen sorgen. Auch wenn man daran nur <strong>mit</strong> Stimmtraining<br />
etwas ändern kann, so kann man doch Folgendes beachten: Nicht wenige<br />
Menschen heben gerade bei der Begrüßung – sei es am Telefon oder<br />
persönlich – automatisch die Stimme an. Also leider genau dann, wenn<br />
es beim ersten Eindruck darauf ankommt. Wenn Sie zu diesen Zeitpunkten<br />
darauf achten, eher tief zu sprechen, haben Sie schon viel dafür getan,<br />
<strong>mit</strong> Ihrer Stimme zu begeistern.<br />
Muss die Körpersprache eigentlich trainiert werden? Wenn Sie Anziehungskraft<br />
für andere entwickeln wollen, ist die Körpersprache ein<br />
relevantes Medium. Dabei ist es allerdings wichtig, die emotionale<br />
Stimmigkeit zu beachten. Wie oben schon erwähnt, spricht Ihr Körper<br />
Ihre Gefühle aus. Sind Sie sehr selbstsicher in Gesprächen, dann ist die<br />
Körperposition von ganz allein die richtige. Sind Sie nicht selbstsicher,<br />
dann ist es natürlich am besten, die dahinterliegenden Gedanken und<br />
Glaubenssätze zu ändern und am eigenen Selbstvertrauen zu arbeiten.<br />
Die Körpersprache wird dann von alleine folgen. Da Sie Selbstsicherheit<br />
<strong>mit</strong> jeder Herausforderung und <strong>mit</strong> je<strong>dem</strong> Erfolg trainieren, können Sie<br />
den Weg auch umgekehrt – von außen nach innen – gehen und lernen,<br />
Ihren Körper wahrzunehmen und falsche Gewohnheiten abzustellen.<br />
Tipp:<br />
Achten Sie auch auf Ihren Kleidungsstil. Früher gab es in Unternehmen<br />
oft noch strenge Dresscodes. Es gab Banken, in denen nur Schwarz<br />
und Weiß als Kleidungsfarben erlaubt waren. Die Männer trugen immer<br />
Krawatte, und Frauen hatten im Rock zu erscheinen. Heute hat<br />
sich diese strenge Kleiderordnung weitgehend aufgelöst. Doch beim<br />
ersten Eindruck spielt auch die Kleidung eine entscheidende Rolle.<br />
Denn wo in der Kürze der Zeit unsere Fähigkeiten, die Intelligenz oder<br />
der erworbene Doktortitel nicht erkannt werden können, geben Sie <strong>mit</strong><br />
der Wahl Ihrer Kleidung Ihre Visitenkarte ab. Egal, ob der Anzug, das<br />
47
Kostüm, die Schuhe oder die Uhr am Handgelenk: Kleidung hat immer<br />
eine Signalwirkung, da sie Ihren Status repräsentiert. Und Status<br />
ist einer der Schlüsselreize bei der Beurteilung der Machtposition.<br />
Und nicht nur das: Unpassende Kleidung empfinden andere auch als<br />
Missachtung ihrer Person oder der Situation. Das wirkt sich negativ<br />
auf den ersten Eindruck aus. Auch ist die Gefahr groß, dass Ihr Gegenüber<br />
denkt: Wenn jemand nachlässig <strong>mit</strong> seiner Kleidung ist, ist er<br />
eventuell auch in beruflichen Dingen nachlässig. Seien Sie sich immer<br />
bewusst, was Sie ausstrahlen und signalisieren möchten, und wählen<br />
Sie danach Ihre Kleidung aus. Natürlich dürfen Sie Ihrem eigenen Stil<br />
dabei treu bleiben, doch passen Sie ihn an die Situation und an Ihre<br />
Kunden oder Gastgeber an. Werfen Sie sich nicht selbst Steine in den<br />
Weg, in<strong>dem</strong> Sie sich schlechter anziehen als Ihre Verhandlungspartner<br />
oder sich bewusst <strong>mit</strong> Ihrer Kleidung zu weit abgrenzen. Gern dürfen<br />
Sie etwas besser als jene gekleidet sein.<br />
Sprache ist psychoaktiv<br />
Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuches, sagte einmal: »Worte<br />
sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt.« Dieses<br />
Sprichwort beschreibt die Psychoaktivität der Sprache. Wörter benennen<br />
nicht nur Gegenstände, Produkteigenschaften oder Situationen,<br />
sie übertragen die volle emotionale Ladung des Wortes. Ja, Wörter<br />
übertragen Emotionen. Wie das geht? Das Epizentrum der emotionalen<br />
Ladung ist natürlich in Wirklichkeit nicht das Wort, sondern das Gehirn.<br />
Unser Gehirn speichert alle Situationen und Ereignisse ab, um für die<br />
Zukunft aus diesen Erfahrungen zu lernen. Je öfter sich ein Ereignis wiederholt<br />
und <strong>mit</strong> je mehr positiven oder negativen Emotionen ein Ereignis<br />
einhergeht, umso besser speichert das Gehirn die Ergebnisse ab. Neuronal<br />
verknüpft es die entsprechende Situation <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> entsprechenden<br />
48<br />
Wort zusammen <strong>mit</strong> der gefühlten Emotion. Es kreiert daraus dann eine<br />
Regel: Passiert A, dann passiert auch B, dann fühle ich mich C. Kommt<br />
ein Ereignis nun wieder, dann sagen wir nicht nur so etwas wie: »Ach,<br />
das weiß ich aus Erfahrung«, sondern wir verhalten uns auch so, wie es<br />
uns die alte Erfahrung gelehrt hat. War es ein Ereignis, das Ärger ausgelöst<br />
hatte, reicht oft ein einziges Wort, und die alten Gefühle dazu sind<br />
sofort wieder präsent.<br />
Vielleicht ist es die im Briefkasten liegende Nebenkostenabrechnung,<br />
die in uns die Wut hochsteigen lässt, ohne dass wir sie überhaupt<br />
angeguckt hatten, weil wir bereits in den letzten drei Jahren die Erfahrung<br />
gemacht hatten, dass sie von Fehlern durchsetzt war. Oder Sie denken<br />
an den im nächsten Monat stattfindenden Gerichtsprozess <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
Ex-Partner und der Blutdruck steigt rapide, da jetzt schon klar ist, dass<br />
das kein leichtes Gespräch werden wird. Die Psychologie bezeichnet das<br />
als die Hebb’sche Lernregel: »What wires together fires together.« Was<br />
einmal <strong>mit</strong>einander verdrahtet ist, ist gemeinsam aktiv. Das bedeutet<br />
natürlich für jeden etwas anderes. So mag der Begriff »Macht« für den<br />
einen positiv <strong>mit</strong> Durchsetzungsstärke, Gestaltungsmöglichkeiten und<br />
Entscheidungsbefugnis belegt sein und für einen anderen <strong>mit</strong> Ausnutzung,<br />
Machtmissbrauch und Unterdrückung. Diese individuelle Färbung<br />
der Gedanken entsteht im Laufe des Heranwachsens, ist Ausdruck der<br />
Erziehung und des Umfelds. Gerade das macht uns Menschen in unserer<br />
Persönlichkeit aus.<br />
Das Gehirn unterscheidet dabei nicht, ob etwas wirklich passiert<br />
oder ob wir nur daran denken. Die neuronalen Netzwerke feuern ebenso<br />
bei Gedanken oder Wörtern und lösen dadurch die dazugehörigen<br />
Gefühle aus. Bezogen auf unsere Verhandlung bedeutet das, dass wir<br />
unsere Wortwahl gut überlegen sollten, denn <strong>mit</strong> unserer Sprache steuern<br />
wir die Emotionen unseres Gegenübers.<br />
Und diese Steuerung hat noch weiter gehende Folgen. Mit unseren<br />
Worten beeinflussen wir sogar die Reaktion unseres Gesprächspartners<br />
49
in der Zukunft, denn das vorhergehende Erleben steuert die Reaktion<br />
und spätere Entscheidungen des Gegenübers.<br />
Im Seminar mache ich <strong>mit</strong> den Teilnehmern immer folgendes kleines<br />
Experiment: Ich teile die Gruppe in zwei Hälften. Während die eine Hälfte<br />
vor <strong>dem</strong> Seminarraum wartet, stelle ich der anderen Hälfte folgende<br />
Frage: »Wie viel Liter Kerosin tankt ein Airbus A380-800 – im Jahr 2017<br />
das größte Passagierflugzeug der Welt?« Nach<strong>dem</strong> die Frage gestellt<br />
ist, werfe ich wie zufällig ein: »Man kann sich ja erst mal überlegen, ob<br />
es mehr als 50.000 Liter sind oder weniger.« Nach<strong>dem</strong> die Teilnehmer<br />
ihre Schätzung abgegeben haben und die andere Gruppe wieder im Seminarraum<br />
ist, formuliere ich die Frage etwas um. Ich frage sie genauso<br />
wie die erste Gruppe: »Wie viel Liter Kerosin tankt ein Airbus A380 – das<br />
größte Passagierflugzeug der Welt?«, doch mein wie zufällig wirkender,<br />
aber geplanter Einwurf lautet dann: »Man kann sich ja erst mal überlegen,<br />
ob es mehr als 200.000 Liter sind oder weniger.« Die Zahl, die<br />
ich meinen Teilnehmern da<strong>mit</strong> unbemerkt unterjubele, ist also bei der<br />
ersten Gruppe 50.000 und bei der zweiten Gruppe 200.000 Liter.<br />
Daraufhin passiert Folgendes: Die Teilnehmer der ersten Gruppe<br />
nennen durchgängig kleinere Zahlen für den Kerosinverbrauch als die<br />
der zweiten Gruppe. Die reine Nennung der Zahl 50.000 oder 200.000<br />
erzeugt einen Effekt. Man nennt diesen Effekt Priming, auf Deutsch:<br />
Bahnungseffekt. Er besteht darin, dass ein vorangegangener Reiz nachfolgende<br />
Handlungen oder nachfolgendes Denken beeinflusst. Die große<br />
psychologische Kraft von Wörtern hat in den letzten Jahren vielfältige<br />
Bestätigung durch neurobiologische Forschungsergebnisse erhalten.<br />
Allen voran zitiert der bekannte Gehirnforscher Manfred Spitzer in verschiedenen<br />
Veröffentlichungen interessante Untersuchungen zum Thema<br />
»Bahnungseffekte von Wörtern«.<br />
Eine Studie von Elizabeth Loftus, Professorin der Psychologie an der<br />
Universität Washington, untersuchte ebenfalls die Bahnungseffekte von<br />
Wörtern. Dabei zeigte Loftus den Teilnehmern einen Videoclip über einen<br />
50<br />
Bagatellunfall. Danach stellte sie einer Gruppe die Frage: »Mit welcher<br />
Geschwindigkeit touchierte das eine Fahrzeug das andere?« Einer zweiten<br />
Gruppe stellte sie die Frage: »Mit welcher Geschwindigkeit rammte<br />
das eine Fahrzeug das andere?« Dadurch, dass sie in ihrer Fragestellung<br />
das sanftere Wort »touchierte« durch das härtere Wort »rammte« ersetzte,<br />
erhöhten sich die von den Testteilnehmern geschätzten Kilometer<br />
pro Stunde von durchschnittlich 51 km/h auf 64.<br />
Die gesprochenen Wörter steuern also auch unsere spätere Einschätzung<br />
oder Reaktion. Sätze sind nicht unabhängig voneinander, sondern<br />
verändern die späteren Auswirkungen. In Verhandlungen bedeutet das,<br />
dass die Wortwahl genau überlegt sein sollte. So sollten zum Beispiel<br />
negative Schlüsselwörter konsequent vermieden werden.<br />
Praxisbeispiel:<br />
Stellen wir uns Folgendes vor: Als potenzieller Käufer einer Privatimmobilie<br />
haben Sie einen ersten Termin <strong>mit</strong> einem Makler. Sie treffen sich<br />
vor <strong>dem</strong> Verkaufsobjekt. Nach<strong>dem</strong> die vereinbarte Uhrzeit verstrichen<br />
ist, warten Sie noch 20 Minuten. Als Ihr Gesprächspartner endlich da<br />
ist, sagt er zu Ihnen: »Sorry für die Verspätung, aber ich bin manchmal<br />
ein Schussel, ich hatte vergessen, den Haustürschlüssel <strong>mit</strong>zunehmen,<br />
und mein letztes Gespräch hat etwas länger gedauert als geplant.« Sie<br />
hätten gewiss einen besseren Eindruck von ihm, wenn er gesagt hätte:<br />
»Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, das Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
Vorstand des Automobilherstellers hat leider etwas länger gedauert.<br />
Normalerweise bin ich pünktlich. Haben Sie den Weg hierhin gut gefunden?«<br />
Sich selbst als »Schussel« zu bezeichnen oder sich <strong>mit</strong> anderen<br />
schlechten Eigenschaften zu beschreiben, ist absolut tabu. Gerade<br />
zum Gesprächsstart erzeugt das keinerlei positive Wirkung, sondern<br />
51
nur negative Assoziationen. Wer will schon <strong>mit</strong> einem »Schussel« zusammenarbeiten?<br />
Im zweiten Beispielsatz ist die Wirkung genau umgedreht.<br />
Dass Sie <strong>mit</strong> einem Vorstand verhandeln, erzeugt ebenfalls<br />
eine Wirkung, und zwar eine positive. Warum dies also nicht erwähnen?<br />
Denn das Nennen des Vorstands wertet Sie auf, auch die Nennung des<br />
dazugehörigen Unternehmensnamens, vor allem, wenn er einen hohen<br />
Bekanntheitsgrad genießt. Mit je größeren Geschäftspartnern Sie sich<br />
umgeben, <strong>mit</strong> je größeren Summen Sie hantieren, umso größer, wichtiger<br />
und stärker werden Sie von Ihren Verhandlungspartnern wahrgenommen.<br />
Man könnte diesen Effekt auch als untergeschobene Wirkung bezeichnen.<br />
Solange Sie es nicht übertreiben und eher nebenbei einfließen<br />
lassen, wird Ihr Gesprächspartner das gar nicht bewusst wahrnehmen.<br />
Aber Ihre Wirkung und Ihr Standing werden besser sein.<br />
Sprachliche Wirkung erzeugen, und zwar bewusst<br />
Der Markenexperte Jon C. Berndt®, der – um Stimmigkeit zu erzeugen –<br />
sogar seinen eigenen Namen als Marke verwendet, sagt: »Marke ist das,<br />
was man hinter deinem Rücken über dich erzählt.« Ich stimme dieser<br />
Aussage zu; allgemeiner gefasst gilt dasselbe für Ihre Wirkung, die sich<br />
ebenfalls an <strong>dem</strong> ablesen lässt, was andere hinter Ihrem Rücken über<br />
Sie erzählen.<br />
52<br />
Praxisbeispiel:<br />
Es war im Februar auf Sylt. An einem regnerischen Tag gingen mein<br />
Lebensgefährte und ich am menschenleeren Strand von Hörnum spazieren.<br />
Völlig durchnässt suchten wir eine Möglichkeit, einen Tee zu<br />
trinken. Bald sahen wir in der Ferne ein Hotel. Das recht neue Fünf-Sterne-Haus<br />
erschien uns als der richtige Platz, um uns aufzuwärmen. Kaum<br />
auf <strong>dem</strong> Parkplatz angekommen, begrüßte uns auch schon der erste livrierte<br />
Hotelangestellte: »Herzlich willkommen auf Budersand«! – »Danke«,<br />
antwortete ich, »wir wollen nur kurz etwas trinken.« Auf unserem<br />
Weg in die Hotelhalle begegneten wir <strong>dem</strong> nächsten Hotelangestellten.<br />
»Herzlich willkommen auf Budersand!« Und ich sagte wieder: »Danke,<br />
wir wollen nur kurz etwas trinken.« Und auf den letzten Metern zur Bar<br />
trat uns tatsächlich ein dritter Hotelangestellter in den Weg: »Herzlich<br />
willkommen auf Budersand!« – Ich sagte, zugegeben etwas provokativ,<br />
zu ihm: »Sagen Sie mal, was ist denn hier los? Ist so wenig zu tun hier,<br />
dass Sie nur auf uns warten?« Er erwiderte: »Wir hatten die letzten drei<br />
Wochen geschlossen und haben nun seit 30 Minuten wieder geöffnet –<br />
und Sie, Sie sind unsere ersten Gäste!«<br />
Durchgefroren, wie ich war, fragte ich frech: »Nichts los hier um diese<br />
Jahreszeit, da lohnt es sich nicht, aufzuhaben, was?« – Und jetzt Sie:<br />
Was hätten Sie geantwortet? Die naheliegendste Antwort – aber auch<br />
die schlechteste – wäre gewesen: »Ja, das stimmt.« Doch welche Wirkung<br />
hätte das bei mir hinterlassen? Was hätte ich zu Hause über das<br />
Hotel Budersand erzählt? Richtig, sicher hätte ich so etwas gesagt wie:<br />
»Du, die machen im Februar zu, da musst du nicht hin, ist nichts los.«<br />
Keine gute Werbung für ein Hotel! Der Hotelangestellte war cleverer, er<br />
antwortete: »Wir nehmen uns die Zeit, die notwendigen kleinen Schönheitsreparaturen<br />
für unser anspruchsvolles Haus durchzuführen und<br />
auch Neuerungen umzusetzen. In diesem Jahr haben wir diesen offenen<br />
Kamin eingebaut (er zeigte auf einen großen Kamin vor der Bar). Und –<br />
wie gefällt der Ihnen?«<br />
Eine wirklich erstklassige Reaktion! Nun verlasse ich das Hotel <strong>mit</strong> einem<br />
sehr positiven Eindruck und überbringe meinen Freunden eine ganz<br />
andere Nachricht. Sprache ist Wirkung – und welche Wirkung Sie erzeugen,<br />
das liegt in Ihrer Hand!<br />
53
EXKURS > >> >> > ><br />
54<br />
Der Homo oeconomicus kämpft gegen das Reptilienhirn<br />
Das Modell vom Homo oeconomicus beschreibt in der Wirtschaftswissenschaft<br />
einen Menschen, der vor einer Entscheidung durch das<br />
Abwägen aller verfügbaren Alternativen eine klare Präferenzordnung<br />
bilden kann und sich dann für die für ihn beste Lösung entscheidet.<br />
Gerne denken Menschen von sich, dass sie diesem Modell auch in der<br />
Realität folgen können. Doch ist das wirklich so?<br />
Eine kleine Frage dazu: Wie ist das bei Ihnen persönlich? Kennen<br />
Sie mehr Menschen, die <strong>mit</strong> Angst in ein Flugzeug steigen, oder<br />
mehr Menschen, die aufgeregt sind, wenn sie in ihr Auto steigen?<br />
Wenn es Ihnen geht wie den meisten Menschen, liegt die Angst vorm<br />
Fliegen ganz weit vorn. Lassen wir dazu die Fakten sprechen: 2012<br />
kam in deutschen Flugzeugen kein Mensch zu Tode. Beim Autofahren<br />
kamen im selben Jahr 3.600 Menschen um. Selbst weltweit gab es<br />
2012 insgesamt »nur« 470 Tote durch Flugzeugunfälle, während die<br />
Anzahl der Todesopfer durch Autounfälle bei ungefähr 1,2 Millionen<br />
lag. Die Angst, in ein Auto zu steigen, müsste also realistisch betrachtet<br />
wesentlich größer sein als die, in ein Flugzeug zu steigen.<br />
Ist Rationalität vielleicht ein viel größerer Mythos, als wir denken?<br />
Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sank insbesondere<br />
in Amerika die Anzahl der gebuchten Flüge. Die Menschen stiegen<br />
aufs Auto um. Was passierte nun? Die Anzahl der tödlichen Unfälle<br />
im Straßenverkehr stieg enorm an. Vergleicht man die Anzahl der<br />
Verkehrstoten im Jahr nach <strong>dem</strong> Anschlag <strong>mit</strong> den zwölf Monaten<br />
vor der Katastrophe, sind etwa 1.600 Amerikaner mehr ums Leben<br />
gekommen. All diese Menschen könnten noch leben, wenn sie das<br />
Flugzeug genommen hätten (Gigerenzer 2013, Bertelsmann: Risiko –<br />
Wie man die richtigen Entscheidungen trifft). Dieser Effekt hielt übrigens<br />
circa ein Jahr an – ungefähr so lange, bis die Berichterstattung<br />
über 9/11 nachließ.<br />
Die Erklärung dafür liegt in der Struktur und Funktionsweise unseres<br />
Gehirns. Das Gehirn als Teil des zentralen Nervensystems hat die<br />
Aufgabe, Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten und das menschliche<br />
Verhalten zu koordinieren. Wie schon erwähnt, ist es ein komplexer<br />
Speicher für alle Erlebnisse und Erfahrungen, die ein Mensch in seinem<br />
Leben gemacht hat.<br />
Je nach<strong>dem</strong>, ob der Reiz von außen, also Wörter, Taten oder Handlungen,<br />
die auf uns einwirken, als gefährlich oder ungefährlich eingestuft<br />
wird, ist für die weitere Verarbeitung ein anderer Gehirnteil zuständig.<br />
Wann immer Sie einem Menschen begegnen, entscheidet Ihr<br />
Gehirn – ohne dass Sie bewusst darüber nachdenken können: »Wer<br />
steht mir hier gegenüber – Freund oder Feind?« Stufen Sie jemanden<br />
als Freund ein, besteht kein Grund zur Besorgnis, und der denkende<br />
Gehirnteil Neokortex wird aktiv.<br />
Mit diesem Hirnareal können wir logisch denken, Informationen<br />
verarbeiten und integrieren, entscheiden und unsere Urteile fällen. Der<br />
Neokortex gilt als Sitz der Aufmerksamkeit, in <strong>dem</strong> gezieltes Nachdenken<br />
und Planen stattfinden. Dieser Teil des Gehirns ist erst im Alter<br />
von 25 Jahren völlig ausgereift und liegt im vorderen Bereich des Kopfes<br />
hinter der Stirn. Manch einer schlägt sich <strong>mit</strong> der Hand gegen die<br />
Stirn, wenn er eine unerwartete Lösung hat, einen Witz versteht oder<br />
auf eine doch eigentlich so naheliegende Idee kommt. Auch die umgangssprachliche<br />
Redensart »Ich habe gerade ein Brett vor <strong>dem</strong> Kopf«<br />
drückt aus, dass man momentan nicht klar denken kann.<br />
Dieses logische Areal hat einen Gegenspieler, der treffenderweise<br />
auf der anderen Seite des Schädels liegt: das limbische System.<br />
Es ist der Sitz unserer emotionalen Alarmdatenbank und kennt als<br />
Reaktionsmuster nur Flucht, Angriff oder sich tot stellen. Dieses Reaktionsmuster<br />
kommt aus der Zeit, als wir Menschen uns noch gegen<br />
55
Fressfeinde wie Säbelzahntiger verteidigen mussten. Sie können sich<br />
vorstellen, <strong>mit</strong> Logik und langem Nachdenken hätten wir nicht überlebt,<br />
wenn so ein Raubtier vor uns stand. Da musste es schnell gehen.<br />
Und daher schalten wir Menschen auch noch heute in den Automatikmodus<br />
um, wenn uns potenziell Gefahr droht. Nun gibt es einen interessanten<br />
Zusammenhang zwischen diesen beiden Gehirnteilen: Je<br />
stärker das Reptilienhirn aktiv ist, umso mehr ist der logisch denkende<br />
Neokortex ausgeschaltet. Deswegen ist es so unerhört schwierig, <strong>mit</strong><br />
Menschen, die emotional erregt sind, sachlich zu diskutieren. Sie sind<br />
schlichtweg im Flucht- oder Angriffsmodus, und ihre Handlungen sind<br />
daher vom limbischen System geprägt und nicht vom logisch denkenden<br />
Neokortex.<br />
Dazu kommt, dass das limbische System die Stresshormone regelt.<br />
Mit <strong>dem</strong> Erleben von starken Gefühlen wird auch die Produktion von<br />
Adrenalin und Cortisol hochgefahren. Diese Stoffe wiederum bleiben<br />
eine ganze Weile im Körper, und so lange, bis diese Stoffe wieder abgebaut<br />
sind, bleiben auch die (schlechten) Gefühle erhalten. Diese<br />
Zeit nennt sich Refraktärphase.<br />
> > > > > > > >> > > >> >> > > ><br />
Die erste Absicht in Gesprächen ist daher, ungefährlich zu wirken und<br />
den Neokortex des Gegenübers »anzusteuern«. Das ist die Grundlage,<br />
da<strong>mit</strong> Gespräche fruchtbar und auf Augenhöhe stattfinden können, und<br />
da<strong>mit</strong> ein wichtiges Element für Ihren Magnetismus in Verhandlungen.<br />
56<br />
Small Talk als Chance für den Vertrauensaufbau<br />
57<br />
»Die Kunst eines guten Small Talks ist,<br />
Sicherheit zu geben.«<br />
Unter Small Talk versteht man eine oberflächliche Unterhaltung über<br />
belanglose Themen. Man könnte auch sagen: Gerede über Banalitäten,<br />
die nichts <strong>mit</strong> Entscheidungen oder sachlich relevanten Themen zu tun<br />
haben. Doch der richtige Small Talk ist nicht so simpel, wie es auf den<br />
ersten Blick scheint. Sind die ersten Worte gut gewählt, kann man <strong>mit</strong><br />
der richtigen Konversation unter Fremden das sprichwörtliche Eis brechen.<br />
Wählt man indes die falschen Worte, ist die Chance genauso leicht<br />
verspielt. Auch im Business-Kontext ist Small Talk wichtig, denn er lockert<br />
die Atmosphäre und lässt beiden Verhandlungspartnern die Zeit,<br />
<strong>mit</strong> ihren Gedanken vollständig in der Verhandlung anzukommen. Durch<br />
eine entspannte Unterhaltung über Themen, die <strong>mit</strong> der geschäftlichen<br />
Seite nichts zu tun haben, wird in dieser Phase das Vertrauen aufgebaut,<br />
das als Grundlage für das weitere Gespräch und eine langfristige<br />
Kundenbeziehung enorm wichtig ist. Denn je mehr Vertrauen Sie schon<br />
jetzt aufbauen, umso mehr wird Ihr Gegenüber Ihren Argumenten in der<br />
Verhandlung folgen. Natürlich zeigt ein gelungener Small Talk auch,<br />
dass Sie echtes Interesse haben. Präsentes Zuhören und Interesse an<br />
einer Person sind in Zeiten von Facebook, Twitter und Co. zu einer Rarität<br />
geworden. Interessieren Sie sich daher wirklich für Ihr Gegenüber – das<br />
macht auch Sie zu einer Rarität.<br />
Bei der ersten Begegnung zwischen zwei Geschäftspartnern bieten<br />
sich im Business-Small-Talk Themen an, die zwar noch oberflächlich<br />
sind, aber schon an das Geschäftliche anknüpfen. Dies ist zum Beispiel<br />
ein Gesprächseinstieg, in <strong>dem</strong> Sie betonen, dass Sie sich freuen, Ihr Gegenüber<br />
kennenzulernen. Das wirkt immer freundlich und verbindlich.<br />
Da<strong>mit</strong> das allerdings keine oberflächliche Floskel bleibt, ist es sinnvoll,
sich vorab zu überlegen, warum Sie sich auf diese Begegnung freuen.<br />
Vielleicht kennen Sie aus Telefonaten schon Details, an die Sie nun anknüpfen<br />
können, oder Sie haben auf der Internetseite des Unternehmens<br />
positive Neuigkeiten gelesen, die Sie ansprechen können. Auch<br />
da<strong>mit</strong> signalisieren Sie ernst gemeintes Interesse. Ein weiteres Einstiegsthema<br />
ist der Ort der Veranstaltung. Wenn Sie sich zum Beispiel in<br />
einem außergewöhnlichen Gebäude befinden, können Sie das thematisieren.<br />
Auch das bauliche Umfeld, die Region oder die Stadt, in der Sie<br />
sich treffen, sind gute erste Themen. Wenn Sie sich <strong>mit</strong> Unternehmern<br />
treffen, ist es auch immer eine gute Möglichkeit, Fragen zum Unternehmen<br />
zu stellen, zum Beispiel, wie lange es das Unternehmen schon gibt<br />
oder ob es immer in dieser Stadt ansässig war.<br />
Die Frage, ob Ihr Gesprächspartner Ihre Räumlichkeiten gut gefunden<br />
hat oder die Parkplatzsuche leicht war, wird oft gestellt. Auch das ist<br />
eine Lösung für den ersten Satz. Allerdings erlebe ich oft, dass Kunden<br />
diese Frage auch gestellt bekommen, wenn von vornherein klar ist, dass<br />
die Parkplatzsuche aufwendig und mühsam gewesen ist. Wie Sie bereits<br />
wissen, wecken Sie da<strong>mit</strong> eher negative Erinnerungen als positive Emotionen.<br />
Daher verzichten Sie in diesem Fall besser auf die Frage.<br />
Ziel Ihres Small Talks darf es sein, Gemeinsamkeiten aufzudecken.<br />
Stellen Sie sich vor, Sie sind in Australien unterwegs. Abends gehen Sie<br />
in einem Restaurant essen. Am Nebentisch wird Deutsch gesprochen,<br />
und Sie hören den Satz: »Ich lebe gerne in Köln.« Fast jeder, der auch in<br />
Köln wohnt, würde sich jetzt zu erkennen geben und sich in das Gespräch<br />
einschalten. Die Bereitschaft, nach <strong>dem</strong> Essen noch gemeinsam etwas<br />
zu unternehmen, wächst enorm. Würde uns das auch in Köln passieren?<br />
Natürlich nicht. Doch im Ausland verbindet diese Gemeinsamkeit.<br />
Sympathie lässt sich durch die aktive Fokussierung von Gemeinsamkeiten<br />
erzeugen. Für den Small Talk bedeutet das: Sie haben gemeinsame<br />
Bekannte? Sie waren auf derselben Universität? Sie wohnen im selben<br />
Stadtteil? Sie haben das gleiche Hobby? So etwas verbindet und bietet<br />
58<br />
nebenbei eine gute Grundlage für den Gesprächseinstieg. Ist das erste<br />
Eis gebrochen, können weiterführende Themen auch die Kinder oder der<br />
letzte Urlaub sein.<br />
Für Small Talk eignen sich alle Gesprächsthemen, bei denen Sie auf<br />
sicherem Boden bleiben und eine gute Stimmung erzeugen. Religiöse<br />
oder politische Themen, die zu kontroversen Diskussionen führen können,<br />
sollten vermieden werden. Die Gefahr, dass Ihr Gegenüber anderer<br />
Meinung ist und Sie da<strong>mit</strong> die Gesprächsatmosphäre eher verschlechtern<br />
als verbessern, ist zu hoch. Ebenso tabu sind natürlich Fragen, die<br />
Skandale des Unternehmens betreffen oder Kritik am Gastgeber zum<br />
Ausdruck bringen. Auch Themen wie Geld oder Krankheiten gehören<br />
nicht hierher. Eine weitere Todsünde ist, den Gesprächspartner <strong>mit</strong><br />
Small Talk zu langweilen. Hier ist die Dosierung entscheidend. Die Dauer<br />
des Plauderns richtet sich immer nach <strong>dem</strong> Kunden. Achten Sie auf<br />
Zeichen der Ablehnung oder Langeweile. Diese einleitende Gesprächsphase<br />
ist dann schnellstmöglich zu beenden.<br />
Small Talk als Strategie<br />
Ein weiterer Zweck des Business-Small-Talks ist, erste Vorannahmen<br />
über Ihren Gesprächspartner zu treffen. Sie können die Zeit nutzen, um<br />
ein Gefühl für die grundsätzlichen Bedürfnisse und Einstellungen Ihres<br />
Verhandlungspartners zu bekommen.<br />
Ein Beispiel:<br />
Wunderbar eignet sich dazu ein Gespräch über den Urlaub. Nehmen<br />
wir an, Sie hören im Small Talk dazu Folgendes: »Ich komme gerade<br />
aus <strong>dem</strong> Urlaub, wie jedes Jahr fahren wir in den Robinson Club nach<br />
Mallorca. Das ist prima. Alles ist vor Ort: Sportmöglichkeiten, Wasser,<br />
59
Strand, und abends muss man sich nicht mal um ein gutes Restaurant<br />
kümmern. Ist alles da. Sogar nette Leute kann man da kennenlernen.«<br />
Welche Schlüsse können Sie daraus ziehen? Gewohnheit (… wie jedes<br />
Jahr …), Bequemlichkeit (man muss sich nicht kümmern), Geselligkeit<br />
(… nette Leute kennenlernen). Wenn hingegen Ihr Gesprächspartner erzählt:<br />
»Dieses Jahr machen wir eine Autoreise durch Andalusien. 14 Tage<br />
lang werden wir die weißen Dörfer besichtigen, jeden Tag ein anderes<br />
Hotel. Wir fahren nur zu zweit und freuen uns auch sehr darauf, für uns<br />
zu sein. Die Hotels buchen wir vor Ort, denn Pauschaltourismus liegt<br />
uns nicht so«, können Sie ganz andere erste Annahmen treffen, nämlich<br />
dass Sie es <strong>mit</strong> einem Menschen zu tun haben, <strong>dem</strong> Individualität, Freiheit<br />
und Unabhängigkeit wichtig sind.<br />
Vorsicht aber vor <strong>dem</strong> umgekehrten Fall. Auch ohne dass wir bewusst<br />
darüber nachdenken, finden unsere Aussagen zu unserer inneren Einstellung<br />
den Weg in das Gehirn unseres Gesprächspartners. In der Anbahnung<br />
einer Zusammenarbeit im Trainingsbereich sagte einmal eine<br />
potenzielle Geschäftspartnerin zu mir: »Meinen letzten Trainingspartner<br />
habe ich dann vor Gericht wiedergesehen.« Was höre ich daraus? Ob<br />
sie wirklich so streitlustig war oder nicht, wollte ich bereits nicht mehr<br />
herausfinden, so schnell hat mir dieses Statement den Spaß an der Zusammenarbeit<br />
verdorben. Auf diese Art und Weise trifft jeder Mensch<br />
beim ersten Zusammentreffen Vorannahmen über mögliche Einstellungen.<br />
Natürlich lohnt es sich trotz<strong>dem</strong>, gut hinzuhören, um mögliche<br />
Grundbedürfnisse des Verhandlungspartners herauszuhören.<br />
Einsetzen können Sie diese Erkenntnisse zum Beispiel bei der Präsentation<br />
des Angebots. Wenn Sie wissen, ob Ihrem Gegenüber eher<br />
Bequemlichkeit oder eher Individualität wichtig ist, können Sie ihm<br />
zu seinen Vorlieben passend eher eine individuelle Lösung oder eine<br />
Full-Service-Pauschale anbieten.<br />
Natürlich kann man auch seine eigene Kompetenz und Größe in ein<br />
Gespräch einstreuen, ohne dabei zu sehr aufzutragen. Wenn man andeuten<br />
möchte, dass man bereits viel Erfahrung hat, kann man Sätze<br />
einstreuen, welche die eigene Person <strong>mit</strong> Erfahrungsgeschichten oder<br />
Zeugen aufwerten. Zum Beispiel können Sie große Firmen benennen,<br />
für die Sie arbeiten: »Ich komme gerade aus den letzten Gesprächsverhandlungen<br />
<strong>mit</strong> Amazon.«; »Als wir das Geschäft für Mercedes abgewickelt<br />
haben, stand auch genau dieses Problem im Raum. Dort konnten<br />
wir das für alle Beteiligten gut lösen – ich bin zuversichtlich, dass uns<br />
das bei Ihnen auch gelingt.« Unbewusst verknüpft der Zuhörer da<strong>mit</strong><br />
die Größe der genannten Firma <strong>mit</strong> Ihrer Kompetenz. Getreu <strong>dem</strong> Motto:<br />
»Wenn die dieser Person vertrauen und <strong>mit</strong> ihr zusammenarbeiten,<br />
dann muss diese Person ja gut sein, und ich kann ihr auch vertrauen.«<br />
60<br />
Tipp:<br />
Es gibt Menschen, die von allein nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Small Talk aufhören.<br />
Für solche Fälle gibt es eine einfache Formulierung, <strong>mit</strong> der Sie »Vielrednern«<br />
die Zeit kürzen. Fragen Sie einfach: »Wie waren wir noch mal<br />
darauf gekommen, über Mallorca zu sprechen? Ach ja, ich hatte Sie<br />
nach Ihrem Urlaub gefragt. Schön, dass es Ihnen so gut gefallen hat.<br />
Ich schlage vor, wir steigen nun in das Gespräch ein, okay?« Da<strong>mit</strong><br />
können Sie verhindern, dass Ihr Small Talk zur Plauderfalle wird.<br />
Den Rahmen abstecken<br />
Nun geht es darum, gemäß <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong> das Gespräch in klare<br />
Bahnen zu lenken. Der stärkere Partner führt immer das Gespräch. Wir<br />
als Profis wollen führen, ohne dass es dabei sichtbar um Macht<strong>dem</strong>onstration<br />
geht, denn die Verhandlungen sollen ja auf Augenhöhe statt-<br />
61
finden. Gespräche sind effektiver, wenn jeder Gesprächspartner weiß,<br />
welcher Ablauf ihn erwartet. Dazu ist es wichtig, den inhaltlichen und<br />
den zeitlichen Rahmen zu definieren, die Informationen, die vorab schon<br />
ausgetauscht worden sind, kurz zu benennen und zu klären, inwieweit<br />
Sie sich Notizen machen können.<br />
Um den inhaltlichen Rahmen abzustecken, klären Sie zuerst, welche<br />
Themen heute zu besprechen sind. Das sind zum einen natürlich die<br />
Themen, derentwegen der Gesprächstermin überhaupt zustande kam.<br />
Zum anderen sollte hier nachgefragt werden, ob es darüber hinaus noch<br />
weitere Themen gibt, die geklärt werden müssen. Dem Serviceprinzip<br />
folgend ist es gut, wenn der Kunde seinen Kopf leer hat und sich nicht<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Behalten der Fragen beschäftigen muss. Ob Sie diese sofort beantworten<br />
oder später im Gespräch, ist vom Einzelfall abhängig. Sind es<br />
Fragen, die Sie jetzt schon beantworten können oder müssen, dann tun<br />
Sie das. Ist für die Beantwortung aber noch die Klärung anderer Parameter<br />
wichtig, schreiben Sie sich die Fragen besser auf und beantworten<br />
Sie sie im Laufe des Gespräches. Deswegen ist es wichtig, die Frage,<br />
was Ihr Kunde heute besprechen möchte, schon im Vorfeld zu stellen.<br />
Es gibt Ihnen die Chance, Ihr Gespräch rund um diese Fragen, Einwände<br />
oder diesen Bedarf aufzubauen und das Steuer in der Hand zu behalten.<br />
Die Struktur des Gespräches können Sie <strong>mit</strong> folgender Formulierung<br />
vorgeben:<br />
• »Herr Kunde, wir wollen heute über das Thema xy sprechen. Ich<br />
möchte dazu <strong>mit</strong> Ihnen die Punkte 1, 2, 3 erörtern. Doch vorab<br />
interessiert mich: Welche offenen Punkte haben Sie <strong>mit</strong>gebracht,<br />
die Ihnen am Herzen liegen?«<br />
Nach<strong>dem</strong> Sie und Ihr Kunde die Punkte genannt haben, kann es da<strong>mit</strong><br />
weitergehen, dass Sie klären, wessen Punkte zuerst abgehandelt werden.<br />
Das kann sich wie folgt anhören:<br />
62<br />
• »Prima, was klären wir zuerst? Ich schlage vor, wir starten <strong>mit</strong><br />
Ihren Fragen.«<br />
• Oder: »Ihre Punkte habe ich mir notiert, da<strong>mit</strong> ich sie Ihnen an<br />
richtiger Stelle beantworten kann. Ich schlage vor, wir starten<br />
da<strong>mit</strong>, dass ich Ihren Bedarf noch besser kennenlerne.«<br />
Sie haben Informationen zum Kundenbedarf durch Dritte erhalten? Gestalten<br />
Sie die Übergabe von Kundeninformationen so aktiv, dass Ihr<br />
Kunde merkt, welches Wissen Sie bereits haben, während Sie diese<br />
trotz<strong>dem</strong> noch einmal auf ihre Richtigkeit abklopfen:<br />
• »Von Ihrem Makler weiß ich bereits, dass Sie ein Objekt suchen,<br />
das folgende Eigenschaften hat (es folgt eine Aufzählung des<br />
bisher bekannten Bedarfs). Stimmt das? Was ist darüber hinaus<br />
wichtig für Sie?«<br />
• »Mein Kollege erzählte mir bereits, dass Sie folgenden Bedarf<br />
haben (Aufzählung). Ist das so noch aktuell? Welche Punkte benötigen<br />
Sie noch?«<br />
Wenn Sie sich zum wiederholten Male treffen, fassen Sie die Informationen<br />
aus den Vorgesprächen zusammen. Das können Sie so formulieren:<br />
• »Wir waren in unserem letzten Gespräch auseinandergegangen<br />
und hatten Einigkeit erzielt bei den Punkten a und b. Die Punkte<br />
x und y wollen wir heute klären.«<br />
• »Nach unserem letzten Gespräch waren noch die folgenden<br />
Punkte offen (Aufzählung). Diese wollen wir heute klären. Sind<br />
für Sie noch weitere Themen hinzugekommen?«<br />
Auch wenn Sie den Termin vorab für einen fixen Zeitraum geblockt haben,<br />
klären Sie grundsätzlich immer den zeitlichen Rahmen noch ein-<br />
63
mal aktuell ab. Sie können kurz fragen: »Zeit haben wir heute wie vereinbart<br />
bis 13 Uhr, richtig?« In meinen Coachings habe ich schon Kunden<br />
erlebt, die fünf Minuten vor <strong>dem</strong> Abschluss sagten: »Oh, ich muss jetzt<br />
zum Arzt!«<br />
Das Gespräch dann in fünf Minuten noch konstruktiv zu Ende zu führen,<br />
ist viel schwieriger, als sich <strong>mit</strong> einer exakten Zeitangabe von Anfang<br />
an einen Plan zurechtzulegen.<br />
Manche Kunden sind aufgrund des Datenschutzes nicht begeistert,<br />
wenn Sie persönliche Informationen aufschreiben, ohne vorher ihr Einverständnis<br />
dazu eingeholt zu haben. Im Zweifel fragen Sie lieber, ob Sie<br />
sich bestimmte Fakten notieren dürfen.<br />
Wenn Sie der »Neue« sind, also die Position eines Vorgängers übernehmen,<br />
dann ist es üblich, dass der bisherige Betreuer den neuen<br />
Betreuer in einem Gespräch vorstellt. Für den Kunden ist das oft keine<br />
glückliche Situation, da <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> bekannten Menschen das aufgebaute<br />
Vertrauen und auch die Verhandlungshistorie, also die ausgetauschten<br />
Informationen, wegbrechen.<br />
Daher ist es wichtig, so eine Kundenübergabe aktiv und positiv zu<br />
gestalten. Mit <strong>dem</strong> Vorgänger sollte in <strong>dem</strong> Gespräch geklärt werden,<br />
wer welche Themen anspricht, wie der Vorgänger den Nachfolger vorstellt<br />
und dass ausreichend Zeit für das erste Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Nachfolger<br />
vorhanden ist. Der Nachfolger kann den ersten Eindruck nutzen,<br />
um sein Interesse am Kunden durch Fragen zu bekunden oder sein<br />
durch firmeninterne Unterlagen oder vom Vorgänger erworbenes Wissen<br />
zu hinterfragen oder in das Gespräch einzuflechten. Zeigen Sie im<br />
Gespräch, dass Sie sich bereits eingearbeitet haben. Das signalisiert Interesse<br />
und Aufmerksamkeit.<br />
Auch wer inhaltlich noch nicht viel zum Gespräch beitragen kann,<br />
kann verbindlich wirken, sich <strong>mit</strong> ein paar Worten und seiner Visitenkarte<br />
vorstellen und über die weitere Zusammenarbeit sprechen.<br />
64<br />
Tipp:<br />
Oft finden auch Verhandlungen statt, an denen mehrere Kollegen beteiligt<br />
sind. Dann lautet die wichtigste Frage: Wer übernimmt die Gesprächsführung?<br />
Da<strong>mit</strong> sich alle anwesenden Kollegen gut ergänzen,<br />
müssen Sie vorher absprechen, wer welche Rolle einnimmt. Sind verschiedene<br />
Hierarchien an einer Verhandlung beteiligt, dann erwarten<br />
Mitarbeiter die Gesprächsführung meist automatisch von der ranghöchsten<br />
Person. Es kann aber sehr sinnvoll sein, dass ein Mitarbeiter<br />
das Gespräch führt, zum Beispiel, wenn er auch später der erste<br />
Ansprechpartner des Kunden sein soll. Der Chef hat dann lediglich die<br />
Aufgabe, sich einzubringen, wenn es erforderlich ist. Auf der anderen<br />
Seite gibt es auch genug Verhandlungen, wo es sehr wichtig ist, die<br />
Hierarchiekarte zu spielen, sodass dann der ranghöchste Mitarbeiter<br />
die Verhandlung leitet. Klären Sie also vorher, was für die aktuelle Situation<br />
angemessen ist, da<strong>mit</strong> das Gespräch reibungslos funktioniert.<br />
Auch sollten die wesentlichen Informationen allen Beteiligten vorliegen,<br />
sodass man sich nicht im Gespräch vor <strong>dem</strong> Kunden austauschen<br />
muss, denn das wirkt unvorbereitet und unprofessionell.<br />
Mit den obigen Formulierungen zur Gesprächsstruktur verlassen wir<br />
die Phase des Gesprächseinstiegs und leiten zur sachlichen Diskussion<br />
über. Die erste persönliche Einschätzung hat nun stattgefunden. Sie haben<br />
gelesen, wie Sie <strong>mit</strong>hilfe von Blickkontakt und Ihrer Körpersprache<br />
Wirkung erzeugen können. Des Weiteren haben Sie erfahren, wie psychoaktiv<br />
Wörter wirken können und wie Sie <strong>mit</strong> den richtigen Worten<br />
Vertrauen aufbauen. Auch, wie Sie gekonnt in den Small Talk einsteigen<br />
und den Rahmen der Verhandlung abstecken, um authentisch die Führung<br />
des Gesprächs zu übernehmen, war ein Teil dieses Kapitels. Als<br />
Nächstes schließt sich die Phase des Informationsaustausches an: Jetzt<br />
sind Ihre fachlichen Fähigkeiten gefragt.<br />
65
3 Informationsaustausch:<br />
Bedarfsanalyse und Angebotsphase<br />
66<br />
»Führe ein Gehör statt eines Gespräches.«<br />
Die Bedarfser<strong>mit</strong>tlung ist die Königsdisziplin in Verkauf und Beratung.<br />
Da<strong>mit</strong> das Angebot passend gestaltet werden kann, ist es wichtig zu<br />
wissen, was der Kunde überhaupt braucht. Zu oft erlebe ich Verkäufer,<br />
die sofort ihr Produkt in den höchsten Tönen anpreisen und dabei gleich<br />
mehrere Dinge übersehen: Zum einen können Menschen nur 7 bis 15<br />
Informationen behalten. Wenn es mehr werden, überfordern Sie Ihren<br />
Kunden komplett. Zum anderen sind oft nicht alle Ihre Produktmerkmale<br />
für jeden Kunden wichtig, und dann langweilt eine Produktpräsentation<br />
oder verärgert den Adressaten sogar. Es ist der Job des Anbieters,<br />
die treffenden Argumente parat zu haben. Kunden interessieren sich nur<br />
für das, was sie selbst benötigen. Was das genau ist, können Sie natürlich<br />
nur wissen, wenn Sie vorher den Bedarf konkret und detailliert<br />
herausfiltern. Daher besteht diese Phase aus zwei Unterpunkten: der<br />
Bedarfsanalyse und <strong>dem</strong> auf diesen Bedarf zugeschnittenen Angebot.<br />
Widerstehen Sie also <strong>dem</strong> Impuls, Ihr Produkt anzupreisen, bevor<br />
Sie konkret wissen, worum es Ihrem Kunden geht.<br />
Praxisbeispiel:<br />
Ich begleitete einmal eine Vermieterin einer Lagerhalle bei zwei Besichtigungen<br />
<strong>mit</strong> potenziellen Mietern. Im ersten Gespräch hörte sich das in<br />
etwa so an: »Ich erzähle Ihnen gerne etwas über die Immobilie. Vorher<br />
hat hier eine Firma Schreibgeräte produziert, und Sie sehen diese Halle<br />
noch in <strong>dem</strong> Zustand, in <strong>dem</strong> sie verlassen wurde. Gern bauen wir das<br />
nach Ihren Wünschen aus. Sie können die Halle auch in viele kleine Einheiten<br />
abtrennen oder die Größe komplett nutzen. Letztes Jahr sind die<br />
Fenster erneuert worden, und hier drüben gibt es ein Meisterbüro. Für<br />
zwei Büroräume ist im ersten Stock Platz, wenn Sie mehr benötigen,<br />
dann kann ich Ihnen dafür einen Bürokubus in die Halle setzen.« Das<br />
war zwar sehr nett erzählt – aber sieht so ein Gespräch aus, bei <strong>dem</strong> der<br />
Kunde im Mittelpunkt steht? Sicher nicht, das wäre es gewesen, wenn<br />
sie den Bedarf hinterfragt hätte. Zum Beispiel <strong>mit</strong> den Worten: »Sagen<br />
Sie, was ist Ihnen denn eigentlich wichtig?« Nach unserem Feedbackgespräch<br />
tat sie genau das im Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> zweiten potenziellen<br />
Mieter. So wurde ein völlig anderes Gespräch daraus. Nun gab es einen<br />
Dialog, der ungefähr so verlief:<br />
Vermieterin: »Sagen Sie, wenn Ihr Unternehmen hier ein neues Zuhause<br />
finden soll, was ist Ihnen dann dabei wichtig?« Potenzieller<br />
Mieter: »Ich benötige zwei Rolltore, 6 Meter Deckenhöhe, eine große<br />
Halle ohne Zwischenwände.« Jetzt konnte sie gezielt antworten: »Die<br />
Deckenhöhe beträgt hier 7,50 Meter, die Zwischenwand, die hier noch<br />
steht, ist nicht tragend, die können wir entfernen. Und wir haben hier<br />
ein Rolltor. Ein zweites könnte ich Ihnen dort hinten einbauen.« Das ist<br />
ein gezieltes Angebot! Und sie blieb dran: »Was brauchen Sie noch?«<br />
Der potenzielle Mieter antwortete: »Es muss warm sein im Winter, da wir<br />
Montagearbeiten in der Halle durchführen, und ich benötige vier Büroarbeitsplätze.«<br />
Und ihre maßgeschneiderte Antwort lautete: »Die Firma,<br />
die hier vorher ihren Sitz hatte, ist <strong>mit</strong> der Heizung, die Sie hier sehen,<br />
sehr gut klargekommen. Warm ist es hier im Winter. In der zweiten Etage<br />
haben wir zwei Büros, in denen vier Arbeitsplätze eingerichtet werden<br />
können. Gibt es noch etwas, das Sie brauchen?«<br />
Wunderbar – sie hatte die volle Aufmerksamkeit des potenziellen Mieters,<br />
da sie sich wirklich für seinen Bedarf interessierte. Das führte dazu,<br />
dass sie alle seine Wünsche kennenlernte und entweder sofort erfüllen<br />
oder ihm Angebote für die Umsetzung machen konnte. Alle unwichtigen<br />
67
Informationen ließ sie weg. Dadurch waren die beiden gut im Gespräch.<br />
Gelingen konnte das durch eine gute Fragetechnik und ein gezielt formuliertes<br />
Angebot.<br />
Den Bedarf erkennen: Mit Fragen filtern<br />
Stellen Sie sich vor, Sie sehen Ihr altes Schulfoto <strong>mit</strong> 200 Personen. Wen<br />
suchen Sie als Erstes? Genau, sich selbst. Tief in unserem Herzen sind<br />
wir alle kleine Egoisten. Und worüber freuen die sich? Darüber, dass<br />
man ihnen Aufmerksamkeit entgegenbringt und sie nach ihrer Meinung<br />
fragt. Wenn Sie das <strong>MagnetPrinzip</strong> anwenden wollen, dann steht nachhaltiges<br />
Denken an erster Stelle. Dafür müssen Sie die Wünsche und<br />
Bedürfnisse Ihres Verhandlungspartners gut kennen und sie <strong>mit</strong> Fragen<br />
herausfiltern. Eine gute Fragetechnik ist das Herzstück von Beratung<br />
und Verkauf. In einer Zeit, in der Kunden auf viele sich oberflächlich nicht<br />
unterscheidende Anbieter treffen, sind Fragen das Mittel der Wahl, um<br />
den Kunden charmant in den Mittelpunkt zu rücken. Fragen regen zum<br />
Denken an, denn jede Frage ist ein unbewusster Suchbefehl für das Gehirn.<br />
Jede gut gestellte Frage untermauert Ihr echtes Interesse an Ihrem<br />
Kunden und wirkt sich da<strong>mit</strong> positiv auf die Beziehung zwischen den<br />
Geschäftspartnern aus. Trotz<strong>dem</strong> höre ich Menschen in Verkauf oder Beratung<br />
oft viel zu viel reden. Und der Kunde kommt kaum zu Wort.<br />
Ich vermute, das liegt daran, dass diese Verkäufer <strong>mit</strong> den verschiedenen<br />
Fragetypen nicht ausreichend vertraut sind, <strong>mit</strong> denen sie<br />
potenzielle Kunden schnell und sicher zur Kaufentscheidung führen<br />
können.<br />
Haben Sie den Mut, viele Fragen zu <strong>dem</strong> Bedarf Ihres Gegenübers zu<br />
stellen und dann die Stille auszuhalten und abzuwarten. Die Geisteshaltung,<br />
die ich dafür empfehle, ist: »Führe doch ein Gehör statt eines Gespräches!«<br />
Das hilft auch enorm dabei, den Redeanteil des Beraters zu<br />
68<br />
senken. Im Angebotsteil wird es nötig sein, mehr zu sprechen und zu erklären,<br />
aber noch nicht in der Bedarfsanalyse. Als Faustregel gilt für diese<br />
Phase, dass der Redeanteil des Kunden hier mindestens bei 70 Prozent<br />
liegen sollte, der des Beraters hingegen maximal bei 30 Prozent.<br />
Verkäufer, die zu viel reden, haben möglicherweise Angst, die Kontrolle<br />
im Verkaufsgespräch zu verlieren, und lassen deshalb ihr Gegenüber<br />
nicht zu Wort kommen. Hier kann Sokrates’ Ausspruch »Wer fragt,<br />
der führt« helfen. Anders formuliert: »Mit Fragen lenken, was andere<br />
denken.« Diese beiden Sätze besagen, dass Sie <strong>mit</strong> einer guten Fragetechnik<br />
nicht nur die für Sie wichtigen Informationen erhalten, sondern<br />
auch das Gespräch gezielt führen können. Dafür ist es wichtig, die<br />
verschiedenen Fragearten unterscheiden und anwenden zu können.<br />
Besonders wichtig dabei ist jedoch, dass jede Frage den Bedarf Ihres<br />
Gesprächspartners in den Mittelpunkt stellt. Also, keine Angst vorm Fragen!<br />
Ein guter Berater hat ein gutes Gefühl für die passende Frage im<br />
Gesprächsverlauf, behält dabei immer sein Gesprächsziel im Auge und<br />
nutzt die Gelegenheit <strong>mit</strong> Freude, mehr über seinen Geschäftspartner<br />
zu erfahren.<br />
Sechs verschiedene Fragearten optimal einsetzen<br />
In Verkaufsgesprächen lassen sich grundsätzlich sechs verschiedene<br />
Fragetypen einsetzen:<br />
• Offene Fragen<br />
• Geschlossene Fragen<br />
• Alternative Fragen<br />
• Suggestive Fragen<br />
• Hypothetische Fragen<br />
• »Sich selbst verkaufende« Fragen<br />
69
Beim Gesprächsstart wollen wir den Verhandlungspartner zur Offenheit<br />
einladen und an seinen Gedanken teilhaben. Wir benötigen ein möglichst<br />
breites Spektrum an möglichen Antworten. Daher eignen sich<br />
offene Fragen zum Anfang eines jeden Gesprächs, da sie die Antwort<br />
des Gesprächspartners nicht einschränken. Es ist die Zeit, so viele Informationen<br />
wie möglich zu sammeln, um den Bedarf zu erfragen. Hier ist<br />
es überhaupt noch nicht nötig, zu sehr ins Detail zu gehen, sondern es<br />
geht darum, sich in das Denken des Kunden hineinzuversetzen. Offene<br />
Fragen bieten die Möglichkeit, viel über die Wünsche und Bedürfnisse<br />
zu erfahren.<br />
Offene Fragen sind grundsätzlich alle W-Fragen: was, wer, welche,<br />
warum, wie, wie viele, wie lange? Offene Fragen haben immer das Ziel,<br />
mehr Informationen zu erhalten. Sie sollten so gestellt werden, dass<br />
der Kunde die Möglichkeit hat, ohne Einschränkungen aus seiner Gedankenwelt<br />
heraus zu antworten. Diese Fragen kann man danach unterscheiden,<br />
ob sie nach <strong>dem</strong> Grund fragen: »Wieso?«, nach der Intention:<br />
»Wozu/Wofür?«, nach der Art und Weise: »Wie?«, nach der Zeit oder der<br />
Anzahl: »Wie lange, wie viel?«, oder <strong>dem</strong> Ort: »Wo?«<br />
Beispiele für offene Fragen:<br />
Erinnern wir uns an das Beispiel am Anfang des Kapitels, in <strong>dem</strong> eine<br />
Lagerhalle vermietet werden sollte. Die Vermieterin fragte: »Wenn Ihr<br />
Unternehmen hier ein neues Zuhause finden soll, was ist Ihnen dann<br />
wichtig?« Überlegen Sie sich für Ihr Business die Alternative zu dieser<br />
Eingangsfrage. Je offener sie gestellt wird und je mehr Ihnen der Kunde<br />
zu seinem Bedarf erzählt, umso besser läuft das Gespräch. Richten<br />
Sie sich darauf ein, weiter nachzufragen – »Okay, was ist Ihnen noch<br />
wichtig?« –, und erliegen Sie nicht der Versuchung, schnell <strong>mit</strong> Ihrem<br />
Angebot zu punkten. Bleiben Sie ruhig und gelassen in der Fragestellung<br />
und fragen Sie so lange offen weiter, bis Sie merken, jetzt ist wirklich<br />
jeder Wunsch geäußert. Erst dann ist es an der Zeit, Antworten zu<br />
geben.<br />
Bei der Vermietung von Immobilien kann die Eröffnungsfrage lauten:<br />
»Welche Anforderungen haben Sie konkret an Ihre neuen Räumlichkeiten?«<br />
Beim Kauf eines neuen Laptops könnte der Verkäufer fragen:<br />
»Für welche Zwecke kaufen Sie den Laptop, was wollen Sie da<strong>mit</strong> tun?«<br />
Und ein Autoverkäufer könnte es so formulieren: »Was erwarten Sie von<br />
Ihrem neuen Auto?«<br />
Geschlossene Fragen lassen dagegen nur »Ja« oder »Nein« als Antwort<br />
zu und sind daher nicht geeignet, um von Ihrem Gegenüber Informationen<br />
zu erhalten. Wenn Sie es <strong>mit</strong> Menschen zu tun haben, die<br />
generell eher schweigsame Naturen sind, kann der Dialog schnell zu<br />
Ende sein. Geschlossene Fragen dienen der Verfeinerung der Bedarfser<strong>mit</strong>tlung<br />
und sind da<strong>mit</strong> im weiteren Verlauf des Gesprächs sinnvoll.<br />
Zu diesem Zeitpunkt haben Sie vielleicht noch viele Produktalternativen<br />
im Hinterkopf, die für Ihren Kunden infrage kommen. Mit alternativen<br />
oder geschlossenen Fragen grenzen Sie den Bedarf ein, da<strong>mit</strong> Sie Ihr<br />
Angebot verfeinern können. Sie sollten geschlossene Fragen auch dann<br />
verwenden, wenn Sie die Aufmerksamkeit in eine ganz bestimmte Richtung<br />
lenken möchten.<br />
Beispiele für geschlossene Fragen:<br />
• »Brauchen Sie eine Alarmanlage in Ihrem Bürogebäude?«<br />
• »Möchten Sie eine 16-GB-RAM-Speicherkarte für Ihren Laptop?«<br />
• »Ist Ihnen der Dolby-Surround-Klang in Ihrem Auto wichtig?«<br />
Eine weitere gute Gelegenheit, um <strong>mit</strong> geschlossenen Fragen zu agieren,<br />
ist zum Ende des Gesprächs hin, um sicherzustellen, dass man alles<br />
richtig verstanden hat, oder um den Abschluss einzuleiten:<br />
70<br />
71
• »Ich habe Sie also richtig verstanden, dass für Sie der Einzugstermin<br />
der 1. Juli sein soll?«<br />
• »Fehlt Ihnen noch eine Information zu Ihrem neuen Laptop?«<br />
• »Sollen wir die Anmeldung des Gebrauchtwagens für Sie übernehmen?«<br />
Alternative Fragen grenzen Möglichkeiten ein. Im Gespräch sind sie aus<br />
zwei Gründen angebracht. Zum Beispiel, wenn der Kunde sich zwar zwischen<br />
zwei Möglichkeiten entscheiden kann, die Alternativen aus Ihrer<br />
Perspektive als Verkäufer aber nicht beliebig sind. Also immer dann,<br />
wenn die Frage »Wie hätten Sie es denn gerne?« das Risiko birgt, dass<br />
der Kunde Luftschlösser baut und Sie vor die Problematik stellt, diese<br />
nicht erfüllen zu können. Ein anderer Grund kann sein, dass Sie eine<br />
Auswahl möglichst gut darstellen wollen: »Wollen Sie auf den Winterreifenwechsel<br />
hier in der Werkstatt warten oder soll unser Hol- und Bringservice<br />
den Wagen bei Ihnen zu Hause abholen und gegen Abend wieder<br />
zurückbringen?« Solch einen Kundenservice können Sie <strong>mit</strong> alternativen<br />
Fragen ebenfalls gut herausstellen.<br />
Beispiele für alternative Fragen:<br />
• »Brauchen Sie eine Alarmanlage in <strong>dem</strong> Gebäude oder ist ein<br />
Wachdienst notwendig?«<br />
• »Soll der Laptop schwarz oder weiß sein?«<br />
• »Möchten Sie Ihr Auto hier im Autohaus abholen oder in unserem<br />
Werk in Süddeutschland?«<br />
72<br />
Suggestive Fragen sind eigentlich keine echten Fragen, sondern rein<br />
rhetorischer Natur. Sie sind eine andere Spielart der Ja-nein-Fragen.<br />
Eigentlich handelt es sich gar nicht um eine Frage, sondern um eine<br />
Behauptung oder ein Produktmerkmal, das <strong>mit</strong> einer Frage in den Vordergrund<br />
geschoben wird. Die Zustimmung zum Produktmerkmal soll<br />
<strong>mit</strong> einem klaren Ja noch einmal abgeholt werden. Eigentlich legen Sie<br />
Ihrem Gesprächspartner da<strong>mit</strong> schon die Antwort in den Mund und führen<br />
das Gespräch dadurch in die von Ihnen gewünschte Richtung beziehungsweise<br />
bringen Ihren Gesprächspartner dazu, über einen bestimmten<br />
Aspekt noch einmal nachzudenken.<br />
Beispiele für suggestive Fragen:<br />
• »Wenn Sie hier im Gebäude eine Kantine hätten, das wäre doch<br />
prima, oder?«<br />
• »Meinen Sie nicht auch, dass die Verkehrsanbindung hier optimal<br />
für Sie ist?«<br />
• »Sie sind doch jemand, der gute Qualität zu schätzen weiß, dann<br />
ist für Sie die hochwertige Verarbeitung des Innenraums Ihres<br />
Neuwagens ebenfalls wichtig, oder?«<br />
Hypothetische Fragen unterstellen, dass Sie ins Geschäft kommen, und<br />
beleuchten die Auswirkungen davon. Sie sind zukunftsorientiert und<br />
helfen, ein Gespräch verbindlicher zu gestalten.<br />
Beispiele für hypothetische Fragen:<br />
• »Mal angenommen, wir können eine zweite Anlieferrampe einbauen,<br />
würden Sie dann hier <strong>mit</strong> Ihrem Unternehmen anmieten?«<br />
• »Wenn wir diesen Laptop <strong>mit</strong> einer anderen Grafikkarte liefern<br />
können, kommen wir dann ins Geschäft?«<br />
• »Wenn wir davon ausgehen, dass wir als Autohaus den Gebrauchtwagen<br />
noch einmal kostenlos einer Inspektion unterziehen,<br />
ist es dann Ihr Wagen?«<br />
73
Eine besondere Fragetechnik ist, den Kunden sich das Angebot selbst<br />
verkaufen zu lassen. Mit dieser Fragestellung bezwecken Sie, dass der<br />
Kunde sich seinen Nutzen Ihres Produktes noch einmal selbst erklärt.<br />
Dadurch verankert sich die Botschaft besser im Gehirn Ihres Verhandlungspartners.<br />
Bei dieser Technik wird immer <strong>mit</strong> offenen Fragen gearbeitet,<br />
allerdings wird nicht mehr der Kunde nach seinem eigentlichen<br />
Bedarf gefragt, sondern danach, wie gut er das vorgestellte Produkt<br />
für sich bewertet. Das heißt, das eigene Produkt wird <strong>mit</strong> geschickt gestellten<br />
offenen Fragen beim Kunden abgefragt. Dadurch erklärt sich<br />
der Kunde quasi seinen eigenen Nutzen. Ein bisschen Vorsicht ist dabei<br />
allerdings geboten, da<strong>mit</strong> sich die Fragen nicht zu naiv anhören.<br />
Beispiele für »sich selbst verkaufende« Fragen:<br />
• »Lieber Kunde, welchen Nutzen könnte dieser Vorteil meines Angebotes<br />
für Sie haben?«<br />
• »Gibt es weiteren Nutzen für Sie aus diesem Vorteil?«<br />
• »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, das Ihnen daran gefällt?«<br />
Egal, welche der sechs Fragearten Sie einsetzen: Wichtig ist, über die<br />
generelle Zielsetzung der Frage zu entscheiden, denn es gibt immer zwei<br />
Richtungen, in die man Fragen stellen kann: lösungsorientiert oder problemorientiert.<br />
Die obigen Fragen sind alle lösungsorientiert formuliert.<br />
Das ist sehr sinnvoll, denn in einem Beratungs- oder Verkaufsgespräch<br />
möchte man sich nicht in Problemen verlieren. Oft kommt man sonst<br />
zu schnell vom Unwichtigen ins ganz Unwichtige und merkt vielleicht<br />
nicht einmal, wie man sich auf einem Nebenkriegsschauplatz verläuft.<br />
Es kann aber durchaus sinnvoll sein, auch problemorientierte Fragen zu<br />
stellen. Auf das Problem bezogen nachzufragen bietet sich immer dann<br />
an, wenn Sie merken, dass Ihr Gesprächspartner sich noch gar nicht auf<br />
eine Lösung einlassen kann und immer wieder zu verstehen gibt, was<br />
74<br />
er nicht will oder was der letzte Lieferant alles falsch gemacht hat oder<br />
wie schlimm sein Problem eigentlich für ihn ist. Sie merken, er ist noch<br />
in den Fehlern der Vergangenheit gefangen, und die Emotionen dazu kochen<br />
noch in ihm hoch. Wenn Sie dann fragen: »Und, wie wollen wir das<br />
lösen?«, dann kann es dafür noch zu früh sein. Genau hier ist Ihr Fingerspitzengefühl<br />
gefragt. In diesem Fall ist es nötig, zunächst das Problem<br />
genau zu erkunden und zu hinterfragen. Wenn Sie <strong>dem</strong> Kunden das Gefühl<br />
geben können, dass Sie diesen Ärger verstehen, wird das sein Vertrauen<br />
zu Ihnen stärken.<br />
Der passende Fragetyp ist in solchen Fällen also nicht sofort ziel- und<br />
lösungsorientiert, sondern versucht, das Problem genauer einzugrenzen<br />
oder zu ergründen.<br />
Beispiele für Problemfragen:<br />
• »Was hat Sie an der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Ihrem jetzigen Vermieter<br />
gestört?«<br />
• »Warum kaufen Sie nach zwei Jahren schon wieder einen neuen<br />
Laptop?«<br />
• »Was ist bei Ihrer Autowerkstatt schiefgelaufen, dass Sie darüber<br />
so verärgert sind?«<br />
Wenn Ihr Kunde sich dann so richtig seinen Frust von der Seele reden<br />
durfte, haben Sie viel erfahren, nämlich all das, was er nicht mehr will –<br />
wovon er weg will. Das können Sie im nächsten Schritt sprachlich aufgreifen:<br />
»Jetzt habe ich verstanden, was bei Ihnen auf keinen Fall mehr<br />
passieren darf. Lassen Sie uns also darüber sprechen, wie wir das lösen<br />
können.« Mit ein bisschen Glück haben sich dadurch, dass Sie seinem<br />
Problem aufmerksam zugehört haben, die Emotionen Ihres Gegenübers<br />
beruhigt.<br />
Eventuell müssen Sie auch Ihren Frage-Eifer erklären, in<strong>dem</strong> Sie ein<br />
75
Statement dazu abgeben, wie wichtig es Ihnen ist, Ihre Kunden gut kennenzulernen<br />
und alle Wünsche und Ziele zu berücksichtigen.<br />
Tipp:<br />
Wie lange dauert die Bedarfsanalyse? Zumindest so lange, bis Sie aus<br />
<strong>dem</strong> Bauchladen Ihrer Produktpalette maximal drei Produkte auswählen<br />
können.<br />
Auf der einen Seite soll der Kunde eine Auswahl haben, doch es soll<br />
auch übersichtlich bleiben. Daher eignen sich zwei bis drei Produkte<br />
gut zur Vorstellung.<br />
Aktives Zuhören<br />
Fragen ist die eine Seite der Medaille, zuhören die andere. Und zuhören<br />
ist nicht gleich zuhören.<br />
Die menschliche Sprache hat so ihre Tücken, denn Menschen neigen<br />
in ihrem Sprachgebrauch dazu, wichtige Dinge vorauszusetzen und dadurch<br />
Informationen zu tilgen. Oder Ereignisse werden verzerrt wiedergegeben<br />
oder generalisiert.<br />
Das aktive Zuhören kann diese Mechanismen durchbrechen. Unter<br />
Tilgen versteht man, Informationen einfach wegzulassen, da der eigene<br />
Filter gerade sagt: Das ist nicht bedeutsam. Verzerrung beschreibt die<br />
Tatsache, dass wir unsere Erfahrungen gar nicht eins zu eins wiedergeben<br />
können.<br />
Wenn wir über eine Sache reden, so ist das niemals objektiv, sondern<br />
wir färben diese Erfahrung ganz automatisch <strong>mit</strong> unseren Gefühlen. Wir<br />
schmücken eine Situation positiver aus, als sie war, oder wir sprechen<br />
negativer über alte Themen, als sie waren. Vielleicht auch, weil wir die<br />
Bedeutung für uns unterstreichen wollen.<br />
76<br />
Ein Praxisbeispiel, wie sich Generalisierungen im Gespräch anhören:<br />
Eine Immobilie, die zusätzlich über zehn Parkplätze verfügt, soll vermietet<br />
werden. Das Unternehmen, das sich für diese Immobilie interessiert<br />
und daher gerade zur Besichtigung vor Ort ist, hat 60 Mitarbeiter.<br />
Im Gespräch sagt der potenzielle Mieter: »Da müssen ja<br />
meine Mitarbeiter fast alle außerhalb einen Parkplatz anmieten, das<br />
wird zu teuer.« Eine durchaus menschliche Reaktion wäre nun, in eine<br />
Einwandbehandlung abzugleiten und sich zusammen <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Mieter<br />
nach alternativen Parkplätzen für 50 Mitarbeiter umzusehen. Doch<br />
noch ist dieser Zeitpunkt nicht gekommen, denn wer aktiv zuhört, hört<br />
die Generalisierung »alle Mitarbeiter« heraus. Vorab ist daher erst einmal<br />
zu prüfen: Müssen wirklich fast alle Mitarbeiter einen Parkplatz<br />
anmieten? Wie war das bisher? Haben alle Mitarbeiter vor der Tür parken<br />
können? Das ist noch gar nicht geklärt. Durch die Aussage »Da<br />
müssen ja meine Mitarbeiter fast alle außerhalb einen Parkplatz anmieten«<br />
unterstellt man das aber sofort. Man fällt auf die Verallgemeinerung<br />
herein. Eine interessante Frage wäre jetzt: »Wie viele Ihrer<br />
Mitarbeiter würden denn jeden Tag <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto zur Arbeit fahren?«<br />
Vielleicht ist die neue Immobilie viel besser <strong>mit</strong> öffentlichen Verkehrs<strong>mit</strong>teln<br />
zu erreichen als das alte Büro. Wenn Sie dann eine Zahl dazu<br />
haben, wie viele Mitarbeiter tatsächlich <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto kommen und<br />
vor <strong>dem</strong> Bürogebäude parken müssen, dann können Sie weiterdenken.<br />
Erst das aktive Zuhören sorgt dafür, dass Sie Ihrem Gesprächspartner<br />
helfen können, solche Generalisierungen aufzudecken, um<br />
den echten Bedarf zu erkennen.<br />
Generalisierungen in der Sprache lassen sich leicht entschlüsseln, man<br />
erkennt sie an den Wörtern »immer«, »alle«, »jeder«, »grundsätzlich«,<br />
»ausschließlich«. Im Beispiel war es die Unterstellung, dass alle Mitarbeiter<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto zur Arbeit fahren würden und aufgrund der vermeintlich<br />
fehlenden 50 Parkplätze immer für Parktickets bezahlen müssten.<br />
77
Da auch wir Zuhörer dazu neigen, fehlende Informationen aus <strong>dem</strong><br />
eigenen Erfahrungsschatz hinzuzudichten, lohnt es sich, gut zuzuhören<br />
und die Aussagen zu hinterfragen und zu differenzieren, um zu einem genauen<br />
Bild zu kommen. Das menschliche Gehirn ist bestrebt, Wissensund<br />
Informationslücken durch Rückgriff auf gespeicherte Erfahrungen zu<br />
schließen.<br />
Lesen Sie in dieser Übung bitte den folgenden Satz:<br />
Ncah eneir Sdtiude an der Cbambrige Uversniity sleipt es kniee Rlloe,<br />
in wlcheer Rfeiheenlge die Bauchstaebn enies gertducken Wrots gstzeet<br />
sind. Witchig ist nur, dsas der estre und der lettze Bubschtae an der ritchgein<br />
Seltle shett.<br />
Diese Übung zeigt eindrucksvoll, wie unser Gehirn Bruchstücke zu einem<br />
Ganzen zusammensetzt. Wir greifen dabei auf alte Erfahrungen zurück.<br />
Im obigen Beispiel erkennt unser Gehirn die Wörter und sorgt für<br />
eine sinnvolle Zusammensetzung der Buchstaben.<br />
In Verhandlungen ist es wichtig, nichts aus alten Erfahrungen zu unterstellen.<br />
Eine Trainerkollegin von mir sagte dazu einmal, in der Bedarfsanalyse<br />
seien drei Dinge wichtig: klären, klären, klären. Um Klarheit zu<br />
erlangen, sollten Sie also nicht zu viel interpretieren oder voraussetzen.<br />
Wenn Ihr Gesprächspartner nicht sofort alle für Sie wichtigen Bedarfsinformationen<br />
herausgibt, ist das ganz normal und hat nichts da<strong>mit</strong> zu<br />
tun, dass er Ihnen nicht mehr erzählen möchte. Der Volksmund nennt<br />
dieses Phänomen »Betriebsblindheit«: es fehlt ganz einfach der Überblick,<br />
welche Informationen für den Außenstehenden relevant sind. Im<br />
besten Fall lösen Sie das <strong>mit</strong> Ihren Fragen auf und bringen dadurch Ihren<br />
Kunden dazu, über die eigenen Gewohnheiten neu nachzudenken,<br />
denn dann haben Sie sofort einen echten Mehrwert geschaffen! Bevor<br />
Sie <strong>dem</strong> Kunden Ihr Produkt oder Angebot präsentieren, sollten Sie sich<br />
daher vergewissern, dass Sie seinen Bedarf auch gut verstanden haben.<br />
78<br />
Beim aktiven Zuhören zeigt man <strong>dem</strong> Kunden ganz bewusst, dass<br />
man präsent ist, sich seine Worte gut merkt, sich für sein Anliegen interessiert<br />
und dieses Anliegen <strong>mit</strong> fachlichem Verstand verarbeitet. Die<br />
Grundvoraussetzung für aktives Zuhören ist, den anderen nicht zu unterbrechen,<br />
sondern ihn ausreden zu lassen. Während Ihr Kunde spricht,<br />
ist es wichtig, den Blickkontakt zu halten, ohne ihn anzustarren. Wenn<br />
Sie einer Freundin interessiert zuhören, wie würden Sie sich dann verhalten?<br />
Sie würden nicken, Sie würden hier und da eine vertiefende Frage<br />
stellen und aufmerksam <strong>dem</strong> Gespräch lauschen, also nicht gedanklich<br />
die Einkaufsliste für das Familienfest am Wochenende durchgehen,<br />
sondern auf den Moment fokussiert bleiben. Beim aktiven Zuhören<br />
verhalten Sie sich – aus echtem Interesse an Ihrem Kunden – genauso.<br />
Wenn Sie nur stumm zuhören oder eine Frage nach der anderen stellen<br />
würden, wäre das Gespräch doch etwas einseitig oder könnte <strong>dem</strong> Kunden<br />
vorkommen wie ein Verhör. Deswegen ist es Ihr Auftrag, Ihrem Gesprächspartner<br />
auch verbal zu zeigen, dass Sie ihn verstanden haben.<br />
Die einfachste Art, dies zu zeigen, besteht darin, zu nicken oder Wörter<br />
oder Satzabschnitte zu wiederholen. Man unterscheidet darüber hinaus<br />
das Paraphrasieren und das Verbalisieren als Gesprächstechniken des<br />
aktiven Zuhörens.<br />
Beim Paraphrasieren fasst man die Aussage des Vorredners <strong>mit</strong><br />
eigenen Worten zusammen. Man konzentriert sich auf den Sinn des<br />
Gesagten und gibt den Grundgedanken der gesprochenen Wörter kurz<br />
und bündig wieder. So können Sie überprüfen, ob Sie Ihren Gesprächspartner<br />
richtig verstanden haben. Zum Beispiel kann sich das so anhören:<br />
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist es wichtig für<br />
Sie, dass …« Danach muss die Frage kommen: »Trifft das zu?« Diese geschlossene<br />
Frage ist eine Bestätigungsfrage, <strong>mit</strong> der Sie Missverständnisse<br />
vermeiden.<br />
Das Verbalisieren geht noch einen Schritt weiter. Jetzt wiederholt<br />
man nicht das Gesagte, sondern fasst auch das in Worte, was noch nicht<br />
79
ausdrücklich gesagt wurde, aber gefühlsmäßig in den Äußerungen des<br />
anderen <strong>mit</strong>schwang. Der Tonfall, also die Art, wie etwas gesagt wurde,<br />
entscheidet häufig über die Bedeutung des Satzes. Wenn Sie solche<br />
Zwischentöne heraushören, ist es wichtig, auch diese emotionalen Aussagen<br />
des anderen <strong>mit</strong> eigenen Worten wiederzugeben. Da es je nach<br />
Gesprächsinhalt sinnvoll sein kann, hierbei behutsam vorzugehen, bietet<br />
es sich an, die Verbalisierung zum Beispiel <strong>mit</strong> einem der folgenden<br />
Sätze einzuleiten: »Was ich zwischen den Zeilen noch heraushöre …«;<br />
»Ist Ihr Wunsch dann ebenfalls …?«; »Das klingt, als ob Sie …«. Fragen<br />
Sie auch hier wieder nach, ob Sie das so richtig verstanden haben.<br />
Tipp:<br />
Widerstehen Sie <strong>dem</strong> Impuls, schon im Informationsaustausch auf Einwände<br />
zu reagieren und zum Beispiel auf die Parkplatzfrage aus <strong>dem</strong><br />
Beispiel oben zu antworten: »So teuer ist die Anmietung von Parkplätzen<br />
in dieser Gegend nicht, die kosten nur 40 Euro im Monat.« Sie verzetteln<br />
sich so in einer Preisdiskussion, die Sie hier in der Bedarfsanalyse<br />
noch gar nicht gebrauchen können. Die Regel lautet immer: Bedarf<br />
vor Angebot vor Preis. Natürlich halten sich Ihre Gesprächspartner<br />
nicht immer daran. Doch genau das ist Ihre Aufgabe als Verkäufer oder<br />
Berater. Merken Sie sich die möglicherweise aufkommenden Einwände,<br />
aber stellen Sie sie zurück, bis Sie sich ein umfassendes Bild des<br />
Bedarfs gemacht haben, und kommen Sie erst dann darauf zurück.<br />
80<br />
Das Angebot präsentieren:<br />
Schaffen Sie Magneteffekte!<br />
Wenn alle Informationen über den Kundenbedarf eingeholt sind, kann<br />
endlich das maßgeschneiderte Angebot erstellt werden. Sie haben den<br />
Bedarf geklärt und da<strong>mit</strong> die wichtige Voraussetzung geschaffen, dass<br />
Sie Ihr Produkt und Ihre Argumente nun konkret in Bezug auf den individuellen<br />
Wunsch aufbauen können. Da<strong>mit</strong> ist die Nachhaltigkeit Ihres<br />
Angebots gesichert.<br />
Jetzt geht es um die richtige Präsentation Ihres Angebots und Ihrer<br />
Argumente. Dafür lassen Sie uns als Erstes die drei Bestandteile eines<br />
Argumentes ansehen. Ein Argument besteht aus:<br />
• Merkmalen<br />
• Kundennutzen<br />
• Beispielen oder Beweisen<br />
Das Merkmal oder die Eigenschaft bezeichnet die Beschaffenheit, die<br />
wesentlichen Bestandteile und/oder die Ausstattung des Produktes.<br />
Und beantwortet da<strong>mit</strong> die Fragen »Was kann das Produkt? Wie ist es<br />
ausgestattet?«. Der Nutzen besteht in den Vorteilen, die das Produkt für<br />
den potenziellen Käufer hat, und darin, wie sich diese Merkmale positiv<br />
für ihn auswirken. Im Nutzen erklärt sich die Frage »Was bringt mir das<br />
konkret?«.<br />
Als letzten Punkt gilt es, das Gesagte an einem Beispiel oder durch<br />
eine Studie zu beweisen, da<strong>mit</strong> Merkmale und Nutzen auch von Dritten<br />
geglaubt und nachvollzogen werden können. Das kann <strong>mit</strong> der Aushändigung<br />
von Produktmaterial wie Broschüren oder Exposés geschehen<br />
oder <strong>mit</strong> der Erzählung von wahren Storys über das Produkt und seine<br />
Auswirkungen. Bei der Veranschaulichung wird die Frage »Ist das auch<br />
wahr?« beantwortet.<br />
81
Nutzenargumentation: Nennen Sie die konkreten Vorteile!<br />
82<br />
»Der Wurm muss <strong>dem</strong> Fisch schmecken<br />
und nicht <strong>dem</strong> Angler!«<br />
Merkmale und Nutzen unterscheiden zu können, ist für einen guten Verkäufer<br />
elementar. Es ist einer der wichtigsten Punkte, der den normalen<br />
Berater vom Top-Berater unterscheidet. Top-Berater machen es ihren<br />
Kunden leicht, die Argumente zu verstehen. Sie sorgen dafür, dass der<br />
Nutzen ihres Produktes am Bedarf des potenziellen Kunden andockt.<br />
Auch das ist sprachliche Brillanz.<br />
Beispiel:<br />
Folgendes Szenario erlebte ich bei einer Veranstaltung zum Jahresauftakt<br />
einer deutschen Großbank im Rheinland. Geladen in die historische<br />
Stadthalle <strong>mit</strong> hohen, goldverzierten Decken sind rund 800 der besten<br />
Kunden des Hauses. Auf <strong>dem</strong> Programm des Abends stehen: klassische<br />
Musik eines bekannten Geschwisterpaares an Klavier und Geige, variantenreiche<br />
Häppchen und eine feine Getränkeauswahl – man hat es sich<br />
etwas kosten lassen. Zum Start der Veranstaltung begrüßt die örtliche<br />
Gebietsleitung der Bank das Publikum. Und zwar <strong>mit</strong> folgenden Fakten:<br />
Die Zuständigkeit für die Gebietsverantwortung wurde geändert, statt<br />
fünf Vorstands<strong>mit</strong>gliedern sind es nun nur noch drei. Eine Hierarchieebene<br />
wurde komplett gestrichen, und man hoffte, aufgrund der Altersstruktur<br />
auf betriebsbedingte Kündigungen in den Folgejahren verzichten<br />
zu können.<br />
Einmal abgesehen davon, dass zwischen betriebsbedingten Kündigungen<br />
und den luxuriösen Häppchen gefühlt Welten liegen, möchte ich auf<br />
etwas anderes hinaus: Wenn so viel Geld dafür ausgegeben wird, Kunden<br />
an das Haus zu binden, dann sollte man die Gelegenheit, sich bestmöglich<br />
darzustellen, besser nutzen, in<strong>dem</strong> man den Kunden erklärt,<br />
was man tun muss, um das Vertrauen in ein solides und sicheres Bankhaus<br />
auszubauen. Die Frage, die sich mir aufdrängte, war: »Was tut das<br />
alles für mich als Kunden? Spare ich durch die flacheren Hierarchien<br />
Kosten? Erhöht die Bank deswegen die Gebühren nicht? Ist die Verbindung<br />
der Führungskräfte zu den Kunden dadurch enger und schafft<br />
mehr Bodenhaftung auch für mich als Verbraucher? Ist mein Geld bei<br />
dieser Bank durch die vorgestellten Maßnahmen sicherer? Was haben<br />
die Mitarbeiter davon?« Also: Was konkret hat wer davon, dass das nun<br />
so passiert ist?<br />
Grundsätzlich kommen bei jeder Aussage drei Nutznießer infrage:<br />
der Kunde, das Unternehmen selbst und die Mitarbeiter des Unternehmens.<br />
Im Beispiel wird für keine der Zielgruppen ein Nutzen erzeugt,<br />
das Unternehmen stellt nur Merkmale vor. Es sagt, was es gemacht hat,<br />
aber nicht, wohin das führen soll und welche positiven Auswirkungen<br />
da<strong>mit</strong> angestrebt werden. Stattdessen wählten die Redner Merkmale,<br />
die für die Kunden keinen direkten Nutzen haben, relativ uninteressant<br />
sind und auch noch eine eher negative Stimmung verbreiten (betriebsbedingte<br />
Kündigungen).<br />
Der Nutzen sind die Vorteile, die Sie als Kunde von <strong>dem</strong> Produkt ganz<br />
konkret haben.<br />
Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen einen Flipchartstift <strong>mit</strong> folgenden<br />
Merkmalen: Der Stift hat Griffmulden, schreibt schwarz und hat<br />
eine abgeschrägte Spitze. Wenn Sie dafür sorgen möchten, dass Sie<br />
<strong>mit</strong> Ihrem Angebot an den Bedarf des Kunden andocken, könnten Sie<br />
zum Beispiel sagen: »Dieser Stift hat Griffmulden (Merkmal), da<strong>mit</strong><br />
Sie beim Schreiben auf einem Flipchart den Stift immer automatisch in<br />
der richtigen Position halten (Nutzen). Er hat diese abgeschrägte Spitze<br />
(Merkmal), da<strong>mit</strong> Sie ein perfektes Schriftbild (Nutzen) haben, und<br />
schreibt schwarz (Merkmal), da<strong>mit</strong> sich Ihre Schrift auf den Flipcharts<br />
83
oder späteren Fotos von Ihren Flipcharts gut lesen (Nutzen) lässt.« Erst<br />
jetzt weiß der Kunde, wofür die Merkmale gut sind. Also warum dieser<br />
Stift genau so gestaltet wurde, da<strong>mit</strong> er als Kunde etwas davon hat.<br />
Nämlich eine gute Schreibposition, ein perfektes Schriftbild und eine<br />
deutlich lesbare Schrift. Als Beweis können Sie den Kunden den Stift<br />
ausprobieren lassen. Als Verkäufer sind Ihnen diese Vorteile sonnenklar,<br />
doch tappen Sie nicht in die Falle, Ihrem Kunden deswegen nicht<br />
klar den Nutzen aufzuzählen. Helfen Sie Ihrem Kunden beim Denken<br />
und im Entscheidungsprozess. Sie ersparen ihm da<strong>mit</strong> das Übersetzen<br />
in seine Anwendungswelt. So kommen Sie von allgemeinen Merkmalen<br />
zum individuellen Nutzen.<br />
Da Merkmale und Nutzen so schwer zu unterscheiden sind, diese<br />
Unterscheidung aber sehr wichtig ist, gebe ich Ihnen noch weitere Beispiele,<br />
wie diese beiden Aspekte sich unterscheiden:<br />
Merkmal: »Die Autobahn ist in fünf Minuten erreichbar.« Nutzen:<br />
»Durch den kurzen Weg zur Autobahn sparen Sie Zeit.«<br />
Merkmal: »Bei uns erhalten Sie alles aus einer Hand.« Nutzen: »Dadurch<br />
entfällt für Sie die Koordination verschiedener Handwerker. Das<br />
spart Ihre Zeit, sowohl bei der Suche wie auch später in der laufenden<br />
Koordination der verschiedenen Gewerke. Da<strong>mit</strong> Sie sich darüber keine<br />
Gedanken machen müssen und Ihrem Geschäft nachgehen können, erledigen<br />
wir als Team das für Sie.«<br />
Sehen wir uns einen weiteren wichtigen Baustein in der Nutzenformulierung<br />
an. Lesen Sie die obigen Beispiele noch einmal. Fällt Ihnen<br />
auf, wie oft das Wort »Sie« vorkommt? Ganz bewusst sollten Sie bei der<br />
Nutzenformulierung die sogenannte Sie-Perspektive wählen, denn dadurch<br />
fühlt sich der Gesprächspartner persönlich angesprochen. Da<strong>mit</strong><br />
Sie <strong>mit</strong> Ihren guten Argumenten auch bei Ihrem Kunden ankommen,<br />
wählen Sie nicht die allgemeingültige Man-Perspektive oder die Ich-Perspektive,<br />
sondern achten Sie auf den Einsatz der Sie-Perspektive. Einleitende<br />
Formulierungen dazu sind zum Beispiel:<br />
84<br />
• Dadurch erzielen Sie …<br />
• Da<strong>mit</strong> erreichen Sie …<br />
• Das bringt Ihnen …<br />
• Da<strong>mit</strong> vermeiden Sie …<br />
• Für Sie bedeutet das …<br />
• Das beschleunigt für Sie …<br />
Im ganzen Satz kann sich das wie folgt anhören:<br />
Nicht: »Wir müssen diese Preise verlangen, weil wir sonst <strong>mit</strong> den Kosten<br />
in der Produktion nicht hinkommen.« Sondern: »Wir müssen diese<br />
Preise verlangen, weil wir Ihnen den hohen Qualitätsstandard garantieren<br />
wollen.«<br />
Nicht: »Ich biete gut strukturierte Seminare an, in denen ich zeige,<br />
wie Kommunikation funktioniert.« Sondern: »In diesem Seminar werden<br />
Sie lernen, wie Sie erfolgreicher kommunizieren und da<strong>mit</strong> die eigene<br />
Wirkung in Verhandlungen verbessern.«<br />
Emotionen wecken: Erzeugen Sie Bilder im Kopf!<br />
Dass Produkte zunehmend austauschbar sind und daher der Verkäufer<br />
<strong>mit</strong> seinen eigenen Gefühlen einen wichtigen Platz einnimmt und dass<br />
Sie durch Ihre eigene Einstellung Menschen emotional berühren können,<br />
haben Sie schon im Kapitel 1: »Die eigene Einstellung« gelesen.<br />
Das Kapitel 2: »Sprachliche Wirkung« stellt die weiteren Grundlagen<br />
vor, während es nun vertieft darum gehen soll, wie Sie Emotionen wecken<br />
können.<br />
Wir Menschen nehmen Informationen über verschiedene Sinneskanäle<br />
auf. Wir lernen <strong>mit</strong>hilfe unserer Sinne »sehen«, »hören«, »fühlen«,<br />
»schmecken« und »riechen«. Wann immer Sie ein Produkt haben,<br />
das sich anfassen und vorführen lässt: Nutzen Sie das! Lassen Sie<br />
85
den Kunden das Produkt in die Hand nehmen, um seine Sinne zu erreichen.<br />
Geben Sie Ihrem Kunden die Möglichkeit, es auszuprobieren und<br />
schon einmal in Besitz zu nehmen. Sie haben ein virtuelles Produkt<br />
oder eine Dienstleistung, die man nicht anfassen kann? Dann sind Sie<br />
darauf angewiesen, die Sinne Ihres Kunden anders zu erreichen. Gerade<br />
den visuellen Menschen hilft es sehr, etwas noch einmal zu sehen<br />
und nicht nur zu hören. Bestimmt haben Sie eine Broschüre über<br />
Ihr Produkt oder ein Exposé, das Sie aushändigen können. Sie haben<br />
während des Gesprächs Zeichnungen angefertigt? Geben Sie sie Ihrem<br />
Kunden <strong>mit</strong>, da<strong>mit</strong> er sich noch einmal anschauen kann, was Sie besprochen<br />
haben.<br />
Gerade bei virtuellen Produkten oder Dienstleistungen spielt es eine<br />
große Rolle, emotionale Botschaften zu verankern. Dazu wollen wir uns<br />
ansehen, wie wir Bilder im Kopf des Gesprächspartners entstehen lassen<br />
können und da<strong>mit</strong> Emotionen erzeugen. Denn durch die <strong>mit</strong> ihnen<br />
verbundenen Emotionen werden Informationen besser behalten.<br />
Das menschliche Gehirn besteht aus zwei Hälften. Die linke Gehirnhälfte<br />
verarbeitet eher die logischen und rationalen Informationen und<br />
die rechte eher die kreativen Gedanken. Auch die Verarbeitung von Gefühlen<br />
hat in der rechten Gehirnhälfte ihren Platz. Wenn Verkäufer ausschließlich<br />
über Zahlen, Daten und Fakten reden, dann verfehlen sie die<br />
Gehirnareale, die für die Gefühle zuständig sind. Die rechte Gehirnhälfte<br />
erreicht nur, wer in Bildern spricht. Auch Erinnerungen werden nicht in<br />
Worten, sondern in Bildern abgespeichert. Unser Gehirn speichert die<br />
passenden Bilder zu Situationen, und wenn wir an ein Erlebnis denken,<br />
dann kommen auch die Bilder wieder hoch. Deswegen erinnern wir uns<br />
an Geschichten viel besser als an nüchterne Zahlen.<br />
Übung:<br />
Probieren Sie es selbst kurz aus. Denken Sie an Ihren letzten Urlaub<br />
und daran, was Sie tagsüber erlebt und gesehen haben. Und, was ist<br />
86<br />
passiert? Haben Sie die an den Strand brandenden Wellen vom letzten<br />
Urlaub gesehen oder sich selbst, wie Sie auf der Hotelterrasse einen<br />
leckeren Sommerwein trinken? Was Sie nicht gesehen haben werden,<br />
sind die Wörter »Urlaub auf Mallorca«.<br />
Das bedeutet für die gehirngerechte Kommunikation: Sprechen Sie in<br />
Bildern oder erzählen Sie Geschichten. Schon unsere Vorfahren saßen<br />
um das Feuer und erzählten sich gegenseitig die »alten Geschichten«;<br />
lange Zeit wurden Wissen und Werte so ver<strong>mit</strong>telt. Geschichten lassen<br />
zu, dass der Zuhörer emotional eintaucht, sie <strong>mit</strong> seiner Situation vergleicht<br />
und für sich selbst Schlüsse zieht. Geschichten sorgen dafür,<br />
dass die Inhalte behalten werden.<br />
Übung:<br />
Lesen Sie die folgenden Sätze: »Ein Zweibein sitzt auf einem Dreibein<br />
und hat ein Einbein in der Hand. Da kommt ein Vierbein und nimmt <strong>dem</strong><br />
Zweibein das Einbein weg. Daraufhin nimmt das Zweibein das Dreibein<br />
und erschlägt das Vierbein.« Und nun probieren Sie einmal, bevor Sie<br />
weiterlesen, das Ganze fehlerfrei wiederzugeben. Schwierig, wenn nicht<br />
gar unmöglich, nicht wahr? Die Lösung dazu lautet, das Geschehen bildhaft<br />
zu erzählen: Das Zweibein ist ein Mensch, da er zwei Beine hat. Das<br />
Dreibein ist ein Schemel. Das Einbein ist eine Hühnerkeule und das Vierbein<br />
ein Hund. Mit diesem Wissen lesen Sie bitte die obigen Sätze noch<br />
einmal. Und – haben Sie die Geschichte erkannt und können sie nun<br />
selbst erzählen? Ich bin sicher, nun gelingt es Ihnen fehlerfrei!<br />
Die Erkenntnis, dass das Gehirn in Bildern denkt, lässt sich auch für das<br />
Feld von Beratung und Verkauf und in Verhandlungen nutzen. Entweder<br />
in<strong>dem</strong> man eine bildhafte Sprache benutzt oder durch die Erzählung von<br />
Verkaufs- oder Beratungsgeschichten. Hier möchte ich Ihnen die Möglichkeiten<br />
vorstellen:<br />
87
• in Metaphern sprechen<br />
• Vergleiche benutzen<br />
• Geschichten erzählen<br />
• <strong>mit</strong> Adjektiven auf kurze, aber feine Art Ihr Angebot veranschaulichen<br />
Eine schöne Art, Sachverhalte <strong>mit</strong> bildhafter Sprache emotional zu<br />
veranschaulichen, sind Metaphern. Prinzipiell geht es bei der Metapher<br />
darum, den zur Diskussion stehenden Sachverhalt <strong>mit</strong> einem zu<br />
vergleichen, der zwar inhaltlich nichts da<strong>mit</strong> zu tun hat, aber in seiner<br />
Bedeutung die Aussage auf den Punkt bringt. Schauen wir uns das an<br />
einem bekannten Ausspruch gemeinsam an: »Der kann mir doch nicht<br />
das Wasser reichen!« Natürlich geht es hierbei nicht darum, von jeman<strong>dem</strong><br />
eine Flasche Wasser zu bekommen. Das Sprichwort besagt, dass<br />
jemand nicht auf <strong>dem</strong>selben Niveau <strong>mit</strong> jemand anderem ist, weil ihm<br />
Fähigkeiten oder Leistungen fehlen. Metaphern sorgen dafür, dass Zusammenhänge<br />
auf eine übertragene Weise verstanden werden. Metaphern<br />
können deswegen eine ganz besondere Wirkung entfalten. Diese<br />
bringt der Ausspruch von Mark Twain auf den Punkt: »Der Unterschied<br />
zwischen <strong>dem</strong> richtigen Wort und <strong>dem</strong> beinahe richtigen ist der gleiche<br />
wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.« Der Vergleich zwischen<br />
Blitz und Glühwürmchen macht uns klar: Hier geht es nicht nur<br />
um einen kleinen Unterschied, sondern darum, dass man sich »wie vom<br />
Blitz getroffen« an das richtige Wort erinnert oder die Wirkung wie ein<br />
Glühwürmchen in der Dunkelheit verblasst.<br />
Vergleiche helfen dabei, einen erklärungsbedürftigen Sachverhalt<br />
zu verdeutlichen. Dazu setzt man den neuen oder unbekannten Sachverhalt<br />
<strong>mit</strong> etwas bereits Bekanntem ins Verhältnis. Das ermöglicht <strong>dem</strong><br />
Gesprächspartner, eigene logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Ein<br />
Vergleich ist eine Verallgemeinerung, die für Erkenntnis sorgt. Typische<br />
Einleitungen dazu wären zum Beispiel: »Das ist genauso wie bei …«<br />
88<br />
»Das kann man vergleichen <strong>mit</strong> …« oder »Der Sachverhalt ist der gleiche<br />
wie bei …«<br />
Ebenso helfen Vergleiche, die eigene Meinung <strong>mit</strong> Bildern im Kopf<br />
des anderen zu koppeln und sich dadurch stärker auszudrücken. Franz<br />
Josef Strauß, der ehemalige Ministerpräsident von Bayern, sagte zum<br />
Beispiel einmal zu Michail Gorbatschow, als dieser versuchte, ihm Glasnost<br />
und Perestroika zu erklären: »Ich glaube nicht, dass Sie da viel erreichen.<br />
Eher könnte man Schneebälle rösten, als dass Ihre Form des<br />
Kommunismus gelingen könnte.« Dieses Zitat ist von Edmund Stoiber<br />
überbracht worden, der es in einem Beitrag des ZDF im Jahr 2017 zum<br />
Besten gab. Strauß unterstrich <strong>mit</strong> diesem Bild, für wie unrealistisch er<br />
den Erfolg der von Gorbatschow anvisierten Reformen hielt.<br />
Für einen meiner Kunden, der Gewerbeimmobilien vermietet, benötigten<br />
wir einen Vergleich, um zukünftigen Mietern zu verdeutlichen,<br />
dass die Verantwortung für Schäden an der Immobilie bei leichter und<br />
grober Fahrlässigkeit beim Mieter liegt. In der Mietvertragsverhandlung<br />
war es über diesen Punkt immer wieder zu Diskussionen gekommen,<br />
da der Mieter der Ansicht war, der Vermieter sollte für solche Schäden<br />
haften. Wir ließen uns den folgenden Vergleich einfallen: »Wenn Sie im<br />
Urlaub ein Auto anmieten, dann unterschreiben Sie einen Mietvertrag.<br />
Und auch in diesem Mietvertrag steht, dass Sie die Schäden für leichte<br />
und grobe Fahrlässigkeit übernehmen. Das ist so, weil der Autovermieter<br />
sicherstellen möchte, dass Sie das Auto gut behandeln und dafür<br />
sorgen, dass es keine Beulen bekommt, denn der Vermieter hat keinen<br />
Zugriff mehr auf das Auto. Da<strong>mit</strong> Sie ebenfalls nicht für Schäden aufkommen<br />
müssen, schließen Sie eine Versicherung ab. Bei uns ist das<br />
genauso. Wir haben keinen Zugriff mehr auf die Immobilie, und daher<br />
sorgt dieser Passus dafür, dass Sie sorgsam <strong>mit</strong> der Immobilie umgehen.<br />
Für Ihre Absicherung gibt es auch bei Immobilien Versicherungen.«<br />
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Geschichten zu erzählen.<br />
Geschichten wirken auf uns beruhigend und vertrauenerweckend. Die<br />
89
meisten Menschen lieben Geschichten, weil sie uns unterhalten und<br />
uns gute Gefühle bescheren. Geschichten müssen vor allem authentisch<br />
sein, denn nur dann können wir sie lebhaft und <strong>mit</strong> Emotionen erzählen,<br />
sodass sie die Quintessenz an den Gesprächspartner transportieren.<br />
In meiner Zeit als Wertpapierspezialistin hatte ich Neukunden immer<br />
gerne die folgende Geschichte erzählt, <strong>mit</strong> der ich erreichen wollte, dass<br />
der Kunde sich seiner eigenen Verantwortung für sein Investment bewusst<br />
wird:<br />
»Wissen Sie, ob wir es schaffen, immer ganz günstig zu kaufen und<br />
immer auf <strong>dem</strong> Höchstpunkt zu verkaufen, das glaube ich nicht. Auch<br />
wir haben keine Glaskugel. Ein Kunde von mir hat einmal Aktien der<br />
Deutschen Telekom verkauft – bei 75 Euro. Als die Aktien bei 95 Euro<br />
standen, was denken Sie, was passierte? Er stand hier vor mir und<br />
schrie mich an, dass unsere Verkaufsempfehlung eine Unverschämtheit<br />
gewesen sei und wir als Bank hätten wissen müssen, dass die Aktie<br />
noch so hoch steigt. Und ich konnte ihn verstehen, denn ein Verkaufserlös<br />
von 20 Euro mehr hätte für meinen Kunden circa 30.000 Euro an<br />
zusätzlichem Gewinn bedeutet. Nach weiteren sechs Monaten, die Aktie<br />
der Deutschen Telekom war <strong>mit</strong>tlerweile auf 50 Euro gesunken, stand<br />
er <strong>mit</strong> einem großen Blumenstrauß vor mir, bedankte sich für die Verkaufsempfehlung<br />
und entschuldigte sich für sein Benehmen vor einem<br />
halben Jahr.«<br />
Was ich da<strong>mit</strong> erreicht habe, war Folgendes: Ich wollte, dass der Kunde<br />
merkt, dass auch eine Bank die Entwicklung des Wertpapiermarkts<br />
nicht voraussehen kann und dass ich als Beraterin Tipps geben kann,<br />
was allerdings nicht ausschließt, dass auch der Kunde Verantwortung<br />
für sein Investment übernimmt.<br />
Unter <strong>dem</strong> Begriff »Storytelling« sind im Fachhandel dazu etliche Bücher<br />
vorhanden, die den Aufbau einer guten Geschichte im Detail erklären.<br />
Das Wichtigste dabei ist aber, dass Sie Ihre guten Erfolgsgeschichten<br />
überhaupt erzählen.<br />
90<br />
Tipp:<br />
Überlegen Sie, welche Botschaft Sie ver<strong>mit</strong>teln wollen. Legen Sie sich<br />
daraufhin Ihre Geschichten zurecht und sorgen Sie dafür, dass sie nicht<br />
zu lang werden. Weniger ist hier oft mehr. Geschichten wirken auch<br />
der Langeweile in Gesprächen entgegen. Sie machen Gespräche bunter,<br />
Ihren Kunden wacher und Ihre Message eindeutiger. Machen Sie es<br />
sich zur Angewohnheit, diese Geschichten je<strong>dem</strong> Kunden zu erzählen,<br />
so müssen Sie sich nicht immer wieder neue Beispiele einfallen lassen.<br />
Im Seminar werde ich oft gefragt, ob diese Anekdoten echt sein<br />
müssen. Ja, das müssen sie! Schwindeln Sie nicht. Ich bin sicher, dass<br />
Ihnen eigene Geschichten einfallen, wenn Sie darüber nachdenken<br />
oder zukünftig darauf achten. Wir sprechen von nachhaltigen Verhandlungen,<br />
die eine langfristige Bindung erzeugen sollen. Da bringt es<br />
nichts, sich Geschichten auszudenken.<br />
Adjektive erzeugen Emotionen. Wer Gefühle wecken möchte, sollte sich<br />
angewöhnen, mehr Adjektive in seinen aktiven Sprachschatz zu übernehmen.<br />
Adjektive werden umgangssprachlich auch »Wiewörter« genannt,<br />
weil sie beschreiben, wie etwas beschaffen oder ausgestattet ist.<br />
In der deutschen Sprache sind die Adjektive das Salz in der Suppe, sie<br />
sind die Emotionsträger und die kürzeste Art, Bilder im Kopf des Gegenübers<br />
entstehen zu lassen. Wie langweilig hört es sich an, wenn man<br />
von Produkten, Ideen, Zeit oder Vorschlägen spricht. Wie anders hingegen<br />
klingt es schon, wenn Sie so formulieren:<br />
• ein cleveres Produkt/eine zukunftsweisende Idee/wertvolle<br />
Zeit/brillante Vorschläge<br />
Setzen Sie Adjektive ein, wann immer es geht. Durch diese Wortwahl<br />
entfaltet Ihre Aussage eine durchschlagendere Wirkung!<br />
91
Schmücken Sie Ihre Wortwahl durch Adjektive. Hier eine Auswahl:<br />
• freundlich, elegant, weitläufig, frisch, glücklich, knusprig, köstlich,<br />
leicht, luftig, schlank, sonnig, sportlich, stark, geschickt,<br />
warm, mild, großzügig, populär, aktivierend, behaglich, behütet,<br />
bedeutsam, berühmt, besinnlich, beständig, wundervoll, clever,<br />
zukunftsweisend …<br />
Nur im Notfall: Geistige Brandstiftung<br />
Bei <strong>dem</strong> Kauf von Produkten gibt es zwei verschiedene Wege, die Emotionen<br />
auslösen: »hin zu« und »weg von«. »Hin zu«-orientierte Menschen<br />
denken in Möglichkeiten und Zielen, sie halten nach Neuem und<br />
Interessantem Ausschau. Die »weg von«-orientierten Menschen fokussieren<br />
darauf, was sie nicht oder nicht mehr haben wollen, also wie sie<br />
Schmerz, Kosten oder Unannehmlichkeiten vermeiden können.<br />
Dieses Buch ist generell so angelegt, dass Sie sich immer auf eine<br />
positive Lösung ausrichten und das Problem weder wiederholen noch<br />
sich darin verlieren. In den meisten Fällen ist das auch ratsam. Marketingstudien<br />
bestätigen, dass Menschen Entscheidungen schneller<br />
treffen, wenn sie sich in einer positiven Gefühlslage befinden. Allerdings<br />
kann auch der Appell an negative Emotionen verkaufsfördernd<br />
sein. Generell kaufen Menschen nur dann, wenn sie irgendetwas unbedingt<br />
haben wollen oder wenn sie irgendetwas auf jeden Fall vermeiden<br />
möchten.<br />
Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist zum Beispiel<br />
Angst das treibende Element. Die Angst, so schwer zu erkranken,<br />
dass man nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen Beruf auszuüben.<br />
Und das über einen so langen Zeitraum, dass auch die Krankenversicherung<br />
keinen Cent mehr zahlt. Die latente Angst, dann nicht nur krank,<br />
92<br />
sondern auch <strong>mit</strong>tellos zu sein, ist der verständliche Grund für den Abschluss<br />
einer solchen Versicherung.<br />
Wenn also der Lustfaktor nicht mehr hilft, können Sie im Ausnahmefall<br />
auch auf die Schmerzseite wechseln. Warum erst dann? Es ist einfach<br />
schöner, in lockerer, freundlicher Atmosphäre und <strong>mit</strong> guten Gefühlen<br />
zu verhandeln. Sobald Sie auf die Schmerzseite wechseln, provozieren<br />
Sie negative Gefühle und schüren Verunsicherung. Dabei ist es wichtig,<br />
die Absicht des Vorhabens erst einmal positiv zu werten und danach die<br />
drohenden Gefahren zu betonen.<br />
Gern gebe ich Ihnen auch hier einige Beispiele, wie diese geistige<br />
Brandstiftung wirkt. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich in einer Versicherungsagentur<br />
in Ihrer Stadt einen Termin besorgt zum Thema Altersvorsorge.<br />
Natürlich haben Sie sich im Internet vorab informiert und<br />
überlegen, die Versicherung online abzuschließen. Der Termin in der<br />
Versicherungsagentur dient Ihnen dazu, das Online-Angebot <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
Angebot der Agentur zu vergleichen. Der Versicherungsberater könnte<br />
dann Folgendes zu Ihnen sagen: »Sie wollen für Ihr Alter vorsorgen? Das<br />
ist eine sehr gute und vorausschauende Idee! Und Sie haben sich im<br />
Internet umgesehen, welche Möglichkeiten es gibt? Auch das ist weise.<br />
Für Ihre Altersvorsorge ist Ihnen eine zahlungskräftige Gesellschaft<br />
bestimmt sehr wichtig, denn wenn es in 30 Jahren so weit ist, wollen<br />
Sie bestimmt, dass Ihr Anbieter nicht pleite ist. Wenn die Altersvorsorge<br />
ausgezahlt wird, dann ist Tag der Wahrheit. Das Gemeine: Dann können<br />
Sie daran nichts mehr ändern und die Zeit nicht zurückdrehen. Natürlich<br />
können Sie im Internet eine Altersvorsorge abschließen. Da ich Ihr Berater<br />
bin, möchte ich Ihnen trotz<strong>dem</strong> aus Erfahrung sagen, auf welche<br />
drei Dinge Sie zwingend achten sollten: Zum einen ist das die Solvenz<br />
der Gesellschaft, also die langfristige Zahlungskräftigkeit. Zum anderen<br />
sollten Sie immer prüfen, ob die Renditeversprechen auch eingehalten<br />
werden, denn wenn Sie über 30 Jahre einzahlen, dann ist der Zinseszinseffekt<br />
enorm. Werden weniger Zinsen erwirtschaftet als erwartet,<br />
93
schrumpft die Rente, <strong>mit</strong> der Sie rechnen können. Als Drittes ist auch<br />
ein persönlicher Ansprechpartner wichtig. Nichts ist schlimmer, als Fragen<br />
zu seinem Geld zu haben und dann nur <strong>mit</strong> Computern zu sprechen.<br />
Dafür ist das Thema zu wichtig!«<br />
Dieses Vorgehen nenne ich »geistige Brandstiftung«. Und der Name<br />
ist tatsächlich Programm. Die Saat der Verunsicherung ist gelegt. Bei<br />
nochmaliger Suche im Internet wird eine hartnäckige Stimme im Kopf<br />
mehr oder weniger laut sagen: »Sollte ich so ein wichtiges Geschäft<br />
wirklich im Internet abschließen? Ist meine Altersvorsorge hier auch sicher?<br />
Benötige ich nicht doch einen persönlichen Ansprechpartner?« Ab<br />
jetzt werden andere Anbieter danach bewertet, ob sie die ins Bewusstsein<br />
gelangten potenziellen Gefahren verhindern können. Und der kritische<br />
Umgang da<strong>mit</strong> lässt sich nicht wieder ausschalten.<br />
Völlig überflüssig: Du-Depp-Botschaften, Weichmacher und<br />
Unwörter<br />
Zusätzlich zu der Aufzählung der Dinge, die Sie tun können, um Ihr Angebot<br />
gut zu verkaufen, möchte ich Ihnen noch <strong>mit</strong>geben, was Sie auf<br />
jeden Fall vermeiden sollten, denn es gibt auch Formulierungen, die Ihr<br />
gut aufbereitetes Angebot zerstören können. Das sind Du-Depp-Botschaften,<br />
Weichmacher und Unwörter.<br />
Als Du-Depp-Botschaften bezeichne ich alle Aussagen, die den Kunden<br />
als dumm dastehen lassen. Dass jene nicht zum guten Gespräch<br />
und zum Abschluss beitragen können, ist klar, aber manchmal hört man<br />
trotz<strong>dem</strong> Sätze wie »Verstehen Sie das?«, »Können Sie mir noch folgen?«<br />
oder »Sie müssen das jetzt mal so sehen …!«. Was denken Sie<br />
insgeheim, wenn Sie solche Botschaften hören? Meine innere Stimme<br />
schreit sofort: »Ja, klar verstehe ich das, ich bin doch nicht blöd! Wenn<br />
ich nicht folgen könnte, würde ich das sagen! Und ich muss gerade mal<br />
94<br />
gar nichts.« Kein Mensch möchte auf diese Art und Weise vorgeführt<br />
werden, solche Formulierungen lassen Widerstand aufkommen. Man tut<br />
daher gut daran, Du-Depp-Botschaften bei der Präsentation seines Angebots<br />
zu meiden.<br />
Mit Weichmachern verwässern Sie Ihre Argumente. Leider gibt es<br />
viele Menschen, die in der Sprache dazu neigen. Die bekanntesten<br />
Weichmacher sind Wörter wie:<br />
• vielleicht<br />
• eigentlich<br />
• eventuell<br />
oder auch Konjunktive wie:<br />
• würde<br />
• könnte<br />
• sollte<br />
Von einem Fachmann erwartet der Kunde eine klare Empfehlung und<br />
keine vage Botschaft à la »Es könnte so sein, aber auch ganz anders«.<br />
Eine Aussage wie »Die Lieferung müsste schon nächste Woche da<br />
sein« oder »Vielleicht ist das Produkt das Richtige für Sie« hilft <strong>dem</strong><br />
Kunden nicht weiter. Der Kunde darf davon ausgehen, dass Sie wissen,<br />
wie schnell Ihr Produkt geliefert wird. Falls Sie es nicht genau sagen<br />
können, nennen Sie einen Zeitrahmen: »Zwischen Montag und Mittwoch<br />
der nächsten Woche kommt die Lieferung bei Ihnen an.« Wenn<br />
Sie in der Angebotsphase <strong>mit</strong> Weichmachern arbeiten, dann zerfallen<br />
Ihre besten Argumente in Sekundenschnelle, und Sie erreichen da<strong>mit</strong><br />
das Gegenteil der sprachlichen Brillanz, die Sie anstreben. Es gibt auch<br />
Wörter, bei denen Sie automatisch davon ausgehen können, dass sie<br />
Unbehagen erzeugen. Solche Unwörter gilt es ebenfalls zu vermeiden<br />
95
und stattdessen in eine positivere Bedeutung umzuwidmen. Hier einige<br />
Beispiele:<br />
Statt:<br />
»Das Problem ist …«<br />
Besser:<br />
»Die Herausforderung, die<br />
wir lösen werden, ist …«<br />
in die Verhandlung gehen, dann steht ebenso die Frage im Raum, welche<br />
Person welches Argument bringt. Am besten ist jeweils die Person geeignet,<br />
die in <strong>dem</strong> betreffenden Themenbereich am sattelfestesten ist.<br />
Wenn Sie Ihre Argumente auf verschiedene Personen verteilen, hat die<br />
Person, die gerade nicht an der Diskussion beteiligt ist, die Möglichkeit,<br />
die Situation zu beobachten und im Zweifel von der Seite wiederum einzugreifen,<br />
falls das nötig sein sollte.<br />
»Ihre Kosten …«<br />
»Ihre Investition/Ihr<br />
Preis …«<br />
Kluger Umgang <strong>mit</strong> den eigenen Argumenten<br />
»Aber …«<br />
»Wovor haben Sie Angst?«<br />
»Auf gar keinen Fall können wir …«<br />
»Und …«<br />
»Was erwarten Sie?«<br />
»Im Augenblick müssen<br />
wir dafür noch eine Lösung<br />
finden.«<br />
Auch auf bereits widerlegte Irrtümer oder Fehler Ihres Gesprächspartners<br />
sollten Sie nicht ein zweites oder gar drittes Mal zurückkommen.<br />
Wir werden alle nicht gerne an unsere Fehler erinnert. Es ist smarter,<br />
darüber hinwegzusehen.<br />
Strategische Überlegungen<br />
Nicht nur die Argumente an sich sind wichtig, sondern auch der Zeitpunkt,<br />
zu <strong>dem</strong> man sie vorbringt. Eine sehr wichtige Frage, die man sich<br />
vorab stellen sollte, ist daher, welches Argument am besten an welcher<br />
Stelle eingesetzt wird. Wenn Sie auf Ihrer Seite <strong>mit</strong> mehreren Personen<br />
Die eigenen Argumente sollte man schon vorab sortieren und da<strong>mit</strong> eine<br />
Dramaturgie aufbauen. Diese beginnt nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> schwächsten Argument.<br />
Fangen Sie <strong>mit</strong> einem nebensächlichen Argument an, besteht die<br />
Gefahr, dass der Eindruck entsteht, Sie hätten eine schwache Position<br />
oder Sie hätten womöglich die Bedeutung der Verhandlung nicht verstanden.<br />
Die richtigen Argumente zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen,<br />
gleicht einem Pokerspiel. Geben Sie nicht alles sofort preis, aber<br />
machen Sie klar, dass Sie ein gutes Blatt auf der Hand haben. Fangen<br />
Sie daher auch nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> stärksten Argument an. Es könnte Sie in<br />
Schwierigkeiten bringen, wenn Sie zum Ende hin immer schwächere Argumente<br />
vorbringen müssen oder penetrant Ihr erstes Argument wiederholen.<br />
Am klügsten ist es, Sie nehmen in der Vorbereitung kurz die<br />
Sichtweise Ihres Verhandlungspartners ein und überlegen: Welche sind<br />
für ihn die drei stärksten Argumente und in welcher Reihenfolge würde<br />
Ihr Verhandlungspartner diese Argumente bringen? Dann fangen Sie<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> zweitstärksten Argument an, bringen danach das drittstärkste<br />
und erst zum Schluss Ihr stärkstes Argument. Bedenken Sie, <strong>Verhandeln</strong><br />
kostet immer Zeit. Es geht nicht darum, sofort <strong>mit</strong> der Tür ins Haus zu<br />
fallen, sondern darum, eine Dramaturgie aufzubauen, <strong>mit</strong> der Sie es Ihrem<br />
Verhandlungspartner möglichst leicht machen, Ihnen zuzustimmen.<br />
96<br />
97
Hat der potenzielle Kunde endgültig zugestimmt, dann sprechen Sie die<br />
Argumente, die Sie vielleicht noch in der Hand haben, nicht mehr an. Die<br />
Gefahr, dass die Diskussion von vorn beginnt, ist zu groß.<br />
Ist ein Argument der Gegenseite widerlegt, dann kommen Sie nicht<br />
mehr darauf zurück; ein solches Nachkarten kann die Verhandlungspartner<br />
schnell verärgern.<br />
Beweise und Behauptungen richtig einsetzen<br />
98<br />
Ein gutes Argument besteht, wie oben gesagt, aus einem Merkmal, <strong>dem</strong><br />
Nutzen und einem Beweis dazu. Sie sollten jedoch bei Ihrer Argumentation<br />
bewusst entscheiden, ob Sie in je<strong>dem</strong> Fall einen Beweis anführen<br />
wollen, und überlegen, wie Sie den Beweis so gestalten, dass er Ihrem<br />
Ziel dient.<br />
Häufig reicht es aus, sich auf eine Behauptung, also eine Aussage,<br />
für die Sie keinen Beweis liefern, zu beschränken. Oft genug benötigt<br />
Ihr Gegenüber gar keinen Beweis, um Ihren Worten zu vertrauen. Daher<br />
kann es absolut sinnvoll sein, zuerst zu prüfen, ob man ohne einen<br />
Beweis auskommt. Das funktioniert zum Beispiel dann gut, wenn man<br />
Ihnen einen Expertenstatus zugesteht. Sinnvoll ist es, die Argumentation<br />
so schlank wie möglich aufzustellen, weil immer das Risiko besteht,<br />
dass Sie durch zusätzliche Informationen einen Film im Kopfkino<br />
Ihres Gegenübers auslösen, der genau das Gegenteil von <strong>dem</strong> bewirkt,<br />
was Sie eigentlich wollten. Wenn Sie als Fachmann sagen: »Dieses Parkett<br />
ist das Parkett <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> härtesten Holz«, dann wird man Ihnen das<br />
glauben. Sagen Sie: »Dieses Parkett ist das Parkett <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> härtesten<br />
Holz. Um das zu gewährleisten, werden die Hölzer dafür extra aus Asien<br />
importiert«, dann erscheint vor <strong>dem</strong> inneren Auge des Kunden womöglich<br />
das Bild eines gerodeten Dschungels, und es entsteht das Gefühl,<br />
dass das nicht der richtige Weg ist, sein deutsches Wohnzimmer zu bestücken.<br />
Wollen Sie die Härte des Parketts trotz<strong>dem</strong> beweisen, ist es<br />
ratsamer, sich eine Demonstration auszudenken, welche die Härte veranschaulicht.<br />
Bei meinem letzten Küchenkauf wollte mich zum Beispiel<br />
der Verkäufer davon überzeugen, dass die Arbeitsplatte absolut kratzfest<br />
ist. Er ging <strong>mit</strong> mir zu einer in seinem Showroom ausgestellten Küche,<br />
nahm ein Messer und zog zu meiner Verwunderung die Spitze des<br />
Messers kräftig quer über die Arbeitsplatte. Nun konnte ich mich selbst<br />
davon überzeugen, dass sein Produkt wirklich kratzfest war. Was man<br />
<strong>mit</strong> eigenen Augen gesehen hat, das glaubt man auch.<br />
Möchte der Parkettverkäufer im obigen Beispiel die Haltbarkeit des<br />
Holzes <strong>dem</strong>onstrieren, könnte er auch ein hartes und ein weicheres<br />
Stück Parkett bereithalten, um dann zur Veranschaulichung beide Hölzer<br />
<strong>mit</strong> einem scharfen Gegenstand zu bearbeiten.<br />
Wenn Sie Experte auf Ihrem Gebiet sind und sagen: »Diese Ölheizung<br />
ist besonders sparsam«, dann wird man Ihnen meist Glauben<br />
schenken. Toppen können Sie das, in<strong>dem</strong> Sie hinzufügen: »Das beweist<br />
auch die Studie des Zentralverbands Sanitär, Heizung und Klima, von<br />
der ich Ihnen gerne eine Abschrift <strong>mit</strong>gebe.«<br />
Wenn Sie Beweise bringen, dann sollten diese wasserdicht sein. Zitieren<br />
Sie eine Studie, dann steigt die Glaubwürdigkeit, wenn Sie nicht<br />
nur den Namen der Studie, sondern auch das Jahr der Veröffentlichung<br />
und den Autor benennen oder wie im obigen Beispiel eine Abschrift dabeihaben.<br />
Wenn Sie Untersuchungsergebnisse vorzuweisen haben, können Sie<br />
auch <strong>mit</strong> Prozentzahlen argumentieren. Egal, ob Studie oder Prozentzahl:<br />
Beide Vorgehen manipulieren dadurch, dass man scheinbar den<br />
Verstand anspricht, während man tatsächlich auf die Gefühlsebene zielt.<br />
99
4 Die eigentliche Verhandlung<br />
Nach<strong>dem</strong> Sie Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung auf den Tisch gelegt<br />
und den Angebotsumfang erklärt haben, nennen Sie den Preis. Und was<br />
passiert dann? Schön ist es, wenn der Kunde jetzt direkt Ja sagt und der<br />
Vertrag besiegelt werden kann – doch meist ist das nicht der Fall. Das ist<br />
eigentlich auch ganz normal, denn nur in den seltensten Momenten sind<br />
sich beide Verhandlungspartner von Beginn an einig. Oder in wie vielen<br />
Gesprächen sagen Sie sofort: »Okay, dann machen wir das genauso«,<br />
ohne eine Rückfrage zu stellen? Irgendetwas gibt es fast immer noch zu<br />
klären. Wenn das bei Ihnen anders ist, können Sie gerne im Kapitel 5:<br />
»Abschlussphase« weiterlesen. Für alle Situationen, in denen es komplizierter<br />
wird, bietet dieses Kapitel Informationen und Techniken. Der<br />
genaue Verhandlungsverlauf hängt sicherlich immer vom jeweiligen Fall<br />
ab. Doch die grundsätzlichen Abläufe lassen sich verallgemeinern.<br />
Ihr Gesprächspartner formuliert vielleicht Einwände wie: »Da muss<br />
ich noch die Geschäftsführung fragen« oder »Dieses Angebot ist zu teuer«.<br />
Oder er kommt Ihnen vielleicht sogar <strong>mit</strong> Totschlagargumenten<br />
wie: »Niemals werden wir das so machen!« Die bisher sehr entspannte<br />
Gesprächsatmosphäre wechselt vielleicht schlagartig, und auf einmal<br />
geht es emotional hoch her. Jetzt geht es darum, die eigene Position und<br />
das eigene Angebot gekonnt zu verteidigen, ohne dabei die magnetische<br />
Anziehungskraft zu verlieren. Ist Ihr Angebot nachhaltig auf die Bedürfnisse<br />
Ihres Gegenübers ausgerichtet, dürfte Ihnen das leichtfallen.<br />
Trotz<strong>dem</strong> können die Gespräche in schwierigeres Fahrwasser geraten,<br />
wenn es darum geht, gute und tragfähige Lösungen für beide Seiten zu<br />
finden oder Kompromisse zu verhandeln.<br />
100<br />
Warum wollen wir eigentlich immer recht behalten? Wissen Sie, warum<br />
es so schwierig ist, seinen Standpunkt aufzugeben? Nun, auch hier<br />
schlägt die Evolution zu. Recht zu haben hat in der Vergangenheit bedeutet,<br />
tödliche Gefahrensituationen richtig einzuschätzen und so<strong>mit</strong><br />
zu überleben. Da<strong>mit</strong> ist Rechthaben ein Überlebensinstinkt und regiert<br />
uns bis heute – auch in Situationen, die nicht tödlich sind. Gute Beispiele<br />
für unterschiedliche Ansichten finden sich in Paarbeziehungen. Kennen<br />
wir nicht alle den Gedanken: »Ich habe recht, soll sich doch mein<br />
Partner auf mich zubewegen.« Wenn beide Parteien so denken, findet<br />
man allerdings nicht zueinander.<br />
In diesem Kapitel erfahren Sie, was das Wesen des »eigentlichen«<br />
<strong>Verhandeln</strong>s ist und wie Sie es geschickt steuern können. Auf den folgenden<br />
Seiten möchte ich Ihnen die Fähigkeit ver<strong>mit</strong>teln, Ihr Sprachniveau<br />
der jeweiligen Schärfe der Verhandlung anzupassen. Solange es<br />
locker zugeht, ist es einfach, selbst locker zu bleiben, doch wenn der<br />
Verhandlungspartner hart ist, unfair wird, sich zurückzieht oder auf stur<br />
schaltet, braucht es andere sprachliche Möglichkeiten, um auch weiterhin<br />
mental ausgeglichen bleiben zu können. Mit den »Eskalationsstufen<br />
der Verhandlung« möchte ich Ihnen ein Modell an die Hand geben, das<br />
diese Nuancen abbildet.<br />
In den folgenden Abschnitten erfahren Sie, welche Charakteristika<br />
und Funktionen die verschiedenen Eskalationsstufen haben, und lernen<br />
Techniken und Werkzeuge kennen, um zu Ihrem Ziel, <strong>dem</strong> Geschäftsabschluss,<br />
zu kommen.<br />
Rhetorische Eskalationsstufen<br />
Meine Seminarteilnehmer sagen in diesem Zusammenhang oft: »Grundsätzlich<br />
bin ich sehr nett, doch wenn man mich reizt, dann kann ich auch<br />
echt unfreundlich und laut werden.« Sie beschreiben da<strong>mit</strong> ihre kom-<br />
101
munikativen Möglichkeiten, in entspannten Situationen – wenn alles im<br />
»grünen Bereich« ist – freundlich und umgänglich zu sein. Und sie beschreiben<br />
ihre Reaktionsweise, wenn die Verhandlung härter wird, der<br />
Ton ruppiger oder sie sogar in die Gefahr geraten, die Fassung zu verlieren.<br />
Das Verhandlungsgespräch eskaliert, sie sehen »rot«. Was dabei<br />
auffällt: Vielen Menschen scheint die Möglichkeit zu fehlen, zwischen<br />
diesen beiden Extremen zu agieren. Dem Farbschema einer Ampel folgend,<br />
bezeichne ich diesen Bereich in Gesprächen als die »gelbe« Eskalationsstufe.<br />
Denn genau dieses Agieren zwischen den extremen Polen<br />
sorgt dafür, dass sich in Verhandlungen die Fronten nicht zu früh verhärten.<br />
Daher ist es wichtig, gut gewappnet zu sein für solche »haarigen«<br />
Situationen – also »gelb« zu kommunizieren.<br />
Wenn die eigene magnetisch anziehende Wirkung sich nicht in eine<br />
abstoßende umkehren soll, muss man auch in emotionaler werdenden<br />
Gesprächen die sprachlichen Möglichkeiten haben, in ruhigeres Fahrwasser<br />
zurückzufinden und dadurch die Verhandlungsführerschaft zu<br />
behalten. Das gelingt <strong>dem</strong>jenigen, der sich nicht durch seine Gefühle<br />
regieren lässt, sondern weiterhin das Ziel im Blick behält; der weiterhin<br />
agiert, statt impulsgesteuert zu reagieren. Das <strong>MagnetPrinzip</strong> vereint<br />
da<strong>mit</strong> die eigene sprachliche Brillanz und die starke Einstellung »Wir<br />
sind auf Augenhöhe, und ich kann in jeder Situation beweisen, dass ich<br />
ihr souverän gewachsen bin«.<br />
Die hier vorgestellten Techniken sind vielfach erprobt von Verkäufern<br />
und Beratern aus den verschiedensten Branchen. Sie lassen sich auf<br />
jede Branche übertragen. Daher geben sie Ihnen die Möglichkeit, die<br />
eigene, vielleicht noch unbewusste Technik zu hinterfragen und – falls<br />
nötig – zu verbessern. Außer<strong>dem</strong> lernen Sie, in Zwischentönen zu sprechen,<br />
und haben so die Möglichkeit, zukünftig ein freundliches, aber<br />
bestimmtes »STOPP« zu setzen, ohne laut und ausfallend zu werden<br />
oder wie paralysiert vor einem tobenden Geschäftspartner oder Kunden<br />
zu stehen und kein Wort mehr herauszubringen. Das wird Sie von den<br />
102<br />
meisten Menschen abheben, denn die wenigsten Menschen beherrschen<br />
es virtuos, situationsgerecht zu agieren. Und gerade deshalb sind<br />
die Eskalationsstufen so spannend.<br />
Wichtig ist, zu erkennen, auf welcher Eskalationsstufe das Gespräch<br />
gerade stattfindet, und daran angepasst zu reagieren. Führen wir ein<br />
emotional entspanntes Gespräch auf Augenhöhe und kommen nur ein<br />
paar Rückfragen auf, dann ist gewissermaßen die Ampel grün. Es geht<br />
darum, zu klären, zu verstehen, weitere Informationen zu liefern und<br />
das Gespräch fortzusetzen.<br />
Zielen Aussagen des Geschäftspartners unter die Gürtellinie oder<br />
wird der Ton schärfer, schaltet die Gesprächsampel also um auf Gelb,<br />
dann wird es wichtig, Techniken zu beherrschen, um wieder zu einem<br />
ergebnisorientierten Gespräch zurückzukehren und nicht auf Provokationen<br />
einzusteigen.<br />
Falls das nicht gelingt und die Situation so weit eskaliert, dass beide<br />
Verhandlungspartner rotsehen, dann, aber auch erst dann ist es gut,<br />
energisch eine Grenze zu setzen und – falls nötig – das Gespräch auch<br />
abzubrechen oder zumindest zu vertagen, ohne dabei verbrannte Erde<br />
zu hinterlassen. Diese – manchmal in Verhandlungen nicht zu vermeidende<br />
– Phase nenne ich die Eskalationsstufe Rot. Im gleichnamigen<br />
Abschnitt erfahren Sie, <strong>mit</strong> welchen Techniken man auch souverän bleiben<br />
kann, wenn es heiß hergeht.<br />
Der »grüne« Bereich<br />
Kommen im Gespräch sachlich formulierte Einwände oder Rückfragen<br />
auf, befinden wir uns auf der Eskalationsstufe Grün. Emotional ist das<br />
Gespräch noch harmonisch, doch ein oder mehrere Punkte sind noch<br />
nicht ganz geklärt, oder es gibt Zweifel aufseiten Ihres Gegenübers. Da<br />
kann es sein, dass einfach noch Informationen fehlen oder dass bisher<br />
103
nicht bekannte Gründe gegen ein sofortiges Ergebnis sprechen. Nicht<br />
immer kann man sofort sehen, um welche Art von Einwand es sich handelt.<br />
Warum? Nun, auch für den Kunden ist es nicht immer leicht, sofort<br />
ehrlich zu sein oder genau zu sagen, welches für ihn das Problem<br />
oder der Knackpunkt ist. Oft ist es vielleicht auch nur ein Bauchgefühl,<br />
das ihn dazu bringt, zu sagen: »Da schlaf ich noch eine Nacht drüber.«<br />
Oder das Geschäft hat eine Größenordnung, die für Ihren Kunden nicht<br />
mehr in den finanziellen Rahmen passt, in <strong>dem</strong> er sich normalerweise<br />
bewegt. Solche eher weichen Gründe werden oft nicht so klar artikuliert.<br />
Stattdessen wird ein Vorwand gesucht, um den eigentlichen Hindernisgrund<br />
in Ruhe <strong>mit</strong> sich selbst zu klären. Ihre Aufgabe als professionelles<br />
Gegenüber in Verhandlungen ist nun, Ihrem Gesprächspartner möglichst<br />
geschickt bei seinen Überlegungen zu helfen, da<strong>mit</strong> er sich wertgeschätzt<br />
fühlt. Ignorieren Sie seinen Einwand, besteht die Gefahr, dass<br />
er ungehalten wird.<br />
Die VFL-Methode<br />
Auf die Präsentation des Angebots folgen normalerweise Einwände, Widersprüche<br />
oder subtil geäußertes Unbehagen. Und genau dort bietet<br />
sich diese Methode an, insbesondere im Verkaufsgespräch <strong>mit</strong> Kunden<br />
oder immer dann, wenn Sie Menschen in einer entspannten Atmosphäre<br />
für sich gewinnen möchten. In der VFL-Methode steht:<br />
• V für »Verständnis zeigen«<br />
• F für »Frage(n) stellen«<br />
• L für »Lösung anbieten«<br />
So können in drei Schritten Einwände geklärt werden. Als Erstes ist es<br />
wichtig, Verständnis für die Gedanken des Verhandlungspartners zu<br />
104<br />
zeigen. Da<strong>mit</strong> ist kein Einverständnis für den Einwand gemeint, sondern<br />
eine kurze sprachliche Bestätigung, dass man seinen Standpunkt verstanden<br />
hat. Da Einwände meist unspezifisch sind, fehlt oft der eigentliche<br />
Beweggrund. Wir können die dahinterstehenden Gedanken noch<br />
nicht nachvollziehen, daher bietet sich als Zweites an, eine Frage zu<br />
stellen, um dies aufzuklären. In einem dritten Schritt können Sie eine<br />
Lösung anbieten. In dieser Phase einer Verhandlung geht es darum, Einwänden<br />
freundlich zu begegnen.<br />
Ein Beispiel aus der Vertriebspraxis:<br />
Am Ende des Telefonats, in <strong>dem</strong> ein Produkt vorgestellt wurde, sagt Ihr<br />
Kunde zu Ihnen: »Ich denke darüber nach und rufe Sie dann an.« Wie<br />
bekommen Sie jetzt den Fuß wieder in die Tür? Unterstellen Sie bitte<br />
nicht, dass dies nur ein Vorwand ist, sondern unterstellen Sie, dass der<br />
Einwand ernst gemeint ist, und klären dann die Situation. Wenn Ihr Gesprächspartner<br />
äußert: »Ich muss nachdenken«, können Sie Ihr Verständnis<br />
zeigen <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Satz: »Das kann ich verstehen, dass Sie über<br />
wichtige Entscheidungen nachdenken.« Danach ist es wichtig, <strong>mit</strong> einer<br />
guten Frage wieder in den Dialog einzusteigen. Das kann die einfache<br />
Frage »Worüber denken Sie genau nach?« sein oder auch eine Frage<br />
wie »Welche Information benötigen Sie noch für Ihre Entscheidungsfindung?«.<br />
Bekommen Sie nun auf Ihre Frage eine konkrete Antwort, können<br />
Sie Ihre Lösung dazu anbieten und dies einleiten <strong>mit</strong> den Worten:<br />
»Dann kann ich Ihnen dazu noch erklären …«<br />
Warum ist es so wichtig, Verständnis zu zeigen? Nur da<strong>mit</strong> können<br />
Sie <strong>dem</strong> Kunden das Gefühl geben, dass Sie sich für ihn interessieren<br />
und sein Bedürfnis nachvollziehen können. Das archaische Muster<br />
»recht haben« wird dadurch aufgelöst. Ebenso gewinnen Sie Zeit, um<br />
sich selbst Ihre nächsten Schritte gut überlegen zu können. Mit dieser<br />
105
selbstbewussten Reaktion zeigen Sie Stärke und bleiben weiter im Gespräch.<br />
Was dabei nicht passieren darf, ist, dass Sie sofort <strong>mit</strong> einer<br />
Gegenfrage, einer Rechtfertigung oder <strong>mit</strong> einem Angriff antworten.<br />
Sinn der Sache ist, das Bedürfnis des Gesprächspartners wirklich zu<br />
respektieren und nicht nur zu heucheln oder <strong>mit</strong> einer dahingeleierten<br />
Phrase zu beantworten. Ohne Verständnis landen Sie schnell in einem<br />
Schlagabtausch – und da<strong>mit</strong> können Sie Menschen nicht für sich gewinnen!<br />
Ein paar Beispiele, wie es aussehen kann, Verständnis zu zeigen:<br />
• »Da kann ich Sie gut verstehen.«<br />
• »Es ist nachvollziehbar, dass Sie …«<br />
• »Danke, dass Sie das so offen ansprechen.«<br />
• »Vielen Dank! Über die genauen Konditionen spreche ich sehr<br />
gerne <strong>mit</strong> Ihnen.«<br />
• »Vielen Dank für die vertrauliche Information.«<br />
• »Das ist eine berechtigte Frage.«<br />
• »Diese Frage beleuchtet einen wichtigen Aspekt.«<br />
• »Mir gefällt die Art, wie Sie denken.«<br />
Ist das Verständnis gezeigt, können Sie dazu übergehen, den Beweggrund<br />
zu klären, in<strong>dem</strong> Sie eine Frage stellen. Werfen Sie hier, falls irgend<br />
möglich, bitte noch keine eigene Lösung ein. Das kommt erst im<br />
nächsten Schritt. Lösungen sollten Sie nur vorbringen, wenn Sie genau<br />
wissen, worum es eigentlich geht. Doch je öfter Sie einen Einwand von<br />
einem Ihrer Kunden gehört haben, umso eher werden Sie ihnen verallgemeinern.<br />
Wenn ich Verkäufer zum Beispiel frage, worüber der Kunde<br />
wohl nachdenkt, wenn sie den Einwand hören: »Ich denke darüber nach<br />
und melde mich bei Ihnen«, dann sagen die Verkäufer oft: »Über den<br />
Preis, worüber sonst?« Das kann natürlich sein, aber es ist genauso gut<br />
106<br />
möglich, dass der Kunde über die Laufzeit nachdenkt oder über andere<br />
inhaltliche Punkte, wie Kaufbedingungen oder Stornierungsbedingungen,<br />
oder erst seinen Ehepartner, den Chef oder den Steuerberater fragen<br />
muss oder noch ganz andere Kaufverhinderer im Kopf hat. Leiten<br />
Sie daher den Beweggrund anderer Menschen niemals aus Ihren eigenen<br />
Befürchtungen ab. Um diese Falle des Gehirns zu umgehen, ist es<br />
wichtig, nachzufragen. Jede Frage ist ein unbewusster Suchbefehl für<br />
das Gehirn Ihres Gegenübers und bringt Sie wieder ins Gespräch, während<br />
Ihr Gegenüber unter freundlichen Zugzwang gerät, seine Einstellung<br />
zu begründen. Da<strong>mit</strong> können Sie die Situation und die wirklichen<br />
Beweggründe klären.<br />
Nach<strong>dem</strong> Sie jetzt durch die Brille des Kunden auf sein Problem geschaut<br />
haben, können Sie Ihr Fachwissen wieder einsetzen und gemeinsam<br />
Lösungen erarbeiten.<br />
Sie wissen, wie sein Problem sich lösen lässt? Prima, nun können Sie<br />
Ihren Lösungsvorschlag vorstellen.<br />
Am Beispiel der oben geschilderten Vertriebssituation könnte der<br />
Dialog so weiter verlaufen:<br />
Am Ende des Telefonats, in <strong>dem</strong> ein Produkt vorgestellt wurde, sagt ein<br />
Kunde zu Ihnen: »Ich denke darüber nach und rufe Sie dann an.« Als<br />
Erstes zeigen Sie Ihr ernst gemeintes Verständnis durch einen Satz wie:<br />
»Das kann ich verstehen, dass Sie über wichtige Entscheidungen nachdenken.«<br />
Und fragen nach: »Worüber denken Sie genau nach?«<br />
Jetzt kommt es natürlich darauf an, wie Ihr Kunde antwortet, und<br />
je nach Antwort wird der Dialog unterschiedlich verlaufen. Vielleicht<br />
hören Sie: »Da habe ich von einem anderen Anbieter ein besseres Vergleichsangebot.«<br />
Bleiben Sie einfach in der Methode und bei der Einstellung,<br />
dass Sie die Situation weiter klären müssen. Ihr Verständnis<br />
könnte lauten: »Eine gute Idee, sich auf <strong>dem</strong> Markt umzuschauen.«<br />
Und Ihre anschließende Frage: »In welchen Punkten ist das Angebot<br />
107
esser?« Oder: »Inwieweit ist das Angebot <strong>mit</strong> unserem vergleichbar?«<br />
Ihre Lösung könnte dann sein: »Gerne schauen wir uns die Abweichungen<br />
der beiden Angebote Punkt für Punkt an, und dann können wir<br />
weitersehen.«<br />
Anhand von zwei oft gehörten Einwänden möchte ich Ihnen weitere praxiserprobte<br />
Beispiele geben.<br />
Einwand: »Vor der Entscheidung muss ich noch <strong>mit</strong> meiner Ehefrau<br />
(oder alternativ <strong>dem</strong> Steuerberater, <strong>dem</strong> Geschäftsführer oder einer<br />
Fachabteilung) sprechen.<br />
Verständnis:<br />
Fragen:<br />
»Ja, die Meinung Ihrer Frau dazu ist natürlich<br />
wichtig.«<br />
»Aus Ihrer Sicht passt mein Angebot aber?«<br />
»Wie schätzen Sie die Meinung Ihrer Frau ein,<br />
folgt Sie normalerweise solchen Vorschlägen?«<br />
»Was benötigen Sie dafür noch von mir?«<br />
Fragen:<br />
Lösung:<br />
»Wenn Ihnen das Produkt Zeit oder Geld sparen<br />
würde, würden Sie dann 30 Minuten Ihrer<br />
Zeit investieren?«<br />
»Zu welcher Zeit kann das für Sie interessant<br />
werden? Wann haben Sie die Möglichkeit, sich<br />
dafür Zeit zu nehmen?«<br />
»Dann schlage ich Ihnen vor, dass wir uns am<br />
nächsten Dienstag oder am nächsten Donnerstag<br />
um 16 Uhr verabreden.«<br />
Mit der VFL-Methode reagieren Sie lösungsorientiert und vor allem unvoreingenommen.<br />
Die innere Einstellung, das Problem oder die Frage<br />
Ihres Gegenübers nicht nur zu verstehen, sondern auch lösen zu wollen,<br />
hilft dabei, auf der Zielgeraden zu bleiben. Sie zeigen da<strong>mit</strong>, dass Sie<br />
auch dann als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, wenn es darum<br />
geht, ein noch eher diffuses Bauchgefühl aufzulösen oder beim Ausräumen<br />
von echten Bedenken zu helfen.<br />
Lösung:<br />
Einwand: »Keine Zeit«<br />
Verständnis:<br />
»Ich komme gerne für ein gemeinsames Gespräch<br />
bei Ihnen vorbei. Wir können auch hier<br />
in unseren Räumlichkeiten einen gemeinsamen<br />
Termin vereinbaren, oder ich stehe Ihnen telefonisch<br />
für ein weiteres Gespräch zur Verfügung.«<br />
»Ja, Zeit und Geld, das sind die Themen unserer<br />
Zeit.«<br />
»Ja, der Zeitpunkt muss auch immer passen.«<br />
Tipp:<br />
Aus der Erfahrung hat jeder in seinem Business ein paar Dauerbrenner<br />
bei den Einwänden. Schreiben Sie die Einwände auf, die Sie oft von<br />
Ihren Kunden hören, und notieren Sie sich Ihre Antwort. Probieren Sie<br />
dieses Muster dann konsequent aus. Nach je<strong>dem</strong> Ausprobieren lohnt<br />
es sich, die eigene Einwandbehandlung zu verbessern. Es kostet Sie<br />
viel Energie, sich jedes Mal – bei <strong>dem</strong> gleichen Kundeneinwand – eine<br />
neue Argumentation zurechtzulegen. Diese Kraft können Sie sich sparen,<br />
in<strong>dem</strong> Sie sich einen Einwandbehandlungsfundus zurechtlegen.<br />
108<br />
109
Preisverhandlung<br />
Natürlich ist der Preis oft tatsächlich das Problem. Trotz<strong>dem</strong> wollen wir<br />
ungern zu früh um den Preis feilschen wie auf einem arabischen Basar.<br />
Die Gesprächsatmosphäre soll im optimalen Fall weiter entspannt<br />
bleiben, da<strong>mit</strong> Sie auch in der Preisverhandlung <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> denkenden<br />
Hirn Ihres Gegenübers verhandeln und nicht <strong>mit</strong> einem emotional aufgeregten<br />
Gesprächspartner, der aus <strong>dem</strong> Reptilienhirn heraus agiert<br />
(vgl. Kapitel 2: »Exkurs Homo oeconomicus«). Daher sollten Sie sich<br />
insbesondere bei Ihrer Preisgestaltung im Vorfeld überlegen, wie weit<br />
Sie Ihrem Verhandlungspartner entgegenkommen können oder wollen.<br />
Wie Sie schon im Kapitel 1: »Vorbereitung« gelesen haben, können Sie<br />
sich ein Maximalziel setzen, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Sie in eine Preisverhandlung einsteigen.<br />
Das Minimalziel – also der letzte Preis, zu <strong>dem</strong> Sie bereit sind,<br />
das Geschäft einzugehen – dient Ihnen als Kontrollinstanz, da<strong>mit</strong> Sie im<br />
Eifer des Gefechts nicht zu viele Zugeständnisse machen. Auch <strong>mit</strong> dieser<br />
preislichen Bandbreite im Hinterkopf wollen wir natürlich als Erstes<br />
versuchen, den Maximalpreis zu erzielen. Dabei kann die VFL-Methode<br />
gute Dienste leisten. Darüber hinaus stelle ich Ihnen hier ein paar Ideen<br />
vor, die bei der Preisverhandlung nützlich sind. Diese Register können<br />
Sie ziehen, bevor Sie den Preis reduzieren.<br />
Auf den Einwand »Das ist zu teuer« können Sie <strong>mit</strong> der VFL-Methode<br />
wieder zuerst Verständnis zeigen: »Ja, die Kosten sind im Gesamtpaket<br />
immer ein wichtiger Faktor.« Danach kann die Frage lauten: »Wo<strong>mit</strong><br />
vergleichen Sie?« Oder: »Welche Ausstattungsmerkmale des Produkts<br />
vergleichen Sie?« Auch hier gilt es, erst einmal zu klären, ob wirklich<br />
vergleichbare Angebote vorliegen, danach können Sie Ihre Lösung vorbringen.<br />
Vergleicht Ihr Kunde <strong>mit</strong> qualitativ schlechteren Produkten<br />
oder hat ganz andere Ausstattungsmerkmale im Sinn, können Sie Ihr<br />
Produkt <strong>mit</strong> seinen spezifischen Vorteilen noch einmal in Szene setzen<br />
und zu den Alternativen abgrenzen, ohne direkt den Preis zu reduzieren.<br />
110<br />
Geht es danach immer noch um den Preis, dann kann Ihre Lösung <strong>mit</strong><br />
Sätzen wie »Dann schauen wir, wie wir eine individuelle Lösung für Sie<br />
bekommen und auf welche Parameter Sie vielleicht verzichten können«<br />
oder »Gern stehen wir Ihnen <strong>mit</strong> variablen Zahlungen zur Verfügung«<br />
eingeleitet werden.<br />
Speziell für Preisverhandlungen gibt es aber noch weitere Varianten,<br />
um zu reagieren. Deswegen möchte ich Ihnen hier weitere Methoden<br />
vorstellen, die Sie in Ihrer Preisverhandlung benutzen können.<br />
Eine Möglichkeit ist, erst einmal herauszufinden, ob der Preis aus<br />
Sicht Ihres Gegenübers wirklich der einzige negative Punkt am Angebot<br />
ist. Dazu können Sie diesen isolieren. Die Frage der Isolationsmethode<br />
ist folgende: »Wenn wir für den Preis eine Lösung für Sie finden: Ist das<br />
Angebot dann passend für Sie?« Nach der Antwort wissen Sie, ob Sie<br />
wirklich nur noch über den Preis verhandeln. Im Prinzip holen Sie sich<br />
hier – unter Herausnahme dieses einen kontroversen Punktes – schon<br />
den Abschluss des Geschäfts ein. Und wenn Sie das wissen, können Sie<br />
darüber nachdenken, ob Sie Ihrem Kunden preislich entgegenkommen<br />
wollen. Wenn Sie preislich nicht zu Zugeständnissen bereit sind, dann<br />
hilft die Plus/Minus-Methode.<br />
Bei der Plus/Minus-Methode geht es darum, den aus Kundensicht<br />
zu hohen Preis, der – wie <strong>mit</strong> der Isolationsmethode herausgefunden<br />
– das einzige Hindernis ist, das <strong>dem</strong> Kauf entgegensteht, noch einmal<br />
in Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Angebot zu bringen. Dafür finde ich das<br />
Bild einer altmodischen Waage <strong>mit</strong> zwei Schalen als Metapher sehr<br />
passend. Wirft Ihr Kunde den Preis in die eine Waagschale, dann legen<br />
Sie die Vorteile Ihres Produktes in die andere Waagschale. Auch wenn<br />
der Preis gerade schwer wiegt, auf der anderen Seite werden auch Wünsche<br />
erfüllt, die ebenfalls ein Gewicht haben. Mit diesem Bild im Kopf<br />
legen Sie nun gewissermaßen die Kundenwünsche, die sich durch den<br />
Kauf erfüllen würden, in die andere Waagschale. »Bevor wir über den<br />
Preis sprechen, fassen wir noch einmal zusammen: Was war wichtig<br />
111
für Sie an diesem Angebot?« Nach einer nochmaligen Zusammenfassung<br />
des Kundenbedarfs sollten Sie kurz fragen: »Stimmt das so?« Und<br />
dann Ihr Angebot folgendermaßen präsentieren: »Gut, dann haben wir<br />
für Ihren Bedarf das beste Produkt [die Dienstleistung] gefunden. Der<br />
Preis ist für das Angebot genau passend.« Danach halten Sie die Stille<br />
aus, die entsteht. Auf diese Art und Weise reagieren Sie kompetent und<br />
stellen in Ihrer Argumentation auf den Wert Ihres Produkts oder Ihrer<br />
Dienstleistung im Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kundenbedarf ab und nicht<br />
nur auf den Preis.<br />
Für die besonders Mutigen unter Ihnen eignen sich die folgenden<br />
Ideen. Mit diesen interessanten Varianten können Sie in der Preisverhandlung<br />
selbstbewusst auftreten und überraschend anders antworten,<br />
wenn der Einwand lautet: »Zu teuer.« Sie können zum Beispiel sagen:<br />
»Ja, wollten Sie denn etwas Billiges?« Dabei ist es wichtig, leicht verwirrt<br />
und irritiert zu gucken und dann zu schweigen. Oder Sie bleiben im<br />
starken Blickkontakt und fragen ganz direkt: »Und werden Sie es deshalb<br />
nicht kaufen?« Wieder ist es wichtig, danach Ruhe zu bewahren und<br />
eine Sprechpause zu machen. Ebenfalls möglich ist, auf den Zu-teuer-<br />
Einwand zu antworten: »Stimmt! Und wie kann ich Ihnen beweisen, dass<br />
es jeden Cent wert ist, den Sie dafür ausgeben werden?«<br />
Für diese schlagfertigen Antworten brauchen Sie einen kleinen Schalk<br />
im Nacken und eine gute Beziehungsebene <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kunden. Gelingt<br />
Ihnen das <strong>mit</strong> einem Lächeln, dann wird der Kunde verwirrt reagieren.<br />
Und das ist in diesem Moment auch gut so, da Sie dadurch seine Verhandlungsstrategie<br />
torpedieren und ihn in seinen Gedanken unterbrechen.<br />
Auch Ihr eigenes klares Bekenntnis zum Preis des Produkts wird<br />
dadurch untermauert.<br />
Nicht immer bekommen Sie Ihren zuerst genannten Preis auch durch.<br />
Des Öfteren werden Sie Verhandlungspartnern entgegenkommen und<br />
den Preis reduzieren müssen. Viele Verkäufer rechnen in den ersten<br />
Preisen ohnehin einen Aufschlag ein. Da<strong>mit</strong> es günstiger wirkt, wird<br />
112<br />
dann ein Rabatt gewährt. Amazon macht uns das im Internet zurzeit<br />
vor. Neben <strong>dem</strong> Verkaufspreis in Rot steht ein anderer Preis in Schwarz,<br />
und dieser ist durchgestrichen. Das ist sehr durchdacht. Rote Preise signalisieren<br />
uns Sonderangebote. »Sale«-Schilder oder Angebotspreise<br />
sind üblicherweise rot, sodass wir automatisch denken, es sei ein vergünstigter<br />
Preis. Dass diese Art von Prägung hervorragend funktioniert,<br />
konnten Sie schon im Kapitel 2: »Sprachliche Wirkung« über Priming<br />
lesen. Steht jetzt neben <strong>dem</strong> roten Preis ein anderer Preis, wird der<br />
automatisch als der Originalpreis angesehen. Ob das wirklich der Fall<br />
ist, weiß kein Mensch. Darum geht es auch gar nicht, es geht darum,<br />
den Eindruck zu erwecken, man könne ein Schnäppchen machen. Und<br />
natürlich kaufen wir alle gerne <strong>mit</strong> Rabatt und schlagen daher schneller<br />
zu.<br />
In Preisverhandlungen gehört es oft dazu, Entgegenkommen zu<br />
<strong>dem</strong>onstrieren. Bevor Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit als Verkäufer<br />
Ihren Preis reduzieren, können Sie versuchen, etwas dazuzugeben, das<br />
Sie nichts kostet oder nicht so viel kostet, wie Ihr Gegenüber dafür bezahlen<br />
müsste. Wie das funktioniert, können Sie im Kapitel 7, Abschnitt<br />
»Give-aways als Rabattersatz«, nachlesen. Verschenken Sie etwas aus<br />
Ihrem Warenbestand, dann haben Sie Ihrem Kunden ein Zugeständnis<br />
gemacht, das Sie nicht viel kostet – nur den Einkaufspreis –, doch Ihr<br />
Kunde hat das Gefühl, sich durchgesetzt zu haben. So haben beide Parteien<br />
einen Vorteil.<br />
Ein weiterer Trick ist, <strong>mit</strong> kleinen Schritten eine große Wirkung zu<br />
erzielen. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dass Sie mehrere Preisrunden<br />
drehen müssen, dann sollte Ihr Rabatt jedes Mal etwas kleiner werden.<br />
Stellen wir uns dazu vor, Sie wollen Ihr Auto privat verkaufen und<br />
haben den Verhandlungspreis bei 19.999 Euro angesetzt. Ihr Käufer will<br />
allerdings nur 17.000 Euro zahlen. Dass Sie dieses Angebot nicht annehmen,<br />
versteht sich von selbst. Denn genau wie Sie in den Preis von vornherein<br />
einen Verhandlungsspielraum eingebaut haben, pokert auch der<br />
113
Käufer, in<strong>dem</strong> er einen zu niedrigen Preis nennt. Nehmen wir an, dass<br />
Sie sich bei Ihrer Vorbereitung überlegt haben, dass Ihr Wunschpreis für<br />
den Wagen, also der Preis, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Sie realistisch rechnen, bei 18.850<br />
Euro liegt. Nun geben Sie bei der ersten Nachfrage einen Rabatt von 800<br />
Euro auf den genannten Preis und gewähren dann nach entsprechen<strong>dem</strong><br />
Entgegenkommen Ihres potenziellen Käufers bei der zweiten Nachfrage<br />
nur noch einen Nachlass von 300 Euro, dann nur noch von weiteren<br />
50 Euro. So drücken Sie dadurch, dass der Nachlassbetrag jedes Mal<br />
sinkt, ganz klar aus: Das Ende Ihres Verhandlungsspektrums rückt näher.<br />
Wenn Sie schon Rabatt geben müssen, dann sollte die Regel lauten:<br />
»Kein Rabatt ohne Gegenleistung.« Versuchen Sie, sowohl für sich als<br />
auch für Ihren Käufer eine Win-win-Situation herzustellen. Das bedeutet,<br />
dass Sie sich überlegen, welche Parameter Sie für den Rabatt<br />
verändern können, da<strong>mit</strong> sich das Geschäft für Sie weiterhin lohnt. Je<br />
größer das in Aussicht stehende Geschäft, umso eher ist man normalerweise<br />
bereit, auch einen Preisnachlass zu gewähren. Überlegen Sie<br />
daher, ob Sie einen Rabatt zum Beispiel ab einer gewissen Einkaufssumme<br />
gewähren wollen, denn dann haben auch Sie über die bestellte<br />
Menge mehr daran verdient. Als Dienstleister könnten Sie über die<br />
Zusammenarbeit bei weiteren Projekten verhandeln oder über eine<br />
Mindestabnahme an Stunden pro Jahr nachdenken. Oder wenn Sie als<br />
Vermieter einen niedrigeren Mietpreis als den von Ihnen veranschlagten<br />
akzeptieren müssen, lässt sich dafür vielleicht im Gegenzug die Laufzeit<br />
des Mietvertrages verlängern. Da<strong>mit</strong> wird der Preisnachlass auch<br />
nachvollziehbarer und wirkt nicht willkürlich. Wenn Sie langfristig ein<br />
gesuchter Gesprächspartner sein wollen, ist es immer wichtig, für Rabatte<br />
von Anfang an klare Regeln aufzustellen. Ihr Verhandlungspartner<br />
wird sich die Rabatte merken und Sie beim nächsten Geschäft darauf<br />
ansprechen. Daher ist es gut, wenn Sie dann auf Ihre bekannten Rabattregeln<br />
verweisen können.<br />
114<br />
Eskalationsstufe »Gelb«:<br />
Deeskalieren in schwierigen Situationen<br />
Ein gutes Gespräch ist wie ein harmonischer Tanz: Da<strong>mit</strong> das Ziel erreicht<br />
werden kann, ist eine Schrittfolge erforderlich, bei der sich der<br />
eine Partner auf den anderen Partner einstellt. Diese Interaktion setzt<br />
allerdings voraus, dass beide Gesprächspartner auch gemeinsam tanzen<br />
wollen. Das ist leider nicht immer der Fall. Oft genug versuchen<br />
Menschen, in Verhandlungen zu dominieren, um ihre eigenen Wünsche<br />
und Ziele durchzusetzen. Waren wir im vorigen Kapitel in Gesprächen,<br />
in denen wir auf der grünen Eskalationsstufe reagieren konnten, da es<br />
um sachliche Einwände ging, steigen die Emotionen in der Phase Gelb.<br />
Nicht jeder bleibt in Verhandlungen sachlich. Daher müssen Sie auch<br />
darauf vorbereitet sein, dass der Verhandlungspartner unfair agiert und<br />
Sie persönlich angreift. Doch auch dann wollen Sie sich nicht von Totschlagphrasen<br />
oder überflüssigen Kommentaren aus <strong>dem</strong> Konzept bringen<br />
lassen, denn Sie wissen ja, was Sie in dieser Verhandlung inhaltlich<br />
erreichen wollen. Wie Sie dieses Ziel weiterhin im Blick behalten,<br />
sodass Ihnen auch fiese Rhetoriker keinen Strich durch die Rechnung<br />
machen, und dabei in Ihrer natürlichen Autorität bleiben, statt selbst<br />
emotional zu werden, ist das Thema des nächsten Abschnitts.<br />
Wenn die Verhandlung eskaliert: Die Situation verstehen,<br />
um sie zu meistern<br />
Bevor wir uns den konkreten Methoden auf der Eskalationsstufe Gelb<br />
widmen, möchte ich beschreiben, welche grundsätzlichen Mechanismen<br />
wirken, wenn die Emotionen hochkochen, und wie wir solche Situationen<br />
souverän meistern und wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern<br />
können.<br />
115
Wenn in Verhandlungen der Blutdruck steigt, die Gesprächsatmosphäre<br />
schlechter wird und die negativen Emotionen Oberhand gewinnen,<br />
dann ergibt sich daraus, dass die Situation – bewusst oder auch unbewusst<br />
– als bedrohlich eingeschätzt wird. Drei Parameter bestimmen,<br />
inwieweit sich Ihr Verhandlungspartner in die Enge getrieben fühlt. Als<br />
Erstes ist wichtig, welche Bedeutung die Situation für ihn persönlich hat<br />
und welche Konsequenzen für sein eigenes Wohlergehen zu erwarten<br />
sind. Er schätzt ab, welchen Aufwand er in Zukunft <strong>mit</strong> der Entscheidung<br />
haben wird, ob er sie vielleicht vor Dritten rechtfertigen muss oder welche<br />
Folgekosten da<strong>mit</strong> verbunden sind. Als Zweites wird sein internes<br />
Bewertungssystem berechnen, <strong>mit</strong> welcher Wahrscheinlichkeit diese<br />
Konsequenzen für das eigene Wohlergehen wirklich eintreten. Der dritte<br />
wichtige Punkt ist, ob der Kunde selbst die Gelegenheit hat, auf die<br />
Situation Einfluss zu nehmen, oder ob er <strong>dem</strong> Verhandlungspartner ausgeliefert<br />
ist. Je unangenehmer die möglichen Folgen für Ihr Gegenüber<br />
sind, umso stärker werden die negativen Emotionen sein.<br />
Beispiel:<br />
Freunden von mir wurde vor einiger Zeit ihre heiß geliebte Dachgeschosswohnung<br />
wegen Eigenbedarfs gekündigt. Sie wohnten dort bereits<br />
seit zehn Jahren zu einem fairen Preis und fühlten sich sehr wohl.<br />
Darüber hinaus war die Schule ihrer Kinder gleich um die Ecke, ihre<br />
besten Freunde wohnten im gleichen Viertel, und auch <strong>mit</strong> den Einkaufsmöglichkeiten<br />
waren sie sehr zufrieden. Die unver<strong>mit</strong>telt ins Haus<br />
flatternde Kündigung schlug hohe Wellen. Kein Wunder, denn alle drei<br />
Punkte, die negative Emotionen aufwallen lassen, waren erfüllt. Die Bedeutung<br />
für das eigene Wohlergehen war enorm, da der sorgsam aufgebaute<br />
Lebens<strong>mit</strong>telpunkt in Gefahr war und ein Umzug immer auch<br />
<strong>mit</strong> einem erheblichen zeitlichen und monetären Aufwand verbunden<br />
ist. Die Kündigung war ausgesprochen, <strong>dem</strong>entsprechend lag die Wahrscheinlichkeit<br />
des Eintritts der Situation bei 100 Prozent. Und da das<br />
Mietrecht auf der Seite des Vermieters war, gab es keine Möglichkeit<br />
der Einflussnahme. Das Empfinden, hilflos ausgeliefert zu sein, führte<br />
naturgemäß zu einer heftigen emotionalen Reaktion.<br />
Auch in Verhandlungen gibt es Szenarien, in denen die Emotionen hochkochen.<br />
Sei es, weil es sich so anfühlt, als ob eine Partei die gesamte<br />
Macht in ihren Händen halte, oder weil die im Raum stehende Forderung<br />
oder Entscheidung einer Partei dafür sorgt, dass sich die Situation der<br />
anderen Partei verschlechtert. Wenn die Gefühle die Steuerung übernehmen,<br />
wird auch verbal anders agiert. Ist es erst einmal so weit, kommen<br />
Sie <strong>mit</strong> der freundlichen Methode, Verständnis zu zeigen, Fragen zu<br />
stellen und danach eine Lösung zu präsentieren, nicht weiter. Dann ist<br />
es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und vor allem: Ihr Ziel nicht<br />
aus den Augen zu verlieren.<br />
116<br />
Erste Hilfe in emotionalen Gesprächen<br />
Wie können Sie also deeskalieren, wenn es notwendig wird? In der<br />
höchsten Aufregung hat es keinen Sinn, zu argumentieren. Wenn der<br />
Verhandlungspartner für Ihre Argumente nicht aufgeschlossen ist, ist es<br />
besser, jegliche Argumentation zurückzustellen. Vor allen rhetorischen<br />
Kompetenzen steht also das Gefühl für die Situation. Wenn die Stimmung<br />
zu angespannt ist oder Ihr Gesprächspartner oder Sie selbst zu<br />
gereizt sind, ist es eine gute Möglichkeit, die Verhandlung zu unterbrechen.<br />
Je nach Situation geht das <strong>mit</strong> einer kurzen Kaffeepause, einer<br />
Mittagspause, die man bewusst getrennt voneinander verbringt, oder<br />
auch <strong>mit</strong> der Vertagung der ganzen Verhandlung. Wichtig ist, den Druck<br />
herauszunehmen und etwas Zeit verstreichen zu lassen, denn das sorgt<br />
dafür, dass sich die Emotionen von alleine abkühlen. Auch innerhalb der<br />
117
Verhandlungssituation können Sie deeskalieren, in<strong>dem</strong> Sie negative<br />
Bilder sprachlich nicht verstärken, sondern in positiven Bildern sprechen.<br />
Bleiben Sie selbst so lange emotional entspannt, wie es geht. Das<br />
ist nicht immer einfach, aber wenn wenigstens einer der Verhandlungspartner<br />
einen kühlen Kopf behält, hat die Verhandlung noch eine Chance.<br />
Wie Sie schon in Kapitel 2 gelernt haben, können Sie entweder aus<br />
<strong>dem</strong> Reptilienhirn heraus agieren oder Ihr Frontalhirn die Arbeit machen<br />
lassen. Ein souveräner Verhandlungspartner wird emotional entspannt<br />
bleiben, da<strong>mit</strong> er logisch denken kann. Das setzt eine gute Impulskontrolle<br />
voraus. Das mag sich schwer anhören, ist allerdings eine Frage<br />
der Übung und der sprachlichen Möglichkeiten. Nur wenn Sie entspannt<br />
und ohne Gefühlswallung sind, bleiben Sie Gesprächsführer. Der emotional<br />
Stärkere führt immer das Gespräch. Lesen Sie dazu auch im Kapitel<br />
1: »Die eigene Einstellung – gewonnen wird im Bauch« nach.<br />
Tipp:<br />
Eine Wunderfrage kann Ihnen helfen, wenn ein Gespräch zu eskalieren<br />
droht. Wenn Sie merken, dass Sie emotional werden, fragen Sie<br />
sich: »Worum geht es hier eigentlich wirklich?« Und dann lauschen Sie<br />
auf Ihre innere Antwort. Lautet die Antwort: »Ich habe nun mal recht,<br />
und das will ich jetzt durchsetzen«, dann sage ich: »Herzlichen Glückwunsch,<br />
das ist Ihr Überlebensinstinkt.« Danach bietet sich die zweite<br />
Frage an: »Will ich jetzt weiter meinen Überlebensinstinkt regieren<br />
lassen oder im Sinne des (geschäftlichen) Ziels handeln?«<br />
Es geht nicht darum, sich aufzuregen, es geht darum, clever zu sein.<br />
Doch wie genau kann man das umsetzen? Wer nie wieder sprachlos sein<br />
möchte, bekommt nun Methoden an die Hand, um in der Phase »Gelb«<br />
zu deeskalieren und kein Öl ins Feuer zu gießen.<br />
118<br />
Konstruktive Schlagfertigkeit: Die BUH-Technik<br />
Viele von uns kennen die Situation, von jeman<strong>dem</strong> sprachlich so überrumpelt<br />
zu werden, dass uns wortwörtlich die Luft wegbleibt. In diesem<br />
Moment würden wir gerne geistreich antworten, doch die richtige, auf<br />
den Punkt gebrachte Replik fällt uns erst viel später unter der Dusche<br />
ein. Das Problem dabei: Es gibt keine zweite Chance für eine erstklassige<br />
Antwort! Ob wir nun <strong>mit</strong> einer Totschlagphrase, einer unpassenden<br />
Frage oder einem uns persönlich abwertenden Kommentar konfrontiert<br />
werden: Wie können wir das professionell abwenden und deutlich eine<br />
Grenze ziehen? Vielen Menschen fällt genau das schwer. Aber keine Sorge,<br />
das ist kein Schicksal, sondern es lässt sich ändern. Denn auch für<br />
schlagfertige Antworten gibt es ein sprachliches Muster, das Sie lernen<br />
können. Wir sind nur dann nicht schlagfertig, wenn wir keine professionelle<br />
Technik besitzen, um auf Angriffe pfeilschnell zu reagieren. Die<br />
BUH-Technik ist eine solche Methode.<br />
Bei der Schlagfertigkeit geht es darum, verbal und körpersprachlich<br />
zu signalisieren: »So nicht!« Die Reaktion soll dabei professionell sein,<br />
das Ziel des Gespräches im Auge behalten und keine Nebenkriegsschauplätze<br />
aufmachen. Die Abwehr darf kurz sein, denn das macht es leichter,<br />
das Gespräch sofort wieder in den konstruktiven Bereich zu lenken.<br />
So bringen Sie Ihre Souveränität zum Ausdruck und bleiben konsequent<br />
der Gesprächsführer. Es benötigt also einen Impuls, welcher der aggressiv<br />
vorgebrachten Ablenkung eine klare Grenze setzt und dadurch zeigt,<br />
dass Sie keine Änderung des zu besprechenden Themas akzeptieren<br />
werden.<br />
Die innere Einstellung zu der Persönlichkeit des Verhandlungspartners<br />
bleibt auch hier: Wir sind auf Augenhöhe, ich bin okay, und du bist<br />
auch okay. Das unsachliche Argument und der gerade geführte Angriff<br />
sind allerdings nicht okay, sondern unangebracht. Genau diese Aussage<br />
kann die BUH-Methode leisten. Sie folgt <strong>dem</strong> Schema:<br />
119
1. Bewerten: Bewerten Sie die Aussage Ihres Gegenübers.<br />
2. Umdrehen: Stellen Sie Ihre gegenteilige Einschätzung dar und drehen<br />
Sie da<strong>mit</strong> das Gespräch zu Ihren Gunsten.<br />
3. Hauptthema: Machen Sie Ihr Thema wieder zum zentralen Gegenstand.<br />
Zitieren Sie eventuell einen Beweis für Ihre Meinung.<br />
Hierzu ein Beispiel aus meiner eigenen Berufserfahrung:<br />
Mit Mitte zwanzig arbeitete ich als Kundenberaterin in einer Bank. Üblicherweise<br />
empfingen wir die Kunden in einem separaten Raum, um<br />
Geldgeschäfte wie Wertpapiertransaktionen oder Ähnliches in vertrauter<br />
Atmosphäre zu besprechen. Eines Morgens passierte mir dabei etwas,<br />
das mir all die Schlagfertigkeit abverlangte, die ich bis dahin in<br />
Rhetoriktrainings gelernt hatte. Ohne Vorwarnung sagte der Kunde<br />
plötzlich zu mir: »Ich stelle mir gerade vor, wie Sie im Badeanzug aussehen.«<br />
Innerlich war ich vollkommen vor den Kopf gestoßen. Wie konnte<br />
man nur so etwas sagen? Aber auch eine schöne Herausforderung, um<br />
darauf gekonnt zu reagieren. Meine Reaktion darauf: »Und ich kann mir<br />
nicht vorstellen, dass Sie das gerade gesagt haben. Ich hole Ihnen jetzt<br />
mal ein Glas Wasser zum Abkühlen, und dann können wir zum Thema<br />
zurückkommen.« Daraufhin habe ich den Raum verlassen und mir erst<br />
einmal fünf Minuten Pause gegönnt, um meine Emotionen wieder in den<br />
Griff zu bekommen. Danach konnte ich wieder in das Besprechungszimmer<br />
gehen und ein fachlich gutes und entspanntes Gespräch <strong>mit</strong> meinem<br />
Kunden führen. Und das blieb auch in den nächsten Jahren so.<br />
In diesem Beispiel habe ich die BUH-Methode angewendet. Mit meiner<br />
Antwort »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das gerade<br />
gesagt haben« habe ich seinen übergriffigen Kommentar klar bewertet.<br />
Und natürlich habe ich <strong>mit</strong> meinem Tonfall und meinem Gesichtsausdruck<br />
unterstrichen, wie unpassend ich die Bemerkung fand. Dazu<br />
120<br />
bin ich aufgestanden und habe den Raum verlassen. Auch das ist eine<br />
klare Bewertung, die ausgedrückt hat: So nicht! Danach kam das Umdrehen<br />
seiner Worte. Durch das Spiegeln, also das Wiederholen seines<br />
Wortes »vorstellen«, wurde meine Reaktion schlagfertig. Nach<strong>dem</strong><br />
mein Kunde das Wort »vorstellen« eher im Zusammenhang <strong>mit</strong><br />
Vorstellungskraft und Fantasie benutzt hatte, bekam das Wort »vorstellen«<br />
in meinem Zusammenhang die eindeutige Botschaft: »Das ist<br />
mir unvorstellbar, dass ich das gehört habe, das kann ja wohl nicht<br />
wahr sein.« Da<strong>mit</strong> habe ich seine Aussage in der Bedeutung komplett<br />
umgedreht, ohne ihn persönlich anzugreifen. Mein nächster Baustein<br />
war der Satz »Ich hole Ihnen jetzt mal ein Glas Wasser zum Abkühlen,<br />
und dann können wir zum Thema zurückkommen«. Meine klare Ansage<br />
war, dass es, wenn ich <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Wasser wiederkomme, um das<br />
Beratungsthema gehen wird und um nichts anderes. Da<strong>mit</strong> bin ich zurück<br />
zu meinem Hauptthema gekommen und habe das Ziel, ein professionelles<br />
und neutrales Gespräch zu meinem Fachthema zu führen, im<br />
Blick behalten.<br />
Es ist wichtig, <strong>dem</strong> Ablauf dieser drei Schritte zu folgen. Als Erstes<br />
bewerten Sie die Aussage. Im Gegensatz zur grünen Phase befinden<br />
wir uns, wie sich am Beispiel gut erkennen lässt, hier in Situationen,<br />
in denen es nicht angebracht ist, Verständnis zu zeigen. Stattdessen<br />
muss die Aussage des Gesprächspartners klar und deutlich bewertet<br />
werden. Und zwar abgrenzend, zielgerichtet und verneinend, aber ohne<br />
persönlich beleidigend zu werden, da<strong>mit</strong> nicht weiter Öl ins Feuer gegossen<br />
wird, sondern die Professionalität und die Ausrichtung auf das<br />
Gesprächsziel beibehalten werden.<br />
Typische Bewertungen sind:<br />
• Ja/Nein.<br />
• Falsch.<br />
121
• Diese Einschätzung ist falsch.<br />
• Das ist eine Fehlinformation.<br />
• Wir stellen uns eine ganz andere Frage.<br />
• Das ist ein Nebenthema/Randaspekt.<br />
• Darum geht es jetzt nicht.<br />
• Das ist allein Ihre Meinung.<br />
• Sie verallgemeinern/pauschalisieren.<br />
• Die Frage, die uns durch den Kopf geht, ist eine andere.<br />
• Für die richtige Einschätzung der Angelegenheit sollten Sie noch<br />
wissen …<br />
• Das ist genau der Punkt.<br />
Körpersprachlich lässt sich die eigene Einstellung gut unterstreichen,<br />
in<strong>dem</strong> Sie den Kopf schütteln, aufstehen oder <strong>mit</strong> einem tiefen seufzenden<br />
Einatmen Ihr Missfallen an der Gesprächswendung erkennen lassen.<br />
Im zweiten Schritt stellen Sie Ihre Sicht der Dinge klar. Das geschieht<br />
durch das Umdrehen der angreifenden Aussage. Beim Umdrehen<br />
gibt es einen Schlagfertigkeitstrick: Spiegeln Sie eins der Wörter<br />
Ihres Gegenübers, wie ich es in meinem obigen Beispiel getan habe. Als<br />
der Kunde sagte: »Ich stelle mir gerade vor, wie Sie …«, antwortete ich:<br />
»Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie …« Genau das ist der Trick:<br />
Wenn Sie die Wörter des anderen verwenden, müssen Sie nicht über<br />
einen Einstieg in Ihre Replik nachdenken, und so erreichen Sie die für<br />
die Schlagfertigkeit nötige Schnelligkeit. Nun ist aber noch ein weiterer<br />
Punkt extrem wichtig: Bei rhetorisch Ungeübten entsteht spätestens<br />
jetzt Stille. Man bleibt genau hier hängen, schaut den Gesprächspartner<br />
an und wartet auf eine Gegenantwort. Das gilt es unbedingt zu vermeiden!<br />
Jeder Blickkontakt an dieser Stelle, jede kleine Pause wird als<br />
Aufforderung zum weiteren Wortgefecht über das Thema interpretiert.<br />
Deswegen brechen Sie nach <strong>dem</strong> Umdrehen den Augenkontakt ab. Gibt<br />
122<br />
es einen dritten Gesprächspartner in der Runde, sehen Sie stattdessen<br />
ihn an. Gibt es den nicht, dann nehmen Sie Ihre Unterlagen zur Hand<br />
oder zeigen Sie auf Ihre Präsentation. Fahren Sie wie selbstverständlich<br />
fort, das ist hier am wichtigsten; lassen Sie keine Pause entstehen,<br />
laden Sie nicht durch Blickkontakt zum Schlagabtausch ein. Machen<br />
Sie weiter <strong>mit</strong> Ihrem Text, als wäre nichts geschehen, in<strong>dem</strong> Sie zum<br />
eigentlichen Hauptthema zurückgehen. Ihr Thema darf sofort wieder<br />
zentraler Gesprächsgegenstand werden. Bei starken persönlichen verbalen<br />
Übergriffen kann es auch sinnvoll sein, dies zeitlich versetzt zu<br />
tun und nicht direkt zum Thema zu wechseln. In meinem Beispiel war es<br />
sogar angebracht, den Raum für einige Minuten zu verlassen und durch<br />
zeitlichen und körperlichen Abstand für Klarheit zu sorgen.<br />
Lassen Sie uns nun an einem weiteren Beispiel durchdenken, wie<br />
die BUH-Technik Ihnen gute Dienste leisten kann. Stellen Sie sich vor,<br />
Sie haben <strong>mit</strong> einem Gesprächspartner schon eine Zeit lang verhandelt.<br />
Über ein paar Punkte werden Sie sich jedoch nicht einig. Irgendwann<br />
versucht Ihr Verhandlungspartner, die nächsthöhere Ebene, also Ihren<br />
Vorgesetzten, einzuschalten, und sagt daher zu Ihnen: »Ich glaube, Sie<br />
sind hier gar nicht der richtige Ansprechpartner für mich, ich spreche<br />
über die Differenzen besser <strong>mit</strong> Ihrem Chef.« Natürlich wollen Sie das<br />
verhindern, da Sie Ihre Kompetenz nicht infrage gestellt sehen wollen<br />
und die Verhandlung selbst zu Ende bringen möchten. Sie könnten nun<br />
Ihre negative Bewertung der Anfrage ausdrücken, in<strong>dem</strong> Sie sagen:<br />
»Diese Frage stellt sich nicht.« Danach drehen Sie die Aussage um und<br />
führen weiter aus: »Die wirklich zentrale Frage, die sich stellt, ist doch<br />
…« Als Nächstes behalten Sie Ihr Ziel – die Verhandlung fortzusetzen<br />
– im Auge, in<strong>dem</strong> Sie zurück zum eigentlichen Thema leiten: »Wie kommen<br />
wir zwei bei den noch offenen Punkten zueinander? Nach<strong>dem</strong> wir<br />
nun schon so viele Unstimmigkeiten ausräumen konnten, schlage ich<br />
vor, wir …« Wichtig ist, dass Sie nun einfach weitermachen, als wäre<br />
nichts geschehen. Die Hemmschwelle, noch einmal die Einschaltung der<br />
123
nächsten Hierarchieebene anzusprechen und den Verhandlungspartner<br />
zu wechseln, ist gestiegen, und Ihre selbstbewusste Reaktion macht<br />
klar, dass dies weder nötig noch gewünscht ist.<br />
Reagieren auf Totschlagphrasen<br />
Eine der fiesen, da unterschwellig wirkenden Techniken, <strong>mit</strong> denen<br />
Menschen versuchen, uns von ihren Zielen zu überzeugen, sind die sogenannten<br />
Totschlagphrasen. Im Folgenden sehen wir uns diese Art von<br />
Aussagen genauer an und erarbeiten daran weitere Beispiele für die<br />
Anwendung der BUH-Methode, denn insbesondere beim Parieren von<br />
solcherart destruktiven Gesprächsbeiträgen leistet diese Methode gute<br />
Dienste. Totschlagphrasen kombinieren eine – eigentlich kontroverse<br />
und diskutierbare – Aussage <strong>mit</strong> einer starken negativen Wertung, zum<br />
Beispiel: »Wer nur egoistisch an die eigenen Ziele denkt, muss an diesem<br />
Punkt natürlich noch weiterverhandeln.«<br />
Sie sind deswegen so wirksam, weil es schwer ist, sich ihnen zu widersetzen.<br />
Sie zielen nicht darauf ab, in der Sache Argumente auszutauschen,<br />
sondern greifen die persönlichen Werte des Gegenübers an.<br />
Mit der stark negativen Bewertung stellen sie das Denkvermögen der<br />
anderen Person infrage, wenn sie der dargebotenen Sichtweise nicht<br />
folgt. Daher trauen sich viele Menschen nicht, den Inhalt infrage zu<br />
stellen. Das Gehirn wird quasi überrumpelt, denn durch die Verbindung<br />
der negativen Unterstellung (»egoistisch«) <strong>mit</strong> der Handlungsalternative<br />
(»weiterverhandeln«) entsteht eine Zwickmühle: Sie stimmen zwar<br />
sachlich nicht zu, denn Sie würden gerne über den strittigen Punkt weiterverhandeln,<br />
wollen aber gleichzeitig nicht als »egoistisch nur die<br />
eigenen Ziele« verfolgend klassifiziert werden.<br />
Aus dieser Zwickmühle können Sie sich befreien, in<strong>dem</strong> Sie das Muster<br />
kennen, <strong>dem</strong> Totschlagphrasen folgen. Sie sind<br />
124<br />
• kurz und prägnant,<br />
• pauschal,<br />
• meist auf die Person gerichtet, nicht auf die Sache,<br />
• abwertend,<br />
• stark polarisierend und<br />
• unterstellen, die Situation sei eindeutig und andere Meinungen<br />
seien unangebracht.<br />
Eine Diskussion des Sachverhalts stellen diese Aussagen infrage, da die<br />
Situation vermeintlich »klar« ist. Durch die extreme Wertung erscheint<br />
die Aussage logisch und nicht widerlegbar.<br />
In Verhandlungen werden Totschlagphrasen ganz bewusst benutzt, um<br />
den anderen aus <strong>dem</strong> Konzept zu bringen oder um ihn von der eigenen<br />
Sichtweise zu überzeugen. Das kann <strong>mit</strong> mehr oder weniger unterschwelligen<br />
Diffamierungen, moralischen Erpressungen oder <strong>dem</strong><br />
Selbstverständlichkeitsprinzip passieren.<br />
Mit Diffamierungen versucht Ihr Verhandlungspartner, Sie zu beeinflussen,<br />
bevor Sie sich überhaupt geäußert haben, um Sie daran<br />
zu hindern, einen für ihn unpassenden Standpunkt einzunehmen. Das<br />
kann geschehen, in<strong>dem</strong> er den ihm nicht passenden Standpunkt klar<br />
anspricht, aber dabei sofort auch in den Dreck zieht. Das Ziel hinter<br />
Diffamierungen ist, es Ihnen schwer zu machen, genau diesen Standpunkt<br />
später einzunehmen. Diese Vorgehensweise ist besonders clever,<br />
denn da Sie noch gar nichts gesagt haben, werden Sie nicht persönlich<br />
angegriffen und bemerken den Trick möglicherweise nicht einmal. Diffamierungen<br />
erkennen Sie an Sätzen wie »Nur ein Anfänger würde jetzt<br />
denken …«, »Wenn gesellschaftliche und charakterliche Werte nichts<br />
mehr wert sind, dann ...«, »Den einfachen Leuten kann die Politik ja<br />
weismachen, dass …«, »Wer allerdings zu feige ist, dieses Thema anzugehen<br />
…«. Wovon Sie sich in solchen Situationen nicht beeindrucken<br />
lassen dürfen, ist der fahle Beigeschmack auf der Nebentonspur, die<br />
125
126<br />
aussagt: »Sie sind ein schlechter Mensch, wenn Sie dieser Meinung<br />
folgen.«<br />
Mit der BUH-Methode können Sie Diffamierungen geschickt auflösen.<br />
Nehmen wir als Beispiel den Satz »Wer allerdings zu feige ist,<br />
dieses Thema anzugehen …«. In Ihrer Antwort folgen Sie wieder <strong>dem</strong><br />
Prinzip bewerten, umdrehen, zurück zum Hauptthema. Hier könnten<br />
Sie das tun, in<strong>dem</strong> Sie in Ihrer Antwort das Wort »feige« aufnehmen:<br />
»Vorausschauend heißt noch lange nicht feige …« Oder Sie greifen das<br />
Wort »Thema« heraus und sagen: »Das Thema angehen, ganz genau.«<br />
Dann drehen Sie die Aussage wieder um <strong>mit</strong> einem Satz wie »Lassen Sie<br />
uns also die Details zu <strong>dem</strong> Thema klären.«. So kommen Sie zu Ihrem<br />
Hauptthema zurück, ohne nach Bestätigung heischend Blickkontakt zu<br />
suchen oder weiter auf die Diffamierung einzugehen: »Ich schlage vor,<br />
wir fangen an <strong>mit</strong> …«<br />
Auch <strong>mit</strong> moralischen Erpressungen können Sie in eine Richtung<br />
gedrängt werden, etwas zu tun oder zu akzeptieren, das Sie eigentlich<br />
nicht wollen. Sie haben vermeintlich nur die Wahl, sich Ihrem Verhandlungspartner<br />
zu unterwerfen oder ein herzloser Schuft zu sein. Im Familienleben<br />
können das Sätze sein wie »Wenn du mich wirklich lieben<br />
würdest, dann würdest du …« Oder: »Deinetwegen habe ich nächtelang<br />
nicht geschlafen …« Und auch in geschäftlichen Verhandlungen gibt es<br />
diese moralischen Erpressungen. Sie hören sich dann wie folgt an: »Das<br />
müssen Sie <strong>mit</strong> Ihrem Gewissen ausmachen, wie Sie …«, »Der Teamgeist<br />
muss im Vordergrund stehen, und deshalb sollten Sie …«, »Menschlichkeit<br />
und Hilfsbereitschaft bedeuten Ihnen wohl gar nichts?«. Oder: »Bis<br />
jetzt habe ich Sie für einen fairen Partner gehalten, aber da habe ich<br />
mich wohl getäuscht.« Oder: »Im Interesse unserer langfristigen Zusammenarbeit<br />
sollten Sie für … Verständnis haben.«<br />
Solcherart moralischen Erpressungen liegen keine Argumente zugrunde,<br />
sondern sie zielen auf die Werteebene ab, also auf unsere<br />
Rechtschaffenheit, unseren Wunsch nach Gemeinschaft, unsere Ehrlichkeit<br />
oder Hilfsbereitschaft, für die wir normalerweise einstehen würden.<br />
Die <strong>mit</strong> ihnen einhergehende Unterstellung, wir agierten unmoralisch,<br />
trifft uns daher direkt ins Herz und macht uns sprachlos. Da ist es nicht<br />
einfach, Magnetismus auszustrahlen, aber hier zeigt sich der wahre Profi.<br />
Mit <strong>dem</strong> richtigen sprachlichen Muster im Gepäck fällt es einfach, gelassen<br />
zu reagieren.<br />
Lassen Sie uns am Beispiel der moralischen Erpressung »Im Interesse<br />
unserer langfristigen Zusammenarbeit sollten Sie für … Verständnis<br />
haben« ein Reaktionsmuster ansehen. Mit der Bewertung »Der Zusammenhang<br />
ist falsch gewählt« können Sie den moralischen Konflikt<br />
gekonnt auflösen und eine klare Grenze zu der Totschlagformulierung<br />
ziehen.<br />
Für Ihre schlagfertige Antwort können Sie zum Beispiel die Wörter<br />
»langfristige Zusammenarbeit« aus <strong>dem</strong> Ursprungssatz für Ihre Zwecke<br />
verwenden. Das kann sich wie folgt anhören: »Genau weil mir die<br />
langfristige Zusammenarbeit am Herzen liegt …« So verändern Sie den<br />
Kontext wieder zu Ihren Gunsten. Zurück zu Ihrem Thema kommen Sie<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Satz »Und daher lassen Sie uns das Thema langfristig und professionell<br />
angehen. Ich schlage vor, wir …«.<br />
Das Selbstverständlichkeitsprinzip stellt die Alternativlosigkeit in<br />
den Vordergrund. Es soll Sie da<strong>mit</strong> überrumpeln, dass es gar keine andere<br />
Lösung gibt als die vorgeschlagene, wenn man noch bei klarem<br />
Verstand ist. Formulierungen, die in dieser Argumentationslinie in Verhandlungen<br />
vorkommen, sind zum Beispiel »Es ist doch selbstverständlich,<br />
dass …«, »Es ist ganz offensichtlich, dass …«, »Eine gesunde Risikobereitschaft<br />
gehört natürlich dazu, wenn man ganz oben dabei sein<br />
will«, »Der gesunde Menschenverstand sagt einem doch …«.<br />
Keiner lässt sich gern den gesunden Menschenverstand absprechen,<br />
und so<strong>mit</strong> scheint es klar auf der Hand zu liegen, dass jetzt im<br />
Sinne des Verhandlungspartners reagiert werden muss. Es hört sich<br />
so an, als gäbe es gar keine Alternative dazu. Doch selten ist das<br />
127
wirklich so. Auf die Phrase »Der gesunde Menschenverstand sagt einem<br />
doch …« könnte die sprachlich brillante Gegenreaktion <strong>mit</strong> der<br />
BUH-Methode zum Beispiel wie folgt verlaufen. Zuerst bewerten Sie<br />
wieder die Aussage, dieses Mal <strong>mit</strong> einem klaren Nein. Dann das Umdrehen:<br />
»Denn genau dieser Menschenverstand sagt mir ebenfalls,<br />
dass …« Nun kommen wir wieder zurück auf das Hauptthema <strong>mit</strong>:<br />
»Worüber wir jetzt sprechen sollten, ist … Lassen Sie uns also unser<br />
Thema wieder aufgreifen.«<br />
Mit der BUH-Methode holen Sie sich die Gesprächsführung wieder<br />
zurück, wenn es brenzlig wird. Ihr Gesprächspartner versteht dadurch,<br />
dass solche sprachlichen Entgleisungen von Ihnen nicht toleriert werden,<br />
sondern gekonnt genutzt werden, um sofort wieder zu einem zielorientierten<br />
Gespräch zurückzufinden. Normalerweise reicht es, dies<br />
ein- oder zweimal zu wiederholen, bis der Gesprächspartner verstanden<br />
hat, dass er <strong>mit</strong> seinen Totschlagargumenten bei Ihnen gar nichts erreicht,<br />
und da<strong>mit</strong> aufhört. Angenehmerweise passiert das eher unterbewusst.<br />
Tipp:<br />
Eine spontane Reaktion auf Totschlagphrasen ist oft: »Warum?« Diese<br />
Antwort kann jedoch Ihrem Ziel entgegenwirken, weil Sie da<strong>mit</strong> in<br />
das Problem hineinfragen. Sie gehen den Weg Ihres Gegenübers <strong>mit</strong>.<br />
Als Nächstes wird eine ausführliche Erklärung folgen, warum man zu<br />
diesem Fazit kommen muss. Wollen Sie das wirklich hören? Bringt Sie<br />
das in der Verfolgung Ihrer Verhandlungspunkte weiter? Oft ist es nach<br />
der Erläuterung womöglich umso schwieriger, das Argument zu widerlegen.<br />
Einfacher ist es, Sie gehen gar nicht erst darauf ein. Viel interessanter<br />
ist es für Sie, den Satz zu beginnen <strong>mit</strong>: »Genau deswegen.«<br />
Das nimmt der Totschlagphrase sofort den Wind aus den Segeln.<br />
Powerfragen stellen<br />
Eine unkonstruktive Gesprächssituation kann nicht nur durch verbale<br />
Angriffe, sondern auch durch passives »Mauern« Ihres Gegenübers<br />
entstehen. Unabhängig davon, ob Sie nun in einem Meeting, einem<br />
Verkaufsgespräch oder einer Verhandlung sind, entstehen häufig kommunikative<br />
Sackgassen, in denen plötzlich alle an den einmal eingenommenen<br />
Positionen festhalten und nicht wissen, wie der Konflikt aufgelöst<br />
werden kann. Sie erkennen eine Sackgasse im Gespräch daran,<br />
dass die Parteien ihre Argumente wieder und wieder vortragen, der eigene<br />
Standpunkt sich dabei um keinen Zentimeter bewegt und die Argumente<br />
der Gegenseite nicht mehr hinterfragt oder kommentiert werden.<br />
Dadurch wirken zwar alle Beteiligten sehr aktiv, doch die Ergebnisse lassen<br />
zu wünschen übrig. Weder stehen das ursprüngliche Thema und das<br />
Gesprächsziel im Vordergrund noch wird nach einer Lösung für das aufgetretene<br />
Problem gesucht. Vielmehr versuchen alle, die Positionen zu<br />
bewahren. In einer solchen Situation muss es einen Menschen geben,<br />
der es schafft, die Stagnation aufzulösen und eine andere Denkrichtung<br />
als Ausweg anzubieten. Im besten Fall sind Sie es, der die Gesprächspartner<br />
aufrüttelt und wieder zum Thema zurückführt. Denn auch da<strong>mit</strong><br />
zeigen Sie, dass Sie immer Herr der Lage bleiben und Ihre magnetische<br />
Wirkung auch in diesen Gesprächssituationen funktioniert. Um Ihr verbales<br />
Können zu unterstreichen, ist in diesem Zusammenhang ein Fundus<br />
an Powerfragen das Mittel der Wahl.<br />
128<br />
129
EXKURS > >> >> > ><br />
Drama-Dreieck:<br />
Lassen Sie uns dieses »Mauern« kurz genauer ansehen. Zur Klärung<br />
von solch unproduktiven Kommunikationsabläufen leistet ein Konzept,<br />
das unter <strong>dem</strong> Namen »Drama-Dreieck« bekannt ist und zuerst von<br />
Stephen Karpman (1968) beschrieben wurde, wertvolle Dienste. Es ist<br />
ein hilfreiches Instrument, um ein relativ überschaubares Kommunikationsmuster<br />
zu erkennen und darzustellen, dass es für alle Beteiligten<br />
unerfreulich endet. Haben Sie es erkannt, können Sie es auch durchbrechen.<br />
Das Konzept unterscheidet drei verschiedene Rollen, in die<br />
Menschen verfallen, wenn sie nicht auf Augenhöhe kommunizieren:<br />
der Retter, der Verfolger oder das Opfer. Mit diesen drei Rollen besetzt<br />
jeder Beteiligte – wie in einem Drama – eine Position, die er während<br />
des Gesprächs allerdings auch wechseln kann. Folgendes Beispiel veranschaulicht<br />
diese drei klassischen Rollen: Herr A und Herr B sind <strong>mit</strong>einander<br />
im Gespräch, kommen aber zu keiner Lösung. Herr C denkt,<br />
dass sich Herr A nicht gut verständlich machen kann, greift daher ein<br />
und sagt: »Was Herr A sagen will, ist …« Das verärgert Herrn A, der<br />
daraufhin zu Herrn C sagt: »Mischen Sie sich da nicht ein, ich kann für<br />
mich alleine sprechen.« Eine Reaktion von Herrn C könnte sein: »Ich<br />
wollte ja nur klären helfen.«<br />
Herr C startet aus der Retterposition. Er mischt sich in das Gespräch<br />
ein, ohne darum gebeten worden zu sein. Daraufhin wird er von Herrn<br />
A aus der Verfolgerposition zurechtgewiesen und kritisiert, was bei<br />
Herrn C den Wechsel in die Opferposition bewirkt, in der er sich unverstanden<br />
fühlt.<br />
In einer Drama-Dreieck-Kommunikation werden die Rollen von den<br />
Personen zwar oft gewechselt, trotz<strong>dem</strong> hat jeder Mensch eine bevorzugte<br />
Position, aus der heraus er Kontakt zu anderen aufnimmt. Da<strong>mit</strong><br />
130<br />
werden andere »eingeladen«, die komplementäre Rolle einzunehmen.<br />
Geschieht das, kann sich eine Folge von Transaktionen ergeben, deren<br />
Ergebnis praktisch vorhersagbar ist: Es kommt zu keiner Lösung, eher<br />
zu einer Vertiefung des Konfliktes, man dreht sich im Kreis, verliert viel<br />
Zeit und geht in der Regel <strong>mit</strong> unbefriedigenden Ergebnissen auseinander.<br />
Der Verfolger wird eher <strong>mit</strong> Totschlagphrasen, wie sie im vorigen<br />
Kapitel beschrieben wurden, Menschen angreifen oder sprachlich<br />
nicht wertschätzen. Treffen Sie dagegen auf Retter, so können<br />
Sie sich in Verhandlungen glücklich schätzen, dass Ihnen jemand<br />
seine Hilfe unaufgefordert anbietet und Sie unterstützt. Wenn Sie<br />
dagegen <strong>mit</strong> jeman<strong>dem</strong> kommunizieren, der in die Opferhaltung verfällt,<br />
sollten Sie bedenken, dass diese Person keineswegs so hilflos<br />
ist, wie sie im ersten Augenblick erscheinen mag. Eine Person in der<br />
Opferrolle gibt sich der Einstellung und <strong>dem</strong> Verhalten nach so, als<br />
ob sie aus eigener Kraft das Problem nicht lösen könnte, ihre eigene<br />
Bedürftigkeit sie vom Problemlösen abhält, oder stellt es so dar, dass<br />
die Umstände keine Lösung zulassen. Da den meisten Menschen<br />
nicht bewusst ist, dass sie in der Opferrolle kommunizieren, glauben<br />
sie wirklich daran, dass es keine Lösung für ihr Problem gibt. Sie erscheinen<br />
uns daher sehr glaubwürdig. Nehmen Sie dann die komplementäre<br />
Rolle dazu ein, agieren also zum Beispiel aus der Retterrolle<br />
heraus, passiert Folgendes: Der Retter versucht, nach bestem Wissen<br />
und Gewissen zu helfen, und liefert mögliche Lösungen für das Problem.<br />
Da Menschen in der Opferrolle dafür allerdings nicht empfänglich<br />
sind, verhallen auch gute Lösungen. Mehr noch: Der Retter wird<br />
für seine Lösungen Gegenargumente hören, die schlüssig beweisen,<br />
warum die vorgebrachten Lösungen nicht funktionieren können. Das<br />
Opfer verharrt in seiner Haltung.<br />
> > > > > > > >> > > >> >> > > ><br />
131
Die Aufgabe des Gesprächsführers ist, Menschen, die aus der Verfolgerrolle<br />
heraus sprechen, so weit zu beruhigen, dass sie sachlichen Argumenten<br />
zugänglich sind, und auch Menschen, die in der Opferhaltung<br />
kommunizieren, dabei zu helfen, in Optionen und Lösungen zu denken<br />
und einen Ausweg aus <strong>dem</strong> vermeintlichen Dilemma zu finden. Da eigene<br />
Lösungsvorschläge nicht auf Gehör stoßen, ist es besser, gute Fragen<br />
zu stellen, um den anderen in den Lösungsprozess zu integrieren, zu<br />
eigenen Erkenntnissen zu führen und so dafür zu sorgen, dass er seine<br />
eigene Lösung findet.<br />
132<br />
Beispiel:<br />
Sie diskutieren während des Baus Ihres Privathauses <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Fliesenleger<br />
über die Fertigstellung des Badezimmers. Ihr Fliesenleger sagt,<br />
dass er in vier Wochen fertig sei. Das ist für Sie viel zu spät, da Sie dann<br />
bereits einziehen wollen und zwischendurch noch die Duschwände, Armaturen<br />
etc. eingebaut werden müssen. Im Gespräch verhärten sich die<br />
Fronten. Ihr Fliesenleger sagt: »Ich habe auf Ihre Fliesen länger warten<br />
müssen als gedacht, und nun muss ich erst noch zu einer anderen Baustelle,<br />
das kann ich jetzt nicht ändern.« Sie sind in einer schwierigen<br />
Lage, da Sie aus Ihrer alten Wohnung ausziehen müssen und nicht in<br />
ein Haus ohne WC einziehen können. Natürlich könnten Sie jetzt <strong>mit</strong> Lösungsideen<br />
kommen und vorschlagen, dass Ihr Fliesenleger samstags<br />
arbeitet oder am Abend länger macht. Doch was wird daraufhin passieren?<br />
Sie werden garantiert die Argumente hören, warum das so nicht<br />
geht. Also – was ist die Lösung? Fragen Sie den Handwerker: »Sagen<br />
Sie, was muss passieren, da<strong>mit</strong> Sie in zwei Wochen fertig sind?« Die erste<br />
Antwort wird wahrscheinlich lauten: »Da muss der Himmel mir vier<br />
Hände wachsen lassen, in zwei Wochen kann ich nicht fertig sein, das<br />
hab ich Ihnen doch schon erklärt!« Davon völlig unbeeindruckt fragen<br />
Sie freundlich weiter: »Ja, ich weiß, aber wenn wir jetzt noch mal genau<br />
überlegen, wie kann es in zwei Wochen gehen, da<strong>mit</strong> ich einziehen<br />
kann?« Auch für diese scheinbar unlösbare Situation gibt es viele Optionen.<br />
Mit freundlichem, aber hartnäckigem Nachfragen kommen Sie im<br />
Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Fachmann darauf, dass ein zweiter Hilfsarbeiter einspringen<br />
könnte. Sie einigen sich darauf, dass zuerst das separate WC<br />
gefliest wird und das zweite Bad erst nach Ihrem Einzug. Vielleicht ist es<br />
auch eine Frage des Preises, und wenn Sie die Samstagsarbeit anders<br />
bezahlen, bekommen Sie Ihren Wunsch erfüllt. Es gibt für (fast) alles<br />
eine Lösung – Sie müssen nur richtig danach fragen.<br />
Mit konsequent lösungsorientieren Powerfragen neue Horizonte zu eröffnen,<br />
bietet sich immer dann an, wenn Sie über Dinge diskutieren, von<br />
denen Sie selbst wenig Ahnung haben, weil Sie vielleicht nicht das nötige<br />
technische Know-how besitzen, aber Ihr Bauchgefühl Ihnen sagt:<br />
»Das muss doch auch anders gehen!«<br />
Powerfragen sind zum Beispiel:<br />
• Wie kann es trotz<strong>dem</strong> klappen?<br />
• Wie kann es preiswerter/schneller/besser gehen?<br />
• Was können wir/Sie berücksichtigen, da<strong>mit</strong> es klappt?<br />
• Was können wir verändern, sodass es dieses Mal funktioniert?<br />
• War der Fall, in <strong>dem</strong> es nicht funktionierte, genau wie unserer?<br />
Wenn ja, wie können wir unsere Lösung dieses Mal anpassen?<br />
In der Anwendung auf typische Opferaussagen hört sich das dann so an:<br />
Opferaussage:<br />
»Das geht so nicht!«<br />
133<br />
Frage:<br />
»Wie kann es gehen?«
»Dafür habe ich keine Zeit!«<br />
»Da ist ein anderer schuld/zuständig.«<br />
»Das war so nicht vorgesehen.«<br />
»Wie kann es trotz<strong>dem</strong> funktionieren?«<br />
»Wie können wir zwei das jetzt<br />
trotz<strong>dem</strong> gemeinsam lösen?«<br />
»Und wenn wir das jetzt so machen,<br />
wie können wir das trotz<strong>dem</strong> in die<br />
Wege leiten?«<br />
Bedenken Sie: Wann immer Sie <strong>mit</strong> Menschen kommunizieren, die in<br />
der Opferhaltung verharren, werden diese Gründe gegen Ihre guten Lösungsvorschläge<br />
finden.<br />
Es kann sehr anstrengend sein, ständig Ideen zu erfinden, die der<br />
Gesprächspartner doch nicht annimmt. Kommt Ihr Gesprächspartner<br />
auf eigene Lösungen, erhöht sich die Chance, dass er später auch die<br />
Lösung <strong>mit</strong>trägt und die Sache zur beiderseitigen Zufriedenheit erledigt<br />
wird. Auf diese Art können auch Fragen das Einhalten von Vereinbarungen<br />
sichern.<br />
Appelltechnik<br />
Wenn Sie wollen, dass Ihr Gegenüber eine Aufgabe ausführt, ist es<br />
sinnvoll, darauf zu achten, dass Sie diesen Auftrag klar kommunizieren.<br />
Klare Kommunikation bedeutet: Wer macht genau was bis genau wann?<br />
Das ist manchmal schwieriger, als es im ersten Moment den Anschein<br />
hat.<br />
Um eine starke Wirkung zu erzielen, ist es häufig ebenso wichtig,<br />
Aufträge oder Anweisungen gut zu platzieren. Auf der Eskalationsstufe<br />
»Gelb« bietet sich dafür die Appelltechnik an.<br />
Beispiel:<br />
Stellen Sie sich folgende Szene vor: Eine Frau steht in der Küche und<br />
bereitet das sonntägliche Mittagessen vor. Während sie fleißig das Gemüse<br />
dazu schnippelt, quillt irgendwann der Mülleimer über. Sie ruft<br />
ins Wohnzimmer, wo sie ihren Mann vermutet: »Schatz, kannst du mal<br />
den Müll rausbringen?« Er ruft zurück: »Ja, klar.« Und danach passiert<br />
nichts. Es dauert vielleicht noch weitere fünf Minuten, dann wird die<br />
Frau ärgerlich, weil ihr Mann sich nicht sofort um den Müll gekümmert<br />
hat. Da stellt sich die Frage: Ist dieser Ärger berechtigt? Natürlich hat<br />
sie gefragt, ob er den Müll hinausbringen kann, allerdings hat sie nicht<br />
davon gesprochen, dass es sofort sein muss. Ihr Mann könnte also <strong>mit</strong><br />
seinem »Ja, klar« auch gemeint haben: »Ja, aber später.« Das war von<br />
der Frau zwar nicht so gemeint, denn ihr liegt am Herzen, dass es wirklich<br />
sofort passiert, da<strong>mit</strong> sie weiterhin in ihrer Küche arbeiten kann.<br />
Aber ausgesprochen hat sie es nicht.<br />
Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, klar zu kommunizieren. Aus der<br />
eigenen Position ist einem sonnenklar, was gemeint ist, der Verhandlungspartner<br />
kann allerdings aus seiner Position eine ganz andere Sicht<br />
der Dinge haben, sei es unabsichtlich oder aus strategischen Gründen.<br />
Appelle helfen dabei, klare Aufträge zu senden. Nicht alle Menschen verfügen<br />
über ausgeprägte Appell-Ohren. Auch Sie kennen bestimmt Menschen,<br />
die sofort aufspringen, wenn ein anderer sagt: »Mir ist kalt«, um<br />
ein offenes Fenster zu schließen. Doch nicht alle Menschen reagieren so.<br />
Wenn Sie also jemanden zu einer bestimmten Handlung auffordern<br />
wollen, arbeiten Sie <strong>mit</strong> Appellen. Ihre klaren Aufträge können Sie<br />
einleiten <strong>mit</strong> folgenden Phrasen:<br />
• Definieren Sie …<br />
• Präzisieren Sie …<br />
• Konkretisieren Sie …<br />
134<br />
135
• Beschreiben Sie uns …<br />
• Bearbeiten Sie …<br />
• Liefern Sie …<br />
• Präsentieren Sie uns bitte …<br />
• Schildern Sie doch mal konkret …<br />
• Bitte machen Sie bis zum … Folgendes …<br />
und klar zugleich. Alternativ wird es weicher, wenn Sie das Wort »bitte«<br />
einfügen: »Herr Kaufmann, stellen Sie das bitte bis Freitag fertig.«<br />
Hier finden Sie noch einige Beispiele, wie Sie aus Fragen Appelle machen<br />
können.<br />
Frage:<br />
Als Appell:<br />
Oft höre ich, wie Menschen versuchen, ihre Aufträge in Fragen zu verpacken.<br />
Die Frageformen gehören aber in einen anderen Zusammenhang,<br />
wie Sie auf den vorherigen Seiten schon lesen konnten (vgl. Kapitel 3:<br />
»Mit Fragen filtern« und Kapitel 4: »Powerfragen stellen«).<br />
Man hört dann oft Sätze, die wie folgt anfangen: »Könnten Sie bitte<br />
mal …« oder »Würden Sie bitte …«. Der Konjunktiv »könnte« oder »würde«<br />
ist in Deutschland eine Höflichkeitsform. Wir meinen es nett und<br />
formulieren daher im Konjunktiv. Sprachlich sauber ist das nicht, da Sie<br />
in diesem Moment eigentlich erwarten, dass nun eine Handlung erfolgt.<br />
Diese Art, Aufträge zu verteilen, wurde manchen von uns anerzogen<br />
und hat die positive Absicht, freundlich auf andere Menschen zu wirken.<br />
Allerdings ist dieses Vorgehen in geschäftlichen Verhandlungen –<br />
besonders, wenn sie nicht ganz glatt verlaufen – eher hinderlich. Von<br />
kleineren Kindern können wir lernen, wie ein echter Auftrag aussieht,<br />
denn Kinder sind Meister darin, klar zu kommunizieren. Sie reden nicht<br />
um den heißen Brei, sondern sagen, was sie meinen. Oder haben Sie<br />
schon einmal ein Kind sagen hören: »Könntest du mir bitte meine Schippe<br />
geben, da<strong>mit</strong> ich im Sand spielen kann?« Sie formulieren ganz klar:<br />
»Gib mir meinen Eimer!« Im Erwachsenenalter sagen wir dann: »Herr<br />
Kaufmann, könnten Sie das bis Freitag fertigstellen?« – und meinen da<strong>mit</strong><br />
eigentlich, dass es am Freitag fertig sein soll. Dann sollte die klare<br />
Formulierung auch lauten: »Herr Kaufmann, stellen Sie das bis Freitag<br />
fertig.« Das klingt in Ihren Ohren zu hart? Da macht der Ton die Musik.<br />
Wenn Sie Ihren Appell warmherzig und freundlich vorbringen, ist er nett<br />
Was sagen Sie dazu?<br />
Können Sie das übernehmen?<br />
Schreiben Sie für uns alle <strong>mit</strong>?<br />
Teilen Sie mir Ihre Einschätzung dazu<br />
<strong>mit</strong>.<br />
Übernehmen Sie das bitte.<br />
Bitte schreiben Sie für uns alle <strong>mit</strong>.<br />
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns <strong>mit</strong> Verhandlungssituationen,<br />
in denen schon ein etwas rauerer Wind weht – wir sind auf der Eskalationsstufe<br />
»Gelb«, hier läuft die Kommunikation nicht von allein. Wenn<br />
Menschen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, ist es nicht unbedingt<br />
nötig, auf saubere Formulierungen zu achten, denn dann wird jeder<br />
Auftrag aus Eigenantrieb ausgeführt. Immer dann, wenn Sie <strong>mit</strong> Ihren<br />
Aufträgen aber auf Widerstand stoßen, ist es besser, sehr klar zu sein,<br />
da<strong>mit</strong> Ihre Wünsche auch erfüllt werden.<br />
Nach<strong>dem</strong> Sie die Muster hinter Angriffen auf der Stufe Gelb nun kennengelernt<br />
haben, sind Sie jetzt auch in der Lage, Totschlagargumente<br />
zu erkennen und sich schon durch diese Erkenntnis nicht aus der Ruhe<br />
bringen zu lassen. Auf diese Weise sind Sie in der Lage, schlagfertig zu<br />
kontern und sofort eine Grenze zum Gesagten zu ziehen. Nutzen Sie die<br />
Möglichkeit, die Worte des anderen zum Schlagabtausch zu benutzen,<br />
so wie Sie es in den obigen Beispielen noch einmal nachlesen können.<br />
So schlagen Sie Ihr Gegenüber <strong>mit</strong> seinen eigenen Waffen. Folgen Menschen<br />
Ihren Anweisungen nicht, prüfen Sie, ob Sie vielleicht zu weich<br />
136<br />
137
formulieren, und senden Sie ab jetzt mehr klare Appelle. Ihre innere<br />
Einstellung darf dabei immer bleiben: Wir sind auf Augenhöhe, und ich<br />
verhandle gerne weiter, aber <strong>mit</strong> rhetorischen Tricks lasse ich mich nicht<br />
hereinlegen. Die fallen mir auf, und ich kontere konsequent.<br />
Eskalationsstufe »Rot«<br />
Sie haben klar kommuniziert, Powerfragen gestellt, haben immer wieder<br />
versucht, die Emotionen zu kanalisieren und auf das relevante Thema<br />
zurückzukommen, und führen noch immer kein fundiertes Gespräch<br />
auf Augenhöhe? Trotz all Ihrer Versuche hört Ihr Gesprächspartner nicht<br />
<strong>mit</strong> seinem destruktiven Verhalten auf? Auch das kommt vor. Helfen die<br />
bisher vorgestellten Techniken nicht, so brauchen Sie schwereres Gerät<br />
aus Ihrer sprachlichen Werkzeugkiste. Die Eskalationsstufe »Rot«<br />
ist immer dann erreicht, wenn die Diskussion an einem sehr kritischen<br />
Punkt angelangt ist. So langsam kommen Sie in das Fahrwasser, wo für<br />
Sie auch ein Abbruch der Verhandlungen im Raum steht. Bevor Sie aber<br />
da<strong>mit</strong> drohen, gibt es noch elegantere Lösungen.<br />
Grenzen setzen <strong>mit</strong> positivem Sie-Feedback<br />
Beispiel:<br />
Als Coach begleitete ich einen Projektleiter einer größeren Immobilienverwaltungsgesellschaft<br />
bei einem Bauprojekt. Ein großes Büroareal<br />
musste komplett saniert werden. Zu unserem Gesprächszeitpunkt waren<br />
die Arbeiten schon so weit fortgeschritten, dass bereits 80 der insgesamt<br />
100 neuen Fenster eingesetzt worden waren. Im Baucontainer<br />
auf der Baustelle trafen sich der Projektleiter und der Chef der Firma,<br />
138<br />
die den Auftrag hatte, die Fenster einzubauen. Ausgangspunkt des Gesprächs<br />
war, dass der Chef des Handwerksbetriebs sein Geld noch nicht<br />
erhalten hatte, obwohl er bereits im Vormonat 80 Fenster eingebaut<br />
hatte. Der Projektleiter begründete das da<strong>mit</strong>, dass die Rechnungsstellung<br />
nicht in der richtigen Form erfolgt sei.<br />
Als die zwei Gesprächspartner sich trafen, war die Spannung von<br />
Anfang an zu spüren. Der Inhaber der Fensterfirma begann sofort, den<br />
Projektleiter <strong>mit</strong> den Worten zu beschimpfen: »Sie müssen uns kleine<br />
Unternehmer auch bezahlen! Wie soll ich <strong>mit</strong> meiner Acht-Mann-Firma<br />
überleben, wenn Sie mir die 80 Fenster nicht bezahlen, ich bin doch keine<br />
Bank! Überweisen Sie mir noch diese Woche mein Geld!« Der Projektleiter<br />
erwiderte, ebenfalls in gereiztem Tonfall: »Dafür müssen Sie erst<br />
mal lernen, eine Rechnung richtig zu stellen! Ich habe hier 80 Fenster<br />
auf der Rechnung stehen und weiß nicht, welche Fenster in welchem Gebäude<br />
da<strong>mit</strong> gemeint sind! Sie haben den Auftrag, mir aufzuschlüsseln,<br />
welche Fenster Sie wo verbaut haben, da<strong>mit</strong> das ins Budget der verschiedenen<br />
Bürokomplexe passt!« Daraufhin schrie ihn der Inhaber der<br />
Fensterfirma an: »Ich arbeite hier nicht weiter! Immer geht es ans Geld<br />
des kleinen Mannes! Sie ruinieren mich!« Woraufhin der Projektleiter<br />
lautstark konterte: »Hören Sie auf, mich anzuschreien, Sie stellen doch<br />
nicht zum ersten Mal eine Rechnung! Das kann doch nicht so schwer<br />
sein!« In diesem Stil ging das Gespräch noch eine Zeit lang weiter, dann<br />
stapfte der Inhaber der Fensterfirma fluchend von der Baustelle.<br />
Natürlich ist es kein guter Start, wenn ein Gesprächspartner sofort <strong>mit</strong> Beschimpfungen<br />
anfängt, und es ist nur allzu menschlich, <strong>mit</strong> Gegenvorwürfen<br />
zu kontern. In der Sache bringt es uns aber keinen Schritt weiter. Oft<br />
genug kochen, wie in obigem Beispiel, die Emotionen nur noch höher, die<br />
Positionen verfestigen sich immer mehr, und die Möglichkeit, eine sachliche<br />
Lösung zu erreichen, rückt in weite Ferne. Nebenthemen werden zu<br />
Kriegsschauplätzen, und durch die aufwallenden Gefühle kann keiner<br />
139
der Beteiligten mehr aus <strong>dem</strong> Konflikt aussteigen. Das Gespräch im Beispiel<br />
mündete in einen verbalen Schlagabtausch, bei <strong>dem</strong> jede Partei die<br />
Chance nutzte, der anderen so richtig die Meinung zu sagen.<br />
Dabei bedurfte es für eine Klärung des reinen Sachverhalts »eigentlich«<br />
nur einer neuen Rechnung <strong>mit</strong> der Aufschlüsselung, in welchem<br />
Gebäude die Fenster verbaut worden waren. Auch ein klärendes Gespräch<br />
<strong>mit</strong> der Buchhaltung hätte helfen können, die Formfehler zu beheben.<br />
Schon nach <strong>dem</strong> ersten Satz ging es aber nicht mehr um einfache<br />
Lösungen, sondern nur noch darum, den anderen anzugreifen.<br />
Zurück zu einer sachorientierten Lösung findet man nur, wenn zumindest<br />
eine Partei es schafft, aus diesem nicht zu gewinnenden Ringkampf<br />
auszusteigen. Natürlich kann das ebenfalls <strong>mit</strong> der BUH-Methode funktionieren.<br />
Der Projektleiter hätte folgendermaßen reagieren können:<br />
»Die Frage, ob ich Ihnen das Geld überweise, stellt sich nicht, das werde<br />
ich ganz sicher tun. Was ich jetzt dafür von Ihnen noch benötige, ist die<br />
exakte Aufschlüsselung der eingebauten Fenster. Wie bekommen wir<br />
das gemeinsam hin?«<br />
Nehmen wir nun an, die BUH-Methode reicht nicht aus, um den wütenden<br />
Fensterbauer wieder auf die rationale Ebene zu lenken, dann<br />
ist es an der Zeit, die inhaltliche Argumentationsebene zu verlassen<br />
und sich in die Vogelperspektive zu begeben. Dabei sprechen Sie den<br />
Umgang <strong>mit</strong>einander an, also die Art und Weise, wie Sie das Gespräch<br />
erleben; da<strong>mit</strong> bewegen wir uns auf der Werteebene. Allerdings nicht<br />
<strong>mit</strong> Totschlagargumenten, wie sie im Abschnitt über die gelbe Eskalationsstufe<br />
dargestellt wurden. Zuerst lohnt sich noch immer ein lösungsorientierter<br />
Versuch. Beim positiven Sie-Feedback sprechen Sie<br />
das unerwünschte Verhalten Ihres Gesprächspartners und die daraus<br />
entstehende schlechte Gesprächsatmosphäre klar an und liefern direkt<br />
einen Lösungsvorschlag: »Wie sollten wir beide <strong>mit</strong>einander ab sofort<br />
umgehen, da<strong>mit</strong> die Verhandlung nicht scheitert?« Das klappt nur, wenn<br />
Sie weiterhin souverän bleiben, sich also nicht auf den Wortkampf unter<br />
140<br />
der Gürtellinie einlassen. Noch bleiben Sie locker und positiv. Sprachlich<br />
gelingt das <strong>mit</strong> der Methode des positiven Sie-Feedbacks. Beim<br />
positiven Sie-Feedback treffen Sie zuerst eine Sie-Aussage und zeigen<br />
danach die positiven Folgen der Veränderung auf. Im obigen Beispiel<br />
kann sich das wie folgt anhören:<br />
1. Sie-Aussage treffen: »Sie beharren zurzeit auf <strong>dem</strong> Thema, dass ich<br />
Ihnen das Geld für die Fenster nicht überweisen will, und hören mir nicht<br />
lösungsorientiert zu. Da<strong>mit</strong> drehen wir uns im Kreis.«<br />
2. Positive Folgen der Veränderung aufzeigen: »Lassen Sie uns den Blick<br />
wieder auf das eigentliche Thema lenken. Das Geld steht Ihnen zu. Das<br />
ist klar. Da<strong>mit</strong> ich Ihnen das Geld in dieser Woche überweisen kann,<br />
benötige ich eine formal andere Rechnung von Ihnen.«<br />
1. Sie-Aussage<br />
Mit der Sie-Aussage sprechen Sie Ihren Verhandlungspartner persönlich<br />
an. Und in diesem Moment ist das gut so, denn er soll jetzt merken,<br />
dass tatsächlich er gemeint ist. Diese Wirkung können Sie noch steigern,<br />
in<strong>dem</strong> Sie Ihren Gesprächspartner <strong>mit</strong> seinem Namen ansprechen:<br />
»Herr Kaufmann, Sie verstricken sich gerade in Details.«<br />
2. Positive Folgen der Veränderung aufzeigen<br />
Argumente kommen bei Ihrem Verhandlungspartner besser an, wenn für<br />
ihn der eigene Nutzen nachvollziehbar ist. Das haben Sie bereits im Kapitel<br />
3, Abschnitt »Nutzenargumentation«, gelesen. Das gilt auch noch<br />
auf der Eskalationsstufe »Rot«. Genau wie in der Angebotsphase nimmt<br />
Ihr Verhandlungspartner diejenigen Argumente besser auf, die ihm in<br />
die Karten spielen. Ihre Interessen sind ihm im Zweifel gleichgültig. Daher<br />
ist es besser, nicht zu sagen: »Wenn wir das nicht machen, dann<br />
platzt die Verhandlung!«, sondern den positiven Nutzen der Verhaltens-<br />
141
änderung zu benennen. In unserem Beispiel ist das die Aussage: »Wenn<br />
wir uns heute darüber einigen können, wie die Rechnung erstellt werden<br />
muss, dann haben Sie nächste Woche das Geld auf Ihrem Konto.«<br />
Beachten Sie also in dieser Phase, dass Sie von der übergeordneten Ebene<br />
auf das Gespräch blicken, das hilft auch, die eigenen Emotionen zu<br />
kontrollieren. Entgleisen Gespräche auf diese aggressive Art und Weise,<br />
darf immer der Gesprächsstil selbst zum Thema gemacht werden. In der<br />
Folge nenne ich Ihnen noch einige Formulierungen, <strong>mit</strong> denen Sie Gespräche<br />
in dieser roten Phase wieder auf den Boden der Konstruktivität<br />
zurückbringen können.<br />
142<br />
Beispiele:<br />
• »Ich möchte kurz etwas Grundsätzliches ansprechen: Unterschiedliche<br />
Meinungen liegen in der Natur von Verhandlungen, ich persönlich<br />
wünsche mir aber einen fairen Umgang. Da<strong>mit</strong> wir schnell<br />
und für beide Seiten passend zum Ziel kommen, schlage ich vor,<br />
dass wir uns <strong>dem</strong> eigentlichen Thema zuwenden und eine gemeinsame<br />
Lösung finden, die uns beiden Vorteile verschafft.«<br />
• »Wenn ich auf unsere Verhandlung schaue, dann ist mir nicht ganz<br />
klar, warum sich der Tonfall verändert. Wir waren am Anfang sehr<br />
weit auseinander (unterstreichen Sie das körpersprachlich, in<strong>dem</strong><br />
Sie <strong>mit</strong> Ihren Händen einen weiten Abstand zeigen), nun sind wir<br />
uns im Gespräch beide entgegengekommen und haben viel erreicht.<br />
Da<strong>mit</strong> haben wir jetzt nur noch Details zu klären (zeigen Sie<br />
wieder <strong>mit</strong> den Händen, dass Sie sich entgegengekommen sind, in<strong>dem</strong><br />
der Abstand der Hände sich verringert). Den Rest der Strecke<br />
sollten wir im gemeinsamen Interesse, das Geschäft abzuwickeln,<br />
nun auch noch fair und freundlich hinbekommen.«<br />
• »Ich möchte gern mal kurz die Verhandlung an sich zur Seite stellen<br />
und <strong>mit</strong> Ihnen über unseren Umgang <strong>mit</strong>einander reden. Mein Eindruck<br />
ist, wir kommen gerade nicht weiter und verlieren uns in persönlichen<br />
Anschuldigungen. Da<strong>mit</strong> die bisherigen Verhandlungen<br />
nicht umsonst waren, stellen wir die Lösung doch wieder in den<br />
Fokus und klären die offenen Punkte rational.«<br />
Den Schweregrad Ihrer Alarmstufe »Rot« bestimmen Sie durch Ihre Körpersprache.<br />
Den Ärger darf man Ihrem Gesicht hier ruhig ansehen. In<br />
den Worten und <strong>mit</strong> Ihrer Stimmlage bleiben Sie weiterhin freundlich,<br />
doch durch Stirnrunzeln oder einen fixierenden Blick sollten Sie klar<br />
ausdrücken, dass es Ihnen jetzt zu viel wird. Sie können Ihre Aussage<br />
untermauern, in<strong>dem</strong> Sie den Kopf schütteln. Auch diese nonverbale<br />
Aussage zeigt klar, was Sie vom Verhalten Ihres Gegenübers halten.<br />
Oder Sie stehen auf und gehen zum Fenster. Da<strong>mit</strong> drehen Sie Ihrem<br />
Verhandlungspartner kurz den Rücken zu. Durch diese körperliche Geste<br />
unterstreichen Sie: »Mir ist es wirklich ernst, machen wir hier so weiter,<br />
dann verlasse ich den Verhandlungstisch endgültig.« Klare Kante zu<br />
zeigen, wenn es nötig ist: Auch das gehört zum <strong>MagnetPrinzip</strong>. Wie im<br />
Abschnitt »Deeskalieren« schon erwähnt, ist es auch eine gute Lösung,<br />
die weitere Verhandlung auf einen neuen Termin zu verlegen, da<strong>mit</strong> jede<br />
Partei wieder in einem neutralen emotionalen Zustand ist.<br />
Mit den oben beschriebenen Formulierungen und Gesten können<br />
Sie ein deutliches Zeichen setzen und unterstreichen, dass Sie weder<br />
emotionale Entgleisungen noch eine vergiftete Verhandlungsatmosphäre<br />
akzeptieren. Dass in den Sachthemen verschiedene Interessen aufeinandertreffen<br />
und in entscheidenden Punkten hart verhandelt wird, ist<br />
selbstverständlich und liegt in der Natur von Verhandlungen. Das erforderliche<br />
Handwerkszeug, da<strong>mit</strong> Sie nicht zu schnell nachgeben müssen,<br />
weil Sie Ihrem Gesprächspartner verbal nicht gewachsen sind, habe ich<br />
Ihnen in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt. Trotz<strong>dem</strong> kann<br />
irgendwann auch ein Verhandlungsabbruch nötig werden. Mehr dazu<br />
lesen Sie im nächsten Abschnitt.<br />
143
Abbruch der Verhandlungen<br />
144<br />
Woran können Verhandlungen scheitern? Werfen wir dazu einen kurzen<br />
Blick zurück zum Anfang. Man ist in Verhandlungen eingetreten, weil<br />
man ein gemeinsames Ziel im Blick hatte, das für beide Parteien einen<br />
Nutzen darstellte. Jede Seite versprach sich ein gutes Geschäft, eine<br />
Verbesserung ihrer Situation oder einen anderweitigen Vorteil durch<br />
den Einstieg in die Verhandlung. Doch erst wenn es in den Gesprächen<br />
in die Details, also ans sprichwörtliche Eingemachte, geht, lernen sich<br />
die Verhandlungspartner wirklich kennen und bekommen ein klares<br />
Gespür für die Bedürfnisse, Positionen und No-Gos der anderen Partei.<br />
Verhandlungen scheitern, weil die Positionen letztlich doch zu weit<br />
auseinanderliegen, die Unterziele nicht erreicht werden, oder sie scheitern<br />
wegen der Erfahrungen <strong>mit</strong> den handelnden Personen während der<br />
Auseinandersetzung über die strittigen Punkte, also an der menschlichen<br />
Komponente.<br />
Man kann also unterscheiden zwischen <strong>dem</strong> Abbruch aufgrund von<br />
materiellen Interessen oder immateriellen Bedürfnissen. Materielle<br />
Interessen sind die sachlichen Gründe, die objektiv durch Dritte nachvollzogen<br />
werden können. Dazu gehören Geldzahlungen, geldwerte<br />
Vorteile, Eigentum oder anderer materieller Nutzen. Immaterielle<br />
Bedürfnisse sind dagegen nicht objektiv nachvollziehbar, sie spielen<br />
aber auch im modernen Wirtschaftsleben oft genug eine Rolle, wenn<br />
ein Geschäft scheitert. Dazu gehören zum Beispiel die emotionale Einstellung<br />
<strong>dem</strong> Verhandlungspartner gegenüber – ist er mir sympathisch<br />
oder nicht? –, das Verhalten und die daraus resultierende Stimmung in<br />
den Gesprächen oder auch das eigene Ansehen und der eigene Stolz.<br />
Immaterielle Bedürfnisse sind immer dann relevant, wenn die Wege<br />
der Verhandlungspartner sich nach Vertragsabschluss nicht endgültig<br />
trennen.<br />
So kann es zum Beispiel sein, dass der Inhaber eines alteingesessenen<br />
Malerbetriebs, der tief in <strong>dem</strong> Ort verwurzelt ist, seinen Betrieb nur<br />
an jemanden verkaufen möchte, der als sein Nachfolger gut zu seinen<br />
Kunden passt. Stellt sich der potenzielle Nachfolger in den Verhandlungen<br />
als Choleriker heraus, dann wird sich der Handwerksmeister gut<br />
überlegen, ob dieser wirklich ein geeigneter Kandidat für die Weiterführung<br />
seines Lebenswerkes ist. Bestimmt möchte er vermeiden, dass<br />
seine Nachbarn ihn in Zukunft fragen, warum er seinen guten Betrieb an<br />
einen aufbrausenden und unsympathischen Zeitgenossen verkauft hat,<br />
den niemand gerne beauftragt. Und so wird er zwar sicher gutes Geld für<br />
sein Malergeschäft erzielen wollen, aber nicht um jeden Preis.<br />
Bei der Überlegung, ob Verhandlungen abgebrochen werden, ist es<br />
also auch wichtig, Überlegungen zur Bewertung der Zukunft einfließen<br />
zu lassen. Das ist nicht immer so einfach wie in <strong>dem</strong> obigen Beispiel,<br />
insbesondere wenn die Situation komplexer ist. Denn diese weichen<br />
Faktoren, wie Stolz, Anerkennung und Tradition, spielen neben den harten<br />
Fakten immer eine bedeutende Rolle. Selbst bei der Fusion zweier<br />
Großunternehmen sind viele solcher Fragen zu klären, unter anderen,<br />
welcher Standort der neue Hauptsitz und wer der neue Vorstandsvorsitzende<br />
des gemeinsamen Unternehmens wird. Einigt man sich bei<br />
diesen immateriellen Fragen nicht, kann das durchaus zum Scheitern<br />
der Fusion führen.<br />
Egal, ob Sie solche großen, vielschichtigen Verhandlungen führen<br />
oder es um eher kleinere Deals geht: Oft ist schon viel Zeit investiert<br />
worden, wenn die Einigung auf der Kippe steht. Daher sind einige Faktoren<br />
zu bedenken, wenn ein Verhandlungsabbruch im Raum steht. Die<br />
alternativen Zukunftsszenarien sind logisch zu bewerten. Mit einem<br />
neuen Verhandlungspartner von vorne anzufangen bedeutet, zeitlich<br />
und geldlich neu zu investieren. Diese Kosten gilt es zu berücksichtigen,<br />
bevor man eine Verhandlung abbricht. Wenn Sie einen neuen Geschäftspartner<br />
suchen müssen, ist es ebenfalls unklar, ob Sie wirklich etwas<br />
Besseres finden. Mit einem Abbruch der Verhandlungen zu drohen, soll-<br />
145
te daher gut überlegt sein. Und genau deshalb kommen wir erst auf der<br />
Eskalationsstufe »Rot« zu diesem Thema.<br />
Sind Sie sicher, dass das Fass bis zum Überlaufen voll ist, dann ist<br />
die Frage, wie Sie den Verhandlungsabbruch ansprechen können. Wenn<br />
Sie den Abbruch der Verhandlung <strong>mit</strong> anderen Bedingungen verknüpfen,<br />
in<strong>dem</strong> Sie etwas sagen wie: »Wenn Sie mir bei diesem Punkt nicht<br />
entgegenkommen, dann breche ich die Verhandlung ab!«, dann sollten<br />
Ihren Worten auch Taten folgen. Drohen Sie also nur <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Abbruch<br />
der Verhandlungen, wenn Sie sich über Ihre Alternativen im Klaren sind<br />
und wissen, wie Ihr nächster Schritt aussieht. Drohungen sind klare Angriffe.<br />
Die Gefahr, dass Sie die Emotionen im Gespräch da<strong>mit</strong> weiter in<br />
die Höhe treiben und die Situation sich nicht verbessert, sondern verschlimmert,<br />
ist groß.<br />
Es kann eine gute Zwischenlösung sein, die Verhandlung »für heute«<br />
abzubrechen und dadurch <strong>dem</strong> Gesprächspartner zu signalisieren, dass<br />
er zu weit gegangen ist und Sie den Verhandlungstisch auf jeden Fall für<br />
diesen Tag und möglicherweise auch ganz verlassen. Bei dieser Lösung<br />
können Sie zusätzlich noch wählen, ob Sie sie freundlicher oder prägnanter<br />
gestalten. In der ersten Variante vereinbaren Sie noch während des<br />
Abbruchs einen neuen Verhandlungstermin. Wenn Ihnen das zu weich erscheint,<br />
dann lassen Sie offen, wann Sie wieder für ein Gespräch zur Verfügung<br />
stehen. Wenn Sie die Fäden trotz<strong>dem</strong> weiter in den Händen halten<br />
wollen, dann verabschieden Sie sich <strong>mit</strong> den Worten: »Ich rufe Sie an.«<br />
Dadurch können Sie den Zeitraum bestimmen und entscheiden, wie lange<br />
Sie Ihren Gesprächspartner auf heißen Kohlen sitzen lassen wollen.<br />
Den Zeitraum bestimmen Sie – je länger er dauert, desto mehr Zeit hat Ihr<br />
Gegenüber, sich Gedanken zu machen. Eine weitere Möglichkeit ist die<br />
Aussage: »Sie können ja dann anrufen, wenn Sie Ihre Meinung ändern.«<br />
Da<strong>mit</strong> sind dann allerdings Sie derjenige, der auf den Anruf warten muss.<br />
Gleichwohl hat der Satz eine starke Wirkung.<br />
Welche dieser Varianten jeweils die beste ist, hängt vom Einzelfall<br />
ab. Wichtig ist, dass Sie diese Entscheidung bewusst treffen und Ihnen<br />
die Auswirkungen klar sind.<br />
Fazit zur eigentlichen Verhandlung<br />
Nun haben Sie verschiedene Möglichkeiten kennengelernt, wie Sie in<br />
allen Phasen einer Verhandlung Gespräche wieder zurück auf eine sachorientierten<br />
Ebene bringen können: von freundlichen oder kritischen<br />
Nachfragen über leichte Angriffe und unfaire Taktiken Ihrer Gesprächspartner<br />
bis zu emotionalen Gesprächen <strong>mit</strong> schweren Konflikten, bei<br />
denen eine Lösung fast aussichtslos erscheint. Die Krux bei Verhandlungen<br />
ist: Es gibt so viele Variablen, dass man sich jedes Mal neu auf die<br />
Situation einstellen muss. Dabei wird es Menschen geben, <strong>mit</strong> denen es<br />
Ihnen leichterfällt, im entspannten Verhandlungsfahrwasser zu bleiben.<br />
Ob man sich gegenseitig sympathisch ist und gut <strong>mit</strong>einander umgehen<br />
kann, ist nicht zuletzt eine Frage des Charakters der Personen, die am<br />
Verhandlungstisch sitzen. Die Persönlichkeit Ihres Gegenübers macht<br />
einen entscheidenden Teil davon aus, ob Sie sprachlich gut andocken<br />
können und positive Emotionen auslösen oder nicht. Denn – bildlich gesprochen<br />
–: Nicht alle Menschen funken auf der gleichen Wellenlänge.<br />
Da<strong>mit</strong> sich Ihre magnetische Wirkung entfalten kann, selbst wenn Sie<br />
sich nicht auf Anhieb <strong>mit</strong> Ihrem Gegenüber verstehen, benötigen Sie<br />
Wissen über die verschiedenen Persönlichkeiten, auf die man treffen<br />
kann, und ihre jeweiligen Beweggründe. Mehr dazu finden Sie in diesem<br />
Buch im 6. Kapitel: »Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen Menschentypen«.<br />
Doch zunächst wollen wir den roten Faden im Gespräch weiterspinnen<br />
und uns der Abschlussphase widmen.<br />
146<br />
147
5 Abschlussphase<br />
148<br />
Ist der Zeitpunkt gekommen, an <strong>dem</strong> über alle Fragen Einigkeit erzielt<br />
worden ist, geht die Verhandlung in die Abschlussphase. Dabei ist es<br />
am wichtigsten, zu bemerken, wann die Zeit reif ist, die Unterschrift einzuholen.<br />
Werden die Signale übersehen, dass der Verhandlungspartner bereits<br />
überzeugt ist, führt das oft dazu, dass noch einmal Rückschritte in<br />
die Angebotsphase gemacht werden.<br />
Wie können Sie nun erkennen, ob Ihr Gegenüber bereits einverstanden<br />
ist? Achten Sie auf körpersprachliche Signale wie das Nicken<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kopf. Nicken signalisiert Zustimmung. Auch verbale Signale<br />
wie »Ja, das hört sich gut an« sollten Sie nicht überhören. Manchmal<br />
stellt Ihr Gegenüber vielleicht schon weiterführende Fragen, in<strong>dem</strong> er<br />
zum Beispiel nach der weiteren Abwicklung des Geschäfts fragt. Also<br />
Fragen, die nicht mehr <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kauf an sich zu tun haben, sondern<br />
<strong>mit</strong> den Schritten, die danach passieren. Auch dann können Sie davon<br />
ausgehen, dass Sie sich im Grunde einig sind. Ich selbst bin ein ziemlich<br />
schneller Entscheider. Und mir passiert es häufig, dass Verkäufer<br />
meine Entscheidungsfreude nicht erkennen. Manche neigen zur Nachargumentation,<br />
also dazu, Argumente zu wiederholen oder bislang nicht<br />
gebrachte Argumente noch einzustreuen. Das ist genauso unangenehm,<br />
als würde die Abschlussfrage zu früh gestellt. Vielleicht denken diese<br />
Verkäufer, sie müssten wirklich alle Argumente auf den Tisch legen,<br />
oder sie wollen ihr Wissen <strong>dem</strong>onstrieren. Das kann jedoch gefährlich<br />
für den Abschluss sein, da weitere Argumente zusätzliche Fragen aufwerfen<br />
können. Wenn der Punkt der Einigkeit naht, muss man als professioneller<br />
Verhandler das eigene Argumentationsprogramm stoppen<br />
und das Gespräch souverän zu Ende bringen.<br />
Nun gilt es, Ruhe zu bewahren, verbindlich zu bleiben und den eigenen<br />
Gesprächsanteil wieder zu reduzieren. Zu viel Gerede in dieser Phase<br />
löst Skepsis aus. Sprechen Sie langsam und ruhig. Geben Sie Zeit<br />
zum Nachdenken. Dadurch strahlen Sie Sicherheit aus. Achten Sie nun<br />
besonders darauf, keine negativen Bilder mehr zu verwenden, da<strong>mit</strong><br />
keine ablehnenden Gefühle entstehen. Positive Bilder und die passende<br />
Abschlusstechnik helfen Ihnen, Ihre Kunden restlos zu überzeugen.<br />
Wie Sie den Kunden in der Abschlussphase<br />
professionell unterstützen<br />
Unter Abschlusstechniken versteht man die verschiedenen Möglichkeiten,<br />
das Geschäft endgültig abzuschließen und die Unterschrift unter<br />
den Vertrag zu bekommen. Wenn man noch nicht 100-prozentig sicher<br />
ist, dann lässt sich durch Kontrollfragen feststellen, wie weit die Kaufentscheidung<br />
des potenziellen Kunden gediehen ist. Mit den folgenden<br />
Strategien können Sie sich an den Abschluss herantasten.<br />
Eine galante Variante, etwas über den Entscheidungsstand des Gegenübers<br />
zu erfahren, besteht darin, nach weiteren offenen Punkten zu fragen.<br />
Das kann zum Beispiel <strong>mit</strong> der Frage geschehen: »Gibt es sonst noch<br />
etwas, das Sie wissen möchten?« Machen Sie danach eine Pause und warten<br />
Sie <strong>mit</strong> freundlichem Blickkontakt auf eine Antwort. Wenn es keine offenen<br />
Punkte mehr gibt, dann können Sie den Abschluss einleiten.<br />
Eine weitere Möglichkeit ist, alternative Fragen zu stellen, die den<br />
Abschluss eingrenzen: »Wollen Sie die Wohnung renoviert übernehmen<br />
oder sollen wir das für Sie machen?«, »Möchten Sie nun 300 Euro oder<br />
doch 400 Euro für Ihre Altersvorsorge sparen?« oder »Möchten Sie den<br />
Wagen <strong>mit</strong> Schaltgetriebe oder als Automatikwagen?«. Diese Fragen fol-<br />
149
gen <strong>dem</strong> Muster: Wollen Sie A oder B? Welche Alternative gefällt Ihnen<br />
besser? In dieser Phase sollten die Fragen auf Alternativen abzielen,<br />
die bei Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung erst zum Ende hin geklärt<br />
werden. Wenn auf diese Art und Weise die Kaufentscheidung eingegrenzt<br />
wurde, können Sie wieder zu der Strukturfrage »Gibt es noch<br />
etwas, das Sie wissen möchten?« übergehen.<br />
Bei der So-tun-als-ob-Technik bedienen Sie sich eines Tricks. Sie<br />
kommunizieren so, als wäre der Abschluss bereits erfolgt: »Zu welchem<br />
Zeitpunkt wollen Sie einziehen?«, »Ab welchem Zeitpunkt wollen Sie<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Sparplan beginnen?«, »Wer soll Begünstigter der Versicherung<br />
sein?«. Diese Fragen klären Themen, die nur dann wichtig werden, wenn<br />
das Geschäft tatsächlich abgeschlossen wird.<br />
Diese Fragen sind enorm wichtig, um sich an den Abschluss heranzutasten.<br />
Ich erlebe immer wieder Berater, die den richtigen Zeitpunkt<br />
dafür verpassen. Wenn ich sie danach frage, warum sie <strong>dem</strong> Kunden keine<br />
Abschlussfrage gestellt haben, dann höre ich oft als Antwort: »Wenn<br />
er das gewollt hätte, dann hätte er es doch gesagt.« Das ist keine gute<br />
Ausrede! Egal, ob Sie verkaufen, beraten oder eine Dienstleistung erbringen:<br />
Stellen Sie zum Ende hin immer eine solche Abschlussfrage.<br />
Es ist nicht die Aufgabe des Kunden, dies zu tun, es ist die Aufgabe des<br />
Anbieters. Selbst wenn Sie ein Nein als Antwort bekommen, der Kunde<br />
also nicht kauft, wissen Sie zumindest, wo Sie stehen.<br />
Um endgültig abzuschließen, haben Sie folgende Möglichkeiten:<br />
• Die klarste und einfachste Abschlusstechnik ist die geschlossene<br />
Frage: »Machen wir das so?« Die Frage ist ganz präzise so<br />
gestellt, dass Sie ein Ja oder Nein als Antwort erhalten und dadurch<br />
genau Bescheid wissen.<br />
• Abschluss durch körpersprachliches Handeln: Auch wenn später<br />
Verträge unterschrieben werden, die sich über viele Seiten erstrecken,<br />
ist oft auch heute noch der Handschlag das Mittel der<br />
150<br />
Wahl, um Verträge (zumindest symbolisch) zu besiegeln. Eine<br />
weitere Variante ist, den Kugelschreiber anzureichen. Auch das<br />
versteht jeder Mensch. Wenn Sie Ihrem Kunden einen Vertrag<br />
vorlegen und einen Kugelschreiber dazulegen, dann ist klar:<br />
Jetzt ist die Unterschrift fällig.<br />
Tipp:<br />
Oft haben Sie es <strong>mit</strong> mehreren Entscheidern zu tun. Wenn Sie <strong>mit</strong> Privatpersonen<br />
verhandeln, entscheidet vielleicht auf der anderen Seite<br />
ein Ehepaar gemeinsam über den Abschluss eines Vertrags. Im Business-Kontext<br />
sprechen Sie zum Beispiel <strong>mit</strong> zwei Firmengründern oder<br />
Vertretern zweier gleichrangiger Abteilungen. Tritt der Verhandlungspartner<br />
<strong>mit</strong> mehreren Personen auf, kann es sinnvoll sein, sie kurz alleine<br />
zu lassen. Vielleicht möchte die andere Partei manche Gedanken<br />
oder Gefühle nicht äußern oder vor Ihnen die sofortige Verantwortung<br />
für die Entscheidung nicht übernehmen. Dann kann es schnell dazu<br />
kommen, dass die Kaufentscheidung <strong>mit</strong> einem »Wir müssen da noch<br />
mal drüber schlafen« oder »Wir melden uns morgen dazu« vertagt<br />
wird. Oft ist da<strong>mit</strong> gemeint: »Wir müssen uns untereinander kurz beraten,<br />
und dabei stören Sie uns gerade.« Lassen Sie Ihren Gesprächspartnern<br />
die Zeit, ihre Gedanken ungestört auszutauschen, und bieten<br />
Sie ihnen an, sie zur Entscheidungsfindung ein paar Minuten alleine<br />
zu lassen.<br />
Professioneller Gesprächsausstieg<br />
Egal, ob die Verhandlung über mehrere Runden ging und es hitzige Diskussionen<br />
gab oder ob es ein eher einfaches Gespräch war: In dieser<br />
151
Phase steht die Nachhaltigkeit der Kundenbeziehung noch einmal im<br />
Mittelpunkt. Wer auf den letzten Metern nicht mehr durchhält, macht<br />
seine mühsam aufgebauten Beziehungen zunichte und verdirbt sich<br />
zukünftige Chancen. Gerade im Hinblick auf die zuvor investierte Mühe<br />
ist es ärgerlich, einen schlechten letzten Eindruck zu hinterlassen. Ein<br />
guter Berater wird stets Wert darauf legen, seinem Verhandlungspartner<br />
am Ende eines Gesprächs das gute Gefühl <strong>mit</strong>zugeben, sich richtig<br />
entschieden zu haben. Das ist die beste Basis für weitere geschäftliche<br />
Interaktionen. Ebenso wie am Anfang des Gesprächs der Rahmen abgesteckt<br />
wird, kann auch das Ende professionell gestaltet werden. Jetzt<br />
ist der Zeitpunkt, um die wichtigsten Informationen kurz zusammenzufassen,<br />
schriftliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, verbindlich aus<br />
<strong>dem</strong> Gespräch auszusteigen und dafür zu sorgen, dass keine Kaufreue<br />
entsteht.<br />
Der letzte Eindruck bleibt<br />
Der Gegenpol zum ersten Eindruck ist der letzte Eindruck, also die Worte<br />
oder Bilder, die Ihr Kunde aus <strong>dem</strong> Gespräch <strong>mit</strong> Ihnen <strong>mit</strong>nimmt.<br />
Dieser letzte Eindruck wird auch Rezenzeffekt genannt, denn in einer<br />
Reihe von Informationen hinterlässt die zuletzt genannte einen stärkeren<br />
Eindruck auf eine Person als die vorangegangenen. Der Grund dafür<br />
liegt darin, dass das Kurzzeitgedächtnis diese Information leichter<br />
abrufen kann. Selbst bei <strong>dem</strong> Kauf von Konsumgütern dauert ein Gespräch<br />
bis zum Zeitpunkt des Abschlusses manchmal 20 Minuten oder<br />
länger. Größere Verhandlungen erstrecken sich über Stunden, oder es<br />
gibt viele kleinere Verhandlungsrunden, die sich sogar über Monate erstrecken<br />
können. Viele Informationen sind ausgetauscht und <strong>mit</strong> Argumenten<br />
untermauert worden, es ging hin und her, möglicherweise war<br />
die Situation zwischendurch auch angespannt. Gehen Sie jetzt nicht<br />
152<br />
davon aus, dass Ihr Gegenüber alles, was Sie gesagt haben, behalten<br />
konnte. Die Faustregel besagt: Wir behalten von <strong>dem</strong>, was wir sehen<br />
und gleichzeitig hören, 50 Prozent. Wenn Sie ein Gespräch <strong>mit</strong> sehr vielen<br />
fachlichen Informationen geführt haben, dann gehen Sie lieber auf<br />
Nummer sicher und rechnen Sie da<strong>mit</strong>, dass eher weniger Informationen<br />
behalten werden.<br />
Geben Sie daher immer etwas <strong>mit</strong>, wodurch sich der Kunde gut an<br />
Sie und Ihr Produkt erinnern kann. Das gilt natürlich nicht nur dann,<br />
wenn Sie in der Verhandlung Einigkeit erzielt haben, sondern insbesondere<br />
auch, wenn der eigentliche Termin zur Finalisierung noch aussteht.<br />
Wenn Sie eine Broschüre über Ihr Produkt haben, händigen Sie diese<br />
<strong>dem</strong> Kunden aus oder versenden Sie sie per E-Mail. Sparsamkeit schadet<br />
an dieser Stelle nur. Hochglanzprospekte sind eine tolle Werbung<br />
für Sie. In Zeiten, in denen wir <strong>mit</strong> perfekten Fotos überfrachtet werden,<br />
ist allerdings auch das Authentische nicht zu vernachlässigen. Wenn Sie<br />
eine Ware anbieten, die man anfassen kann – egal, ob Sie Antiquitäten<br />
verkaufen oder maßgefertigte Brautmoden –, bieten Sie Ihren Kunden<br />
an, eigene Fotos von Ihrem Angebot zu machen. Auch wenn Sie zum Beispiel<br />
eine Immobilie verkaufen, ist das sehr sinnvoll. Bei einem selbst<br />
geschossenen Foto weiß der Kunde, wo er zu <strong>dem</strong> Zeitpunkt gestanden<br />
hat (und dass nicht ein besonders vorteilhafter Bildausschnitt gewählt<br />
wurde). Ein Smartphone <strong>mit</strong> Kamerafunktion hat heute jeder und vor<br />
allem ständig dabei. Dadurch sind die Fotos nicht nur schnell gemacht,<br />
sondern auch immer zur Hand und werden daher in den Folgetagen viel<br />
eher herumgezeigt als eine Broschüre.<br />
Tipp:<br />
Beenden Sie Verhandlungen immer verbindlich. Viele Verhandlungen<br />
sind so umfangreich, dass man nicht sofort beim ersten Termin zu einem<br />
Ergebnis kommt, sondern ein mehrstufiger Verhandlungsprozess<br />
153
notwendig ist. Dann gilt es, bei je<strong>dem</strong> Termin einen guten Abschluss<br />
für den gerade bewältigten Abschnitt zu gestalten. Jeder Teil einer so<br />
umfangreichen Verhandlung ist zu betrachten wie ein einzelnes Beratungs-<br />
oder Verkaufsgespräch. Am Ende ist festzulegen, wer nun<br />
welche Aufgaben übernimmt und wann und wo das nächste Treffen ansteht.<br />
Deswegen gehört in den Gesprächsausstieg die Vereinbarung der<br />
nächsten Schritte und der nächsten Termine. Wenn Sie weiter in der<br />
Verhandlung bleiben wollen, sollten Sie niemals ohne einen konkreten<br />
Folgetermin den Raum verlassen. Auch dann nicht, wenn der Gesprächspartner<br />
so etwas sagt wie: »Ich melde mich bei Ihnen.« Warum?<br />
Wenn Sie jetzt nicht einschreiten, dann ist die Tür zu.<br />
Mit welchem Grund wollen Sie Ihren Verhandlungspartner nun anrufen?<br />
Es ist wichtig, dass Sie sich einen Grund schaffen, selbst zum<br />
Telefon zu greifen, ansonsten sind Sie derjenige, der wartet, wartet<br />
und wer weiß wie lange wartet.<br />
Wenn Sie keinen Termin ausmachen und dann nach einer Woche anrufen,<br />
um einmal nachzufragen, wie es um die Entscheidung bestellt<br />
ist: Wie wirkt das dann? Es wirkt bedürftig. Und das schwächt Ihre<br />
Position. Wenn Sie einen festen Termin ausmachen und dann auch zu<br />
diesem Termin anrufen: Wie wirken Sie dann? Verbindlich. Genau das<br />
ist das Ziel. Denn wenn Sie verbindlich wirken, bauen Sie weiteres Vertrauen<br />
auf.<br />
Folgetermine sollten Sie immer an einem konkreten Tag ausmachen,<br />
also nicht: »Wir hören uns dazu telefonisch in fünf Tagen.« Denn<br />
keiner weiß, wann die fünf Tage um sind. Der eine rechnet das Wochenende<br />
<strong>mit</strong> ein, der andere nicht. Besser ist es daher, einen ganz konkreten<br />
Termin vorzuschlagen: »Ich rufe Sie am nächsten Dienstag an.«<br />
Im Vertrieb ist dabei immer der Servicegedanke »Don’t call us, we call<br />
you!« die Maxime.<br />
154<br />
Kaufreue vorbeugen<br />
Nichts ist schlimmer, als dass der Kunde etwas kauft und Ihnen am Folgetag<br />
die Ware zurückbringt. Wenn Sie bedarfsorientiert agieren, kann<br />
Ihnen das eigentlich nicht passieren. Es gibt allerdings auch eine sprachliche<br />
Möglichkeit, zum Gesprächsausstieg das Angebot noch einmal zu<br />
bekräftigen. Vielleicht kennen Sie eine ähnliche Szene aus einem Modekaufhaus.<br />
Nehmen wir an, Sie haben sich einen neuen Business-Anzug<br />
gekauft und der Verkäuferin auch davon berichtet, dass Sie sich diesen<br />
neuen Anzug gönnen, da Sie in Kürze eine Präsentation vor <strong>dem</strong> Vorstand<br />
Ihrer Firma halten werden. Oft werden Sie in solchen Situationen<br />
<strong>mit</strong> Worten verabschiedet, die sich ungefähr so anhören: »Da<strong>mit</strong> haben<br />
Sie wirklich einen qualitativ hochwertigen Anzug erworben. Bestimmt<br />
werden Sie bei Ihrem Vortrag darin eine gute Figur machen.« Das ist<br />
eine clevere Vorgehensweise, um eventuell aufkommenden Zweifeln<br />
vorzubeugen. Die Situation in der Zukunft wird <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> eigenen Produkt<br />
positiv verknüpft und die Auswahl des Produkts da<strong>mit</strong> noch einmal<br />
charmant bestätigt.<br />
Schließlich geht es im professionellen Gesprächsausstieg darum,<br />
abschließend einen guten letzten Eindruck zu machen. Ein Lächeln oder<br />
ein kleiner Small Talk am Ende des Gesprächs zeigt, dass Sie auch nach<br />
<strong>dem</strong> Abschluss des Geschäfts an der Person interessiert sind. Das gibt<br />
Ihrem Gegenüber ein gutes Gefühl.<br />
Fazit zu den Verhandlungsphasen<br />
Nun haben wir uns die Verhandlung in ihrer zeitlichen Abfolge angesehen.<br />
Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, wie wichtig eine intensive<br />
Vorbereitung ist und wie ein erster Eindruck bewusst und nachhaltig<br />
gesteuert werden kann. Die Beleuchtung der Hintergründe des<br />
155
menschlichen Denkens und Handelns hat uns dazu geführt, Zusammenhänge<br />
in Verhandlungen noch besser zu begreifen. Anhand des roten<br />
Fadens wurde klar, wie die verschiedenen Phasen unterteilt und auch<br />
gelenkt werden, wie das eigene Angebot aufgebaut werden kann und<br />
welch ein wichtiger Grundpfeiler eine gute und durchdachte Fragetechnik<br />
für jeden Verhandler ist.<br />
Auch die Möglichkeiten, souverän <strong>mit</strong> verschiedenen Arten der Eskalation<br />
umzugehen, sind beleuchtet worden – egal, ob es sich dabei<br />
um eine freundliche Einwandbehandlung oder um starke und spontane<br />
Schlagfertigkeit handelt. Gerade die Techniken der Deeskalation, bevor<br />
man die Verhandlung abbricht, fehlen bei vielen Menschen im Verhandlungsrepertoire.<br />
Ich wünsche Ihnen schon an dieser Stelle viel Spaß dabei, die beschriebenen<br />
Methoden auszuprobieren und zu erleben, wie sich Ihre<br />
Verhandlungen in Zukunft verändern werden.<br />
Zwischendurch konnten Sie immer wieder lesen, wie wichtig die<br />
handelnden Personen und ihre Sympathie zueinander sind. Doch warum<br />
ist man sich eigentlich sympathisch? Warum hat man zu manchen<br />
Menschen sofort einen guten Kontakt, spricht die gleiche Sprache und<br />
versteht sich von alleine gut? Und warum gelingt es bei anderen wiederum<br />
gar nicht, einen gemeinsamen Nenner zu finden? Man hat das<br />
Gefühl, aneinander vorbeizureden oder gar nicht zu verstehen, was der<br />
Gesprächspartner genau meint. Warum empfindet jeder von uns bestimmte<br />
andere Menschen als schwierig?<br />
Im nächsten Kapitel wollen wir uns ein Modell zu den Persönlichkeitstypen<br />
ansehen und da<strong>mit</strong> eine weitere Dimension von Verhandlungen<br />
beleuchten, um diese Fragen zu beantworten.<br />
156<br />
6 Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen<br />
Menschentypen<br />
157<br />
»Wer Menschen führen möchte,<br />
muss sich selbst führen können.<br />
Wer sich selbst führen möchte,<br />
muss sich selbst kennen.«<br />
Eine weitere Schicht bei der Analyse und Steuerung von Verhandlungen<br />
ist, sein eigenes Verhalten in Gesprächen zu erkennen und den Verhandlungspartner<br />
gut und schnell zu verstehen. Darauf aufbauend können<br />
Sie Ihre Handlungen und Argumente auf die Persönlichkeit des Gegenübers<br />
zuschneiden. Im Bild des <strong>MagnetPrinzip</strong>s können Sie durch Ihr<br />
Verhalten ein Feld erzeugen, in <strong>dem</strong> sich Ihr Gesprächspartner verstanden<br />
fühlt, in<strong>dem</strong> Sie beim Aufbau Ihrer Darlegungen die Argumente auswählen,<br />
die auf die Persönlichkeit Ihres Gegenübers zugeschnitten sind.<br />
So steigern Sie Ihre magnetische Anziehungskraft auf Ihre Kunden oder<br />
Geschäftspartner.<br />
Da die menschliche Persönlichkeit über viele verschiedene Verhaltensmerkmale<br />
verfügt, ist es nicht einfach, Menschen in Kategorien einzuteilen.<br />
Jeder Mensch ist in seiner Individualität unterschiedlich, wie<br />
Gesichter von Menschen verschieden sind. Trotz<strong>dem</strong> hat die Psychologie<br />
im Laufe des letzten Jahrhunderts verschiedene Typologien und Modelle<br />
zur Beschreibung von Unterschieden zwischen Menschen entwickelt.<br />
Aus diesen Vereinfachungen kann man Tipps ableiten, wie man <strong>mit</strong> Menschen<br />
in eine gute Kommunikationsbeziehung kommt und erfolgreich<br />
verhandelt. Die Verhaltensforschung ist außer<strong>dem</strong> der Ansicht, dass<br />
die effektivsten Menschen diejenigen sind, die sich selbst gut kennen.<br />
Diese Einschätzung wird verständlich, wenn man bedenkt, dass nur der<br />
seine Stärken gezielt einsetzen und Schwächen durch geeignete Strate-
gien kompensieren kann, der weiß, wo die eigenen Charaktermerkmale<br />
zu finden sind. Eine Typologie hilft dabei, sowohl sich selbst zu reflektieren<br />
als auch andere Menschen schneller einzuschätzen. Sie erhalten<br />
da<strong>mit</strong> eine Struktur, <strong>mit</strong> der Sie erkennen können, welche Art der Verständigung<br />
Menschen bevorzugen und welche Kommunikation Stress<br />
auslöst. Da<strong>mit</strong> können Sie Ihre Argumente typgerecht anpassen.<br />
In diesem Kapitel möchte ich <strong>mit</strong> Ihnen bewusst in Schubladen denken.<br />
Manchmal wird Ihnen die Beschreibung des Verhaltens von Menschen<br />
vielleicht überzeichnet vorkommen. Das ist Absicht, da es die Erklärung<br />
des Modells erleichtert. Vorab sei gesagt, dass Sie im wahren<br />
Leben immer auf Menschen treffen werden, die verschiedene Charakterzüge<br />
in sich vereinen. Oft werden Sie daher nicht auf Stereotype treffen,<br />
sondern bei Menschen je nach Situation zwei oder auch mehr dominante<br />
Verhaltensstrategien erkennen. Des Weiteren lernen Menschen im<br />
Laufe ihres Lebens auch Strategien, um ihre Schwächen auszugleichen.<br />
Anhand von zwei Fragen lassen sich zwei wichtige Ausprägungen<br />
menschlichen Verhaltens sichtbar machen. Die erste Unterscheidung<br />
besteht darin, ob sich ein Mensch in Situationen eher extrovertiert oder<br />
eher introvertiert verhält.<br />
Extrovertiert oder introvertiert?<br />
158<br />
Beispiel:<br />
In München begleitete ich einmal einen Vertriebs<strong>mit</strong>arbeiter, Herrn Geduldig,<br />
<strong>mit</strong> einem Coaching. Sein Team umfasste vier Menschen, und an<br />
diesem Tag war der erste Arbeitstag eines neuen Kollegen, Herrn Lustig,<br />
der allen im Team noch unbekannt war. Nach<strong>dem</strong> der Herr Lustig von der<br />
Führungskraft <strong>mit</strong> den Räumlichkeiten vertraut gemacht worden war,<br />
fing er an, seine neuen Kollegen zu begrüßen. Dazu kam er auch bei <strong>dem</strong><br />
Vertriebs<strong>mit</strong>arbeiter vorbei, den ich an diesem Tag begleitete. Seine Vorstellung<br />
hörte sich ungefähr so an: »Hallo, ich bin der Jan! Ich freue mich,<br />
hier in München zu sein.« Dabei drückte er meinem Coachee nicht nur die<br />
Hand, sondern schlug ihm auch auf die Schulter. Sein Tonfall war laut, er<br />
sprach sehr schnell. Und weiter sagte er: »Ich bin ja Fußballfan von Stuttgart,<br />
denn für die bin ich schon seit meiner Kindheit, vier Jahre alt war ich,<br />
als mein Vater mich zum ersten Mal <strong>mit</strong> ins Stadion genommen hat. Die<br />
gewinnen nicht immer, ist aber Heimat! Wo kommst du denn her? Und bist<br />
du Bayern-München-Fan wie so viele hier?«<br />
Mein Coachee, Herr Geduldig, sagte hinterher zu mir: »Oh mein Gott,<br />
was ist denn das für einer? So ein Überfallkommando. Und erzählt hat er<br />
wie ein Wasserfall. Was soll ich <strong>mit</strong> den ganzen Informationen, warum<br />
erzählt der so viel? Der ist ja noch nicht mal richtig da und schüttet mir<br />
sein Herz aus – das will ich nicht. Und auf eine Umarmung von fremden<br />
Personen kann ich nun wirklich verzichten. Ich muss einen Menschen<br />
doch erst mal in Ruhe kennenlernen, bevor ich ihm so nahe kommen<br />
kann. Na, da bin ich gespannt, was das <strong>mit</strong> der Zusammenarbeit wird.«<br />
Ungefähr ein Jahr später treffe ich Herrn Lustig, den neuen Mitarbeiter<br />
von damals, wieder. Ich spreche ihn auf seinen ersten Tag im neuen Büro<br />
an und frage ihn, wie er damals das erste Zusammentreffen empfunden<br />
habe. Er sagt dazu: »Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern. Und<br />
auch daran, dass Sie dabei waren. Sie standen damals bei Herrn Geduldig,<br />
als ich ihn begrüßt habe. Ich war so freundlich, ich habe versucht,<br />
<strong>mit</strong> ihm Small Talk zu machen, und auch etwas von mir preisgegeben.<br />
Ich wollte, dass er mich und meine Offenheit sofort zu schätzen weiß<br />
und gut einschätzen kann, woran er bei mir ist. Daher wollte ich möglichst<br />
schnell eine gute Beziehung zu ihm aufbauen. Und da erzähl ich<br />
so viel von mir, und er guckt ganz uninteressiert. Er hat mich nichts gefragt<br />
und auch keine Reaktion darauf gezeigt. Ich kam mir dadurch eher<br />
unerwünscht vor. Ich fand seine Haltung sehr ablehnend. Es hat eine<br />
Zeit gebraucht, bis wir gelernt haben, uns gegenseitig zu schätzen –<br />
aber Freunde sind wir nicht geworden. Schade eigentlich.«<br />
159
Menschen sind unterschiedlich. Wie das Beispiel deutlich zeigt, gehen<br />
sie <strong>mit</strong> den gleichen Gegebenheiten nicht nur anders um, sondern bewerten<br />
sie auch immer nach ihren eigenen Maßstäben. So kann die eigentlich<br />
positive Absicht – »Ich möchte, dass mich Herr Geduldig sofort<br />
zu schätzen weiß« – trotz der gut gemeinten Intention negativ ankommen.<br />
Um Menschen einzuschätzen, lautet daher die erste wichtige Frage:<br />
Wie gehen Menschen <strong>mit</strong> Situationen um? Die Herangehensweise an Situationen<br />
kann nach zwei Ausprägungen unterschieden werden: <strong>dem</strong><br />
introvertierten und <strong>dem</strong> extrovertierten Stil. Die Einführung des Begriffspaars<br />
extrovertiert und introvertiert in die Persönlichkeitspsychologie<br />
geht auf Carl Gustav Jung zurück. In seiner in den Zwanzigerjahren des<br />
letzten Jahrhunderts erschienenen Typologie stellen diese Persönlichkeitsmerkmale<br />
ein zentrales Unterscheidungskriterium dar. Zahlreiche<br />
Persönlichkeitsmodelle, unter anderen MBTI, DISC® oder Insights®,<br />
berücksichtigen diese Unterscheidung ebenfalls. Bestimmt haben auch<br />
Sie die Begriffe schon einmal gehört, und Ihnen fallen Personen ein, die<br />
Sie <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> einen oder anderen Wesensmerkmal verbinden. Lassen Sie<br />
uns das genauer anschauen. Welche Eigenschaften haben extrovertierte<br />
und introvertierte Menschen?<br />
Extrovertierte Menschen fallen in erster Linie durch ihre Kontaktfreudigkeit<br />
auf. Sie sind im Umgang <strong>mit</strong> anderen Menschen sehr offen<br />
und können Gespräche, auch <strong>mit</strong> ihnen unbekannten Menschen, problemlos<br />
führen. Sie reden viel und gerne. Sie geben Gesprächen <strong>mit</strong> einer<br />
mühelosen Art Geschwindigkeit und Lebendigkeit. Sie wirken dabei<br />
begeistert und ausdrucksstark. In ihrem Handeln sind sie sehr flexibel<br />
und haben Spaß an unerwarteten Situationen. Sie sind gute Troubleshooter,<br />
da sie <strong>mit</strong> ihren Gedanken schnell von einem zum anderen Thema<br />
springen können. Sie mögen, ja sie brauchen sogar die Abwechslung.<br />
Sie sind gute Selbstdarsteller, können ihre eigenen Anliegen gut<br />
vertreten. Wegen ihrer Redegewandtheit kann man sie nicht übersehen,<br />
160<br />
sie treten kraftvoll und souverän auf. Sie sind in der Lage, neue Zusammenhänge<br />
schnell zu begreifen, sie spontan in bekannte Zusammenhänge<br />
einzubringen und neue Lösungen daraus zu entwickeln. Sie ziehen<br />
ihre Energie aus <strong>dem</strong> Zusammensein <strong>mit</strong> anderen Menschen und<br />
aus der Abwechslung. Sie haben einen Drang danach, die Aufmerksamkeit<br />
anderer Menschen auf sich zu ziehen. Sie sind risikobereit, zögern<br />
wenig, was auch die Gefahr der Fehleinschätzung <strong>mit</strong> sich bringt. Durch<br />
ihre Schnelligkeit können sie gegenüber den introvertierten Gesprächspartnern<br />
oberflächlich wirken.<br />
Extrovertierte Menschen:<br />
• sind kontaktfreudig,<br />
• bringen sich in Unterhaltungen als Gesprächsführer ein,<br />
• äußern breitwillig und gerne ihre Meinung,<br />
• gewinnen ihre Energie aus Vielseitigkeit und Gesprächen <strong>mit</strong><br />
anderen Menschen,<br />
• neigen dazu, bestehende Regeln und Strategien zu brechen,<br />
• sind spontan,<br />
• gehen risikofreudig und schnell an Entscheidungen heran,<br />
• gehen entspannt <strong>mit</strong> Veränderungen um,<br />
• sind eher ungeduldig.<br />
Introvertierte Menschen hingegen strahlen eine große Ruhe aus. Sie<br />
sind zurückhaltend und eher passiv. Bevor sie ihre Meinung äußern,<br />
machen sie sich von <strong>dem</strong> zugrunde liegenden Thema ein umfangreiches<br />
Bild. Sie wägen innerlich genau ab, was sie sagen. Da<strong>mit</strong> ist die<br />
Substanzorientierung eine ihrer größten Stärken. Die intensive und<br />
konzentrierte Beschäftigung <strong>mit</strong> einer Sache, auf die sie ihre Energie<br />
bündeln können, fällt ihnen leicht. Sie beschäftigen sich gerne ausgiebig<br />
<strong>mit</strong> einer Sache oder einem Fachthema. Diese Beharrlichkeit, sich<br />
161
einer Sache bis ins kleinste Detail zu widmen, zeichnet sie aus. Im Gespräch<br />
können sie <strong>dem</strong> anderen ihre ganze Aufmerksamkeit schenken,<br />
das verhilft ihnen zu einer intensiven Präsenz und zu der großen Gabe,<br />
zuzuhören und Stille auszuhalten. Die im Gespräch gewonnenen Fakten<br />
können sie sich normalerweise gut merken. Sie sind konzentrierte Denker,<br />
die Detailtiefe schätzen. Introvertierte ziehen ihre Energie aus der<br />
Ruhe und daraus, ihre psychische Energie nach innen zu richten, <strong>mit</strong><br />
sich selbst im inneren Dialog zu sein. Durch ihre nachdenkliche und stille<br />
Art können sie auf den extrovertierten Gesprächspartner reserviert<br />
und langsam wirken.<br />
Introvertierte Menschen:<br />
• sind substanzorientiert,<br />
• haben eine eher ruhige Art,<br />
• sind geduldige Zuhörer,<br />
• können gut und genau zuhören,<br />
• tragen dann zur Gruppenunterhaltung bei, wenn sie etwas Wichtiges<br />
zu sagen haben,<br />
• äußern ihre Meinung durchdacht und qualifiziert,<br />
• können kooperativ und diplomatisch vorgehen,<br />
• bevorzugen und leben Beständigkeit und Verlässlichkeit,<br />
• ziehen ihre Energie aus der tiefen Beschäftigung <strong>mit</strong> einer Aufgabe<br />
oder aus ihrem inneren Dialog <strong>mit</strong> sich selbst,<br />
• gehen an Risiken und Entscheidungen wohldurchdacht heran<br />
• halten den Status quo aufrecht,<br />
• neigen dazu, vorgegebenen Regeln und Strategien zu folgen.<br />
162<br />
Während die introvertierte Persönlichkeit also eher substanzorientiert<br />
ist, liegt die Stärke der extrovertierten in ihrer Fähigkeit, zu begeistern.<br />
Extrovertierte werden in der Regel als aktiv empfunden, sowohl hinsichtlich<br />
der Initiative bei Sozialkontakten als auch bei der Lösung von<br />
praktischen Problemen. Das ist allerdings nur nach außen hin der Fall!<br />
Die höhere Konzentrationsfähigkeit des Introvertierten versetzt ihn in<br />
die Lage, Probleme, die mehr theoretisches Wissen erfordern, kompetent<br />
und zielführend zu lösen. Seine größte Gefahr ist, sich dabei selbst<br />
im Weg zu stehen, denn er liest lieber noch einen weiteren Fachartikel<br />
oder schläft noch einmal zwei Nächte drüber, bevor er sich entschließt,<br />
zu handeln. Die größte Gefahr der extrovertierten Persönlichkeit ist dagegen,<br />
zu wenig zuzuhören oder nachzudenken und stattdessen die<br />
schnelle Entscheidung zu suchen, die nicht alle Fakten berücksichtigt.<br />
Aufgabenorientiert oder menschenorientiert?<br />
Neben <strong>dem</strong> Unterscheidungskriterium, ob eine Person introvertiert oder<br />
extrovertiert ist, ist der zweite wichtige Faktor bei der Beurteilung von<br />
Verhaltenseigenschaften die Frage: Wie trifft die Person Entscheidungen?<br />
Werden Entscheidungen aufgabenorientiert, also sachlich, gefällt<br />
oder eher menschenorientiert, also durch die Bewertung der sozialen<br />
Komponente und die Beeinflussung von Gefühlen?<br />
Beispiel:<br />
Eine Freundin von mir arbeitet in der Personalabteilung eines Energieversorgers.<br />
Als wir einmal zusammensaßen, erzählte sie mir von ihren<br />
Sorgen um eines ihrer Teams. Auf meine Nachfrage hin erzählte sie, dass<br />
<strong>dem</strong> Team im Vorjahr ein grober Fehler unterlaufen war, der auch innerhalb<br />
des ganzen Unternehmens große Kreise gezogen hatte. Diese Blamage<br />
für das Team war noch immer nicht verdaut und hatte dazu geführt,<br />
dass sich die Team<strong>mit</strong>glieder untereinander die Schuld in die Schuhe<br />
schoben. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war nicht mehr möglich.<br />
Die Führungskraft war nicht in der Lage, das Thema so aufzuarbeiten,<br />
163
dass das Team wieder in eine freundliche Atmosphäre zurückfand, und<br />
so hatte sie bei drei Mitarbeitern berechtigte Angst davor, dass sie kündigen<br />
könnten. Aus diesem Grund wollte sie eine Teamentwicklung initiieren,<br />
um die Situation aufzulösen und die exzellenten Spezialisten nicht<br />
zu verlieren. Die Entscheidung musste allerdings letztlich der Vorstand<br />
des Unternehmens treffen, der dafür bekannt war, dass ihn zwischenmenschliche<br />
Belange nicht interessierten. Auf ihre erste Anfrage bezüglich<br />
der Genehmigung der Teamentwicklung bekam sie daher prompt die<br />
Antwort: »Wenn es denen hier nicht gefällt, dann sollen sie halt kündigen.«<br />
Ich fragte sie, was ihrem Vorstand wichtig sei, und sie sagte: »Ziele,<br />
Geld und Erfolg. Wenn ich davon spreche, dass sich die Stimmung verbessern<br />
muss und die Mitarbeiter wieder ein positiv kommunizierendes<br />
Team werden sollen, dann verdreht er nur die Augen und sagt: ›Die sollen<br />
arbeiten, nicht Freunde sein‹.« Mit dieser Einschätzung passten wir ihre<br />
Gesprächsstrategie an und stellten ganz andere Argumente zusammen.<br />
Wir rechneten aus, was es im Detail kosten würde, wenn drei Mitarbeiter<br />
kündigen würden, von den Kosten für Stellenanzeigen oder einen Headhunter<br />
bis zu den Kosten der Einarbeitungszeit, und kamen auf eine Summe<br />
von ungefähr 200.000 Euro. Und genau diese Summe verpackte sie<br />
in ihrem nächsten Gespräch in die entscheidende Frage: »Was ist Ihnen<br />
lieber: 200.000 Euro für neue Fachkräfte zu bezahlen, von denen wir frühestens<br />
in einem Jahr wissen, ob sie in der Lage sind, unsere Ziele zu<br />
erfüllen, oder 10.000 Euro in eine Organisationsentwicklung zu investieren,<br />
bei der wir wissen, dass wir das Geld für unsere eigenen exzellenten<br />
Fachkräfte ausgeben?« Das war eine Sprache, die der Vorstand verstand.<br />
Sie bekam die 10.000 Euro und da<strong>mit</strong> die Möglichkeit, die Mitarbeiter<br />
wieder zu einem produktiven Team zusammenzuschmieden.<br />
Während die Personalberaterin im Beispiel eine menschenorientierte<br />
Entscheiderin ist, entspricht das Verhalten ihres Vorstandes eindeutig<br />
<strong>dem</strong> aufgabenorientierten Typ.<br />
164<br />
Aufgabenorientierte Personen sind in erster Linie an der Sache interessiert.<br />
Es geht darum, dass Ziele erreicht, Aufgaben erfüllt und Pläne<br />
oder Strategien gefunden werden. Zielorientiert gehen sie an Themen<br />
heran und sind gut in der Planung der einzelnen Schritte. Sie können<br />
Folgeprozesse im Blick behalten und sie konsequent abarbeiten. Dadurch,<br />
dass ihr logisches und sachliches Denken im Vordergrund steht,<br />
werden sie als faktenbetont und strategisch konsequent wahrgenommen.<br />
Personen, die sich aufgabenorientiert verhalten,<br />
• haben in Gesprächen Themen, Aufgaben, Ziele oder Abläufe im<br />
Fokus,<br />
• gehen kontrolliert und geplant vor,<br />
• verfolgen eine einmal getroffene Entscheidung bis zum Schluss,<br />
• behalten ihre Gefühle für sich und kommunizieren die klaren<br />
Fakten,<br />
• treffen Entscheidungen meist vernunftgeleitet,<br />
• sind eher formal und sachlich,<br />
• arbeiten gerne unabhängig.<br />
Menschenorientierte Personen dagegen richten ihr Augenmerk primär<br />
auf den sozialen Faktor. Sie können sich gut auf andere Menschen und<br />
deren Wünsche und Bedürfnisse einstellen. Sie erahnen, was andere in<br />
einer bestimmten Situation brauchen, und denken auch intensiv darüber<br />
nach. Sie können ihre Stärken besonders gut einbringen, wenn es<br />
zum Beispiel darum geht, alle Meinungen in einem Team zu berücksichtigen.<br />
Ihnen ist wichtig, dass es den Menschen um sie herum gut geht<br />
und alle in Entscheidungen einbezogen sind. Sie können ihre eigenen<br />
Gefühle normalerweise gut zum Ausdruck bringen. Widerstände, die<br />
geplante Neuerungen oder Veränderungen in einem Team möglicher-<br />
165
weise hervorrufen, können sie gut vorhersehen oder im Vorfeld lösen.<br />
Dadurch, dass ihnen die Beziehungsebene wichtig ist, werden sie als<br />
sympathisch und nahbar empfunden. Überhaupt ist Nähe für sie ein<br />
wichtiger Faktor in Beziehungen, sei es im Privatleben oder am Arbeitsplatz.<br />
die beiden Punkte nun verbinden, haben Sie Ihren Heimatquadranten<br />
gefunden.<br />
AUFGABE<br />
Personen, die sich menschenorientiert verhalten,<br />
• zeigen ihre Gefühle,<br />
• treffen Entscheidungen eher gefühlsmäßig,<br />
• schweifen schnell einmal vom Thema ab,<br />
• sind begeisterungsfähig,<br />
• können gut eine angenehme Beziehungsebene herstellen,<br />
• sind eher entspannt und warm,<br />
• stellen das Team oder den gemeinsamen Beschluss in den Vordergrund,<br />
• sind offen für Träume, Visionen und neue Ideen.<br />
Selbsteinschätzung<br />
Und wie ist es bei Ihnen? Sie haben über die zwei Ausprägungspaare<br />
nun viel gelesen. Finden Sie als Erstes heraus, wo Ihre eigene Präferenz<br />
ist. Ordnen Sie Ihre eigene Persönlichkeit diesen Ausprägungen zu. Wie<br />
schätzen Sie sich ein? Welcher Typ Mensch sind Sie? Unten stehend finden<br />
Sie eine Zeichnung, die Ihnen die Möglichkeit gibt, eine Einschätzung<br />
Ihrer Person vorzunehmen. Sind Sie eher extrovertiert oder eher<br />
introvertiert? Setzen Sie nach Ihrer Einschätzung auf der Geraden einen<br />
Punkt. Je weiter außen Sie punkten, umso stärker empfinden Sie Ihre<br />
Ausprägung. Als Zweites fragen Sie sich: Bin ich an der Aufgabe orientiert<br />
oder eher am Menschen? Setzen Sie wieder einen Punkt. Wenn Sie<br />
166<br />
INTROVERTIERT<br />
Danach denken Sie an einen Menschen, der Ihnen so gar nicht liegt.<br />
Eine Person, von der Sie wissen, dass Ihnen die Kommunikation <strong>mit</strong> ihr<br />
schwerfällt, <strong>mit</strong> der Sie vielleicht öfter in Meinungsverschiedenheiten<br />
oder gar in Streit geraten. Nun verfahren Sie <strong>mit</strong> dieser Person genauso<br />
wie schon oben beschrieben. Wie würden Sie diese Person in Bezug auf<br />
die zwei Ausprägungspaare einschätzen? Ohne Ihre Aufzeichnungen gesehen<br />
zu haben, vermute ich folgendes Ergebnis: Personen, <strong>mit</strong> denen<br />
Sie nicht gut umgehen können, werden auch nicht in Ihrem Quadranten<br />
liegen. Wenn Sie der extrovertierte und an der Aufgabe orientierte Typ<br />
sind, dann wird sich die ungeliebte Person eher im Feld introvertiert und<br />
am Menschen orientiert befinden – und umgekehrt. Mit Menschen, die<br />
uns ähnlich sind, kommen wir üblicherweise gut aus. Schwierig wird<br />
es, wenn die Person ganz anders denkt und sich anders benimmt und<br />
spricht, als wir es tun.<br />
Setzen wir die Ausprägungspaare introvertiert/extrovertiert und<br />
aufgabenorientiert/menschenorientiert nun in Bezug zueinander, ergeben<br />
sich durch die Kombination der ihnen zugeordneten Eigenschaften<br />
167<br />
MENSCH<br />
EXTROVERTIERT
vier verschiedene Typen, die hier im Folgenden unter den Bezeichnungen<br />
»gewissenhaft«, »stetig«, »dominant« und »initiativ« weiter beschrieben<br />
werden.<br />
INTRO<br />
Diese vier Kombinationen schauen wir uns im nächsten Kapitel detailliert<br />
an.<br />
Die Typen erkennen und <strong>mit</strong> ihnen umgehen<br />
Der nächste Abschnitt beschreibt diese vier Persönlichkeiten in ihrem<br />
typischen Auftreten, sodass Sie Ihr Schnellerkennungssystem zur Einordnung<br />
von Menschen verbessern können. Zum leichteren Verständnis<br />
erklärt dieser Abschnitt auch, welche Emotionen die einzelnen Typen jeweils<br />
antreiben und wie Sie am besten <strong>mit</strong> ihnen umgehen sollten. Last,<br />
but not least können Sie ebenfalls lernen, was Sie im Umgang <strong>mit</strong> ihnen<br />
besser vermeiden sollten.<br />
168<br />
GEWISSENHAFT<br />
STETIG<br />
AUFGABE<br />
MENSCH<br />
DOMINANT<br />
INITIATIV<br />
EXTRO<br />
Der gewissenhafte Typ:<br />
introvertiert und an der Aufgabe orientiert<br />
Dieser Typ lässt sich beschreiben durch die Adjektive: vorsichtig, präzise,<br />
besonnen, hinterfragend und formal.<br />
Ein gewissenhafter Mensch ist oft ein echter Experte auf seinem Gebiet,<br />
denn er kann sich tief und detailreich in Themen einarbeiten. Er ist<br />
gut vorbereitet, verwendet viel Zeit darauf, perfekt im Thema zu sein,<br />
und kann <strong>mit</strong> seinen zielgerichteten Fragen Missstände oder Fehler<br />
schnell aufdecken. Bevor er eine Entscheidung trifft, muss er das Gefühl<br />
haben, sehr umfangreich informiert zu sein. Er wird nicht auf Grundlage<br />
eines Bauchgefühls entscheiden. Seine eher stille und verschlossene<br />
Art sorgt dafür, dass Small Talk ihm nicht besonders liegt. Persönliche<br />
Fragen können durchaus als taktlos und fehl am Platze empfunden werden.<br />
Durch den Detailreichtum verliert er manchmal Ziel und Zeit aus<br />
den Augen. Der Kontakt ist dennoch warmherzig und persönlich. Dieser<br />
Typ benötigt jedoch einen gewissen Abstand zu anderen Menschen, um<br />
sich wohlzufühlen.<br />
Der gewissenhafte Typ wird durch die Emotion »Vermeidung von Fehlern«<br />
angetrieben. Spiegeln Sie seine Bedürfnisse durch die Benutzung<br />
von Worten wie »Müssen wir noch etwas beachten, da<strong>mit</strong> es in die Gesamtstruktur<br />
passt?«, »Zahlen belegen …«, »Die Statistik sagt …«.<br />
Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />
• Seien Sie gut vorbereitet und haben Sie Ihre Fakten parat.<br />
• Verwenden Sie Aufzählungen wie 1., 2., 3. und bleiben Sie logisch.<br />
• Gehen Sie tief ins Detail – und seien Sie auf scharfsinnige Nachfragen<br />
vorbereitet.<br />
• Geben Sie ihm Zeit für Details und Entscheidungen.<br />
169
• Achten Sie sein hohes Qualitätsbewusstsein und sein Bedürfnis<br />
nach Sicherheit.<br />
• Achten Sie darauf, sich nicht in Details zu verlieren, und zeigen<br />
Sie auch immer wieder das Big Picture auf.<br />
• Seien Sie bei Zahlen und Statistiken genau, benennen Sie auch<br />
die Nachkommastellen. Für einen gewissenhaften Menschen<br />
heißt zum Beispiel der Umrechnungskurs Deutsche Mark zu Euro<br />
1,95583, nicht 2,0.<br />
• Stellen Sie alle Informationen zur Verfügung.<br />
• Seien Sie offen für Fragen.<br />
• Geben Sie ihm Zeit zum Nachdenken und Vorbereiten.<br />
• Bleiben Sie eher formell.<br />
Diese Verhaltensweisen oder Situationen erzeugen beim gewissenhaften<br />
Typ eher Spannung und Unzufriedenheit:<br />
• Ein emotional aufgeladenes Gespräch führen.<br />
• Oberflächlich sein oder ein unvorbereitetes Gespräch führen.<br />
• Wenn Sie den gewissenhaften Typ unter den Tisch reden oder Ihr<br />
Redeanteil seinen deutlich übersteigt.<br />
• Verlangen von spontanen Aktionen oder sofortigen Antworten.<br />
• Informationen zurückhalten.<br />
• Bedenken nicht ernst nehmen oder übergehen.<br />
• Den körperlichen Mindestabstand nicht einhalten.<br />
Der dominante Typ:<br />
extrovertiert und an der Aufgabe orientiert<br />
Dieser Typ lässt sich beschreiben durch die Adjektive fordernd, entschlossen,<br />
willensstark und zielgerichtet.<br />
170<br />
Der dominante Typ ist entschlossen und selbstbewusst. Er entscheidet<br />
gerne und schnell. Dadurch kann er manchmal auch aggressiv und<br />
sehr fordernd wirken. Er hat den Blick für das große Ganze und die Vision<br />
einer Sache. Mit diesen Eigenschaften findet man den dominanten<br />
Typ oft in Führungspositionen, als Geschäftsführer oder Firmengründer.<br />
Er ist eher ungeduldig und zeigt das in seiner Gestik und Körpersprache.<br />
Er ist auf Lösungen bedacht und wird Aufgaben konsequent zu Ende<br />
führen und bei einmal getroffenen Entscheidungen bleiben.<br />
Der dominante Typ wird durch die Emotion »Streben nach Macht,<br />
Status und Profit« angetrieben. Spiegeln Sie diese Bedürfnisse durch<br />
die Benutzung von Sätzen wie »Für Ihre Entscheidung zwischen x und<br />
y möchte ich Ihnen kurz die Fakten präsentieren.«, »Welche Ziele verfolgen<br />
Sie da<strong>mit</strong>?«, »Welche Aufgabe soll erfüllt sein?«.<br />
Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />
• Seien Sie klar, spezifisch, fassen Sie sich kurz und kommen Sie<br />
sofort zur Sache.<br />
• Definieren Sie ein klares Ziel des Gesprächs.<br />
• Stellen Sie kurze, prägnante Lösungen als Entscheidungsgrundlage<br />
vor.<br />
• Überlassen Sie die Entscheidung Ihrem Gegenüber, stellen Sie<br />
dazu zwei, maximal drei Handlungsempfehlungen vor.<br />
• Seien Sie in der Lage, zu Ihren Vorschlägen ein klares Statement<br />
abzugeben.<br />
• Bieten Sie ein Gespräch auf Augenhöhe.<br />
• Halten Sie sich an das Geschäftliche.<br />
• Bereiten Sie gut organisierte Präsentationsunterlagen vor.<br />
• Stellen Sie sich auf ein schnelles Gespräch ein.<br />
• Bieten Sie Ihre Hilfe für die Detailarbeit an.<br />
• Geben Sie sofortiges Feedback zu Ideen oder Zielen.<br />
171
Diese Verhaltensweisen erzeugen beim dominanten Typ eher Spannung<br />
und Unzufriedenheit:<br />
• Von der Sache abschweifen oder über Dinge reden, die <strong>mit</strong> der<br />
Sache nicht direkt zu tun haben.<br />
• Vage Andeutungen machen.<br />
• Unorganisiert oder unvorbereitet sein.<br />
• Die Probleme statt der Vision in den Vordergrund stellen.<br />
• Das Handlungsbedürfnis und die Entscheidungsstärke bremsen.<br />
Der initiative Typ:<br />
extrovertiert und am Menschen orientiert<br />
Dieser Typ lässt sich beschreiben <strong>mit</strong> den Adjektiven: umgänglich, enthusiastisch,<br />
offen, überzeugend und redegewandt.<br />
Der initiative Typ begeistert <strong>mit</strong> seiner fröhlichen und offenen Art. Er<br />
ist der eher entspannte Typ, einfallsreich und flexibel im Handeln und<br />
Denken. Er ist begeisterungsfähig und kann andere Leute sehr gut <strong>mit</strong>reißen.<br />
Da<strong>mit</strong> ist er der geborene Verkäufer. Dafür kann er auch schon einmal<br />
oberflächlich wirken; tief in die Details einzusteigen, ist seine Sache<br />
nicht. Es kostet ihn zu viel Energie. Bei seinen Entscheidungen kann es<br />
vorkommen, dass nicht alle wichtigen Parameter bedacht worden sind.<br />
Manchmal kann dieser Typ auch zu euphorisch wirken.<br />
Der initiative Typ wird durch die Emotion »Wunsch nach Lob und Anerkennung«<br />
bewegt. Spiegeln Sie dieses Bedürfnis durch die Benutzung<br />
von Worten wie »… individuell für Sie …«, »Spaß darf ja auch sein …«,<br />
»Haben Sie Ideen, die Sie umgesetzt haben möchten?«, »Wollen Sie etwas<br />
Neues ausprobieren?«, »Abwechslungsreichtum«, »Die Einzigartigkeit<br />
besteht darin …«.<br />
172<br />
Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />
• Bauen Sie eine freundliche Beziehung auf und schaffen Sie ein<br />
entspanntes Umfeld, zum Beispiel durch Small Talk oder dadurch,<br />
dass Sie sich für die Persönlichkeit des Gegenübers interessieren.<br />
• Stellen Sie gefühlsbezogene Fragen, um die Einstellung des anderen<br />
zu erfahren.<br />
• Sprechen Sie emotional und in Bildern.<br />
• Beachten Sie die eventuell geringe Aufmerksamkeitsspanne,<br />
führen Sie das Gespräch immer wieder auf das Ursprungsthema<br />
zurück und haben Sie ein Auge auf die Steuerung von Inhalt und<br />
Zeit Ihres Gesprächs.<br />
• Nutzen Sie die Kreativität und den Ideenreichtum Ihres Gegenübers.<br />
• Lassen Sie Freiraum für Optionen und Varianten und bieten Sie<br />
Entscheidungsalternativen an.<br />
• Bringen Sie Offenheit für neue Lösungsansätze und Ideen <strong>mit</strong>.<br />
• Geben Sie öffentlich Bestätigung und Lob.<br />
• Geben Sie schriftliche Unterlagen heraus oder haben Sie ein<br />
Auge darauf, ob Ihr Gegenüber <strong>mit</strong>schreibt.<br />
• Zahlen dürfen gerne gerundet werden. Bei der Umrechnung<br />
von Deutscher Mark zu Euro von 1,95583 reicht es, 2,0 zu sagen.<br />
• Seien Sie optimistisch und zeigen Sie sich emotional involviert.<br />
Diese Verhaltensweisen erzeugen beim initiativen Typ eher Spannung<br />
und Unzufriedenheit:<br />
• Zu viele Details verwenden oder perfektionistisch sein.<br />
• Zu barsch oder kurz angebunden sein.<br />
173
• Zu enge Gesprächsvorgaben machen und das Gespräch in übermäßig<br />
enge Bahnen lenken.<br />
• Viele Daten, Fakten, Alternativen oder Abstraktionen präsentieren.<br />
• Zu viel Zeit verstreichen lassen, bis Sie Ihre Meinung abgeben.<br />
• Gute Ideen ohne positiven Kommentar im Raum stehen lassen.<br />
Der stetige Typ:<br />
introvertiert und am Menschen orientiert<br />
Dieser Typ lässt sich durch die Adjektive: vertrauensvoll, ermutigend,<br />
<strong>mit</strong>fühlend, geduldig und entspannt beschreiben.<br />
Der stetige Typ überzeugt durch seine menschliche Art und die Beziehungen,<br />
die er langfristig pflegt. Er ist eher ruhig und baut durch<br />
seine freundliche Art schnell Beziehungen auf. Er ist ein guter Zuhörer<br />
und vertritt nur, was er <strong>mit</strong> seinem Gewissen gut vereinbaren kann. In<br />
ungewohnter Umgebung wirkt er manchmal etwas angestrengt. Sind<br />
seine Werte in Gefahr, kann er stur erscheinen. Er neigt dazu, Konfrontationen<br />
zu vermeiden. Seine emotionale Begeisterung für ein Thema<br />
ist nicht immer sichtbar, daher kann sein Gegenüber denken, dass er<br />
nicht ausreichend für das Thema brennt. Er mag es, an Gewohntem<br />
festzuhalten.<br />
Der stetige Typ wird durch die Emotion »Vermeidung von Kritik« angetrieben.<br />
Spiegeln Sie die Bedürfnisse durch die Benutzung von Sätzen<br />
wie »Tragen das alle Beteiligten <strong>mit</strong>?«, »Passt das in Ihre Kultur?«,<br />
»Haben wir die wichtigsten Unwägbarkeiten ausgeschlossen oder gibt<br />
es da noch Handlungsbedarf?«, »Müssen wir für die Menschen noch etwas<br />
berücksichtigen?«, »Ich empfehle Ihnen …«.<br />
Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />
174<br />
• Schaffen Sie durch Gemeinsamkeiten oder Small Talk einen persönlichen<br />
Bezug.<br />
• Zeigen Sie persönliches Interesse.<br />
• Sprechen Sie Empfehlungen aus.<br />
• Minimieren Sie die Risiken für die Entscheidungsfindung, zum<br />
Beispiel, in<strong>dem</strong> Sie Vorschläge machen.<br />
• Heben Sie geringe Risiken hervor und ver<strong>mit</strong>teln Sie Sicherheit.<br />
• Haben Sie Geduld und Verständnis dafür, dass Entscheidungen<br />
abgesichert werden müssen.<br />
• Unterstreichen Sie die Partnerschaftlichkeit und den Wunsch<br />
nach Win-win-Lösungen.<br />
• Geben Sie Zeit zum Nachdenken und erklären Sie Veränderungen<br />
genau.<br />
Diese Verhaltensweisen erzeugen beim stetigen Typ eher Spannung und<br />
Unzufriedenheit:<br />
• Schnelle Veränderungen.<br />
• In Gesprächen kurz angebunden sein.<br />
• Druck aufbauen.<br />
• Illoyales Handeln.<br />
• Auswirkungen von Entscheidungen auf Menschen, insbesondere<br />
jene, für die er verantwortlich ist, nicht im Blick haben.<br />
• Kühl und faktenbasiert argumentieren.<br />
Die Schnellerkennung von Verhandlungstypen<br />
perfektionieren<br />
Wie Sie im vorigen Abschnitt lesen konnten, verhalten sich die vier<br />
Menschentypen nicht nur sehr unterschiedlich, sondern sie sind auch<br />
175
in ihren Bedürfnissen und Wünschen in Verhandlungen grundverschieden.<br />
Sie benötigen jeweils eine andere Art der Kommunikation, da<strong>mit</strong><br />
dieselben Fakten auf fruchtbaren Boden fallen. Insbesondere wenn Sie<br />
Verhandlungspartnern gegenüberstehen, die entgegengesetzt zu Ihrem<br />
eigenen Stil auftreten, werden Sie Ihr Verhalten ganz bewusst anpassen<br />
müssen. Aber zur Beruhigung: In den Fällen, in denen Sie auf Verhandlungspartner<br />
treffen, die Ihnen ähnlich sind, können Sie aus <strong>dem</strong> Bauch<br />
heraus agieren, da Sie intuitiv alles richtig machen werden. Menschen,<br />
die uns ähnlich sind, sind uns automatisch sympathisch. Wir verzeihen<br />
ihnen mehr, trauen ihnen mehr zu und halten sie für kompetenter. Eine<br />
Ausnahme gibt es allerdings: Wenn zwei dominante Persönlichkeiten<br />
aufeinandertreffen, kann es schnell zu einem kräftezehrenden Machtkampf<br />
kommen. Da der dominante Typ gerne die Richtung vorgibt, lässt<br />
er sich eher ungern von einem ebenfalls dominanten Verhandlungspartner<br />
in zu enge Bahnen lenken. Sollten Sie also selbst zu den dominanten<br />
Persönlichkeiten gehören, achten Sie darauf, dass Sie für die Durchsetzung<br />
der Sache die eigene Dominanz gut dosieren.<br />
Wichtig ist natürlich, den Menschentyp möglichst rasch zu erkennen.<br />
Je schneller Sie wissen, wie Ihr Gegenüber tickt, umso schneller<br />
können Sie Ihr Verhandlungsverhalten darauf abstellen. Sie haben ja<br />
schon gelesen, wie wichtig der erste Eindruck ist, und daher sollte es<br />
einem gerade zum Beginn des Kontakts nicht passieren, dass man zum<br />
Beispiel einem introvertierten Menschen körperlich zu nahe kommt.<br />
Schon in den ersten Gesprächssekunden können Sie anhand der Körpersprache<br />
und der Stimme Informationen sammeln, um welchen Typ<br />
es sich handelt, und auch die Kleidung kann wertvolle Hinweise dazu<br />
liefern.<br />
• Der gewissenhafte Typ hält <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Körper gerne Abstand zu<br />
anderen Personen und kann dadurch leicht etwas distanziert<br />
und kühl wirken. Seine Gesten sind verhalten. Er sitzt oder steht<br />
176<br />
normalerweise sehr ruhig. Große körperliche Gesten sind nicht<br />
sein Ding. Die Sprechgeschwindigkeit ist eher langsam, da er<br />
erst denkt, bevor er spricht. Die Stimme ist eher leise und nachdenklich,<br />
dadurch kann die Sprechweise monoton erscheinen.<br />
Der Kleidungsstil des gewissenhaften Typs ist zurückhaltend,<br />
aber gepflegt. Er wird Kleidung <strong>mit</strong> einem stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis<br />
bevorzugen. Da er sich wenig von Marken oder<br />
Moden beeindrucken lässt, kann man seinen Kleidungsstil als<br />
zeitlos bezeichnen.<br />
• Der dominante Typ dagegen wird körpersprachlich forsch und<br />
direkt auftreten. Er begrüßt andere <strong>mit</strong> einem starken, kontrollierenden<br />
Händedruck. Auch ein Händedruck, der <strong>mit</strong> der<br />
anderen Hand noch unterstützt wird, in<strong>dem</strong> <strong>mit</strong> der freien Hand<br />
während des Händeschüttelns gleichzeitig der Unterarm des<br />
Gesprächspartners gegriffen wird, gehört eher zu diesem Typ.<br />
Mit fester und klarer Stimme kommuniziert er sehr freimütig<br />
und zielstrebig. Was andere <strong>mit</strong> freundlichen Tönen umschreiben<br />
würden, das wird er eher ungeschönt präsentieren. Er wird<br />
sich nicht so auffällig kleiden wie ein initiativer Typ, allerdings<br />
beeindruckt er gerne andere, was sich im Tragen von Markenkleidung<br />
niederschlägt. Auch an Accessoires wie einer teuren<br />
Uhr, einem auffälligen Gürtel und gepflegten Schuhen kann das<br />
sichtbar werden.<br />
• Der initiative Typ wird in der Körpersprache offen und ausdrucksstark<br />
auftreten. Es ist sein Stil, eher <strong>mit</strong> den Händen zu<br />
sprechen, große Gesten und energische Körperbewegungen zu<br />
machen. Auch die Stimme ist begeistert, laut und schnell, der<br />
initiative Typ ist Sprechdenker. Er denkt, während er seine Gedanken<br />
laut ausspricht. Sein Kleidungsstil wird üblicherweise<br />
177
unterstreichen, dass es ihm keine Probleme bereitet, gesehen zu<br />
werden, und kann daher üblicherweise als ausdrucksstark und<br />
auffällig bezeichnet werden. Dieser Typ Mensch trägt mutig auch<br />
gerne starke Farben und kleidet sich eher modisch.<br />
• Der stetige Typ fällt überwiegend durch seine warme und herzliche<br />
Gestik und Mimik auf. Die Körpersprache ist zurückhaltend.<br />
Die Stimme ist eher sanft und ruhig. Pausen oder langsames<br />
Sprechen sind erste Anzeichen für den stetigen Typ. Sein Kleidungsstil<br />
ist oft danach ausgesucht, wie praktisch die Kleidung<br />
im Alltag ist. Bequemlichkeit oder Funktionalität steht eher im<br />
Vordergrund als der Versuch, nach außen hin <strong>mit</strong> seiner Kleidung<br />
zu beeindrucken. Schrille, auffällige Kleidung entspricht normalerweise<br />
nicht seinem Stil.<br />
GEWISSENHAFTER TYP: »Gut, lassen Sie uns zusehen, dass wir die<br />
wichtigsten Punkte besprechen, und sofort starten.« Der gewissenhafte<br />
Typ wird dafür sorgen, dass das Wichtigste besprochen wird, und das<br />
Gespräch prägnant steuern.<br />
DOMINANTER TYP: »Ja, auch ich habe Anschlusstermine, hatte mir aber<br />
eigentlich mehr Zeit für Sie frei gehalten.« Der dominante Typ könnte es<br />
durchaus persönlich nehmen und eher verärgert reagieren, dass nicht<br />
ausreichend Zeit für ihn eingeplant wurde.<br />
INITIATIVER TYP: »Okay, das macht nichts, wie geht es Ihnen denn so?«<br />
Der initiative Typ wird es nicht persönlich nehmen, allerdings sein Verhalten<br />
auch nicht an die Zeitvorgabe anpassen oder die Prioritäten umstellen,<br />
da<strong>mit</strong> der Termin schneller vonstattengeht.<br />
Anhand eines Kommunikationsbeispiels möchte ich aus einer anderen<br />
Perspektive die Unterschiede zwischen den Typen verdeutlichen.<br />
Stellen wir uns Folgendes vor: Ein Kundenberater ist <strong>mit</strong> seinem Kunden<br />
um 13 Uhr verabredet. Nach einer kurzen Begrüßung sagt er: »Ich habe<br />
heute übrigens nur bis 14 Uhr Zeit.« Jetzt kommt es darauf an, welchen<br />
Typ Mensch er vor sich hat. Auf die verschiedenen Menschen wird diese<br />
Aussage ganz unterschiedliche Wirkung haben. Die Antworten könnten<br />
sich wie folgt anhören:<br />
STETIGER TYP: »Oh, gar kein Problem, dann sehen wir zu, dass wir<br />
pünktlich fertig werden.« Da ihm harmonische Beziehungen und die<br />
Menschen wichtig sind, wird der stetige Typ <strong>dem</strong> Wunsch eher folgen und<br />
sich anpassen.<br />
178<br />
Diese unterschiedlichen Reaktionen zeigen noch einmal, dass sich die<br />
Kommunikationsstile der Typen deutlich voneinander unterscheiden.<br />
Der zwischenmenschliche Kontakt funktioniert dann gut, wenn sich die<br />
Kommunikationsstile gleichen oder man sich darauf einlässt, sich an<br />
den anderen anzupassen.<br />
Bekannt ist ein ethischer Grundsatz für den Umgang <strong>mit</strong> Menschen:<br />
»Behandele andere Menschen so, wie du behandelt werden möchtest.«<br />
Diesen Appell an die Fairness lernen wir bereits im Kindergarten. Das unterstellt<br />
allerdings, dass der andere ebenso denkt wie wir, die gleichen<br />
Bedürfnisse hat, kurz: uns ähnlich ist. Ist Ihnen Ihr Gesprächspartner<br />
ähnlich: herzlichen Glückwunsch! Sie werden von alleine gut <strong>mit</strong>einander<br />
klarkommen. Durch die Erkenntnis, dass wir selbst nicht das Maß aller<br />
Dinge sind, brauchen wir in der professionellen Kommunikation <strong>mit</strong><br />
unseren Geschäftspartnern etwas anderes. Diese Regel lautet: »Behandele<br />
den anderen so, wie er behandelt werden möchte.« Wenn ich eine<br />
179
gute Beziehung zu meinem Kunden aufbauen möchte, tue ich gut daran,<br />
mich an den Kunden anzupassen und seinen Bedürfnissen, seiner Sprache<br />
und seinen Werte zu folgen.<br />
Zum Ende dieses Kapitels möchte ich noch einmal darauf hinweisen,<br />
dass ich zur Veranschaulichung bewusst sehr stereotype Beispiele gewählt<br />
habe. Menschen sind vielfältig und tragen daher meist Anteile der<br />
verschiedenen Typen in sich, mal mehr und mal weniger ausgeprägt.<br />
180<br />
7 Die rhetorische Schatzkiste:<br />
Werkzeuge des Erfolgs<br />
In den ersten Kapiteln haben wir uns angesehen, wie das Magnet-<br />
Prinzip funktioniert und wie Sie <strong>mit</strong> Ihrer natürlichen Autorität, sprachlicher<br />
Brillanz und nachhaltigem Denken Menschen von sich begeistern<br />
können. Wenn Sie Ihren roten Faden im Gespräch beibehalten und sich<br />
immer im Klaren darüber sind, in welcher Gesprächsphase Sie sich befinden,<br />
behalten Sie die Führung auch bei rhetorischem Gegenwind. Sie<br />
haben gelesen, wie man den Bedarf des Gesprächspartners erfragt und<br />
darauf die eigene Argumentation abstimmt. Und wenn die Wellen emotional<br />
höherschlagen, helfen Ihnen die verschiedenen Eskalationsstufen<br />
<strong>mit</strong> den entsprechenden Reaktionsmöglichkeiten, das Gespräch wieder<br />
in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Als zweite Säule für erfolgreiche Verhandlungen<br />
diente uns die Einschätzung der verschiedenen Menschentypen.<br />
Da<strong>mit</strong> können Sie Menschen bei ihren persönlichen Bedürfnissen<br />
abholen und individuell auf Verhandlungspartner eingehen, um sie dadurch<br />
von sich, Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung zu begeistern.<br />
Als dritte und letzte Säule des Verhandlungserfolgs werfen wir nun<br />
noch einen weiteren Blick auf die psychologische Seite von Verhandlungen.<br />
In diesem Kapitel möchte ich <strong>mit</strong> Ihnen tief in die Schatzkiste greifen<br />
und zusätzlich zu den bisher genannten Grundlagen von Verhandlung<br />
und Gesprächsführung psychologische Werkzeuge für den Erfolg<br />
vorstellen.<br />
Das man Menschen nicht nur <strong>mit</strong> klug ausgewählten Argumenten,<br />
sondern vor allem auch <strong>mit</strong> der richtigen Technik steuern kann, wird Ihnen<br />
nach der Lektüre dieses Buches nicht mehr unbekannt vorkommen.<br />
Hier möchte ich Ihnen eine Sammlung von Tipps vorstellen, die allesamt<br />
181
darauf abzielen, die eigene Position zu stärken oder Verhandlungen sogar<br />
ohne gute Gründe zu gewinnen.<br />
Nicht immer sind diese psychologischen Tricks fair, aber dafür sind<br />
sie sehr wirksam. Daher kann jeder Mensch nur für sich selbst entscheiden,<br />
ob oder wann er in Verhandlungen in die Trickkiste greift. Vielleicht<br />
benötigen Sie hier und da, abhängig von der Situation, diese stärkeren<br />
Werkzeuge. Für alle, die viel <strong>mit</strong> Menschen verhandeln, gilt aber eins<br />
auf jeden Fall: Sie sollten die dahinterliegenden Strategien erkennen,<br />
da<strong>mit</strong> Sie sich dagegen wappnen können. Einige dieser Taktiken haben<br />
Sie wahrscheinlich bereits am eigenen Leib erfahren oder auch angewendet.<br />
Die Technik des »Good Cop/Bad Cop« oder die Mutter aller<br />
Taktiken, die »Drama-Queen«, sind Ihnen vielleicht nicht unbekannt.<br />
Doch wirken diese Strategien gerade deshalb, weil sie keine Strategien<br />
sein müssen. Es könnten auch ganz normale Verhaltensweisen sein. Geschickt<br />
gemacht, können die Strategien nicht auf Anhieb bewusst erkannt<br />
werden, wirken jedoch unterbewusst auf das Entscheidungsverhalten.<br />
Je schneller und besser Sie daher das Gesagte als Technik und<br />
nicht als die dargestellte Wahrheit erkennen, umso entspannter können<br />
Sie bleiben. Und genau diese souveräne Einstellung sorgt dafür, dass<br />
Sie der stärkere Verhandlungspartner bleiben.<br />
Denn wie Sie bereits gelesen haben: Je ruhiger Sie bleiben, umso<br />
besser arbeitet Ihr bewusstes Denkorgan, Ihr Neokortex, und dadurch<br />
können Sie stark und gelassen argumentieren. Sobald Sie in den emotionalen<br />
Modus verfallen, sinken Ihre Chancen, sich durchzusetzen. Wenn<br />
Sie also erkennen, was Ihr Gegenüber <strong>mit</strong> Ihnen vorhat, regen Sie sich<br />
nicht auf: »Ah, die Technik kenne ich!« Ihr Gesprächspartner braucht<br />
keineswegs zu wissen, dass Sie ihn durchschaut haben. Ihre Wirkung ist<br />
viel stärker, wenn Sie cool reagieren und dabei die Technik charmant ins<br />
Leere laufen lassen. Ihr Wissensvorsprung gibt Ihnen die Souveränität,<br />
als emotional stärkerer Verhandlungsteilnehmer die Gesprächsführung<br />
zu behalten.<br />
182<br />
Tipp:<br />
Nach<strong>dem</strong> Sie <strong>mit</strong>hilfe dieses Buchs mehr und mehr zum bewussten<br />
Gesprächssteuerer und emotionalen Rhetoriker werden, ist es mir<br />
wichtig, ein Thema aufzugreifen, das im Zusammenhang <strong>mit</strong> Rhetorik,<br />
Verkauf und Verhandlung immer wieder genannt wird: Manipulation.<br />
Dieses Wort ist normalerweise negativ besetzt. Und wenn Sie Menschen<br />
fragen, ob sie selbst manipulieren, dann werden sie das meist<br />
verneinen. Manipulation ist immer die böse Absicht des anderen. Wir<br />
selbst werden höchstens manipuliert oder denken vielleicht sogar, wir<br />
seien aufgrund unserer Intelligenz immun gegen Manipulation von außen.<br />
Allenfalls geben Menschen zu, dass sie andere Menschen »motivieren«,<br />
Dinge zu tun oder zu denken. Aber wie Sie im Laufe dieses Buches<br />
gemerkt haben, nimmt Ihr Unterbewusstsein so viele Wörter und<br />
Handlungen in die Entscheidungsfindung auf, dass Sie bewusst oder<br />
unbewusst ständig manipulieren oder manipuliert werden. Manipulation<br />
lässt sich wie folgt definieren: wenn jemand nicht will, dass seine<br />
Absichten durchschaut werden, und eine andere Person diese Absicht<br />
auch wirklich nicht bemerkt. Der wichtigste Punkt kommt dann dazu:<br />
Würde die manipulierte Person die Absicht durchschauen, dann wäre<br />
sie nicht einverstanden.<br />
Wann können Sie also Ihre Techniken guten Gewissens anwenden? Eigentlich<br />
ist es ganz einfach: Wenn Sie darauf achten, dass Ihr Verhandlungspartner<br />
Sie als vertrauenswürdig einstuft, weil Sie seine Bedürfnisse<br />
akzeptieren und auch umsetzen, dann ist das faire Beeinflussung.<br />
Wenn Sie jedoch unhaltbare Versprechen machen, lügen oder jemanden<br />
in Sicherheit wiegen, wo Sie eigentlich Zusatzinformationen geben müssten,<br />
ist das unfair. Hier beginnt die Grauzone der »bösen« Manipulation,<br />
die moralisch zweifelhaft ist. Außer<strong>dem</strong> wird, sobald es auffällt, auf Ihrer<br />
Wiese der langfristigen Zusammenarbeit kein Gras mehr wachsen.<br />
183
Die Tangenten-Antwort<br />
Beispiel:<br />
In den Politik-Talkshows am späten Abend können Sie die Wirkungsweise<br />
der Tangenten-Antwort bestens verfolgen. Ein häufiges Szenario:<br />
Vertreter von verschiedenen politischen Parteien diskutieren über ein<br />
vorgegebenes Thema. Nehmen wir zum Beispiel an, der Oberbegriff<br />
der Talkshow ist an diesem Abend der Titel »Zuwanderung in Deutschland<br />
– welche Menschen wollen wir?«. Während der Diskussion wird ein<br />
Politiker gefragt, ob Deutschland in der Lage sei, die zunehmende Zahl<br />
von Flüchtlingen überhaupt zu integrieren. Oft hören wir Antworten wie<br />
diese:<br />
»Die Integration von Flüchtlingen ist wirklich ein wichtiger Punkt für<br />
die Zukunft. Doch bevor wir das lösen, müssen wir uns erst einmal die<br />
Frage stellen, wie die kurzfristige Zukunft aussieht und welche Flüchtlinge<br />
bleiben werden. Unsere Partei hat in der Vergangenheit bereits<br />
bewiesen, dass sie Themen schnell und prompt angehen kann. Wir haben<br />
Strukturen geschaffen und Stellen gefordert und werden auch in<br />
Zukunft für Verlässlichkeit und Klarheit stehen.«<br />
So weicht man professionell Fragen aus und nutzt stattdessen die knappe<br />
Redezeit, um eigene Themen anzusprechen oder für das eigene Parteiprogramm<br />
zu werben. Natürlich spricht unser Musterpolitiker hier<br />
von wichtigen Voraussetzungen, doch die Integrationsfrage hat er nicht<br />
<strong>mit</strong> einem klaren Ja oder Nein beantwortet. Die Gesprächszeit, die der<br />
Politiker im TV hat, muss ja schließlich für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt<br />
werden.<br />
Deswegen wird die Frage kurz touchiert, und dann wird ausführlich<br />
über die Dinge gesprochen, die gerne gesendet werden sollen. Politiker<br />
sind darauf trainiert.<br />
184<br />
Tipp:<br />
Auch in Verhandlungen passiert es immer wieder, dass Fragen, die auf<br />
ein Ja oder Nein ausgerichtet sind, nicht klar beantwortet werden. Das<br />
Thema wird vielleicht kurz angerissen, und dann wird über andere Details<br />
weitergesprochen. In meiner beruflichen Praxis beobachte ich,<br />
dass es Menschen gibt, die auf Fragen antworten – und Menschen, die<br />
selbst auf direkte Fragen nicht direkt antworten. Normalerweise passiert<br />
das unbewusst, es ist oft eher eine Gewohnheit als eine Taktik.<br />
Sehen Sie daher bitte nicht in jeder unklaren Antwort einen Ablenkungsversuch.<br />
Das hilft Ihnen, in einer entspannten und freundlichen<br />
Stimmung zu bleiben.<br />
Um sich von diesem Vorgehen nicht aus <strong>dem</strong> Konzept bringen zu lassen,<br />
können wir uns am Verhalten von Frank Plasberg in seinem Format »hart<br />
aber fair« orientieren. Regelmäßig können Sie Herrn Plasberg dabei beobachten,<br />
wie er seine – noch nicht beantwortete – Frage so lange wiederholt,<br />
bis er eine Antwort bekommt, und den Gesprächspartner nicht<br />
ausweichen lässt. Passiert es Ihnen in Verhandlungen, dass Ihre Fragen<br />
nicht beantwortet werden, so reagieren Sie einfach genauso. Wiederholen<br />
Sie Ihre Frage wortwörtlich so lange, bis Ihr Gegenüber merkt, dass<br />
Sie sich nicht ablenken lassen. Im Zweifel notieren Sie sich Ihre Frage<br />
kurz. Manchmal sind die Ausführungen Ihres Verhandlungspartners ja<br />
auch interessant, dann können Sie zuhören und später wieder auf Ihre<br />
Frage zurückkommen.<br />
185
Steuern <strong>mit</strong> der Alternativ-Technik<br />
Beispiel:<br />
Bei Neubauvorhaben werden im Laufe der Bauphase manchmal Abweichungen<br />
vom ursprünglichen Bauplan nötig. So ging es auch einem<br />
Bauherrn <strong>mit</strong> einem Mieter in einer Gewerbeimmobilie in Berlin. Durch<br />
eine Veränderung in der Planung der zu bauenden Büros wurde es nötig,<br />
eine zusätzliche Wand einzuziehen. Und diese wurde während der Bauphase<br />
in Auftrag gegeben und auch gebaut. Nach<strong>dem</strong> die Wand stand,<br />
konnten sich der Bauherr und der zukünftige Mieter nicht einigen, wer<br />
die zusätzlichen Kosten für die Wand übernehmen sollte. Im Eifer des<br />
Gefechts war diese Frage nicht vor der Fertigstellung des Gebäudes geklärt<br />
worden, und die Wand war <strong>mit</strong> 8.000 Euro teurer geworden, als<br />
beide Parteien gedacht hatten. Die Ausgangslage des Gespräches, in<br />
<strong>dem</strong> die Übernahme der Kosten geklärt werden sollte, war dann folgende:<br />
Der Bauherr bot an, von den 8.000 Euro immerhin 2.000 Euro<br />
zu übernehmen. Der zukünftige Mieter wollte die ganze Summe vom<br />
Bauherrn ersetzt bekommen. Nach<strong>dem</strong> die beiden schon eine Weile<br />
ihre Argumente ausgetauscht hatten, warum jeweils der andere für die<br />
Mehrkosten aufkommen sollte, sagte der Bauherr irgendwann: »Also,<br />
Sie können jetzt die 2.000 Euro nehmen oder Sie verhandeln nach Baufertigstellung<br />
im nächsten Jahr <strong>mit</strong> der Baufirma persönlich.« Der Mieter<br />
entschied sich für die 2.000 Euro.<br />
186<br />
Die Alternativ-Technik arbeitet da<strong>mit</strong>, <strong>dem</strong> Verhandlungspartner zwei<br />
Möglichkeiten zur Lösung eines Konfliktes anzubieten: Variante A oder<br />
Variante B. Und wie Sie im Beispiel sehen, können die Varianten auch so<br />
gewählt werden, dass sie gar keine wirklichen Alternativen sind, denn<br />
natürlich wollte der Mieter nicht bis zum nächsten Jahr <strong>mit</strong> der Entscheidung<br />
warten. Möglicherweise ist der Mieter auch nicht besonders erpicht<br />
darauf, persönlich <strong>mit</strong> der Baufirma zu verhandeln. Da<strong>mit</strong> hat der<br />
Bauherr eigentlich nur eine Lösung angeboten, obwohl er zwei Möglichkeiten<br />
genannt hat. Die unterschwellige Wirkung der Methode ist, dass<br />
alle Wahlmöglichkeiten außerhalb der beiden Varianten übersehen werden.<br />
Da das Gehirn manchmal zu langsam reagiert, kommen die meisten<br />
Menschen – vor eine solche Wahl gestellt – nicht darauf, nach weiteren<br />
Lösungen zu fragen. In der oben geschilderten Situation hätte man zum<br />
Beispiel noch über einen Betrag zwischen 2.000 Euro und 8.000 Euro<br />
verhandeln können.<br />
Die Alternativ-Technik ist ein Klassiker unter den Fragetechniken und<br />
wird in vielen Branchen und Situationen eingesetzt. In Banken werden<br />
Sie zum Beispiel gefragt: »Wollen Sie 150 Euro monatlich sparen oder<br />
200 Euro?« Diese Frage nimmt eine Entscheidung vorweg! Dass Sie sparen<br />
wollen, steht nun nicht mehr infrage – und <strong>mit</strong> der angegebenen<br />
Höhe ist auch eine Messlatte gelegt.<br />
Was können Sie tun, wenn Sie merken, dass Sie <strong>mit</strong> der Alternativ-Technik<br />
konfrontiert werden? Lassen Sie sich nicht überrumpeln.<br />
Antworten Sie nicht zu schnell und lassen Sie Ihrem Gehirn Zeit, den<br />
nächsten Schritt zu überdenken. Eine gute, selbstbewusste Frage wäre<br />
zum Beispiel: »Und welche Alternative gibt es darüber hinaus noch?«<br />
Oder auch: »Was müssen wir denn tun, um A und B zu bekommen?«<br />
Oder: »Lassen Sie uns vor einer Entscheidung noch nach weiteren Optionen<br />
suchen.« Der Grundgedanke dabei ist, andere Möglichkeiten in<br />
den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen und nicht zu schnell Ja zu<br />
sagen.<br />
187
Die Ja-Schleife<br />
Beispiel:<br />
Bevor ich freiberufliche Trainerin wurde, arbeitete ich bei einer deutschen<br />
Großbank als Führungskraft und später als Trainerin für Vertriebs-<br />
und Führungskräfte. Als für mich die Zeit reif war, den Sprung in<br />
die Selbstständigkeit zu wagen, verhandelte ich <strong>mit</strong> meinem Chef über<br />
die Modalitäten meines Ausstiegs aus der Bank. Nach zwei Verhandlungsrunden<br />
waren wir uns nur in einer Frage noch nicht einig: der nach<br />
<strong>dem</strong> Zeitpunkt meines Ausstiegs. Ich wollte mich so schnell wie möglich<br />
selbstständig machen, während mein Chef mich noch für laufende<br />
Seminarprojekte in der Bank behalten wollte. Meine Idee war, in drei<br />
Monaten in die Selbstständigkeit zu gehen, und mein Chef bot mir an, in<br />
neun Monaten aus der Bank auszuscheiden. Da an seiner Zustimmung<br />
auch die Zahlung einer Abfindung hing, hatte er alle Asse in der Hand<br />
und stellte mich vor die Wahl: »Entweder Sie gehen in drei Monaten<br />
ohne Abfindung oder in neun Monaten <strong>mit</strong> Abfindung.« Mein Wunsch<br />
war, sowohl möglichst schnell <strong>mit</strong> der Selbstständigkeit zu starten als<br />
auch die Abfindung als Startkapital zu bekommen. Um mich aus dieser<br />
Zwickmühle zu befreien, in die mich mein Chef <strong>mit</strong> seinen Alternativen<br />
gebracht hatte, überlegte ich mir, die Technik der Ja-Schleife anzuwenden.<br />
Der richtige Zeitpunkt dazu kam, als er mich für die dritte Verhandlungsrunde<br />
<strong>mit</strong> den Worten einlud: »Lassen Sie uns beim Mittagessen<br />
über Ihren Ausstieg sprechen, ich habe nicht so viel Zeit. Ich hoffe, wir<br />
werden uns heute einig.«<br />
Als wir uns dann trafen, setzte ich meinen Plan nach einem ersten<br />
Small Talk über das Kantinenessen in die Tat um und fragte ihn: »Sagen<br />
Sie, sind Sie eigentlich <strong>mit</strong> meiner Arbeit bisher zufrieden gewesen?«<br />
Er sagte: »Ja.« – »Danke«, antworte ich, »ich möchte, dass das<br />
auf jeden Fall bis zu meinem Ausscheiden so bleibt. Da sind wir uns<br />
188<br />
einig, oder?« – »Ja.« – »Können Sie sich vorstellen, dass man innerlich<br />
dafür brennt, nun etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, und ich möglichst<br />
schnell in die Selbstständigkeit gehen möchte?« – »Ja«, sagte er<br />
wieder. – »Können wir uns dann nicht darauf einigen, dass ich noch<br />
drei Monate für Sie arbeite und dann <strong>mit</strong> der Abfindung aus der Bank<br />
ausscheide?« Und nun sagte er: »Okay.« Danach aßen wir entspannt<br />
weiter unser Mittagessen.<br />
Die Ja-Schleife ist ein Werkzeug, das die Tatsache ausnutzt, dass sich<br />
das Gehirn in eine gewünschte Richtung prägen lässt. Denn die Bereitschaft,<br />
Ja zu sagen, wächst, wenn vorher schon zwei- bis dreimal Ja gesagt<br />
wurde. Der Mensch ist dann gewissermaßen im Ja-Modus. Natürlich<br />
ist es gut, wenn dafür ein paar weitere Faktoren zusammenkommen.<br />
Ist das Gehirn abgelenkt oder unter Stress, funktioniert die Technik besonders<br />
gut. Ebenso, wenn Ihr Gegenüber nicht vorbereitet ist oder eine<br />
schnelle Lösung herbeisehnt. In meinem Beispiel waren diese Voraussetzungen<br />
alle gegeben. Durch seinen einleitenden Satz »Lassen Sie<br />
uns beim Mittagessen sprechen, ich habe nicht so viel Zeit. Ich hoffe,<br />
wir werden uns heute einig« half mein damaliger Chef mir sehr, mich<br />
auf das Gespräch vorzubereiten. Ich konnte unterstellen, dass er unvorbereitet<br />
war. Wer ein wichtiges Gespräch beim Mittagessen führt,<br />
läuft immer Gefahr, durch das Essen abgelenkt zu sein. Das gab mir die<br />
Gelegenheit, die Situation zu nutzen. Alles, was es dafür braucht, sind<br />
gut vorbereitete Fragen, die so logisch gestellt sind, dass man nur <strong>mit</strong><br />
Ja antworten kann, sodass die Zustimmung quasi schon auf der Zunge<br />
liegt. Die letzte Frage ist dann die, auf die es ankommt. Die, für die man<br />
sich das eigentliche Ja abholt.<br />
In Verkauf und Vertrieb wird die Methode verwendet, wenn Sie ein<br />
Mitarbeiter Ihres Mobilfunkanbieters anruft, um Ihnen Zusatzleistungen<br />
zu verkaufen. Die typische Einstiegsszene hört sich oft ungefähr so an:<br />
»Sie sind Kunde bei uns?« – »Sie besitzen ein Samsung-Handy?« – »Ist<br />
189
es Ihnen wichtig, günstig zu telefonieren?« – »Haben Sie dann fünf Minuten<br />
Zeit für mich, da<strong>mit</strong> ich Ihnen unser neuestes Angebot vorstellen<br />
kann?« Natürlich weiß Ihr Vertragsanbieter, dass Sie Kunde sind. Dass<br />
Sie ein Samsung-Handy haben, steht ebenfalls in seinen Unterlagen,<br />
und dass Sie gerne günstig telefonieren, kann unterstellt werden. Es<br />
geht nur darum, dass Sie diese Fragen <strong>mit</strong> Ja beantworten, da<strong>mit</strong> Sie<br />
fünf Minuten Zeit in das dann folgende Gespräch investieren, bei <strong>dem</strong><br />
Ihnen Zusatzleistungen verkauft werden sollen. Das ist die Ja-Falle. Wer<br />
diese Technik anwenden möchte, sollte sich nicht auf seine Spontaneität<br />
verlassen, sondern sich die Fragen bereits im Vorfeld zurechtlegen.<br />
Eine gute Vorbereitung ist hier wichtig. Spontan anwenden können das<br />
nur kommunikativ sehr geübte Menschen.<br />
Tipp:<br />
Aus <strong>dem</strong> obigen Beispiel können wir Folgendes lernen: Beim Mittagessen<br />
sind wir eher abgelenkt. Wichtige Verhandlungen gehören nicht<br />
an den Mittagstisch. Beim aufmerksamen Hinhören konnte man in der<br />
Einladung bereits die Bereitschaft hören, beim Mittagessen einen Entschluss<br />
zu fällen. Die Zeit war also reif – im ersten Termin wäre dieses<br />
Vorgehen nicht möglich gewesen. <strong>Verhandeln</strong> Sie niemals unter<br />
Zeitdruck, und wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann lassen Sie es<br />
Ihren Gesprächspartner nicht wissen.<br />
Wenn Sie merken, dass Sie <strong>mit</strong> einer Reihe von besonders logischen Fragen,<br />
auf die Sie nur <strong>mit</strong> Ja antworten können, konfrontiert werden, werden<br />
Sie besser skeptisch. Überdenken Sie, ob das Gespräch in die von<br />
Ihnen gewünschte Richtung geht – ansonsten decken Sie die Technik<br />
freundlich auf. Das geht zum Beispiel <strong>mit</strong> den Worten: »Ja – und worauf<br />
wollen Sie gerade hinaus?« Leider bemerkt man manchmal auch erst am<br />
190<br />
nächsten Tag, dass man einen vorschnellen Entschluss gefällt hat. Dann<br />
bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal auf den Verhandlungspartner<br />
zuzugehen und die Entscheidung zu revidieren.<br />
Das Good-Cop/Bad-Cop-Spiel<br />
Beispiel:<br />
Sicher ist Ihnen diese Szene aus etlichen Fernsehkrimis bekannt: Bei<br />
den Er<strong>mit</strong>tlungen zu einem Mordfall verhören zwei Polizisten eine verdächtige<br />
Person. Ein Polizist lächelt freundlich, bietet eine Sitzgelegenheit<br />
und einen Kaffee an, während kurz darauf der andere Polizist den<br />
Verdächtigen verbal stark attackiert, auf den Tisch haut und ihm fast<br />
den Kaffee ins Gesicht schüttet. Während der freundliche Polizist sich<br />
vielleicht nach <strong>dem</strong> Befinden erkundigt, wählt der andere Polizist scharfe<br />
Worte, wird laut und unterstellt die Täterschaft.<br />
Diese Szene beschreibt die Good-Cop/Bad-Cop-Technik. In Verhandlungen<br />
funktioniert dieses Manöver ähnlich. Stellen Sie sich vor, zwei<br />
Kollegen sitzen einem Geschäftspartner gegenüber. Der eine gibt sich<br />
freundlich und ruhig. Er stellt lösungsorientierte Fragen, wirft mögliche<br />
Optionen ein und hinterfragt viel. Während er das tut, wartet der<br />
andere die Antwort des Geschäftspartners ab und wirft dann lautstark<br />
Totschlagargumente (vgl. Kapitel 4: »Reagieren auf Totschlagphrasen«)<br />
dazwischen, beruft sich auf das Vertragsrecht oder droht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Abbruch<br />
der Verhandlungen. Emotional zeigt er sich aufgebracht, steht<br />
vom Tisch auf oder verlässt zeitweise sogar den Raum.<br />
Was bewirkt das psychologisch? Der Kunde erlebt ein Wechselbad<br />
der Gefühle. Gerade noch entspannt er sich, da erwischt es ihn wieder<br />
kalt. In diesem emotionalen Wirrwarr ist es schwer, klar zu denken.<br />
191
Wenn ich in meinem Seminar die Teilnehmer danach frage, was sie in<br />
einer solchen Verhandlungssituation tun könnten, kommt zu 99 Prozent<br />
die Antwort: Ich konzentriere mich auf den Freundlichen, dann kann ich<br />
die andere Person ignorieren. Doch genau das ist das Ziel! Den Mechanismus,<br />
der hier wirkt, bezeichnet man als Kontrasteffekt. Ein Teil<br />
Ihrer Energie geht in die Aufmerksamkeit für den unfreundlichen Part.<br />
Den freundlichen akzeptieren Sie im Gegensatz dazu als konstruktiven<br />
Gesprächspartner, er gewinnt also Ihr Vertrauen. Und jetzt geht es los:<br />
Alle Lösungen, die der »gute« Verhandlungspartner einstreut, werden<br />
Sie – vor <strong>dem</strong> unangenehmen Kontrast zu seinem störenden »bösen«<br />
Kollegen – automatisch als maximales Entgegenkommen interpretieren.<br />
Die Frage, ob darüber hinaus noch mehr möglich wäre, stellen<br />
Sie sich in diesem Moment gar nicht mehr. Unterbewusst ist man froh,<br />
überhaupt eine Lösung zu haben, und will die Verhandlung schnell zu<br />
Ende bringen, um den »bösen« Verhandlungspartner endlich loszuwerden.<br />
Wie können Sie nun darauf reagieren? Das hängt grundsätzlich davon<br />
ab, wie weit Sie das Spiel auffliegen lassen wollen. Eine professionelle<br />
und ruhige Antwort kann sein: »Bevor wir weitermachen, sollten Sie<br />
sich vielleicht erst einmal untereinander einig werden, was Sie wollen.«<br />
Wenn Sie die Taktik entlarven wollen, können Sie sagen: »Was ist das<br />
hier für ein Spiel? Ich schlage vor, wir bleiben professionell und lösungsorientiert<br />
und machen <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> nächsten Punkt auf unserer Agenda weiter.<br />
« Oder ganz direkt: »Ach, Sie sind hier der Gute und Sie der Böse?«<br />
Wer das Spiel durchschaut, <strong>dem</strong> fällt es leichter, die eigenen Emotionen<br />
zu kontrollieren und entspannt zu bleiben, also den Effekt, den die<br />
Technik erzielen möchte, zu eliminieren und durch ein inneres Lächeln<br />
zu ersetzen.<br />
In der Ruhe liegt die Kraft<br />
Tipp:<br />
Es gibt verschiedene Varianten des Good-Cop/Bad-Cop-Spiels. In Verhandlungen<br />
ist es nicht immer ratsam, das Gegenüber zu attackieren,<br />
daher findet man dort eher die Variante, dass statt des Geschäftspartners<br />
der (eingeweihte) Kollege attackiert wird, getreu <strong>dem</strong> Motto:<br />
»Das bekommen wir von der Geschäftsleitung nie genehmigt!« Oder:<br />
»Das muss ich neu durchrechnen. Mit den Margen arbeiten wir nicht,<br />
das weißt du doch!« Oder: »Das hast du schon zugesagt? Respekt,<br />
da lehnst du dich aber weit aus <strong>dem</strong> Fenster!« Unternehmen setzen<br />
manchmal ganze Abteilungen wie die Rechtsabteilung oder die Compliance-Abteilung<br />
als sogenannte »Dealbreaker« ein. Es lohnt sich,<br />
genauer hinzuschauen, ob es sich hierbei um die Wahrheit oder um<br />
eine Abwandlung der Good-Cop/Bad-Cop-Taktik handelt.<br />
192<br />
Beispiel:<br />
Einer meiner Coachees ist Einkäufer bei einer Firma. In seinen Händen<br />
liegt es, die Firma, für die er arbeitet, im Bereich der Digitalisierung auf<br />
<strong>dem</strong> neuesten Stand zu halten. Daher verhandelt er regelmäßig <strong>mit</strong><br />
potenziellen Zulieferern, die innovative technische Dienstleistungen<br />
anbieten. Für eine digitale Veränderung in der Buchhaltung, die seine<br />
Firma einführen wollte, war er schon eine Weile <strong>mit</strong> einem neuen Lieferanten<br />
im Gespräch, der ihm für sein Problem eine moderne digitale<br />
Lösung anbot. Schon nach den ersten Gesprächen war klar, dass man<br />
<strong>mit</strong> diesem Lieferanten zusammenarbeiten wollte, da sein Produkt sehr<br />
zielgerichtet auf die Firma angepasst werden konnte und der Lieferant<br />
da<strong>mit</strong> ein echtes Alleinstellungsmerkmal hatte. Die Gespräche zogen<br />
sich ein wenig hin, was bei einem Transaktionsvolumen von 250.000<br />
Euro nicht ungewöhnlich ist. Mein Coachee und sein Verhandlungs-<br />
193
partner hatten trotz<strong>dem</strong> einen guten persönlichen Draht zueinander. Irgendwann<br />
waren die Verhandlungen so weit fortgeschritten, dass man<br />
sich nur noch über die Vertragsbedingungen einigen musste. Zu diesem<br />
Gespräch zog jede Partei den eigenen Anwalt hinzu. Wie so oft, wenn<br />
zu einem späten Verhandlungszeitpunkt weitere Personen einbezogen<br />
werden müssen, veränderten sich dadurch die Stimmung und die Interessenlage.<br />
Im Telefonat <strong>mit</strong> den Anwälten ging es hoch her. Bei einigen<br />
Verhandlungspunkten, die für meinen Coachee vorher verhandelbar erschienen<br />
waren, stellte sich die gegnerische Partei plötzlich stur und<br />
unflexibel. Das Telefonat endete <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Ergebnis, dass der Anwalt<br />
der Zulieferer konsequent auf den Vertragsbedingungen bestand. Ein<br />
überraschendes und unbefriedigendes Ergebnis für meinen Coachee.<br />
Entsprechend aufgebracht war er nach diesem Telefonat. Doch sofort im<br />
Anschluss klingelte sein Telefon. Sein regelmäßiger Gesprächspartner<br />
war in der Leitung und versuchte, die Situation zu retten. Er sagte: »Ach,<br />
Mensch, dass sich diese Anwälte immer so streiten müssen. Ich denke,<br />
wir bekommen den Deal trotz<strong>dem</strong> hin, oder?« Mein Coachee war durch<br />
das vorherige Telefonat noch sehr brüskiert und in Rage. Im Eifer des<br />
Gefechts erwähnte er seinem regelmäßigen Gesprächspartner gegenüber<br />
etwas, das er besser für sich behalten hätte: In die Vertragsbedingungen<br />
hatte sich bereits ein Fehler eingeschlichen, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> ein Teil<br />
dieser Bedingungen ungültig geworden wäre. Und genau das sagte er<br />
ihm nun. Mit <strong>dem</strong> Ergebnis, dass die Vertragsbedingungen im nächsten<br />
Entwurf erneut zu seinen Ungunsten geändert wurden. Später sagte<br />
mein Coachee dazu: »Verdammt, hätte ich mich doch nicht verplappert.«<br />
Eine einfache und trotz<strong>dem</strong> sehr wirksame Taktik ist, ganz entspannt zu<br />
schweigen. Einer der größten Fehler in Gesprächen ist, Pausen nicht zuzulassen<br />
und stattdessen <strong>dem</strong> eigenen Drang, zu sprechen, zu folgen.<br />
Sofort nach einem so kräftigen Gespräch anzurufen, war ein geschickt<br />
gewählter Schachzug des Zulieferers. Bestimmt erkennen auch Sie hier<br />
194<br />
die Good-Cop/Bad-Cop-Methode wieder. In diesem Fall waren die Anwälte<br />
die »Bösen« und der regelmäßige Gesprächspartner der »Gute«,<br />
der versuchte, die positive Beziehung wiederherzustellen. In diesem<br />
Fall <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Erfolg, dass der Coachee <strong>dem</strong> freundlichen Verhandlungspartner<br />
vertraute und ihm gegenüber wichtige Informationen preisgab,<br />
die er besser für sich behalten hätte.<br />
Wie wäre wohl das Gespräch verlaufen, hätte mein Coachee zu der<br />
Frage einfach nur geschwiegen? Schweigen zu können, <strong>dem</strong>onstriert<br />
erstens, dass Sie Zeit haben und sich auch bei frechen Fragen nicht aufs<br />
Glatteis führen lassen. Zweitens sorgen Sie durch Ruhe und Selbstbewusstsein<br />
für Verunsicherung bei Ihrem Gesprächspartner. Natürlich<br />
können Sie Schweigesekunden nicht nur nach Fragen, sondern auch<br />
nach Aussagen Ihres Gesprächspartners anwenden. Da es für viele Menschen<br />
nicht leicht ist, in einem Gespräch einfach nichts zu sagen, kann<br />
man auch innerlich bis drei zählen. Wichtig ist, das Schweigen so lange<br />
auszuhalten, dass es als Pause erkannt wird. In persönlichen Gesprächen<br />
sollten Sie dabei den freundlichen und direkten Blickkontakt beibehalten.<br />
Da<strong>mit</strong> unterstreichen Sie Ihre Souveränität. Die Pausenzeit lässt<br />
sich gut dafür nutzen, das eigene weitere Vorgehen zu durchdenken. Anschließend<br />
können Sie entweder die Aussage oder Frage ganz bewusst<br />
ignorieren und weiter über Ihr Thema reden, oder – wenn Sie noch einen<br />
Schritt weitergehen möchten – dann zeigen Sie auch körpersprachlich,<br />
was Sie von der Aussage oder Frage halten, in<strong>dem</strong> Sie den Kopf schütteln<br />
oder sich an die Stirn greifen. Gehen Sie danach aber trotz<strong>dem</strong> wieder zu<br />
einem freundlichen Augenkontakt über und nehmen Sie den Gesprächsfaden<br />
wieder auf.<br />
Im obigen Beispiel wären weitere Möglichkeiten gewesen, das Telefonat<br />
zu verkürzen, es gar nicht zu führen oder auf einen späteren Termin<br />
zu verlegen, wenn die akut verärgerte Stimmung sich wieder beruhigt<br />
hat. Im weiteren Verlauf der Verhandlung verhielt sich mein Coachee<br />
dann anders.<br />
195
Folgebeispiel:<br />
Als die Verhandlungen sich dann wirklich <strong>dem</strong> Ende zuneigten, versuchte<br />
der Lieferant, erneut Druck aufzubauen, in<strong>dem</strong> er für die genannten<br />
Preise eine Frist setzte. Am 28. September argumentierte er da<strong>mit</strong>, dass<br />
sein Geschäftsjahr am 30. September ende und er daher nach <strong>dem</strong><br />
Stichtag, 1. Oktober, seine Konditionen anpassen müsse, er bis dahin<br />
aber aus internen Gründen die bisher genannten Sonderpreise gewähren<br />
könne. Dieses Mal aber fand mein Coachee die Kraft in der Ruhe.<br />
Er legte den Vertrag entspannt zur Seite und sagte, dass er sich nun<br />
auf jeden Fall die Zeit nehmen werde, alle Bedingungen noch einmal in<br />
Ruhe zu studieren und im Zweifel auch noch einmal die Anwälte einzuschalten.<br />
Geschickt drehte er nun den Spieß sogar noch um: Direkt unterschreiben<br />
werde er, wenn zwei Punkte der Vertragsbedingungen zu<br />
seinen Gunsten angepasst würden. Nun hatte er die Karten in der Hand<br />
und spielte sie gekonnt aus, in<strong>dem</strong> er den Druck, den sein Lieferant aufgebaut<br />
hatte, gegen diesen wendete. Die zwei Punkte wurden geändert,<br />
und am Abend des 30.Septembers waren die Verträge unterschrieben.<br />
Die Herzinfarkt-Taktik<br />
Beispiel:<br />
Wer schon einmal in einem Souk, einem traditionellen Basar in Marokko,<br />
Kairo oder Dubai, eingekauft hat, kennt die Situation. Man interessiert<br />
sich für einen Gegenstand, der vom Verkäufer zu einem exorbitanten<br />
Preis angeboten wird. Als gut informierter Tourist ist man gewarnt, da<br />
in sämtlichen Reiseführern über die Verhandlungstaktik der Verkäufer<br />
berichtet wird. Daher gibt man bei Interesse ein Gebot ab, das weit unter<br />
<strong>dem</strong> angebotenen Preis liegt. Was daraufhin folgt, ist ein Lehrstück<br />
für die Herzinfarkt-Taktik. Es wird nicht nur hin und her argumentiert,<br />
196<br />
sondern der Gesichtsausdruck des Souk-Verkäufers variiert von wütend<br />
bis zu Tode betrübt. Er wird laut, er wird persönlich und sagt Sätze wie:<br />
»Wollen Sie mich ruinieren? Wie soll ich bei diesem Preis Frau und Kinder<br />
ernähren?« – »Das ist das beste Produkt überhaupt, Sie beleidigen<br />
mich <strong>mit</strong> diesem Preis!«<br />
Im arabischen Raum entspricht diese Art der Verhandlung den normalen<br />
Gepflogenheiten, während diese Dramatik uns für geschäftliche<br />
Beziehungen sehr überzogen erscheint. Doch in milderer Form kommt<br />
sie auch bei uns ständig vor. Auch in Deutschland verhalten sich manche<br />
Menschen wie auf einem Basar. Jeder Verhandler kennt die folgende<br />
Szene. Der Verhandlungspartner greift sich erschrocken ans Herz:<br />
»Was, wie viel soll das kosten?« – »Habe ich richtig gehört, das ist Ihre<br />
Forderung?« Untermalt <strong>mit</strong> schauspielerischem Talent, weit aufgerissenen<br />
Augen und der richtigen Betonung, die ausdrückt: Das ist doch nicht<br />
Ihr Ernst, das geht ja weit über das zumutbare Maß hinaus!<br />
Natürlich macht dieses Verhalten etwas <strong>mit</strong> uns. Wörter erreichen<br />
den logischen Verstand, aber die Körpersprache signalisiert uns die<br />
massive Erschütterung und erreicht die Gefühlsebene. Und zeigt da<strong>mit</strong><br />
ganz klar: Die Grenze des guten Geschmacks ist überschritten. Niemals<br />
wird zu diesem Preis ein Geschäft stattfinden. Auf keinen Fall wird auf<br />
die genannte Forderung eingegangen werden. Jetzt heißt es cool bleiben<br />
und das Theater nicht so ernst nehmen. Ein klarer Augenkontakt,<br />
wie immer ein freundliches Lächeln, und <strong>mit</strong> ruhiger und fester Stimme<br />
bleiben Sie bei Ihrer Forderung und sagen: »Ja, so viel kostet das.«<br />
Oder: »Genau das ist mein Angebot.« Machen Sie danach eine Pause<br />
und warten Sie ab, was passiert. Legt Ihr Verhandlungspartner entsprechend<br />
nach, können Sie in hartnäckigen Fällen auch antworten: »Gerne<br />
erkläre ich Ihnen, wie sich dieser Preis zusammensetzt«, und dann sachlich<br />
argumentieren.<br />
197
Auch anderweitig ist die Herzinfarkt-Technik anwendbar. Eine Bekannte<br />
von mir wandte sie einmal bei folgen<strong>dem</strong> Fall an: Sie war Eigentümerin<br />
einer in die Jahre gekommenen Gewerbehalle. Nach <strong>dem</strong> Winter<br />
stellte sich heraus, dass die Klimaanlage des Objekts einen irreparablen<br />
Defekt hatte. Die Reparatur sollte rund 25.000 Euro kosten. Da aber<br />
bereits beschlossen war, die Gewerbehalle im Laufe der nächsten zwei<br />
Jahre abzureißen, wollte sie diese Summe nicht mehr investieren.<br />
Ihr Mieter allerdings hatte natürlich Anspruch auf klimatisierte Räume.<br />
Um den Einbau der Anlage zu umgehen, führte sie das Gespräch<br />
wie folgt. Mit aufgebrachter Stimme sagte sie <strong>dem</strong> Mieter: »Sie glauben<br />
nicht, was die für die Klimaanlage haben wollen! 25.000 Euro! Ist das<br />
nicht Wucher!?« Und die Reaktion des Mieters war empathisch, er sagte<br />
von sich aus sofort: »Ach, du Schreck, ja, das stimmt. Das ist zu teuer.<br />
Dafür brauchen Sie die Anlage für die zwei Jahre nicht mehr zu reparieren.«<br />
Nach nicht einmal zwei Minuten war das Verhandlungsthema<br />
erledigt. Natürlich hätte der Mieter Mietminderung dafür beanspruchen<br />
können, und als Joker hatte meine Bekannte dies auch in der Tasche.<br />
Aber er war so abgelenkt, dass er nicht einmal danach fragte.<br />
Auch dieses Beispiel zeigt uns gut, wie stark Entscheidungen auf der<br />
Gefühlsebene entstehen und wie schwer es ist, emotionslos zu reagieren,<br />
wenn die Herzinfarkt-Technik angewendet wird.<br />
Die Drama-Queen<br />
Beispiel:<br />
Erinnern Sie sich an John McEnroe? In den Achtzigerjahren dominierte er<br />
den Tennissport und stieg zur Nummer eins der Weltrangliste auf. Doch<br />
er war nicht nur für seine außergewöhnlichen Leistungen bekannt, auch<br />
seine emotionalen Ausbrüche auf <strong>dem</strong> Tennisplatz sind legendär. Lief<br />
198<br />
sein Spiel nicht gut, drosch er seinen Schläger bis zum Zerbrechen auf<br />
den Boden und beschimpfte jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Sein<br />
Zorn schien keine Grenzen zu kennen. Seine Phrase »You cannot be serious!«<br />
– auf Deutsch: »Das kann nicht euer Ernst sein!« – war berüchtigt.<br />
Für sein im noblen Tennissport völlig unangebrachtes Verhalten zahlte<br />
er auch die eine oder andere Strafe. Ein Nebeneffekt seiner Wutausbrüche<br />
war allerdings folgender: Wenn er seinen Emotionen Luft gemacht<br />
hatte, war er wieder gut drauf und seine Stimmung normal, aber die Position<br />
des Gegners hatte sich geändert. Durch die Pause hatte er seinem<br />
Gegner aufgezwungen, sein bisher erfolgreiches Spiel zu unterbrechen.<br />
Oft riss dadurch der Erfolgsfaden, und McEnroe konnte das Spiel zu seinen<br />
Gunsten drehen.<br />
Die Drama-Queen kann als die »Mutter aller Taktiken« bezeichnet werden.<br />
Jeder Mensch beherrscht es, sich zu zieren und zu winden, wenn<br />
seiner Meinung nach zu viel von ihm gefordert wird. Als Taktik benutzt,<br />
zielt diese Technik darauf ab, möglichst viel Staub aufzuwirbeln. Wie in<br />
einem Drama inszeniert sich die Drama-Queen emotional und ichbezogen,<br />
wehrt sich wie ein ausgebeutetes Opfer, meist <strong>mit</strong> lauter Stimme<br />
und starker Mimik und Gestik.<br />
Die Drama-Queen ist eine Schwester der Herzinfarkt-Technik. Sie<br />
funktioniert nach einem ähnlichen Muster. Während es bei der Herzinfarkt-Technik<br />
allerdings um wirklich zu verhandelnde Punkte geht, inszeniert<br />
die Drama-Queen Probleme, wo keine sind.<br />
In Verhandlungen bedeutet das, dass selbst um kleine Dinge oder<br />
Punkte, an denen das eigene Nachgeben eigentlich keinen Nachteil<br />
darstellt, hart gefeilscht wird. Der Trick besteht darin, dass so Nebenkriegsschauplätze<br />
eröffnet werden, wo eigentlich keine sind. Dadurch,<br />
dass aber über diese Punkte diskutiert wird, soll die andere Partei denken,<br />
dass es sich um einen sehr wichtigen Punkt handelt. Gibt die Drama-Queen<br />
dann an diesem Punkt nach, fühlt sich das für den Verhand-<br />
199
lungspartner wie ein Sieg an. Natürlich wird dieses Nachgeben aber<br />
beim nächsten Verhandlungspunkt ausgespielt.<br />
Auch diese Technik ist im normalen Verhalten mancher Menschen verwurzelt.<br />
Sie schenken einfach nichts weg und machen um alles, was man<br />
von ihnen will, viel Aufhebens. Auf Dauer ist das sehr unangenehm. Was<br />
können Sie tun? Bleiben Sie vorerst cool, formulieren Sie aber bestimmt<br />
und freundlich Ihr Anliegen als Auftrag. Bleibt Ihr Verhandlungspartner<br />
im Laufe Ihrer Geschäftsbeziehung bei seinem Drama-Queen-Gehabe,<br />
dann ist ein grundsätzliches Gespräch über die Zusammenarbeit fällig.<br />
Definieren Sie darin die beruflichen Absprachen und was von wem zu<br />
tun ist. Machen Sie auch klar, dass Sie bei Kleinigkeiten nicht weiterhin<br />
so viel Aufhebens zulassen werden, sondern flexibles Entgegenkommen<br />
erwarten. Lässt sich das Verhalten nicht abstellen, dann prüfen Sie,<br />
inwieweit Sie Kraft und Nerven in dieses Vorgehen investieren müssen.<br />
Möglicherweise ist es einfacher, sich einen Geschäftspartner zu suchen,<br />
der seine Energie auf das Ergebnis und nicht in das Drama lenkt.<br />
Eine höhere Instanz anrufen<br />
Beispiel:<br />
Stellen Sie sich vor, Sie wollen bei Ihrer Bank einen Aktienfonds kaufen.<br />
Wie bei solchen Fonds üblich, hat der von Ihnen gewünschte Fonds eine<br />
Kostenkomponente von 4 Prozent. Da Ihnen das zu teuer ist, diskutieren<br />
Sie <strong>mit</strong> Ihrem Bankberater darüber, dass Sie nur bereit seien, den Kauf<br />
abzuschließen, wenn er Ihnen bei den Kosten auf 2 Prozent entgegenkomme.<br />
Was wird passieren? Wenn Ihr Bankberater nicht sofort nachgeben<br />
möchte, wird er vielleicht die Karte »Höhere Instanz« ziehen und<br />
sagen: »Oh, da werde ich <strong>mit</strong> der Filialleitung reden müssen.« Und dies<br />
unabhängig davon, ob sein Kompetenzspielraum wirklich ausgeschöpft<br />
200<br />
ist oder nicht. Ob er dann Ihren Wunsch wirklich <strong>mit</strong> der Filialleitung<br />
bespricht oder nur kurz einen Kaffee trinken geht, können Sie nicht wissen.<br />
Nach einer angemessenen Zeit wird er zu Ihnen zurückkommen und<br />
Ihnen sagen, dass 2 Prozent leider nicht möglich seien, aber er für Sie<br />
bei der Filialleitung eine Reduktion des Ausgabeaufschlags auf 3 Prozent<br />
habe herausholen können.<br />
Was lernen Sie daraus? Immer, wenn eine höhere Instanz einbezogen<br />
wird, schließt der Gesprächspartner daraus, dass er über die Kompetenzen<br />
seines Verhandlungspartners hinaus Forderungen stellt und <strong>mit</strong> seinem<br />
Reduktionswunsch oberhalb der Normalität liegt. Gewährt die höhere<br />
Instanz nun einen Nachlass, wird <strong>dem</strong> Gesprächspartner dadurch<br />
signalisiert, dass dieser Nachlass das maximale Entgegenkommen ist.<br />
Eine höhere Instanz kann sowohl ein Teamleiter, Geschäftsführer oder<br />
Vorstand wie auch eine andere Abteilung sein. In Verhandlungen hören<br />
Sie vielleicht Sätze wie: »Was Sie fordern, geht über meinen persönlichen<br />
Spielraum hinaus. Da muss ich erst <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Vorstand sprechen.<br />
Ich rufe Sie dann an, wenn ich mehr weiß.« Klar ist: In größeren Verhandlungen<br />
als <strong>dem</strong> obigen Beispiel müssen eventuell weitere Personen<br />
tatsächlich noch grünes Licht geben, doch oft genug ist auch das<br />
nur ein strategischer Schachzug.<br />
Schützen können Sie sich davor, in<strong>dem</strong> Sie bereits zum Start der Verhandlung<br />
fragen, ob der andere zu den zu verhandelnden Themen in<br />
vollem Umfang entscheidungsberechtigt ist. Dann wissen Sie über die<br />
Kompetenzen Bescheid und können Ihre Strategie darauf aufbauen. Verschanzt<br />
Ihr Gesprächspartner sich hinter einer höheren Instanz, dann<br />
ist es sinnvoll, zu klären, wie er die Sache beurteilt. Schließlich wird er<br />
gegenüber seinem Vorgesetzten das Thema vertreten. Daher sollten Sie<br />
herausfinden, ob er persönlich ein positives Votum abgeben wird. Dazu<br />
passt zum Beispiel die Frage: »Verstehe ich Sie richtig: Sie persönlich<br />
finden das, was wir besprochen haben, gut und fair?« Bekommen Sie<br />
201
auf diese Frage Zustimmung, dann können Sie weiter fragen: »Und folgt<br />
Ihre Geschäftsführung normalerweise Ihren Vorschlägen?« Oder: »Und<br />
aus Ihrer Erfahrung heraus: Ist das eine Lösung, die die Geschäftsführung<br />
auch <strong>mit</strong>tragen wird?« Nun wird es für Ihr Gegenüber schwierig,<br />
später einen Rückzieher zu machen.<br />
Wenn Sie noch einen Schritt weitergehen wollen, dann achten Sie<br />
doch in solchen Fällen einmal darauf, ob in diesem Zusammenhang von<br />
einer Person oder von einer Personengruppe, also von einem »Chef«<br />
oder von »der Geschäftsführung«, gesprochen wird. Wenn nur von einer<br />
Person gesprochen wird und Ihr Verhandlungsthema es erlaubt, können<br />
Sie den Prozess auch abkürzen, in<strong>dem</strong> Sie anbieten, Ihren Verhandlungspartner<br />
für ein Gespräch <strong>mit</strong> seinem Chef kurz alleine zu lassen,<br />
da<strong>mit</strong> das Thema sofort geklärt werden kann. Das spart Zeit.<br />
Tipp:<br />
Wenn Sie selbst die Methode der höheren Instanz in Ihren Verhandlungen<br />
anwenden, seien Sie doppelt vorsichtig. Was schließt Ihr Gegenüber,<br />
wenn Sie immer Ihren Vorgesetzten fragen müssen? Richtig, dass<br />
Sie selbst nicht die alleinige Entscheidungsbefugnis haben. Wundern<br />
Sie sich also nicht, wenn Ihr Kunde irgendwann nur noch <strong>mit</strong> Ihrem<br />
Vorgesetzten sprechen möchte. Ist Ihnen darüber hinaus schon aufgefallen,<br />
dass die Vorgesetzten dann oft noch einmal etwas nachlassen?<br />
Warum eigentlich? Viel interessanter wird es, wenn der Vorgesetzte<br />
dazukommt und dann so etwas sagt wie: »Dieses Angebot haben Sie<br />
gemacht, Frau Schneider? Das machen wir doch sonst nie. Darüber<br />
reden wir später noch mal in Ruhe. Aber gut, Herr Geschäftspartner,<br />
nach<strong>dem</strong> meine Mitarbeiterin Ihnen das angeboten hat, stehen wir natürlich<br />
zu unserem Wort. Das ist unser bestes Angebot!« Jetzt weiß Ihr<br />
Geschäftspartner: Frau Schneider hat wirklich alle Spielräume genutzt<br />
und für mich das Beste herausgeholt! Sie ist meine Ansprechpartnerin!<br />
202<br />
Einige Einschüchterungstaktiken<br />
Die Taktik der Einschüchterung hat viele Gesichter. Stellen Sie sich zum<br />
Beispiel vor, Sie sitzen vor <strong>dem</strong> Büro Ihres Geschäftspartners, Ihr Termin<br />
ist für 14 Uhr angesetzt. Zwanzig Minuten vergehen, und Sie warten<br />
noch immer. Wer hat gerade die Macht? Nach<strong>dem</strong> die Sekretärin Sie<br />
endlich hineinlässt, sieht Ihr Geschäftspartner Sie nicht an, arbeitet weiter<br />
und sagt zu seiner Assistenz: »In den nächsten zehn Minuten möchte<br />
ich nicht gestört werden.« Wie fühlen Sie sich in diesem Moment? Die<br />
meisten Menschen beantworten die Frage da<strong>mit</strong>, dass sie sich unterlegen<br />
fühlen, denn in fremden Räumlichkeiten liegt es in der Hand des<br />
Hausherrn, über Zeit, Ort und Durchführung zu bestimmen. All dies sind<br />
klare Versuche der Machtausübung. Jemanden warten zu lassen, kann<br />
eine Taktik sein, die mürbemacht. Viel deutlicher, als Worte es sagen<br />
können, signalisiert Ihr Gesprächspartner: Ich bestimme, wann und wie<br />
lange wir <strong>mit</strong>einander reden. Dies ist sicherlich kein wertschätzender<br />
Gesprächseinstieg, aber er wird Wirkung zeigen.<br />
Sie sind nun gefordert, sich auf die Situation einzustellen. Auch wenn<br />
Sie sich angegriffen fühlen: Durch eine Machtgeste Ihrerseits kämen Sie<br />
nur in einen Schlagabtausch, dessen unrühmliches Ende vorhersehbar<br />
ist. Eine professionelle Reaktion ist, freundlich zu bleiben. Klären Sie als<br />
Erstes den zur Verfügung stehenden Zeitraum, zum Beispiel <strong>mit</strong> der Bemerkung,<br />
dass Sie nun doch etwas mehr Zeit haben und für dieses wichtige<br />
Thema 20 Minuten Zeit benötigen. Schließen Sie <strong>mit</strong> der Frage ab:<br />
»Passt Ihnen das? Haben wir die 20 Minuten Zeit, die wir benötigen?«<br />
Sprechen Sie die zehn Minuten, die Ihr Verhandlungspartner seiner Sekretärin<br />
gegenüber erwähnt hat, nicht noch einmal an, überhören Sie<br />
das einfach und nehmen Sie durch Ihren Gegenvorschlag die Struktur<br />
des Gespräches wieder in Ihre Hand.<br />
Ein weiteres Gesicht dieser Taktik ist, <strong>dem</strong> Gast einen unbequemen<br />
Platz zuzuweisen. Sitzt der Verhandlungspartner selbst an seinem<br />
203
Schreibtisch, kann das ein wesentlich niedrigerer Stuhl oder Sessel<br />
sein, der den Kontrahenten in eine unvorteilhafte Sitzhaltung bringt.<br />
Ebenfalls beliebt ist, den Besucher so zu setzen, dass ihm die Sonne<br />
durch das Fenster ins Gesicht scheint. Dadurch wird er nicht nur geblendet,<br />
was natürlich unangenehm ist, sondern es erschwert auch den Blick<br />
in das Gesicht des Verhandlungspartners, sodass alle Informationen,<br />
die normalerweise aus der Mimik abgeleitet werden können, fehlen. Dadurch<br />
wird es schwieriger, die emotionale Komponente des Gesprächs<br />
zu erfassen.<br />
Eine solche Situation können Sie auflösen, in<strong>dem</strong> Sie Ihre unkomfortable<br />
Sitzposition nicht tolerieren, sondern ansprechen. Sorgen Sie<br />
immer gut für sich. Setzen Sie sich in Verhandlungen so, dass Sie sich<br />
wohlfühlen. Ja, vielleicht weist man Ihnen einen unbequemen Platz<br />
zu, aber es steht nirgendwo geschrieben, dass Sie diesen auch annehmen<br />
müssen. Haben Sie den Mut, im Sinne einer erfolgreichen<br />
Verhandlung die Situation anzusprechen: »Wissen Sie, wenn ich hier<br />
sitze, dann blendet mich die Sonne. In unserer Verhandlung würde<br />
ich Ihnen gerne ins Gesicht sehen können. Ist es in Ordnung für Sie,<br />
wenn ich mich auf einen anderen Platz setze?« Die Frage ist dabei als<br />
rhetorische Frage zu verstehen. Stellen Sie diese, während Sie bereits<br />
auf <strong>dem</strong> Weg zu Ihrem neuen, besseren Sitzplatz sind und da<strong>mit</strong> Fakten<br />
schaffen.<br />
Ebenfalls eine Machtgeste ist das »Sekretärinnenspiel«. Wer eine<br />
Sekretärin hat, zeigt schon da<strong>mit</strong> seinen Status. Oft gehen diese Geschäftspartner<br />
nicht selbst ans Telefon, sondern die Sekretärin oder<br />
Assistentin übernimmt diesen Job. Und gerade in wichtigen Angelegenheiten<br />
wird die Assistentin Sie nicht spontan zu Ihrem Gesprächspartner<br />
durchstellen, sondern es wird immer ein Rückruf erfolgen. So wird der<br />
Zeitpunkt des Telefonates vom Geschäftspartner bestimmt, das ist der<br />
symbolische Anteil. Gleichzeitig ermöglicht dies Ihrem Geschäftspartner,<br />
bestens vorbereitet und in Ruhe den Telefontermin wahrzunehmen.<br />
204<br />
In der Folge sind Sie derjenige, der gezwungen ist, auf einen Rückruf zu<br />
warten, müssen vielleicht bei Eingang des Rückrufs eine andere wichtige<br />
Besprechung unterbrechen, um spontan für das Gespräch zur Verfügung<br />
zu stehen. Konfrontiert <strong>mit</strong> dieser Situation, können Sie der Sekretärin<br />
ein Zeitfenster nennen, in <strong>dem</strong> Sie weiterhin an Ihrem normalen Arbeitsplatz,<br />
also in Ihrer vollen Präsenz, erreichbar sind. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist, das Sekretärinnenspiel bei Ihrem Verhandlungspartner anzusprechen<br />
und sich seine Durchwahl geben zu lassen. Alternativ spielen<br />
Sie dieses Spiel einfach nicht <strong>mit</strong> und stehen bei Rückrufen ebenfalls<br />
nicht sofort für ein Gespräch bereit.<br />
Der strategische Rückzug<br />
Beispiel:<br />
Ein Bekannter von mir ist ein harter Verhandler. Mit allen Wassern gewaschen,<br />
versucht er, wo es nur geht, zu pokern und zu feilschen. Nach<br />
einem Autokauf erzählte er mir die folgende Geschichte: Wie es so seine<br />
Art war, hatte er bei den Verhandlungen den Verkäufer des Autohauses<br />
in mehreren Gesprächen sowohl von seinem Wunsch, einen bestimmten<br />
Wagen zu kaufen, überzeugt wie auch davon, dass er nichts unversucht<br />
lassen werde, den Preis zu drücken. In der letzten Verhandlungsrunde, er<br />
wollte gerade dazu ansetzen, noch ein zusätzliches Geschenk aus der im<br />
Verkaufsraum stehenden Vitrine auszuhandeln, stand ihm der Verkäufer<br />
<strong>mit</strong> einem niedergeschlagenen Gesicht gegenüber. Er forderte meinen<br />
Freund auf, sich zu setzen, und erklärte ihm dann Folgendes: »Es ist mir<br />
wirklich peinlich, aber ich habe noch einmal Ihr Auto durchkalkuliert. Leider<br />
ist mir an einer Position ein Fehler unterlaufen, wodurch mein letztes<br />
Angebot schon zu niedrig war. Da<strong>mit</strong> ist Ihr Kaufpreis nun niedriger, als<br />
ich eigentlich gehen darf.« Nach einer Schweigepause machte er weiter<br />
205
und sagte: »Aber ich habe das bereits intern besprochen, und ich stehe<br />
zu meinem Wort. Für den genannten Preis können Sie den Wagen<br />
haben.« Mein Bekannter kaufte das Auto, ohne weiterzuverhandeln, und<br />
er erzählte mir später: »Ich frage mich im Nachhinein, war es ein Vorwand<br />
oder hat er sich wirklich verrechnet? Egal, wie die Wahrheit aussieht, als<br />
Vorgehen bei Verhandlungen ist das genial. Diese Taktik merke ich mir!«<br />
Ob der Verkäufer sich wirklich verrechnet hat, wissen wir bis heute nicht.<br />
Doch die Geschichte zeigt, wie man Grenzen setzen kann, in<strong>dem</strong> man<br />
die Technik »Strategischer Rückzug« bewusst verwendet. Denn erkennt<br />
er die Technik nicht, führt sie beim Käufer entweder zu einem schlechten<br />
Gewissen, sodass er nicht weiterverhandeln wird. Wenn der Verkäufer<br />
einem schon zu weit entgegengekommen ist, dann erübrigt sich schließlich<br />
jede Frage nach einem weiteren Rabatt. Oder der Käufer ist stolz auf<br />
seine Verhandlungstaktik, <strong>mit</strong> der er offensichtlich den Verkäufer dazu<br />
gebracht hat, mehr Rabatt zu geben als üblich. Und wenn das erreicht<br />
ist, dann ist auch das Maximalziel erreicht.<br />
Natürlich ist das keine Methode, die man als Verkäufer wieder und<br />
wieder anwenden kann. Schließlich möchte man den eigenen Ruf nicht<br />
gefährden, und im Normalfall sollte ein Verkäufer wissen, wie er Preise<br />
kalkuliert, und sie auch einhalten. Doch auch hier gilt: So etwas passiert<br />
im Geschäftsleben manchmal. Ganz mutige Verhandler stehen vielleicht<br />
nicht einmal zu ihrem letzten Preis, sondern ziehen sich – ohne einen<br />
Fehler einzugestehen – von ihm zurück und bieten wieder einen höheren<br />
Preis an.<br />
Wenn Sie hart weiterverhandeln oder prüfen wollen, ob wirklich das<br />
letzte Wort gesprochen ist, dann können Sie darauf freundlich lächelnd<br />
antworten: »Das ist prima, dass Sie zu Ihrem Wort stehen, doch ich<br />
brauche einen Preis von …« Oder auch: »Das ist sehr schade. Meine Vorstellung<br />
ist, dass wir uns bei … Euro treffen. Welche Parameter können<br />
wir verändern, da<strong>mit</strong> wir meinen Preis hinbekommen?«<br />
206<br />
Dann eben nicht<br />
Beispiel:<br />
Vor Kurzem suchten mein Verlobter und ich eine schöne Event-Location<br />
für unsere Hochzeitsfeier. Nach<strong>dem</strong> wir uns einige Hotels und Veranstaltungsräume<br />
angesehen hatten, waren wir endlich fündig geworden.<br />
Und als wir im Hotel unserer Wahl noch einmal zu Abend gegessen hatten,<br />
stand die Entscheidung fest. Daraufhin wollte ich so schnell wie<br />
möglich die Details klären und in die weitere Planung einsteigen. Leider<br />
war es Samstagabend, und das Hotel nebst Restaurant war sehr gut besucht.<br />
Trotz<strong>dem</strong> ging ich zur Rezeption, um mich bezüglich eines möglichen<br />
Termins für unsere Hochzeitsfeier zu erkundigen. Nach<strong>dem</strong> ich<br />
der Dame am Empfang meine Begeisterung geschildert hatte, wollte sie<br />
mich zuerst auf ein Telefonat in der nächsten Woche vertrösten. Sicher<br />
sah sie mir zu diesem Zeitpunkt an, wie sehr ich genau dieses eine Hotel<br />
buchen wollte. Aus Erfahrung weiß ich aber, dass man solche Terminabsprachen<br />
besser persönlich macht. Außer<strong>dem</strong> wollte ich das Hotel und –<br />
zugegeben – auch seine Servicequalitäten testen. Also sagte ich zu ihr:<br />
»Wir wollten eigentlich bei Ihnen unsere Hochzeitsfeier ausrichten, aber<br />
unter den Umständen lasse ich das dann wohl besser.« Nach fünf Minuten<br />
erschien die Dame der Event-Abteilung, um <strong>mit</strong> mir Terminalternativen<br />
zu erörtern und ein persönliches Kennenlerngespräch zu führen.<br />
»Dann eben nicht« ist eine strategische Rückzugstaktik. In meiner Euphorie,<br />
endlich den richtigen Ort für die Hochzeit gefunden zu haben,<br />
war ich anfänglich in die Begeisterungsfalle getappt und hatte dadurch<br />
meine Verhandlungsposition geschwächt. Doch insbesondere wenn<br />
der andere sich bereits in Sicherheit wiegt, ist der Überraschungseffekt<br />
groß, wenn plötzlich die Drohung im Raum steht, das schon gewitterte<br />
Geschäft wieder zu verlieren.<br />
207
Ich habe bei diesem Vorgehen immer eine Zeichentrickgeschichte<br />
von Tick, Trick und Track im Kopf. Tick, Trick und Track sind in ihrem<br />
Haus, und der böse Wolf versucht, in das Haus einzubrechen. Er holt<br />
sich einen großen Baumstamm und rennt da<strong>mit</strong> wieder und wieder gegen<br />
die Haustür der drei. Als er erneut Anlauf nimmt, öffnen Tick, Trick<br />
und Track im gleichen Moment die Haustür und ebenso auf der gegenüberliegenden<br />
Seite die Hintertür. Auf diese Weise rennt der böse Wolf<br />
<strong>mit</strong> voller Wucht in das Haus und sofort wieder hinaus.<br />
Ähnlich ist der Überraschungseffekt bei dieser Methode. Der andere<br />
wähnt sich am Ziel, und just in diesem Moment nimmt man ihm alles<br />
wieder weg. Da Menschen ungern wieder abgeben, was sie einmal besessen<br />
haben, lässt sich da<strong>mit</strong> die eigene Verhandlungsposition schnell<br />
wieder aufwerten.<br />
Im Leben des anderen wichtige Menschen oder Dinge einbeziehen<br />
208<br />
Beispiel:<br />
Normalerweise sind die Rollen in der Automobilindustrie klar verteilt.<br />
Die großen Automobilkonzerne bestellen die nötigen Teile für den Bau<br />
ihrer Wagen bei Zulieferern. Die Großkonzerne verfügen dabei über eine<br />
große Marktmacht und sind dafür bekannt, <strong>mit</strong> Zulieferern nicht gerade<br />
zimperlich umzugehen, sprich: Preise und Abnahmebestimmungen<br />
weitgehend zu diktieren. Umso außergewöhnlicher war, was im Jahr<br />
2016 passierte, als VW eine Entwicklungskooperation <strong>mit</strong> zwei seiner<br />
Zulieferer aus der Prevent-Gruppe beendete, denn in diesem Fall bestanden<br />
die Zulieferer auf der Zahlung einer Schadensersatzsumme von<br />
58 Millionen Euro für die einseitig beendete Entwicklungskooperation.<br />
VW erklärte diese Forderungen für nicht »nachvollziehbar«, teils »dubios«<br />
und »sittenwidrig« und war nicht zu Verhandlungen über Schadensersatz<br />
bereit. Die Zulieferfirmen stellten daraufhin die Lieferung von Getriebeteilen<br />
ein. Da Automobilhersteller just in time produzieren, also<br />
nicht über große Lagerbestände für solche Teile verfügen, sind sie auf<br />
die zeitgenaue Lieferung angewiesen. Als Folge stand die Produktion in<br />
sechs VW-Werken still. Der durch die selbst verschuldete Abgasaffäre<br />
ohnehin schwer angeschlagene Konzern musste in sechs betroffenen<br />
Werken insgesamt mehr als 20.000 Beschäftigte in Zwangsurlaub schicken.<br />
Es war ein riskantes Pokerspiel der Prevent-Gruppe, aber der<br />
Druck auf den Konzern war dadurch so groß, dass dieser an den Verhandlungstisch<br />
zurückkehrte. Denn Opfer des Konfliktes war nun nicht<br />
mehr ausschließlich der VW-Konzern, den jeder Tag ohne Produktion<br />
teuer zu stehen kam, sondern auch die 20.000 Arbeitnehmer, auf deren<br />
Rücken der Konflikt ausgetragen wurde. Man kann sicher darüber streiten,<br />
ob in unserem Rechtsstaat der Weg der Klärung nicht besser über<br />
das Gericht hätte gehen sollen, doch wurden die Verhandlungen nach<br />
diesem Vorgehen sehr schnell wieder aufgenommen, und es gab eine<br />
Einigung der beiden Parteien, über die hier leider nicht berichtet werden<br />
kann, da darüber Stillschweigen vereinbart wurde.<br />
Das ist ein interessantes Beispiel aus der aktuellen deutschen Wirtschaftsgeschichte,<br />
das <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kampf von David gegen Goliath verglichen<br />
werden kann. Auch ein scheinbar unterlegener Partner kann die<br />
Oberhand gewinnen, wenn er wichtige Dinge im Leben des anderen in<br />
die Verhandlungen einbezieht. Ebenso hat David sich von der körperlichen<br />
Übermacht des Goliaths nicht einschüchtern lassen, sondern<br />
einen Weg gefunden, den Hünen zu besiegen.<br />
Wenn sich zwei ungleich starke Kontrahenten im Kampf am Verhandlungstisch<br />
befinden, kann die Methode »Im Leben des anderen wichtige<br />
Menschen oder Dinge einbeziehen« in zwei Ausprägungen angewendet<br />
werden. Als Erstes kann man auf den Schwachpunkt des Gegners zielen.<br />
209
Das kann – wie im Fall VW – die bedarfssynchrone Lieferung sein. Jeder<br />
Tag kostete VW dadurch nicht nur richtig Geld, sondern auch die Mitarbeiter<br />
hatten die Konsequenzen des Vorgehens des Konzerns zu tragen.<br />
Man kann sich vielleicht vorstellen, wie gereizt die Stimmung unter<br />
der Belegschaft war, als sie in Zwangsurlaub geschickt wurde, oder welche<br />
Gespräche die Mitarbeiter konzernweit dazu <strong>mit</strong> ihren Vorgesetzten<br />
führten. Auch dieser immaterielle Schaden ist nicht zu vernachlässigen.<br />
Da diese Verhandlungstaktik außerhalb des eigentlichen Spielfeldes<br />
stattfindet, also auch unbeteiligte Dritte betrifft, kann sie sehr gefährlich<br />
sein. Man führt die andere Partei da<strong>mit</strong> vor, im Fall von VW sogar<br />
öffentlichkeitswirksam über die Presse vor der ganzen Welt. Wenn Sie<br />
diese Taktik anwenden möchten, überlegen Sie sich in je<strong>dem</strong> Fall gut,<br />
welche Konsequenzen Ihr Handeln nach sich zieht und inwieweit Sie<br />
weiterhin auf das Wohlwollen des Geschäftspartners angewiesen sind,<br />
denn es kann danach schwer werden, das beschädigte Vertrauen wieder<br />
aufzubauen.<br />
In der zweiten Spielart kann die Methode »Beziehe wichtige Menschen<br />
im Leben des anderen <strong>mit</strong> ein« genutzt werden, in<strong>dem</strong> dritte<br />
Personen, zum Beispiel Meinungsbildner, auf die eigene Seite gezogen<br />
werden, um den Druck zu erhöhen. Dieses Vorgehen kennen wir alle<br />
seit unserer Kindheit: Wenn die Mutter zu <strong>dem</strong> anvisierten Discobesuch<br />
nicht Ja sagt, dann wird eben der Vater gefragt. Vielleicht erlaubt er den<br />
Besuch, und schon sind wir gefühlt in der Mehrheit und haben unsere<br />
Verhandlungsposition gestärkt. In Unternehmen wird bei unterschiedlichen<br />
Meinungen gerne von einer Partei der nächsthöhere Vorgesetzte<br />
vorab von den eigenen Argumenten überzeugt und da<strong>mit</strong> in eine Richtung<br />
gedrängt.<br />
210<br />
Give-aways als Rabattersatz<br />
Beispiel:<br />
An den ibizenkischen Stränden haben sich in den letzten Jahren kleine<br />
Strandboutiquen etabliert, in denen es ausgefallene Mode für Strand<br />
und Stadt zu kaufen gibt. In meinem letzten Urlaub dort wurde ich Zeugin<br />
folgender Verhandlung: Die Kundin vor mir interessierte sich für<br />
eine Fellweste, die 100 Euro kosten sollte. Sie drehte und wendete sich<br />
<strong>mit</strong> dieser Weste vor <strong>dem</strong> in der Strandboutique angebrachten Spiegel<br />
und mäkelte ein wenig an der aus ihrer Sicht schlechten Verarbeitung<br />
herum, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Irgendwann sagte sie:<br />
»Für 80 Euro nehme ich die Weste.« Der Verkäufer gab ihrem Rabattwunsch<br />
zuerst nicht nach. Nach<strong>dem</strong> die Kundin ebenfalls hart blieb und<br />
ihr Angebot von 80 Euro erneuerte, sagte er: »Preislich entgegenkommen<br />
kann ich Ihnen nicht, doch ich gebe Ihnen gerne noch eine Baseballkappe<br />
dazu. Die hat ebenfalls einen Wert von 20 Euro.«<br />
Das Prinzip »Give-aways als Ersatz für Rabatt« nutzt aus, dass Waren<br />
oder Dienstleistungen im Einkauf weniger kosten als im Verkauf. Die<br />
Baseballkappe kostet unseren Strandverkäufer im Einkauf vielleicht<br />
3 Euro. Ein Käufer müsste dafür aber 20 Euro bezahlen. Unser Strandverkäufer<br />
nimmt also einen kleinen entgangenen Gewinn für die Baseballkappe<br />
in Kauf, doch unterm Strich hat er für die Fellweste nur 3 Euro<br />
Rabatt gegeben und 100 Euro Umsatz gemacht. Die Käuferin wiederum<br />
hat zwar nicht weniger bezahlt, aber doch einen Sieg in der Verhandlung<br />
errungen, in<strong>dem</strong> sie wenigstens die Baseballkappe für sich heraushandeln<br />
konnte, und im Eifer des Gefechts hat sie offensichtlich gar nicht<br />
gemerkt, dass die Kappe den Verkäufer keine 20 Euro gekostet hat. Auf<br />
jeden Fall wird sie die Strandboutique <strong>mit</strong> einem besseren Gefühl verlassen<br />
haben, als wenn sie gar keinen Rabatt erhalten hätte.<br />
211
In jeder Branche gibt es Give-aways, die als Rabattersatz eingesetzt<br />
werden können. In Hotels ist dies das kostenlose Upgrade auf ein besseres<br />
Zimmer oder ein kostenloses Frühstück. Steht das im Upgrade<br />
enthaltene bessere Zimmer ohnehin leer, kostet es den Hotelier nur den<br />
entgangenen Gewinn. Und ein zusätzlicher Esser am Frühstücksbuffet<br />
wird nicht weiter auffallen. Im Autohaus wäre es die zusätzliche Inspektion,<br />
die den Autobesitzer im Originalpreis wesentlich mehr kosten würde<br />
als das Autohaus.<br />
Es ist daher sinnvoll, für das eigene Business eine Auswahl an möglichen<br />
Give-aways parat zu haben. Es gibt immer Möglichkeiten, <strong>dem</strong><br />
Verhandlungspartner entgegenzukommen oder ihm etwas zu schenken,<br />
das einen selbst wenig kostet.<br />
Eine im Jahr 2002 publizierte Studie von David Strohmetz von der<br />
Monmouth University zeigt eindrucksvoll, welche Wirkung es hat, Menschen<br />
etwas zu schenken, das einen selbst wenig kostet. Er untersuchte<br />
in dieser Studie, ob Menschen bereit waren, höhere Trinkgelder zu geben,<br />
wenn sie zu ihrem Kaffee Pralinen serviert bekamen. Das Ergebnis<br />
der Studie zeigt, dass eine kostenlos zum Kaffee dazugelegte Praline<br />
eine Trinkgelderhöhung von 3,3 Prozent brachte und das Geld der Kunden<br />
noch lockerer saß, wenn statt einer Praline zwei Pralinen den Kaffee<br />
begleiteten. Die Erhöhung des Trinkgeldes stieg dann auf 14,1 Prozent<br />
an. Richtig interessant wurde es aber dann, wenn die Kunden den Eindruck<br />
hatten, dass sie etwas erhielten, das nicht jeder angeboten bekam,<br />
sie also das entscheidende Quäntchen mehr bekamen. Strohmetz<br />
baute den Versuch so auf, dass er den Besuchern des Cafés zunächst<br />
eine Praline zu ihrem Kaffee dazulegte, der Kellner sich dann besann<br />
und eine zweite Praline nachlegte, sodass es aussah, als hätte er sich<br />
individuell in diesem Moment dazu entschieden, etwas mehr als üblich<br />
zu verteilen. Das Ergebnis: In dieser Situation stieg das Trinkgeld um 23<br />
Prozent an. Wie schon das Sprichwort sagt: Kleine Geschenke erhalten<br />
die Freundschaft.<br />
212<br />
Ein kriminelles Beispiel: Spiel <strong>mit</strong> der Wahrnehmung<br />
Als letztes Beispiel möchte ich Ihnen eine Manipulation der gemeinsten<br />
Sorte vorstellen, bei der verschiedene Tricks kombiniert werden. Hier<br />
haben wir es <strong>mit</strong> einer klaren Betrugsabsicht und krimineller Energie<br />
zu tun. Ich bringe das Beispiel, um zu zeigen, wie die Kombination von<br />
Tricks wirken kann und wie schnell man darauf hereinfällt, wenn man<br />
nicht sehr, sehr vorsichtig ist. Dieses Beispiel ist unter der Überschrift<br />
»Schützen Sie sich davor!« zu verstehen. Die Nachahmung wird absolut<br />
nicht empfohlen, da es unseren Werten und ethischen Ansichten widerspricht.<br />
Beispiel:<br />
Auch im besten Haushalt kommt es einmal vor, dass ein Abfluss verstopft<br />
ist. Und so passierte es mir, dass in unserem Haus im Küchenabfluss<br />
das Wasser immer wieder fünf Zentimeter hoch in der Spüle stehen<br />
blieb. Zu diesem Zeitpunkt war meine Mutter im Krankenhaus, das<br />
nächste Seminar stand kurz bevor, und mein Mann lag krank im Bett.<br />
Mit anderen Worten: Ich hatte weder Zeit noch Lust, mich um den Abfluss<br />
zu kümmern. Das Ding sollte einfach funktionieren. Um das Problem<br />
zu beheben, suchte ich mir im Internet einen Anbieter aus meinem<br />
Wohnort aus, da<strong>mit</strong> ich die heimischen Handwerker unterstützen<br />
konnte, und machte einen Termin aus. Knapp zwei Stunden später war<br />
der Anbieter da. Der junge Mann erklärte mir, dass er nun den Abfluss<br />
befreien werde. Er schlug noch eine Grundreinigung der Leitung vor, um<br />
sicherzustellen, dass das so schnell nicht wieder passierte. Auf seine<br />
Frage, wann ich das letzte Mal eine Grundreinigung habe machen lassen,<br />
fiel mir zwar noch eine Nachfrage ein: »Ist das nötig?« Aus seiner<br />
Sicht auf jeden Fall! Er fragte, ob ich wisse, wie viel das koste. Ich ließ<br />
es mir gerne erklären, und er gab mir die folgenden Preise an: 40 Euro<br />
213
214<br />
als Grundpreis, 25,50 Euro für die Beseitigung der Verstopfung und<br />
22 Euro für die Grundreinigung inklusive einer Garantie für die nächsten<br />
drei Jahre. Während ich die Zahlen im Kopf überschlug, fügte er hinzu:<br />
»Und die Mehrwertsteuer kommt dann noch drauf.« Ich kam auf knapp<br />
über 100 Euro inklusive Mehrwertsteuer und fand diesen Preis genauso<br />
fair wie die Information, dass ich an die Mehrwertsteuer denken solle.<br />
Daher beauftragte ich ihn und sagte: »Okay, dann man los.« Schließlich<br />
hatte ich es eilig, und wenn schon mal eine Reinigung sein muss, dann<br />
gerne so gründlich, dass ich für die nächsten Jahre Ruhe habe. Er arbeitete<br />
ca. 50 Minuten an <strong>dem</strong> Abfluss, und dann kam etwas, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> ich<br />
absolut nicht gerechnet hatte. Er präsentierte mir die Rechnung in der<br />
folgenden Form: »Ihre Rohre sind bis zur Hauswand zehn Meter lang.<br />
Das macht dann für Sie die 40 Euro Grundpreis, plus die Beseitigung<br />
der Verstopfung auf zehn Meter mal 25,50 Euro, zuzüglich der Grundreinigung<br />
von zehn Meter mal 22 Euro. Das entspricht 515 Euro, und plus<br />
Mehrwertsteuer bekomme ich dann 612,85 Euro von Ihnen.« Es passiert<br />
mir selten: Aber in diesem Moment war ich sprachlos.<br />
Ich wusste sofort, was passiert war. Natürlich hatte er mir den richtigen<br />
Preis gesagt, aber das »pro Meter« weggelassen. Doch wie sollte<br />
ich das jetzt noch beweisen? Natürlich sprach ich das an – und bekam<br />
als Antwort: »Da<strong>mit</strong> sagen Sie, ich lüge, gute Frau. Ich erzähle das jeden<br />
Tag x-mal, ich sage das immer.« Natürlich bemerkte ich die Inszenierung.<br />
Seine Aufregung war gespielt, seine Mimik drückte keine Reue oder Zorn<br />
aus. Mir war klar: Das ist seine Masche, er macht das immer so. Da hatte<br />
ich als 1,68 Meter große Frau einen 1,85 Meter großen, muskulösen<br />
Mann in meiner Küche stehen, und meine Gewissheit wuchs, dass ich es<br />
<strong>mit</strong> einem Betrüger zu tun hatte. Wahrlich kein schönes Gefühl. Und vor<br />
allem konnte ich ihm nicht beweisen, dass er das »pro laufenden Meter«<br />
in seiner Einstiegserklärung weggelassen hatte. Also versuchte ich, sein<br />
Gewissen zu erreichen: »Sie wollen mir jetzt nicht sagen, dass ich es <strong>mit</strong><br />
einem dieser Betrugsfälle zu tun habe, die ich normalerweise im TV unter<br />
›Verbraucherschutz‹ sehe, oder? Ich dachte, ich beauftrage bewusst<br />
eine Firma hier aus <strong>dem</strong> Ort, da<strong>mit</strong> das nicht passiert.« Ich bekam ein<br />
Schulterzucken und: »Das ist der Preis.« Mir schwante, dass die Firma<br />
auch nicht aus meinem Ort kam. Gut, dachte ich, probiere ich es <strong>mit</strong> der<br />
Zeitschiene: »Im Ernst, Sie sind seit 50 Minuten hier, fast 500 Euro für 50<br />
Minuten Arbeit – das ist nicht wirklich Ihr Ernst, oder?« Nach<strong>dem</strong> es eine<br />
Zeit lang so weiterging, bekam ich irgendwann die folgende Reaktion:<br />
»Was ich Ihnen anbieten kann, sind 350 Euro. Dafür gibt es dann aber<br />
keine Garantie!« Wieder war ich sprachlos, selbst Betrüger spielen die<br />
Karte »Kein Rabatt ohne Gegenrabatt«.<br />
Die Garantie war mir auf einmal völlig egal, Hauptsache, dieser unangenehme<br />
Mensch entfernte sich so schnell wie möglich aus meiner<br />
Küche! Doch 350 Euro waren mir noch immer zu viel. Kurz und gut – ich<br />
handelte ihn noch auf 250 Euro herunter, er versprach, mir eine Rechnung<br />
zuzusenden, sodass ich mir die 250 Euro steuerlich schönrechnen<br />
konnte. Ich schob ihn danach regelrecht vor die Tür und war froh, dass<br />
ich ihn los war. Die versprochene Rechnung kam nie an.<br />
Lassen Sie mich das Beispiel genau auseinandernehmen, denn es enthält<br />
eine ganze Sammlung von Verhandlungstaktiken:<br />
• Die geistige Brandstiftung und das Stellen von Problemfragen:<br />
Mit der kurzen Frage »Wann haben Sie denn das letzte Mal die<br />
Leitungen grundreinigen lassen?« hatte der Klempner mich in<br />
die Defensive gebracht. Er unterstellte durch die Frage, dass ich<br />
mich schon viel früher darum hätte kümmern müssen, und aufgrund<br />
meines schlechten Gewissens kaufte ich die Grundreinigung<br />
<strong>mit</strong> ein.<br />
• Bewusste Preisverschleierung durch eine undurchsichtige Preisgestaltung:<br />
Der Preis wurde absichtlich so gestaltet, dass ich<br />
215
ei der überschlägigen Rechnung auf einen fairen Preis von<br />
100 Euro kam und so die Reinigung beauftragte. Die Lüge, dass<br />
zu diesem Zeitpunkt keine Rede davon war, dass der Preis pro<br />
laufenden Meter galt, konnte ich nicht stichhaltig beweisen.<br />
Hier hätte es nur geholfen, wenn ich nach einem Komplettpreis<br />
gefragt hätte.<br />
• Eine undurchsichtige Abrechnungsgröße wählen: Wüssten Sie,<br />
wie viele Meter es von Ihrer Küchenspüle bis zur Hauswand im<br />
Kellergeschoss sind? Dadurch tappt jeder Kunde im Dunkeln.<br />
Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, statt der Abrechnung<br />
pro laufenden Meter einen Stundensatz zu vereinbaren.<br />
• Reduzierung von horrenden Preisen: Wenn der erste Preis unverschämt<br />
hoch war, dann kommt das Gefühl der Zufriedenheit<br />
schon auf, wenn sich der Kontrahent auf die Hälfte der verlangten<br />
Summe herunterhandeln lässt. Denn obwohl die Reduktion<br />
bereits 50 Prozent betrug, war der Preis <strong>mit</strong> 250 Euro immer<br />
noch viel zu hoch für die erbrachte Leistung.<br />
• Bei Konfrontation direkt in den verbalen Angriff gehen: Als ich<br />
den Schwindel aufdeckte, war seine Reaktion: »Sie wollen mir<br />
doch nicht unterstellen, dass ich lüge?« Da<strong>mit</strong> hatte ich den<br />
Schwarzen Peter, denn nun musste ich beweisen, dass seine<br />
Aussagen Lügen waren.<br />
• Die Preisangabe ohne Umsatzsteuer: Es ist ein alter Trick, die<br />
Umsatzsteuer bei Angeboten wegzulassen. Rechtlich ist das bei<br />
Geschäften <strong>mit</strong> Privatpersonen zwar nicht erlaubt, doch fällt man<br />
darauf herein, erhöht sich der Endpreis noch einmal um 19 Prozent!<br />
216<br />
• Versendung der Rechnung <strong>mit</strong> Umsatzsteuer nach Bezahlung<br />
der Ware: Der Preis wurde zwar <strong>mit</strong> Mehrwertsteuer berechnet,<br />
jedoch ohne, dass ich eine Rechnung erhalten habe. Ich denke,<br />
die Unterstellung, dass dieser Handwerker die 250 Euro als<br />
Schwarzgeld einkassiert hat, ist bei dieser Faktenlage gerechtfertigt.<br />
Wird die Einnahme nicht versteuert, lohnt es sich für den<br />
Handwerker umso mehr, während ich als Verbraucher die Kosten<br />
ohne Rechnung nicht steuerlich absetzen kann.<br />
Natürlich gibt es auch seriöse Firmen, die verstopfte Abflüsse reinigen.<br />
Die Chance, auf eine zu treffen, steigt, wenn man tatsächlich ein Unternehmen<br />
aus der Nachbarschaft beauftragt. Die Frage, wie ich <strong>dem</strong> Betrüger<br />
auf den Leim gehen konnte, ließ mich auch nach <strong>dem</strong> Abschluss<br />
der Reparaturarbeit nicht los. Schließlich hatte ich genau das in meiner<br />
Entscheidungsfindung berücksichtigt. Ich schaute mir die Internetseite<br />
der Firma noch einmal in Ruhe an und fand heraus, auf welchen Trick<br />
ich hereingefallen war: Die Internetsuche zeigt mir, wenn ich »Rohrreinigung<br />
Leverkusen« eingebe, eine Karte meines Stadtteils, sodass<br />
es aussieht, als käme die Firma aus der Nachbarschaft. Auch die angezeigte<br />
Telefonnummer, unter der die Firma beauftragt werden kann,<br />
hatte – in meinem Fall – die Vorwahl von Leverkusen. Suchen Sie in<br />
einer anderen Stadt, so bekommen Sie auch hier den eigenen Stadtteil<br />
und die entsprechende Vorwahl angezeigt. Dadurch glaubt man, ein<br />
alteingesessenes Unternehmen aus der nahen Umgebung zu beauftragen.<br />
Mit den heutigen Computerprogrammen ist es ein Leichtes, dies<br />
vorzugaukeln.<br />
Was Sie dagegen tun können? Am besten beauftragen Sie ortsansässige<br />
Firmen, die Sie kennen oder an deren Schaufenster Sie schon vorbeigelaufen<br />
sind. Kurz: Firmen, bei denen Sie sich wirklich sicher sind,<br />
dass sie aus der Nähe kommen. Selbst wenn Sie unter Zeitdruck sind,<br />
sollten Sie diesem Ratschlag folgen. Fragen Sie vorher genau nach, <strong>mit</strong><br />
217
welchem Endpreis Sie zu rechnen haben, und lassen Sie sich den Preis<br />
als Komplettpreis <strong>mit</strong> Mehrwertsteuer handschriftlich bestätigen. Des<br />
Weiteren tun Sie sich einen Gefallen, wenn Sie bei unbekannten Anbietern<br />
während der Dienstleistung dabeibleiben. Manchmal ist es besser,<br />
den Leuten sprichwörtlich auf die Finger zu schauen. Ich zumindest werde<br />
mich nach dieser Erfahrung konsequent an dieses Vorgehen halten.<br />
In ähnlicher Form wird diese fiese Masche auch von Schlüsseldiensten<br />
oder anderen Dienstleistern angewandt, die auf einmalige Kundenbegegnungen<br />
ausgerichtet sind. Allen gemeinsam ist, dass sie darauf<br />
aus sind, Menschen zu betrügen, die sich in einer Not befinden oder<br />
unter Zeitdruck stehen.<br />
Keine Verhandlung gleicht der anderen, und was einmal funktioniert<br />
hat, kann in einer anderen Situation falsch sein. Die Sammlung an psychologischen<br />
Tricks ist da<strong>mit</strong> sicher nicht abgeschlossen. Und einen<br />
kompletten Überblick über alle Maschen, Tricks oder Methoden abzugeben,<br />
ist auch gar nicht möglich, weil sich jeden Tag kreative Menschen<br />
in Verhandlungen gegenübersitzen und dabei versuchen, möglichst<br />
gute Ergebnisse zu erzielen. Dabei entwickeln sie weitere individuelle<br />
Schachzüge und Ideen, um andere Menschen zu überzeugen oder auch<br />
zu manipulieren. Doch dieses Kapitel der rhetorischen Schatzkiste hält<br />
für Sie eine größere Auswahl an Werkzeugen bereit, als die meisten<br />
Menschen in ihrem Alltag beruflich oder privat nutzen. Einige davon<br />
haben Sie vielleicht vorher schon unbewusst angewandt, andere Möglichkeiten<br />
wiederum erscheinen Ihnen zu manipulativ und entsprechen<br />
nicht Ihrem eigenen Stil. Umso besser, dass Sie sich nun davor schützen<br />
können, wenn ein anderer die Methode bei Ihnen anwendet. Weitere<br />
Methoden probieren Sie vielleicht erst einmal bei kleineren Verhandlungen<br />
aus. Die Schachzüge lassen sich in vielfältigen, von den obigen<br />
Beispielen abgewandelten Situationen anwenden und kombinieren.<br />
Ziel dieses Buches ist, Ihnen das Handwerkszeug dazu zur Verfügung zu<br />
stellen, da<strong>mit</strong> Sie es ausprobieren können. Durch das stetige Anwenden<br />
der Methoden werden Sie diese irgendwann ohne viel Nachdenken wie<br />
einen Reflex abrufen können.<br />
Ausblick<br />
218<br />
219
220<br />
ZUM ABSCHLUSS<br />
Den Kommunikationsmuskel<br />
trainieren<br />
Nach <strong>dem</strong> Spiel ist vor <strong>dem</strong> Spiel. Wenn ich Ihr Fitness-Trainer wäre,<br />
dann wäre Ihnen klar: Der Sportlehrer kann die Übungen nur vormachen.<br />
Will ich meine eigenen Muskeln stärken, dann muss ich selber<br />
trainieren. Und je mehr ich trainiere, umso größere Gewichte kann ich<br />
stemmen. So ist das auch in Verhandlungen. Der Verhandlungs- und<br />
Kommunikationsmuskel will trainiert werden! Sprachmuster folgen gewissen<br />
Regeln, die sich lernen lassen. In diesem Buch haben Sie viele<br />
Anregungen dazu bekommen.<br />
Ein Buch ist dann ein gutes Buch, wenn Sie viel von <strong>dem</strong> Gelernten<br />
umsetzen und in der Praxis anwenden. Im Tagesablauf hat jeder von uns<br />
ständig Gelegenheit dazu. Als Coach ist mir die Umsetzung enorm wichtig.<br />
Daher möchte ich Ihnen noch die Frage stellen:<br />
> Wenn Sie nun drei Dinge ganz konkret in Ihr Verhaltensmuster<br />
übernehmen möchten: Welche sind das?<br />
Es reicht, wenn Sie sich zuerst nur auf drei Themen konzentrieren, die<br />
Sie beim Lesen dieses Buches bewegt haben. Vielleicht richten Sie Ihre<br />
Konzentration darauf, den ersten Eindruck bewusst zu gestalten. Oder<br />
die Methode der Einwandbehandlung hat Ihnen gut gefallen, und Sie<br />
bereiten sich sprachlich auf die Dauerbrenner bei Ihren Einwänden vor.<br />
Sie wenden sie dann in Gesprächen an und feilen so lange daran, bis<br />
Sie bessere Ergebnisse erzielen als vorher. Es ist cleverer, einige wenige<br />
Punkte tatsächlich umzusetzen, als zehn Methoden im Kopf zu haben.<br />
Nehmen Sie sich für diese drei Methoden vier Wochen Zeit und erinnern<br />
Sie sich immer wieder daran. Ihr Handy oder Computer übernimmt die<br />
Erinnerungsfunktion gerne für Sie. Nach den vier Wochen überlegen Sie<br />
erneut, welche drei weiteren Themen Sie ausprobieren wollen. Nutzen<br />
Sie dafür jede Gelegenheit.<br />
Im Umgang <strong>mit</strong> Menschen lässt sich nie genug lernen. Die eigene<br />
Wahrnehmung zu erweitern, lohnt sich immer wieder aufs Neue, denn –<br />
Sie erinnern sich – wir verhandeln immer. Ob es um frischen Schinken<br />
an der Fleischtheke geht, den Abschluss einer Versicherung oder den<br />
Ankauf einer Immobilie. Gewiss, die Relevanz und die Geldsummen, um<br />
die es jeweils geht, sind genauso unterschiedlich wie die Auswirkungen.<br />
Wenn Ihr Schinken nicht frisch abgeschnitten ist, können Sie ihn trotz<strong>dem</strong><br />
verzehren und beim nächsten Mal den Supermarkt wechseln. Ob<br />
Sie Ihre Altersvorsorge in der richtigen Höhe und beim richtigen Anbieter<br />
abschließen, entscheidet allerdings darüber, ob Sie im Alter genug<br />
zu essen haben. Und wenn Sie Verhandlungen über Millionenbeträge<br />
führen, dann hängen von dieser Entscheidung Arbeitsplätze, Cashflows<br />
oder Ausschüttungen an Aktionäre ab, <strong>mit</strong>unter ganze Firmen und nicht<br />
zuletzt auch Ihr beruflicher Erfolg. Doch die Spielregeln, nach denen verhandelt<br />
wird, sind immer die gleichen. Kein Mensch startet <strong>mit</strong> Verhandlungen<br />
in Millionenhöhe.<br />
<strong>Verhandeln</strong> lernt man, in<strong>dem</strong> man verhandelt. Trainieren Sie daher<br />
Ihre Wahrnehmung, Ihre verbalen Fähigkeiten, bereiten Sie sich vor und<br />
bereiten Sie die Gespräche nach, stärken Sie also Ihren Verhandlungsmuskel<br />
bei jeder Gelegenheit. Lernen Sie, Ihre Aufmerksamkeit sowohl<br />
auf Ihr Gegenüber wie auch auf sich selbst und auf die Metaebene – also<br />
das Miteinander im Gespräch – zu lenken. Erfolgreiche Kommunikatoren<br />
stellen sich nach je<strong>dem</strong> Gespräch die Frage, was sie hätten besser machen<br />
können.<br />
221
Tipp:<br />
Verbesserung braucht Reflexion, um aus den alten Gewohnheiten herauszukommen.<br />
Leider steht uns für die Reflexion selten ein professionell<br />
ausgebildeter Coach zur Verfügung. Doch Sie sind auch nicht<br />
immer allein in Verhandlungen. Bitten Sie doch Ihre anwesenden Kollegen,<br />
Ihnen hinterher ein Feedback zu geben. Da<strong>mit</strong> das zielführend<br />
ist und nicht <strong>mit</strong> einem pauschalen »Ja, du warst gut« beantwortet<br />
wird, können Sie die Kollegen vorher instruieren. Es bietet sich an, die<br />
Rückmeldungen in zwei Kategorien einzuteilen: positives Feedback<br />
und Feedback zur Verbesserung. Manche Menschen trauen sich sonst<br />
schlichtweg nicht, Kritik anzubringen, da<strong>mit</strong> sie die Beziehung zum<br />
Kollegen nicht gefährden. Aber sowohl die ehrliche Kritik wie auch<br />
das positive Feedback bringen Sie weiter! Voraussetzung dafür ist eine<br />
gute Vertrauensbasis. Wenn die besteht, kann auch Ihr Chef zum Feedbackgeber<br />
werden. Fordern Sie das ein. Lernen ist eine Holschuld. Und<br />
da selbst Chefs sich oft genug davor scheuen, ein Feedback anzubieten,<br />
nehmen Sie das am besten selbst in die Hand. Es geht schließlich<br />
um Ihre Kompetenzen.<br />
Bitten Sie Ihre Begleitperson also, Ihnen nach <strong>dem</strong> Gespräch ein Feedback<br />
nach folgen<strong>dem</strong> Schema zu geben:<br />
• drei Dinge, die richtig gut gefallen haben, die entscheidend waren<br />
für einen guten Verlauf des Gesprächs, und<br />
• drei Dinge, die man optimieren könnte, <strong>mit</strong> Vorschlägen für bessere<br />
Formulierungen oder ein klügeres Verhalten.<br />
Bitten Sie um konkrete Formulierungsbeispiele – am besten in wörtlicher<br />
Rede. Als Coach schreibe ich oft ganze Dialoge <strong>mit</strong> und spiele<br />
auch die Betonung nach. Da<strong>mit</strong> kommt Feedback viel besser an. Wenn<br />
man sich selber hört, kann man sich die Fragen »Welche Wirkung hatte<br />
das?« oder »Wie mache ich es noch besser?« meist selbst beantworten.<br />
222<br />
Wer keinen Gesprächspartner dafür hat, kann auch allein reflektieren.<br />
Das können Sie ebenfalls <strong>mit</strong> den beiden obigen Fragen tun. Alternativ<br />
folgen hier noch einige Fragen zur Selbstreflexion, die ich als Coach Ihnen<br />
stellen würde:<br />
• Folgen Sie Ihrem Bauchgefühl. Auf der Skala von 0 bis 10: Wie<br />
bewerten Sie das Gespräch?<br />
• Wo<strong>mit</strong> begründen Sie Ihre Einschätzung? Mit der Atmosphäre –<br />
also der Sympathie zu Ihrem Gesprächspartner – oder <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
erreichten Ziel?<br />
• Ist im Laufe der Zeit das Gespräch in eine unerfreuliche Richtung<br />
gekippt? Wenn ja, wann? Warum hat sich das Gespräch an dieser<br />
Stelle verändert? Was haben Sie da gesagt oder geantwortet?<br />
• Wie ließe sich das bei einem nächsten Termin besser machen?<br />
• Wenn Sie jetzt Zeit zum Nachdenken haben: Wie würden Sie im<br />
Nachhinein reagieren? Was hätten Sie besser machen können?<br />
• Ergibt sich dadurch ein Handlungsbedarf, sodass Sie zum Beispiel<br />
Ihrem Gesprächspartner noch eine wichtige Information<br />
zukommen lassen müssen?<br />
• Wenn ja: Wann tun Sie das? Sofort oder beim nächsten Termin?<br />
• Wie waren Ihre Körpersprache und die Ihres Gegenübers? Hat<br />
Sie ein Gesichtsausdruck gestört, sodass Sie nun wissen, dass<br />
eins Ihrer Argumente nicht angekommen ist?<br />
Auf diese Art und Weise werden Sie Ihre Fähigkeiten weiter ausbauen<br />
und vertiefen. <strong>Verhandeln</strong> wird <strong>mit</strong> der Zeit einfacher und natürlicher für<br />
Sie werden. Und das in allen Lebenslagen.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, die Verhandlungswelt neu zu erobern<br />
und Ihren Verhandlungsmuskel zu trainieren.<br />
223
Über die Autorin<br />
»Erfolg ist die Kunst, sein eigenes<br />
Denken und Handeln zu verändern.<br />
Nicht nur, um die eigenen Ziele<br />
zu erreichen, sondern auch, um sich<br />
dabei authentisch und gut zu fühlen.«<br />
SANDRA GRÜNHEID<br />
Die Konzepte folgen den Werten:<br />
KLARHEIT – ausführliche Gespräche zur exakten Er<strong>mit</strong>tlung<br />
des Bedarfs des Unternehmens.<br />
INDIVIDUALITÄT – die Erstellung maßgeschneiderter Seminarkonzepte<br />
nach den Wünschen und Zielen des Unternehmens.<br />
NACHHALTIGKEIT – die Seminargestaltung anhand von Original-Fallstudien<br />
und Beispielen aus <strong>dem</strong> Unternehmen.<br />
<strong>Sandra</strong> Grünheid bietet für Unternehmen individuelle Seminare, Coachings<br />
oder Vorträge an, die auf den Bedarf des Unternehmens zugeschnitten<br />
werden. In ihrer Seminar-Manufaktur im Rheinland gestaltet<br />
sie <strong>mit</strong> ihrem Team deutschlandweit Seminare und Coachings für Mitarbeiter<br />
in Kundenservice, Kundenberatung, Vertrieb und Führung. Dabei<br />
ist die Kernkompetenz der Aka<strong>dem</strong>ie, das Weiterbildungskonzept<br />
für das Unternehmen maßgeschneidert zu gestalten und professionell<br />
durchzuführen.<br />
Wirksamkeit ist das Maß der Wahrheit. Den Menschen im Fokus,<br />
begleitet die Aka<strong>dem</strong>ie Mitarbeiter dabei, die Kunden- und Mitarbeiterkommunikation<br />
zu verbessern. Ziel ist, neue Verhaltensoptionen zu<br />
gewinnen und die eigene Persönlichkeit zu erkennen und weiterzuentwickeln.<br />
Mehr dazu erfahren Sie auf<br />
• www.sandragruenheid.de<br />
• www.heartbusiness.de<br />
Kundenstimmen lesen Sie unter:<br />
• www.provenexpert.com/<strong>Sandra</strong>-<strong>Gruenheid</strong><br />
224<br />
225
Literatur<br />
Außer meinen eigenen umfangreichen Beobachtungen in der Praxis und<br />
den vielen Erfahrungen und Praxisbeispielen meiner Seminarteilnehmer<br />
haben mich folgende Bücher inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Gern<br />
empfehle ich sie Ihnen weiter:<br />
SCHMITT/ESSER: Statusspiele. Wie<br />
ich in jeder Situation die Oberhand<br />
behalte. Fischer-Verlag<br />
FISHER/URY/PATTON: Das Harvard®<br />
Konzept. Die unschlagbare Methode<br />
für beste Verhandlungsergebnisse.<br />
Campus-Verlag<br />
VERA F. BIRKENBIHL: Kommunikationstraining.<br />
Zwischenmenschliche<br />
Beziehungen erfolgreich gestalten.<br />
mvg-Verlag<br />
DR. KARSTEN BREDEMEIER: Schlagfertigkeit.<br />
Spontan, souverän und wortgewandt<br />
kontern. Goldmann Verlag<br />
CAROLINE KRÜLL: Vergiss, was du<br />
sagst. Wie Körpersprache funktioniert.<br />
DVD start home entertainment<br />
CAROLINE KRÜLL: Körpersprache. Das<br />
Trainingsbuch. Beck Ratgeber<br />
DIRK EILERT: Mimikresonanz. Gefühle<br />
sehen. Menschen verstehen. Junfermann<br />
Verlag<br />
BRODY/BRODY: Der Placebo-Effekt.<br />
Die Selbstheilungskräfte unseres<br />
Körpers. dtv Verlag<br />
SPITZER/BERTRAUM: Braintertainment.<br />
Suhrkamp Verlag<br />
BODO SCHÄFER: Die Gesetze der<br />
Gewinner. Erfolg und ein erfülltes<br />
Leben. dtv Verlag<br />
GIACOMO RIZZOLATTI/CORRADO<br />
SINIGAGLIA: Empathie und Spiegelneurone.<br />
Die biologische Basis des<br />
Mitgefühls. Suhrkamp Verlag<br />
226