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Sandra Gruenheid - Verhandeln mit dem MagnetPrinzip

Wirksam kommunizieren in Beratung, Service und Vertrieb *** eine Leseprobe meines Buches ***

Wirksam kommunizieren in Beratung, Service und Vertrieb
*** eine Leseprobe meines Buches ***

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<strong>Sandra</strong> Grünheid<br />

<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>MagnetPrinzip</strong> ®


<strong>Sandra</strong> Grünheid<br />

<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>MagnetPrinzip</strong> ®<br />

Wirksam kommunizieren in<br />

Beratung, Service und Vertrieb


Inhalt<br />

VORWORT<br />

Warum sind manche Menschen erfolgreicher als<br />

andere – und was hat die Sprache da<strong>mit</strong> zu tun?.................... 9<br />

EINFÜHRUNG<br />

<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong>............................................ 13<br />

Das <strong>MagnetPrinzip</strong> ® .............................................................. 17<br />

Natürliche Autorität .......................................................... 19<br />

Sprachliche Brillanz ......................................................... 21<br />

Nachhaltiges Denken ....................................................... 22<br />

Originalausgabe<br />

Copyright © 2018 <strong>Sandra</strong> Grünheid<br />

DIE PHASEN EINER VERHANDLUNG ......... 25<br />

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Die Autorin steht Ihnen für Anfragen zur Verwertung der Inhalte gerne zur Verfügung.<br />

Ich freue mich über Ihr Interesse, Anregungen und Zuschriften unter: info@sandragruenheid.de<br />

Umschlaggestaltung: Götz Rohloff – Die Buchmacher, Köln<br />

Innengestaltung und Satz: Ortrud Müller – Die Buchmacher, Köln<br />

Druck und Einband: Online-Druck.BIZ, Krumbach<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3-00-060134-7<br />

1 Vorbereitung ......................................................................... 29<br />

Warum ist eine gute und ausführliche Vorbereitung<br />

sinnvoll? .................................................................. 29<br />

Ihre klaren Ziele und Argumente ...................................... 30<br />

Die Position der Gegenseite ............................................. 34<br />

Verhandlungsstrategie und Rhetorik .............................. 36<br />

Die eigene Einstellung: Gewonnen wird im Bauch ........... 37<br />

5 4 3 2 1<br />

Sie finden mich im Internet unter www.sandragruenheid.de<br />

2 Professioneller Gesprächseinstieg ....................................... 42<br />

Der erste Eindruck: Vertrauen schaffen ................................. 42<br />

Körpersprache .................................................................. 44


Sprache ist psychoaktiv ................................................... 48<br />

Sprachliche Wirkung erzeugen, und zwar bewusst .......... 52<br />

Small Talk als Chance für den Vertrauensaufbau ................... 57<br />

Small Talk als Strategie ......................................................... 59<br />

Den Rahmen abstecken ......................................................... 61<br />

3 Informationsaustausch: Bedarfsanalyse<br />

und Angebotsphase .............................................................. 66<br />

Den Bedarf erkennen: Mit Fragen filtern ............................... 68<br />

Sechs verschiedene Fragearten optimal einsetzen .......... 69<br />

Aktives Zuhören ............................................................... 76<br />

Das Angebot präsentieren: Schaffen Sie Magneteffekte! ...... 81<br />

Nutzenargumentation: Nennen Sie die<br />

konkreten Vorteile! ...................................................... 82<br />

Emotionen wecken: Erzeugen Sie Bilder im Kopf! ............ 85<br />

Nur im Notfall: Geistige Brandstiftung ............................. 92<br />

Völlig überflüssig: Du-Depp-Botschaften, Weichmacher<br />

und Unwörter .............................................................. 94<br />

Strategische Überlegungen ................................................... 96<br />

Kluger Umgang <strong>mit</strong> den eigenen Argumenten .................. 97<br />

Beweise und Behauptungen richtig einsetzen ................. 98<br />

4 Die eigentliche Verhandlung ................................................. 100<br />

Rhetorische Eskalationsstufen .............................................. 101<br />

Der »grüne« Bereich .............................................................. 103<br />

Die VFL-Methode .............................................................. 104<br />

Preisverhandlung ............................................................. 110<br />

Eskalationsstufe »Gelb«: Deeskalieren in<br />

schwierigen Situationen ................................................... 115<br />

Wenn die Verhandlung eskaliert: Die Situation<br />

verstehen, um sie zu meistern .................................... 115<br />

Erste Hilfe in emotionalen Gesprächen ............................ 117<br />

Konstruktive Schlagfertigkeit: Die BUH-Technik................ 119<br />

Reagieren auf Totschlagphrasen ...................................... 124<br />

Powerfragen stellen ......................................................... 129<br />

Appelltechnik ................................................................... 134<br />

Eskalationsstufe »Rot« .......................................................... 138<br />

Grenzen setzen <strong>mit</strong> positivem Sie-Feedback .................... 138<br />

Abbruch der Verhandlungen ............................................. 144<br />

Fazit zur eigentlichen Verhandlung ...................................... 147<br />

5 Abschlussphase .................................................................... 148<br />

Wie Sie den Kunden in der Abschlussphase professionell<br />

unterstützen ..................................................................... 149<br />

Professioneller Gesprächsausstieg ....................................... 151<br />

Der letzte Eindruck bleibt ................................................. 152<br />

Kaufreue vorbeugen ......................................................... 155<br />

Fazit zu den Verhandlungsphasen ......................................... 155<br />

6 Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen Menschentypen ........................ 157<br />

Die Typen erkennen und <strong>mit</strong> ihnen umgehen ................... 168<br />

Der gewissenhafte Typ: introvertiert und<br />

an der Aufgabe orientiert.............................................. 169<br />

Der dominante Typ: extrovertiert und<br />

an der Aufgabe orientiert............................................ 170<br />

Der initiative Typ: extrovertiert und<br />

am Menschen orientiert ............................................ 172<br />

Der stetige Typ: introvertiert und<br />

am Menschen orientiert .............................................. 174<br />

Die Schnellerkennung von Verhandlungstypen<br />

perfektionieren........................................................... 175


7 Die rhetorische Schatzkiste:<br />

Werkzeuge des Erfolgs .......................................................... 181<br />

Die Tangenten-Antwort ..................................................... 184<br />

Steuern <strong>mit</strong> der Alternativ-Technik ................................... 186<br />

Die Ja-Schleife ................................................................. 188<br />

Das Good-Cop/Bad-Cop-Spiel .......................................... 191<br />

In der Ruhe liegt die Kraft ................................................. 193<br />

Die Herzinfarkt-Taktik ....................................................... 196<br />

Die Drama-Queen ............................................................. 198<br />

Eine höhere Instanz anrufen ............................................. 200<br />

Einige Einschüchterungstaktiken .................................... 203<br />

Der strategische Rückzug ................................................ 205<br />

Dann eben nicht ............................................................... 207<br />

Im Leben des anderen wichtige Menschen oder<br />

Dinge einbeziehen ............................................................ 208<br />

Give-aways als Rabattersatz ............................................ 211<br />

Ein kriminelles Beispiel: Spiel <strong>mit</strong> der Wahrnehmung ...... 213<br />

Ausblick ................................................................................. 218<br />

Zum Abschluss<br />

Den Kommunikationsmuskel trainieren ..................................... 220<br />

Über die Autorin ......................................................................... 224<br />

Literatur ..................................................................................... 226<br />

VORWORT<br />

Warum sind manche Menschen<br />

erfolgreicher als andere – und was<br />

hat die Sprache da<strong>mit</strong> zu tun?<br />

Den ersten Schritt haben Sie getan. Sie halten dieses Buch in den Händen<br />

und zeigen da<strong>mit</strong>, mir ist es ernst – ich will mehr wissen zum Thema:<br />

Wie kommuniziere ich erfolgreich in Vertrieb, Service und Beratung?<br />

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Handwerker, sagen wir ein Zimmermann.<br />

Da<strong>mit</strong> ein Zimmermann seinen Job gut ausführen kann, benötigt<br />

er einen ganzen Werkzeugkasten, in <strong>dem</strong> er seinen Hammer, seine Säge<br />

und seine Brechstange aufbewahrt. Und natürlich hat er diesen Werkzeugkasten<br />

bei je<strong>dem</strong> seiner Aufträge dabei. Zu seinem Handwerkskönnen<br />

gehört es, jedes Werkzeug zum passenden Anlass fachgerecht<br />

anzuwenden. Viele Menschen arbeiten heute nicht mehr im Handwerk,<br />

dennoch brauchen auch sie immer ein für die Situation passendes Werkzeug.<br />

Für alle, die in Dienstleistung, Service oder Verkauf arbeiten, ist das<br />

Hauptwerkzeug die Sprache. Und auch bei der Sprache müssen sie unterscheiden<br />

können, wann sie einen verbalen Schraubenzieher, wann<br />

eine Brechstange und wann sie sogar nur eine ganz feine Feile benutzen.<br />

Mit diesem Buch werden Sie Ihre Verhandlungswerkzeugkiste richtig<br />

vollpacken können. Ganz sicher werden Sie im Verlauf dieses Buches<br />

feststellen, dass Sie das ein oder andere Werkzeug schon intuitiv anwenden.<br />

Die dahinterliegenden sprachlichen Strukturen zu erkennen,<br />

hilft Ihnen dabei, die Stärken, die Sie schon haben, ganz bewusst einzusetzen<br />

und weitere Wahlmöglichkeiten in der Kommunikation zu lernen.<br />

Dieses Buch ist für Sie geeignet, wenn Sie<br />

8<br />

9


• in je<strong>dem</strong> Kundengespräch die Vertrauensbeziehung zu Ihrem<br />

Kunden stärken wollen,<br />

• Ihre Abschlussquote und Ihre Wirksamkeit in Verhandlungen<br />

deutlich erhöhen möchten,<br />

• Ihre Kunden in Ihre Fans und so<strong>mit</strong> in aktive Empfehlungsgeber<br />

verwandeln wollen,<br />

• anders sein wollen als andere und da<strong>mit</strong> Sog statt Druck auslösen<br />

möchten,<br />

• in Gesprächen lieber führen wollen, als vorgeführt zu werden,<br />

• schlagfertiger werden wollen,<br />

• in bisher sprachlosen Situationen endlich aktiv werden wollen,<br />

• in Verhandlungen agieren statt reagieren wollen,<br />

• sich vor sprachlicher Manipulation schützen möchten,<br />

• entspannter in Kunden- oder Verkaufsgesprächen sein möchten,<br />

• Ihre Verkaufs- oder Beratungsgespräche erfolgreich abschließen<br />

möchten,<br />

• Ihren Auftritt in einen starken Auftritt verwandeln möchten.<br />

10<br />

In einer Zeit, in der die Produkte aufgrund des Internets vergleichbarer<br />

und austauschbarer werden, ist ein Berater oder Verkäufer mehr denn je<br />

darauf angewiesen, bei der Beratung etwas Besonderes zu leisten, da<strong>mit</strong><br />

der Kunde nicht nur einmalig kauft, sondern zu einem langfristigen<br />

Fan wird. Der Verkäufer ist im Idealfall unverwechselbar und einzigartig.<br />

Immer wieder suchen Firmen nach den USPs, den Alleinstellungsmerkmalen,<br />

die ihr Angebot aus <strong>dem</strong> Markt der Möglichkeiten hervorheben,<br />

doch die Suche sollte anderswo beginnen, denn: Menschen kaufen von<br />

Menschen.<br />

Immer da, wo nur der Preis zählt, ist das Internet die erste Wahl als<br />

schnelle Beschaffungsplattform. Doch spätestens bei erklärungsbedürftigen<br />

Produkten, wie <strong>dem</strong> Verkauf von Bankdienstleistungen oder<br />

der Beratung bei der Anschaffung einer landwirtschaftlichen Großmaschine,<br />

wird sich nicht jeder zum Fachmann ausbilden können oder wollen.<br />

Und hier bleibt der Fachmann, der Geheimtipp unter den Beratern,<br />

der Spezialist in seinem Fachgebiet, im Spiel. Vorausgesetzt, er befolgt<br />

die Regeln, die das <strong>MagnetPrinzip</strong> zusammenfasst. Das <strong>MagnetPrinzip</strong><br />

beinhaltet drei Punkte, ohne die kein Verkäufer oder Berater in seinem<br />

Job antreten sollte: natürliche Autorität, sprachliche Brillanz und nachhaltiges<br />

Denken.<br />

Ziel dieses Buches ist, diese drei Punkte in Gesprächen immer im<br />

Auge zu behalten und dadurch – genau wie ein Magnet – Anziehungskraft<br />

zu entwickeln. Die Anziehungskraft eines Magneten ist spürbar,<br />

aber nicht sichtbar. Von magnetischer Anziehungskraft spreche ich daher<br />

dann, wenn Sie durch Ihr Verhalten und Ihre Persönlichkeit so anziehend<br />

für Ihren Kunden sind, dass er immer wieder gern bei Ihnen kauft.<br />

Statt Druck auf Verhandlungspartner auszuüben, ist Sog das Mittel der<br />

Wahl. Dafür dürfen Sie selbst zum Magneten werden. Denn nur wer<br />

die drei Punkte konsequent umsetzt, wird langfristig der gesuchte Gesprächspartner<br />

sein.<br />

Ich möchte Sie begeistern für die Macht und die Magie der Rhetorik.<br />

Sprache ist psychoaktiv, jedes Wort entfaltet Wirkung, und alle, die <strong>mit</strong><br />

Menschen kommunizieren, werden erkennen, wie wichtig es ist, um die<br />

eigene sprachliche Wirkung zu wissen. Dafür werde ich in diesem Buch<br />

<strong>mit</strong> Ihnen auch eine kleine Reise durch das Gehirn unternehmen. Wer<br />

die menschliche Psyche versteht, für den ist es ein Leichtes, sprachlich<br />

gut <strong>mit</strong> anderen Menschen umzugehen oder sie von den eigenen Zielen<br />

zu überzeugen.<br />

Mir ist es ein Anliegen, die im Hintergrund ablaufenden psychologischen<br />

Vorgänge zu beschreiben. Eine Seminarteilnehmerin sagte dazu<br />

einmal: »Wenn man die kennt, dann weiß man, was man zu tun hat!«<br />

Trotz<strong>dem</strong> ist dieses Buch kein psychologisches Buch. Ich erkläre, was<br />

Sie benötigen, um die Grundlagen einer guten Rhetorik zu verstehen,<br />

und vereinfache daher die Wirkungsweisen.<br />

11


Wer immer dasselbe denkt, sagt und tut, wird immer dasselbe Ergebnis<br />

erzielen. Das ist so gewiss wie ein Naturgesetz. Die immer gleichen<br />

Gedanken erzeugen die gleichen Gefühle und da<strong>mit</strong> die gleichen<br />

Handlungen und Ergebnisse. Wollen Sie in Ihren Verhandlungen bessere<br />

Ergebnisse erzielen, müssen Sie anders denken, anders fühlen und<br />

anders agieren. Für Ihre erfolgreichen Veränderungen in Ihrem Verhandlungsverhalten<br />

habe ich dieses Buch geschrieben. Dafür habe ich Ihnen<br />

viele Beispiele aus der Praxis zusammengestellt. Allen ist gemeinsam,<br />

dass ich sie entweder selbst in meiner Vertriebstätigkeit erleben durfte<br />

oder sie im Rahmen der von mir durchgeführten Coachings oder Seminare<br />

kennengelernt habe. An dieser Stelle danke ich daher sehr herzlich<br />

meinen Geschäftspartnern, Seminarteilnehmern und Coaching-Kunden<br />

für die Freigabe dieser Praxisfälle und für die Erfahrungen, die wir zusammen<br />

machen durften. Fangen wir also an, uns <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> spannenden<br />

Themenfeld »Verhandlung« näher zu beschäftigen.<br />

12<br />

EINFÜHRUNG<br />

<strong>Verhandeln</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong><br />

Wann haben Sie das letzte Mal über etwas verhandelt? Denken Sie kurz<br />

darüber nach, bevor Sie weiterlesen!<br />

Was bedeutet denn <strong>Verhandeln</strong> eigentlich? Woran denken Sie, wenn<br />

Sie das Wort »verhandeln« hören? Sehen Sie vor Ihrem inneren Auge<br />

ein verglastes Hochhaus, in dessen 55. Stockwerk ein knappes Dutzend<br />

Herren im grauen Business-Anzug an einem großen Konferenztisch sitzt<br />

und über die Zerschlagung eines Unternehmens berät? Oder ein Treffen<br />

eigentlich verfeindeter Staatschefs, die <strong>mit</strong> ihrer Entourage Entscheidungen<br />

über einen Waffenstillstand verhandeln? Natürlich gibt es solche<br />

Szenarien.<br />

Aber Verhandlung ist jede Art von Entscheidungsfindung, bei der<br />

zwei oder mehr Parteien versuchen, ihre entgegenstehenden<br />

Interessen durchzusetzen. Als Kinder verhandeln wir <strong>mit</strong> unseren<br />

Eltern, wie lange wir aufbleiben dürfen. Wenn wir erwachsen werden,<br />

brauchen wir dringend Vatis Auto, um da<strong>mit</strong> in den nächsten Club zu<br />

fahren – natürlich so lange, wie wir wollen. Wenn wir älter werden,<br />

verhandeln wir <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Lebenspartner darüber, ob uns der diesjährige<br />

Urlaub an die spanische Küste führt oder doch lieber in die Südtiroler<br />

Berge.<br />

Aber Verhandlungen gehen sogar noch »kleiner« los, wie das folgende<br />

Szenario illustriert: Samstagmorgen an der Fleischtheke Ihres<br />

Lieblingssupermarktes bestellen Sie guten italienischen Schinken. Sie<br />

sagen: »Ich hätte gern eine Lage vom Parmaschinken. Bitte frisch abgeschnitten.«<br />

Die nette Frau an der Fleischtheke erwidert: »Dieser hier<br />

ist frisch!«, und bewegt gleichzeitig ihre Fleischgabel in Richtung des<br />

13


vor ihr liegenden Schinkenstapels, um Ihnen eine Lage von <strong>dem</strong> bereits<br />

abgeschnittenen Schinken herauszuholen. Wer hat bis jetzt die Verhandlung<br />

gewonnen? – Richtig, unsere Fleischereifachverkäuferin. Nun<br />

liegt es an Ihnen, zu betonen, dass Sie frisch aufgeschnitten meinen,<br />

wenn Sie frisch aufgeschnitten sagen, und sich nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> bereits<br />

auf <strong>dem</strong> Stapel liegenden Schinken zufriedengeben. Das Zusammenspiel<br />

von klarem Auftreten, eindeutiger Sprache und der körperlichen<br />

Bewegung der Verkäuferin macht genau das aber schwierig.<br />

Solche Alltagsverhandlungen führen wir ständig, und daher ist auch<br />

dies ein wichtiger Aspekt von Verhandlung. Oft handeln wir in diesen<br />

Situationen aus einem Muster heraus, das uns gar nicht bekannt ist.<br />

Vielleicht geben wir in Verhandlungen schnell klein bei, oder wir werden<br />

schnell gereizt und wütend. Ziel des <strong>MagnetPrinzip</strong>s ist, souverän<br />

und freundlich unsere Punkte durchzubringen und da<strong>mit</strong> Handlungsalternativen<br />

zu automatisierten Verhandlungsmustern zu bekommen.<br />

Leider haben wir selten die Zeit dazu, lange über die nächste Antwort<br />

nachzudenken oder unsere eigene Reaktion vorzubereiten, sondern wir<br />

müssen schnell reagieren. Das setzt neben <strong>dem</strong> Wissen um wirksame<br />

Methoden auch Training voraus.<br />

Eine Bitte habe ich daher schon jetzt an Sie: Nutzen Sie von nun an<br />

jede Gelegenheit, um Ihren Verhandlungsmuskel zu trainieren. Auch<br />

<strong>Verhandeln</strong> lernt man nur, in<strong>dem</strong> man es übt, und sobald Sie dieses<br />

Buch lesen, werden sich für Sie vielfältige Möglichkeiten dazu ergeben,<br />

Ihren Verhandlungsmuskel zu stärken.<br />

Was unterscheidet eigentlich Beratung, Verkauf und Verhandlung?<br />

14<br />

Dieses Buch wendet sich an alle Menschen, die beraten, verkaufen<br />

oder verhandeln. Und obwohl ich in meinen Seminaren immer wieder<br />

höre: »Ich bin ja kein Verkäufer, ich berate meine Kunden. Und zwar<br />

langfristig!«, gibt es keine wirklichen Unterschiede bei der dafür nötigen<br />

Rhetorik oder der Vorgehensweise im Gespräch. Der Unterschied<br />

besteht in der persönlichen Einstellung zum Thema Verkaufen. Die einen<br />

haben kein Problem da<strong>mit</strong>, sich selbst »Verkäufer« zu nennen, die<br />

anderen fürchten vielleicht, dass das Wort Verkäufer unterstellt, dass<br />

Kunden Produkte verkauft bekommen, die sie nicht benötigen. Auf<br />

der Visitenkarte Ihres zuständigen Bank<strong>mit</strong>arbeiters steht bestimmt<br />

»Finanzberater«, doch auch er verkauft Finanzdienstleistungen. Bei einem<br />

Schuhgeschäft in der Fußgängerzone scheint die Situation klarer<br />

zu sein. Dort werden Schuhe verkauft, also handelt es sich um einen<br />

Verkäufer. Doch auch dort erwartet man eine gute Beratung zu den<br />

neuen Wanderschuhen. Und wenn Sie Ihre private Wohnung kaufen,<br />

dann treffen Sie schon per Definition auf einen Verkäufer. Sie werden<br />

ganz bestimmt auch über den Preis und andere Themen verhandeln.<br />

Unter Beratung versteht Wikipedia das Ziel, einen Menschen dazu zu<br />

bewegen, eine bestimmte Handlung zu tun oder zu unterlassen. Beim<br />

Verkauf ist das primäre Ziel des Verkaufsgesprächs, einen Vertragsabschluss<br />

über eine angebotene oder nachgefragte Leistung zu erzielen.<br />

Unter Verhandlung dagegen wird die Besprechung oder Erörterung eines<br />

Sachverhalts verstanden, die der Herbeiführung eines Interessenausgleichs<br />

dient, wobei sich die Parteien durch Interaktion untereinander<br />

einen Vorteil gegenüber der aktuellen Situation versprechen. So<br />

oder so versucht man, seine Interessen durchzusetzen und trotz<strong>dem</strong><br />

<strong>mit</strong> anderen Menschen eine Übereinkunft zu erzielen. Deswegen sind<br />

die sprachlichen Methoden, <strong>mit</strong> denen Sie in Beratung, Verhandlung<br />

oder Verkauf agieren, dieselben. Sie sind universell. Sie können sie<br />

überall anwenden. Sehen wir uns also an, wie Sie das <strong>MagnetPrinzip</strong> in<br />

allen Lebenslagen nutzen können, im Geschäftsleben, im Privatleben,<br />

als Verkäufer in einem Schuhgeschäft genauso wie als Finanzexperte<br />

oder Immobilienmakler. Deswegen richtet sich dieses Buch an alle, die<br />

<strong>mit</strong> Menschen in Interaktion treten. Dabei werden Ihnen immer die folgenden<br />

»Zutaten« begegnen:<br />

15


• Es sind zwei oder mehr Parteien beteiligt.<br />

• Die Parteien verfolgen unterschiedliche Ziele.<br />

• Die Parteien wollen aber über das große Ganze eine Übereinkunft<br />

erzielen oder sind gegenseitig voneinander abhängig.<br />

Beispiel:<br />

Nehmen wir an, ein gewerblicher Mieter sucht neue Räumlichkeiten für<br />

sein Unternehmen. Nach umfangreicher Suche ist er froh, endlich seine<br />

Traumimmobilie gefunden zu haben. Auch der Vermieter ist glücklich,<br />

einen solventen Mieter als Interessenten gewonnen zu haben. Beide<br />

wollen ein Mietverhältnis eingehen. Da<strong>mit</strong> sind sie sich über das große<br />

Ganze einig. Trotz<strong>dem</strong> wird es bei der Verhandlung über die Details<br />

noch einmal ans Eingemachte gehen, und bei den Unterpunkten, zum<br />

Beispiel <strong>dem</strong> monatlichen Mietzins oder der Renovierung der Mietflächen,<br />

wird jeder Verhandlungspartner versuchen, seine persönliche<br />

Lage zu verbessern. Beide Seiten haben ihre Vorteile von <strong>dem</strong> Geschäft<br />

und sind dadurch in einer gewissen Abhängigkeit voneinander, denn es<br />

ist genauso schwierig, eine passende Gewerbeimmobilie zu finden wie<br />

einen solventen Mieter.<br />

In diesem Buch geht es darum, wie Sie Ihr Auftreten steuern können,<br />

wenn Sie <strong>mit</strong> Ihren Kunden dauerhafte Geschäftsbeziehungen aufbauen<br />

wollen – langfristige Kundenbeziehungen, die Sie zum Beispiel als Bankberater,<br />

als Vermieter einer Gewerbeimmobilie, aber auch als Handwerker<br />

oder Besitzerin einer Boutique etablieren möchten. Oft lesen wir bei<br />

Firmen wie diesen: »Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt.« Die<br />

Frage ist allerdings: Wie gestalten Sie für den Kunden erlebbar, dass<br />

er im Mittelpunkt steht? Und dass Sie »anders« sind als andere Anbieter?<br />

Die Antwort ist: Der Kunde muss spüren, dass Sie sich deutlich von<br />

anderen Anbietern oder Verhandlungspartnern unterscheiden. Er muss<br />

16<br />

die Andersartigkeit fühlen. Die entscheidende Frage ist also: Wann fühlt<br />

sich der Kunde wohl bei Ihnen und folgt Ihnen und Ihren Argumenten? Er<br />

folgt Ihnen, wenn sich bei ihm das Gefühl des Vertrauens einstellt; das<br />

heißt für Sie, dass Sie Vertrauen herstellen müssen. Vertrauen bedeutet<br />

für den Kunden, dass er sich als Mensch bei Ihnen gut aufgehoben fühlt<br />

und Ihre Dienstleistung einen Nutzen für ihn bietet. Wie Sie <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>MagnetPrinzip</strong> Vertrauen herstellen und so<strong>mit</strong> Anziehung statt Druck in<br />

Ihrer Kundenbeziehung aufbauen, möchte ich Ihnen <strong>mit</strong> diesem Buch<br />

beantworten.<br />

Das <strong>MagnetPrinzip</strong>®<br />

Nehmen wir einen Kompass zur Hand, dann sehen wir etwas, das wir<br />

<strong>mit</strong> bloßem Auge sonst nicht bemerken: Die Erde ist ein riesiger Magnet<br />

<strong>mit</strong> zwei magnetischen Polen. Der Magnetismus ist zwar nicht sichtbar,<br />

die Kraft wirkt aber so stark, dass sich die Kompassnadel sofort entsprechend<br />

<strong>dem</strong> Magnetfeld ausrichtet. Diese heftige magnetische Anziehungskraft<br />

kommt nicht durch das Gestein an der Oberfläche zustande,<br />

sondern durch tief in der Erde liegende Strömungen von elektrisch<br />

leitender Materie.<br />

Auch wenn zwei Menschen sich begegnen, treffen zwei Energiefelder<br />

aufeinander. Und jeder von uns kennt den Effekt, dass wir manche<br />

Personen sofort anziehend oder zumindest nett finden, während<br />

andere uns derart abstoßen, dass wir sofort wissen, dass wir nicht mehr<br />

Zeit als nötig <strong>mit</strong> ihnen verbringen wollen. Diese Anziehung oder Abstoßung<br />

zwischen Menschen – ich möchte sie in diesem Buch analog<br />

zu <strong>dem</strong> Naturphänomen als »magnetisch« bezeichnen – ist ein ebenso<br />

grundlegendes Muster menschlicher Interaktion wie der auf unserem<br />

Planeten wirkende Magnetismus. Wir wissen, bevor überhaupt ein Wort<br />

gesprochen wurde, ob wir uns von Menschen abgestoßen oder zu ih-<br />

17


nen hingezogen fühlen. Dieser erste Eindruck entsteht bereits <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

Blickkontakt. Und das, was uns da zu unserer Einschätzung verhilft, ist<br />

ebenfalls nicht oberflächlich zu sehen und zu greifen. Es ist vielmehr ein<br />

Gefühl, eine erste Intuition, die wir spüren. Und dieses schnell gefällte<br />

Urteil werden wir im Laufe einer Unterhaltung entweder weiter verfestigen<br />

oder revidieren. Anders als beim physikalischen Magnetismus<br />

ist die Wirkung eines Menschen von uns beeinflussbar. Gleichwohl ist<br />

diese Kraft unter Menschen ebenso stark wirksam wie in der Natur: Ein<br />

Magnet übt eine Kraft aus, <strong>dem</strong> sich andere Magnete nicht entziehen<br />

können.<br />

Ebenso kennt jeder von uns Menschen, die eine einmalige Ausstrahlung<br />

haben und uns sofort von sich begeistern. Diese Kraft, der man<br />

sich nicht entziehen kann. In Verkauf, Vertrieb oder Beratung wollen wir<br />

im besten Fall genau das erzielen. Von magnetischer Anziehungskraft<br />

spreche ich daher dann, wenn ein Mensch durch seine Ausstrahlung,<br />

sein Verhalten, seine Persönlichkeit, aber auch durch sein Fachwissen<br />

so anziehend für seine Mitmenschen ist, dass sie gerne <strong>mit</strong> ihm in<br />

Kontakt kommen und ihn als langfristigen Geschäftspartner schätzen.<br />

Statt Druck auf Verhandlungspartner auszuüben, ist das Erzeugen von<br />

Anziehung das Mittel der Wahl. Ich lade Sie in diesem Buch ein, selbst<br />

zum Magneten werden, denn nur wer die drei Punkte des <strong>MagnetPrinzip</strong>s<br />

verfolgt, wird langfristig der gesuchte Gesprächspartner sein. Diese<br />

sind:<br />

• Natürliche Autorität<br />

• Sprachliche Brillanz<br />

• Nachhaltiges Denken<br />

18<br />

Ohne diese Eigenschaften oder Fähigkeiten sollte kein Verkäufer oder<br />

Berater in seinem Job antreten. In den folgenden Kapiteln bleiben diese<br />

drei Punkte und deren unterschwellige Wirkung immer im Visier, um genauso<br />

wie ein Magnet Anziehungskraft zu entwickeln. Wie Sie in der Folge<br />

noch sehen werden, wirken diese drei Punkte un<strong>mit</strong>telbar zusammen<br />

und auch aufeinander ein. Keiner von ihnen kann seine ganze Kraft alleine<br />

entfalten, es braucht das Zusammenspiel, da<strong>mit</strong> das <strong>MagnetPrinzip</strong><br />

in Beratung, Service oder Verkauf wirken kann. Sehen wir uns zunächst<br />

die drei Punkte genauer an.<br />

Natürliche Autorität<br />

Natürliche Autorität schreiben wir einer Person immer dann zu, wenn<br />

sich andere Menschen im Denken und Handeln nach dieser Person richten.<br />

Unter natürlicher Autorität versteht das <strong>MagnetPrinzip</strong>, dass Sie<br />

Ihre soziale Position bewusst so weit ausbauen, dass andere Personen<br />

Sie als Wissens- und Entscheidungsträger respektieren und akzeptieren<br />

und Ihnen freiwillig, das heißt <strong>mit</strong> möglichst wenig Reibungsverlust,<br />

folgen. Sog statt Druck entsteht als zwischenmenschliche Reaktion auf<br />

eine selbstverständliche, selbstbewusste, ja lässige Ausstrahlung. Wir<br />

alle respektieren Menschen, die Rückgrat zeigen, sich nicht aus der<br />

Ruhe bringen lassen und auch anspruchsvollen Situationen gewachsen<br />

sind. Menschen finden Gefallen an diesem »gewissen Etwas«. Natürliche<br />

Autorität kann nur nach außen wirken, wenn sie im Inneren aus charismatischen<br />

Werten wie Warmherzigkeit und Stärke sowie Kompetenz,<br />

Tradition und Innovation gespeist wird. Natürliche Autorität entsteht<br />

durch emotionale Stimmigkeit, mentale Ausgeglichenheit, ausgeprägte<br />

Wahrnehmung, eine sichere Körpersprache und fundiertes Fachwissen.<br />

Die emotionale Stimmigkeit umfasst die fühlbar positive innere Einstellung<br />

zum Kunden, zum Produkt oder zum Verhandlungsgegenstand.<br />

Die Freude am eigenen Produkt, die Lust und Leidenschaft, <strong>mit</strong> Freude<br />

das zu tun, was man macht, wirkt ansteckend. Je mehr ein Verkäufer<br />

hinter einem Produkt steht, umso begeisterter wird er davon berichten.<br />

19


Einwänden wird er, ohne <strong>mit</strong> der Wimper zu zucken, begegnen und sein<br />

Produkt gekonnt verteidigen.<br />

Zur natürlichen Autorität gehört die mentale Ausgeglichenheit. Viele<br />

Menschen glauben, dass Wut ihnen in Verhandlungen helfen könne,<br />

ein größeres Stück des Kuchens abzubekommen. Sie bewerten Verhandlungen<br />

als Wettstreit. Gezeigte Emotionen, so meinen sie, lassen<br />

einen stärker und mächtiger erscheinen. Zu den Auswirkungen von Wut<br />

bei Verhandlungen gibt es bereits eine Reihe von Forschungsergebnissen,<br />

zum Beispiel von Keith Allred, der früher an der Kennedy School of<br />

Government der Harvard University lehrte. Diese Untersuchungen zeigen,<br />

dass Wut schadet, weil sie Konflikte eskalieren lässt, beide Parteien<br />

am Denken hindert und so dazu führt, dass sie sich eher festfahren.<br />

Sowohl in entspannten als auch in eskalierenden Gesprächssituationen<br />

Ruhe und Gelassenheit zu behalten und als Profi zu agieren zeugt hingegen<br />

von Souveränität. Wenn die innere Haltung auch in schwierigen<br />

Situationen relaxt bleibt, legt der Gesprächspartner dies als starken<br />

Auftritt aus.<br />

Eine ausgeprägte Wahrnehmung seiner selbst und der Situation ist<br />

die Grundlage, um in Gesprächen gekonnt die richtigen Register zu ziehen.<br />

Die eigene Wahrnehmung zu schärfen und <strong>mit</strong> ausgeprägtem Feinsinn<br />

Situationen und die handelnden Personen zu betrachten, um sie zu<br />

verstehen, sorgt für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Dazu ist es<br />

wichtig, die Situation aus der Vogelperspektive beobachten zu können<br />

und die Emotionen im Gesprächsverlauf wahrzunehmen.<br />

Wer ängstlich oder angespannt ist, transportiert das <strong>mit</strong> seiner Körpersprache<br />

und Gestik nach außen. Entweder er gestikuliert zu viel und<br />

zu hektisch oder er erstarrt regelrecht. Beides deutet der Gesprächspartner<br />

als Schwäche. Wer hingegen auch in stressigen Situationen<br />

nach außen ruhig und gelassen bleibt, signalisiert: Mich kann nichts erschüttern,<br />

ich bewahre in jeder Situation einen kühlen Kopf. Das erzeugt<br />

Respekt.<br />

20<br />

Ein profundes Fachwissen rundet das Bild ab. Auf fachliche Fragen<br />

die richtige Antwort zu wissen, ist schwer zu ersetzen. Für Ihren Verhandlungs-<br />

oder Verkaufsbereich sollten Sie Experte sein. Doch kein<br />

Fachwissen nützt viel, wenn man nicht in der Lage ist, es auch gut zu<br />

ver<strong>mit</strong>teln. Eine brillante Rhetorik hilft genau dabei. Daher geht es im<br />

zweiten Punkt des <strong>MagnetPrinzip</strong>s darum, aus einer Vielfalt an sprachlichen<br />

Reaktionsmustern auswählen zu können.<br />

Sprachliche Brillanz<br />

Es gibt viele Experten, die fachlich wirklich gut sind – und doch keine<br />

guten Verkäufer, da sie ihr Wissen nicht ver<strong>mit</strong>teln können. Sie kennen<br />

zwar alle Fakten über ihr Produkt oder ihre Dienstleistung, wenn sie aber<br />

versuchen, sie einem Nichtprofi zu erklären, verschwinden die wichtigen<br />

Punkte im fachchinesischen Detail-Dschungel, oder die fachliche Stärke<br />

schwindet bei der unbeholfenen Reaktion auf den ersten Einwand.<br />

Um <strong>mit</strong> der eigenen natürlichen Autorität gut an andere andocken<br />

zu können, braucht man in jeder Situation die passende Rhetorik und<br />

das Wissen darüber, wie man Produktinformationen oder Verhandlungsargumente<br />

aufbaut. Um magnetische Wirkung zu entfalten, benötigen<br />

Sie sprachliche Brillanz. Dazu gehört, die Grundlagen der Wirkung der<br />

Sprache zu verstehen und einzusetzen. Falls eine Verhandlung einmal<br />

nicht so läuft wie gewünscht, lohnt es sich, verschiedene Möglichkeiten<br />

im Kopf zu haben, um konstruktiv auf Eskalationen reagieren zu können.<br />

Eine gut gefüllte Schatzkiste voller Verhandlungsstrategien rundet die<br />

eigenen Fähigkeiten ab.<br />

Sprache ist Wirkung. Jedes Wort führt zu einer Wirkung bei Ihrem<br />

Gegenüber, und zwar ständig. Dessen sollten Sie sich immer bewusst<br />

sein. Folgen Sie <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong>, können Sie diese verstehen und<br />

lernen, sie so einzusetzen, dass Ihre Wirkung kein Zufall mehr bleibt.<br />

21


Gerade in emotionaler werdenden Gesprächen benötigten Sie verschiedene<br />

Eskalationsstufen, um die Diskussion immer wieder in ruhigeres<br />

Fahrwasser zurückzuführen und dadurch den Verhandlungsablauf<br />

bewusst zu steuern. Mit den Eskalationsstufen können Sie Ihre Rhetorik<br />

flexibel einsetzen und in jeder Situation angemessen antworten. Da<strong>mit</strong><br />

bekommen Sie auch mehr Wahlmöglichkeiten in Ihrem Verhalten, um<br />

gekonnt zu agieren – statt nur impulsgesteuert zu reagieren.<br />

Je nach<strong>dem</strong>, wie schwierig eine Verhandlung ist, muss man <strong>mit</strong> allen<br />

Wassern gewaschen sein, wenn es um mehr oder weniger manipulative<br />

Techniken geht. Denn natürlich gibt es auch Tipps und Tricks, die in Verhandlungen<br />

die eigene Position stärken, ohne dass Argumente dabei<br />

eine Rolle spielen. Die eigene Schatzkiste <strong>mit</strong> Verhandlungsstrategien<br />

sollte daher gut gefüllt sein. Wenn Sie wissen, welche Tricks verwendet<br />

werden, können Sie fiese Machenschaften Ihres Gegenübers erkennen<br />

und sich selbst stets gut präsentieren.<br />

Nachhaltiges Denken<br />

Aus meiner Sicht sind die Zeiten des »harten Verkaufens« vorbei. Verhandlungen,<br />

in denen beide Parteien stur auf ihrer Position beharren,<br />

verhärten die Fronten und machen weitere Gespräche oft schwer. In<br />

Zeiten des Internets und der allgegenwärtigen Bewertung auf Portalen<br />

wie ProvenExpert oder XING sind die Kunden aufgeklärt und <strong>mit</strong>unter<br />

auch kritisch. Eine weichere Verhandlungsform, die beiden Seiten Raum<br />

lässt, ist daher der erstrebenswerte Weg.<br />

Das nachhaltige Denken beinhaltet, jeden Handlungsschritt auf eine<br />

dauerhafte Kundenbeziehung auszurichten. Dafür benötigt man ein<br />

echtes Interesse am Gegenüber und dessen Bedürfnissen, um die Einstellung<br />

in Gesprächen auf Lösungen zu fokussieren, die beiden Seiten<br />

nutzen.<br />

22<br />

Als langfristig gesuchter Gesprächspartner, der über Jahre hinweg<br />

als professioneller Ansprechpartner gefragt ist, werden Sie nur wahrgenommen,<br />

wenn Sie sich konsequent an den Interessen und Bedürfnissen<br />

Ihrer Kunden oder Geschäftspartner orientieren.<br />

Denn nur wer die Ziele des anderen versteht und versucht, für diese<br />

Ziele Lösungen zu finden, wird eine Beziehung aufbauen können, die<br />

dauerhaft Bestand hat. Haben Sie den Bedarf Ihres Gegenübers verstanden,<br />

haben Sie die Grundlage dafür gelegt, gemeinsame Lösungen zu<br />

schaffen.<br />

In<strong>dem</strong> Sie Lösungen für beide Seiten entwickeln, sorgen Sie für Gespräche<br />

auf Augenhöhe, die für beide Seiten faire Ergebnisse zulassen.<br />

Wenn Sie nicht nur in der Kundenberatung tätig sind, sondern sich Ihr<br />

Arbeitsfeld auch um Verhandlungen <strong>mit</strong> gleichberechtigten Gesprächspartnern<br />

dreht, ist es umso wichtiger, die Vorteile beider Seiten im Auge<br />

zu behalten. Die Beziehungen werden nur von Dauer sein, wenn für die<br />

Bedürfnisse aller Parteien Lösungen gesucht werden oder im besten Fall<br />

auch mehrere Lösungsalternativen entwickelt werden.<br />

Da<strong>mit</strong> Geschäftsbeziehungen langfristig erfolgreich sind, gibt es eine<br />

Grundvoraussetzung: Wir wollen als gleichberechtigte Partner agieren.<br />

Wir wollen keinen Kampf, aber Klarheit, wir wollen uns auch niemals<br />

kleinmachen oder über den anderen erheben, sondern auf Augenhöhe<br />

unsere Dienstleistung oder unser Produkt zu einem fairen Preis verkaufen.<br />

Die Konzentration liegt darauf, für beide Seiten Lösungen zu finden,<br />

welche die jeweiligen Bedürfnisse erfüllen.<br />

Um dies zu erreichen, gilt es, die Höhen und Tiefen während einer<br />

Verhandlung erkennen und steuern zu können. Dieses Buch ist entlang<br />

der Phasen einer Verhandlung aufgebaut. Und die Kompetenzen, die<br />

diesen Magnetismus ausmachen, sind an den passenden Stellen hineingewoben.<br />

23


Die Phasen einer<br />

Verhandlung


Wir haben festgestellt: Verhandlungen finden permanent statt, egal ob<br />

im Arbeitsalltag oder im privaten Umfeld. Als Profis wollen wir das natürlich<br />

professionell gestalten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden<br />

und zu lernen, wo genau Sie die in der Einführung angesprochene magnetische<br />

Anziehungskraft aufbauen, schauen wir uns in diesem Kapitel<br />

das Phänomen »Verhandlung« genauer an.<br />

Jedes Gespräch, jede Verhandlung lässt sich in unterschiedliche<br />

Phasen aufteilen, und jede dieser Phasen hat einen Sinn, eine eigene<br />

Bedeutung. Am Ende sollen die beiden Verhandlungspartner nicht nur<br />

zufrieden sein, sondern es soll auch der Boden für eine weitere Zusammenarbeit<br />

geebnet sein. Auch als langfristiger Verhandlungspartner<br />

möchten Sie jedoch möglichst viele Ihrer Ziele erreichen. Um diesen<br />

scheinbaren Widerspruch aufzulösen, ist es wichtig, das eigene Verhalten<br />

während des gesamten Verhandlungsprozesses bewusst und<br />

geschickt zu steuern, denn Ihr Verhalten wirkt un<strong>mit</strong>telbar auf die Reaktionen<br />

Ihres Verhandlungspartners. Die Reaktion des einen Verhandlungspartners<br />

hängt von der des anderen ab. Und da<strong>mit</strong> Sie im Gespräch<br />

die Führungsrolle einnehmen und natürliche Autorität ausstrahlen können,<br />

ist es wichtig, die verschiedenen Phasen bewusst zu steuern. In<br />

der Folge werden Sie die einzelnen Phasen einer Verhandlung im Detail<br />

kennenlernen.<br />

Phasen der Verhandlung<br />

Spontan denken viele Menschen, eine Verhandlung sei das Feilschen<br />

um den Preis, in <strong>dem</strong> nur der abschließende Händedruck zählt. Doch<br />

das ist viel zu kurz gesprungen. Ob Sie ein für sich erfolgreiches Geschäft<br />

abschließen und ob Sie einen Kunden zufriedenstellen, der auch<br />

in Zukunft <strong>mit</strong> Ihnen im Geschäft bleiben möchte, entscheidet sich schon<br />

viel früher und geht gleichzeitig über die reine Preisverhandlung hinaus.<br />

Diesen Gesamtprozess einer Verhandlung kann man in die folgenden<br />

Phasen einteilen:<br />

26<br />

• Vorbereitung<br />

• Gesprächseinstieg<br />

• Informationsaustausch<br />

• eigentliche Verhandlung<br />

• Abschluss<br />

Schon bevor Sie Ihren Gesprächspartner das erste Mal sehen, können<br />

Sie viel für das Gelingen Ihrer Kundenbeziehung unternehmen. Die<br />

gute Vorbereitung auf ein Gespräch ist das A und O. Oft wird diese erste<br />

Phase der Verhandlung unterschätzt, weil sie noch ohne Gesprächspartner<br />

stattfindet. Oder man beschäftigt sich aus Zeitmangel nicht<br />

ausreichend <strong>mit</strong> der anstehenden Situation. Dennoch: In der Verhandlung<br />

ist man darauf angewiesen, seine Energie auf die spontan anfallenden<br />

Themen zu richten. Zu diesem Zeitpunkt wird keine Zeit mehr<br />

sein, zum Beispiel die eigenen Argumente in eine logische Reihenfolge<br />

zu bringen. Einen wesentlichen Vorsprung können Sie erzielen, wenn<br />

Sie diese Phase nutzen, sich inhaltlich, sprachlich und mental vorzubereiten.<br />

Mit der Magie des ersten Augenkontakts zum Kunden beginnt der<br />

Gesprächseinstieg, den man auch als Sympathiephase bezeichnen<br />

kann. Die wesentlichen Handlungen sind hier die Begrüßung und der<br />

Small Talk. Was sich aus strategischer Sicht dahinter verbirgt, ist das<br />

Abstecken des Gesprächsrahmens. Der Gesprächseinstieg endet, wenn<br />

die Unterhaltung sich <strong>dem</strong> eigentlichen Thema zuwendet und da<strong>mit</strong> die<br />

Phase »Informationsaustausch« beginnt.<br />

Im Informationsaustausch geht es nicht mehr primär um das Zwischenmenschliche,<br />

ab jetzt stehen die Sachthemen im Vordergrund. Ziel<br />

dieser Phase ist, den Bedarf des Kunden gut zu verstehen. Ehrliches Interesse<br />

und die richtige Fragetechnik schaffen die Grundlage für das passende<br />

Angebot. In der Vorstellung des Angebots braucht es dann noch<br />

gut aufbereitete Argumente, um das eigene Produkt ins rechte Licht zu<br />

rücken.<br />

27


Nun erst schließt sich die eigentliche Verhandlung an. Aufkommende<br />

Einwände werden hier geklärt oder die möglicherweise strittigen<br />

Punkte im Detail ausgehandelt.<br />

In der folgenden Abschlussphase gilt es, noch ein endgültiges Ja<br />

oder eine Unterschrift unter Ihren Vertrag zu bekommen.<br />

Nicht immer ist es einfach oder möglich, konsequent in diesen Phasen<br />

zu bleiben. Oft hören Verkäufer sofort Fragen wie: »Was kostet das<br />

bei Ihnen …?« Doch gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten ist es<br />

wichtig, <strong>dem</strong> Ablauf »Bedarf – vor Angebot – vor Preis« zu folgen. Anders<br />

ausgedrückt: Zuerst muss <strong>dem</strong> Kunden sein Problem klar sein, danach<br />

müssen Sie <strong>dem</strong> Kunden seinen Nutzen in der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Ihnen<br />

aufzeigen, und erst danach ist der Preis das Gesprächsthema. Vor<br />

diesen drei Punkten steht unbedingt der Aufbau des Vertrauens durch<br />

freundlichen und direkten Blickkontakt. Nur wenn das Vertrauen groß<br />

ist, ist es sinnvoll, Probleme oder Nutzen oder Preise anzusprechen.<br />

Wenn der Kunde Ihnen vertraut, sind Sie <strong>mit</strong> Ihren Argumenten und Preisen<br />

erfolgreich.<br />

Ein Verhandlungsablauf ist also komplex. Und die Unterscheidung<br />

der verschiedenen Phasen hilft, das Gespräch trotz dieser Vielfältigkeit<br />

gut zu steuern. Lassen Sie uns in den nächsten Kapiteln daher die verschiedenen<br />

Phasen eines Verhandlungsgespräches genau beleuchten.<br />

1 Vorbereitung<br />

»Angst ist der Preis für schlechte verbale,<br />

inhaltliche oder mentale Vorbereitung.«<br />

Warum ist eine gute und<br />

ausführliche Vorbereitung sinnvoll?<br />

Viele Menschen gehen <strong>mit</strong> einem schlechten Bauchgefühl in eine Verhandlung.<br />

Mit einem unguten Gefühl wird es aber sehr schwer, selbstbewusst<br />

aufzutreten, denn der entspannte und selbstbewusste Auftritt<br />

entscheidet über die eigene Wirkung. Um sich in Verhandlungen gut gewappnet<br />

zu fühlen, kann man jedoch eine Menge tun. Ein Top-Leichtathlet<br />

bereitet sich am Wettkampftag bis zu zwei Stunden intensiv auf einen<br />

Wettkampf vor. Er läuft sich warm, er dehnt seine Muskeln, im Geiste<br />

geht er den vor ihm liegenden Wettkampf durch. Wenn er dann das Stadion<br />

betritt und auf die Gegner trifft, ist er bereits zu 100 Prozent in seiner<br />

Kraft. Die wichtigste Regel lautet daher: Der Wettkampf beginnt vor<br />

<strong>dem</strong> Betreten der Wettkampfarena. Und auch im Geschäftsleben kann<br />

man für den Ausgang der Verhandlung viel tun, bevor die Verhandlungsarena<br />

betreten wird. Statt die körperlichen Muskeln aufzuwärmen, gilt<br />

es, sich vor Verhandlungen inhaltlich, mental und sprachlich warmzulaufen.<br />

Schon im Vorfeld kann man die Verhandlung vor seinem geistigen<br />

Auge durchspielen und sich gedanklich auf verschiedene Punkte<br />

vorbereiten. In Verhandlungen sind das die folgenden drei Aspekte:<br />

• Ihre (klaren) Ziele und Argumente,<br />

• die (unterstellte) Position der Gegenseite und die<br />

• eingesetzte Verhandlungsstrategie und Rhetorik.<br />

28<br />

29


Ihre klaren Ziele und Argumente<br />

Dass Sie sich in Ihrer Produktwelt auskennen sollten wie in Ihrer Westentasche,<br />

versteht sich von selbst. Ein fundiertes Produktwissen ist die<br />

Grundvoraussetzung dafür, dass Ihr Kunde, auch bei Nachfragen, Vertrauen<br />

in Ihre Kompetenz bekommt. Ein Teil Ihrer magnetischen Wirkung<br />

entsteht, weil Sie topfit in Ihrem Produkt sind.<br />

Sicher sind manche Produkte heutzutage sehr komplex und umfangreich<br />

aufgebaut, oder es gibt Unwägbarkeiten bei Ihrem Produkt. Und<br />

es ist auch für Kunden nachvollziehbar, wenn Sie zum Beispiel als Versicherungsagent<br />

Detailfragen in den Versicherungsbedingungen nachlesen<br />

müssen oder als Verkäufer einer Immobilie erst in den Bauplänen<br />

nachsehen müssen, ob eine ganz bestimmte Wand eingerissen werden<br />

kann. Doch sollten Sie die Unterlagen, in denen Sie diese Antworten<br />

finden, schnell zur Hand haben. Solche Unterlagen, die als Back-up im<br />

Gespräch von Vorteil sein könnten, sollte man dabeihaben und sollte<br />

zum Beispiel Markierungen anbringen, um sich darin schnell zurechtzufinden<br />

– auch dies gehört zu einer guten Vorbereitung. Ebenso wichtig<br />

ist, bei einfachen Formulierungen zu bleiben, die jeder versteht. Es ist<br />

nicht Ihr Job, Kunden zu Experten auszubilden oder <strong>mit</strong> möglichst vielen<br />

Fremdwörtern zu brillieren. Sprechen Sie in einer zu Ihrem Gegenüber<br />

passenden Sprache und bringen Sie die Argumente, die wichtig sind.<br />

Wie Sie Ihre Argumente klar und deutlich aufbauen beziehungsweise<br />

strukturieren, lesen Sie in Kapitel 3: »Das Angebot präsentieren«.<br />

Bei Ihrer Zielfindung sollten Sie Ihr Maximalziel, Ihr Minimalziel sowie<br />

Ihre beste Alternative berücksichtigen und Ihre Argumente für jede<br />

dieser Möglichkeiten klar formulieren.<br />

Das Wichtigste zuerst: Welches ist Ihr Maximalziel, also Ihr Traumziel?<br />

Wenn Sie so erfolgreich wie nur möglich in der Verhandlung wären,<br />

wie sähe dann das Ergebnis aus? Es schadet nicht, groß zu denken. Behalten<br />

Sie Ihr maximales Ziel klar im Blick, wenn Sie es erreichen wollen.<br />

30<br />

Formulieren Sie es vor der Verhandlung für sich aus. Überlegen Sie genauso,<br />

wie Ihr Minimalziel aussehen kann. Bis wohin gehen Sie <strong>mit</strong>, ab<br />

wann steigen Sie aus der Verhandlung aus? Das ist besonders wichtig,<br />

da<strong>mit</strong> Sie – wenn es in der Verhandlung möglicherweise heiß hergeht –<br />

nicht Zugeständnisse machen, die Sie später viel Geld kosten und Ihnen<br />

nichts bringen. Manche Menschen verhalten sich bei Verhandlungen<br />

wie auf einer Auktion. Wenn der Jagdinstinkt erst einmal geweckt ist,<br />

sind sie bereit, jeden Preis zu zahlen. Umgekehrt gilt das für manche<br />

Verkäufer auch. Ist der Kunde erst einmal da, sind sie schnell zu vielen<br />

Zugeständnissen bereit. Gern können Sie Kunden entgegenkommen,<br />

aber auf keinen Fall zu früh – und wenn, dann verkaufen Sie dies auch<br />

positiv an den Kunden.<br />

Praxisfall:<br />

In Köln begleitete ich einmal einen Vermieter einer gewerblichen Mietfläche<br />

zu einem Gespräch <strong>mit</strong> seinem Mieter. Im anstehenden Gespräch<br />

waren viele Punkte zu verhandeln. Ein Ass im Ärmel des Vermieters war,<br />

dass die Fenster des gesamten Gebäudes, wie vom Mieter gewünscht,<br />

in der Firmenfarbe gestrichen werden konnten. Wir sprachen vorher ab,<br />

dass er diesen Punkt – immerhin 4000 Euro Verhandlungsmasse – erst<br />

erwähnt, wenn einer der anderen Punkte auf der Verhandlungsliste zulasten<br />

des Mieters ansteht. Was passierte? Wir betraten den Konferenzraum,<br />

beide Partner begrüßten sich, das heißt, wir waren noch in der<br />

Phase »Gesprächseinstieg«, und im zweiten Satz sagte der Vermieter:<br />

»Die Fenster streiche ich Ihnen übrigens in Ihrer Firmenfarbe.« Und ging<br />

zu einem anderen Thema über. Ich fragte den Vermieter später, ob er<br />

denn zumindest eine positive Reaktion auf sein Entgegenkommen erhalten<br />

hätte. Nicht einmal das war der Fall gewesen. Der Mieter – hier<br />

der stärkere Verhandlungspartner – nahm das Geschenk gerne an und<br />

ging in den weiteren Verhandlungen nicht mehr darauf ein.<br />

31


Behalten Sie Ihre Asse immer so lange im Ärmel, bis es wirklich sinnvoll<br />

ist, sie auszuspielen – schenken Sie nichts einfach so weg. Geben Sie<br />

gerne etwas »umsonst« ab – aber achten Sie auf den richtigen Zeitpunkt<br />

und darauf, dass Ihr Entgegenkommen geschätzt wird.<br />

Das Gesetz der Reziprozität, also der Gegenseitigkeit, ist ein Grundprinzip<br />

menschlichen Handelns. Es führt zu Ausgleich im menschlichen<br />

Miteinander und bedeutet: Gebe ich dir etwas, bekomme ich etwas von<br />

dir zurück. Verschenke ich etwas, wird der andere eher geneigt sein, mir<br />

in einem anderen Punkt entgegenzukommen. Dieses gemeinschaftliche,<br />

soziale Denken ist tief in uns verwurzelt. Wenn eine Verhandlung<br />

festgefahren ist, kann es daher durchaus sinnvoll sein, als Erster etwas<br />

zu geben, um Entgegenkommen zu signalisieren und wieder Fahrt aufzunehmen.<br />

Wofür wir allerdings sorgen müssen, ist, dass die andere Partei das<br />

Geschenk oder den gewonnenen Punkt in der Verhandlung auch wahrnimmt<br />

und wertschätzt.<br />

Sie sollten also Ihre Asse immer gut kennen. Falls Sie in der Verhandlung<br />

von Ihrem Maximalziel abweichen müssen, da<strong>mit</strong> das Geschäft<br />

zustande kommt oder die Verhandlung einen guten Lauf nimmt,<br />

ist es wichtig, die gegebenen Nachlässe im Auge zu behalten und sie am<br />

besten in der Kundenakte zu notieren, da<strong>mit</strong> Sie bei späteren Verhandlungsterminen,<br />

falls nötig, darauf zurückkommen können.<br />

Eine weitere wichtige Frage in der Vorbereitung ist, wie die beste<br />

Alternative aussieht, wenn die momentane Verhandlung scheitert.<br />

Weitere Möglichkeiten machen Sie unabhängiger davon, dass genau<br />

diese eine Verhandlung zwingend positiv enden muss. Es ergibt daher<br />

Sinn, auch über die beste Alternative nachzudenken. Bei zu vielen Zugeständnissen<br />

immer noch einen Plan B aus der Tasche ziehen zu können,<br />

gibt zusätzliche Sicherheit. Diese Sicherheit wird sich in der verbalen<br />

Durchsetzungskraft widerspiegeln und zu einem Auftreten führen, das<br />

authentisch wirkt.<br />

32<br />

Praxisbeispiel:<br />

Es gibt verschiedene Wege, in eine Verhandlung einzusteigen. Stellen<br />

wir uns vor, Sie wollen ein Fahrrad kaufen. Das Objekt Ihrer Begierde<br />

steht im Schaufenster eines Ladengeschäftes. Sie gehen hinein und<br />

sagen: »Also, dieses Rad schaue ich mir nun schon eine Weile an, es<br />

gefällt mir sehr gut!« Sie fahren es Probe, schauen verzückt und fragen<br />

dann nach einem Rabatt. Wie wird der Verkäufer reagieren?<br />

Wir sind uns einig – Ihre Chancen auf Rabatt stehen nicht gut. Alternativ<br />

kann die Szene auch so aussehen: Sie gehen in das Radgeschäft<br />

und sagen: »Ich schaue mich am Markt gerade nach einem passenden<br />

Rad für mich um. Im Internet habe ich bereits ein ähnliches Rad im Visier<br />

wie das, das in Ihrem Schaufenster steht. Vielleicht ist das Rad aus<br />

Ihrem Schaufenster ja auch etwas für mich. Wie hoch ist denn Ihr letzter<br />

Preis für dieses Rad? Das andere Rad kostet 200 Euro weniger als<br />

Ihres.« Ihre Chancen, dass Sie einen Rabatt bekommen, steigen.<br />

Nicht immer hat man eine Alternative, und manchmal muss man<br />

etwas länger darüber nachdenken, wie das beste Angebot aussehen<br />

könnte. Doch es lohnt sich, das zu tun. Wenn Ihnen keine annehmbare<br />

Alternative zu <strong>dem</strong> anvisierten Geschäft einfällt, dann ist auch das eine<br />

wichtige Erkenntnis. Denn dann ist es umso wichtiger, den Aufbau der<br />

eigenen Argumentation gut vorzubereiten oder die Verhandlungsposition<br />

auf anderen Wegen zu stärken.<br />

Ebenso kann es in manchen Fällen interessant sein, einen höheren<br />

Preis zu zahlen, als es bei <strong>dem</strong> Alternativangebot der Fall ist. Zum Beispiel,<br />

wenn der zusätzliche Aufwand, den die andere Alternative verursacht,<br />

die Mehrkosten der ersten Verhandlung übersteigt. Das kann der<br />

Fall sein, wenn Sie schon viel Zeit in die Vorbereitung investiert haben<br />

oder wenn Sie in die neue Alternative Zeit investieren müssen, die Sie<br />

nicht haben. In unserem Beispiel des Radkaufes wollen Sie vielleicht am<br />

nächsten Wochenende eine Radtour <strong>mit</strong> Ihren Freunden unternehmen.<br />

33


Würden Sie das günstigere Rad im Internet kaufen, lägen nicht nur mindestens<br />

zwei Tage dazwischen, bis es bei Ihnen ist, sondern auch den<br />

Zusammenbau müssten Sie selbst übernehmen. In der Folge müssten<br />

Sie sich für den schon in zwei Tagen geplanten Radausflug ein Mietrad<br />

besorgen, was wiederum <strong>mit</strong> zeitlichem Aufwand und Kosten verbunden<br />

wäre. So kann es gut sein, dass Sie die vermeintlich teurere Alternative<br />

wählen, da Sie wissen, dass Sie nicht nur viel mehr Spaß daran haben<br />

werden, <strong>mit</strong> Ihrem eigenen Rad auf die Radtour zu gehen, sondern auch<br />

ein von einem Profi aufgebautes und daher sicheres Fahrrad zu schätzen<br />

wissen.<br />

Die Position der Gegenseite<br />

Wer die Position der Gegenseite gut kennt, kann dies in Verhandlungen<br />

für sich nutzen. Wer die Wünsche und Nöte des anderen voraussehen<br />

kann, ist in der Lage, seine Argumentation auf das Gegenüber abzustellen,<br />

da<strong>mit</strong> die eigenen Argumente auf fruchtbaren Boden fallen. Auch<br />

um sich selbst verbal auf mögliche Einwände vorzubereiten, ist es wichtig,<br />

die Position der Gegenseite zu erahnen. Je mehr man über seinen<br />

Verhandlungspartner weiß, umso besser kann man sich vorab die richtigen<br />

Argumente zurechtlegen.<br />

Praxisbeispiel:<br />

Nehmen wir an, ein Geschäftsmann möchte in seinen Handwerksbetrieb<br />

investieren und dafür einen Kredit aufnehmen. Und lassen wir uns darauf<br />

ein, mögliche Gedanken beider Parteien – der Bank und des Geschäftsmannes<br />

– einmal nachzuvollziehen, wenn es um die Kreditaufnahme<br />

geht. Wie denken die beiden Parteien?<br />

Die Gedanken des Bank<strong>mit</strong>arbeiters werden ungefähr so sein:<br />

34<br />

• Die Zinsen sind so niedrig, da ist es schwer, eine gute Marge<br />

reinzuholen.<br />

• Die internen Ratingsysteme machen mir das Leben schwer.<br />

• Wenn ich nicht die richtige Marge erreiche, dann muss ich das<br />

vor meinem Chef rechtfertigen.<br />

• Ich habe schon Zeit investiert, jetzt hätte ich das Geschäft auch<br />

gern.<br />

Der Geschäftsmann wird wahrscheinlich denken:<br />

• Die Margen der Kreditinstitute sind eh zu hoch.<br />

• Die Sicherheitssystematik der Bank ist zu streng.<br />

• Für die Rentabilität meiner Investition brauche ich gute Konditionen.<br />

• Gern hätte ich die Finanzierung gesichert und spare mir die Zeit,<br />

weiterzusuchen. Das kann doch nicht so kompliziert sein.<br />

Beide Parteien denken über ähnliche Themen nach, nämlich über die<br />

Marge, das Ratingsystem und die bereits investierte Zeit. Allerdings<br />

ziehen sie komplett andere Schlüsse. An solchen Stellen treffen Welten<br />

aufeinander. Die Verantwortung, die verschiedenen Standpunkte zusammenzuführen<br />

und zu erklären, hat der Berater. Dementsprechend<br />

ist es für ihn wichtig, sich vorab über die Position der Gegenseite Gedanken<br />

zu machen.<br />

Zur Vorbereitung kann er sich die folgenden Fragen stellen:<br />

• Welche Ziele hat die Gegenseite?<br />

• Welche Gegenargumente werden kommen? Welchen Nutzen hat<br />

die Gegenseite von <strong>dem</strong> Geschäft?<br />

Darauf kann er dann <strong>mit</strong> seinen Argumenten aufbauen. Detailliert wird<br />

das in Kapitel 3 (»Angebotsphase«) thematisiert.<br />

35


Verhandlungsstrategie und Rhetorik<br />

Nach<strong>dem</strong> die eigenen Verhandlungsziele definiert sind und die Einschätzung<br />

der Gegenseite erfolgt ist, kann die Verhandlungsstrategie<br />

festgelegt werden, denn Argumente sind wichtig, aber nicht alles. Genauso<br />

wichtig ist, Verhandlungsstrategien zu kennen und zu wissen,<br />

welche unbewussten Wirkungsmechanismen in Verhandlungen zum<br />

Einsatz kommen. Vielleicht ist es Ihnen auch schon so ergangen, dass<br />

Sie in einer Verhandlung zwar alle Argumente auf Ihrer Seite hatten,<br />

aber trotz<strong>dem</strong> kein befriedigendes Ergebnis erzielen konnten. Wenn das<br />

passiert, liegt es oft daran, dass die Verpackung der Argumente nicht<br />

stimmte. Wer sich nur auf die Argumente verlässt, beraubt sich wichtiger<br />

Grundlagen für den Erfolg, zum Beispiel der, dass es für alles einen<br />

richtigen Zeitpunkt gibt.<br />

Die Strategie sollte vorbereitet sein, bevor Sie in die Verhandlung<br />

gehen. In der Verhandlung selbst haben Sie dadurch immer wieder eine<br />

Leitlinie parat, in welche Richtung Sie den Verlauf des Gesprächs steuern<br />

müssen, um Ihr Ziel zu erreichen. Die Strategie ist der konkrete Weg,<br />

der Sie zum Ziel führen soll.<br />

Bei der strategischen und rhetorischen Vorbereitung geht es um Aspekte<br />

wie:<br />

• die Übernahme der Führung und Steuerung des Gesprächs<br />

• Ihre Wirkung als Person (siehe Kapitel 2: »Gesprächseinstieg«)<br />

• die Verhandlungspersönlichkeit Ihres Gesprächspartners (siehe<br />

Kapitel 6: »Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen Menschentypen«)<br />

• den geschickten Aufbau einer Argumentation und den klugen<br />

Umgang <strong>mit</strong> Ihren Argumenten (siehe Kapitel 3: »Angebot«).<br />

Des Weiteren können Sie auf der Basis Ihrer grundlegenden Einschätzung<br />

der bevorstehenden Verhandlungssituation auch schon überlegen,<br />

36<br />

welche Methoden möglicherweise hilfreich sein könnten (siehe Kapitel 7:<br />

»Die rhetorische Schatzkiste« und Kapitel 2: »Professioneller Gesprächseinstieg«).<br />

Die eigene Einstellung: Gewonnen wird im Bauch<br />

Wie schafft es ein Verkäufer, Menschen emotional zu berühren? Durch<br />

sein Auftreten, seine persönliche Ausstrahlung und sein Einfühlungsvermögen.<br />

Menschen kaufen zuerst die Emotionen des Verkäufers und<br />

danach die klaren Angebotsvorteile.<br />

Wenn Sie Emotionen wecken möchten, müssen also zuerst Sie als<br />

Verkäufer für Ihre Sache brennen. Ihr Lächeln, Ihre Einstellung zu Ihrem<br />

Produkt kann ein Kunde hören, sehen und fühlen. Und Ihre Emotionen<br />

sind ansteckend! Genau das macht einen wichtigen Teil Ihrer magnetischen<br />

Anziehungskraft aus.<br />

> > > > > > EXKURS > >> >> > ><br />

Spiegelneuronen<br />

Rein zufällig stieß eine italienische Forschergruppe um Giacomo Rizzolatti<br />

1996 auf die Spiegelzellen. An der Universität Parma erforschte<br />

das Physiologenteam an Schimpansen, wie Handlungen im Gehirn geplant<br />

und umgesetzt werden. Den Wissenschaftlern ging es ursprünglich<br />

darum, herauszufinden, welche Nervenzellen bei einem Schimpansen<br />

aktiv werden, wenn er nach einer Nuss greift. Als die Forscher<br />

dies <strong>mit</strong> ihren Geräten messen wollten, machten sie eine sensationelle<br />

Entdeckung, denn die Nervenzellen sandten nicht nur Signale aus,<br />

wenn der Affe selbst nach einer Nuss griff, sondern auch, wenn das<br />

Tier beobachtete, wie ein Team<strong>mit</strong>arbeiter die gleiche Handlung aus-<br />

37


führte. Die Nervenzellen des Affen reagierten genauso, als hätte er<br />

selbst nach der Nuss gegriffen. Das Gesehene wurde im Gehirn des<br />

Schimpansen »gespiegelt«. Daher der Name Spiegelneuronen. Seit<br />

diesem Zeitpunkt gibt es auch eine wissenschaftliche Erklärung dafür,<br />

warum wir zum Beispiel gähnen müssen, wenn andere Menschen gähnen,<br />

oder wieso wir zusammenzucken, wenn wir sehen, wie ein anderer<br />

Schmerzen erleidet. Die Spiegelneuronen in unserem Gehirn sind<br />

ein Resonanzsystem, das Gefühle und Stimmungen anderer Menschen<br />

sieht und fühlt.<br />

Jetzt kommt die Krux: Die Spiegelneuronen funktionieren immer,<br />

und zwar unbewusst. Sie dechiffrieren Körpersprache, ohne dass das<br />

Bewusstsein darüber nachdenken muss. Egal, ob es Freude oder Ärger<br />

ist: Wir stecken uns <strong>mit</strong> fremden Gefühlen an wie <strong>mit</strong> einem Grippevirus.<br />

In uns kommen die gleichen Gefühle zum Schwingen, die unser<br />

Gegenüber fühlt. Die Gefahr, dass die schlechte Laune des Verkäufers<br />

unbewusst bemerkt wird, ist also groß. Mit einer schlechten Ausstrahlung<br />

verkauft es sich nicht gut, denn die unbewusst wahrgenommenen<br />

Gefühle des Verkäufers werden genauso unbewusst auf das Produkt<br />

übertragen. Menschen verhandeln lieber <strong>mit</strong> freundlichen Menschen<br />

und in angenehmer Atmosphäre. Und wenn Sie magnetische Anziehungskraft<br />

entwickeln wollen, dann müssen Sie in der Lage sein, eine<br />

angenehme Gesprächsatmosphäre herzustellen.<br />

> > > > > > > >> > > >> >> > > ><br />

38<br />

In meinen Seminaren trainieren die Teilnehmer an einzelnen Fallstudien.<br />

Wenn wir hinterher die Situation analysieren, stellen wir oft fest, wie<br />

stark sich die Teilnehmer in die Verhandlungssituation hineinsteigern<br />

konnten und was bei ihnen oder ihrem Verhandlungspartner Wut oder<br />

Aggression ausgelöst hat. Je aufgebrachter die beiden Gesprächspartner<br />

sind, umso eher endet die Verhandlung in einer Sackgasse oder in<br />

einem angedrohten Rechtsstreit und da<strong>mit</strong> ohne Einigung. Die Teilnehmer<br />

kommen dann zu der Erkenntnis, dass der zentrale Faktor für das<br />

Scheitern die Emotionen sind. Das Problem liegt darin: Verhandlungsteilnehmer<br />

konzentrieren sich in der Regel auf Strategien, die eigenen<br />

Argumente und das Entkräften der Gegenargumente. Sie achten nicht<br />

ausreichend darauf, wie sich Emotionen auf den Verhandlungsverlauf<br />

auswirken. Dabei entscheiden Gefühle über Erfolg oder Misserfolg einer<br />

Verhandlung.<br />

Wir können in Verhandlungen Emotionen spüren oder zeigen. Sei es<br />

Begeisterung, Angst, Wut oder Bedauern: Jedes geäußerte oder unterschwellig<br />

präsente und über Mimik, Gestik oder Körpersprache transportierte<br />

Gefühl beeinflusst das Verhandlungsergebnis. Daher sollten<br />

Sie die für Verhandlungssituationen typischen Emotionen vor Augen<br />

haben und im Blick behalten, welche Reaktionen Sie bei der Gegenseite<br />

hervorrufen. Dann können Sie geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese<br />

Gefühlsregungen zu steuern.<br />

Ängstlichkeit schwächt Ihre Verhandlungsposition. Ärger oder Zorn<br />

verstärken die Neigung, dass Angebote abgelehnt werden. Emotional<br />

geladene Menschen sind weniger in der Lage, sich auf ihre Ziele und Interessen<br />

zu besinnen oder ein Angebot zu beurteilen. Sie wollen ihrem<br />

Ärger Luft machen oder im Eifer des Gefechts <strong>dem</strong> anderen persönlich<br />

schaden. Dann regiert das Ego und nicht die Sachlichkeit.<br />

Es gibt zwar Fälle, in denen die Wut tatsächlich zu besseren Ergebnissen<br />

führt. So zeigen Untersuchungen der Universität Amsterdam, dass<br />

wütende Verhandlungsteilnehmer mehr erreichen, wenn es um einmalige<br />

Käufe oder Verhandlungen geht. Doch das gilt eben nur, wenn es<br />

kaum Möglichkeiten gibt, über einen Kompromiss Mehrwert zu schaffen,<br />

und ergibt nur dann Sinn, wenn Sie eben keine langfristige Partnerschaft<br />

anstreben, sondern die Abneigung der Gegenseite bewusst in<br />

Kauf nehmen, um sich selbst einen kurzfristigen Vorteil zu verschaffen.<br />

39


Deshalb ist es in allen anderen Fällen intelligenter, aufsteigende negative<br />

Emotionen zu vermeiden. Es geht darum, sich als Verkäufer oder<br />

Berater schon vor <strong>dem</strong> Gespräch in ein gutes Gefühl zu versetzen, um<br />

sich emotional auf eine Verhandlung vorzubereiten. Das ist sicher nicht<br />

immer leicht, denn auch Verkäufer haben ein Leben, in <strong>dem</strong> nicht immer<br />

alles rundläuft, und schlechte Tage hat jeder einmal. Doch ist es wichtig,<br />

die eigene Leistungsstärke dann abrufbar zu haben, wenn sie gebraucht<br />

wird. Die gute Nachricht: Wir können auch das selbst steuern. Wir haben<br />

die Wahl, woran wir vor und während einer Verhandlung denken. Und<br />

die Einstellung, 100-prozentig präsent und achtsam zu sein und sich das<br />

Ziel zu setzen, <strong>mit</strong> seinen Gedanken weder in die Vergangenheit noch in<br />

die Zukunft abzuschweifen, hilft dabei.<br />

Stellen Sie sich doch vor <strong>dem</strong> Gespräch die folgenden Fragen:<br />

• Was sollte der Kunde als Empfehlungsgeber über mich sagen,<br />

wenn das Gespräch vorbei ist?<br />

• Welche Wirkung will ich hinterlassen?<br />

• Wie will ich mich während der Verhandlung fühlen?<br />

Tipp:<br />

Wie schaffen Sie es, sich in ein gutes Gefühl zu bringen? Nun, unser<br />

Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Gedanken. Es kennt<br />

diesbezüglich kein Zeitgefühl. Wenn wir beispielsweise an ein unangenehmes<br />

Erlebnis denken, dann schaffen wir es meist hervorragend,<br />

das Kopfkino so in Gang zu setzen, dass unsere negative Fantasie das<br />

Ruder übernimmt und immer schlimmere Zukunftsvisionen kreiert. Die<br />

eigene Stimmung wird dadurch nach und nach immer schlechter. Interessanterweise<br />

kennt so gut wie jeder diese unbewusste negative Gedankenspirale.<br />

Doch genau das funktioniert auch umgekehrt. Sie wollen<br />

souverän und gelassen wirken? Dann denken Sie vor <strong>dem</strong> Gespräch<br />

40<br />

darüber nach, wann Sie das letzte Mal souverän und gelassen waren.<br />

Malen Sie sich die alte Situation in allen Einzelheiten aus. An welchem<br />

Ort waren Sie zu dieser Zeit, welche inneren Bilder verknüpfen Sie da<strong>mit</strong>,<br />

wo in Ihrem Körper konnten Sie dieses Gefühl der Souveränität<br />

und Gelassenheit wahrnehmen? Spüren Sie diese positiven Aspekte<br />

bewusst in sich auf und bleiben Sie ein paar Minuten dabei. So können<br />

Sie Ihre guten Gefühle selbst entstehen lassen.<br />

Auch lächeln hilft. Normalerweise lächeln wir, wenn wir uns gut fühlen.<br />

Doch – was nur wenige Menschen wissen – das funktioniert auch andersherum.<br />

Der Körper verfügt über ein sogenanntes Körpergedächtnis. Das<br />

heißt, die Muskeln um unseren Mund herum wissen ganz genau: Wenn<br />

sie zu einem Lächeln angespannt werden, sind entsprechende Glückshormone<br />

im Blut unterwegs. Lächeln wir nun, ohne dass die Glückshormone<br />

bereits im Blut sind, signalisieren die Muskeln dies <strong>dem</strong> Hirn.<br />

Durch das bewusste Lächeln schüttet das Gehirn die noch fehlenden<br />

Glückshormone aus, und ein positives Gefühl stellt sich im Körper ein.<br />

Diesem Prinzip folgt auch der Trick mancher Verkäufer, sich einen Spiegel<br />

ins Büro zu hängen und vor <strong>dem</strong> Kundentermin sich selbst darin anzulächeln,<br />

um ihre positive Ausstrahlung gezielt zu aktivieren.<br />

Nach<strong>dem</strong> Sie nun viel über die mentale, inhaltliche und sprachliche<br />

Einstimmung gelesen haben, lassen Sie uns den Prozess weiterverfolgen<br />

und uns die erste Begegnung <strong>mit</strong> Ihrem Kunden oder Verhandlungspartner<br />

ansehen.<br />

41


2 Professioneller Gesprächseinstieg<br />

Sie fühlen sich nun gut vorbereitet und können es kaum erwarten, in die<br />

Verhandlung einzusteigen? Und wollen am liebsten gleich <strong>mit</strong> der Diskussion<br />

über die kontroversen Punkte anfangen? Doch wie Sie im vorangegangenen<br />

Kapitel schon gelesen haben, läuft unbewusst eine Menge<br />

ab, wenn sich zwei Menschen begegnen. Die Verhandlung fängt bereits<br />

beim ersten Aufeinandertreffen an. Genau diesen Moment wollen wir<br />

uns in der Folge weiter ansehen. Bei <strong>dem</strong> Gesprächseinstieg legen wir<br />

den Grundstein für die Wirkung des <strong>MagnetPrinzip</strong>s, denn hier klärt<br />

sich, wer die natürliche Autorität besitzt, die Führung des Gesprächs zu<br />

übernehmen.<br />

Zum Beginn der Begegnung findet sowohl die Klärung der Hierarchie<br />

statt wie auch eine erste Einschätzung zwischen den Verhandlungspartnern,<br />

ob sie sich gegenseitig als grundsätzlich vertrauenswürdig<br />

einstufen. Professionelle Berater oder Verkäufer sollten das Ziel haben,<br />

beide Faktoren zu lenken, und schon hier ihre natürliche Autorität unter<br />

Beweis stellen. Diese Phase beginnt <strong>mit</strong> der Begrüßung, die üblicherweise<br />

in einen Small Talk übergeht, danach werden die Eckdaten des<br />

Gesprächs abgesteckt. Sie endet, wenn Sie beginnen, über die Sache<br />

zu reden.<br />

Der erste Eindruck: Vertrauen schaffen<br />

42<br />

Viele Menschen unterschätzen den Moment der ersten Begegnung. Sie<br />

denken, es gehe vorerst nur darum, sich kennenzulernen, sich zu beschnuppern.<br />

Aber die erste Begegnung muss sitzen. Hier werden die<br />

Weichen für spätere Gespräche gestellt, denn unser Unterbewusstsein<br />

ist darauf programmiert, Menschen möglichst schnell einzuschätzen. In<br />

Verhandlungen ist das die Grundlage dafür, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit<br />

überhaupt entstehen kann. Deswegen beginnt dieser wichtige<br />

Teil der Verhandlung genau zu <strong>dem</strong> Zeitpunkt, an <strong>dem</strong> Sie sich zum<br />

ersten Mal sehen oder, wenn es ein Telefonat ist, hören.<br />

Warum? Ob Sie als vertrauenswürdig eingestuft werden oder nicht,<br />

entscheidet sich schon beim ersten Eindruck. Unser inneres Sinnessystem<br />

ist darauf ausgerichtet, in Sekundenschnelle zu überprüfen: Wer<br />

steht da vor mir? Freund oder Feind? Aus evolutionärer Sicht ist das ein<br />

sehr sinnvolles Werkzeug, da uns dieser schnelle Frühwarnmechanismus<br />

in die Lage versetzt, zu handeln, ohne nachzudenken, und so zum<br />

Beispiel schnell aus brenzligen Situationen zu fliehen.<br />

Die Zeit, die das Gehirn benötigt, den Impuls »Lauf um dein Leben«<br />

in die Beine zu schicken, da<strong>mit</strong> sich diese in Bewegung setzen, beträgt<br />

0,25 Sekunden. Und da<strong>mit</strong> ist zu erklären, dass auch die Zeit für den<br />

ersten Eindruck gerade einmal 0,25 Sekunden beträgt. So wirken bis<br />

heute – auch in Verhandlungen – uralte Überlebensmuster der Menschheit,<br />

die es zu beachten gilt. In dieser kurzen Zeit haben Sie gar nicht<br />

die Möglichkeit, kluge und intelligente Worte zu finden. In diesem kurzen<br />

Moment können Sie maximal bewirken, dass Ihr Gesprächspartner<br />

Ihnen ein erstes Grundvertrauen schenkt und Sie sympathisch findet.<br />

Sie können dafür sorgen, dass Sie auf <strong>dem</strong> Vertrauensbarometer Ihres<br />

Kunden Punkte gewinnen.<br />

Der »Harvard Business Manager« vom September 2013 schreibt<br />

dazu in einem Fachartikel, dass die moderne Verhaltensforschung zeigt,<br />

dass 90 Prozent unserer Wirkung von zwei Faktoren beeinflusst werden:<br />

Warmherzigkeit und Stärke.<br />

Zunächst überprüfen wir unbewusst, ob uns eine Person wohlgesinnt<br />

und warmherzig gegenübersteht, und danach, ob wir es <strong>mit</strong> einem<br />

43


durchsetzungsfähigen, erfolgreichen, also starken Partner zu tun haben.<br />

Man könnte auch sagen, zuerst fragen wir uns: Ist das ein Freund<br />

oder ein Feind? Und direkt danach: Wer von uns beiden ist der überlegene,<br />

der mächtigere, der durchsetzungsstärkere Mensch? Habe ich einen<br />

Gesprächspartner, der beides verkörpert, dann bringe ich ihm Vertrauen<br />

entgegen. Es sind die positive innere Einstellung und die Freundlichkeit,<br />

die anziehend wirken, gepaart <strong>mit</strong> der mentalen Ausgeglichenheit und<br />

<strong>dem</strong> authentischen Auftreten, welche die Stärke transportieren.<br />

Natürlich beinhaltet die beschriebene Stärke auch, fachlich und<br />

inhaltlich kompetent zu sein, doch aufgrund der Kürze des ersten Eindrucks<br />

kann das erst in den Minuten danach geprüft werden. Beim ersten<br />

Eindruck wird aufgrund der Körpersprache eine Einschätzung vorgenommen,<br />

ob es sich um einen Gesprächspartner handelt, der sein<br />

Fachgebiet beherrscht.<br />

Körpersprache<br />

Unsere Körpersprache ist davon abhängig, welche Gedanken, Gefühle<br />

und Einstellungen uns beherrschen. Sie reflektiert unseren Zustand<br />

nach außen. Sind wir traurig, lassen wir die Schultern hängen. Sind wir<br />

dagegen zufrieden <strong>mit</strong> uns selbst, gehen wir aufrecht und <strong>mit</strong> stolzgeschwellter<br />

Brust, wie der Volksmund sagt, durchs Leben. Unsere Körpersprache<br />

ist da<strong>mit</strong> der sichtbare Ausdruck unserer inneren, unsichtbaren<br />

Welt. Wer die Körpersprache zu lesen vermag, erhält Einblicke, wie sich<br />

sein Gegenüber gerade fühlt. Auch bewerten wir Menschen unbewusst<br />

nach ihrer Körpersprache. Ein mir nicht bekannter Verfasser sagte einmal:<br />

»Wir beurteilen Bücher nach ihrem Deckel und Menschen nach<br />

ihrem Aussehen.« Dies ist sogar in Studien nachgewiesen worden. Die<br />

bekannteste davon ist sicher die Studie von Albert Mehrabian. Er hat<br />

herausgefunden, dass beim ersten Eindruck die Wirkung zu 55 Prozent<br />

44<br />

von der Körpersprache inklusive Mimik, abhängt und zu 38 Prozent von<br />

der Stimme. Das sind zusammen rund 93 Prozent, die auf die nonverbale<br />

Wirkung zurückgehen. Nur 7 Prozent der Wirkung lassen sich von <strong>dem</strong><br />

Inhalt der ersten Worte beeinflussen. Das ist wahrlich nicht viel, aber<br />

verständlich, wenn man beachtet, dass der Körper ständig ungefähr 600<br />

Signale gleichzeitig sendet, die es zu deuten gilt. Da rückt die Sprache<br />

in den Hintergrund.<br />

Die Frage ist natürlich: Was sagen mir die Signale und welche Signale<br />

sende ich aus, um meine natürliche Autorität zu unterstreichen? Schauen<br />

wir uns die Wirkung der Körpersprache, der Mimik und der Stimme in den<br />

ersten Gesprächsminuten einmal an. In der westlichen Welt findet <strong>mit</strong><br />

<strong>dem</strong> Händedruck die erste physische Berührung des Gesprächspartners<br />

statt. Ein selbstsicherer Händedruck sollte eher fest als weich sein, da<br />

ein schlaffer Händedruck automatisch <strong>mit</strong> wenig Selbstbewusstsein und<br />

<strong>mit</strong> wenig Kraft verbunden wird. Gleichwohl sollte die Stärke des Händedrucks<br />

angenehm dosiert sein. Also fest, aber nicht so, dass er beim<br />

Gegenüber Schmerzen auslöst. Diesen Händedruck bekommen Sie automatisch<br />

hin, wenn Sie die ganze Hand ergreifen und nicht nur die Finger<br />

vorsichtig drücken. Greifen Sie also ruhig in die ganze Hand hinein. Zu<br />

diesem Händedruck gehört eine Körperhaltung, die <strong>dem</strong> Gesprächspartner<br />

zugewandt ist. Man steht sich gegenüber und hält trotz<strong>dem</strong> einen<br />

Mindestabstand ein. Die meisten Menschen wählen automatisch einen<br />

passenden Abstand. Vielleicht kennen Sie aber auch Menschen, die Ihnen<br />

im ersten Augenblick unangenehm nahe kommen. Sie wissen also,<br />

dass es sich für den anderen besser anfühlt, wenn Sie diese Intimzone<br />

nicht betreten. Dieser Wohlfühlabstand beträgt in der Regel eine Armlänge.<br />

Die Körperhaltung von selbstsicheren Menschen ist aufrecht und<br />

gerade. Sie verstecken sich nicht. Sie haben eine gute Grundspannung<br />

im Körper, die ihnen ein dynamisches Auftreten verleiht.<br />

In meinen Seminaren werde ich oft gefragt, welche Position für die<br />

Hände die richtige ist. Auch hier ist die Grundregel: Verhalten Sie sich<br />

45


möglichst offen und selbstbewusst. Die Hände haben in Hüfthöhe einen<br />

guten Platz. Wer eine Hand in der Tasche lässt, wirkt, als halte er noch<br />

etwas zurück oder verstecke etwas. Auch hinter <strong>dem</strong> Rücken haben die<br />

Hände nichts zu suchen. Eine Gestik in Hüfthöhe, die das Gesagte unterstreicht,<br />

ohne nervös zu wirken, ist die beste Lösung. Vielen Menschen<br />

liegt es nicht, beide Hände frei zu haben. Sie wissen dann schlichtweg<br />

nicht, wohin da<strong>mit</strong>. Wenn auch Sie es so empfinden, dann nehmen Sie<br />

doch Ihre eigenen Unterlagen in die Hand. Das hilft, die Hände anderweitig<br />

zu beschäftigen und dadurch einen besseren Stand zu haben.<br />

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass freundlicher Blickkontakt das<br />

Vertrauensbarometer in Verhandlungen deutlich steigen lässt. Man<br />

sagt: Die Augen sind der Spiegel der Seele. Die Magie des ersten Eindrucks<br />

kann daher durch freundlichen und festen Blickkontakt gestaltet<br />

werden. Auch innerhalb der Verhandlung investieren erfolgreiche<br />

Verhandler Zeit in einen weichen Blickkontakt, denn sie wissen, dass<br />

das in sie gesetzte Vertrauen dadurch steigt und Kunden eher geneigt<br />

sind, ihren Argumenten zu folgen. Da<strong>mit</strong> der oben bereits beschriebene<br />

Augenkontakt hergestellt werden kann, ist das Gesicht ebenfalls in<br />

Richtung des Gesprächspartners ausgerichtet. Nur so kann die Mimik<br />

auch gelesen werden. Zur Mimik zählen alle Bewegungen des Gesichts.<br />

Alle Gesichtsmuskeln erzeugen Mimik, und im Gegensatz zur Körpersprache<br />

lässt sich die Mimik nur schwer trainieren. Grundsätzlich kann<br />

man sagen, dass völlig fehlende Gesichtsbewegungen auf die meisten<br />

Menschen verunsichernd und unsympathisch wirken. Ist die Mimik zu<br />

ausladend, erweckt man leicht den Eindruck der Flatterhaftigkeit. Beides<br />

wollen Sie nicht. Ein freundliches Gesicht, bei <strong>dem</strong> der Mund leicht<br />

lächelt und die Augen interessiert schauen, wird von den meisten Menschen<br />

als angenehm empfunden.<br />

Bei der Stimme gilt, dass tiefe Klangfarben als angenehmer und seriöser<br />

eingestuft werden als hohe Stimmen. Hohe Stimmen sind auch ein<br />

Zeichen von Aufregung oder Stress, was erklärt, warum sonore Stimmen<br />

46<br />

eher für Vertrauen sorgen. Auch wenn man daran nur <strong>mit</strong> Stimmtraining<br />

etwas ändern kann, so kann man doch Folgendes beachten: Nicht wenige<br />

Menschen heben gerade bei der Begrüßung – sei es am Telefon oder<br />

persönlich – automatisch die Stimme an. Also leider genau dann, wenn<br />

es beim ersten Eindruck darauf ankommt. Wenn Sie zu diesen Zeitpunkten<br />

darauf achten, eher tief zu sprechen, haben Sie schon viel dafür getan,<br />

<strong>mit</strong> Ihrer Stimme zu begeistern.<br />

Muss die Körpersprache eigentlich trainiert werden? Wenn Sie Anziehungskraft<br />

für andere entwickeln wollen, ist die Körpersprache ein<br />

relevantes Medium. Dabei ist es allerdings wichtig, die emotionale<br />

Stimmigkeit zu beachten. Wie oben schon erwähnt, spricht Ihr Körper<br />

Ihre Gefühle aus. Sind Sie sehr selbstsicher in Gesprächen, dann ist die<br />

Körperposition von ganz allein die richtige. Sind Sie nicht selbstsicher,<br />

dann ist es natürlich am besten, die dahinterliegenden Gedanken und<br />

Glaubenssätze zu ändern und am eigenen Selbstvertrauen zu arbeiten.<br />

Die Körpersprache wird dann von alleine folgen. Da Sie Selbstsicherheit<br />

<strong>mit</strong> jeder Herausforderung und <strong>mit</strong> je<strong>dem</strong> Erfolg trainieren, können Sie<br />

den Weg auch umgekehrt – von außen nach innen – gehen und lernen,<br />

Ihren Körper wahrzunehmen und falsche Gewohnheiten abzustellen.<br />

Tipp:<br />

Achten Sie auch auf Ihren Kleidungsstil. Früher gab es in Unternehmen<br />

oft noch strenge Dresscodes. Es gab Banken, in denen nur Schwarz<br />

und Weiß als Kleidungsfarben erlaubt waren. Die Männer trugen immer<br />

Krawatte, und Frauen hatten im Rock zu erscheinen. Heute hat<br />

sich diese strenge Kleiderordnung weitgehend aufgelöst. Doch beim<br />

ersten Eindruck spielt auch die Kleidung eine entscheidende Rolle.<br />

Denn wo in der Kürze der Zeit unsere Fähigkeiten, die Intelligenz oder<br />

der erworbene Doktortitel nicht erkannt werden können, geben Sie <strong>mit</strong><br />

der Wahl Ihrer Kleidung Ihre Visitenkarte ab. Egal, ob der Anzug, das<br />

47


Kostüm, die Schuhe oder die Uhr am Handgelenk: Kleidung hat immer<br />

eine Signalwirkung, da sie Ihren Status repräsentiert. Und Status<br />

ist einer der Schlüsselreize bei der Beurteilung der Machtposition.<br />

Und nicht nur das: Unpassende Kleidung empfinden andere auch als<br />

Missachtung ihrer Person oder der Situation. Das wirkt sich negativ<br />

auf den ersten Eindruck aus. Auch ist die Gefahr groß, dass Ihr Gegenüber<br />

denkt: Wenn jemand nachlässig <strong>mit</strong> seiner Kleidung ist, ist er<br />

eventuell auch in beruflichen Dingen nachlässig. Seien Sie sich immer<br />

bewusst, was Sie ausstrahlen und signalisieren möchten, und wählen<br />

Sie danach Ihre Kleidung aus. Natürlich dürfen Sie Ihrem eigenen Stil<br />

dabei treu bleiben, doch passen Sie ihn an die Situation und an Ihre<br />

Kunden oder Gastgeber an. Werfen Sie sich nicht selbst Steine in den<br />

Weg, in<strong>dem</strong> Sie sich schlechter anziehen als Ihre Verhandlungspartner<br />

oder sich bewusst <strong>mit</strong> Ihrer Kleidung zu weit abgrenzen. Gern dürfen<br />

Sie etwas besser als jene gekleidet sein.<br />

Sprache ist psychoaktiv<br />

Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuches, sagte einmal: »Worte<br />

sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt.« Dieses<br />

Sprichwort beschreibt die Psychoaktivität der Sprache. Wörter benennen<br />

nicht nur Gegenstände, Produkteigenschaften oder Situationen,<br />

sie übertragen die volle emotionale Ladung des Wortes. Ja, Wörter<br />

übertragen Emotionen. Wie das geht? Das Epizentrum der emotionalen<br />

Ladung ist natürlich in Wirklichkeit nicht das Wort, sondern das Gehirn.<br />

Unser Gehirn speichert alle Situationen und Ereignisse ab, um für die<br />

Zukunft aus diesen Erfahrungen zu lernen. Je öfter sich ein Ereignis wiederholt<br />

und <strong>mit</strong> je mehr positiven oder negativen Emotionen ein Ereignis<br />

einhergeht, umso besser speichert das Gehirn die Ergebnisse ab. Neuronal<br />

verknüpft es die entsprechende Situation <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> entsprechenden<br />

48<br />

Wort zusammen <strong>mit</strong> der gefühlten Emotion. Es kreiert daraus dann eine<br />

Regel: Passiert A, dann passiert auch B, dann fühle ich mich C. Kommt<br />

ein Ereignis nun wieder, dann sagen wir nicht nur so etwas wie: »Ach,<br />

das weiß ich aus Erfahrung«, sondern wir verhalten uns auch so, wie es<br />

uns die alte Erfahrung gelehrt hat. War es ein Ereignis, das Ärger ausgelöst<br />

hatte, reicht oft ein einziges Wort, und die alten Gefühle dazu sind<br />

sofort wieder präsent.<br />

Vielleicht ist es die im Briefkasten liegende Nebenkostenabrechnung,<br />

die in uns die Wut hochsteigen lässt, ohne dass wir sie überhaupt<br />

angeguckt hatten, weil wir bereits in den letzten drei Jahren die Erfahrung<br />

gemacht hatten, dass sie von Fehlern durchsetzt war. Oder Sie denken<br />

an den im nächsten Monat stattfindenden Gerichtsprozess <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

Ex-Partner und der Blutdruck steigt rapide, da jetzt schon klar ist, dass<br />

das kein leichtes Gespräch werden wird. Die Psychologie bezeichnet das<br />

als die Hebb’sche Lernregel: »What wires together fires together.« Was<br />

einmal <strong>mit</strong>einander verdrahtet ist, ist gemeinsam aktiv. Das bedeutet<br />

natürlich für jeden etwas anderes. So mag der Begriff »Macht« für den<br />

einen positiv <strong>mit</strong> Durchsetzungsstärke, Gestaltungsmöglichkeiten und<br />

Entscheidungsbefugnis belegt sein und für einen anderen <strong>mit</strong> Ausnutzung,<br />

Machtmissbrauch und Unterdrückung. Diese individuelle Färbung<br />

der Gedanken entsteht im Laufe des Heranwachsens, ist Ausdruck der<br />

Erziehung und des Umfelds. Gerade das macht uns Menschen in unserer<br />

Persönlichkeit aus.<br />

Das Gehirn unterscheidet dabei nicht, ob etwas wirklich passiert<br />

oder ob wir nur daran denken. Die neuronalen Netzwerke feuern ebenso<br />

bei Gedanken oder Wörtern und lösen dadurch die dazugehörigen<br />

Gefühle aus. Bezogen auf unsere Verhandlung bedeutet das, dass wir<br />

unsere Wortwahl gut überlegen sollten, denn <strong>mit</strong> unserer Sprache steuern<br />

wir die Emotionen unseres Gegenübers.<br />

Und diese Steuerung hat noch weiter gehende Folgen. Mit unseren<br />

Worten beeinflussen wir sogar die Reaktion unseres Gesprächspartners<br />

49


in der Zukunft, denn das vorhergehende Erleben steuert die Reaktion<br />

und spätere Entscheidungen des Gegenübers.<br />

Im Seminar mache ich <strong>mit</strong> den Teilnehmern immer folgendes kleines<br />

Experiment: Ich teile die Gruppe in zwei Hälften. Während die eine Hälfte<br />

vor <strong>dem</strong> Seminarraum wartet, stelle ich der anderen Hälfte folgende<br />

Frage: »Wie viel Liter Kerosin tankt ein Airbus A380-800 – im Jahr 2017<br />

das größte Passagierflugzeug der Welt?« Nach<strong>dem</strong> die Frage gestellt<br />

ist, werfe ich wie zufällig ein: »Man kann sich ja erst mal überlegen, ob<br />

es mehr als 50.000 Liter sind oder weniger.« Nach<strong>dem</strong> die Teilnehmer<br />

ihre Schätzung abgegeben haben und die andere Gruppe wieder im Seminarraum<br />

ist, formuliere ich die Frage etwas um. Ich frage sie genauso<br />

wie die erste Gruppe: »Wie viel Liter Kerosin tankt ein Airbus A380 – das<br />

größte Passagierflugzeug der Welt?«, doch mein wie zufällig wirkender,<br />

aber geplanter Einwurf lautet dann: »Man kann sich ja erst mal überlegen,<br />

ob es mehr als 200.000 Liter sind oder weniger.« Die Zahl, die<br />

ich meinen Teilnehmern da<strong>mit</strong> unbemerkt unterjubele, ist also bei der<br />

ersten Gruppe 50.000 und bei der zweiten Gruppe 200.000 Liter.<br />

Daraufhin passiert Folgendes: Die Teilnehmer der ersten Gruppe<br />

nennen durchgängig kleinere Zahlen für den Kerosinverbrauch als die<br />

der zweiten Gruppe. Die reine Nennung der Zahl 50.000 oder 200.000<br />

erzeugt einen Effekt. Man nennt diesen Effekt Priming, auf Deutsch:<br />

Bahnungseffekt. Er besteht darin, dass ein vorangegangener Reiz nachfolgende<br />

Handlungen oder nachfolgendes Denken beeinflusst. Die große<br />

psychologische Kraft von Wörtern hat in den letzten Jahren vielfältige<br />

Bestätigung durch neurobiologische Forschungsergebnisse erhalten.<br />

Allen voran zitiert der bekannte Gehirnforscher Manfred Spitzer in verschiedenen<br />

Veröffentlichungen interessante Untersuchungen zum Thema<br />

»Bahnungseffekte von Wörtern«.<br />

Eine Studie von Elizabeth Loftus, Professorin der Psychologie an der<br />

Universität Washington, untersuchte ebenfalls die Bahnungseffekte von<br />

Wörtern. Dabei zeigte Loftus den Teilnehmern einen Videoclip über einen<br />

50<br />

Bagatellunfall. Danach stellte sie einer Gruppe die Frage: »Mit welcher<br />

Geschwindigkeit touchierte das eine Fahrzeug das andere?« Einer zweiten<br />

Gruppe stellte sie die Frage: »Mit welcher Geschwindigkeit rammte<br />

das eine Fahrzeug das andere?« Dadurch, dass sie in ihrer Fragestellung<br />

das sanftere Wort »touchierte« durch das härtere Wort »rammte« ersetzte,<br />

erhöhten sich die von den Testteilnehmern geschätzten Kilometer<br />

pro Stunde von durchschnittlich 51 km/h auf 64.<br />

Die gesprochenen Wörter steuern also auch unsere spätere Einschätzung<br />

oder Reaktion. Sätze sind nicht unabhängig voneinander, sondern<br />

verändern die späteren Auswirkungen. In Verhandlungen bedeutet das,<br />

dass die Wortwahl genau überlegt sein sollte. So sollten zum Beispiel<br />

negative Schlüsselwörter konsequent vermieden werden.<br />

Praxisbeispiel:<br />

Stellen wir uns Folgendes vor: Als potenzieller Käufer einer Privatimmobilie<br />

haben Sie einen ersten Termin <strong>mit</strong> einem Makler. Sie treffen sich<br />

vor <strong>dem</strong> Verkaufsobjekt. Nach<strong>dem</strong> die vereinbarte Uhrzeit verstrichen<br />

ist, warten Sie noch 20 Minuten. Als Ihr Gesprächspartner endlich da<br />

ist, sagt er zu Ihnen: »Sorry für die Verspätung, aber ich bin manchmal<br />

ein Schussel, ich hatte vergessen, den Haustürschlüssel <strong>mit</strong>zunehmen,<br />

und mein letztes Gespräch hat etwas länger gedauert als geplant.« Sie<br />

hätten gewiss einen besseren Eindruck von ihm, wenn er gesagt hätte:<br />

»Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, das Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

Vorstand des Automobilherstellers hat leider etwas länger gedauert.<br />

Normalerweise bin ich pünktlich. Haben Sie den Weg hierhin gut gefunden?«<br />

Sich selbst als »Schussel« zu bezeichnen oder sich <strong>mit</strong> anderen<br />

schlechten Eigenschaften zu beschreiben, ist absolut tabu. Gerade<br />

zum Gesprächsstart erzeugt das keinerlei positive Wirkung, sondern<br />

51


nur negative Assoziationen. Wer will schon <strong>mit</strong> einem »Schussel« zusammenarbeiten?<br />

Im zweiten Beispielsatz ist die Wirkung genau umgedreht.<br />

Dass Sie <strong>mit</strong> einem Vorstand verhandeln, erzeugt ebenfalls<br />

eine Wirkung, und zwar eine positive. Warum dies also nicht erwähnen?<br />

Denn das Nennen des Vorstands wertet Sie auf, auch die Nennung des<br />

dazugehörigen Unternehmensnamens, vor allem, wenn er einen hohen<br />

Bekanntheitsgrad genießt. Mit je größeren Geschäftspartnern Sie sich<br />

umgeben, <strong>mit</strong> je größeren Summen Sie hantieren, umso größer, wichtiger<br />

und stärker werden Sie von Ihren Verhandlungspartnern wahrgenommen.<br />

Man könnte diesen Effekt auch als untergeschobene Wirkung bezeichnen.<br />

Solange Sie es nicht übertreiben und eher nebenbei einfließen<br />

lassen, wird Ihr Gesprächspartner das gar nicht bewusst wahrnehmen.<br />

Aber Ihre Wirkung und Ihr Standing werden besser sein.<br />

Sprachliche Wirkung erzeugen, und zwar bewusst<br />

Der Markenexperte Jon C. Berndt®, der – um Stimmigkeit zu erzeugen –<br />

sogar seinen eigenen Namen als Marke verwendet, sagt: »Marke ist das,<br />

was man hinter deinem Rücken über dich erzählt.« Ich stimme dieser<br />

Aussage zu; allgemeiner gefasst gilt dasselbe für Ihre Wirkung, die sich<br />

ebenfalls an <strong>dem</strong> ablesen lässt, was andere hinter Ihrem Rücken über<br />

Sie erzählen.<br />

52<br />

Praxisbeispiel:<br />

Es war im Februar auf Sylt. An einem regnerischen Tag gingen mein<br />

Lebensgefährte und ich am menschenleeren Strand von Hörnum spazieren.<br />

Völlig durchnässt suchten wir eine Möglichkeit, einen Tee zu<br />

trinken. Bald sahen wir in der Ferne ein Hotel. Das recht neue Fünf-Sterne-Haus<br />

erschien uns als der richtige Platz, um uns aufzuwärmen. Kaum<br />

auf <strong>dem</strong> Parkplatz angekommen, begrüßte uns auch schon der erste livrierte<br />

Hotelangestellte: »Herzlich willkommen auf Budersand«! – »Danke«,<br />

antwortete ich, »wir wollen nur kurz etwas trinken.« Auf unserem<br />

Weg in die Hotelhalle begegneten wir <strong>dem</strong> nächsten Hotelangestellten.<br />

»Herzlich willkommen auf Budersand!« Und ich sagte wieder: »Danke,<br />

wir wollen nur kurz etwas trinken.« Und auf den letzten Metern zur Bar<br />

trat uns tatsächlich ein dritter Hotelangestellter in den Weg: »Herzlich<br />

willkommen auf Budersand!« – Ich sagte, zugegeben etwas provokativ,<br />

zu ihm: »Sagen Sie mal, was ist denn hier los? Ist so wenig zu tun hier,<br />

dass Sie nur auf uns warten?« Er erwiderte: »Wir hatten die letzten drei<br />

Wochen geschlossen und haben nun seit 30 Minuten wieder geöffnet –<br />

und Sie, Sie sind unsere ersten Gäste!«<br />

Durchgefroren, wie ich war, fragte ich frech: »Nichts los hier um diese<br />

Jahreszeit, da lohnt es sich nicht, aufzuhaben, was?« – Und jetzt Sie:<br />

Was hätten Sie geantwortet? Die naheliegendste Antwort – aber auch<br />

die schlechteste – wäre gewesen: »Ja, das stimmt.« Doch welche Wirkung<br />

hätte das bei mir hinterlassen? Was hätte ich zu Hause über das<br />

Hotel Budersand erzählt? Richtig, sicher hätte ich so etwas gesagt wie:<br />

»Du, die machen im Februar zu, da musst du nicht hin, ist nichts los.«<br />

Keine gute Werbung für ein Hotel! Der Hotelangestellte war cleverer, er<br />

antwortete: »Wir nehmen uns die Zeit, die notwendigen kleinen Schönheitsreparaturen<br />

für unser anspruchsvolles Haus durchzuführen und<br />

auch Neuerungen umzusetzen. In diesem Jahr haben wir diesen offenen<br />

Kamin eingebaut (er zeigte auf einen großen Kamin vor der Bar). Und –<br />

wie gefällt der Ihnen?«<br />

Eine wirklich erstklassige Reaktion! Nun verlasse ich das Hotel <strong>mit</strong> einem<br />

sehr positiven Eindruck und überbringe meinen Freunden eine ganz<br />

andere Nachricht. Sprache ist Wirkung – und welche Wirkung Sie erzeugen,<br />

das liegt in Ihrer Hand!<br />

53


EXKURS > >> >> > ><br />

54<br />

Der Homo oeconomicus kämpft gegen das Reptilienhirn<br />

Das Modell vom Homo oeconomicus beschreibt in der Wirtschaftswissenschaft<br />

einen Menschen, der vor einer Entscheidung durch das<br />

Abwägen aller verfügbaren Alternativen eine klare Präferenzordnung<br />

bilden kann und sich dann für die für ihn beste Lösung entscheidet.<br />

Gerne denken Menschen von sich, dass sie diesem Modell auch in der<br />

Realität folgen können. Doch ist das wirklich so?<br />

Eine kleine Frage dazu: Wie ist das bei Ihnen persönlich? Kennen<br />

Sie mehr Menschen, die <strong>mit</strong> Angst in ein Flugzeug steigen, oder<br />

mehr Menschen, die aufgeregt sind, wenn sie in ihr Auto steigen?<br />

Wenn es Ihnen geht wie den meisten Menschen, liegt die Angst vorm<br />

Fliegen ganz weit vorn. Lassen wir dazu die Fakten sprechen: 2012<br />

kam in deutschen Flugzeugen kein Mensch zu Tode. Beim Autofahren<br />

kamen im selben Jahr 3.600 Menschen um. Selbst weltweit gab es<br />

2012 insgesamt »nur« 470 Tote durch Flugzeugunfälle, während die<br />

Anzahl der Todesopfer durch Autounfälle bei ungefähr 1,2 Millionen<br />

lag. Die Angst, in ein Auto zu steigen, müsste also realistisch betrachtet<br />

wesentlich größer sein als die, in ein Flugzeug zu steigen.<br />

Ist Rationalität vielleicht ein viel größerer Mythos, als wir denken?<br />

Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sank insbesondere<br />

in Amerika die Anzahl der gebuchten Flüge. Die Menschen stiegen<br />

aufs Auto um. Was passierte nun? Die Anzahl der tödlichen Unfälle<br />

im Straßenverkehr stieg enorm an. Vergleicht man die Anzahl der<br />

Verkehrstoten im Jahr nach <strong>dem</strong> Anschlag <strong>mit</strong> den zwölf Monaten<br />

vor der Katastrophe, sind etwa 1.600 Amerikaner mehr ums Leben<br />

gekommen. All diese Menschen könnten noch leben, wenn sie das<br />

Flugzeug genommen hätten (Gigerenzer 2013, Bertelsmann: Risiko –<br />

Wie man die richtigen Entscheidungen trifft). Dieser Effekt hielt übrigens<br />

circa ein Jahr an – ungefähr so lange, bis die Berichterstattung<br />

über 9/11 nachließ.<br />

Die Erklärung dafür liegt in der Struktur und Funktionsweise unseres<br />

Gehirns. Das Gehirn als Teil des zentralen Nervensystems hat die<br />

Aufgabe, Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten und das menschliche<br />

Verhalten zu koordinieren. Wie schon erwähnt, ist es ein komplexer<br />

Speicher für alle Erlebnisse und Erfahrungen, die ein Mensch in seinem<br />

Leben gemacht hat.<br />

Je nach<strong>dem</strong>, ob der Reiz von außen, also Wörter, Taten oder Handlungen,<br />

die auf uns einwirken, als gefährlich oder ungefährlich eingestuft<br />

wird, ist für die weitere Verarbeitung ein anderer Gehirnteil zuständig.<br />

Wann immer Sie einem Menschen begegnen, entscheidet Ihr<br />

Gehirn – ohne dass Sie bewusst darüber nachdenken können: »Wer<br />

steht mir hier gegenüber – Freund oder Feind?« Stufen Sie jemanden<br />

als Freund ein, besteht kein Grund zur Besorgnis, und der denkende<br />

Gehirnteil Neokortex wird aktiv.<br />

Mit diesem Hirnareal können wir logisch denken, Informationen<br />

verarbeiten und integrieren, entscheiden und unsere Urteile fällen. Der<br />

Neokortex gilt als Sitz der Aufmerksamkeit, in <strong>dem</strong> gezieltes Nachdenken<br />

und Planen stattfinden. Dieser Teil des Gehirns ist erst im Alter<br />

von 25 Jahren völlig ausgereift und liegt im vorderen Bereich des Kopfes<br />

hinter der Stirn. Manch einer schlägt sich <strong>mit</strong> der Hand gegen die<br />

Stirn, wenn er eine unerwartete Lösung hat, einen Witz versteht oder<br />

auf eine doch eigentlich so naheliegende Idee kommt. Auch die umgangssprachliche<br />

Redensart »Ich habe gerade ein Brett vor <strong>dem</strong> Kopf«<br />

drückt aus, dass man momentan nicht klar denken kann.<br />

Dieses logische Areal hat einen Gegenspieler, der treffenderweise<br />

auf der anderen Seite des Schädels liegt: das limbische System.<br />

Es ist der Sitz unserer emotionalen Alarmdatenbank und kennt als<br />

Reaktionsmuster nur Flucht, Angriff oder sich tot stellen. Dieses Reaktionsmuster<br />

kommt aus der Zeit, als wir Menschen uns noch gegen<br />

55


Fressfeinde wie Säbelzahntiger verteidigen mussten. Sie können sich<br />

vorstellen, <strong>mit</strong> Logik und langem Nachdenken hätten wir nicht überlebt,<br />

wenn so ein Raubtier vor uns stand. Da musste es schnell gehen.<br />

Und daher schalten wir Menschen auch noch heute in den Automatikmodus<br />

um, wenn uns potenziell Gefahr droht. Nun gibt es einen interessanten<br />

Zusammenhang zwischen diesen beiden Gehirnteilen: Je<br />

stärker das Reptilienhirn aktiv ist, umso mehr ist der logisch denkende<br />

Neokortex ausgeschaltet. Deswegen ist es so unerhört schwierig, <strong>mit</strong><br />

Menschen, die emotional erregt sind, sachlich zu diskutieren. Sie sind<br />

schlichtweg im Flucht- oder Angriffsmodus, und ihre Handlungen sind<br />

daher vom limbischen System geprägt und nicht vom logisch denkenden<br />

Neokortex.<br />

Dazu kommt, dass das limbische System die Stresshormone regelt.<br />

Mit <strong>dem</strong> Erleben von starken Gefühlen wird auch die Produktion von<br />

Adrenalin und Cortisol hochgefahren. Diese Stoffe wiederum bleiben<br />

eine ganze Weile im Körper, und so lange, bis diese Stoffe wieder abgebaut<br />

sind, bleiben auch die (schlechten) Gefühle erhalten. Diese<br />

Zeit nennt sich Refraktärphase.<br />

> > > > > > > >> > > >> >> > > ><br />

Die erste Absicht in Gesprächen ist daher, ungefährlich zu wirken und<br />

den Neokortex des Gegenübers »anzusteuern«. Das ist die Grundlage,<br />

da<strong>mit</strong> Gespräche fruchtbar und auf Augenhöhe stattfinden können, und<br />

da<strong>mit</strong> ein wichtiges Element für Ihren Magnetismus in Verhandlungen.<br />

56<br />

Small Talk als Chance für den Vertrauensaufbau<br />

57<br />

»Die Kunst eines guten Small Talks ist,<br />

Sicherheit zu geben.«<br />

Unter Small Talk versteht man eine oberflächliche Unterhaltung über<br />

belanglose Themen. Man könnte auch sagen: Gerede über Banalitäten,<br />

die nichts <strong>mit</strong> Entscheidungen oder sachlich relevanten Themen zu tun<br />

haben. Doch der richtige Small Talk ist nicht so simpel, wie es auf den<br />

ersten Blick scheint. Sind die ersten Worte gut gewählt, kann man <strong>mit</strong><br />

der richtigen Konversation unter Fremden das sprichwörtliche Eis brechen.<br />

Wählt man indes die falschen Worte, ist die Chance genauso leicht<br />

verspielt. Auch im Business-Kontext ist Small Talk wichtig, denn er lockert<br />

die Atmosphäre und lässt beiden Verhandlungspartnern die Zeit,<br />

<strong>mit</strong> ihren Gedanken vollständig in der Verhandlung anzukommen. Durch<br />

eine entspannte Unterhaltung über Themen, die <strong>mit</strong> der geschäftlichen<br />

Seite nichts zu tun haben, wird in dieser Phase das Vertrauen aufgebaut,<br />

das als Grundlage für das weitere Gespräch und eine langfristige<br />

Kundenbeziehung enorm wichtig ist. Denn je mehr Vertrauen Sie schon<br />

jetzt aufbauen, umso mehr wird Ihr Gegenüber Ihren Argumenten in der<br />

Verhandlung folgen. Natürlich zeigt ein gelungener Small Talk auch,<br />

dass Sie echtes Interesse haben. Präsentes Zuhören und Interesse an<br />

einer Person sind in Zeiten von Facebook, Twitter und Co. zu einer Rarität<br />

geworden. Interessieren Sie sich daher wirklich für Ihr Gegenüber – das<br />

macht auch Sie zu einer Rarität.<br />

Bei der ersten Begegnung zwischen zwei Geschäftspartnern bieten<br />

sich im Business-Small-Talk Themen an, die zwar noch oberflächlich<br />

sind, aber schon an das Geschäftliche anknüpfen. Dies ist zum Beispiel<br />

ein Gesprächseinstieg, in <strong>dem</strong> Sie betonen, dass Sie sich freuen, Ihr Gegenüber<br />

kennenzulernen. Das wirkt immer freundlich und verbindlich.<br />

Da<strong>mit</strong> das allerdings keine oberflächliche Floskel bleibt, ist es sinnvoll,


sich vorab zu überlegen, warum Sie sich auf diese Begegnung freuen.<br />

Vielleicht kennen Sie aus Telefonaten schon Details, an die Sie nun anknüpfen<br />

können, oder Sie haben auf der Internetseite des Unternehmens<br />

positive Neuigkeiten gelesen, die Sie ansprechen können. Auch<br />

da<strong>mit</strong> signalisieren Sie ernst gemeintes Interesse. Ein weiteres Einstiegsthema<br />

ist der Ort der Veranstaltung. Wenn Sie sich zum Beispiel in<br />

einem außergewöhnlichen Gebäude befinden, können Sie das thematisieren.<br />

Auch das bauliche Umfeld, die Region oder die Stadt, in der Sie<br />

sich treffen, sind gute erste Themen. Wenn Sie sich <strong>mit</strong> Unternehmern<br />

treffen, ist es auch immer eine gute Möglichkeit, Fragen zum Unternehmen<br />

zu stellen, zum Beispiel, wie lange es das Unternehmen schon gibt<br />

oder ob es immer in dieser Stadt ansässig war.<br />

Die Frage, ob Ihr Gesprächspartner Ihre Räumlichkeiten gut gefunden<br />

hat oder die Parkplatzsuche leicht war, wird oft gestellt. Auch das ist<br />

eine Lösung für den ersten Satz. Allerdings erlebe ich oft, dass Kunden<br />

diese Frage auch gestellt bekommen, wenn von vornherein klar ist, dass<br />

die Parkplatzsuche aufwendig und mühsam gewesen ist. Wie Sie bereits<br />

wissen, wecken Sie da<strong>mit</strong> eher negative Erinnerungen als positive Emotionen.<br />

Daher verzichten Sie in diesem Fall besser auf die Frage.<br />

Ziel Ihres Small Talks darf es sein, Gemeinsamkeiten aufzudecken.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie sind in Australien unterwegs. Abends gehen Sie<br />

in einem Restaurant essen. Am Nebentisch wird Deutsch gesprochen,<br />

und Sie hören den Satz: »Ich lebe gerne in Köln.« Fast jeder, der auch in<br />

Köln wohnt, würde sich jetzt zu erkennen geben und sich in das Gespräch<br />

einschalten. Die Bereitschaft, nach <strong>dem</strong> Essen noch gemeinsam etwas<br />

zu unternehmen, wächst enorm. Würde uns das auch in Köln passieren?<br />

Natürlich nicht. Doch im Ausland verbindet diese Gemeinsamkeit.<br />

Sympathie lässt sich durch die aktive Fokussierung von Gemeinsamkeiten<br />

erzeugen. Für den Small Talk bedeutet das: Sie haben gemeinsame<br />

Bekannte? Sie waren auf derselben Universität? Sie wohnen im selben<br />

Stadtteil? Sie haben das gleiche Hobby? So etwas verbindet und bietet<br />

58<br />

nebenbei eine gute Grundlage für den Gesprächseinstieg. Ist das erste<br />

Eis gebrochen, können weiterführende Themen auch die Kinder oder der<br />

letzte Urlaub sein.<br />

Für Small Talk eignen sich alle Gesprächsthemen, bei denen Sie auf<br />

sicherem Boden bleiben und eine gute Stimmung erzeugen. Religiöse<br />

oder politische Themen, die zu kontroversen Diskussionen führen können,<br />

sollten vermieden werden. Die Gefahr, dass Ihr Gegenüber anderer<br />

Meinung ist und Sie da<strong>mit</strong> die Gesprächsatmosphäre eher verschlechtern<br />

als verbessern, ist zu hoch. Ebenso tabu sind natürlich Fragen, die<br />

Skandale des Unternehmens betreffen oder Kritik am Gastgeber zum<br />

Ausdruck bringen. Auch Themen wie Geld oder Krankheiten gehören<br />

nicht hierher. Eine weitere Todsünde ist, den Gesprächspartner <strong>mit</strong><br />

Small Talk zu langweilen. Hier ist die Dosierung entscheidend. Die Dauer<br />

des Plauderns richtet sich immer nach <strong>dem</strong> Kunden. Achten Sie auf<br />

Zeichen der Ablehnung oder Langeweile. Diese einleitende Gesprächsphase<br />

ist dann schnellstmöglich zu beenden.<br />

Small Talk als Strategie<br />

Ein weiterer Zweck des Business-Small-Talks ist, erste Vorannahmen<br />

über Ihren Gesprächspartner zu treffen. Sie können die Zeit nutzen, um<br />

ein Gefühl für die grundsätzlichen Bedürfnisse und Einstellungen Ihres<br />

Verhandlungspartners zu bekommen.<br />

Ein Beispiel:<br />

Wunderbar eignet sich dazu ein Gespräch über den Urlaub. Nehmen<br />

wir an, Sie hören im Small Talk dazu Folgendes: »Ich komme gerade<br />

aus <strong>dem</strong> Urlaub, wie jedes Jahr fahren wir in den Robinson Club nach<br />

Mallorca. Das ist prima. Alles ist vor Ort: Sportmöglichkeiten, Wasser,<br />

59


Strand, und abends muss man sich nicht mal um ein gutes Restaurant<br />

kümmern. Ist alles da. Sogar nette Leute kann man da kennenlernen.«<br />

Welche Schlüsse können Sie daraus ziehen? Gewohnheit (… wie jedes<br />

Jahr …), Bequemlichkeit (man muss sich nicht kümmern), Geselligkeit<br />

(… nette Leute kennenlernen). Wenn hingegen Ihr Gesprächspartner erzählt:<br />

»Dieses Jahr machen wir eine Autoreise durch Andalusien. 14 Tage<br />

lang werden wir die weißen Dörfer besichtigen, jeden Tag ein anderes<br />

Hotel. Wir fahren nur zu zweit und freuen uns auch sehr darauf, für uns<br />

zu sein. Die Hotels buchen wir vor Ort, denn Pauschaltourismus liegt<br />

uns nicht so«, können Sie ganz andere erste Annahmen treffen, nämlich<br />

dass Sie es <strong>mit</strong> einem Menschen zu tun haben, <strong>dem</strong> Individualität, Freiheit<br />

und Unabhängigkeit wichtig sind.<br />

Vorsicht aber vor <strong>dem</strong> umgekehrten Fall. Auch ohne dass wir bewusst<br />

darüber nachdenken, finden unsere Aussagen zu unserer inneren Einstellung<br />

den Weg in das Gehirn unseres Gesprächspartners. In der Anbahnung<br />

einer Zusammenarbeit im Trainingsbereich sagte einmal eine<br />

potenzielle Geschäftspartnerin zu mir: »Meinen letzten Trainingspartner<br />

habe ich dann vor Gericht wiedergesehen.« Was höre ich daraus? Ob<br />

sie wirklich so streitlustig war oder nicht, wollte ich bereits nicht mehr<br />

herausfinden, so schnell hat mir dieses Statement den Spaß an der Zusammenarbeit<br />

verdorben. Auf diese Art und Weise trifft jeder Mensch<br />

beim ersten Zusammentreffen Vorannahmen über mögliche Einstellungen.<br />

Natürlich lohnt es sich trotz<strong>dem</strong>, gut hinzuhören, um mögliche<br />

Grundbedürfnisse des Verhandlungspartners herauszuhören.<br />

Einsetzen können Sie diese Erkenntnisse zum Beispiel bei der Präsentation<br />

des Angebots. Wenn Sie wissen, ob Ihrem Gegenüber eher<br />

Bequemlichkeit oder eher Individualität wichtig ist, können Sie ihm<br />

zu seinen Vorlieben passend eher eine individuelle Lösung oder eine<br />

Full-Service-Pauschale anbieten.<br />

Natürlich kann man auch seine eigene Kompetenz und Größe in ein<br />

Gespräch einstreuen, ohne dabei zu sehr aufzutragen. Wenn man andeuten<br />

möchte, dass man bereits viel Erfahrung hat, kann man Sätze<br />

einstreuen, welche die eigene Person <strong>mit</strong> Erfahrungsgeschichten oder<br />

Zeugen aufwerten. Zum Beispiel können Sie große Firmen benennen,<br />

für die Sie arbeiten: »Ich komme gerade aus den letzten Gesprächsverhandlungen<br />

<strong>mit</strong> Amazon.«; »Als wir das Geschäft für Mercedes abgewickelt<br />

haben, stand auch genau dieses Problem im Raum. Dort konnten<br />

wir das für alle Beteiligten gut lösen – ich bin zuversichtlich, dass uns<br />

das bei Ihnen auch gelingt.« Unbewusst verknüpft der Zuhörer da<strong>mit</strong><br />

die Größe der genannten Firma <strong>mit</strong> Ihrer Kompetenz. Getreu <strong>dem</strong> Motto:<br />

»Wenn die dieser Person vertrauen und <strong>mit</strong> ihr zusammenarbeiten,<br />

dann muss diese Person ja gut sein, und ich kann ihr auch vertrauen.«<br />

60<br />

Tipp:<br />

Es gibt Menschen, die von allein nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Small Talk aufhören.<br />

Für solche Fälle gibt es eine einfache Formulierung, <strong>mit</strong> der Sie »Vielrednern«<br />

die Zeit kürzen. Fragen Sie einfach: »Wie waren wir noch mal<br />

darauf gekommen, über Mallorca zu sprechen? Ach ja, ich hatte Sie<br />

nach Ihrem Urlaub gefragt. Schön, dass es Ihnen so gut gefallen hat.<br />

Ich schlage vor, wir steigen nun in das Gespräch ein, okay?« Da<strong>mit</strong><br />

können Sie verhindern, dass Ihr Small Talk zur Plauderfalle wird.<br />

Den Rahmen abstecken<br />

Nun geht es darum, gemäß <strong>dem</strong> <strong>MagnetPrinzip</strong> das Gespräch in klare<br />

Bahnen zu lenken. Der stärkere Partner führt immer das Gespräch. Wir<br />

als Profis wollen führen, ohne dass es dabei sichtbar um Macht<strong>dem</strong>onstration<br />

geht, denn die Verhandlungen sollen ja auf Augenhöhe statt-<br />

61


finden. Gespräche sind effektiver, wenn jeder Gesprächspartner weiß,<br />

welcher Ablauf ihn erwartet. Dazu ist es wichtig, den inhaltlichen und<br />

den zeitlichen Rahmen zu definieren, die Informationen, die vorab schon<br />

ausgetauscht worden sind, kurz zu benennen und zu klären, inwieweit<br />

Sie sich Notizen machen können.<br />

Um den inhaltlichen Rahmen abzustecken, klären Sie zuerst, welche<br />

Themen heute zu besprechen sind. Das sind zum einen natürlich die<br />

Themen, derentwegen der Gesprächstermin überhaupt zustande kam.<br />

Zum anderen sollte hier nachgefragt werden, ob es darüber hinaus noch<br />

weitere Themen gibt, die geklärt werden müssen. Dem Serviceprinzip<br />

folgend ist es gut, wenn der Kunde seinen Kopf leer hat und sich nicht<br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Behalten der Fragen beschäftigen muss. Ob Sie diese sofort beantworten<br />

oder später im Gespräch, ist vom Einzelfall abhängig. Sind es<br />

Fragen, die Sie jetzt schon beantworten können oder müssen, dann tun<br />

Sie das. Ist für die Beantwortung aber noch die Klärung anderer Parameter<br />

wichtig, schreiben Sie sich die Fragen besser auf und beantworten<br />

Sie sie im Laufe des Gespräches. Deswegen ist es wichtig, die Frage,<br />

was Ihr Kunde heute besprechen möchte, schon im Vorfeld zu stellen.<br />

Es gibt Ihnen die Chance, Ihr Gespräch rund um diese Fragen, Einwände<br />

oder diesen Bedarf aufzubauen und das Steuer in der Hand zu behalten.<br />

Die Struktur des Gespräches können Sie <strong>mit</strong> folgender Formulierung<br />

vorgeben:<br />

• »Herr Kunde, wir wollen heute über das Thema xy sprechen. Ich<br />

möchte dazu <strong>mit</strong> Ihnen die Punkte 1, 2, 3 erörtern. Doch vorab<br />

interessiert mich: Welche offenen Punkte haben Sie <strong>mit</strong>gebracht,<br />

die Ihnen am Herzen liegen?«<br />

Nach<strong>dem</strong> Sie und Ihr Kunde die Punkte genannt haben, kann es da<strong>mit</strong><br />

weitergehen, dass Sie klären, wessen Punkte zuerst abgehandelt werden.<br />

Das kann sich wie folgt anhören:<br />

62<br />

• »Prima, was klären wir zuerst? Ich schlage vor, wir starten <strong>mit</strong><br />

Ihren Fragen.«<br />

• Oder: »Ihre Punkte habe ich mir notiert, da<strong>mit</strong> ich sie Ihnen an<br />

richtiger Stelle beantworten kann. Ich schlage vor, wir starten<br />

da<strong>mit</strong>, dass ich Ihren Bedarf noch besser kennenlerne.«<br />

Sie haben Informationen zum Kundenbedarf durch Dritte erhalten? Gestalten<br />

Sie die Übergabe von Kundeninformationen so aktiv, dass Ihr<br />

Kunde merkt, welches Wissen Sie bereits haben, während Sie diese<br />

trotz<strong>dem</strong> noch einmal auf ihre Richtigkeit abklopfen:<br />

• »Von Ihrem Makler weiß ich bereits, dass Sie ein Objekt suchen,<br />

das folgende Eigenschaften hat (es folgt eine Aufzählung des<br />

bisher bekannten Bedarfs). Stimmt das? Was ist darüber hinaus<br />

wichtig für Sie?«<br />

• »Mein Kollege erzählte mir bereits, dass Sie folgenden Bedarf<br />

haben (Aufzählung). Ist das so noch aktuell? Welche Punkte benötigen<br />

Sie noch?«<br />

Wenn Sie sich zum wiederholten Male treffen, fassen Sie die Informationen<br />

aus den Vorgesprächen zusammen. Das können Sie so formulieren:<br />

• »Wir waren in unserem letzten Gespräch auseinandergegangen<br />

und hatten Einigkeit erzielt bei den Punkten a und b. Die Punkte<br />

x und y wollen wir heute klären.«<br />

• »Nach unserem letzten Gespräch waren noch die folgenden<br />

Punkte offen (Aufzählung). Diese wollen wir heute klären. Sind<br />

für Sie noch weitere Themen hinzugekommen?«<br />

Auch wenn Sie den Termin vorab für einen fixen Zeitraum geblockt haben,<br />

klären Sie grundsätzlich immer den zeitlichen Rahmen noch ein-<br />

63


mal aktuell ab. Sie können kurz fragen: »Zeit haben wir heute wie vereinbart<br />

bis 13 Uhr, richtig?« In meinen Coachings habe ich schon Kunden<br />

erlebt, die fünf Minuten vor <strong>dem</strong> Abschluss sagten: »Oh, ich muss jetzt<br />

zum Arzt!«<br />

Das Gespräch dann in fünf Minuten noch konstruktiv zu Ende zu führen,<br />

ist viel schwieriger, als sich <strong>mit</strong> einer exakten Zeitangabe von Anfang<br />

an einen Plan zurechtzulegen.<br />

Manche Kunden sind aufgrund des Datenschutzes nicht begeistert,<br />

wenn Sie persönliche Informationen aufschreiben, ohne vorher ihr Einverständnis<br />

dazu eingeholt zu haben. Im Zweifel fragen Sie lieber, ob Sie<br />

sich bestimmte Fakten notieren dürfen.<br />

Wenn Sie der »Neue« sind, also die Position eines Vorgängers übernehmen,<br />

dann ist es üblich, dass der bisherige Betreuer den neuen<br />

Betreuer in einem Gespräch vorstellt. Für den Kunden ist das oft keine<br />

glückliche Situation, da <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> bekannten Menschen das aufgebaute<br />

Vertrauen und auch die Verhandlungshistorie, also die ausgetauschten<br />

Informationen, wegbrechen.<br />

Daher ist es wichtig, so eine Kundenübergabe aktiv und positiv zu<br />

gestalten. Mit <strong>dem</strong> Vorgänger sollte in <strong>dem</strong> Gespräch geklärt werden,<br />

wer welche Themen anspricht, wie der Vorgänger den Nachfolger vorstellt<br />

und dass ausreichend Zeit für das erste Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Nachfolger<br />

vorhanden ist. Der Nachfolger kann den ersten Eindruck nutzen,<br />

um sein Interesse am Kunden durch Fragen zu bekunden oder sein<br />

durch firmeninterne Unterlagen oder vom Vorgänger erworbenes Wissen<br />

zu hinterfragen oder in das Gespräch einzuflechten. Zeigen Sie im<br />

Gespräch, dass Sie sich bereits eingearbeitet haben. Das signalisiert Interesse<br />

und Aufmerksamkeit.<br />

Auch wer inhaltlich noch nicht viel zum Gespräch beitragen kann,<br />

kann verbindlich wirken, sich <strong>mit</strong> ein paar Worten und seiner Visitenkarte<br />

vorstellen und über die weitere Zusammenarbeit sprechen.<br />

64<br />

Tipp:<br />

Oft finden auch Verhandlungen statt, an denen mehrere Kollegen beteiligt<br />

sind. Dann lautet die wichtigste Frage: Wer übernimmt die Gesprächsführung?<br />

Da<strong>mit</strong> sich alle anwesenden Kollegen gut ergänzen,<br />

müssen Sie vorher absprechen, wer welche Rolle einnimmt. Sind verschiedene<br />

Hierarchien an einer Verhandlung beteiligt, dann erwarten<br />

Mitarbeiter die Gesprächsführung meist automatisch von der ranghöchsten<br />

Person. Es kann aber sehr sinnvoll sein, dass ein Mitarbeiter<br />

das Gespräch führt, zum Beispiel, wenn er auch später der erste<br />

Ansprechpartner des Kunden sein soll. Der Chef hat dann lediglich die<br />

Aufgabe, sich einzubringen, wenn es erforderlich ist. Auf der anderen<br />

Seite gibt es auch genug Verhandlungen, wo es sehr wichtig ist, die<br />

Hierarchiekarte zu spielen, sodass dann der ranghöchste Mitarbeiter<br />

die Verhandlung leitet. Klären Sie also vorher, was für die aktuelle Situation<br />

angemessen ist, da<strong>mit</strong> das Gespräch reibungslos funktioniert.<br />

Auch sollten die wesentlichen Informationen allen Beteiligten vorliegen,<br />

sodass man sich nicht im Gespräch vor <strong>dem</strong> Kunden austauschen<br />

muss, denn das wirkt unvorbereitet und unprofessionell.<br />

Mit den obigen Formulierungen zur Gesprächsstruktur verlassen wir<br />

die Phase des Gesprächseinstiegs und leiten zur sachlichen Diskussion<br />

über. Die erste persönliche Einschätzung hat nun stattgefunden. Sie haben<br />

gelesen, wie Sie <strong>mit</strong>hilfe von Blickkontakt und Ihrer Körpersprache<br />

Wirkung erzeugen können. Des Weiteren haben Sie erfahren, wie psychoaktiv<br />

Wörter wirken können und wie Sie <strong>mit</strong> den richtigen Worten<br />

Vertrauen aufbauen. Auch, wie Sie gekonnt in den Small Talk einsteigen<br />

und den Rahmen der Verhandlung abstecken, um authentisch die Führung<br />

des Gesprächs zu übernehmen, war ein Teil dieses Kapitels. Als<br />

Nächstes schließt sich die Phase des Informationsaustausches an: Jetzt<br />

sind Ihre fachlichen Fähigkeiten gefragt.<br />

65


3 Informationsaustausch:<br />

Bedarfsanalyse und Angebotsphase<br />

66<br />

»Führe ein Gehör statt eines Gespräches.«<br />

Die Bedarfser<strong>mit</strong>tlung ist die Königsdisziplin in Verkauf und Beratung.<br />

Da<strong>mit</strong> das Angebot passend gestaltet werden kann, ist es wichtig zu<br />

wissen, was der Kunde überhaupt braucht. Zu oft erlebe ich Verkäufer,<br />

die sofort ihr Produkt in den höchsten Tönen anpreisen und dabei gleich<br />

mehrere Dinge übersehen: Zum einen können Menschen nur 7 bis 15<br />

Informationen behalten. Wenn es mehr werden, überfordern Sie Ihren<br />

Kunden komplett. Zum anderen sind oft nicht alle Ihre Produktmerkmale<br />

für jeden Kunden wichtig, und dann langweilt eine Produktpräsentation<br />

oder verärgert den Adressaten sogar. Es ist der Job des Anbieters,<br />

die treffenden Argumente parat zu haben. Kunden interessieren sich nur<br />

für das, was sie selbst benötigen. Was das genau ist, können Sie natürlich<br />

nur wissen, wenn Sie vorher den Bedarf konkret und detailliert<br />

herausfiltern. Daher besteht diese Phase aus zwei Unterpunkten: der<br />

Bedarfsanalyse und <strong>dem</strong> auf diesen Bedarf zugeschnittenen Angebot.<br />

Widerstehen Sie also <strong>dem</strong> Impuls, Ihr Produkt anzupreisen, bevor<br />

Sie konkret wissen, worum es Ihrem Kunden geht.<br />

Praxisbeispiel:<br />

Ich begleitete einmal eine Vermieterin einer Lagerhalle bei zwei Besichtigungen<br />

<strong>mit</strong> potenziellen Mietern. Im ersten Gespräch hörte sich das in<br />

etwa so an: »Ich erzähle Ihnen gerne etwas über die Immobilie. Vorher<br />

hat hier eine Firma Schreibgeräte produziert, und Sie sehen diese Halle<br />

noch in <strong>dem</strong> Zustand, in <strong>dem</strong> sie verlassen wurde. Gern bauen wir das<br />

nach Ihren Wünschen aus. Sie können die Halle auch in viele kleine Einheiten<br />

abtrennen oder die Größe komplett nutzen. Letztes Jahr sind die<br />

Fenster erneuert worden, und hier drüben gibt es ein Meisterbüro. Für<br />

zwei Büroräume ist im ersten Stock Platz, wenn Sie mehr benötigen,<br />

dann kann ich Ihnen dafür einen Bürokubus in die Halle setzen.« Das<br />

war zwar sehr nett erzählt – aber sieht so ein Gespräch aus, bei <strong>dem</strong> der<br />

Kunde im Mittelpunkt steht? Sicher nicht, das wäre es gewesen, wenn<br />

sie den Bedarf hinterfragt hätte. Zum Beispiel <strong>mit</strong> den Worten: »Sagen<br />

Sie, was ist Ihnen denn eigentlich wichtig?« Nach unserem Feedbackgespräch<br />

tat sie genau das im Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> zweiten potenziellen<br />

Mieter. So wurde ein völlig anderes Gespräch daraus. Nun gab es einen<br />

Dialog, der ungefähr so verlief:<br />

Vermieterin: »Sagen Sie, wenn Ihr Unternehmen hier ein neues Zuhause<br />

finden soll, was ist Ihnen dann dabei wichtig?« Potenzieller<br />

Mieter: »Ich benötige zwei Rolltore, 6 Meter Deckenhöhe, eine große<br />

Halle ohne Zwischenwände.« Jetzt konnte sie gezielt antworten: »Die<br />

Deckenhöhe beträgt hier 7,50 Meter, die Zwischenwand, die hier noch<br />

steht, ist nicht tragend, die können wir entfernen. Und wir haben hier<br />

ein Rolltor. Ein zweites könnte ich Ihnen dort hinten einbauen.« Das ist<br />

ein gezieltes Angebot! Und sie blieb dran: »Was brauchen Sie noch?«<br />

Der potenzielle Mieter antwortete: »Es muss warm sein im Winter, da wir<br />

Montagearbeiten in der Halle durchführen, und ich benötige vier Büroarbeitsplätze.«<br />

Und ihre maßgeschneiderte Antwort lautete: »Die Firma,<br />

die hier vorher ihren Sitz hatte, ist <strong>mit</strong> der Heizung, die Sie hier sehen,<br />

sehr gut klargekommen. Warm ist es hier im Winter. In der zweiten Etage<br />

haben wir zwei Büros, in denen vier Arbeitsplätze eingerichtet werden<br />

können. Gibt es noch etwas, das Sie brauchen?«<br />

Wunderbar – sie hatte die volle Aufmerksamkeit des potenziellen Mieters,<br />

da sie sich wirklich für seinen Bedarf interessierte. Das führte dazu,<br />

dass sie alle seine Wünsche kennenlernte und entweder sofort erfüllen<br />

oder ihm Angebote für die Umsetzung machen konnte. Alle unwichtigen<br />

67


Informationen ließ sie weg. Dadurch waren die beiden gut im Gespräch.<br />

Gelingen konnte das durch eine gute Fragetechnik und ein gezielt formuliertes<br />

Angebot.<br />

Den Bedarf erkennen: Mit Fragen filtern<br />

Stellen Sie sich vor, Sie sehen Ihr altes Schulfoto <strong>mit</strong> 200 Personen. Wen<br />

suchen Sie als Erstes? Genau, sich selbst. Tief in unserem Herzen sind<br />

wir alle kleine Egoisten. Und worüber freuen die sich? Darüber, dass<br />

man ihnen Aufmerksamkeit entgegenbringt und sie nach ihrer Meinung<br />

fragt. Wenn Sie das <strong>MagnetPrinzip</strong> anwenden wollen, dann steht nachhaltiges<br />

Denken an erster Stelle. Dafür müssen Sie die Wünsche und<br />

Bedürfnisse Ihres Verhandlungspartners gut kennen und sie <strong>mit</strong> Fragen<br />

herausfiltern. Eine gute Fragetechnik ist das Herzstück von Beratung<br />

und Verkauf. In einer Zeit, in der Kunden auf viele sich oberflächlich nicht<br />

unterscheidende Anbieter treffen, sind Fragen das Mittel der Wahl, um<br />

den Kunden charmant in den Mittelpunkt zu rücken. Fragen regen zum<br />

Denken an, denn jede Frage ist ein unbewusster Suchbefehl für das Gehirn.<br />

Jede gut gestellte Frage untermauert Ihr echtes Interesse an Ihrem<br />

Kunden und wirkt sich da<strong>mit</strong> positiv auf die Beziehung zwischen den<br />

Geschäftspartnern aus. Trotz<strong>dem</strong> höre ich Menschen in Verkauf oder Beratung<br />

oft viel zu viel reden. Und der Kunde kommt kaum zu Wort.<br />

Ich vermute, das liegt daran, dass diese Verkäufer <strong>mit</strong> den verschiedenen<br />

Fragetypen nicht ausreichend vertraut sind, <strong>mit</strong> denen sie<br />

potenzielle Kunden schnell und sicher zur Kaufentscheidung führen<br />

können.<br />

Haben Sie den Mut, viele Fragen zu <strong>dem</strong> Bedarf Ihres Gegenübers zu<br />

stellen und dann die Stille auszuhalten und abzuwarten. Die Geisteshaltung,<br />

die ich dafür empfehle, ist: »Führe doch ein Gehör statt eines Gespräches!«<br />

Das hilft auch enorm dabei, den Redeanteil des Beraters zu<br />

68<br />

senken. Im Angebotsteil wird es nötig sein, mehr zu sprechen und zu erklären,<br />

aber noch nicht in der Bedarfsanalyse. Als Faustregel gilt für diese<br />

Phase, dass der Redeanteil des Kunden hier mindestens bei 70 Prozent<br />

liegen sollte, der des Beraters hingegen maximal bei 30 Prozent.<br />

Verkäufer, die zu viel reden, haben möglicherweise Angst, die Kontrolle<br />

im Verkaufsgespräch zu verlieren, und lassen deshalb ihr Gegenüber<br />

nicht zu Wort kommen. Hier kann Sokrates’ Ausspruch »Wer fragt,<br />

der führt« helfen. Anders formuliert: »Mit Fragen lenken, was andere<br />

denken.« Diese beiden Sätze besagen, dass Sie <strong>mit</strong> einer guten Fragetechnik<br />

nicht nur die für Sie wichtigen Informationen erhalten, sondern<br />

auch das Gespräch gezielt führen können. Dafür ist es wichtig, die<br />

verschiedenen Fragearten unterscheiden und anwenden zu können.<br />

Besonders wichtig dabei ist jedoch, dass jede Frage den Bedarf Ihres<br />

Gesprächspartners in den Mittelpunkt stellt. Also, keine Angst vorm Fragen!<br />

Ein guter Berater hat ein gutes Gefühl für die passende Frage im<br />

Gesprächsverlauf, behält dabei immer sein Gesprächsziel im Auge und<br />

nutzt die Gelegenheit <strong>mit</strong> Freude, mehr über seinen Geschäftspartner<br />

zu erfahren.<br />

Sechs verschiedene Fragearten optimal einsetzen<br />

In Verkaufsgesprächen lassen sich grundsätzlich sechs verschiedene<br />

Fragetypen einsetzen:<br />

• Offene Fragen<br />

• Geschlossene Fragen<br />

• Alternative Fragen<br />

• Suggestive Fragen<br />

• Hypothetische Fragen<br />

• »Sich selbst verkaufende« Fragen<br />

69


Beim Gesprächsstart wollen wir den Verhandlungspartner zur Offenheit<br />

einladen und an seinen Gedanken teilhaben. Wir benötigen ein möglichst<br />

breites Spektrum an möglichen Antworten. Daher eignen sich<br />

offene Fragen zum Anfang eines jeden Gesprächs, da sie die Antwort<br />

des Gesprächspartners nicht einschränken. Es ist die Zeit, so viele Informationen<br />

wie möglich zu sammeln, um den Bedarf zu erfragen. Hier ist<br />

es überhaupt noch nicht nötig, zu sehr ins Detail zu gehen, sondern es<br />

geht darum, sich in das Denken des Kunden hineinzuversetzen. Offene<br />

Fragen bieten die Möglichkeit, viel über die Wünsche und Bedürfnisse<br />

zu erfahren.<br />

Offene Fragen sind grundsätzlich alle W-Fragen: was, wer, welche,<br />

warum, wie, wie viele, wie lange? Offene Fragen haben immer das Ziel,<br />

mehr Informationen zu erhalten. Sie sollten so gestellt werden, dass<br />

der Kunde die Möglichkeit hat, ohne Einschränkungen aus seiner Gedankenwelt<br />

heraus zu antworten. Diese Fragen kann man danach unterscheiden,<br />

ob sie nach <strong>dem</strong> Grund fragen: »Wieso?«, nach der Intention:<br />

»Wozu/Wofür?«, nach der Art und Weise: »Wie?«, nach der Zeit oder der<br />

Anzahl: »Wie lange, wie viel?«, oder <strong>dem</strong> Ort: »Wo?«<br />

Beispiele für offene Fragen:<br />

Erinnern wir uns an das Beispiel am Anfang des Kapitels, in <strong>dem</strong> eine<br />

Lagerhalle vermietet werden sollte. Die Vermieterin fragte: »Wenn Ihr<br />

Unternehmen hier ein neues Zuhause finden soll, was ist Ihnen dann<br />

wichtig?« Überlegen Sie sich für Ihr Business die Alternative zu dieser<br />

Eingangsfrage. Je offener sie gestellt wird und je mehr Ihnen der Kunde<br />

zu seinem Bedarf erzählt, umso besser läuft das Gespräch. Richten<br />

Sie sich darauf ein, weiter nachzufragen – »Okay, was ist Ihnen noch<br />

wichtig?« –, und erliegen Sie nicht der Versuchung, schnell <strong>mit</strong> Ihrem<br />

Angebot zu punkten. Bleiben Sie ruhig und gelassen in der Fragestellung<br />

und fragen Sie so lange offen weiter, bis Sie merken, jetzt ist wirklich<br />

jeder Wunsch geäußert. Erst dann ist es an der Zeit, Antworten zu<br />

geben.<br />

Bei der Vermietung von Immobilien kann die Eröffnungsfrage lauten:<br />

»Welche Anforderungen haben Sie konkret an Ihre neuen Räumlichkeiten?«<br />

Beim Kauf eines neuen Laptops könnte der Verkäufer fragen:<br />

»Für welche Zwecke kaufen Sie den Laptop, was wollen Sie da<strong>mit</strong> tun?«<br />

Und ein Autoverkäufer könnte es so formulieren: »Was erwarten Sie von<br />

Ihrem neuen Auto?«<br />

Geschlossene Fragen lassen dagegen nur »Ja« oder »Nein« als Antwort<br />

zu und sind daher nicht geeignet, um von Ihrem Gegenüber Informationen<br />

zu erhalten. Wenn Sie es <strong>mit</strong> Menschen zu tun haben, die<br />

generell eher schweigsame Naturen sind, kann der Dialog schnell zu<br />

Ende sein. Geschlossene Fragen dienen der Verfeinerung der Bedarfser<strong>mit</strong>tlung<br />

und sind da<strong>mit</strong> im weiteren Verlauf des Gesprächs sinnvoll.<br />

Zu diesem Zeitpunkt haben Sie vielleicht noch viele Produktalternativen<br />

im Hinterkopf, die für Ihren Kunden infrage kommen. Mit alternativen<br />

oder geschlossenen Fragen grenzen Sie den Bedarf ein, da<strong>mit</strong> Sie Ihr<br />

Angebot verfeinern können. Sie sollten geschlossene Fragen auch dann<br />

verwenden, wenn Sie die Aufmerksamkeit in eine ganz bestimmte Richtung<br />

lenken möchten.<br />

Beispiele für geschlossene Fragen:<br />

• »Brauchen Sie eine Alarmanlage in Ihrem Bürogebäude?«<br />

• »Möchten Sie eine 16-GB-RAM-Speicherkarte für Ihren Laptop?«<br />

• »Ist Ihnen der Dolby-Surround-Klang in Ihrem Auto wichtig?«<br />

Eine weitere gute Gelegenheit, um <strong>mit</strong> geschlossenen Fragen zu agieren,<br />

ist zum Ende des Gesprächs hin, um sicherzustellen, dass man alles<br />

richtig verstanden hat, oder um den Abschluss einzuleiten:<br />

70<br />

71


• »Ich habe Sie also richtig verstanden, dass für Sie der Einzugstermin<br />

der 1. Juli sein soll?«<br />

• »Fehlt Ihnen noch eine Information zu Ihrem neuen Laptop?«<br />

• »Sollen wir die Anmeldung des Gebrauchtwagens für Sie übernehmen?«<br />

Alternative Fragen grenzen Möglichkeiten ein. Im Gespräch sind sie aus<br />

zwei Gründen angebracht. Zum Beispiel, wenn der Kunde sich zwar zwischen<br />

zwei Möglichkeiten entscheiden kann, die Alternativen aus Ihrer<br />

Perspektive als Verkäufer aber nicht beliebig sind. Also immer dann,<br />

wenn die Frage »Wie hätten Sie es denn gerne?« das Risiko birgt, dass<br />

der Kunde Luftschlösser baut und Sie vor die Problematik stellt, diese<br />

nicht erfüllen zu können. Ein anderer Grund kann sein, dass Sie eine<br />

Auswahl möglichst gut darstellen wollen: »Wollen Sie auf den Winterreifenwechsel<br />

hier in der Werkstatt warten oder soll unser Hol- und Bringservice<br />

den Wagen bei Ihnen zu Hause abholen und gegen Abend wieder<br />

zurückbringen?« Solch einen Kundenservice können Sie <strong>mit</strong> alternativen<br />

Fragen ebenfalls gut herausstellen.<br />

Beispiele für alternative Fragen:<br />

• »Brauchen Sie eine Alarmanlage in <strong>dem</strong> Gebäude oder ist ein<br />

Wachdienst notwendig?«<br />

• »Soll der Laptop schwarz oder weiß sein?«<br />

• »Möchten Sie Ihr Auto hier im Autohaus abholen oder in unserem<br />

Werk in Süddeutschland?«<br />

72<br />

Suggestive Fragen sind eigentlich keine echten Fragen, sondern rein<br />

rhetorischer Natur. Sie sind eine andere Spielart der Ja-nein-Fragen.<br />

Eigentlich handelt es sich gar nicht um eine Frage, sondern um eine<br />

Behauptung oder ein Produktmerkmal, das <strong>mit</strong> einer Frage in den Vordergrund<br />

geschoben wird. Die Zustimmung zum Produktmerkmal soll<br />

<strong>mit</strong> einem klaren Ja noch einmal abgeholt werden. Eigentlich legen Sie<br />

Ihrem Gesprächspartner da<strong>mit</strong> schon die Antwort in den Mund und führen<br />

das Gespräch dadurch in die von Ihnen gewünschte Richtung beziehungsweise<br />

bringen Ihren Gesprächspartner dazu, über einen bestimmten<br />

Aspekt noch einmal nachzudenken.<br />

Beispiele für suggestive Fragen:<br />

• »Wenn Sie hier im Gebäude eine Kantine hätten, das wäre doch<br />

prima, oder?«<br />

• »Meinen Sie nicht auch, dass die Verkehrsanbindung hier optimal<br />

für Sie ist?«<br />

• »Sie sind doch jemand, der gute Qualität zu schätzen weiß, dann<br />

ist für Sie die hochwertige Verarbeitung des Innenraums Ihres<br />

Neuwagens ebenfalls wichtig, oder?«<br />

Hypothetische Fragen unterstellen, dass Sie ins Geschäft kommen, und<br />

beleuchten die Auswirkungen davon. Sie sind zukunftsorientiert und<br />

helfen, ein Gespräch verbindlicher zu gestalten.<br />

Beispiele für hypothetische Fragen:<br />

• »Mal angenommen, wir können eine zweite Anlieferrampe einbauen,<br />

würden Sie dann hier <strong>mit</strong> Ihrem Unternehmen anmieten?«<br />

• »Wenn wir diesen Laptop <strong>mit</strong> einer anderen Grafikkarte liefern<br />

können, kommen wir dann ins Geschäft?«<br />

• »Wenn wir davon ausgehen, dass wir als Autohaus den Gebrauchtwagen<br />

noch einmal kostenlos einer Inspektion unterziehen,<br />

ist es dann Ihr Wagen?«<br />

73


Eine besondere Fragetechnik ist, den Kunden sich das Angebot selbst<br />

verkaufen zu lassen. Mit dieser Fragestellung bezwecken Sie, dass der<br />

Kunde sich seinen Nutzen Ihres Produktes noch einmal selbst erklärt.<br />

Dadurch verankert sich die Botschaft besser im Gehirn Ihres Verhandlungspartners.<br />

Bei dieser Technik wird immer <strong>mit</strong> offenen Fragen gearbeitet,<br />

allerdings wird nicht mehr der Kunde nach seinem eigentlichen<br />

Bedarf gefragt, sondern danach, wie gut er das vorgestellte Produkt<br />

für sich bewertet. Das heißt, das eigene Produkt wird <strong>mit</strong> geschickt gestellten<br />

offenen Fragen beim Kunden abgefragt. Dadurch erklärt sich<br />

der Kunde quasi seinen eigenen Nutzen. Ein bisschen Vorsicht ist dabei<br />

allerdings geboten, da<strong>mit</strong> sich die Fragen nicht zu naiv anhören.<br />

Beispiele für »sich selbst verkaufende« Fragen:<br />

• »Lieber Kunde, welchen Nutzen könnte dieser Vorteil meines Angebotes<br />

für Sie haben?«<br />

• »Gibt es weiteren Nutzen für Sie aus diesem Vorteil?«<br />

• »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, das Ihnen daran gefällt?«<br />

Egal, welche der sechs Fragearten Sie einsetzen: Wichtig ist, über die<br />

generelle Zielsetzung der Frage zu entscheiden, denn es gibt immer zwei<br />

Richtungen, in die man Fragen stellen kann: lösungsorientiert oder problemorientiert.<br />

Die obigen Fragen sind alle lösungsorientiert formuliert.<br />

Das ist sehr sinnvoll, denn in einem Beratungs- oder Verkaufsgespräch<br />

möchte man sich nicht in Problemen verlieren. Oft kommt man sonst<br />

zu schnell vom Unwichtigen ins ganz Unwichtige und merkt vielleicht<br />

nicht einmal, wie man sich auf einem Nebenkriegsschauplatz verläuft.<br />

Es kann aber durchaus sinnvoll sein, auch problemorientierte Fragen zu<br />

stellen. Auf das Problem bezogen nachzufragen bietet sich immer dann<br />

an, wenn Sie merken, dass Ihr Gesprächspartner sich noch gar nicht auf<br />

eine Lösung einlassen kann und immer wieder zu verstehen gibt, was<br />

74<br />

er nicht will oder was der letzte Lieferant alles falsch gemacht hat oder<br />

wie schlimm sein Problem eigentlich für ihn ist. Sie merken, er ist noch<br />

in den Fehlern der Vergangenheit gefangen, und die Emotionen dazu kochen<br />

noch in ihm hoch. Wenn Sie dann fragen: »Und, wie wollen wir das<br />

lösen?«, dann kann es dafür noch zu früh sein. Genau hier ist Ihr Fingerspitzengefühl<br />

gefragt. In diesem Fall ist es nötig, zunächst das Problem<br />

genau zu erkunden und zu hinterfragen. Wenn Sie <strong>dem</strong> Kunden das Gefühl<br />

geben können, dass Sie diesen Ärger verstehen, wird das sein Vertrauen<br />

zu Ihnen stärken.<br />

Der passende Fragetyp ist in solchen Fällen also nicht sofort ziel- und<br />

lösungsorientiert, sondern versucht, das Problem genauer einzugrenzen<br />

oder zu ergründen.<br />

Beispiele für Problemfragen:<br />

• »Was hat Sie an der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Ihrem jetzigen Vermieter<br />

gestört?«<br />

• »Warum kaufen Sie nach zwei Jahren schon wieder einen neuen<br />

Laptop?«<br />

• »Was ist bei Ihrer Autowerkstatt schiefgelaufen, dass Sie darüber<br />

so verärgert sind?«<br />

Wenn Ihr Kunde sich dann so richtig seinen Frust von der Seele reden<br />

durfte, haben Sie viel erfahren, nämlich all das, was er nicht mehr will –<br />

wovon er weg will. Das können Sie im nächsten Schritt sprachlich aufgreifen:<br />

»Jetzt habe ich verstanden, was bei Ihnen auf keinen Fall mehr<br />

passieren darf. Lassen Sie uns also darüber sprechen, wie wir das lösen<br />

können.« Mit ein bisschen Glück haben sich dadurch, dass Sie seinem<br />

Problem aufmerksam zugehört haben, die Emotionen Ihres Gegenübers<br />

beruhigt.<br />

Eventuell müssen Sie auch Ihren Frage-Eifer erklären, in<strong>dem</strong> Sie ein<br />

75


Statement dazu abgeben, wie wichtig es Ihnen ist, Ihre Kunden gut kennenzulernen<br />

und alle Wünsche und Ziele zu berücksichtigen.<br />

Tipp:<br />

Wie lange dauert die Bedarfsanalyse? Zumindest so lange, bis Sie aus<br />

<strong>dem</strong> Bauchladen Ihrer Produktpalette maximal drei Produkte auswählen<br />

können.<br />

Auf der einen Seite soll der Kunde eine Auswahl haben, doch es soll<br />

auch übersichtlich bleiben. Daher eignen sich zwei bis drei Produkte<br />

gut zur Vorstellung.<br />

Aktives Zuhören<br />

Fragen ist die eine Seite der Medaille, zuhören die andere. Und zuhören<br />

ist nicht gleich zuhören.<br />

Die menschliche Sprache hat so ihre Tücken, denn Menschen neigen<br />

in ihrem Sprachgebrauch dazu, wichtige Dinge vorauszusetzen und dadurch<br />

Informationen zu tilgen. Oder Ereignisse werden verzerrt wiedergegeben<br />

oder generalisiert.<br />

Das aktive Zuhören kann diese Mechanismen durchbrechen. Unter<br />

Tilgen versteht man, Informationen einfach wegzulassen, da der eigene<br />

Filter gerade sagt: Das ist nicht bedeutsam. Verzerrung beschreibt die<br />

Tatsache, dass wir unsere Erfahrungen gar nicht eins zu eins wiedergeben<br />

können.<br />

Wenn wir über eine Sache reden, so ist das niemals objektiv, sondern<br />

wir färben diese Erfahrung ganz automatisch <strong>mit</strong> unseren Gefühlen. Wir<br />

schmücken eine Situation positiver aus, als sie war, oder wir sprechen<br />

negativer über alte Themen, als sie waren. Vielleicht auch, weil wir die<br />

Bedeutung für uns unterstreichen wollen.<br />

76<br />

Ein Praxisbeispiel, wie sich Generalisierungen im Gespräch anhören:<br />

Eine Immobilie, die zusätzlich über zehn Parkplätze verfügt, soll vermietet<br />

werden. Das Unternehmen, das sich für diese Immobilie interessiert<br />

und daher gerade zur Besichtigung vor Ort ist, hat 60 Mitarbeiter.<br />

Im Gespräch sagt der potenzielle Mieter: »Da müssen ja<br />

meine Mitarbeiter fast alle außerhalb einen Parkplatz anmieten, das<br />

wird zu teuer.« Eine durchaus menschliche Reaktion wäre nun, in eine<br />

Einwandbehandlung abzugleiten und sich zusammen <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Mieter<br />

nach alternativen Parkplätzen für 50 Mitarbeiter umzusehen. Doch<br />

noch ist dieser Zeitpunkt nicht gekommen, denn wer aktiv zuhört, hört<br />

die Generalisierung »alle Mitarbeiter« heraus. Vorab ist daher erst einmal<br />

zu prüfen: Müssen wirklich fast alle Mitarbeiter einen Parkplatz<br />

anmieten? Wie war das bisher? Haben alle Mitarbeiter vor der Tür parken<br />

können? Das ist noch gar nicht geklärt. Durch die Aussage »Da<br />

müssen ja meine Mitarbeiter fast alle außerhalb einen Parkplatz anmieten«<br />

unterstellt man das aber sofort. Man fällt auf die Verallgemeinerung<br />

herein. Eine interessante Frage wäre jetzt: »Wie viele Ihrer<br />

Mitarbeiter würden denn jeden Tag <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto zur Arbeit fahren?«<br />

Vielleicht ist die neue Immobilie viel besser <strong>mit</strong> öffentlichen Verkehrs<strong>mit</strong>teln<br />

zu erreichen als das alte Büro. Wenn Sie dann eine Zahl dazu<br />

haben, wie viele Mitarbeiter tatsächlich <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto kommen und<br />

vor <strong>dem</strong> Bürogebäude parken müssen, dann können Sie weiterdenken.<br />

Erst das aktive Zuhören sorgt dafür, dass Sie Ihrem Gesprächspartner<br />

helfen können, solche Generalisierungen aufzudecken, um<br />

den echten Bedarf zu erkennen.<br />

Generalisierungen in der Sprache lassen sich leicht entschlüsseln, man<br />

erkennt sie an den Wörtern »immer«, »alle«, »jeder«, »grundsätzlich«,<br />

»ausschließlich«. Im Beispiel war es die Unterstellung, dass alle Mitarbeiter<br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto zur Arbeit fahren würden und aufgrund der vermeintlich<br />

fehlenden 50 Parkplätze immer für Parktickets bezahlen müssten.<br />

77


Da auch wir Zuhörer dazu neigen, fehlende Informationen aus <strong>dem</strong><br />

eigenen Erfahrungsschatz hinzuzudichten, lohnt es sich, gut zuzuhören<br />

und die Aussagen zu hinterfragen und zu differenzieren, um zu einem genauen<br />

Bild zu kommen. Das menschliche Gehirn ist bestrebt, Wissensund<br />

Informationslücken durch Rückgriff auf gespeicherte Erfahrungen zu<br />

schließen.<br />

Lesen Sie in dieser Übung bitte den folgenden Satz:<br />

Ncah eneir Sdtiude an der Cbambrige Uversniity sleipt es kniee Rlloe,<br />

in wlcheer Rfeiheenlge die Bauchstaebn enies gertducken Wrots gstzeet<br />

sind. Witchig ist nur, dsas der estre und der lettze Bubschtae an der ritchgein<br />

Seltle shett.<br />

Diese Übung zeigt eindrucksvoll, wie unser Gehirn Bruchstücke zu einem<br />

Ganzen zusammensetzt. Wir greifen dabei auf alte Erfahrungen zurück.<br />

Im obigen Beispiel erkennt unser Gehirn die Wörter und sorgt für<br />

eine sinnvolle Zusammensetzung der Buchstaben.<br />

In Verhandlungen ist es wichtig, nichts aus alten Erfahrungen zu unterstellen.<br />

Eine Trainerkollegin von mir sagte dazu einmal, in der Bedarfsanalyse<br />

seien drei Dinge wichtig: klären, klären, klären. Um Klarheit zu<br />

erlangen, sollten Sie also nicht zu viel interpretieren oder voraussetzen.<br />

Wenn Ihr Gesprächspartner nicht sofort alle für Sie wichtigen Bedarfsinformationen<br />

herausgibt, ist das ganz normal und hat nichts da<strong>mit</strong> zu<br />

tun, dass er Ihnen nicht mehr erzählen möchte. Der Volksmund nennt<br />

dieses Phänomen »Betriebsblindheit«: es fehlt ganz einfach der Überblick,<br />

welche Informationen für den Außenstehenden relevant sind. Im<br />

besten Fall lösen Sie das <strong>mit</strong> Ihren Fragen auf und bringen dadurch Ihren<br />

Kunden dazu, über die eigenen Gewohnheiten neu nachzudenken,<br />

denn dann haben Sie sofort einen echten Mehrwert geschaffen! Bevor<br />

Sie <strong>dem</strong> Kunden Ihr Produkt oder Angebot präsentieren, sollten Sie sich<br />

daher vergewissern, dass Sie seinen Bedarf auch gut verstanden haben.<br />

78<br />

Beim aktiven Zuhören zeigt man <strong>dem</strong> Kunden ganz bewusst, dass<br />

man präsent ist, sich seine Worte gut merkt, sich für sein Anliegen interessiert<br />

und dieses Anliegen <strong>mit</strong> fachlichem Verstand verarbeitet. Die<br />

Grundvoraussetzung für aktives Zuhören ist, den anderen nicht zu unterbrechen,<br />

sondern ihn ausreden zu lassen. Während Ihr Kunde spricht,<br />

ist es wichtig, den Blickkontakt zu halten, ohne ihn anzustarren. Wenn<br />

Sie einer Freundin interessiert zuhören, wie würden Sie sich dann verhalten?<br />

Sie würden nicken, Sie würden hier und da eine vertiefende Frage<br />

stellen und aufmerksam <strong>dem</strong> Gespräch lauschen, also nicht gedanklich<br />

die Einkaufsliste für das Familienfest am Wochenende durchgehen,<br />

sondern auf den Moment fokussiert bleiben. Beim aktiven Zuhören<br />

verhalten Sie sich – aus echtem Interesse an Ihrem Kunden – genauso.<br />

Wenn Sie nur stumm zuhören oder eine Frage nach der anderen stellen<br />

würden, wäre das Gespräch doch etwas einseitig oder könnte <strong>dem</strong> Kunden<br />

vorkommen wie ein Verhör. Deswegen ist es Ihr Auftrag, Ihrem Gesprächspartner<br />

auch verbal zu zeigen, dass Sie ihn verstanden haben.<br />

Die einfachste Art, dies zu zeigen, besteht darin, zu nicken oder Wörter<br />

oder Satzabschnitte zu wiederholen. Man unterscheidet darüber hinaus<br />

das Paraphrasieren und das Verbalisieren als Gesprächstechniken des<br />

aktiven Zuhörens.<br />

Beim Paraphrasieren fasst man die Aussage des Vorredners <strong>mit</strong><br />

eigenen Worten zusammen. Man konzentriert sich auf den Sinn des<br />

Gesagten und gibt den Grundgedanken der gesprochenen Wörter kurz<br />

und bündig wieder. So können Sie überprüfen, ob Sie Ihren Gesprächspartner<br />

richtig verstanden haben. Zum Beispiel kann sich das so anhören:<br />

»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist es wichtig für<br />

Sie, dass …« Danach muss die Frage kommen: »Trifft das zu?« Diese geschlossene<br />

Frage ist eine Bestätigungsfrage, <strong>mit</strong> der Sie Missverständnisse<br />

vermeiden.<br />

Das Verbalisieren geht noch einen Schritt weiter. Jetzt wiederholt<br />

man nicht das Gesagte, sondern fasst auch das in Worte, was noch nicht<br />

79


ausdrücklich gesagt wurde, aber gefühlsmäßig in den Äußerungen des<br />

anderen <strong>mit</strong>schwang. Der Tonfall, also die Art, wie etwas gesagt wurde,<br />

entscheidet häufig über die Bedeutung des Satzes. Wenn Sie solche<br />

Zwischentöne heraushören, ist es wichtig, auch diese emotionalen Aussagen<br />

des anderen <strong>mit</strong> eigenen Worten wiederzugeben. Da es je nach<br />

Gesprächsinhalt sinnvoll sein kann, hierbei behutsam vorzugehen, bietet<br />

es sich an, die Verbalisierung zum Beispiel <strong>mit</strong> einem der folgenden<br />

Sätze einzuleiten: »Was ich zwischen den Zeilen noch heraushöre …«;<br />

»Ist Ihr Wunsch dann ebenfalls …?«; »Das klingt, als ob Sie …«. Fragen<br />

Sie auch hier wieder nach, ob Sie das so richtig verstanden haben.<br />

Tipp:<br />

Widerstehen Sie <strong>dem</strong> Impuls, schon im Informationsaustausch auf Einwände<br />

zu reagieren und zum Beispiel auf die Parkplatzfrage aus <strong>dem</strong><br />

Beispiel oben zu antworten: »So teuer ist die Anmietung von Parkplätzen<br />

in dieser Gegend nicht, die kosten nur 40 Euro im Monat.« Sie verzetteln<br />

sich so in einer Preisdiskussion, die Sie hier in der Bedarfsanalyse<br />

noch gar nicht gebrauchen können. Die Regel lautet immer: Bedarf<br />

vor Angebot vor Preis. Natürlich halten sich Ihre Gesprächspartner<br />

nicht immer daran. Doch genau das ist Ihre Aufgabe als Verkäufer oder<br />

Berater. Merken Sie sich die möglicherweise aufkommenden Einwände,<br />

aber stellen Sie sie zurück, bis Sie sich ein umfassendes Bild des<br />

Bedarfs gemacht haben, und kommen Sie erst dann darauf zurück.<br />

80<br />

Das Angebot präsentieren:<br />

Schaffen Sie Magneteffekte!<br />

Wenn alle Informationen über den Kundenbedarf eingeholt sind, kann<br />

endlich das maßgeschneiderte Angebot erstellt werden. Sie haben den<br />

Bedarf geklärt und da<strong>mit</strong> die wichtige Voraussetzung geschaffen, dass<br />

Sie Ihr Produkt und Ihre Argumente nun konkret in Bezug auf den individuellen<br />

Wunsch aufbauen können. Da<strong>mit</strong> ist die Nachhaltigkeit Ihres<br />

Angebots gesichert.<br />

Jetzt geht es um die richtige Präsentation Ihres Angebots und Ihrer<br />

Argumente. Dafür lassen Sie uns als Erstes die drei Bestandteile eines<br />

Argumentes ansehen. Ein Argument besteht aus:<br />

• Merkmalen<br />

• Kundennutzen<br />

• Beispielen oder Beweisen<br />

Das Merkmal oder die Eigenschaft bezeichnet die Beschaffenheit, die<br />

wesentlichen Bestandteile und/oder die Ausstattung des Produktes.<br />

Und beantwortet da<strong>mit</strong> die Fragen »Was kann das Produkt? Wie ist es<br />

ausgestattet?«. Der Nutzen besteht in den Vorteilen, die das Produkt für<br />

den potenziellen Käufer hat, und darin, wie sich diese Merkmale positiv<br />

für ihn auswirken. Im Nutzen erklärt sich die Frage »Was bringt mir das<br />

konkret?«.<br />

Als letzten Punkt gilt es, das Gesagte an einem Beispiel oder durch<br />

eine Studie zu beweisen, da<strong>mit</strong> Merkmale und Nutzen auch von Dritten<br />

geglaubt und nachvollzogen werden können. Das kann <strong>mit</strong> der Aushändigung<br />

von Produktmaterial wie Broschüren oder Exposés geschehen<br />

oder <strong>mit</strong> der Erzählung von wahren Storys über das Produkt und seine<br />

Auswirkungen. Bei der Veranschaulichung wird die Frage »Ist das auch<br />

wahr?« beantwortet.<br />

81


Nutzenargumentation: Nennen Sie die konkreten Vorteile!<br />

82<br />

»Der Wurm muss <strong>dem</strong> Fisch schmecken<br />

und nicht <strong>dem</strong> Angler!«<br />

Merkmale und Nutzen unterscheiden zu können, ist für einen guten Verkäufer<br />

elementar. Es ist einer der wichtigsten Punkte, der den normalen<br />

Berater vom Top-Berater unterscheidet. Top-Berater machen es ihren<br />

Kunden leicht, die Argumente zu verstehen. Sie sorgen dafür, dass der<br />

Nutzen ihres Produktes am Bedarf des potenziellen Kunden andockt.<br />

Auch das ist sprachliche Brillanz.<br />

Beispiel:<br />

Folgendes Szenario erlebte ich bei einer Veranstaltung zum Jahresauftakt<br />

einer deutschen Großbank im Rheinland. Geladen in die historische<br />

Stadthalle <strong>mit</strong> hohen, goldverzierten Decken sind rund 800 der besten<br />

Kunden des Hauses. Auf <strong>dem</strong> Programm des Abends stehen: klassische<br />

Musik eines bekannten Geschwisterpaares an Klavier und Geige, variantenreiche<br />

Häppchen und eine feine Getränkeauswahl – man hat es sich<br />

etwas kosten lassen. Zum Start der Veranstaltung begrüßt die örtliche<br />

Gebietsleitung der Bank das Publikum. Und zwar <strong>mit</strong> folgenden Fakten:<br />

Die Zuständigkeit für die Gebietsverantwortung wurde geändert, statt<br />

fünf Vorstands<strong>mit</strong>gliedern sind es nun nur noch drei. Eine Hierarchieebene<br />

wurde komplett gestrichen, und man hoffte, aufgrund der Altersstruktur<br />

auf betriebsbedingte Kündigungen in den Folgejahren verzichten<br />

zu können.<br />

Einmal abgesehen davon, dass zwischen betriebsbedingten Kündigungen<br />

und den luxuriösen Häppchen gefühlt Welten liegen, möchte ich auf<br />

etwas anderes hinaus: Wenn so viel Geld dafür ausgegeben wird, Kunden<br />

an das Haus zu binden, dann sollte man die Gelegenheit, sich bestmöglich<br />

darzustellen, besser nutzen, in<strong>dem</strong> man den Kunden erklärt,<br />

was man tun muss, um das Vertrauen in ein solides und sicheres Bankhaus<br />

auszubauen. Die Frage, die sich mir aufdrängte, war: »Was tut das<br />

alles für mich als Kunden? Spare ich durch die flacheren Hierarchien<br />

Kosten? Erhöht die Bank deswegen die Gebühren nicht? Ist die Verbindung<br />

der Führungskräfte zu den Kunden dadurch enger und schafft<br />

mehr Bodenhaftung auch für mich als Verbraucher? Ist mein Geld bei<br />

dieser Bank durch die vorgestellten Maßnahmen sicherer? Was haben<br />

die Mitarbeiter davon?« Also: Was konkret hat wer davon, dass das nun<br />

so passiert ist?<br />

Grundsätzlich kommen bei jeder Aussage drei Nutznießer infrage:<br />

der Kunde, das Unternehmen selbst und die Mitarbeiter des Unternehmens.<br />

Im Beispiel wird für keine der Zielgruppen ein Nutzen erzeugt,<br />

das Unternehmen stellt nur Merkmale vor. Es sagt, was es gemacht hat,<br />

aber nicht, wohin das führen soll und welche positiven Auswirkungen<br />

da<strong>mit</strong> angestrebt werden. Stattdessen wählten die Redner Merkmale,<br />

die für die Kunden keinen direkten Nutzen haben, relativ uninteressant<br />

sind und auch noch eine eher negative Stimmung verbreiten (betriebsbedingte<br />

Kündigungen).<br />

Der Nutzen sind die Vorteile, die Sie als Kunde von <strong>dem</strong> Produkt ganz<br />

konkret haben.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen einen Flipchartstift <strong>mit</strong> folgenden<br />

Merkmalen: Der Stift hat Griffmulden, schreibt schwarz und hat<br />

eine abgeschrägte Spitze. Wenn Sie dafür sorgen möchten, dass Sie<br />

<strong>mit</strong> Ihrem Angebot an den Bedarf des Kunden andocken, könnten Sie<br />

zum Beispiel sagen: »Dieser Stift hat Griffmulden (Merkmal), da<strong>mit</strong><br />

Sie beim Schreiben auf einem Flipchart den Stift immer automatisch in<br />

der richtigen Position halten (Nutzen). Er hat diese abgeschrägte Spitze<br />

(Merkmal), da<strong>mit</strong> Sie ein perfektes Schriftbild (Nutzen) haben, und<br />

schreibt schwarz (Merkmal), da<strong>mit</strong> sich Ihre Schrift auf den Flipcharts<br />

83


oder späteren Fotos von Ihren Flipcharts gut lesen (Nutzen) lässt.« Erst<br />

jetzt weiß der Kunde, wofür die Merkmale gut sind. Also warum dieser<br />

Stift genau so gestaltet wurde, da<strong>mit</strong> er als Kunde etwas davon hat.<br />

Nämlich eine gute Schreibposition, ein perfektes Schriftbild und eine<br />

deutlich lesbare Schrift. Als Beweis können Sie den Kunden den Stift<br />

ausprobieren lassen. Als Verkäufer sind Ihnen diese Vorteile sonnenklar,<br />

doch tappen Sie nicht in die Falle, Ihrem Kunden deswegen nicht<br />

klar den Nutzen aufzuzählen. Helfen Sie Ihrem Kunden beim Denken<br />

und im Entscheidungsprozess. Sie ersparen ihm da<strong>mit</strong> das Übersetzen<br />

in seine Anwendungswelt. So kommen Sie von allgemeinen Merkmalen<br />

zum individuellen Nutzen.<br />

Da Merkmale und Nutzen so schwer zu unterscheiden sind, diese<br />

Unterscheidung aber sehr wichtig ist, gebe ich Ihnen noch weitere Beispiele,<br />

wie diese beiden Aspekte sich unterscheiden:<br />

Merkmal: »Die Autobahn ist in fünf Minuten erreichbar.« Nutzen:<br />

»Durch den kurzen Weg zur Autobahn sparen Sie Zeit.«<br />

Merkmal: »Bei uns erhalten Sie alles aus einer Hand.« Nutzen: »Dadurch<br />

entfällt für Sie die Koordination verschiedener Handwerker. Das<br />

spart Ihre Zeit, sowohl bei der Suche wie auch später in der laufenden<br />

Koordination der verschiedenen Gewerke. Da<strong>mit</strong> Sie sich darüber keine<br />

Gedanken machen müssen und Ihrem Geschäft nachgehen können, erledigen<br />

wir als Team das für Sie.«<br />

Sehen wir uns einen weiteren wichtigen Baustein in der Nutzenformulierung<br />

an. Lesen Sie die obigen Beispiele noch einmal. Fällt Ihnen<br />

auf, wie oft das Wort »Sie« vorkommt? Ganz bewusst sollten Sie bei der<br />

Nutzenformulierung die sogenannte Sie-Perspektive wählen, denn dadurch<br />

fühlt sich der Gesprächspartner persönlich angesprochen. Da<strong>mit</strong><br />

Sie <strong>mit</strong> Ihren guten Argumenten auch bei Ihrem Kunden ankommen,<br />

wählen Sie nicht die allgemeingültige Man-Perspektive oder die Ich-Perspektive,<br />

sondern achten Sie auf den Einsatz der Sie-Perspektive. Einleitende<br />

Formulierungen dazu sind zum Beispiel:<br />

84<br />

• Dadurch erzielen Sie …<br />

• Da<strong>mit</strong> erreichen Sie …<br />

• Das bringt Ihnen …<br />

• Da<strong>mit</strong> vermeiden Sie …<br />

• Für Sie bedeutet das …<br />

• Das beschleunigt für Sie …<br />

Im ganzen Satz kann sich das wie folgt anhören:<br />

Nicht: »Wir müssen diese Preise verlangen, weil wir sonst <strong>mit</strong> den Kosten<br />

in der Produktion nicht hinkommen.« Sondern: »Wir müssen diese<br />

Preise verlangen, weil wir Ihnen den hohen Qualitätsstandard garantieren<br />

wollen.«<br />

Nicht: »Ich biete gut strukturierte Seminare an, in denen ich zeige,<br />

wie Kommunikation funktioniert.« Sondern: »In diesem Seminar werden<br />

Sie lernen, wie Sie erfolgreicher kommunizieren und da<strong>mit</strong> die eigene<br />

Wirkung in Verhandlungen verbessern.«<br />

Emotionen wecken: Erzeugen Sie Bilder im Kopf!<br />

Dass Produkte zunehmend austauschbar sind und daher der Verkäufer<br />

<strong>mit</strong> seinen eigenen Gefühlen einen wichtigen Platz einnimmt und dass<br />

Sie durch Ihre eigene Einstellung Menschen emotional berühren können,<br />

haben Sie schon im Kapitel 1: »Die eigene Einstellung« gelesen.<br />

Das Kapitel 2: »Sprachliche Wirkung« stellt die weiteren Grundlagen<br />

vor, während es nun vertieft darum gehen soll, wie Sie Emotionen wecken<br />

können.<br />

Wir Menschen nehmen Informationen über verschiedene Sinneskanäle<br />

auf. Wir lernen <strong>mit</strong>hilfe unserer Sinne »sehen«, »hören«, »fühlen«,<br />

»schmecken« und »riechen«. Wann immer Sie ein Produkt haben,<br />

das sich anfassen und vorführen lässt: Nutzen Sie das! Lassen Sie<br />

85


den Kunden das Produkt in die Hand nehmen, um seine Sinne zu erreichen.<br />

Geben Sie Ihrem Kunden die Möglichkeit, es auszuprobieren und<br />

schon einmal in Besitz zu nehmen. Sie haben ein virtuelles Produkt<br />

oder eine Dienstleistung, die man nicht anfassen kann? Dann sind Sie<br />

darauf angewiesen, die Sinne Ihres Kunden anders zu erreichen. Gerade<br />

den visuellen Menschen hilft es sehr, etwas noch einmal zu sehen<br />

und nicht nur zu hören. Bestimmt haben Sie eine Broschüre über<br />

Ihr Produkt oder ein Exposé, das Sie aushändigen können. Sie haben<br />

während des Gesprächs Zeichnungen angefertigt? Geben Sie sie Ihrem<br />

Kunden <strong>mit</strong>, da<strong>mit</strong> er sich noch einmal anschauen kann, was Sie besprochen<br />

haben.<br />

Gerade bei virtuellen Produkten oder Dienstleistungen spielt es eine<br />

große Rolle, emotionale Botschaften zu verankern. Dazu wollen wir uns<br />

ansehen, wie wir Bilder im Kopf des Gesprächspartners entstehen lassen<br />

können und da<strong>mit</strong> Emotionen erzeugen. Denn durch die <strong>mit</strong> ihnen<br />

verbundenen Emotionen werden Informationen besser behalten.<br />

Das menschliche Gehirn besteht aus zwei Hälften. Die linke Gehirnhälfte<br />

verarbeitet eher die logischen und rationalen Informationen und<br />

die rechte eher die kreativen Gedanken. Auch die Verarbeitung von Gefühlen<br />

hat in der rechten Gehirnhälfte ihren Platz. Wenn Verkäufer ausschließlich<br />

über Zahlen, Daten und Fakten reden, dann verfehlen sie die<br />

Gehirnareale, die für die Gefühle zuständig sind. Die rechte Gehirnhälfte<br />

erreicht nur, wer in Bildern spricht. Auch Erinnerungen werden nicht in<br />

Worten, sondern in Bildern abgespeichert. Unser Gehirn speichert die<br />

passenden Bilder zu Situationen, und wenn wir an ein Erlebnis denken,<br />

dann kommen auch die Bilder wieder hoch. Deswegen erinnern wir uns<br />

an Geschichten viel besser als an nüchterne Zahlen.<br />

Übung:<br />

Probieren Sie es selbst kurz aus. Denken Sie an Ihren letzten Urlaub<br />

und daran, was Sie tagsüber erlebt und gesehen haben. Und, was ist<br />

86<br />

passiert? Haben Sie die an den Strand brandenden Wellen vom letzten<br />

Urlaub gesehen oder sich selbst, wie Sie auf der Hotelterrasse einen<br />

leckeren Sommerwein trinken? Was Sie nicht gesehen haben werden,<br />

sind die Wörter »Urlaub auf Mallorca«.<br />

Das bedeutet für die gehirngerechte Kommunikation: Sprechen Sie in<br />

Bildern oder erzählen Sie Geschichten. Schon unsere Vorfahren saßen<br />

um das Feuer und erzählten sich gegenseitig die »alten Geschichten«;<br />

lange Zeit wurden Wissen und Werte so ver<strong>mit</strong>telt. Geschichten lassen<br />

zu, dass der Zuhörer emotional eintaucht, sie <strong>mit</strong> seiner Situation vergleicht<br />

und für sich selbst Schlüsse zieht. Geschichten sorgen dafür,<br />

dass die Inhalte behalten werden.<br />

Übung:<br />

Lesen Sie die folgenden Sätze: »Ein Zweibein sitzt auf einem Dreibein<br />

und hat ein Einbein in der Hand. Da kommt ein Vierbein und nimmt <strong>dem</strong><br />

Zweibein das Einbein weg. Daraufhin nimmt das Zweibein das Dreibein<br />

und erschlägt das Vierbein.« Und nun probieren Sie einmal, bevor Sie<br />

weiterlesen, das Ganze fehlerfrei wiederzugeben. Schwierig, wenn nicht<br />

gar unmöglich, nicht wahr? Die Lösung dazu lautet, das Geschehen bildhaft<br />

zu erzählen: Das Zweibein ist ein Mensch, da er zwei Beine hat. Das<br />

Dreibein ist ein Schemel. Das Einbein ist eine Hühnerkeule und das Vierbein<br />

ein Hund. Mit diesem Wissen lesen Sie bitte die obigen Sätze noch<br />

einmal. Und – haben Sie die Geschichte erkannt und können sie nun<br />

selbst erzählen? Ich bin sicher, nun gelingt es Ihnen fehlerfrei!<br />

Die Erkenntnis, dass das Gehirn in Bildern denkt, lässt sich auch für das<br />

Feld von Beratung und Verkauf und in Verhandlungen nutzen. Entweder<br />

in<strong>dem</strong> man eine bildhafte Sprache benutzt oder durch die Erzählung von<br />

Verkaufs- oder Beratungsgeschichten. Hier möchte ich Ihnen die Möglichkeiten<br />

vorstellen:<br />

87


• in Metaphern sprechen<br />

• Vergleiche benutzen<br />

• Geschichten erzählen<br />

• <strong>mit</strong> Adjektiven auf kurze, aber feine Art Ihr Angebot veranschaulichen<br />

Eine schöne Art, Sachverhalte <strong>mit</strong> bildhafter Sprache emotional zu<br />

veranschaulichen, sind Metaphern. Prinzipiell geht es bei der Metapher<br />

darum, den zur Diskussion stehenden Sachverhalt <strong>mit</strong> einem zu<br />

vergleichen, der zwar inhaltlich nichts da<strong>mit</strong> zu tun hat, aber in seiner<br />

Bedeutung die Aussage auf den Punkt bringt. Schauen wir uns das an<br />

einem bekannten Ausspruch gemeinsam an: »Der kann mir doch nicht<br />

das Wasser reichen!« Natürlich geht es hierbei nicht darum, von jeman<strong>dem</strong><br />

eine Flasche Wasser zu bekommen. Das Sprichwort besagt, dass<br />

jemand nicht auf <strong>dem</strong>selben Niveau <strong>mit</strong> jemand anderem ist, weil ihm<br />

Fähigkeiten oder Leistungen fehlen. Metaphern sorgen dafür, dass Zusammenhänge<br />

auf eine übertragene Weise verstanden werden. Metaphern<br />

können deswegen eine ganz besondere Wirkung entfalten. Diese<br />

bringt der Ausspruch von Mark Twain auf den Punkt: »Der Unterschied<br />

zwischen <strong>dem</strong> richtigen Wort und <strong>dem</strong> beinahe richtigen ist der gleiche<br />

wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.« Der Vergleich zwischen<br />

Blitz und Glühwürmchen macht uns klar: Hier geht es nicht nur<br />

um einen kleinen Unterschied, sondern darum, dass man sich »wie vom<br />

Blitz getroffen« an das richtige Wort erinnert oder die Wirkung wie ein<br />

Glühwürmchen in der Dunkelheit verblasst.<br />

Vergleiche helfen dabei, einen erklärungsbedürftigen Sachverhalt<br />

zu verdeutlichen. Dazu setzt man den neuen oder unbekannten Sachverhalt<br />

<strong>mit</strong> etwas bereits Bekanntem ins Verhältnis. Das ermöglicht <strong>dem</strong><br />

Gesprächspartner, eigene logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Ein<br />

Vergleich ist eine Verallgemeinerung, die für Erkenntnis sorgt. Typische<br />

Einleitungen dazu wären zum Beispiel: »Das ist genauso wie bei …«<br />

88<br />

»Das kann man vergleichen <strong>mit</strong> …« oder »Der Sachverhalt ist der gleiche<br />

wie bei …«<br />

Ebenso helfen Vergleiche, die eigene Meinung <strong>mit</strong> Bildern im Kopf<br />

des anderen zu koppeln und sich dadurch stärker auszudrücken. Franz<br />

Josef Strauß, der ehemalige Ministerpräsident von Bayern, sagte zum<br />

Beispiel einmal zu Michail Gorbatschow, als dieser versuchte, ihm Glasnost<br />

und Perestroika zu erklären: »Ich glaube nicht, dass Sie da viel erreichen.<br />

Eher könnte man Schneebälle rösten, als dass Ihre Form des<br />

Kommunismus gelingen könnte.« Dieses Zitat ist von Edmund Stoiber<br />

überbracht worden, der es in einem Beitrag des ZDF im Jahr 2017 zum<br />

Besten gab. Strauß unterstrich <strong>mit</strong> diesem Bild, für wie unrealistisch er<br />

den Erfolg der von Gorbatschow anvisierten Reformen hielt.<br />

Für einen meiner Kunden, der Gewerbeimmobilien vermietet, benötigten<br />

wir einen Vergleich, um zukünftigen Mietern zu verdeutlichen,<br />

dass die Verantwortung für Schäden an der Immobilie bei leichter und<br />

grober Fahrlässigkeit beim Mieter liegt. In der Mietvertragsverhandlung<br />

war es über diesen Punkt immer wieder zu Diskussionen gekommen,<br />

da der Mieter der Ansicht war, der Vermieter sollte für solche Schäden<br />

haften. Wir ließen uns den folgenden Vergleich einfallen: »Wenn Sie im<br />

Urlaub ein Auto anmieten, dann unterschreiben Sie einen Mietvertrag.<br />

Und auch in diesem Mietvertrag steht, dass Sie die Schäden für leichte<br />

und grobe Fahrlässigkeit übernehmen. Das ist so, weil der Autovermieter<br />

sicherstellen möchte, dass Sie das Auto gut behandeln und dafür<br />

sorgen, dass es keine Beulen bekommt, denn der Vermieter hat keinen<br />

Zugriff mehr auf das Auto. Da<strong>mit</strong> Sie ebenfalls nicht für Schäden aufkommen<br />

müssen, schließen Sie eine Versicherung ab. Bei uns ist das<br />

genauso. Wir haben keinen Zugriff mehr auf die Immobilie, und daher<br />

sorgt dieser Passus dafür, dass Sie sorgsam <strong>mit</strong> der Immobilie umgehen.<br />

Für Ihre Absicherung gibt es auch bei Immobilien Versicherungen.«<br />

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Geschichten zu erzählen.<br />

Geschichten wirken auf uns beruhigend und vertrauenerweckend. Die<br />

89


meisten Menschen lieben Geschichten, weil sie uns unterhalten und<br />

uns gute Gefühle bescheren. Geschichten müssen vor allem authentisch<br />

sein, denn nur dann können wir sie lebhaft und <strong>mit</strong> Emotionen erzählen,<br />

sodass sie die Quintessenz an den Gesprächspartner transportieren.<br />

In meiner Zeit als Wertpapierspezialistin hatte ich Neukunden immer<br />

gerne die folgende Geschichte erzählt, <strong>mit</strong> der ich erreichen wollte, dass<br />

der Kunde sich seiner eigenen Verantwortung für sein Investment bewusst<br />

wird:<br />

»Wissen Sie, ob wir es schaffen, immer ganz günstig zu kaufen und<br />

immer auf <strong>dem</strong> Höchstpunkt zu verkaufen, das glaube ich nicht. Auch<br />

wir haben keine Glaskugel. Ein Kunde von mir hat einmal Aktien der<br />

Deutschen Telekom verkauft – bei 75 Euro. Als die Aktien bei 95 Euro<br />

standen, was denken Sie, was passierte? Er stand hier vor mir und<br />

schrie mich an, dass unsere Verkaufsempfehlung eine Unverschämtheit<br />

gewesen sei und wir als Bank hätten wissen müssen, dass die Aktie<br />

noch so hoch steigt. Und ich konnte ihn verstehen, denn ein Verkaufserlös<br />

von 20 Euro mehr hätte für meinen Kunden circa 30.000 Euro an<br />

zusätzlichem Gewinn bedeutet. Nach weiteren sechs Monaten, die Aktie<br />

der Deutschen Telekom war <strong>mit</strong>tlerweile auf 50 Euro gesunken, stand<br />

er <strong>mit</strong> einem großen Blumenstrauß vor mir, bedankte sich für die Verkaufsempfehlung<br />

und entschuldigte sich für sein Benehmen vor einem<br />

halben Jahr.«<br />

Was ich da<strong>mit</strong> erreicht habe, war Folgendes: Ich wollte, dass der Kunde<br />

merkt, dass auch eine Bank die Entwicklung des Wertpapiermarkts<br />

nicht voraussehen kann und dass ich als Beraterin Tipps geben kann,<br />

was allerdings nicht ausschließt, dass auch der Kunde Verantwortung<br />

für sein Investment übernimmt.<br />

Unter <strong>dem</strong> Begriff »Storytelling« sind im Fachhandel dazu etliche Bücher<br />

vorhanden, die den Aufbau einer guten Geschichte im Detail erklären.<br />

Das Wichtigste dabei ist aber, dass Sie Ihre guten Erfolgsgeschichten<br />

überhaupt erzählen.<br />

90<br />

Tipp:<br />

Überlegen Sie, welche Botschaft Sie ver<strong>mit</strong>teln wollen. Legen Sie sich<br />

daraufhin Ihre Geschichten zurecht und sorgen Sie dafür, dass sie nicht<br />

zu lang werden. Weniger ist hier oft mehr. Geschichten wirken auch<br />

der Langeweile in Gesprächen entgegen. Sie machen Gespräche bunter,<br />

Ihren Kunden wacher und Ihre Message eindeutiger. Machen Sie es<br />

sich zur Angewohnheit, diese Geschichten je<strong>dem</strong> Kunden zu erzählen,<br />

so müssen Sie sich nicht immer wieder neue Beispiele einfallen lassen.<br />

Im Seminar werde ich oft gefragt, ob diese Anekdoten echt sein<br />

müssen. Ja, das müssen sie! Schwindeln Sie nicht. Ich bin sicher, dass<br />

Ihnen eigene Geschichten einfallen, wenn Sie darüber nachdenken<br />

oder zukünftig darauf achten. Wir sprechen von nachhaltigen Verhandlungen,<br />

die eine langfristige Bindung erzeugen sollen. Da bringt es<br />

nichts, sich Geschichten auszudenken.<br />

Adjektive erzeugen Emotionen. Wer Gefühle wecken möchte, sollte sich<br />

angewöhnen, mehr Adjektive in seinen aktiven Sprachschatz zu übernehmen.<br />

Adjektive werden umgangssprachlich auch »Wiewörter« genannt,<br />

weil sie beschreiben, wie etwas beschaffen oder ausgestattet ist.<br />

In der deutschen Sprache sind die Adjektive das Salz in der Suppe, sie<br />

sind die Emotionsträger und die kürzeste Art, Bilder im Kopf des Gegenübers<br />

entstehen zu lassen. Wie langweilig hört es sich an, wenn man<br />

von Produkten, Ideen, Zeit oder Vorschlägen spricht. Wie anders hingegen<br />

klingt es schon, wenn Sie so formulieren:<br />

• ein cleveres Produkt/eine zukunftsweisende Idee/wertvolle<br />

Zeit/brillante Vorschläge<br />

Setzen Sie Adjektive ein, wann immer es geht. Durch diese Wortwahl<br />

entfaltet Ihre Aussage eine durchschlagendere Wirkung!<br />

91


Schmücken Sie Ihre Wortwahl durch Adjektive. Hier eine Auswahl:<br />

• freundlich, elegant, weitläufig, frisch, glücklich, knusprig, köstlich,<br />

leicht, luftig, schlank, sonnig, sportlich, stark, geschickt,<br />

warm, mild, großzügig, populär, aktivierend, behaglich, behütet,<br />

bedeutsam, berühmt, besinnlich, beständig, wundervoll, clever,<br />

zukunftsweisend …<br />

Nur im Notfall: Geistige Brandstiftung<br />

Bei <strong>dem</strong> Kauf von Produkten gibt es zwei verschiedene Wege, die Emotionen<br />

auslösen: »hin zu« und »weg von«. »Hin zu«-orientierte Menschen<br />

denken in Möglichkeiten und Zielen, sie halten nach Neuem und<br />

Interessantem Ausschau. Die »weg von«-orientierten Menschen fokussieren<br />

darauf, was sie nicht oder nicht mehr haben wollen, also wie sie<br />

Schmerz, Kosten oder Unannehmlichkeiten vermeiden können.<br />

Dieses Buch ist generell so angelegt, dass Sie sich immer auf eine<br />

positive Lösung ausrichten und das Problem weder wiederholen noch<br />

sich darin verlieren. In den meisten Fällen ist das auch ratsam. Marketingstudien<br />

bestätigen, dass Menschen Entscheidungen schneller<br />

treffen, wenn sie sich in einer positiven Gefühlslage befinden. Allerdings<br />

kann auch der Appell an negative Emotionen verkaufsfördernd<br />

sein. Generell kaufen Menschen nur dann, wenn sie irgendetwas unbedingt<br />

haben wollen oder wenn sie irgendetwas auf jeden Fall vermeiden<br />

möchten.<br />

Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist zum Beispiel<br />

Angst das treibende Element. Die Angst, so schwer zu erkranken,<br />

dass man nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen Beruf auszuüben.<br />

Und das über einen so langen Zeitraum, dass auch die Krankenversicherung<br />

keinen Cent mehr zahlt. Die latente Angst, dann nicht nur krank,<br />

92<br />

sondern auch <strong>mit</strong>tellos zu sein, ist der verständliche Grund für den Abschluss<br />

einer solchen Versicherung.<br />

Wenn also der Lustfaktor nicht mehr hilft, können Sie im Ausnahmefall<br />

auch auf die Schmerzseite wechseln. Warum erst dann? Es ist einfach<br />

schöner, in lockerer, freundlicher Atmosphäre und <strong>mit</strong> guten Gefühlen<br />

zu verhandeln. Sobald Sie auf die Schmerzseite wechseln, provozieren<br />

Sie negative Gefühle und schüren Verunsicherung. Dabei ist es wichtig,<br />

die Absicht des Vorhabens erst einmal positiv zu werten und danach die<br />

drohenden Gefahren zu betonen.<br />

Gern gebe ich Ihnen auch hier einige Beispiele, wie diese geistige<br />

Brandstiftung wirkt. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich in einer Versicherungsagentur<br />

in Ihrer Stadt einen Termin besorgt zum Thema Altersvorsorge.<br />

Natürlich haben Sie sich im Internet vorab informiert und<br />

überlegen, die Versicherung online abzuschließen. Der Termin in der<br />

Versicherungsagentur dient Ihnen dazu, das Online-Angebot <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

Angebot der Agentur zu vergleichen. Der Versicherungsberater könnte<br />

dann Folgendes zu Ihnen sagen: »Sie wollen für Ihr Alter vorsorgen? Das<br />

ist eine sehr gute und vorausschauende Idee! Und Sie haben sich im<br />

Internet umgesehen, welche Möglichkeiten es gibt? Auch das ist weise.<br />

Für Ihre Altersvorsorge ist Ihnen eine zahlungskräftige Gesellschaft<br />

bestimmt sehr wichtig, denn wenn es in 30 Jahren so weit ist, wollen<br />

Sie bestimmt, dass Ihr Anbieter nicht pleite ist. Wenn die Altersvorsorge<br />

ausgezahlt wird, dann ist Tag der Wahrheit. Das Gemeine: Dann können<br />

Sie daran nichts mehr ändern und die Zeit nicht zurückdrehen. Natürlich<br />

können Sie im Internet eine Altersvorsorge abschließen. Da ich Ihr Berater<br />

bin, möchte ich Ihnen trotz<strong>dem</strong> aus Erfahrung sagen, auf welche<br />

drei Dinge Sie zwingend achten sollten: Zum einen ist das die Solvenz<br />

der Gesellschaft, also die langfristige Zahlungskräftigkeit. Zum anderen<br />

sollten Sie immer prüfen, ob die Renditeversprechen auch eingehalten<br />

werden, denn wenn Sie über 30 Jahre einzahlen, dann ist der Zinseszinseffekt<br />

enorm. Werden weniger Zinsen erwirtschaftet als erwartet,<br />

93


schrumpft die Rente, <strong>mit</strong> der Sie rechnen können. Als Drittes ist auch<br />

ein persönlicher Ansprechpartner wichtig. Nichts ist schlimmer, als Fragen<br />

zu seinem Geld zu haben und dann nur <strong>mit</strong> Computern zu sprechen.<br />

Dafür ist das Thema zu wichtig!«<br />

Dieses Vorgehen nenne ich »geistige Brandstiftung«. Und der Name<br />

ist tatsächlich Programm. Die Saat der Verunsicherung ist gelegt. Bei<br />

nochmaliger Suche im Internet wird eine hartnäckige Stimme im Kopf<br />

mehr oder weniger laut sagen: »Sollte ich so ein wichtiges Geschäft<br />

wirklich im Internet abschließen? Ist meine Altersvorsorge hier auch sicher?<br />

Benötige ich nicht doch einen persönlichen Ansprechpartner?« Ab<br />

jetzt werden andere Anbieter danach bewertet, ob sie die ins Bewusstsein<br />

gelangten potenziellen Gefahren verhindern können. Und der kritische<br />

Umgang da<strong>mit</strong> lässt sich nicht wieder ausschalten.<br />

Völlig überflüssig: Du-Depp-Botschaften, Weichmacher und<br />

Unwörter<br />

Zusätzlich zu der Aufzählung der Dinge, die Sie tun können, um Ihr Angebot<br />

gut zu verkaufen, möchte ich Ihnen noch <strong>mit</strong>geben, was Sie auf<br />

jeden Fall vermeiden sollten, denn es gibt auch Formulierungen, die Ihr<br />

gut aufbereitetes Angebot zerstören können. Das sind Du-Depp-Botschaften,<br />

Weichmacher und Unwörter.<br />

Als Du-Depp-Botschaften bezeichne ich alle Aussagen, die den Kunden<br />

als dumm dastehen lassen. Dass jene nicht zum guten Gespräch<br />

und zum Abschluss beitragen können, ist klar, aber manchmal hört man<br />

trotz<strong>dem</strong> Sätze wie »Verstehen Sie das?«, »Können Sie mir noch folgen?«<br />

oder »Sie müssen das jetzt mal so sehen …!«. Was denken Sie<br />

insgeheim, wenn Sie solche Botschaften hören? Meine innere Stimme<br />

schreit sofort: »Ja, klar verstehe ich das, ich bin doch nicht blöd! Wenn<br />

ich nicht folgen könnte, würde ich das sagen! Und ich muss gerade mal<br />

94<br />

gar nichts.« Kein Mensch möchte auf diese Art und Weise vorgeführt<br />

werden, solche Formulierungen lassen Widerstand aufkommen. Man tut<br />

daher gut daran, Du-Depp-Botschaften bei der Präsentation seines Angebots<br />

zu meiden.<br />

Mit Weichmachern verwässern Sie Ihre Argumente. Leider gibt es<br />

viele Menschen, die in der Sprache dazu neigen. Die bekanntesten<br />

Weichmacher sind Wörter wie:<br />

• vielleicht<br />

• eigentlich<br />

• eventuell<br />

oder auch Konjunktive wie:<br />

• würde<br />

• könnte<br />

• sollte<br />

Von einem Fachmann erwartet der Kunde eine klare Empfehlung und<br />

keine vage Botschaft à la »Es könnte so sein, aber auch ganz anders«.<br />

Eine Aussage wie »Die Lieferung müsste schon nächste Woche da<br />

sein« oder »Vielleicht ist das Produkt das Richtige für Sie« hilft <strong>dem</strong><br />

Kunden nicht weiter. Der Kunde darf davon ausgehen, dass Sie wissen,<br />

wie schnell Ihr Produkt geliefert wird. Falls Sie es nicht genau sagen<br />

können, nennen Sie einen Zeitrahmen: »Zwischen Montag und Mittwoch<br />

der nächsten Woche kommt die Lieferung bei Ihnen an.« Wenn<br />

Sie in der Angebotsphase <strong>mit</strong> Weichmachern arbeiten, dann zerfallen<br />

Ihre besten Argumente in Sekundenschnelle, und Sie erreichen da<strong>mit</strong><br />

das Gegenteil der sprachlichen Brillanz, die Sie anstreben. Es gibt auch<br />

Wörter, bei denen Sie automatisch davon ausgehen können, dass sie<br />

Unbehagen erzeugen. Solche Unwörter gilt es ebenfalls zu vermeiden<br />

95


und stattdessen in eine positivere Bedeutung umzuwidmen. Hier einige<br />

Beispiele:<br />

Statt:<br />

»Das Problem ist …«<br />

Besser:<br />

»Die Herausforderung, die<br />

wir lösen werden, ist …«<br />

in die Verhandlung gehen, dann steht ebenso die Frage im Raum, welche<br />

Person welches Argument bringt. Am besten ist jeweils die Person geeignet,<br />

die in <strong>dem</strong> betreffenden Themenbereich am sattelfestesten ist.<br />

Wenn Sie Ihre Argumente auf verschiedene Personen verteilen, hat die<br />

Person, die gerade nicht an der Diskussion beteiligt ist, die Möglichkeit,<br />

die Situation zu beobachten und im Zweifel von der Seite wiederum einzugreifen,<br />

falls das nötig sein sollte.<br />

»Ihre Kosten …«<br />

»Ihre Investition/Ihr<br />

Preis …«<br />

Kluger Umgang <strong>mit</strong> den eigenen Argumenten<br />

»Aber …«<br />

»Wovor haben Sie Angst?«<br />

»Auf gar keinen Fall können wir …«<br />

»Und …«<br />

»Was erwarten Sie?«<br />

»Im Augenblick müssen<br />

wir dafür noch eine Lösung<br />

finden.«<br />

Auch auf bereits widerlegte Irrtümer oder Fehler Ihres Gesprächspartners<br />

sollten Sie nicht ein zweites oder gar drittes Mal zurückkommen.<br />

Wir werden alle nicht gerne an unsere Fehler erinnert. Es ist smarter,<br />

darüber hinwegzusehen.<br />

Strategische Überlegungen<br />

Nicht nur die Argumente an sich sind wichtig, sondern auch der Zeitpunkt,<br />

zu <strong>dem</strong> man sie vorbringt. Eine sehr wichtige Frage, die man sich<br />

vorab stellen sollte, ist daher, welches Argument am besten an welcher<br />

Stelle eingesetzt wird. Wenn Sie auf Ihrer Seite <strong>mit</strong> mehreren Personen<br />

Die eigenen Argumente sollte man schon vorab sortieren und da<strong>mit</strong> eine<br />

Dramaturgie aufbauen. Diese beginnt nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> schwächsten Argument.<br />

Fangen Sie <strong>mit</strong> einem nebensächlichen Argument an, besteht die<br />

Gefahr, dass der Eindruck entsteht, Sie hätten eine schwache Position<br />

oder Sie hätten womöglich die Bedeutung der Verhandlung nicht verstanden.<br />

Die richtigen Argumente zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen,<br />

gleicht einem Pokerspiel. Geben Sie nicht alles sofort preis, aber<br />

machen Sie klar, dass Sie ein gutes Blatt auf der Hand haben. Fangen<br />

Sie daher auch nicht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> stärksten Argument an. Es könnte Sie in<br />

Schwierigkeiten bringen, wenn Sie zum Ende hin immer schwächere Argumente<br />

vorbringen müssen oder penetrant Ihr erstes Argument wiederholen.<br />

Am klügsten ist es, Sie nehmen in der Vorbereitung kurz die<br />

Sichtweise Ihres Verhandlungspartners ein und überlegen: Welche sind<br />

für ihn die drei stärksten Argumente und in welcher Reihenfolge würde<br />

Ihr Verhandlungspartner diese Argumente bringen? Dann fangen Sie<br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> zweitstärksten Argument an, bringen danach das drittstärkste<br />

und erst zum Schluss Ihr stärkstes Argument. Bedenken Sie, <strong>Verhandeln</strong><br />

kostet immer Zeit. Es geht nicht darum, sofort <strong>mit</strong> der Tür ins Haus zu<br />

fallen, sondern darum, eine Dramaturgie aufzubauen, <strong>mit</strong> der Sie es Ihrem<br />

Verhandlungspartner möglichst leicht machen, Ihnen zuzustimmen.<br />

96<br />

97


Hat der potenzielle Kunde endgültig zugestimmt, dann sprechen Sie die<br />

Argumente, die Sie vielleicht noch in der Hand haben, nicht mehr an. Die<br />

Gefahr, dass die Diskussion von vorn beginnt, ist zu groß.<br />

Ist ein Argument der Gegenseite widerlegt, dann kommen Sie nicht<br />

mehr darauf zurück; ein solches Nachkarten kann die Verhandlungspartner<br />

schnell verärgern.<br />

Beweise und Behauptungen richtig einsetzen<br />

98<br />

Ein gutes Argument besteht, wie oben gesagt, aus einem Merkmal, <strong>dem</strong><br />

Nutzen und einem Beweis dazu. Sie sollten jedoch bei Ihrer Argumentation<br />

bewusst entscheiden, ob Sie in je<strong>dem</strong> Fall einen Beweis anführen<br />

wollen, und überlegen, wie Sie den Beweis so gestalten, dass er Ihrem<br />

Ziel dient.<br />

Häufig reicht es aus, sich auf eine Behauptung, also eine Aussage,<br />

für die Sie keinen Beweis liefern, zu beschränken. Oft genug benötigt<br />

Ihr Gegenüber gar keinen Beweis, um Ihren Worten zu vertrauen. Daher<br />

kann es absolut sinnvoll sein, zuerst zu prüfen, ob man ohne einen<br />

Beweis auskommt. Das funktioniert zum Beispiel dann gut, wenn man<br />

Ihnen einen Expertenstatus zugesteht. Sinnvoll ist es, die Argumentation<br />

so schlank wie möglich aufzustellen, weil immer das Risiko besteht,<br />

dass Sie durch zusätzliche Informationen einen Film im Kopfkino<br />

Ihres Gegenübers auslösen, der genau das Gegenteil von <strong>dem</strong> bewirkt,<br />

was Sie eigentlich wollten. Wenn Sie als Fachmann sagen: »Dieses Parkett<br />

ist das Parkett <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> härtesten Holz«, dann wird man Ihnen das<br />

glauben. Sagen Sie: »Dieses Parkett ist das Parkett <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> härtesten<br />

Holz. Um das zu gewährleisten, werden die Hölzer dafür extra aus Asien<br />

importiert«, dann erscheint vor <strong>dem</strong> inneren Auge des Kunden womöglich<br />

das Bild eines gerodeten Dschungels, und es entsteht das Gefühl,<br />

dass das nicht der richtige Weg ist, sein deutsches Wohnzimmer zu bestücken.<br />

Wollen Sie die Härte des Parketts trotz<strong>dem</strong> beweisen, ist es<br />

ratsamer, sich eine Demonstration auszudenken, welche die Härte veranschaulicht.<br />

Bei meinem letzten Küchenkauf wollte mich zum Beispiel<br />

der Verkäufer davon überzeugen, dass die Arbeitsplatte absolut kratzfest<br />

ist. Er ging <strong>mit</strong> mir zu einer in seinem Showroom ausgestellten Küche,<br />

nahm ein Messer und zog zu meiner Verwunderung die Spitze des<br />

Messers kräftig quer über die Arbeitsplatte. Nun konnte ich mich selbst<br />

davon überzeugen, dass sein Produkt wirklich kratzfest war. Was man<br />

<strong>mit</strong> eigenen Augen gesehen hat, das glaubt man auch.<br />

Möchte der Parkettverkäufer im obigen Beispiel die Haltbarkeit des<br />

Holzes <strong>dem</strong>onstrieren, könnte er auch ein hartes und ein weicheres<br />

Stück Parkett bereithalten, um dann zur Veranschaulichung beide Hölzer<br />

<strong>mit</strong> einem scharfen Gegenstand zu bearbeiten.<br />

Wenn Sie Experte auf Ihrem Gebiet sind und sagen: »Diese Ölheizung<br />

ist besonders sparsam«, dann wird man Ihnen meist Glauben<br />

schenken. Toppen können Sie das, in<strong>dem</strong> Sie hinzufügen: »Das beweist<br />

auch die Studie des Zentralverbands Sanitär, Heizung und Klima, von<br />

der ich Ihnen gerne eine Abschrift <strong>mit</strong>gebe.«<br />

Wenn Sie Beweise bringen, dann sollten diese wasserdicht sein. Zitieren<br />

Sie eine Studie, dann steigt die Glaubwürdigkeit, wenn Sie nicht<br />

nur den Namen der Studie, sondern auch das Jahr der Veröffentlichung<br />

und den Autor benennen oder wie im obigen Beispiel eine Abschrift dabeihaben.<br />

Wenn Sie Untersuchungsergebnisse vorzuweisen haben, können Sie<br />

auch <strong>mit</strong> Prozentzahlen argumentieren. Egal, ob Studie oder Prozentzahl:<br />

Beide Vorgehen manipulieren dadurch, dass man scheinbar den<br />

Verstand anspricht, während man tatsächlich auf die Gefühlsebene zielt.<br />

99


4 Die eigentliche Verhandlung<br />

Nach<strong>dem</strong> Sie Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung auf den Tisch gelegt<br />

und den Angebotsumfang erklärt haben, nennen Sie den Preis. Und was<br />

passiert dann? Schön ist es, wenn der Kunde jetzt direkt Ja sagt und der<br />

Vertrag besiegelt werden kann – doch meist ist das nicht der Fall. Das ist<br />

eigentlich auch ganz normal, denn nur in den seltensten Momenten sind<br />

sich beide Verhandlungspartner von Beginn an einig. Oder in wie vielen<br />

Gesprächen sagen Sie sofort: »Okay, dann machen wir das genauso«,<br />

ohne eine Rückfrage zu stellen? Irgendetwas gibt es fast immer noch zu<br />

klären. Wenn das bei Ihnen anders ist, können Sie gerne im Kapitel 5:<br />

»Abschlussphase« weiterlesen. Für alle Situationen, in denen es komplizierter<br />

wird, bietet dieses Kapitel Informationen und Techniken. Der<br />

genaue Verhandlungsverlauf hängt sicherlich immer vom jeweiligen Fall<br />

ab. Doch die grundsätzlichen Abläufe lassen sich verallgemeinern.<br />

Ihr Gesprächspartner formuliert vielleicht Einwände wie: »Da muss<br />

ich noch die Geschäftsführung fragen« oder »Dieses Angebot ist zu teuer«.<br />

Oder er kommt Ihnen vielleicht sogar <strong>mit</strong> Totschlagargumenten<br />

wie: »Niemals werden wir das so machen!« Die bisher sehr entspannte<br />

Gesprächsatmosphäre wechselt vielleicht schlagartig, und auf einmal<br />

geht es emotional hoch her. Jetzt geht es darum, die eigene Position und<br />

das eigene Angebot gekonnt zu verteidigen, ohne dabei die magnetische<br />

Anziehungskraft zu verlieren. Ist Ihr Angebot nachhaltig auf die Bedürfnisse<br />

Ihres Gegenübers ausgerichtet, dürfte Ihnen das leichtfallen.<br />

Trotz<strong>dem</strong> können die Gespräche in schwierigeres Fahrwasser geraten,<br />

wenn es darum geht, gute und tragfähige Lösungen für beide Seiten zu<br />

finden oder Kompromisse zu verhandeln.<br />

100<br />

Warum wollen wir eigentlich immer recht behalten? Wissen Sie, warum<br />

es so schwierig ist, seinen Standpunkt aufzugeben? Nun, auch hier<br />

schlägt die Evolution zu. Recht zu haben hat in der Vergangenheit bedeutet,<br />

tödliche Gefahrensituationen richtig einzuschätzen und so<strong>mit</strong><br />

zu überleben. Da<strong>mit</strong> ist Rechthaben ein Überlebensinstinkt und regiert<br />

uns bis heute – auch in Situationen, die nicht tödlich sind. Gute Beispiele<br />

für unterschiedliche Ansichten finden sich in Paarbeziehungen. Kennen<br />

wir nicht alle den Gedanken: »Ich habe recht, soll sich doch mein<br />

Partner auf mich zubewegen.« Wenn beide Parteien so denken, findet<br />

man allerdings nicht zueinander.<br />

In diesem Kapitel erfahren Sie, was das Wesen des »eigentlichen«<br />

<strong>Verhandeln</strong>s ist und wie Sie es geschickt steuern können. Auf den folgenden<br />

Seiten möchte ich Ihnen die Fähigkeit ver<strong>mit</strong>teln, Ihr Sprachniveau<br />

der jeweiligen Schärfe der Verhandlung anzupassen. Solange es<br />

locker zugeht, ist es einfach, selbst locker zu bleiben, doch wenn der<br />

Verhandlungspartner hart ist, unfair wird, sich zurückzieht oder auf stur<br />

schaltet, braucht es andere sprachliche Möglichkeiten, um auch weiterhin<br />

mental ausgeglichen bleiben zu können. Mit den »Eskalationsstufen<br />

der Verhandlung« möchte ich Ihnen ein Modell an die Hand geben, das<br />

diese Nuancen abbildet.<br />

In den folgenden Abschnitten erfahren Sie, welche Charakteristika<br />

und Funktionen die verschiedenen Eskalationsstufen haben, und lernen<br />

Techniken und Werkzeuge kennen, um zu Ihrem Ziel, <strong>dem</strong> Geschäftsabschluss,<br />

zu kommen.<br />

Rhetorische Eskalationsstufen<br />

Meine Seminarteilnehmer sagen in diesem Zusammenhang oft: »Grundsätzlich<br />

bin ich sehr nett, doch wenn man mich reizt, dann kann ich auch<br />

echt unfreundlich und laut werden.« Sie beschreiben da<strong>mit</strong> ihre kom-<br />

101


munikativen Möglichkeiten, in entspannten Situationen – wenn alles im<br />

»grünen Bereich« ist – freundlich und umgänglich zu sein. Und sie beschreiben<br />

ihre Reaktionsweise, wenn die Verhandlung härter wird, der<br />

Ton ruppiger oder sie sogar in die Gefahr geraten, die Fassung zu verlieren.<br />

Das Verhandlungsgespräch eskaliert, sie sehen »rot«. Was dabei<br />

auffällt: Vielen Menschen scheint die Möglichkeit zu fehlen, zwischen<br />

diesen beiden Extremen zu agieren. Dem Farbschema einer Ampel folgend,<br />

bezeichne ich diesen Bereich in Gesprächen als die »gelbe« Eskalationsstufe.<br />

Denn genau dieses Agieren zwischen den extremen Polen<br />

sorgt dafür, dass sich in Verhandlungen die Fronten nicht zu früh verhärten.<br />

Daher ist es wichtig, gut gewappnet zu sein für solche »haarigen«<br />

Situationen – also »gelb« zu kommunizieren.<br />

Wenn die eigene magnetisch anziehende Wirkung sich nicht in eine<br />

abstoßende umkehren soll, muss man auch in emotionaler werdenden<br />

Gesprächen die sprachlichen Möglichkeiten haben, in ruhigeres Fahrwasser<br />

zurückzufinden und dadurch die Verhandlungsführerschaft zu<br />

behalten. Das gelingt <strong>dem</strong>jenigen, der sich nicht durch seine Gefühle<br />

regieren lässt, sondern weiterhin das Ziel im Blick behält; der weiterhin<br />

agiert, statt impulsgesteuert zu reagieren. Das <strong>MagnetPrinzip</strong> vereint<br />

da<strong>mit</strong> die eigene sprachliche Brillanz und die starke Einstellung »Wir<br />

sind auf Augenhöhe, und ich kann in jeder Situation beweisen, dass ich<br />

ihr souverän gewachsen bin«.<br />

Die hier vorgestellten Techniken sind vielfach erprobt von Verkäufern<br />

und Beratern aus den verschiedensten Branchen. Sie lassen sich auf<br />

jede Branche übertragen. Daher geben sie Ihnen die Möglichkeit, die<br />

eigene, vielleicht noch unbewusste Technik zu hinterfragen und – falls<br />

nötig – zu verbessern. Außer<strong>dem</strong> lernen Sie, in Zwischentönen zu sprechen,<br />

und haben so die Möglichkeit, zukünftig ein freundliches, aber<br />

bestimmtes »STOPP« zu setzen, ohne laut und ausfallend zu werden<br />

oder wie paralysiert vor einem tobenden Geschäftspartner oder Kunden<br />

zu stehen und kein Wort mehr herauszubringen. Das wird Sie von den<br />

102<br />

meisten Menschen abheben, denn die wenigsten Menschen beherrschen<br />

es virtuos, situationsgerecht zu agieren. Und gerade deshalb sind<br />

die Eskalationsstufen so spannend.<br />

Wichtig ist, zu erkennen, auf welcher Eskalationsstufe das Gespräch<br />

gerade stattfindet, und daran angepasst zu reagieren. Führen wir ein<br />

emotional entspanntes Gespräch auf Augenhöhe und kommen nur ein<br />

paar Rückfragen auf, dann ist gewissermaßen die Ampel grün. Es geht<br />

darum, zu klären, zu verstehen, weitere Informationen zu liefern und<br />

das Gespräch fortzusetzen.<br />

Zielen Aussagen des Geschäftspartners unter die Gürtellinie oder<br />

wird der Ton schärfer, schaltet die Gesprächsampel also um auf Gelb,<br />

dann wird es wichtig, Techniken zu beherrschen, um wieder zu einem<br />

ergebnisorientierten Gespräch zurückzukehren und nicht auf Provokationen<br />

einzusteigen.<br />

Falls das nicht gelingt und die Situation so weit eskaliert, dass beide<br />

Verhandlungspartner rotsehen, dann, aber auch erst dann ist es gut,<br />

energisch eine Grenze zu setzen und – falls nötig – das Gespräch auch<br />

abzubrechen oder zumindest zu vertagen, ohne dabei verbrannte Erde<br />

zu hinterlassen. Diese – manchmal in Verhandlungen nicht zu vermeidende<br />

– Phase nenne ich die Eskalationsstufe Rot. Im gleichnamigen<br />

Abschnitt erfahren Sie, <strong>mit</strong> welchen Techniken man auch souverän bleiben<br />

kann, wenn es heiß hergeht.<br />

Der »grüne« Bereich<br />

Kommen im Gespräch sachlich formulierte Einwände oder Rückfragen<br />

auf, befinden wir uns auf der Eskalationsstufe Grün. Emotional ist das<br />

Gespräch noch harmonisch, doch ein oder mehrere Punkte sind noch<br />

nicht ganz geklärt, oder es gibt Zweifel aufseiten Ihres Gegenübers. Da<br />

kann es sein, dass einfach noch Informationen fehlen oder dass bisher<br />

103


nicht bekannte Gründe gegen ein sofortiges Ergebnis sprechen. Nicht<br />

immer kann man sofort sehen, um welche Art von Einwand es sich handelt.<br />

Warum? Nun, auch für den Kunden ist es nicht immer leicht, sofort<br />

ehrlich zu sein oder genau zu sagen, welches für ihn das Problem<br />

oder der Knackpunkt ist. Oft ist es vielleicht auch nur ein Bauchgefühl,<br />

das ihn dazu bringt, zu sagen: »Da schlaf ich noch eine Nacht drüber.«<br />

Oder das Geschäft hat eine Größenordnung, die für Ihren Kunden nicht<br />

mehr in den finanziellen Rahmen passt, in <strong>dem</strong> er sich normalerweise<br />

bewegt. Solche eher weichen Gründe werden oft nicht so klar artikuliert.<br />

Stattdessen wird ein Vorwand gesucht, um den eigentlichen Hindernisgrund<br />

in Ruhe <strong>mit</strong> sich selbst zu klären. Ihre Aufgabe als professionelles<br />

Gegenüber in Verhandlungen ist nun, Ihrem Gesprächspartner möglichst<br />

geschickt bei seinen Überlegungen zu helfen, da<strong>mit</strong> er sich wertgeschätzt<br />

fühlt. Ignorieren Sie seinen Einwand, besteht die Gefahr, dass<br />

er ungehalten wird.<br />

Die VFL-Methode<br />

Auf die Präsentation des Angebots folgen normalerweise Einwände, Widersprüche<br />

oder subtil geäußertes Unbehagen. Und genau dort bietet<br />

sich diese Methode an, insbesondere im Verkaufsgespräch <strong>mit</strong> Kunden<br />

oder immer dann, wenn Sie Menschen in einer entspannten Atmosphäre<br />

für sich gewinnen möchten. In der VFL-Methode steht:<br />

• V für »Verständnis zeigen«<br />

• F für »Frage(n) stellen«<br />

• L für »Lösung anbieten«<br />

So können in drei Schritten Einwände geklärt werden. Als Erstes ist es<br />

wichtig, Verständnis für die Gedanken des Verhandlungspartners zu<br />

104<br />

zeigen. Da<strong>mit</strong> ist kein Einverständnis für den Einwand gemeint, sondern<br />

eine kurze sprachliche Bestätigung, dass man seinen Standpunkt verstanden<br />

hat. Da Einwände meist unspezifisch sind, fehlt oft der eigentliche<br />

Beweggrund. Wir können die dahinterstehenden Gedanken noch<br />

nicht nachvollziehen, daher bietet sich als Zweites an, eine Frage zu<br />

stellen, um dies aufzuklären. In einem dritten Schritt können Sie eine<br />

Lösung anbieten. In dieser Phase einer Verhandlung geht es darum, Einwänden<br />

freundlich zu begegnen.<br />

Ein Beispiel aus der Vertriebspraxis:<br />

Am Ende des Telefonats, in <strong>dem</strong> ein Produkt vorgestellt wurde, sagt Ihr<br />

Kunde zu Ihnen: »Ich denke darüber nach und rufe Sie dann an.« Wie<br />

bekommen Sie jetzt den Fuß wieder in die Tür? Unterstellen Sie bitte<br />

nicht, dass dies nur ein Vorwand ist, sondern unterstellen Sie, dass der<br />

Einwand ernst gemeint ist, und klären dann die Situation. Wenn Ihr Gesprächspartner<br />

äußert: »Ich muss nachdenken«, können Sie Ihr Verständnis<br />

zeigen <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Satz: »Das kann ich verstehen, dass Sie über<br />

wichtige Entscheidungen nachdenken.« Danach ist es wichtig, <strong>mit</strong> einer<br />

guten Frage wieder in den Dialog einzusteigen. Das kann die einfache<br />

Frage »Worüber denken Sie genau nach?« sein oder auch eine Frage<br />

wie »Welche Information benötigen Sie noch für Ihre Entscheidungsfindung?«.<br />

Bekommen Sie nun auf Ihre Frage eine konkrete Antwort, können<br />

Sie Ihre Lösung dazu anbieten und dies einleiten <strong>mit</strong> den Worten:<br />

»Dann kann ich Ihnen dazu noch erklären …«<br />

Warum ist es so wichtig, Verständnis zu zeigen? Nur da<strong>mit</strong> können<br />

Sie <strong>dem</strong> Kunden das Gefühl geben, dass Sie sich für ihn interessieren<br />

und sein Bedürfnis nachvollziehen können. Das archaische Muster<br />

»recht haben« wird dadurch aufgelöst. Ebenso gewinnen Sie Zeit, um<br />

sich selbst Ihre nächsten Schritte gut überlegen zu können. Mit dieser<br />

105


selbstbewussten Reaktion zeigen Sie Stärke und bleiben weiter im Gespräch.<br />

Was dabei nicht passieren darf, ist, dass Sie sofort <strong>mit</strong> einer<br />

Gegenfrage, einer Rechtfertigung oder <strong>mit</strong> einem Angriff antworten.<br />

Sinn der Sache ist, das Bedürfnis des Gesprächspartners wirklich zu<br />

respektieren und nicht nur zu heucheln oder <strong>mit</strong> einer dahingeleierten<br />

Phrase zu beantworten. Ohne Verständnis landen Sie schnell in einem<br />

Schlagabtausch – und da<strong>mit</strong> können Sie Menschen nicht für sich gewinnen!<br />

Ein paar Beispiele, wie es aussehen kann, Verständnis zu zeigen:<br />

• »Da kann ich Sie gut verstehen.«<br />

• »Es ist nachvollziehbar, dass Sie …«<br />

• »Danke, dass Sie das so offen ansprechen.«<br />

• »Vielen Dank! Über die genauen Konditionen spreche ich sehr<br />

gerne <strong>mit</strong> Ihnen.«<br />

• »Vielen Dank für die vertrauliche Information.«<br />

• »Das ist eine berechtigte Frage.«<br />

• »Diese Frage beleuchtet einen wichtigen Aspekt.«<br />

• »Mir gefällt die Art, wie Sie denken.«<br />

Ist das Verständnis gezeigt, können Sie dazu übergehen, den Beweggrund<br />

zu klären, in<strong>dem</strong> Sie eine Frage stellen. Werfen Sie hier, falls irgend<br />

möglich, bitte noch keine eigene Lösung ein. Das kommt erst im<br />

nächsten Schritt. Lösungen sollten Sie nur vorbringen, wenn Sie genau<br />

wissen, worum es eigentlich geht. Doch je öfter Sie einen Einwand von<br />

einem Ihrer Kunden gehört haben, umso eher werden Sie ihnen verallgemeinern.<br />

Wenn ich Verkäufer zum Beispiel frage, worüber der Kunde<br />

wohl nachdenkt, wenn sie den Einwand hören: »Ich denke darüber nach<br />

und melde mich bei Ihnen«, dann sagen die Verkäufer oft: »Über den<br />

Preis, worüber sonst?« Das kann natürlich sein, aber es ist genauso gut<br />

106<br />

möglich, dass der Kunde über die Laufzeit nachdenkt oder über andere<br />

inhaltliche Punkte, wie Kaufbedingungen oder Stornierungsbedingungen,<br />

oder erst seinen Ehepartner, den Chef oder den Steuerberater fragen<br />

muss oder noch ganz andere Kaufverhinderer im Kopf hat. Leiten<br />

Sie daher den Beweggrund anderer Menschen niemals aus Ihren eigenen<br />

Befürchtungen ab. Um diese Falle des Gehirns zu umgehen, ist es<br />

wichtig, nachzufragen. Jede Frage ist ein unbewusster Suchbefehl für<br />

das Gehirn Ihres Gegenübers und bringt Sie wieder ins Gespräch, während<br />

Ihr Gegenüber unter freundlichen Zugzwang gerät, seine Einstellung<br />

zu begründen. Da<strong>mit</strong> können Sie die Situation und die wirklichen<br />

Beweggründe klären.<br />

Nach<strong>dem</strong> Sie jetzt durch die Brille des Kunden auf sein Problem geschaut<br />

haben, können Sie Ihr Fachwissen wieder einsetzen und gemeinsam<br />

Lösungen erarbeiten.<br />

Sie wissen, wie sein Problem sich lösen lässt? Prima, nun können Sie<br />

Ihren Lösungsvorschlag vorstellen.<br />

Am Beispiel der oben geschilderten Vertriebssituation könnte der<br />

Dialog so weiter verlaufen:<br />

Am Ende des Telefonats, in <strong>dem</strong> ein Produkt vorgestellt wurde, sagt ein<br />

Kunde zu Ihnen: »Ich denke darüber nach und rufe Sie dann an.« Als<br />

Erstes zeigen Sie Ihr ernst gemeintes Verständnis durch einen Satz wie:<br />

»Das kann ich verstehen, dass Sie über wichtige Entscheidungen nachdenken.«<br />

Und fragen nach: »Worüber denken Sie genau nach?«<br />

Jetzt kommt es natürlich darauf an, wie Ihr Kunde antwortet, und<br />

je nach Antwort wird der Dialog unterschiedlich verlaufen. Vielleicht<br />

hören Sie: »Da habe ich von einem anderen Anbieter ein besseres Vergleichsangebot.«<br />

Bleiben Sie einfach in der Methode und bei der Einstellung,<br />

dass Sie die Situation weiter klären müssen. Ihr Verständnis<br />

könnte lauten: »Eine gute Idee, sich auf <strong>dem</strong> Markt umzuschauen.«<br />

Und Ihre anschließende Frage: »In welchen Punkten ist das Angebot<br />

107


esser?« Oder: »Inwieweit ist das Angebot <strong>mit</strong> unserem vergleichbar?«<br />

Ihre Lösung könnte dann sein: »Gerne schauen wir uns die Abweichungen<br />

der beiden Angebote Punkt für Punkt an, und dann können wir<br />

weitersehen.«<br />

Anhand von zwei oft gehörten Einwänden möchte ich Ihnen weitere praxiserprobte<br />

Beispiele geben.<br />

Einwand: »Vor der Entscheidung muss ich noch <strong>mit</strong> meiner Ehefrau<br />

(oder alternativ <strong>dem</strong> Steuerberater, <strong>dem</strong> Geschäftsführer oder einer<br />

Fachabteilung) sprechen.<br />

Verständnis:<br />

Fragen:<br />

»Ja, die Meinung Ihrer Frau dazu ist natürlich<br />

wichtig.«<br />

»Aus Ihrer Sicht passt mein Angebot aber?«<br />

»Wie schätzen Sie die Meinung Ihrer Frau ein,<br />

folgt Sie normalerweise solchen Vorschlägen?«<br />

»Was benötigen Sie dafür noch von mir?«<br />

Fragen:<br />

Lösung:<br />

»Wenn Ihnen das Produkt Zeit oder Geld sparen<br />

würde, würden Sie dann 30 Minuten Ihrer<br />

Zeit investieren?«<br />

»Zu welcher Zeit kann das für Sie interessant<br />

werden? Wann haben Sie die Möglichkeit, sich<br />

dafür Zeit zu nehmen?«<br />

»Dann schlage ich Ihnen vor, dass wir uns am<br />

nächsten Dienstag oder am nächsten Donnerstag<br />

um 16 Uhr verabreden.«<br />

Mit der VFL-Methode reagieren Sie lösungsorientiert und vor allem unvoreingenommen.<br />

Die innere Einstellung, das Problem oder die Frage<br />

Ihres Gegenübers nicht nur zu verstehen, sondern auch lösen zu wollen,<br />

hilft dabei, auf der Zielgeraden zu bleiben. Sie zeigen da<strong>mit</strong>, dass Sie<br />

auch dann als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, wenn es darum<br />

geht, ein noch eher diffuses Bauchgefühl aufzulösen oder beim Ausräumen<br />

von echten Bedenken zu helfen.<br />

Lösung:<br />

Einwand: »Keine Zeit«<br />

Verständnis:<br />

»Ich komme gerne für ein gemeinsames Gespräch<br />

bei Ihnen vorbei. Wir können auch hier<br />

in unseren Räumlichkeiten einen gemeinsamen<br />

Termin vereinbaren, oder ich stehe Ihnen telefonisch<br />

für ein weiteres Gespräch zur Verfügung.«<br />

»Ja, Zeit und Geld, das sind die Themen unserer<br />

Zeit.«<br />

»Ja, der Zeitpunkt muss auch immer passen.«<br />

Tipp:<br />

Aus der Erfahrung hat jeder in seinem Business ein paar Dauerbrenner<br />

bei den Einwänden. Schreiben Sie die Einwände auf, die Sie oft von<br />

Ihren Kunden hören, und notieren Sie sich Ihre Antwort. Probieren Sie<br />

dieses Muster dann konsequent aus. Nach je<strong>dem</strong> Ausprobieren lohnt<br />

es sich, die eigene Einwandbehandlung zu verbessern. Es kostet Sie<br />

viel Energie, sich jedes Mal – bei <strong>dem</strong> gleichen Kundeneinwand – eine<br />

neue Argumentation zurechtzulegen. Diese Kraft können Sie sich sparen,<br />

in<strong>dem</strong> Sie sich einen Einwandbehandlungsfundus zurechtlegen.<br />

108<br />

109


Preisverhandlung<br />

Natürlich ist der Preis oft tatsächlich das Problem. Trotz<strong>dem</strong> wollen wir<br />

ungern zu früh um den Preis feilschen wie auf einem arabischen Basar.<br />

Die Gesprächsatmosphäre soll im optimalen Fall weiter entspannt<br />

bleiben, da<strong>mit</strong> Sie auch in der Preisverhandlung <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> denkenden<br />

Hirn Ihres Gegenübers verhandeln und nicht <strong>mit</strong> einem emotional aufgeregten<br />

Gesprächspartner, der aus <strong>dem</strong> Reptilienhirn heraus agiert<br />

(vgl. Kapitel 2: »Exkurs Homo oeconomicus«). Daher sollten Sie sich<br />

insbesondere bei Ihrer Preisgestaltung im Vorfeld überlegen, wie weit<br />

Sie Ihrem Verhandlungspartner entgegenkommen können oder wollen.<br />

Wie Sie schon im Kapitel 1: »Vorbereitung« gelesen haben, können Sie<br />

sich ein Maximalziel setzen, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Sie in eine Preisverhandlung einsteigen.<br />

Das Minimalziel – also der letzte Preis, zu <strong>dem</strong> Sie bereit sind,<br />

das Geschäft einzugehen – dient Ihnen als Kontrollinstanz, da<strong>mit</strong> Sie im<br />

Eifer des Gefechts nicht zu viele Zugeständnisse machen. Auch <strong>mit</strong> dieser<br />

preislichen Bandbreite im Hinterkopf wollen wir natürlich als Erstes<br />

versuchen, den Maximalpreis zu erzielen. Dabei kann die VFL-Methode<br />

gute Dienste leisten. Darüber hinaus stelle ich Ihnen hier ein paar Ideen<br />

vor, die bei der Preisverhandlung nützlich sind. Diese Register können<br />

Sie ziehen, bevor Sie den Preis reduzieren.<br />

Auf den Einwand »Das ist zu teuer« können Sie <strong>mit</strong> der VFL-Methode<br />

wieder zuerst Verständnis zeigen: »Ja, die Kosten sind im Gesamtpaket<br />

immer ein wichtiger Faktor.« Danach kann die Frage lauten: »Wo<strong>mit</strong><br />

vergleichen Sie?« Oder: »Welche Ausstattungsmerkmale des Produkts<br />

vergleichen Sie?« Auch hier gilt es, erst einmal zu klären, ob wirklich<br />

vergleichbare Angebote vorliegen, danach können Sie Ihre Lösung vorbringen.<br />

Vergleicht Ihr Kunde <strong>mit</strong> qualitativ schlechteren Produkten<br />

oder hat ganz andere Ausstattungsmerkmale im Sinn, können Sie Ihr<br />

Produkt <strong>mit</strong> seinen spezifischen Vorteilen noch einmal in Szene setzen<br />

und zu den Alternativen abgrenzen, ohne direkt den Preis zu reduzieren.<br />

110<br />

Geht es danach immer noch um den Preis, dann kann Ihre Lösung <strong>mit</strong><br />

Sätzen wie »Dann schauen wir, wie wir eine individuelle Lösung für Sie<br />

bekommen und auf welche Parameter Sie vielleicht verzichten können«<br />

oder »Gern stehen wir Ihnen <strong>mit</strong> variablen Zahlungen zur Verfügung«<br />

eingeleitet werden.<br />

Speziell für Preisverhandlungen gibt es aber noch weitere Varianten,<br />

um zu reagieren. Deswegen möchte ich Ihnen hier weitere Methoden<br />

vorstellen, die Sie in Ihrer Preisverhandlung benutzen können.<br />

Eine Möglichkeit ist, erst einmal herauszufinden, ob der Preis aus<br />

Sicht Ihres Gegenübers wirklich der einzige negative Punkt am Angebot<br />

ist. Dazu können Sie diesen isolieren. Die Frage der Isolationsmethode<br />

ist folgende: »Wenn wir für den Preis eine Lösung für Sie finden: Ist das<br />

Angebot dann passend für Sie?« Nach der Antwort wissen Sie, ob Sie<br />

wirklich nur noch über den Preis verhandeln. Im Prinzip holen Sie sich<br />

hier – unter Herausnahme dieses einen kontroversen Punktes – schon<br />

den Abschluss des Geschäfts ein. Und wenn Sie das wissen, können Sie<br />

darüber nachdenken, ob Sie Ihrem Kunden preislich entgegenkommen<br />

wollen. Wenn Sie preislich nicht zu Zugeständnissen bereit sind, dann<br />

hilft die Plus/Minus-Methode.<br />

Bei der Plus/Minus-Methode geht es darum, den aus Kundensicht<br />

zu hohen Preis, der – wie <strong>mit</strong> der Isolationsmethode herausgefunden<br />

– das einzige Hindernis ist, das <strong>dem</strong> Kauf entgegensteht, noch einmal<br />

in Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Angebot zu bringen. Dafür finde ich das<br />

Bild einer altmodischen Waage <strong>mit</strong> zwei Schalen als Metapher sehr<br />

passend. Wirft Ihr Kunde den Preis in die eine Waagschale, dann legen<br />

Sie die Vorteile Ihres Produktes in die andere Waagschale. Auch wenn<br />

der Preis gerade schwer wiegt, auf der anderen Seite werden auch Wünsche<br />

erfüllt, die ebenfalls ein Gewicht haben. Mit diesem Bild im Kopf<br />

legen Sie nun gewissermaßen die Kundenwünsche, die sich durch den<br />

Kauf erfüllen würden, in die andere Waagschale. »Bevor wir über den<br />

Preis sprechen, fassen wir noch einmal zusammen: Was war wichtig<br />

111


für Sie an diesem Angebot?« Nach einer nochmaligen Zusammenfassung<br />

des Kundenbedarfs sollten Sie kurz fragen: »Stimmt das so?« Und<br />

dann Ihr Angebot folgendermaßen präsentieren: »Gut, dann haben wir<br />

für Ihren Bedarf das beste Produkt [die Dienstleistung] gefunden. Der<br />

Preis ist für das Angebot genau passend.« Danach halten Sie die Stille<br />

aus, die entsteht. Auf diese Art und Weise reagieren Sie kompetent und<br />

stellen in Ihrer Argumentation auf den Wert Ihres Produkts oder Ihrer<br />

Dienstleistung im Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kundenbedarf ab und nicht<br />

nur auf den Preis.<br />

Für die besonders Mutigen unter Ihnen eignen sich die folgenden<br />

Ideen. Mit diesen interessanten Varianten können Sie in der Preisverhandlung<br />

selbstbewusst auftreten und überraschend anders antworten,<br />

wenn der Einwand lautet: »Zu teuer.« Sie können zum Beispiel sagen:<br />

»Ja, wollten Sie denn etwas Billiges?« Dabei ist es wichtig, leicht verwirrt<br />

und irritiert zu gucken und dann zu schweigen. Oder Sie bleiben im<br />

starken Blickkontakt und fragen ganz direkt: »Und werden Sie es deshalb<br />

nicht kaufen?« Wieder ist es wichtig, danach Ruhe zu bewahren und<br />

eine Sprechpause zu machen. Ebenfalls möglich ist, auf den Zu-teuer-<br />

Einwand zu antworten: »Stimmt! Und wie kann ich Ihnen beweisen, dass<br />

es jeden Cent wert ist, den Sie dafür ausgeben werden?«<br />

Für diese schlagfertigen Antworten brauchen Sie einen kleinen Schalk<br />

im Nacken und eine gute Beziehungsebene <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kunden. Gelingt<br />

Ihnen das <strong>mit</strong> einem Lächeln, dann wird der Kunde verwirrt reagieren.<br />

Und das ist in diesem Moment auch gut so, da Sie dadurch seine Verhandlungsstrategie<br />

torpedieren und ihn in seinen Gedanken unterbrechen.<br />

Auch Ihr eigenes klares Bekenntnis zum Preis des Produkts wird<br />

dadurch untermauert.<br />

Nicht immer bekommen Sie Ihren zuerst genannten Preis auch durch.<br />

Des Öfteren werden Sie Verhandlungspartnern entgegenkommen und<br />

den Preis reduzieren müssen. Viele Verkäufer rechnen in den ersten<br />

Preisen ohnehin einen Aufschlag ein. Da<strong>mit</strong> es günstiger wirkt, wird<br />

112<br />

dann ein Rabatt gewährt. Amazon macht uns das im Internet zurzeit<br />

vor. Neben <strong>dem</strong> Verkaufspreis in Rot steht ein anderer Preis in Schwarz,<br />

und dieser ist durchgestrichen. Das ist sehr durchdacht. Rote Preise signalisieren<br />

uns Sonderangebote. »Sale«-Schilder oder Angebotspreise<br />

sind üblicherweise rot, sodass wir automatisch denken, es sei ein vergünstigter<br />

Preis. Dass diese Art von Prägung hervorragend funktioniert,<br />

konnten Sie schon im Kapitel 2: »Sprachliche Wirkung« über Priming<br />

lesen. Steht jetzt neben <strong>dem</strong> roten Preis ein anderer Preis, wird der<br />

automatisch als der Originalpreis angesehen. Ob das wirklich der Fall<br />

ist, weiß kein Mensch. Darum geht es auch gar nicht, es geht darum,<br />

den Eindruck zu erwecken, man könne ein Schnäppchen machen. Und<br />

natürlich kaufen wir alle gerne <strong>mit</strong> Rabatt und schlagen daher schneller<br />

zu.<br />

In Preisverhandlungen gehört es oft dazu, Entgegenkommen zu<br />

<strong>dem</strong>onstrieren. Bevor Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit als Verkäufer<br />

Ihren Preis reduzieren, können Sie versuchen, etwas dazuzugeben, das<br />

Sie nichts kostet oder nicht so viel kostet, wie Ihr Gegenüber dafür bezahlen<br />

müsste. Wie das funktioniert, können Sie im Kapitel 7, Abschnitt<br />

»Give-aways als Rabattersatz«, nachlesen. Verschenken Sie etwas aus<br />

Ihrem Warenbestand, dann haben Sie Ihrem Kunden ein Zugeständnis<br />

gemacht, das Sie nicht viel kostet – nur den Einkaufspreis –, doch Ihr<br />

Kunde hat das Gefühl, sich durchgesetzt zu haben. So haben beide Parteien<br />

einen Vorteil.<br />

Ein weiterer Trick ist, <strong>mit</strong> kleinen Schritten eine große Wirkung zu<br />

erzielen. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dass Sie mehrere Preisrunden<br />

drehen müssen, dann sollte Ihr Rabatt jedes Mal etwas kleiner werden.<br />

Stellen wir uns dazu vor, Sie wollen Ihr Auto privat verkaufen und<br />

haben den Verhandlungspreis bei 19.999 Euro angesetzt. Ihr Käufer will<br />

allerdings nur 17.000 Euro zahlen. Dass Sie dieses Angebot nicht annehmen,<br />

versteht sich von selbst. Denn genau wie Sie in den Preis von vornherein<br />

einen Verhandlungsspielraum eingebaut haben, pokert auch der<br />

113


Käufer, in<strong>dem</strong> er einen zu niedrigen Preis nennt. Nehmen wir an, dass<br />

Sie sich bei Ihrer Vorbereitung überlegt haben, dass Ihr Wunschpreis für<br />

den Wagen, also der Preis, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Sie realistisch rechnen, bei 18.850<br />

Euro liegt. Nun geben Sie bei der ersten Nachfrage einen Rabatt von 800<br />

Euro auf den genannten Preis und gewähren dann nach entsprechen<strong>dem</strong><br />

Entgegenkommen Ihres potenziellen Käufers bei der zweiten Nachfrage<br />

nur noch einen Nachlass von 300 Euro, dann nur noch von weiteren<br />

50 Euro. So drücken Sie dadurch, dass der Nachlassbetrag jedes Mal<br />

sinkt, ganz klar aus: Das Ende Ihres Verhandlungsspektrums rückt näher.<br />

Wenn Sie schon Rabatt geben müssen, dann sollte die Regel lauten:<br />

»Kein Rabatt ohne Gegenleistung.« Versuchen Sie, sowohl für sich als<br />

auch für Ihren Käufer eine Win-win-Situation herzustellen. Das bedeutet,<br />

dass Sie sich überlegen, welche Parameter Sie für den Rabatt<br />

verändern können, da<strong>mit</strong> sich das Geschäft für Sie weiterhin lohnt. Je<br />

größer das in Aussicht stehende Geschäft, umso eher ist man normalerweise<br />

bereit, auch einen Preisnachlass zu gewähren. Überlegen Sie<br />

daher, ob Sie einen Rabatt zum Beispiel ab einer gewissen Einkaufssumme<br />

gewähren wollen, denn dann haben auch Sie über die bestellte<br />

Menge mehr daran verdient. Als Dienstleister könnten Sie über die<br />

Zusammenarbeit bei weiteren Projekten verhandeln oder über eine<br />

Mindestabnahme an Stunden pro Jahr nachdenken. Oder wenn Sie als<br />

Vermieter einen niedrigeren Mietpreis als den von Ihnen veranschlagten<br />

akzeptieren müssen, lässt sich dafür vielleicht im Gegenzug die Laufzeit<br />

des Mietvertrages verlängern. Da<strong>mit</strong> wird der Preisnachlass auch<br />

nachvollziehbarer und wirkt nicht willkürlich. Wenn Sie langfristig ein<br />

gesuchter Gesprächspartner sein wollen, ist es immer wichtig, für Rabatte<br />

von Anfang an klare Regeln aufzustellen. Ihr Verhandlungspartner<br />

wird sich die Rabatte merken und Sie beim nächsten Geschäft darauf<br />

ansprechen. Daher ist es gut, wenn Sie dann auf Ihre bekannten Rabattregeln<br />

verweisen können.<br />

114<br />

Eskalationsstufe »Gelb«:<br />

Deeskalieren in schwierigen Situationen<br />

Ein gutes Gespräch ist wie ein harmonischer Tanz: Da<strong>mit</strong> das Ziel erreicht<br />

werden kann, ist eine Schrittfolge erforderlich, bei der sich der<br />

eine Partner auf den anderen Partner einstellt. Diese Interaktion setzt<br />

allerdings voraus, dass beide Gesprächspartner auch gemeinsam tanzen<br />

wollen. Das ist leider nicht immer der Fall. Oft genug versuchen<br />

Menschen, in Verhandlungen zu dominieren, um ihre eigenen Wünsche<br />

und Ziele durchzusetzen. Waren wir im vorigen Kapitel in Gesprächen,<br />

in denen wir auf der grünen Eskalationsstufe reagieren konnten, da es<br />

um sachliche Einwände ging, steigen die Emotionen in der Phase Gelb.<br />

Nicht jeder bleibt in Verhandlungen sachlich. Daher müssen Sie auch<br />

darauf vorbereitet sein, dass der Verhandlungspartner unfair agiert und<br />

Sie persönlich angreift. Doch auch dann wollen Sie sich nicht von Totschlagphrasen<br />

oder überflüssigen Kommentaren aus <strong>dem</strong> Konzept bringen<br />

lassen, denn Sie wissen ja, was Sie in dieser Verhandlung inhaltlich<br />

erreichen wollen. Wie Sie dieses Ziel weiterhin im Blick behalten,<br />

sodass Ihnen auch fiese Rhetoriker keinen Strich durch die Rechnung<br />

machen, und dabei in Ihrer natürlichen Autorität bleiben, statt selbst<br />

emotional zu werden, ist das Thema des nächsten Abschnitts.<br />

Wenn die Verhandlung eskaliert: Die Situation verstehen,<br />

um sie zu meistern<br />

Bevor wir uns den konkreten Methoden auf der Eskalationsstufe Gelb<br />

widmen, möchte ich beschreiben, welche grundsätzlichen Mechanismen<br />

wirken, wenn die Emotionen hochkochen, und wie wir solche Situationen<br />

souverän meistern und wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern<br />

können.<br />

115


Wenn in Verhandlungen der Blutdruck steigt, die Gesprächsatmosphäre<br />

schlechter wird und die negativen Emotionen Oberhand gewinnen,<br />

dann ergibt sich daraus, dass die Situation – bewusst oder auch unbewusst<br />

– als bedrohlich eingeschätzt wird. Drei Parameter bestimmen,<br />

inwieweit sich Ihr Verhandlungspartner in die Enge getrieben fühlt. Als<br />

Erstes ist wichtig, welche Bedeutung die Situation für ihn persönlich hat<br />

und welche Konsequenzen für sein eigenes Wohlergehen zu erwarten<br />

sind. Er schätzt ab, welchen Aufwand er in Zukunft <strong>mit</strong> der Entscheidung<br />

haben wird, ob er sie vielleicht vor Dritten rechtfertigen muss oder welche<br />

Folgekosten da<strong>mit</strong> verbunden sind. Als Zweites wird sein internes<br />

Bewertungssystem berechnen, <strong>mit</strong> welcher Wahrscheinlichkeit diese<br />

Konsequenzen für das eigene Wohlergehen wirklich eintreten. Der dritte<br />

wichtige Punkt ist, ob der Kunde selbst die Gelegenheit hat, auf die<br />

Situation Einfluss zu nehmen, oder ob er <strong>dem</strong> Verhandlungspartner ausgeliefert<br />

ist. Je unangenehmer die möglichen Folgen für Ihr Gegenüber<br />

sind, umso stärker werden die negativen Emotionen sein.<br />

Beispiel:<br />

Freunden von mir wurde vor einiger Zeit ihre heiß geliebte Dachgeschosswohnung<br />

wegen Eigenbedarfs gekündigt. Sie wohnten dort bereits<br />

seit zehn Jahren zu einem fairen Preis und fühlten sich sehr wohl.<br />

Darüber hinaus war die Schule ihrer Kinder gleich um die Ecke, ihre<br />

besten Freunde wohnten im gleichen Viertel, und auch <strong>mit</strong> den Einkaufsmöglichkeiten<br />

waren sie sehr zufrieden. Die unver<strong>mit</strong>telt ins Haus<br />

flatternde Kündigung schlug hohe Wellen. Kein Wunder, denn alle drei<br />

Punkte, die negative Emotionen aufwallen lassen, waren erfüllt. Die Bedeutung<br />

für das eigene Wohlergehen war enorm, da der sorgsam aufgebaute<br />

Lebens<strong>mit</strong>telpunkt in Gefahr war und ein Umzug immer auch<br />

<strong>mit</strong> einem erheblichen zeitlichen und monetären Aufwand verbunden<br />

ist. Die Kündigung war ausgesprochen, <strong>dem</strong>entsprechend lag die Wahrscheinlichkeit<br />

des Eintritts der Situation bei 100 Prozent. Und da das<br />

Mietrecht auf der Seite des Vermieters war, gab es keine Möglichkeit<br />

der Einflussnahme. Das Empfinden, hilflos ausgeliefert zu sein, führte<br />

naturgemäß zu einer heftigen emotionalen Reaktion.<br />

Auch in Verhandlungen gibt es Szenarien, in denen die Emotionen hochkochen.<br />

Sei es, weil es sich so anfühlt, als ob eine Partei die gesamte<br />

Macht in ihren Händen halte, oder weil die im Raum stehende Forderung<br />

oder Entscheidung einer Partei dafür sorgt, dass sich die Situation der<br />

anderen Partei verschlechtert. Wenn die Gefühle die Steuerung übernehmen,<br />

wird auch verbal anders agiert. Ist es erst einmal so weit, kommen<br />

Sie <strong>mit</strong> der freundlichen Methode, Verständnis zu zeigen, Fragen zu<br />

stellen und danach eine Lösung zu präsentieren, nicht weiter. Dann ist<br />

es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und vor allem: Ihr Ziel nicht<br />

aus den Augen zu verlieren.<br />

116<br />

Erste Hilfe in emotionalen Gesprächen<br />

Wie können Sie also deeskalieren, wenn es notwendig wird? In der<br />

höchsten Aufregung hat es keinen Sinn, zu argumentieren. Wenn der<br />

Verhandlungspartner für Ihre Argumente nicht aufgeschlossen ist, ist es<br />

besser, jegliche Argumentation zurückzustellen. Vor allen rhetorischen<br />

Kompetenzen steht also das Gefühl für die Situation. Wenn die Stimmung<br />

zu angespannt ist oder Ihr Gesprächspartner oder Sie selbst zu<br />

gereizt sind, ist es eine gute Möglichkeit, die Verhandlung zu unterbrechen.<br />

Je nach Situation geht das <strong>mit</strong> einer kurzen Kaffeepause, einer<br />

Mittagspause, die man bewusst getrennt voneinander verbringt, oder<br />

auch <strong>mit</strong> der Vertagung der ganzen Verhandlung. Wichtig ist, den Druck<br />

herauszunehmen und etwas Zeit verstreichen zu lassen, denn das sorgt<br />

dafür, dass sich die Emotionen von alleine abkühlen. Auch innerhalb der<br />

117


Verhandlungssituation können Sie deeskalieren, in<strong>dem</strong> Sie negative<br />

Bilder sprachlich nicht verstärken, sondern in positiven Bildern sprechen.<br />

Bleiben Sie selbst so lange emotional entspannt, wie es geht. Das<br />

ist nicht immer einfach, aber wenn wenigstens einer der Verhandlungspartner<br />

einen kühlen Kopf behält, hat die Verhandlung noch eine Chance.<br />

Wie Sie schon in Kapitel 2 gelernt haben, können Sie entweder aus<br />

<strong>dem</strong> Reptilienhirn heraus agieren oder Ihr Frontalhirn die Arbeit machen<br />

lassen. Ein souveräner Verhandlungspartner wird emotional entspannt<br />

bleiben, da<strong>mit</strong> er logisch denken kann. Das setzt eine gute Impulskontrolle<br />

voraus. Das mag sich schwer anhören, ist allerdings eine Frage<br />

der Übung und der sprachlichen Möglichkeiten. Nur wenn Sie entspannt<br />

und ohne Gefühlswallung sind, bleiben Sie Gesprächsführer. Der emotional<br />

Stärkere führt immer das Gespräch. Lesen Sie dazu auch im Kapitel<br />

1: »Die eigene Einstellung – gewonnen wird im Bauch« nach.<br />

Tipp:<br />

Eine Wunderfrage kann Ihnen helfen, wenn ein Gespräch zu eskalieren<br />

droht. Wenn Sie merken, dass Sie emotional werden, fragen Sie<br />

sich: »Worum geht es hier eigentlich wirklich?« Und dann lauschen Sie<br />

auf Ihre innere Antwort. Lautet die Antwort: »Ich habe nun mal recht,<br />

und das will ich jetzt durchsetzen«, dann sage ich: »Herzlichen Glückwunsch,<br />

das ist Ihr Überlebensinstinkt.« Danach bietet sich die zweite<br />

Frage an: »Will ich jetzt weiter meinen Überlebensinstinkt regieren<br />

lassen oder im Sinne des (geschäftlichen) Ziels handeln?«<br />

Es geht nicht darum, sich aufzuregen, es geht darum, clever zu sein.<br />

Doch wie genau kann man das umsetzen? Wer nie wieder sprachlos sein<br />

möchte, bekommt nun Methoden an die Hand, um in der Phase »Gelb«<br />

zu deeskalieren und kein Öl ins Feuer zu gießen.<br />

118<br />

Konstruktive Schlagfertigkeit: Die BUH-Technik<br />

Viele von uns kennen die Situation, von jeman<strong>dem</strong> sprachlich so überrumpelt<br />

zu werden, dass uns wortwörtlich die Luft wegbleibt. In diesem<br />

Moment würden wir gerne geistreich antworten, doch die richtige, auf<br />

den Punkt gebrachte Replik fällt uns erst viel später unter der Dusche<br />

ein. Das Problem dabei: Es gibt keine zweite Chance für eine erstklassige<br />

Antwort! Ob wir nun <strong>mit</strong> einer Totschlagphrase, einer unpassenden<br />

Frage oder einem uns persönlich abwertenden Kommentar konfrontiert<br />

werden: Wie können wir das professionell abwenden und deutlich eine<br />

Grenze ziehen? Vielen Menschen fällt genau das schwer. Aber keine Sorge,<br />

das ist kein Schicksal, sondern es lässt sich ändern. Denn auch für<br />

schlagfertige Antworten gibt es ein sprachliches Muster, das Sie lernen<br />

können. Wir sind nur dann nicht schlagfertig, wenn wir keine professionelle<br />

Technik besitzen, um auf Angriffe pfeilschnell zu reagieren. Die<br />

BUH-Technik ist eine solche Methode.<br />

Bei der Schlagfertigkeit geht es darum, verbal und körpersprachlich<br />

zu signalisieren: »So nicht!« Die Reaktion soll dabei professionell sein,<br />

das Ziel des Gespräches im Auge behalten und keine Nebenkriegsschauplätze<br />

aufmachen. Die Abwehr darf kurz sein, denn das macht es leichter,<br />

das Gespräch sofort wieder in den konstruktiven Bereich zu lenken.<br />

So bringen Sie Ihre Souveränität zum Ausdruck und bleiben konsequent<br />

der Gesprächsführer. Es benötigt also einen Impuls, welcher der aggressiv<br />

vorgebrachten Ablenkung eine klare Grenze setzt und dadurch zeigt,<br />

dass Sie keine Änderung des zu besprechenden Themas akzeptieren<br />

werden.<br />

Die innere Einstellung zu der Persönlichkeit des Verhandlungspartners<br />

bleibt auch hier: Wir sind auf Augenhöhe, ich bin okay, und du bist<br />

auch okay. Das unsachliche Argument und der gerade geführte Angriff<br />

sind allerdings nicht okay, sondern unangebracht. Genau diese Aussage<br />

kann die BUH-Methode leisten. Sie folgt <strong>dem</strong> Schema:<br />

119


1. Bewerten: Bewerten Sie die Aussage Ihres Gegenübers.<br />

2. Umdrehen: Stellen Sie Ihre gegenteilige Einschätzung dar und drehen<br />

Sie da<strong>mit</strong> das Gespräch zu Ihren Gunsten.<br />

3. Hauptthema: Machen Sie Ihr Thema wieder zum zentralen Gegenstand.<br />

Zitieren Sie eventuell einen Beweis für Ihre Meinung.<br />

Hierzu ein Beispiel aus meiner eigenen Berufserfahrung:<br />

Mit Mitte zwanzig arbeitete ich als Kundenberaterin in einer Bank. Üblicherweise<br />

empfingen wir die Kunden in einem separaten Raum, um<br />

Geldgeschäfte wie Wertpapiertransaktionen oder Ähnliches in vertrauter<br />

Atmosphäre zu besprechen. Eines Morgens passierte mir dabei etwas,<br />

das mir all die Schlagfertigkeit abverlangte, die ich bis dahin in<br />

Rhetoriktrainings gelernt hatte. Ohne Vorwarnung sagte der Kunde<br />

plötzlich zu mir: »Ich stelle mir gerade vor, wie Sie im Badeanzug aussehen.«<br />

Innerlich war ich vollkommen vor den Kopf gestoßen. Wie konnte<br />

man nur so etwas sagen? Aber auch eine schöne Herausforderung, um<br />

darauf gekonnt zu reagieren. Meine Reaktion darauf: »Und ich kann mir<br />

nicht vorstellen, dass Sie das gerade gesagt haben. Ich hole Ihnen jetzt<br />

mal ein Glas Wasser zum Abkühlen, und dann können wir zum Thema<br />

zurückkommen.« Daraufhin habe ich den Raum verlassen und mir erst<br />

einmal fünf Minuten Pause gegönnt, um meine Emotionen wieder in den<br />

Griff zu bekommen. Danach konnte ich wieder in das Besprechungszimmer<br />

gehen und ein fachlich gutes und entspanntes Gespräch <strong>mit</strong> meinem<br />

Kunden führen. Und das blieb auch in den nächsten Jahren so.<br />

In diesem Beispiel habe ich die BUH-Methode angewendet. Mit meiner<br />

Antwort »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das gerade<br />

gesagt haben« habe ich seinen übergriffigen Kommentar klar bewertet.<br />

Und natürlich habe ich <strong>mit</strong> meinem Tonfall und meinem Gesichtsausdruck<br />

unterstrichen, wie unpassend ich die Bemerkung fand. Dazu<br />

120<br />

bin ich aufgestanden und habe den Raum verlassen. Auch das ist eine<br />

klare Bewertung, die ausgedrückt hat: So nicht! Danach kam das Umdrehen<br />

seiner Worte. Durch das Spiegeln, also das Wiederholen seines<br />

Wortes »vorstellen«, wurde meine Reaktion schlagfertig. Nach<strong>dem</strong><br />

mein Kunde das Wort »vorstellen« eher im Zusammenhang <strong>mit</strong><br />

Vorstellungskraft und Fantasie benutzt hatte, bekam das Wort »vorstellen«<br />

in meinem Zusammenhang die eindeutige Botschaft: »Das ist<br />

mir unvorstellbar, dass ich das gehört habe, das kann ja wohl nicht<br />

wahr sein.« Da<strong>mit</strong> habe ich seine Aussage in der Bedeutung komplett<br />

umgedreht, ohne ihn persönlich anzugreifen. Mein nächster Baustein<br />

war der Satz »Ich hole Ihnen jetzt mal ein Glas Wasser zum Abkühlen,<br />

und dann können wir zum Thema zurückkommen«. Meine klare Ansage<br />

war, dass es, wenn ich <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Wasser wiederkomme, um das<br />

Beratungsthema gehen wird und um nichts anderes. Da<strong>mit</strong> bin ich zurück<br />

zu meinem Hauptthema gekommen und habe das Ziel, ein professionelles<br />

und neutrales Gespräch zu meinem Fachthema zu führen, im<br />

Blick behalten.<br />

Es ist wichtig, <strong>dem</strong> Ablauf dieser drei Schritte zu folgen. Als Erstes<br />

bewerten Sie die Aussage. Im Gegensatz zur grünen Phase befinden<br />

wir uns, wie sich am Beispiel gut erkennen lässt, hier in Situationen,<br />

in denen es nicht angebracht ist, Verständnis zu zeigen. Stattdessen<br />

muss die Aussage des Gesprächspartners klar und deutlich bewertet<br />

werden. Und zwar abgrenzend, zielgerichtet und verneinend, aber ohne<br />

persönlich beleidigend zu werden, da<strong>mit</strong> nicht weiter Öl ins Feuer gegossen<br />

wird, sondern die Professionalität und die Ausrichtung auf das<br />

Gesprächsziel beibehalten werden.<br />

Typische Bewertungen sind:<br />

• Ja/Nein.<br />

• Falsch.<br />

121


• Diese Einschätzung ist falsch.<br />

• Das ist eine Fehlinformation.<br />

• Wir stellen uns eine ganz andere Frage.<br />

• Das ist ein Nebenthema/Randaspekt.<br />

• Darum geht es jetzt nicht.<br />

• Das ist allein Ihre Meinung.<br />

• Sie verallgemeinern/pauschalisieren.<br />

• Die Frage, die uns durch den Kopf geht, ist eine andere.<br />

• Für die richtige Einschätzung der Angelegenheit sollten Sie noch<br />

wissen …<br />

• Das ist genau der Punkt.<br />

Körpersprachlich lässt sich die eigene Einstellung gut unterstreichen,<br />

in<strong>dem</strong> Sie den Kopf schütteln, aufstehen oder <strong>mit</strong> einem tiefen seufzenden<br />

Einatmen Ihr Missfallen an der Gesprächswendung erkennen lassen.<br />

Im zweiten Schritt stellen Sie Ihre Sicht der Dinge klar. Das geschieht<br />

durch das Umdrehen der angreifenden Aussage. Beim Umdrehen<br />

gibt es einen Schlagfertigkeitstrick: Spiegeln Sie eins der Wörter<br />

Ihres Gegenübers, wie ich es in meinem obigen Beispiel getan habe. Als<br />

der Kunde sagte: »Ich stelle mir gerade vor, wie Sie …«, antwortete ich:<br />

»Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie …« Genau das ist der Trick:<br />

Wenn Sie die Wörter des anderen verwenden, müssen Sie nicht über<br />

einen Einstieg in Ihre Replik nachdenken, und so erreichen Sie die für<br />

die Schlagfertigkeit nötige Schnelligkeit. Nun ist aber noch ein weiterer<br />

Punkt extrem wichtig: Bei rhetorisch Ungeübten entsteht spätestens<br />

jetzt Stille. Man bleibt genau hier hängen, schaut den Gesprächspartner<br />

an und wartet auf eine Gegenantwort. Das gilt es unbedingt zu vermeiden!<br />

Jeder Blickkontakt an dieser Stelle, jede kleine Pause wird als<br />

Aufforderung zum weiteren Wortgefecht über das Thema interpretiert.<br />

Deswegen brechen Sie nach <strong>dem</strong> Umdrehen den Augenkontakt ab. Gibt<br />

122<br />

es einen dritten Gesprächspartner in der Runde, sehen Sie stattdessen<br />

ihn an. Gibt es den nicht, dann nehmen Sie Ihre Unterlagen zur Hand<br />

oder zeigen Sie auf Ihre Präsentation. Fahren Sie wie selbstverständlich<br />

fort, das ist hier am wichtigsten; lassen Sie keine Pause entstehen,<br />

laden Sie nicht durch Blickkontakt zum Schlagabtausch ein. Machen<br />

Sie weiter <strong>mit</strong> Ihrem Text, als wäre nichts geschehen, in<strong>dem</strong> Sie zum<br />

eigentlichen Hauptthema zurückgehen. Ihr Thema darf sofort wieder<br />

zentraler Gesprächsgegenstand werden. Bei starken persönlichen verbalen<br />

Übergriffen kann es auch sinnvoll sein, dies zeitlich versetzt zu<br />

tun und nicht direkt zum Thema zu wechseln. In meinem Beispiel war es<br />

sogar angebracht, den Raum für einige Minuten zu verlassen und durch<br />

zeitlichen und körperlichen Abstand für Klarheit zu sorgen.<br />

Lassen Sie uns nun an einem weiteren Beispiel durchdenken, wie<br />

die BUH-Technik Ihnen gute Dienste leisten kann. Stellen Sie sich vor,<br />

Sie haben <strong>mit</strong> einem Gesprächspartner schon eine Zeit lang verhandelt.<br />

Über ein paar Punkte werden Sie sich jedoch nicht einig. Irgendwann<br />

versucht Ihr Verhandlungspartner, die nächsthöhere Ebene, also Ihren<br />

Vorgesetzten, einzuschalten, und sagt daher zu Ihnen: »Ich glaube, Sie<br />

sind hier gar nicht der richtige Ansprechpartner für mich, ich spreche<br />

über die Differenzen besser <strong>mit</strong> Ihrem Chef.« Natürlich wollen Sie das<br />

verhindern, da Sie Ihre Kompetenz nicht infrage gestellt sehen wollen<br />

und die Verhandlung selbst zu Ende bringen möchten. Sie könnten nun<br />

Ihre negative Bewertung der Anfrage ausdrücken, in<strong>dem</strong> Sie sagen:<br />

»Diese Frage stellt sich nicht.« Danach drehen Sie die Aussage um und<br />

führen weiter aus: »Die wirklich zentrale Frage, die sich stellt, ist doch<br />

…« Als Nächstes behalten Sie Ihr Ziel – die Verhandlung fortzusetzen<br />

– im Auge, in<strong>dem</strong> Sie zurück zum eigentlichen Thema leiten: »Wie kommen<br />

wir zwei bei den noch offenen Punkten zueinander? Nach<strong>dem</strong> wir<br />

nun schon so viele Unstimmigkeiten ausräumen konnten, schlage ich<br />

vor, wir …« Wichtig ist, dass Sie nun einfach weitermachen, als wäre<br />

nichts geschehen. Die Hemmschwelle, noch einmal die Einschaltung der<br />

123


nächsten Hierarchieebene anzusprechen und den Verhandlungspartner<br />

zu wechseln, ist gestiegen, und Ihre selbstbewusste Reaktion macht<br />

klar, dass dies weder nötig noch gewünscht ist.<br />

Reagieren auf Totschlagphrasen<br />

Eine der fiesen, da unterschwellig wirkenden Techniken, <strong>mit</strong> denen<br />

Menschen versuchen, uns von ihren Zielen zu überzeugen, sind die sogenannten<br />

Totschlagphrasen. Im Folgenden sehen wir uns diese Art von<br />

Aussagen genauer an und erarbeiten daran weitere Beispiele für die<br />

Anwendung der BUH-Methode, denn insbesondere beim Parieren von<br />

solcherart destruktiven Gesprächsbeiträgen leistet diese Methode gute<br />

Dienste. Totschlagphrasen kombinieren eine – eigentlich kontroverse<br />

und diskutierbare – Aussage <strong>mit</strong> einer starken negativen Wertung, zum<br />

Beispiel: »Wer nur egoistisch an die eigenen Ziele denkt, muss an diesem<br />

Punkt natürlich noch weiterverhandeln.«<br />

Sie sind deswegen so wirksam, weil es schwer ist, sich ihnen zu widersetzen.<br />

Sie zielen nicht darauf ab, in der Sache Argumente auszutauschen,<br />

sondern greifen die persönlichen Werte des Gegenübers an.<br />

Mit der stark negativen Bewertung stellen sie das Denkvermögen der<br />

anderen Person infrage, wenn sie der dargebotenen Sichtweise nicht<br />

folgt. Daher trauen sich viele Menschen nicht, den Inhalt infrage zu<br />

stellen. Das Gehirn wird quasi überrumpelt, denn durch die Verbindung<br />

der negativen Unterstellung (»egoistisch«) <strong>mit</strong> der Handlungsalternative<br />

(»weiterverhandeln«) entsteht eine Zwickmühle: Sie stimmen zwar<br />

sachlich nicht zu, denn Sie würden gerne über den strittigen Punkt weiterverhandeln,<br />

wollen aber gleichzeitig nicht als »egoistisch nur die<br />

eigenen Ziele« verfolgend klassifiziert werden.<br />

Aus dieser Zwickmühle können Sie sich befreien, in<strong>dem</strong> Sie das Muster<br />

kennen, <strong>dem</strong> Totschlagphrasen folgen. Sie sind<br />

124<br />

• kurz und prägnant,<br />

• pauschal,<br />

• meist auf die Person gerichtet, nicht auf die Sache,<br />

• abwertend,<br />

• stark polarisierend und<br />

• unterstellen, die Situation sei eindeutig und andere Meinungen<br />

seien unangebracht.<br />

Eine Diskussion des Sachverhalts stellen diese Aussagen infrage, da die<br />

Situation vermeintlich »klar« ist. Durch die extreme Wertung erscheint<br />

die Aussage logisch und nicht widerlegbar.<br />

In Verhandlungen werden Totschlagphrasen ganz bewusst benutzt, um<br />

den anderen aus <strong>dem</strong> Konzept zu bringen oder um ihn von der eigenen<br />

Sichtweise zu überzeugen. Das kann <strong>mit</strong> mehr oder weniger unterschwelligen<br />

Diffamierungen, moralischen Erpressungen oder <strong>dem</strong><br />

Selbstverständlichkeitsprinzip passieren.<br />

Mit Diffamierungen versucht Ihr Verhandlungspartner, Sie zu beeinflussen,<br />

bevor Sie sich überhaupt geäußert haben, um Sie daran<br />

zu hindern, einen für ihn unpassenden Standpunkt einzunehmen. Das<br />

kann geschehen, in<strong>dem</strong> er den ihm nicht passenden Standpunkt klar<br />

anspricht, aber dabei sofort auch in den Dreck zieht. Das Ziel hinter<br />

Diffamierungen ist, es Ihnen schwer zu machen, genau diesen Standpunkt<br />

später einzunehmen. Diese Vorgehensweise ist besonders clever,<br />

denn da Sie noch gar nichts gesagt haben, werden Sie nicht persönlich<br />

angegriffen und bemerken den Trick möglicherweise nicht einmal. Diffamierungen<br />

erkennen Sie an Sätzen wie »Nur ein Anfänger würde jetzt<br />

denken …«, »Wenn gesellschaftliche und charakterliche Werte nichts<br />

mehr wert sind, dann ...«, »Den einfachen Leuten kann die Politik ja<br />

weismachen, dass …«, »Wer allerdings zu feige ist, dieses Thema anzugehen<br />

…«. Wovon Sie sich in solchen Situationen nicht beeindrucken<br />

lassen dürfen, ist der fahle Beigeschmack auf der Nebentonspur, die<br />

125


126<br />

aussagt: »Sie sind ein schlechter Mensch, wenn Sie dieser Meinung<br />

folgen.«<br />

Mit der BUH-Methode können Sie Diffamierungen geschickt auflösen.<br />

Nehmen wir als Beispiel den Satz »Wer allerdings zu feige ist,<br />

dieses Thema anzugehen …«. In Ihrer Antwort folgen Sie wieder <strong>dem</strong><br />

Prinzip bewerten, umdrehen, zurück zum Hauptthema. Hier könnten<br />

Sie das tun, in<strong>dem</strong> Sie in Ihrer Antwort das Wort »feige« aufnehmen:<br />

»Vorausschauend heißt noch lange nicht feige …« Oder Sie greifen das<br />

Wort »Thema« heraus und sagen: »Das Thema angehen, ganz genau.«<br />

Dann drehen Sie die Aussage wieder um <strong>mit</strong> einem Satz wie »Lassen Sie<br />

uns also die Details zu <strong>dem</strong> Thema klären.«. So kommen Sie zu Ihrem<br />

Hauptthema zurück, ohne nach Bestätigung heischend Blickkontakt zu<br />

suchen oder weiter auf die Diffamierung einzugehen: »Ich schlage vor,<br />

wir fangen an <strong>mit</strong> …«<br />

Auch <strong>mit</strong> moralischen Erpressungen können Sie in eine Richtung<br />

gedrängt werden, etwas zu tun oder zu akzeptieren, das Sie eigentlich<br />

nicht wollen. Sie haben vermeintlich nur die Wahl, sich Ihrem Verhandlungspartner<br />

zu unterwerfen oder ein herzloser Schuft zu sein. Im Familienleben<br />

können das Sätze sein wie »Wenn du mich wirklich lieben<br />

würdest, dann würdest du …« Oder: »Deinetwegen habe ich nächtelang<br />

nicht geschlafen …« Und auch in geschäftlichen Verhandlungen gibt es<br />

diese moralischen Erpressungen. Sie hören sich dann wie folgt an: »Das<br />

müssen Sie <strong>mit</strong> Ihrem Gewissen ausmachen, wie Sie …«, »Der Teamgeist<br />

muss im Vordergrund stehen, und deshalb sollten Sie …«, »Menschlichkeit<br />

und Hilfsbereitschaft bedeuten Ihnen wohl gar nichts?«. Oder: »Bis<br />

jetzt habe ich Sie für einen fairen Partner gehalten, aber da habe ich<br />

mich wohl getäuscht.« Oder: »Im Interesse unserer langfristigen Zusammenarbeit<br />

sollten Sie für … Verständnis haben.«<br />

Solcherart moralischen Erpressungen liegen keine Argumente zugrunde,<br />

sondern sie zielen auf die Werteebene ab, also auf unsere<br />

Rechtschaffenheit, unseren Wunsch nach Gemeinschaft, unsere Ehrlichkeit<br />

oder Hilfsbereitschaft, für die wir normalerweise einstehen würden.<br />

Die <strong>mit</strong> ihnen einhergehende Unterstellung, wir agierten unmoralisch,<br />

trifft uns daher direkt ins Herz und macht uns sprachlos. Da ist es nicht<br />

einfach, Magnetismus auszustrahlen, aber hier zeigt sich der wahre Profi.<br />

Mit <strong>dem</strong> richtigen sprachlichen Muster im Gepäck fällt es einfach, gelassen<br />

zu reagieren.<br />

Lassen Sie uns am Beispiel der moralischen Erpressung »Im Interesse<br />

unserer langfristigen Zusammenarbeit sollten Sie für … Verständnis<br />

haben« ein Reaktionsmuster ansehen. Mit der Bewertung »Der Zusammenhang<br />

ist falsch gewählt« können Sie den moralischen Konflikt<br />

gekonnt auflösen und eine klare Grenze zu der Totschlagformulierung<br />

ziehen.<br />

Für Ihre schlagfertige Antwort können Sie zum Beispiel die Wörter<br />

»langfristige Zusammenarbeit« aus <strong>dem</strong> Ursprungssatz für Ihre Zwecke<br />

verwenden. Das kann sich wie folgt anhören: »Genau weil mir die<br />

langfristige Zusammenarbeit am Herzen liegt …« So verändern Sie den<br />

Kontext wieder zu Ihren Gunsten. Zurück zu Ihrem Thema kommen Sie<br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Satz »Und daher lassen Sie uns das Thema langfristig und professionell<br />

angehen. Ich schlage vor, wir …«.<br />

Das Selbstverständlichkeitsprinzip stellt die Alternativlosigkeit in<br />

den Vordergrund. Es soll Sie da<strong>mit</strong> überrumpeln, dass es gar keine andere<br />

Lösung gibt als die vorgeschlagene, wenn man noch bei klarem<br />

Verstand ist. Formulierungen, die in dieser Argumentationslinie in Verhandlungen<br />

vorkommen, sind zum Beispiel »Es ist doch selbstverständlich,<br />

dass …«, »Es ist ganz offensichtlich, dass …«, »Eine gesunde Risikobereitschaft<br />

gehört natürlich dazu, wenn man ganz oben dabei sein<br />

will«, »Der gesunde Menschenverstand sagt einem doch …«.<br />

Keiner lässt sich gern den gesunden Menschenverstand absprechen,<br />

und so<strong>mit</strong> scheint es klar auf der Hand zu liegen, dass jetzt im<br />

Sinne des Verhandlungspartners reagiert werden muss. Es hört sich<br />

so an, als gäbe es gar keine Alternative dazu. Doch selten ist das<br />

127


wirklich so. Auf die Phrase »Der gesunde Menschenverstand sagt einem<br />

doch …« könnte die sprachlich brillante Gegenreaktion <strong>mit</strong> der<br />

BUH-Methode zum Beispiel wie folgt verlaufen. Zuerst bewerten Sie<br />

wieder die Aussage, dieses Mal <strong>mit</strong> einem klaren Nein. Dann das Umdrehen:<br />

»Denn genau dieser Menschenverstand sagt mir ebenfalls,<br />

dass …« Nun kommen wir wieder zurück auf das Hauptthema <strong>mit</strong>:<br />

»Worüber wir jetzt sprechen sollten, ist … Lassen Sie uns also unser<br />

Thema wieder aufgreifen.«<br />

Mit der BUH-Methode holen Sie sich die Gesprächsführung wieder<br />

zurück, wenn es brenzlig wird. Ihr Gesprächspartner versteht dadurch,<br />

dass solche sprachlichen Entgleisungen von Ihnen nicht toleriert werden,<br />

sondern gekonnt genutzt werden, um sofort wieder zu einem zielorientierten<br />

Gespräch zurückzufinden. Normalerweise reicht es, dies<br />

ein- oder zweimal zu wiederholen, bis der Gesprächspartner verstanden<br />

hat, dass er <strong>mit</strong> seinen Totschlagargumenten bei Ihnen gar nichts erreicht,<br />

und da<strong>mit</strong> aufhört. Angenehmerweise passiert das eher unterbewusst.<br />

Tipp:<br />

Eine spontane Reaktion auf Totschlagphrasen ist oft: »Warum?« Diese<br />

Antwort kann jedoch Ihrem Ziel entgegenwirken, weil Sie da<strong>mit</strong> in<br />

das Problem hineinfragen. Sie gehen den Weg Ihres Gegenübers <strong>mit</strong>.<br />

Als Nächstes wird eine ausführliche Erklärung folgen, warum man zu<br />

diesem Fazit kommen muss. Wollen Sie das wirklich hören? Bringt Sie<br />

das in der Verfolgung Ihrer Verhandlungspunkte weiter? Oft ist es nach<br />

der Erläuterung womöglich umso schwieriger, das Argument zu widerlegen.<br />

Einfacher ist es, Sie gehen gar nicht erst darauf ein. Viel interessanter<br />

ist es für Sie, den Satz zu beginnen <strong>mit</strong>: »Genau deswegen.«<br />

Das nimmt der Totschlagphrase sofort den Wind aus den Segeln.<br />

Powerfragen stellen<br />

Eine unkonstruktive Gesprächssituation kann nicht nur durch verbale<br />

Angriffe, sondern auch durch passives »Mauern« Ihres Gegenübers<br />

entstehen. Unabhängig davon, ob Sie nun in einem Meeting, einem<br />

Verkaufsgespräch oder einer Verhandlung sind, entstehen häufig kommunikative<br />

Sackgassen, in denen plötzlich alle an den einmal eingenommenen<br />

Positionen festhalten und nicht wissen, wie der Konflikt aufgelöst<br />

werden kann. Sie erkennen eine Sackgasse im Gespräch daran,<br />

dass die Parteien ihre Argumente wieder und wieder vortragen, der eigene<br />

Standpunkt sich dabei um keinen Zentimeter bewegt und die Argumente<br />

der Gegenseite nicht mehr hinterfragt oder kommentiert werden.<br />

Dadurch wirken zwar alle Beteiligten sehr aktiv, doch die Ergebnisse lassen<br />

zu wünschen übrig. Weder stehen das ursprüngliche Thema und das<br />

Gesprächsziel im Vordergrund noch wird nach einer Lösung für das aufgetretene<br />

Problem gesucht. Vielmehr versuchen alle, die Positionen zu<br />

bewahren. In einer solchen Situation muss es einen Menschen geben,<br />

der es schafft, die Stagnation aufzulösen und eine andere Denkrichtung<br />

als Ausweg anzubieten. Im besten Fall sind Sie es, der die Gesprächspartner<br />

aufrüttelt und wieder zum Thema zurückführt. Denn auch da<strong>mit</strong><br />

zeigen Sie, dass Sie immer Herr der Lage bleiben und Ihre magnetische<br />

Wirkung auch in diesen Gesprächssituationen funktioniert. Um Ihr verbales<br />

Können zu unterstreichen, ist in diesem Zusammenhang ein Fundus<br />

an Powerfragen das Mittel der Wahl.<br />

128<br />

129


EXKURS > >> >> > ><br />

Drama-Dreieck:<br />

Lassen Sie uns dieses »Mauern« kurz genauer ansehen. Zur Klärung<br />

von solch unproduktiven Kommunikationsabläufen leistet ein Konzept,<br />

das unter <strong>dem</strong> Namen »Drama-Dreieck« bekannt ist und zuerst von<br />

Stephen Karpman (1968) beschrieben wurde, wertvolle Dienste. Es ist<br />

ein hilfreiches Instrument, um ein relativ überschaubares Kommunikationsmuster<br />

zu erkennen und darzustellen, dass es für alle Beteiligten<br />

unerfreulich endet. Haben Sie es erkannt, können Sie es auch durchbrechen.<br />

Das Konzept unterscheidet drei verschiedene Rollen, in die<br />

Menschen verfallen, wenn sie nicht auf Augenhöhe kommunizieren:<br />

der Retter, der Verfolger oder das Opfer. Mit diesen drei Rollen besetzt<br />

jeder Beteiligte – wie in einem Drama – eine Position, die er während<br />

des Gesprächs allerdings auch wechseln kann. Folgendes Beispiel veranschaulicht<br />

diese drei klassischen Rollen: Herr A und Herr B sind <strong>mit</strong>einander<br />

im Gespräch, kommen aber zu keiner Lösung. Herr C denkt,<br />

dass sich Herr A nicht gut verständlich machen kann, greift daher ein<br />

und sagt: »Was Herr A sagen will, ist …« Das verärgert Herrn A, der<br />

daraufhin zu Herrn C sagt: »Mischen Sie sich da nicht ein, ich kann für<br />

mich alleine sprechen.« Eine Reaktion von Herrn C könnte sein: »Ich<br />

wollte ja nur klären helfen.«<br />

Herr C startet aus der Retterposition. Er mischt sich in das Gespräch<br />

ein, ohne darum gebeten worden zu sein. Daraufhin wird er von Herrn<br />

A aus der Verfolgerposition zurechtgewiesen und kritisiert, was bei<br />

Herrn C den Wechsel in die Opferposition bewirkt, in der er sich unverstanden<br />

fühlt.<br />

In einer Drama-Dreieck-Kommunikation werden die Rollen von den<br />

Personen zwar oft gewechselt, trotz<strong>dem</strong> hat jeder Mensch eine bevorzugte<br />

Position, aus der heraus er Kontakt zu anderen aufnimmt. Da<strong>mit</strong><br />

130<br />

werden andere »eingeladen«, die komplementäre Rolle einzunehmen.<br />

Geschieht das, kann sich eine Folge von Transaktionen ergeben, deren<br />

Ergebnis praktisch vorhersagbar ist: Es kommt zu keiner Lösung, eher<br />

zu einer Vertiefung des Konfliktes, man dreht sich im Kreis, verliert viel<br />

Zeit und geht in der Regel <strong>mit</strong> unbefriedigenden Ergebnissen auseinander.<br />

Der Verfolger wird eher <strong>mit</strong> Totschlagphrasen, wie sie im vorigen<br />

Kapitel beschrieben wurden, Menschen angreifen oder sprachlich<br />

nicht wertschätzen. Treffen Sie dagegen auf Retter, so können<br />

Sie sich in Verhandlungen glücklich schätzen, dass Ihnen jemand<br />

seine Hilfe unaufgefordert anbietet und Sie unterstützt. Wenn Sie<br />

dagegen <strong>mit</strong> jeman<strong>dem</strong> kommunizieren, der in die Opferhaltung verfällt,<br />

sollten Sie bedenken, dass diese Person keineswegs so hilflos<br />

ist, wie sie im ersten Augenblick erscheinen mag. Eine Person in der<br />

Opferrolle gibt sich der Einstellung und <strong>dem</strong> Verhalten nach so, als<br />

ob sie aus eigener Kraft das Problem nicht lösen könnte, ihre eigene<br />

Bedürftigkeit sie vom Problemlösen abhält, oder stellt es so dar, dass<br />

die Umstände keine Lösung zulassen. Da den meisten Menschen<br />

nicht bewusst ist, dass sie in der Opferrolle kommunizieren, glauben<br />

sie wirklich daran, dass es keine Lösung für ihr Problem gibt. Sie erscheinen<br />

uns daher sehr glaubwürdig. Nehmen Sie dann die komplementäre<br />

Rolle dazu ein, agieren also zum Beispiel aus der Retterrolle<br />

heraus, passiert Folgendes: Der Retter versucht, nach bestem Wissen<br />

und Gewissen zu helfen, und liefert mögliche Lösungen für das Problem.<br />

Da Menschen in der Opferrolle dafür allerdings nicht empfänglich<br />

sind, verhallen auch gute Lösungen. Mehr noch: Der Retter wird<br />

für seine Lösungen Gegenargumente hören, die schlüssig beweisen,<br />

warum die vorgebrachten Lösungen nicht funktionieren können. Das<br />

Opfer verharrt in seiner Haltung.<br />

> > > > > > > >> > > >> >> > > ><br />

131


Die Aufgabe des Gesprächsführers ist, Menschen, die aus der Verfolgerrolle<br />

heraus sprechen, so weit zu beruhigen, dass sie sachlichen Argumenten<br />

zugänglich sind, und auch Menschen, die in der Opferhaltung<br />

kommunizieren, dabei zu helfen, in Optionen und Lösungen zu denken<br />

und einen Ausweg aus <strong>dem</strong> vermeintlichen Dilemma zu finden. Da eigene<br />

Lösungsvorschläge nicht auf Gehör stoßen, ist es besser, gute Fragen<br />

zu stellen, um den anderen in den Lösungsprozess zu integrieren, zu<br />

eigenen Erkenntnissen zu führen und so dafür zu sorgen, dass er seine<br />

eigene Lösung findet.<br />

132<br />

Beispiel:<br />

Sie diskutieren während des Baus Ihres Privathauses <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Fliesenleger<br />

über die Fertigstellung des Badezimmers. Ihr Fliesenleger sagt,<br />

dass er in vier Wochen fertig sei. Das ist für Sie viel zu spät, da Sie dann<br />

bereits einziehen wollen und zwischendurch noch die Duschwände, Armaturen<br />

etc. eingebaut werden müssen. Im Gespräch verhärten sich die<br />

Fronten. Ihr Fliesenleger sagt: »Ich habe auf Ihre Fliesen länger warten<br />

müssen als gedacht, und nun muss ich erst noch zu einer anderen Baustelle,<br />

das kann ich jetzt nicht ändern.« Sie sind in einer schwierigen<br />

Lage, da Sie aus Ihrer alten Wohnung ausziehen müssen und nicht in<br />

ein Haus ohne WC einziehen können. Natürlich könnten Sie jetzt <strong>mit</strong> Lösungsideen<br />

kommen und vorschlagen, dass Ihr Fliesenleger samstags<br />

arbeitet oder am Abend länger macht. Doch was wird daraufhin passieren?<br />

Sie werden garantiert die Argumente hören, warum das so nicht<br />

geht. Also – was ist die Lösung? Fragen Sie den Handwerker: »Sagen<br />

Sie, was muss passieren, da<strong>mit</strong> Sie in zwei Wochen fertig sind?« Die erste<br />

Antwort wird wahrscheinlich lauten: »Da muss der Himmel mir vier<br />

Hände wachsen lassen, in zwei Wochen kann ich nicht fertig sein, das<br />

hab ich Ihnen doch schon erklärt!« Davon völlig unbeeindruckt fragen<br />

Sie freundlich weiter: »Ja, ich weiß, aber wenn wir jetzt noch mal genau<br />

überlegen, wie kann es in zwei Wochen gehen, da<strong>mit</strong> ich einziehen<br />

kann?« Auch für diese scheinbar unlösbare Situation gibt es viele Optionen.<br />

Mit freundlichem, aber hartnäckigem Nachfragen kommen Sie im<br />

Gespräch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Fachmann darauf, dass ein zweiter Hilfsarbeiter einspringen<br />

könnte. Sie einigen sich darauf, dass zuerst das separate WC<br />

gefliest wird und das zweite Bad erst nach Ihrem Einzug. Vielleicht ist es<br />

auch eine Frage des Preises, und wenn Sie die Samstagsarbeit anders<br />

bezahlen, bekommen Sie Ihren Wunsch erfüllt. Es gibt für (fast) alles<br />

eine Lösung – Sie müssen nur richtig danach fragen.<br />

Mit konsequent lösungsorientieren Powerfragen neue Horizonte zu eröffnen,<br />

bietet sich immer dann an, wenn Sie über Dinge diskutieren, von<br />

denen Sie selbst wenig Ahnung haben, weil Sie vielleicht nicht das nötige<br />

technische Know-how besitzen, aber Ihr Bauchgefühl Ihnen sagt:<br />

»Das muss doch auch anders gehen!«<br />

Powerfragen sind zum Beispiel:<br />

• Wie kann es trotz<strong>dem</strong> klappen?<br />

• Wie kann es preiswerter/schneller/besser gehen?<br />

• Was können wir/Sie berücksichtigen, da<strong>mit</strong> es klappt?<br />

• Was können wir verändern, sodass es dieses Mal funktioniert?<br />

• War der Fall, in <strong>dem</strong> es nicht funktionierte, genau wie unserer?<br />

Wenn ja, wie können wir unsere Lösung dieses Mal anpassen?<br />

In der Anwendung auf typische Opferaussagen hört sich das dann so an:<br />

Opferaussage:<br />

»Das geht so nicht!«<br />

133<br />

Frage:<br />

»Wie kann es gehen?«


»Dafür habe ich keine Zeit!«<br />

»Da ist ein anderer schuld/zuständig.«<br />

»Das war so nicht vorgesehen.«<br />

»Wie kann es trotz<strong>dem</strong> funktionieren?«<br />

»Wie können wir zwei das jetzt<br />

trotz<strong>dem</strong> gemeinsam lösen?«<br />

»Und wenn wir das jetzt so machen,<br />

wie können wir das trotz<strong>dem</strong> in die<br />

Wege leiten?«<br />

Bedenken Sie: Wann immer Sie <strong>mit</strong> Menschen kommunizieren, die in<br />

der Opferhaltung verharren, werden diese Gründe gegen Ihre guten Lösungsvorschläge<br />

finden.<br />

Es kann sehr anstrengend sein, ständig Ideen zu erfinden, die der<br />

Gesprächspartner doch nicht annimmt. Kommt Ihr Gesprächspartner<br />

auf eigene Lösungen, erhöht sich die Chance, dass er später auch die<br />

Lösung <strong>mit</strong>trägt und die Sache zur beiderseitigen Zufriedenheit erledigt<br />

wird. Auf diese Art können auch Fragen das Einhalten von Vereinbarungen<br />

sichern.<br />

Appelltechnik<br />

Wenn Sie wollen, dass Ihr Gegenüber eine Aufgabe ausführt, ist es<br />

sinnvoll, darauf zu achten, dass Sie diesen Auftrag klar kommunizieren.<br />

Klare Kommunikation bedeutet: Wer macht genau was bis genau wann?<br />

Das ist manchmal schwieriger, als es im ersten Moment den Anschein<br />

hat.<br />

Um eine starke Wirkung zu erzielen, ist es häufig ebenso wichtig,<br />

Aufträge oder Anweisungen gut zu platzieren. Auf der Eskalationsstufe<br />

»Gelb« bietet sich dafür die Appelltechnik an.<br />

Beispiel:<br />

Stellen Sie sich folgende Szene vor: Eine Frau steht in der Küche und<br />

bereitet das sonntägliche Mittagessen vor. Während sie fleißig das Gemüse<br />

dazu schnippelt, quillt irgendwann der Mülleimer über. Sie ruft<br />

ins Wohnzimmer, wo sie ihren Mann vermutet: »Schatz, kannst du mal<br />

den Müll rausbringen?« Er ruft zurück: »Ja, klar.« Und danach passiert<br />

nichts. Es dauert vielleicht noch weitere fünf Minuten, dann wird die<br />

Frau ärgerlich, weil ihr Mann sich nicht sofort um den Müll gekümmert<br />

hat. Da stellt sich die Frage: Ist dieser Ärger berechtigt? Natürlich hat<br />

sie gefragt, ob er den Müll hinausbringen kann, allerdings hat sie nicht<br />

davon gesprochen, dass es sofort sein muss. Ihr Mann könnte also <strong>mit</strong><br />

seinem »Ja, klar« auch gemeint haben: »Ja, aber später.« Das war von<br />

der Frau zwar nicht so gemeint, denn ihr liegt am Herzen, dass es wirklich<br />

sofort passiert, da<strong>mit</strong> sie weiterhin in ihrer Küche arbeiten kann.<br />

Aber ausgesprochen hat sie es nicht.<br />

Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, klar zu kommunizieren. Aus der<br />

eigenen Position ist einem sonnenklar, was gemeint ist, der Verhandlungspartner<br />

kann allerdings aus seiner Position eine ganz andere Sicht<br />

der Dinge haben, sei es unabsichtlich oder aus strategischen Gründen.<br />

Appelle helfen dabei, klare Aufträge zu senden. Nicht alle Menschen verfügen<br />

über ausgeprägte Appell-Ohren. Auch Sie kennen bestimmt Menschen,<br />

die sofort aufspringen, wenn ein anderer sagt: »Mir ist kalt«, um<br />

ein offenes Fenster zu schließen. Doch nicht alle Menschen reagieren so.<br />

Wenn Sie also jemanden zu einer bestimmten Handlung auffordern<br />

wollen, arbeiten Sie <strong>mit</strong> Appellen. Ihre klaren Aufträge können Sie<br />

einleiten <strong>mit</strong> folgenden Phrasen:<br />

• Definieren Sie …<br />

• Präzisieren Sie …<br />

• Konkretisieren Sie …<br />

134<br />

135


• Beschreiben Sie uns …<br />

• Bearbeiten Sie …<br />

• Liefern Sie …<br />

• Präsentieren Sie uns bitte …<br />

• Schildern Sie doch mal konkret …<br />

• Bitte machen Sie bis zum … Folgendes …<br />

und klar zugleich. Alternativ wird es weicher, wenn Sie das Wort »bitte«<br />

einfügen: »Herr Kaufmann, stellen Sie das bitte bis Freitag fertig.«<br />

Hier finden Sie noch einige Beispiele, wie Sie aus Fragen Appelle machen<br />

können.<br />

Frage:<br />

Als Appell:<br />

Oft höre ich, wie Menschen versuchen, ihre Aufträge in Fragen zu verpacken.<br />

Die Frageformen gehören aber in einen anderen Zusammenhang,<br />

wie Sie auf den vorherigen Seiten schon lesen konnten (vgl. Kapitel 3:<br />

»Mit Fragen filtern« und Kapitel 4: »Powerfragen stellen«).<br />

Man hört dann oft Sätze, die wie folgt anfangen: »Könnten Sie bitte<br />

mal …« oder »Würden Sie bitte …«. Der Konjunktiv »könnte« oder »würde«<br />

ist in Deutschland eine Höflichkeitsform. Wir meinen es nett und<br />

formulieren daher im Konjunktiv. Sprachlich sauber ist das nicht, da Sie<br />

in diesem Moment eigentlich erwarten, dass nun eine Handlung erfolgt.<br />

Diese Art, Aufträge zu verteilen, wurde manchen von uns anerzogen<br />

und hat die positive Absicht, freundlich auf andere Menschen zu wirken.<br />

Allerdings ist dieses Vorgehen in geschäftlichen Verhandlungen –<br />

besonders, wenn sie nicht ganz glatt verlaufen – eher hinderlich. Von<br />

kleineren Kindern können wir lernen, wie ein echter Auftrag aussieht,<br />

denn Kinder sind Meister darin, klar zu kommunizieren. Sie reden nicht<br />

um den heißen Brei, sondern sagen, was sie meinen. Oder haben Sie<br />

schon einmal ein Kind sagen hören: »Könntest du mir bitte meine Schippe<br />

geben, da<strong>mit</strong> ich im Sand spielen kann?« Sie formulieren ganz klar:<br />

»Gib mir meinen Eimer!« Im Erwachsenenalter sagen wir dann: »Herr<br />

Kaufmann, könnten Sie das bis Freitag fertigstellen?« – und meinen da<strong>mit</strong><br />

eigentlich, dass es am Freitag fertig sein soll. Dann sollte die klare<br />

Formulierung auch lauten: »Herr Kaufmann, stellen Sie das bis Freitag<br />

fertig.« Das klingt in Ihren Ohren zu hart? Da macht der Ton die Musik.<br />

Wenn Sie Ihren Appell warmherzig und freundlich vorbringen, ist er nett<br />

Was sagen Sie dazu?<br />

Können Sie das übernehmen?<br />

Schreiben Sie für uns alle <strong>mit</strong>?<br />

Teilen Sie mir Ihre Einschätzung dazu<br />

<strong>mit</strong>.<br />

Übernehmen Sie das bitte.<br />

Bitte schreiben Sie für uns alle <strong>mit</strong>.<br />

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns <strong>mit</strong> Verhandlungssituationen,<br />

in denen schon ein etwas rauerer Wind weht – wir sind auf der Eskalationsstufe<br />

»Gelb«, hier läuft die Kommunikation nicht von allein. Wenn<br />

Menschen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, ist es nicht unbedingt<br />

nötig, auf saubere Formulierungen zu achten, denn dann wird jeder<br />

Auftrag aus Eigenantrieb ausgeführt. Immer dann, wenn Sie <strong>mit</strong> Ihren<br />

Aufträgen aber auf Widerstand stoßen, ist es besser, sehr klar zu sein,<br />

da<strong>mit</strong> Ihre Wünsche auch erfüllt werden.<br />

Nach<strong>dem</strong> Sie die Muster hinter Angriffen auf der Stufe Gelb nun kennengelernt<br />

haben, sind Sie jetzt auch in der Lage, Totschlagargumente<br />

zu erkennen und sich schon durch diese Erkenntnis nicht aus der Ruhe<br />

bringen zu lassen. Auf diese Weise sind Sie in der Lage, schlagfertig zu<br />

kontern und sofort eine Grenze zum Gesagten zu ziehen. Nutzen Sie die<br />

Möglichkeit, die Worte des anderen zum Schlagabtausch zu benutzen,<br />

so wie Sie es in den obigen Beispielen noch einmal nachlesen können.<br />

So schlagen Sie Ihr Gegenüber <strong>mit</strong> seinen eigenen Waffen. Folgen Menschen<br />

Ihren Anweisungen nicht, prüfen Sie, ob Sie vielleicht zu weich<br />

136<br />

137


formulieren, und senden Sie ab jetzt mehr klare Appelle. Ihre innere<br />

Einstellung darf dabei immer bleiben: Wir sind auf Augenhöhe, und ich<br />

verhandle gerne weiter, aber <strong>mit</strong> rhetorischen Tricks lasse ich mich nicht<br />

hereinlegen. Die fallen mir auf, und ich kontere konsequent.<br />

Eskalationsstufe »Rot«<br />

Sie haben klar kommuniziert, Powerfragen gestellt, haben immer wieder<br />

versucht, die Emotionen zu kanalisieren und auf das relevante Thema<br />

zurückzukommen, und führen noch immer kein fundiertes Gespräch<br />

auf Augenhöhe? Trotz all Ihrer Versuche hört Ihr Gesprächspartner nicht<br />

<strong>mit</strong> seinem destruktiven Verhalten auf? Auch das kommt vor. Helfen die<br />

bisher vorgestellten Techniken nicht, so brauchen Sie schwereres Gerät<br />

aus Ihrer sprachlichen Werkzeugkiste. Die Eskalationsstufe »Rot«<br />

ist immer dann erreicht, wenn die Diskussion an einem sehr kritischen<br />

Punkt angelangt ist. So langsam kommen Sie in das Fahrwasser, wo für<br />

Sie auch ein Abbruch der Verhandlungen im Raum steht. Bevor Sie aber<br />

da<strong>mit</strong> drohen, gibt es noch elegantere Lösungen.<br />

Grenzen setzen <strong>mit</strong> positivem Sie-Feedback<br />

Beispiel:<br />

Als Coach begleitete ich einen Projektleiter einer größeren Immobilienverwaltungsgesellschaft<br />

bei einem Bauprojekt. Ein großes Büroareal<br />

musste komplett saniert werden. Zu unserem Gesprächszeitpunkt waren<br />

die Arbeiten schon so weit fortgeschritten, dass bereits 80 der insgesamt<br />

100 neuen Fenster eingesetzt worden waren. Im Baucontainer<br />

auf der Baustelle trafen sich der Projektleiter und der Chef der Firma,<br />

138<br />

die den Auftrag hatte, die Fenster einzubauen. Ausgangspunkt des Gesprächs<br />

war, dass der Chef des Handwerksbetriebs sein Geld noch nicht<br />

erhalten hatte, obwohl er bereits im Vormonat 80 Fenster eingebaut<br />

hatte. Der Projektleiter begründete das da<strong>mit</strong>, dass die Rechnungsstellung<br />

nicht in der richtigen Form erfolgt sei.<br />

Als die zwei Gesprächspartner sich trafen, war die Spannung von<br />

Anfang an zu spüren. Der Inhaber der Fensterfirma begann sofort, den<br />

Projektleiter <strong>mit</strong> den Worten zu beschimpfen: »Sie müssen uns kleine<br />

Unternehmer auch bezahlen! Wie soll ich <strong>mit</strong> meiner Acht-Mann-Firma<br />

überleben, wenn Sie mir die 80 Fenster nicht bezahlen, ich bin doch keine<br />

Bank! Überweisen Sie mir noch diese Woche mein Geld!« Der Projektleiter<br />

erwiderte, ebenfalls in gereiztem Tonfall: »Dafür müssen Sie erst<br />

mal lernen, eine Rechnung richtig zu stellen! Ich habe hier 80 Fenster<br />

auf der Rechnung stehen und weiß nicht, welche Fenster in welchem Gebäude<br />

da<strong>mit</strong> gemeint sind! Sie haben den Auftrag, mir aufzuschlüsseln,<br />

welche Fenster Sie wo verbaut haben, da<strong>mit</strong> das ins Budget der verschiedenen<br />

Bürokomplexe passt!« Daraufhin schrie ihn der Inhaber der<br />

Fensterfirma an: »Ich arbeite hier nicht weiter! Immer geht es ans Geld<br />

des kleinen Mannes! Sie ruinieren mich!« Woraufhin der Projektleiter<br />

lautstark konterte: »Hören Sie auf, mich anzuschreien, Sie stellen doch<br />

nicht zum ersten Mal eine Rechnung! Das kann doch nicht so schwer<br />

sein!« In diesem Stil ging das Gespräch noch eine Zeit lang weiter, dann<br />

stapfte der Inhaber der Fensterfirma fluchend von der Baustelle.<br />

Natürlich ist es kein guter Start, wenn ein Gesprächspartner sofort <strong>mit</strong> Beschimpfungen<br />

anfängt, und es ist nur allzu menschlich, <strong>mit</strong> Gegenvorwürfen<br />

zu kontern. In der Sache bringt es uns aber keinen Schritt weiter. Oft<br />

genug kochen, wie in obigem Beispiel, die Emotionen nur noch höher, die<br />

Positionen verfestigen sich immer mehr, und die Möglichkeit, eine sachliche<br />

Lösung zu erreichen, rückt in weite Ferne. Nebenthemen werden zu<br />

Kriegsschauplätzen, und durch die aufwallenden Gefühle kann keiner<br />

139


der Beteiligten mehr aus <strong>dem</strong> Konflikt aussteigen. Das Gespräch im Beispiel<br />

mündete in einen verbalen Schlagabtausch, bei <strong>dem</strong> jede Partei die<br />

Chance nutzte, der anderen so richtig die Meinung zu sagen.<br />

Dabei bedurfte es für eine Klärung des reinen Sachverhalts »eigentlich«<br />

nur einer neuen Rechnung <strong>mit</strong> der Aufschlüsselung, in welchem<br />

Gebäude die Fenster verbaut worden waren. Auch ein klärendes Gespräch<br />

<strong>mit</strong> der Buchhaltung hätte helfen können, die Formfehler zu beheben.<br />

Schon nach <strong>dem</strong> ersten Satz ging es aber nicht mehr um einfache<br />

Lösungen, sondern nur noch darum, den anderen anzugreifen.<br />

Zurück zu einer sachorientierten Lösung findet man nur, wenn zumindest<br />

eine Partei es schafft, aus diesem nicht zu gewinnenden Ringkampf<br />

auszusteigen. Natürlich kann das ebenfalls <strong>mit</strong> der BUH-Methode funktionieren.<br />

Der Projektleiter hätte folgendermaßen reagieren können:<br />

»Die Frage, ob ich Ihnen das Geld überweise, stellt sich nicht, das werde<br />

ich ganz sicher tun. Was ich jetzt dafür von Ihnen noch benötige, ist die<br />

exakte Aufschlüsselung der eingebauten Fenster. Wie bekommen wir<br />

das gemeinsam hin?«<br />

Nehmen wir nun an, die BUH-Methode reicht nicht aus, um den wütenden<br />

Fensterbauer wieder auf die rationale Ebene zu lenken, dann<br />

ist es an der Zeit, die inhaltliche Argumentationsebene zu verlassen<br />

und sich in die Vogelperspektive zu begeben. Dabei sprechen Sie den<br />

Umgang <strong>mit</strong>einander an, also die Art und Weise, wie Sie das Gespräch<br />

erleben; da<strong>mit</strong> bewegen wir uns auf der Werteebene. Allerdings nicht<br />

<strong>mit</strong> Totschlagargumenten, wie sie im Abschnitt über die gelbe Eskalationsstufe<br />

dargestellt wurden. Zuerst lohnt sich noch immer ein lösungsorientierter<br />

Versuch. Beim positiven Sie-Feedback sprechen Sie<br />

das unerwünschte Verhalten Ihres Gesprächspartners und die daraus<br />

entstehende schlechte Gesprächsatmosphäre klar an und liefern direkt<br />

einen Lösungsvorschlag: »Wie sollten wir beide <strong>mit</strong>einander ab sofort<br />

umgehen, da<strong>mit</strong> die Verhandlung nicht scheitert?« Das klappt nur, wenn<br />

Sie weiterhin souverän bleiben, sich also nicht auf den Wortkampf unter<br />

140<br />

der Gürtellinie einlassen. Noch bleiben Sie locker und positiv. Sprachlich<br />

gelingt das <strong>mit</strong> der Methode des positiven Sie-Feedbacks. Beim<br />

positiven Sie-Feedback treffen Sie zuerst eine Sie-Aussage und zeigen<br />

danach die positiven Folgen der Veränderung auf. Im obigen Beispiel<br />

kann sich das wie folgt anhören:<br />

1. Sie-Aussage treffen: »Sie beharren zurzeit auf <strong>dem</strong> Thema, dass ich<br />

Ihnen das Geld für die Fenster nicht überweisen will, und hören mir nicht<br />

lösungsorientiert zu. Da<strong>mit</strong> drehen wir uns im Kreis.«<br />

2. Positive Folgen der Veränderung aufzeigen: »Lassen Sie uns den Blick<br />

wieder auf das eigentliche Thema lenken. Das Geld steht Ihnen zu. Das<br />

ist klar. Da<strong>mit</strong> ich Ihnen das Geld in dieser Woche überweisen kann,<br />

benötige ich eine formal andere Rechnung von Ihnen.«<br />

1. Sie-Aussage<br />

Mit der Sie-Aussage sprechen Sie Ihren Verhandlungspartner persönlich<br />

an. Und in diesem Moment ist das gut so, denn er soll jetzt merken,<br />

dass tatsächlich er gemeint ist. Diese Wirkung können Sie noch steigern,<br />

in<strong>dem</strong> Sie Ihren Gesprächspartner <strong>mit</strong> seinem Namen ansprechen:<br />

»Herr Kaufmann, Sie verstricken sich gerade in Details.«<br />

2. Positive Folgen der Veränderung aufzeigen<br />

Argumente kommen bei Ihrem Verhandlungspartner besser an, wenn für<br />

ihn der eigene Nutzen nachvollziehbar ist. Das haben Sie bereits im Kapitel<br />

3, Abschnitt »Nutzenargumentation«, gelesen. Das gilt auch noch<br />

auf der Eskalationsstufe »Rot«. Genau wie in der Angebotsphase nimmt<br />

Ihr Verhandlungspartner diejenigen Argumente besser auf, die ihm in<br />

die Karten spielen. Ihre Interessen sind ihm im Zweifel gleichgültig. Daher<br />

ist es besser, nicht zu sagen: »Wenn wir das nicht machen, dann<br />

platzt die Verhandlung!«, sondern den positiven Nutzen der Verhaltens-<br />

141


änderung zu benennen. In unserem Beispiel ist das die Aussage: »Wenn<br />

wir uns heute darüber einigen können, wie die Rechnung erstellt werden<br />

muss, dann haben Sie nächste Woche das Geld auf Ihrem Konto.«<br />

Beachten Sie also in dieser Phase, dass Sie von der übergeordneten Ebene<br />

auf das Gespräch blicken, das hilft auch, die eigenen Emotionen zu<br />

kontrollieren. Entgleisen Gespräche auf diese aggressive Art und Weise,<br />

darf immer der Gesprächsstil selbst zum Thema gemacht werden. In der<br />

Folge nenne ich Ihnen noch einige Formulierungen, <strong>mit</strong> denen Sie Gespräche<br />

in dieser roten Phase wieder auf den Boden der Konstruktivität<br />

zurückbringen können.<br />

142<br />

Beispiele:<br />

• »Ich möchte kurz etwas Grundsätzliches ansprechen: Unterschiedliche<br />

Meinungen liegen in der Natur von Verhandlungen, ich persönlich<br />

wünsche mir aber einen fairen Umgang. Da<strong>mit</strong> wir schnell<br />

und für beide Seiten passend zum Ziel kommen, schlage ich vor,<br />

dass wir uns <strong>dem</strong> eigentlichen Thema zuwenden und eine gemeinsame<br />

Lösung finden, die uns beiden Vorteile verschafft.«<br />

• »Wenn ich auf unsere Verhandlung schaue, dann ist mir nicht ganz<br />

klar, warum sich der Tonfall verändert. Wir waren am Anfang sehr<br />

weit auseinander (unterstreichen Sie das körpersprachlich, in<strong>dem</strong><br />

Sie <strong>mit</strong> Ihren Händen einen weiten Abstand zeigen), nun sind wir<br />

uns im Gespräch beide entgegengekommen und haben viel erreicht.<br />

Da<strong>mit</strong> haben wir jetzt nur noch Details zu klären (zeigen Sie<br />

wieder <strong>mit</strong> den Händen, dass Sie sich entgegengekommen sind, in<strong>dem</strong><br />

der Abstand der Hände sich verringert). Den Rest der Strecke<br />

sollten wir im gemeinsamen Interesse, das Geschäft abzuwickeln,<br />

nun auch noch fair und freundlich hinbekommen.«<br />

• »Ich möchte gern mal kurz die Verhandlung an sich zur Seite stellen<br />

und <strong>mit</strong> Ihnen über unseren Umgang <strong>mit</strong>einander reden. Mein Eindruck<br />

ist, wir kommen gerade nicht weiter und verlieren uns in persönlichen<br />

Anschuldigungen. Da<strong>mit</strong> die bisherigen Verhandlungen<br />

nicht umsonst waren, stellen wir die Lösung doch wieder in den<br />

Fokus und klären die offenen Punkte rational.«<br />

Den Schweregrad Ihrer Alarmstufe »Rot« bestimmen Sie durch Ihre Körpersprache.<br />

Den Ärger darf man Ihrem Gesicht hier ruhig ansehen. In<br />

den Worten und <strong>mit</strong> Ihrer Stimmlage bleiben Sie weiterhin freundlich,<br />

doch durch Stirnrunzeln oder einen fixierenden Blick sollten Sie klar<br />

ausdrücken, dass es Ihnen jetzt zu viel wird. Sie können Ihre Aussage<br />

untermauern, in<strong>dem</strong> Sie den Kopf schütteln. Auch diese nonverbale<br />

Aussage zeigt klar, was Sie vom Verhalten Ihres Gegenübers halten.<br />

Oder Sie stehen auf und gehen zum Fenster. Da<strong>mit</strong> drehen Sie Ihrem<br />

Verhandlungspartner kurz den Rücken zu. Durch diese körperliche Geste<br />

unterstreichen Sie: »Mir ist es wirklich ernst, machen wir hier so weiter,<br />

dann verlasse ich den Verhandlungstisch endgültig.« Klare Kante zu<br />

zeigen, wenn es nötig ist: Auch das gehört zum <strong>MagnetPrinzip</strong>. Wie im<br />

Abschnitt »Deeskalieren« schon erwähnt, ist es auch eine gute Lösung,<br />

die weitere Verhandlung auf einen neuen Termin zu verlegen, da<strong>mit</strong> jede<br />

Partei wieder in einem neutralen emotionalen Zustand ist.<br />

Mit den oben beschriebenen Formulierungen und Gesten können<br />

Sie ein deutliches Zeichen setzen und unterstreichen, dass Sie weder<br />

emotionale Entgleisungen noch eine vergiftete Verhandlungsatmosphäre<br />

akzeptieren. Dass in den Sachthemen verschiedene Interessen aufeinandertreffen<br />

und in entscheidenden Punkten hart verhandelt wird, ist<br />

selbstverständlich und liegt in der Natur von Verhandlungen. Das erforderliche<br />

Handwerkszeug, da<strong>mit</strong> Sie nicht zu schnell nachgeben müssen,<br />

weil Sie Ihrem Gesprächspartner verbal nicht gewachsen sind, habe ich<br />

Ihnen in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt. Trotz<strong>dem</strong> kann<br />

irgendwann auch ein Verhandlungsabbruch nötig werden. Mehr dazu<br />

lesen Sie im nächsten Abschnitt.<br />

143


Abbruch der Verhandlungen<br />

144<br />

Woran können Verhandlungen scheitern? Werfen wir dazu einen kurzen<br />

Blick zurück zum Anfang. Man ist in Verhandlungen eingetreten, weil<br />

man ein gemeinsames Ziel im Blick hatte, das für beide Parteien einen<br />

Nutzen darstellte. Jede Seite versprach sich ein gutes Geschäft, eine<br />

Verbesserung ihrer Situation oder einen anderweitigen Vorteil durch<br />

den Einstieg in die Verhandlung. Doch erst wenn es in den Gesprächen<br />

in die Details, also ans sprichwörtliche Eingemachte, geht, lernen sich<br />

die Verhandlungspartner wirklich kennen und bekommen ein klares<br />

Gespür für die Bedürfnisse, Positionen und No-Gos der anderen Partei.<br />

Verhandlungen scheitern, weil die Positionen letztlich doch zu weit<br />

auseinanderliegen, die Unterziele nicht erreicht werden, oder sie scheitern<br />

wegen der Erfahrungen <strong>mit</strong> den handelnden Personen während der<br />

Auseinandersetzung über die strittigen Punkte, also an der menschlichen<br />

Komponente.<br />

Man kann also unterscheiden zwischen <strong>dem</strong> Abbruch aufgrund von<br />

materiellen Interessen oder immateriellen Bedürfnissen. Materielle<br />

Interessen sind die sachlichen Gründe, die objektiv durch Dritte nachvollzogen<br />

werden können. Dazu gehören Geldzahlungen, geldwerte<br />

Vorteile, Eigentum oder anderer materieller Nutzen. Immaterielle<br />

Bedürfnisse sind dagegen nicht objektiv nachvollziehbar, sie spielen<br />

aber auch im modernen Wirtschaftsleben oft genug eine Rolle, wenn<br />

ein Geschäft scheitert. Dazu gehören zum Beispiel die emotionale Einstellung<br />

<strong>dem</strong> Verhandlungspartner gegenüber – ist er mir sympathisch<br />

oder nicht? –, das Verhalten und die daraus resultierende Stimmung in<br />

den Gesprächen oder auch das eigene Ansehen und der eigene Stolz.<br />

Immaterielle Bedürfnisse sind immer dann relevant, wenn die Wege<br />

der Verhandlungspartner sich nach Vertragsabschluss nicht endgültig<br />

trennen.<br />

So kann es zum Beispiel sein, dass der Inhaber eines alteingesessenen<br />

Malerbetriebs, der tief in <strong>dem</strong> Ort verwurzelt ist, seinen Betrieb nur<br />

an jemanden verkaufen möchte, der als sein Nachfolger gut zu seinen<br />

Kunden passt. Stellt sich der potenzielle Nachfolger in den Verhandlungen<br />

als Choleriker heraus, dann wird sich der Handwerksmeister gut<br />

überlegen, ob dieser wirklich ein geeigneter Kandidat für die Weiterführung<br />

seines Lebenswerkes ist. Bestimmt möchte er vermeiden, dass<br />

seine Nachbarn ihn in Zukunft fragen, warum er seinen guten Betrieb an<br />

einen aufbrausenden und unsympathischen Zeitgenossen verkauft hat,<br />

den niemand gerne beauftragt. Und so wird er zwar sicher gutes Geld für<br />

sein Malergeschäft erzielen wollen, aber nicht um jeden Preis.<br />

Bei der Überlegung, ob Verhandlungen abgebrochen werden, ist es<br />

also auch wichtig, Überlegungen zur Bewertung der Zukunft einfließen<br />

zu lassen. Das ist nicht immer so einfach wie in <strong>dem</strong> obigen Beispiel,<br />

insbesondere wenn die Situation komplexer ist. Denn diese weichen<br />

Faktoren, wie Stolz, Anerkennung und Tradition, spielen neben den harten<br />

Fakten immer eine bedeutende Rolle. Selbst bei der Fusion zweier<br />

Großunternehmen sind viele solcher Fragen zu klären, unter anderen,<br />

welcher Standort der neue Hauptsitz und wer der neue Vorstandsvorsitzende<br />

des gemeinsamen Unternehmens wird. Einigt man sich bei<br />

diesen immateriellen Fragen nicht, kann das durchaus zum Scheitern<br />

der Fusion führen.<br />

Egal, ob Sie solche großen, vielschichtigen Verhandlungen führen<br />

oder es um eher kleinere Deals geht: Oft ist schon viel Zeit investiert<br />

worden, wenn die Einigung auf der Kippe steht. Daher sind einige Faktoren<br />

zu bedenken, wenn ein Verhandlungsabbruch im Raum steht. Die<br />

alternativen Zukunftsszenarien sind logisch zu bewerten. Mit einem<br />

neuen Verhandlungspartner von vorne anzufangen bedeutet, zeitlich<br />

und geldlich neu zu investieren. Diese Kosten gilt es zu berücksichtigen,<br />

bevor man eine Verhandlung abbricht. Wenn Sie einen neuen Geschäftspartner<br />

suchen müssen, ist es ebenfalls unklar, ob Sie wirklich etwas<br />

Besseres finden. Mit einem Abbruch der Verhandlungen zu drohen, soll-<br />

145


te daher gut überlegt sein. Und genau deshalb kommen wir erst auf der<br />

Eskalationsstufe »Rot« zu diesem Thema.<br />

Sind Sie sicher, dass das Fass bis zum Überlaufen voll ist, dann ist<br />

die Frage, wie Sie den Verhandlungsabbruch ansprechen können. Wenn<br />

Sie den Abbruch der Verhandlung <strong>mit</strong> anderen Bedingungen verknüpfen,<br />

in<strong>dem</strong> Sie etwas sagen wie: »Wenn Sie mir bei diesem Punkt nicht<br />

entgegenkommen, dann breche ich die Verhandlung ab!«, dann sollten<br />

Ihren Worten auch Taten folgen. Drohen Sie also nur <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Abbruch<br />

der Verhandlungen, wenn Sie sich über Ihre Alternativen im Klaren sind<br />

und wissen, wie Ihr nächster Schritt aussieht. Drohungen sind klare Angriffe.<br />

Die Gefahr, dass Sie die Emotionen im Gespräch da<strong>mit</strong> weiter in<br />

die Höhe treiben und die Situation sich nicht verbessert, sondern verschlimmert,<br />

ist groß.<br />

Es kann eine gute Zwischenlösung sein, die Verhandlung »für heute«<br />

abzubrechen und dadurch <strong>dem</strong> Gesprächspartner zu signalisieren, dass<br />

er zu weit gegangen ist und Sie den Verhandlungstisch auf jeden Fall für<br />

diesen Tag und möglicherweise auch ganz verlassen. Bei dieser Lösung<br />

können Sie zusätzlich noch wählen, ob Sie sie freundlicher oder prägnanter<br />

gestalten. In der ersten Variante vereinbaren Sie noch während des<br />

Abbruchs einen neuen Verhandlungstermin. Wenn Ihnen das zu weich erscheint,<br />

dann lassen Sie offen, wann Sie wieder für ein Gespräch zur Verfügung<br />

stehen. Wenn Sie die Fäden trotz<strong>dem</strong> weiter in den Händen halten<br />

wollen, dann verabschieden Sie sich <strong>mit</strong> den Worten: »Ich rufe Sie an.«<br />

Dadurch können Sie den Zeitraum bestimmen und entscheiden, wie lange<br />

Sie Ihren Gesprächspartner auf heißen Kohlen sitzen lassen wollen.<br />

Den Zeitraum bestimmen Sie – je länger er dauert, desto mehr Zeit hat Ihr<br />

Gegenüber, sich Gedanken zu machen. Eine weitere Möglichkeit ist die<br />

Aussage: »Sie können ja dann anrufen, wenn Sie Ihre Meinung ändern.«<br />

Da<strong>mit</strong> sind dann allerdings Sie derjenige, der auf den Anruf warten muss.<br />

Gleichwohl hat der Satz eine starke Wirkung.<br />

Welche dieser Varianten jeweils die beste ist, hängt vom Einzelfall<br />

ab. Wichtig ist, dass Sie diese Entscheidung bewusst treffen und Ihnen<br />

die Auswirkungen klar sind.<br />

Fazit zur eigentlichen Verhandlung<br />

Nun haben Sie verschiedene Möglichkeiten kennengelernt, wie Sie in<br />

allen Phasen einer Verhandlung Gespräche wieder zurück auf eine sachorientierten<br />

Ebene bringen können: von freundlichen oder kritischen<br />

Nachfragen über leichte Angriffe und unfaire Taktiken Ihrer Gesprächspartner<br />

bis zu emotionalen Gesprächen <strong>mit</strong> schweren Konflikten, bei<br />

denen eine Lösung fast aussichtslos erscheint. Die Krux bei Verhandlungen<br />

ist: Es gibt so viele Variablen, dass man sich jedes Mal neu auf die<br />

Situation einstellen muss. Dabei wird es Menschen geben, <strong>mit</strong> denen es<br />

Ihnen leichterfällt, im entspannten Verhandlungsfahrwasser zu bleiben.<br />

Ob man sich gegenseitig sympathisch ist und gut <strong>mit</strong>einander umgehen<br />

kann, ist nicht zuletzt eine Frage des Charakters der Personen, die am<br />

Verhandlungstisch sitzen. Die Persönlichkeit Ihres Gegenübers macht<br />

einen entscheidenden Teil davon aus, ob Sie sprachlich gut andocken<br />

können und positive Emotionen auslösen oder nicht. Denn – bildlich gesprochen<br />

–: Nicht alle Menschen funken auf der gleichen Wellenlänge.<br />

Da<strong>mit</strong> sich Ihre magnetische Wirkung entfalten kann, selbst wenn Sie<br />

sich nicht auf Anhieb <strong>mit</strong> Ihrem Gegenüber verstehen, benötigen Sie<br />

Wissen über die verschiedenen Persönlichkeiten, auf die man treffen<br />

kann, und ihre jeweiligen Beweggründe. Mehr dazu finden Sie in diesem<br />

Buch im 6. Kapitel: »Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen Menschentypen«.<br />

Doch zunächst wollen wir den roten Faden im Gespräch weiterspinnen<br />

und uns der Abschlussphase widmen.<br />

146<br />

147


5 Abschlussphase<br />

148<br />

Ist der Zeitpunkt gekommen, an <strong>dem</strong> über alle Fragen Einigkeit erzielt<br />

worden ist, geht die Verhandlung in die Abschlussphase. Dabei ist es<br />

am wichtigsten, zu bemerken, wann die Zeit reif ist, die Unterschrift einzuholen.<br />

Werden die Signale übersehen, dass der Verhandlungspartner bereits<br />

überzeugt ist, führt das oft dazu, dass noch einmal Rückschritte in<br />

die Angebotsphase gemacht werden.<br />

Wie können Sie nun erkennen, ob Ihr Gegenüber bereits einverstanden<br />

ist? Achten Sie auf körpersprachliche Signale wie das Nicken<br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kopf. Nicken signalisiert Zustimmung. Auch verbale Signale<br />

wie »Ja, das hört sich gut an« sollten Sie nicht überhören. Manchmal<br />

stellt Ihr Gegenüber vielleicht schon weiterführende Fragen, in<strong>dem</strong> er<br />

zum Beispiel nach der weiteren Abwicklung des Geschäfts fragt. Also<br />

Fragen, die nicht mehr <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kauf an sich zu tun haben, sondern<br />

<strong>mit</strong> den Schritten, die danach passieren. Auch dann können Sie davon<br />

ausgehen, dass Sie sich im Grunde einig sind. Ich selbst bin ein ziemlich<br />

schneller Entscheider. Und mir passiert es häufig, dass Verkäufer<br />

meine Entscheidungsfreude nicht erkennen. Manche neigen zur Nachargumentation,<br />

also dazu, Argumente zu wiederholen oder bislang nicht<br />

gebrachte Argumente noch einzustreuen. Das ist genauso unangenehm,<br />

als würde die Abschlussfrage zu früh gestellt. Vielleicht denken diese<br />

Verkäufer, sie müssten wirklich alle Argumente auf den Tisch legen,<br />

oder sie wollen ihr Wissen <strong>dem</strong>onstrieren. Das kann jedoch gefährlich<br />

für den Abschluss sein, da weitere Argumente zusätzliche Fragen aufwerfen<br />

können. Wenn der Punkt der Einigkeit naht, muss man als professioneller<br />

Verhandler das eigene Argumentationsprogramm stoppen<br />

und das Gespräch souverän zu Ende bringen.<br />

Nun gilt es, Ruhe zu bewahren, verbindlich zu bleiben und den eigenen<br />

Gesprächsanteil wieder zu reduzieren. Zu viel Gerede in dieser Phase<br />

löst Skepsis aus. Sprechen Sie langsam und ruhig. Geben Sie Zeit<br />

zum Nachdenken. Dadurch strahlen Sie Sicherheit aus. Achten Sie nun<br />

besonders darauf, keine negativen Bilder mehr zu verwenden, da<strong>mit</strong><br />

keine ablehnenden Gefühle entstehen. Positive Bilder und die passende<br />

Abschlusstechnik helfen Ihnen, Ihre Kunden restlos zu überzeugen.<br />

Wie Sie den Kunden in der Abschlussphase<br />

professionell unterstützen<br />

Unter Abschlusstechniken versteht man die verschiedenen Möglichkeiten,<br />

das Geschäft endgültig abzuschließen und die Unterschrift unter<br />

den Vertrag zu bekommen. Wenn man noch nicht 100-prozentig sicher<br />

ist, dann lässt sich durch Kontrollfragen feststellen, wie weit die Kaufentscheidung<br />

des potenziellen Kunden gediehen ist. Mit den folgenden<br />

Strategien können Sie sich an den Abschluss herantasten.<br />

Eine galante Variante, etwas über den Entscheidungsstand des Gegenübers<br />

zu erfahren, besteht darin, nach weiteren offenen Punkten zu fragen.<br />

Das kann zum Beispiel <strong>mit</strong> der Frage geschehen: »Gibt es sonst noch<br />

etwas, das Sie wissen möchten?« Machen Sie danach eine Pause und warten<br />

Sie <strong>mit</strong> freundlichem Blickkontakt auf eine Antwort. Wenn es keine offenen<br />

Punkte mehr gibt, dann können Sie den Abschluss einleiten.<br />

Eine weitere Möglichkeit ist, alternative Fragen zu stellen, die den<br />

Abschluss eingrenzen: »Wollen Sie die Wohnung renoviert übernehmen<br />

oder sollen wir das für Sie machen?«, »Möchten Sie nun 300 Euro oder<br />

doch 400 Euro für Ihre Altersvorsorge sparen?« oder »Möchten Sie den<br />

Wagen <strong>mit</strong> Schaltgetriebe oder als Automatikwagen?«. Diese Fragen fol-<br />

149


gen <strong>dem</strong> Muster: Wollen Sie A oder B? Welche Alternative gefällt Ihnen<br />

besser? In dieser Phase sollten die Fragen auf Alternativen abzielen,<br />

die bei Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung erst zum Ende hin geklärt<br />

werden. Wenn auf diese Art und Weise die Kaufentscheidung eingegrenzt<br />

wurde, können Sie wieder zu der Strukturfrage »Gibt es noch<br />

etwas, das Sie wissen möchten?« übergehen.<br />

Bei der So-tun-als-ob-Technik bedienen Sie sich eines Tricks. Sie<br />

kommunizieren so, als wäre der Abschluss bereits erfolgt: »Zu welchem<br />

Zeitpunkt wollen Sie einziehen?«, »Ab welchem Zeitpunkt wollen Sie<br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Sparplan beginnen?«, »Wer soll Begünstigter der Versicherung<br />

sein?«. Diese Fragen klären Themen, die nur dann wichtig werden, wenn<br />

das Geschäft tatsächlich abgeschlossen wird.<br />

Diese Fragen sind enorm wichtig, um sich an den Abschluss heranzutasten.<br />

Ich erlebe immer wieder Berater, die den richtigen Zeitpunkt<br />

dafür verpassen. Wenn ich sie danach frage, warum sie <strong>dem</strong> Kunden keine<br />

Abschlussfrage gestellt haben, dann höre ich oft als Antwort: »Wenn<br />

er das gewollt hätte, dann hätte er es doch gesagt.« Das ist keine gute<br />

Ausrede! Egal, ob Sie verkaufen, beraten oder eine Dienstleistung erbringen:<br />

Stellen Sie zum Ende hin immer eine solche Abschlussfrage.<br />

Es ist nicht die Aufgabe des Kunden, dies zu tun, es ist die Aufgabe des<br />

Anbieters. Selbst wenn Sie ein Nein als Antwort bekommen, der Kunde<br />

also nicht kauft, wissen Sie zumindest, wo Sie stehen.<br />

Um endgültig abzuschließen, haben Sie folgende Möglichkeiten:<br />

• Die klarste und einfachste Abschlusstechnik ist die geschlossene<br />

Frage: »Machen wir das so?« Die Frage ist ganz präzise so<br />

gestellt, dass Sie ein Ja oder Nein als Antwort erhalten und dadurch<br />

genau Bescheid wissen.<br />

• Abschluss durch körpersprachliches Handeln: Auch wenn später<br />

Verträge unterschrieben werden, die sich über viele Seiten erstrecken,<br />

ist oft auch heute noch der Handschlag das Mittel der<br />

150<br />

Wahl, um Verträge (zumindest symbolisch) zu besiegeln. Eine<br />

weitere Variante ist, den Kugelschreiber anzureichen. Auch das<br />

versteht jeder Mensch. Wenn Sie Ihrem Kunden einen Vertrag<br />

vorlegen und einen Kugelschreiber dazulegen, dann ist klar:<br />

Jetzt ist die Unterschrift fällig.<br />

Tipp:<br />

Oft haben Sie es <strong>mit</strong> mehreren Entscheidern zu tun. Wenn Sie <strong>mit</strong> Privatpersonen<br />

verhandeln, entscheidet vielleicht auf der anderen Seite<br />

ein Ehepaar gemeinsam über den Abschluss eines Vertrags. Im Business-Kontext<br />

sprechen Sie zum Beispiel <strong>mit</strong> zwei Firmengründern oder<br />

Vertretern zweier gleichrangiger Abteilungen. Tritt der Verhandlungspartner<br />

<strong>mit</strong> mehreren Personen auf, kann es sinnvoll sein, sie kurz alleine<br />

zu lassen. Vielleicht möchte die andere Partei manche Gedanken<br />

oder Gefühle nicht äußern oder vor Ihnen die sofortige Verantwortung<br />

für die Entscheidung nicht übernehmen. Dann kann es schnell dazu<br />

kommen, dass die Kaufentscheidung <strong>mit</strong> einem »Wir müssen da noch<br />

mal drüber schlafen« oder »Wir melden uns morgen dazu« vertagt<br />

wird. Oft ist da<strong>mit</strong> gemeint: »Wir müssen uns untereinander kurz beraten,<br />

und dabei stören Sie uns gerade.« Lassen Sie Ihren Gesprächspartnern<br />

die Zeit, ihre Gedanken ungestört auszutauschen, und bieten<br />

Sie ihnen an, sie zur Entscheidungsfindung ein paar Minuten alleine<br />

zu lassen.<br />

Professioneller Gesprächsausstieg<br />

Egal, ob die Verhandlung über mehrere Runden ging und es hitzige Diskussionen<br />

gab oder ob es ein eher einfaches Gespräch war: In dieser<br />

151


Phase steht die Nachhaltigkeit der Kundenbeziehung noch einmal im<br />

Mittelpunkt. Wer auf den letzten Metern nicht mehr durchhält, macht<br />

seine mühsam aufgebauten Beziehungen zunichte und verdirbt sich<br />

zukünftige Chancen. Gerade im Hinblick auf die zuvor investierte Mühe<br />

ist es ärgerlich, einen schlechten letzten Eindruck zu hinterlassen. Ein<br />

guter Berater wird stets Wert darauf legen, seinem Verhandlungspartner<br />

am Ende eines Gesprächs das gute Gefühl <strong>mit</strong>zugeben, sich richtig<br />

entschieden zu haben. Das ist die beste Basis für weitere geschäftliche<br />

Interaktionen. Ebenso wie am Anfang des Gesprächs der Rahmen abgesteckt<br />

wird, kann auch das Ende professionell gestaltet werden. Jetzt<br />

ist der Zeitpunkt, um die wichtigsten Informationen kurz zusammenzufassen,<br />

schriftliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, verbindlich aus<br />

<strong>dem</strong> Gespräch auszusteigen und dafür zu sorgen, dass keine Kaufreue<br />

entsteht.<br />

Der letzte Eindruck bleibt<br />

Der Gegenpol zum ersten Eindruck ist der letzte Eindruck, also die Worte<br />

oder Bilder, die Ihr Kunde aus <strong>dem</strong> Gespräch <strong>mit</strong> Ihnen <strong>mit</strong>nimmt.<br />

Dieser letzte Eindruck wird auch Rezenzeffekt genannt, denn in einer<br />

Reihe von Informationen hinterlässt die zuletzt genannte einen stärkeren<br />

Eindruck auf eine Person als die vorangegangenen. Der Grund dafür<br />

liegt darin, dass das Kurzzeitgedächtnis diese Information leichter<br />

abrufen kann. Selbst bei <strong>dem</strong> Kauf von Konsumgütern dauert ein Gespräch<br />

bis zum Zeitpunkt des Abschlusses manchmal 20 Minuten oder<br />

länger. Größere Verhandlungen erstrecken sich über Stunden, oder es<br />

gibt viele kleinere Verhandlungsrunden, die sich sogar über Monate erstrecken<br />

können. Viele Informationen sind ausgetauscht und <strong>mit</strong> Argumenten<br />

untermauert worden, es ging hin und her, möglicherweise war<br />

die Situation zwischendurch auch angespannt. Gehen Sie jetzt nicht<br />

152<br />

davon aus, dass Ihr Gegenüber alles, was Sie gesagt haben, behalten<br />

konnte. Die Faustregel besagt: Wir behalten von <strong>dem</strong>, was wir sehen<br />

und gleichzeitig hören, 50 Prozent. Wenn Sie ein Gespräch <strong>mit</strong> sehr vielen<br />

fachlichen Informationen geführt haben, dann gehen Sie lieber auf<br />

Nummer sicher und rechnen Sie da<strong>mit</strong>, dass eher weniger Informationen<br />

behalten werden.<br />

Geben Sie daher immer etwas <strong>mit</strong>, wodurch sich der Kunde gut an<br />

Sie und Ihr Produkt erinnern kann. Das gilt natürlich nicht nur dann,<br />

wenn Sie in der Verhandlung Einigkeit erzielt haben, sondern insbesondere<br />

auch, wenn der eigentliche Termin zur Finalisierung noch aussteht.<br />

Wenn Sie eine Broschüre über Ihr Produkt haben, händigen Sie diese<br />

<strong>dem</strong> Kunden aus oder versenden Sie sie per E-Mail. Sparsamkeit schadet<br />

an dieser Stelle nur. Hochglanzprospekte sind eine tolle Werbung<br />

für Sie. In Zeiten, in denen wir <strong>mit</strong> perfekten Fotos überfrachtet werden,<br />

ist allerdings auch das Authentische nicht zu vernachlässigen. Wenn Sie<br />

eine Ware anbieten, die man anfassen kann – egal, ob Sie Antiquitäten<br />

verkaufen oder maßgefertigte Brautmoden –, bieten Sie Ihren Kunden<br />

an, eigene Fotos von Ihrem Angebot zu machen. Auch wenn Sie zum Beispiel<br />

eine Immobilie verkaufen, ist das sehr sinnvoll. Bei einem selbst<br />

geschossenen Foto weiß der Kunde, wo er zu <strong>dem</strong> Zeitpunkt gestanden<br />

hat (und dass nicht ein besonders vorteilhafter Bildausschnitt gewählt<br />

wurde). Ein Smartphone <strong>mit</strong> Kamerafunktion hat heute jeder und vor<br />

allem ständig dabei. Dadurch sind die Fotos nicht nur schnell gemacht,<br />

sondern auch immer zur Hand und werden daher in den Folgetagen viel<br />

eher herumgezeigt als eine Broschüre.<br />

Tipp:<br />

Beenden Sie Verhandlungen immer verbindlich. Viele Verhandlungen<br />

sind so umfangreich, dass man nicht sofort beim ersten Termin zu einem<br />

Ergebnis kommt, sondern ein mehrstufiger Verhandlungsprozess<br />

153


notwendig ist. Dann gilt es, bei je<strong>dem</strong> Termin einen guten Abschluss<br />

für den gerade bewältigten Abschnitt zu gestalten. Jeder Teil einer so<br />

umfangreichen Verhandlung ist zu betrachten wie ein einzelnes Beratungs-<br />

oder Verkaufsgespräch. Am Ende ist festzulegen, wer nun<br />

welche Aufgaben übernimmt und wann und wo das nächste Treffen ansteht.<br />

Deswegen gehört in den Gesprächsausstieg die Vereinbarung der<br />

nächsten Schritte und der nächsten Termine. Wenn Sie weiter in der<br />

Verhandlung bleiben wollen, sollten Sie niemals ohne einen konkreten<br />

Folgetermin den Raum verlassen. Auch dann nicht, wenn der Gesprächspartner<br />

so etwas sagt wie: »Ich melde mich bei Ihnen.« Warum?<br />

Wenn Sie jetzt nicht einschreiten, dann ist die Tür zu.<br />

Mit welchem Grund wollen Sie Ihren Verhandlungspartner nun anrufen?<br />

Es ist wichtig, dass Sie sich einen Grund schaffen, selbst zum<br />

Telefon zu greifen, ansonsten sind Sie derjenige, der wartet, wartet<br />

und wer weiß wie lange wartet.<br />

Wenn Sie keinen Termin ausmachen und dann nach einer Woche anrufen,<br />

um einmal nachzufragen, wie es um die Entscheidung bestellt<br />

ist: Wie wirkt das dann? Es wirkt bedürftig. Und das schwächt Ihre<br />

Position. Wenn Sie einen festen Termin ausmachen und dann auch zu<br />

diesem Termin anrufen: Wie wirken Sie dann? Verbindlich. Genau das<br />

ist das Ziel. Denn wenn Sie verbindlich wirken, bauen Sie weiteres Vertrauen<br />

auf.<br />

Folgetermine sollten Sie immer an einem konkreten Tag ausmachen,<br />

also nicht: »Wir hören uns dazu telefonisch in fünf Tagen.« Denn<br />

keiner weiß, wann die fünf Tage um sind. Der eine rechnet das Wochenende<br />

<strong>mit</strong> ein, der andere nicht. Besser ist es daher, einen ganz konkreten<br />

Termin vorzuschlagen: »Ich rufe Sie am nächsten Dienstag an.«<br />

Im Vertrieb ist dabei immer der Servicegedanke »Don’t call us, we call<br />

you!« die Maxime.<br />

154<br />

Kaufreue vorbeugen<br />

Nichts ist schlimmer, als dass der Kunde etwas kauft und Ihnen am Folgetag<br />

die Ware zurückbringt. Wenn Sie bedarfsorientiert agieren, kann<br />

Ihnen das eigentlich nicht passieren. Es gibt allerdings auch eine sprachliche<br />

Möglichkeit, zum Gesprächsausstieg das Angebot noch einmal zu<br />

bekräftigen. Vielleicht kennen Sie eine ähnliche Szene aus einem Modekaufhaus.<br />

Nehmen wir an, Sie haben sich einen neuen Business-Anzug<br />

gekauft und der Verkäuferin auch davon berichtet, dass Sie sich diesen<br />

neuen Anzug gönnen, da Sie in Kürze eine Präsentation vor <strong>dem</strong> Vorstand<br />

Ihrer Firma halten werden. Oft werden Sie in solchen Situationen<br />

<strong>mit</strong> Worten verabschiedet, die sich ungefähr so anhören: »Da<strong>mit</strong> haben<br />

Sie wirklich einen qualitativ hochwertigen Anzug erworben. Bestimmt<br />

werden Sie bei Ihrem Vortrag darin eine gute Figur machen.« Das ist<br />

eine clevere Vorgehensweise, um eventuell aufkommenden Zweifeln<br />

vorzubeugen. Die Situation in der Zukunft wird <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> eigenen Produkt<br />

positiv verknüpft und die Auswahl des Produkts da<strong>mit</strong> noch einmal<br />

charmant bestätigt.<br />

Schließlich geht es im professionellen Gesprächsausstieg darum,<br />

abschließend einen guten letzten Eindruck zu machen. Ein Lächeln oder<br />

ein kleiner Small Talk am Ende des Gesprächs zeigt, dass Sie auch nach<br />

<strong>dem</strong> Abschluss des Geschäfts an der Person interessiert sind. Das gibt<br />

Ihrem Gegenüber ein gutes Gefühl.<br />

Fazit zu den Verhandlungsphasen<br />

Nun haben wir uns die Verhandlung in ihrer zeitlichen Abfolge angesehen.<br />

Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, wie wichtig eine intensive<br />

Vorbereitung ist und wie ein erster Eindruck bewusst und nachhaltig<br />

gesteuert werden kann. Die Beleuchtung der Hintergründe des<br />

155


menschlichen Denkens und Handelns hat uns dazu geführt, Zusammenhänge<br />

in Verhandlungen noch besser zu begreifen. Anhand des roten<br />

Fadens wurde klar, wie die verschiedenen Phasen unterteilt und auch<br />

gelenkt werden, wie das eigene Angebot aufgebaut werden kann und<br />

welch ein wichtiger Grundpfeiler eine gute und durchdachte Fragetechnik<br />

für jeden Verhandler ist.<br />

Auch die Möglichkeiten, souverän <strong>mit</strong> verschiedenen Arten der Eskalation<br />

umzugehen, sind beleuchtet worden – egal, ob es sich dabei<br />

um eine freundliche Einwandbehandlung oder um starke und spontane<br />

Schlagfertigkeit handelt. Gerade die Techniken der Deeskalation, bevor<br />

man die Verhandlung abbricht, fehlen bei vielen Menschen im Verhandlungsrepertoire.<br />

Ich wünsche Ihnen schon an dieser Stelle viel Spaß dabei, die beschriebenen<br />

Methoden auszuprobieren und zu erleben, wie sich Ihre<br />

Verhandlungen in Zukunft verändern werden.<br />

Zwischendurch konnten Sie immer wieder lesen, wie wichtig die<br />

handelnden Personen und ihre Sympathie zueinander sind. Doch warum<br />

ist man sich eigentlich sympathisch? Warum hat man zu manchen<br />

Menschen sofort einen guten Kontakt, spricht die gleiche Sprache und<br />

versteht sich von alleine gut? Und warum gelingt es bei anderen wiederum<br />

gar nicht, einen gemeinsamen Nenner zu finden? Man hat das<br />

Gefühl, aneinander vorbeizureden oder gar nicht zu verstehen, was der<br />

Gesprächspartner genau meint. Warum empfindet jeder von uns bestimmte<br />

andere Menschen als schwierig?<br />

Im nächsten Kapitel wollen wir uns ein Modell zu den Persönlichkeitstypen<br />

ansehen und da<strong>mit</strong> eine weitere Dimension von Verhandlungen<br />

beleuchten, um diese Fragen zu beantworten.<br />

156<br />

6 Umgang <strong>mit</strong> verschiedenen<br />

Menschentypen<br />

157<br />

»Wer Menschen führen möchte,<br />

muss sich selbst führen können.<br />

Wer sich selbst führen möchte,<br />

muss sich selbst kennen.«<br />

Eine weitere Schicht bei der Analyse und Steuerung von Verhandlungen<br />

ist, sein eigenes Verhalten in Gesprächen zu erkennen und den Verhandlungspartner<br />

gut und schnell zu verstehen. Darauf aufbauend können<br />

Sie Ihre Handlungen und Argumente auf die Persönlichkeit des Gegenübers<br />

zuschneiden. Im Bild des <strong>MagnetPrinzip</strong>s können Sie durch Ihr<br />

Verhalten ein Feld erzeugen, in <strong>dem</strong> sich Ihr Gesprächspartner verstanden<br />

fühlt, in<strong>dem</strong> Sie beim Aufbau Ihrer Darlegungen die Argumente auswählen,<br />

die auf die Persönlichkeit Ihres Gegenübers zugeschnitten sind.<br />

So steigern Sie Ihre magnetische Anziehungskraft auf Ihre Kunden oder<br />

Geschäftspartner.<br />

Da die menschliche Persönlichkeit über viele verschiedene Verhaltensmerkmale<br />

verfügt, ist es nicht einfach, Menschen in Kategorien einzuteilen.<br />

Jeder Mensch ist in seiner Individualität unterschiedlich, wie<br />

Gesichter von Menschen verschieden sind. Trotz<strong>dem</strong> hat die Psychologie<br />

im Laufe des letzten Jahrhunderts verschiedene Typologien und Modelle<br />

zur Beschreibung von Unterschieden zwischen Menschen entwickelt.<br />

Aus diesen Vereinfachungen kann man Tipps ableiten, wie man <strong>mit</strong> Menschen<br />

in eine gute Kommunikationsbeziehung kommt und erfolgreich<br />

verhandelt. Die Verhaltensforschung ist außer<strong>dem</strong> der Ansicht, dass<br />

die effektivsten Menschen diejenigen sind, die sich selbst gut kennen.<br />

Diese Einschätzung wird verständlich, wenn man bedenkt, dass nur der<br />

seine Stärken gezielt einsetzen und Schwächen durch geeignete Strate-


gien kompensieren kann, der weiß, wo die eigenen Charaktermerkmale<br />

zu finden sind. Eine Typologie hilft dabei, sowohl sich selbst zu reflektieren<br />

als auch andere Menschen schneller einzuschätzen. Sie erhalten<br />

da<strong>mit</strong> eine Struktur, <strong>mit</strong> der Sie erkennen können, welche Art der Verständigung<br />

Menschen bevorzugen und welche Kommunikation Stress<br />

auslöst. Da<strong>mit</strong> können Sie Ihre Argumente typgerecht anpassen.<br />

In diesem Kapitel möchte ich <strong>mit</strong> Ihnen bewusst in Schubladen denken.<br />

Manchmal wird Ihnen die Beschreibung des Verhaltens von Menschen<br />

vielleicht überzeichnet vorkommen. Das ist Absicht, da es die Erklärung<br />

des Modells erleichtert. Vorab sei gesagt, dass Sie im wahren<br />

Leben immer auf Menschen treffen werden, die verschiedene Charakterzüge<br />

in sich vereinen. Oft werden Sie daher nicht auf Stereotype treffen,<br />

sondern bei Menschen je nach Situation zwei oder auch mehr dominante<br />

Verhaltensstrategien erkennen. Des Weiteren lernen Menschen im<br />

Laufe ihres Lebens auch Strategien, um ihre Schwächen auszugleichen.<br />

Anhand von zwei Fragen lassen sich zwei wichtige Ausprägungen<br />

menschlichen Verhaltens sichtbar machen. Die erste Unterscheidung<br />

besteht darin, ob sich ein Mensch in Situationen eher extrovertiert oder<br />

eher introvertiert verhält.<br />

Extrovertiert oder introvertiert?<br />

158<br />

Beispiel:<br />

In München begleitete ich einmal einen Vertriebs<strong>mit</strong>arbeiter, Herrn Geduldig,<br />

<strong>mit</strong> einem Coaching. Sein Team umfasste vier Menschen, und an<br />

diesem Tag war der erste Arbeitstag eines neuen Kollegen, Herrn Lustig,<br />

der allen im Team noch unbekannt war. Nach<strong>dem</strong> der Herr Lustig von der<br />

Führungskraft <strong>mit</strong> den Räumlichkeiten vertraut gemacht worden war,<br />

fing er an, seine neuen Kollegen zu begrüßen. Dazu kam er auch bei <strong>dem</strong><br />

Vertriebs<strong>mit</strong>arbeiter vorbei, den ich an diesem Tag begleitete. Seine Vorstellung<br />

hörte sich ungefähr so an: »Hallo, ich bin der Jan! Ich freue mich,<br />

hier in München zu sein.« Dabei drückte er meinem Coachee nicht nur die<br />

Hand, sondern schlug ihm auch auf die Schulter. Sein Tonfall war laut, er<br />

sprach sehr schnell. Und weiter sagte er: »Ich bin ja Fußballfan von Stuttgart,<br />

denn für die bin ich schon seit meiner Kindheit, vier Jahre alt war ich,<br />

als mein Vater mich zum ersten Mal <strong>mit</strong> ins Stadion genommen hat. Die<br />

gewinnen nicht immer, ist aber Heimat! Wo kommst du denn her? Und bist<br />

du Bayern-München-Fan wie so viele hier?«<br />

Mein Coachee, Herr Geduldig, sagte hinterher zu mir: »Oh mein Gott,<br />

was ist denn das für einer? So ein Überfallkommando. Und erzählt hat er<br />

wie ein Wasserfall. Was soll ich <strong>mit</strong> den ganzen Informationen, warum<br />

erzählt der so viel? Der ist ja noch nicht mal richtig da und schüttet mir<br />

sein Herz aus – das will ich nicht. Und auf eine Umarmung von fremden<br />

Personen kann ich nun wirklich verzichten. Ich muss einen Menschen<br />

doch erst mal in Ruhe kennenlernen, bevor ich ihm so nahe kommen<br />

kann. Na, da bin ich gespannt, was das <strong>mit</strong> der Zusammenarbeit wird.«<br />

Ungefähr ein Jahr später treffe ich Herrn Lustig, den neuen Mitarbeiter<br />

von damals, wieder. Ich spreche ihn auf seinen ersten Tag im neuen Büro<br />

an und frage ihn, wie er damals das erste Zusammentreffen empfunden<br />

habe. Er sagt dazu: »Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern. Und<br />

auch daran, dass Sie dabei waren. Sie standen damals bei Herrn Geduldig,<br />

als ich ihn begrüßt habe. Ich war so freundlich, ich habe versucht,<br />

<strong>mit</strong> ihm Small Talk zu machen, und auch etwas von mir preisgegeben.<br />

Ich wollte, dass er mich und meine Offenheit sofort zu schätzen weiß<br />

und gut einschätzen kann, woran er bei mir ist. Daher wollte ich möglichst<br />

schnell eine gute Beziehung zu ihm aufbauen. Und da erzähl ich<br />

so viel von mir, und er guckt ganz uninteressiert. Er hat mich nichts gefragt<br />

und auch keine Reaktion darauf gezeigt. Ich kam mir dadurch eher<br />

unerwünscht vor. Ich fand seine Haltung sehr ablehnend. Es hat eine<br />

Zeit gebraucht, bis wir gelernt haben, uns gegenseitig zu schätzen –<br />

aber Freunde sind wir nicht geworden. Schade eigentlich.«<br />

159


Menschen sind unterschiedlich. Wie das Beispiel deutlich zeigt, gehen<br />

sie <strong>mit</strong> den gleichen Gegebenheiten nicht nur anders um, sondern bewerten<br />

sie auch immer nach ihren eigenen Maßstäben. So kann die eigentlich<br />

positive Absicht – »Ich möchte, dass mich Herr Geduldig sofort<br />

zu schätzen weiß« – trotz der gut gemeinten Intention negativ ankommen.<br />

Um Menschen einzuschätzen, lautet daher die erste wichtige Frage:<br />

Wie gehen Menschen <strong>mit</strong> Situationen um? Die Herangehensweise an Situationen<br />

kann nach zwei Ausprägungen unterschieden werden: <strong>dem</strong><br />

introvertierten und <strong>dem</strong> extrovertierten Stil. Die Einführung des Begriffspaars<br />

extrovertiert und introvertiert in die Persönlichkeitspsychologie<br />

geht auf Carl Gustav Jung zurück. In seiner in den Zwanzigerjahren des<br />

letzten Jahrhunderts erschienenen Typologie stellen diese Persönlichkeitsmerkmale<br />

ein zentrales Unterscheidungskriterium dar. Zahlreiche<br />

Persönlichkeitsmodelle, unter anderen MBTI, DISC® oder Insights®,<br />

berücksichtigen diese Unterscheidung ebenfalls. Bestimmt haben auch<br />

Sie die Begriffe schon einmal gehört, und Ihnen fallen Personen ein, die<br />

Sie <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> einen oder anderen Wesensmerkmal verbinden. Lassen Sie<br />

uns das genauer anschauen. Welche Eigenschaften haben extrovertierte<br />

und introvertierte Menschen?<br />

Extrovertierte Menschen fallen in erster Linie durch ihre Kontaktfreudigkeit<br />

auf. Sie sind im Umgang <strong>mit</strong> anderen Menschen sehr offen<br />

und können Gespräche, auch <strong>mit</strong> ihnen unbekannten Menschen, problemlos<br />

führen. Sie reden viel und gerne. Sie geben Gesprächen <strong>mit</strong> einer<br />

mühelosen Art Geschwindigkeit und Lebendigkeit. Sie wirken dabei<br />

begeistert und ausdrucksstark. In ihrem Handeln sind sie sehr flexibel<br />

und haben Spaß an unerwarteten Situationen. Sie sind gute Troubleshooter,<br />

da sie <strong>mit</strong> ihren Gedanken schnell von einem zum anderen Thema<br />

springen können. Sie mögen, ja sie brauchen sogar die Abwechslung.<br />

Sie sind gute Selbstdarsteller, können ihre eigenen Anliegen gut<br />

vertreten. Wegen ihrer Redegewandtheit kann man sie nicht übersehen,<br />

160<br />

sie treten kraftvoll und souverän auf. Sie sind in der Lage, neue Zusammenhänge<br />

schnell zu begreifen, sie spontan in bekannte Zusammenhänge<br />

einzubringen und neue Lösungen daraus zu entwickeln. Sie ziehen<br />

ihre Energie aus <strong>dem</strong> Zusammensein <strong>mit</strong> anderen Menschen und<br />

aus der Abwechslung. Sie haben einen Drang danach, die Aufmerksamkeit<br />

anderer Menschen auf sich zu ziehen. Sie sind risikobereit, zögern<br />

wenig, was auch die Gefahr der Fehleinschätzung <strong>mit</strong> sich bringt. Durch<br />

ihre Schnelligkeit können sie gegenüber den introvertierten Gesprächspartnern<br />

oberflächlich wirken.<br />

Extrovertierte Menschen:<br />

• sind kontaktfreudig,<br />

• bringen sich in Unterhaltungen als Gesprächsführer ein,<br />

• äußern breitwillig und gerne ihre Meinung,<br />

• gewinnen ihre Energie aus Vielseitigkeit und Gesprächen <strong>mit</strong><br />

anderen Menschen,<br />

• neigen dazu, bestehende Regeln und Strategien zu brechen,<br />

• sind spontan,<br />

• gehen risikofreudig und schnell an Entscheidungen heran,<br />

• gehen entspannt <strong>mit</strong> Veränderungen um,<br />

• sind eher ungeduldig.<br />

Introvertierte Menschen hingegen strahlen eine große Ruhe aus. Sie<br />

sind zurückhaltend und eher passiv. Bevor sie ihre Meinung äußern,<br />

machen sie sich von <strong>dem</strong> zugrunde liegenden Thema ein umfangreiches<br />

Bild. Sie wägen innerlich genau ab, was sie sagen. Da<strong>mit</strong> ist die<br />

Substanzorientierung eine ihrer größten Stärken. Die intensive und<br />

konzentrierte Beschäftigung <strong>mit</strong> einer Sache, auf die sie ihre Energie<br />

bündeln können, fällt ihnen leicht. Sie beschäftigen sich gerne ausgiebig<br />

<strong>mit</strong> einer Sache oder einem Fachthema. Diese Beharrlichkeit, sich<br />

161


einer Sache bis ins kleinste Detail zu widmen, zeichnet sie aus. Im Gespräch<br />

können sie <strong>dem</strong> anderen ihre ganze Aufmerksamkeit schenken,<br />

das verhilft ihnen zu einer intensiven Präsenz und zu der großen Gabe,<br />

zuzuhören und Stille auszuhalten. Die im Gespräch gewonnenen Fakten<br />

können sie sich normalerweise gut merken. Sie sind konzentrierte Denker,<br />

die Detailtiefe schätzen. Introvertierte ziehen ihre Energie aus der<br />

Ruhe und daraus, ihre psychische Energie nach innen zu richten, <strong>mit</strong><br />

sich selbst im inneren Dialog zu sein. Durch ihre nachdenkliche und stille<br />

Art können sie auf den extrovertierten Gesprächspartner reserviert<br />

und langsam wirken.<br />

Introvertierte Menschen:<br />

• sind substanzorientiert,<br />

• haben eine eher ruhige Art,<br />

• sind geduldige Zuhörer,<br />

• können gut und genau zuhören,<br />

• tragen dann zur Gruppenunterhaltung bei, wenn sie etwas Wichtiges<br />

zu sagen haben,<br />

• äußern ihre Meinung durchdacht und qualifiziert,<br />

• können kooperativ und diplomatisch vorgehen,<br />

• bevorzugen und leben Beständigkeit und Verlässlichkeit,<br />

• ziehen ihre Energie aus der tiefen Beschäftigung <strong>mit</strong> einer Aufgabe<br />

oder aus ihrem inneren Dialog <strong>mit</strong> sich selbst,<br />

• gehen an Risiken und Entscheidungen wohldurchdacht heran<br />

• halten den Status quo aufrecht,<br />

• neigen dazu, vorgegebenen Regeln und Strategien zu folgen.<br />

162<br />

Während die introvertierte Persönlichkeit also eher substanzorientiert<br />

ist, liegt die Stärke der extrovertierten in ihrer Fähigkeit, zu begeistern.<br />

Extrovertierte werden in der Regel als aktiv empfunden, sowohl hinsichtlich<br />

der Initiative bei Sozialkontakten als auch bei der Lösung von<br />

praktischen Problemen. Das ist allerdings nur nach außen hin der Fall!<br />

Die höhere Konzentrationsfähigkeit des Introvertierten versetzt ihn in<br />

die Lage, Probleme, die mehr theoretisches Wissen erfordern, kompetent<br />

und zielführend zu lösen. Seine größte Gefahr ist, sich dabei selbst<br />

im Weg zu stehen, denn er liest lieber noch einen weiteren Fachartikel<br />

oder schläft noch einmal zwei Nächte drüber, bevor er sich entschließt,<br />

zu handeln. Die größte Gefahr der extrovertierten Persönlichkeit ist dagegen,<br />

zu wenig zuzuhören oder nachzudenken und stattdessen die<br />

schnelle Entscheidung zu suchen, die nicht alle Fakten berücksichtigt.<br />

Aufgabenorientiert oder menschenorientiert?<br />

Neben <strong>dem</strong> Unterscheidungskriterium, ob eine Person introvertiert oder<br />

extrovertiert ist, ist der zweite wichtige Faktor bei der Beurteilung von<br />

Verhaltenseigenschaften die Frage: Wie trifft die Person Entscheidungen?<br />

Werden Entscheidungen aufgabenorientiert, also sachlich, gefällt<br />

oder eher menschenorientiert, also durch die Bewertung der sozialen<br />

Komponente und die Beeinflussung von Gefühlen?<br />

Beispiel:<br />

Eine Freundin von mir arbeitet in der Personalabteilung eines Energieversorgers.<br />

Als wir einmal zusammensaßen, erzählte sie mir von ihren<br />

Sorgen um eines ihrer Teams. Auf meine Nachfrage hin erzählte sie, dass<br />

<strong>dem</strong> Team im Vorjahr ein grober Fehler unterlaufen war, der auch innerhalb<br />

des ganzen Unternehmens große Kreise gezogen hatte. Diese Blamage<br />

für das Team war noch immer nicht verdaut und hatte dazu geführt,<br />

dass sich die Team<strong>mit</strong>glieder untereinander die Schuld in die Schuhe<br />

schoben. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war nicht mehr möglich.<br />

Die Führungskraft war nicht in der Lage, das Thema so aufzuarbeiten,<br />

163


dass das Team wieder in eine freundliche Atmosphäre zurückfand, und<br />

so hatte sie bei drei Mitarbeitern berechtigte Angst davor, dass sie kündigen<br />

könnten. Aus diesem Grund wollte sie eine Teamentwicklung initiieren,<br />

um die Situation aufzulösen und die exzellenten Spezialisten nicht<br />

zu verlieren. Die Entscheidung musste allerdings letztlich der Vorstand<br />

des Unternehmens treffen, der dafür bekannt war, dass ihn zwischenmenschliche<br />

Belange nicht interessierten. Auf ihre erste Anfrage bezüglich<br />

der Genehmigung der Teamentwicklung bekam sie daher prompt die<br />

Antwort: »Wenn es denen hier nicht gefällt, dann sollen sie halt kündigen.«<br />

Ich fragte sie, was ihrem Vorstand wichtig sei, und sie sagte: »Ziele,<br />

Geld und Erfolg. Wenn ich davon spreche, dass sich die Stimmung verbessern<br />

muss und die Mitarbeiter wieder ein positiv kommunizierendes<br />

Team werden sollen, dann verdreht er nur die Augen und sagt: ›Die sollen<br />

arbeiten, nicht Freunde sein‹.« Mit dieser Einschätzung passten wir ihre<br />

Gesprächsstrategie an und stellten ganz andere Argumente zusammen.<br />

Wir rechneten aus, was es im Detail kosten würde, wenn drei Mitarbeiter<br />

kündigen würden, von den Kosten für Stellenanzeigen oder einen Headhunter<br />

bis zu den Kosten der Einarbeitungszeit, und kamen auf eine Summe<br />

von ungefähr 200.000 Euro. Und genau diese Summe verpackte sie<br />

in ihrem nächsten Gespräch in die entscheidende Frage: »Was ist Ihnen<br />

lieber: 200.000 Euro für neue Fachkräfte zu bezahlen, von denen wir frühestens<br />

in einem Jahr wissen, ob sie in der Lage sind, unsere Ziele zu<br />

erfüllen, oder 10.000 Euro in eine Organisationsentwicklung zu investieren,<br />

bei der wir wissen, dass wir das Geld für unsere eigenen exzellenten<br />

Fachkräfte ausgeben?« Das war eine Sprache, die der Vorstand verstand.<br />

Sie bekam die 10.000 Euro und da<strong>mit</strong> die Möglichkeit, die Mitarbeiter<br />

wieder zu einem produktiven Team zusammenzuschmieden.<br />

Während die Personalberaterin im Beispiel eine menschenorientierte<br />

Entscheiderin ist, entspricht das Verhalten ihres Vorstandes eindeutig<br />

<strong>dem</strong> aufgabenorientierten Typ.<br />

164<br />

Aufgabenorientierte Personen sind in erster Linie an der Sache interessiert.<br />

Es geht darum, dass Ziele erreicht, Aufgaben erfüllt und Pläne<br />

oder Strategien gefunden werden. Zielorientiert gehen sie an Themen<br />

heran und sind gut in der Planung der einzelnen Schritte. Sie können<br />

Folgeprozesse im Blick behalten und sie konsequent abarbeiten. Dadurch,<br />

dass ihr logisches und sachliches Denken im Vordergrund steht,<br />

werden sie als faktenbetont und strategisch konsequent wahrgenommen.<br />

Personen, die sich aufgabenorientiert verhalten,<br />

• haben in Gesprächen Themen, Aufgaben, Ziele oder Abläufe im<br />

Fokus,<br />

• gehen kontrolliert und geplant vor,<br />

• verfolgen eine einmal getroffene Entscheidung bis zum Schluss,<br />

• behalten ihre Gefühle für sich und kommunizieren die klaren<br />

Fakten,<br />

• treffen Entscheidungen meist vernunftgeleitet,<br />

• sind eher formal und sachlich,<br />

• arbeiten gerne unabhängig.<br />

Menschenorientierte Personen dagegen richten ihr Augenmerk primär<br />

auf den sozialen Faktor. Sie können sich gut auf andere Menschen und<br />

deren Wünsche und Bedürfnisse einstellen. Sie erahnen, was andere in<br />

einer bestimmten Situation brauchen, und denken auch intensiv darüber<br />

nach. Sie können ihre Stärken besonders gut einbringen, wenn es<br />

zum Beispiel darum geht, alle Meinungen in einem Team zu berücksichtigen.<br />

Ihnen ist wichtig, dass es den Menschen um sie herum gut geht<br />

und alle in Entscheidungen einbezogen sind. Sie können ihre eigenen<br />

Gefühle normalerweise gut zum Ausdruck bringen. Widerstände, die<br />

geplante Neuerungen oder Veränderungen in einem Team möglicher-<br />

165


weise hervorrufen, können sie gut vorhersehen oder im Vorfeld lösen.<br />

Dadurch, dass ihnen die Beziehungsebene wichtig ist, werden sie als<br />

sympathisch und nahbar empfunden. Überhaupt ist Nähe für sie ein<br />

wichtiger Faktor in Beziehungen, sei es im Privatleben oder am Arbeitsplatz.<br />

die beiden Punkte nun verbinden, haben Sie Ihren Heimatquadranten<br />

gefunden.<br />

AUFGABE<br />

Personen, die sich menschenorientiert verhalten,<br />

• zeigen ihre Gefühle,<br />

• treffen Entscheidungen eher gefühlsmäßig,<br />

• schweifen schnell einmal vom Thema ab,<br />

• sind begeisterungsfähig,<br />

• können gut eine angenehme Beziehungsebene herstellen,<br />

• sind eher entspannt und warm,<br />

• stellen das Team oder den gemeinsamen Beschluss in den Vordergrund,<br />

• sind offen für Träume, Visionen und neue Ideen.<br />

Selbsteinschätzung<br />

Und wie ist es bei Ihnen? Sie haben über die zwei Ausprägungspaare<br />

nun viel gelesen. Finden Sie als Erstes heraus, wo Ihre eigene Präferenz<br />

ist. Ordnen Sie Ihre eigene Persönlichkeit diesen Ausprägungen zu. Wie<br />

schätzen Sie sich ein? Welcher Typ Mensch sind Sie? Unten stehend finden<br />

Sie eine Zeichnung, die Ihnen die Möglichkeit gibt, eine Einschätzung<br />

Ihrer Person vorzunehmen. Sind Sie eher extrovertiert oder eher<br />

introvertiert? Setzen Sie nach Ihrer Einschätzung auf der Geraden einen<br />

Punkt. Je weiter außen Sie punkten, umso stärker empfinden Sie Ihre<br />

Ausprägung. Als Zweites fragen Sie sich: Bin ich an der Aufgabe orientiert<br />

oder eher am Menschen? Setzen Sie wieder einen Punkt. Wenn Sie<br />

166<br />

INTROVERTIERT<br />

Danach denken Sie an einen Menschen, der Ihnen so gar nicht liegt.<br />

Eine Person, von der Sie wissen, dass Ihnen die Kommunikation <strong>mit</strong> ihr<br />

schwerfällt, <strong>mit</strong> der Sie vielleicht öfter in Meinungsverschiedenheiten<br />

oder gar in Streit geraten. Nun verfahren Sie <strong>mit</strong> dieser Person genauso<br />

wie schon oben beschrieben. Wie würden Sie diese Person in Bezug auf<br />

die zwei Ausprägungspaare einschätzen? Ohne Ihre Aufzeichnungen gesehen<br />

zu haben, vermute ich folgendes Ergebnis: Personen, <strong>mit</strong> denen<br />

Sie nicht gut umgehen können, werden auch nicht in Ihrem Quadranten<br />

liegen. Wenn Sie der extrovertierte und an der Aufgabe orientierte Typ<br />

sind, dann wird sich die ungeliebte Person eher im Feld introvertiert und<br />

am Menschen orientiert befinden – und umgekehrt. Mit Menschen, die<br />

uns ähnlich sind, kommen wir üblicherweise gut aus. Schwierig wird<br />

es, wenn die Person ganz anders denkt und sich anders benimmt und<br />

spricht, als wir es tun.<br />

Setzen wir die Ausprägungspaare introvertiert/extrovertiert und<br />

aufgabenorientiert/menschenorientiert nun in Bezug zueinander, ergeben<br />

sich durch die Kombination der ihnen zugeordneten Eigenschaften<br />

167<br />

MENSCH<br />

EXTROVERTIERT


vier verschiedene Typen, die hier im Folgenden unter den Bezeichnungen<br />

»gewissenhaft«, »stetig«, »dominant« und »initiativ« weiter beschrieben<br />

werden.<br />

INTRO<br />

Diese vier Kombinationen schauen wir uns im nächsten Kapitel detailliert<br />

an.<br />

Die Typen erkennen und <strong>mit</strong> ihnen umgehen<br />

Der nächste Abschnitt beschreibt diese vier Persönlichkeiten in ihrem<br />

typischen Auftreten, sodass Sie Ihr Schnellerkennungssystem zur Einordnung<br />

von Menschen verbessern können. Zum leichteren Verständnis<br />

erklärt dieser Abschnitt auch, welche Emotionen die einzelnen Typen jeweils<br />

antreiben und wie Sie am besten <strong>mit</strong> ihnen umgehen sollten. Last,<br />

but not least können Sie ebenfalls lernen, was Sie im Umgang <strong>mit</strong> ihnen<br />

besser vermeiden sollten.<br />

168<br />

GEWISSENHAFT<br />

STETIG<br />

AUFGABE<br />

MENSCH<br />

DOMINANT<br />

INITIATIV<br />

EXTRO<br />

Der gewissenhafte Typ:<br />

introvertiert und an der Aufgabe orientiert<br />

Dieser Typ lässt sich beschreiben durch die Adjektive: vorsichtig, präzise,<br />

besonnen, hinterfragend und formal.<br />

Ein gewissenhafter Mensch ist oft ein echter Experte auf seinem Gebiet,<br />

denn er kann sich tief und detailreich in Themen einarbeiten. Er ist<br />

gut vorbereitet, verwendet viel Zeit darauf, perfekt im Thema zu sein,<br />

und kann <strong>mit</strong> seinen zielgerichteten Fragen Missstände oder Fehler<br />

schnell aufdecken. Bevor er eine Entscheidung trifft, muss er das Gefühl<br />

haben, sehr umfangreich informiert zu sein. Er wird nicht auf Grundlage<br />

eines Bauchgefühls entscheiden. Seine eher stille und verschlossene<br />

Art sorgt dafür, dass Small Talk ihm nicht besonders liegt. Persönliche<br />

Fragen können durchaus als taktlos und fehl am Platze empfunden werden.<br />

Durch den Detailreichtum verliert er manchmal Ziel und Zeit aus<br />

den Augen. Der Kontakt ist dennoch warmherzig und persönlich. Dieser<br />

Typ benötigt jedoch einen gewissen Abstand zu anderen Menschen, um<br />

sich wohlzufühlen.<br />

Der gewissenhafte Typ wird durch die Emotion »Vermeidung von Fehlern«<br />

angetrieben. Spiegeln Sie seine Bedürfnisse durch die Benutzung<br />

von Worten wie »Müssen wir noch etwas beachten, da<strong>mit</strong> es in die Gesamtstruktur<br />

passt?«, »Zahlen belegen …«, »Die Statistik sagt …«.<br />

Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />

• Seien Sie gut vorbereitet und haben Sie Ihre Fakten parat.<br />

• Verwenden Sie Aufzählungen wie 1., 2., 3. und bleiben Sie logisch.<br />

• Gehen Sie tief ins Detail – und seien Sie auf scharfsinnige Nachfragen<br />

vorbereitet.<br />

• Geben Sie ihm Zeit für Details und Entscheidungen.<br />

169


• Achten Sie sein hohes Qualitätsbewusstsein und sein Bedürfnis<br />

nach Sicherheit.<br />

• Achten Sie darauf, sich nicht in Details zu verlieren, und zeigen<br />

Sie auch immer wieder das Big Picture auf.<br />

• Seien Sie bei Zahlen und Statistiken genau, benennen Sie auch<br />

die Nachkommastellen. Für einen gewissenhaften Menschen<br />

heißt zum Beispiel der Umrechnungskurs Deutsche Mark zu Euro<br />

1,95583, nicht 2,0.<br />

• Stellen Sie alle Informationen zur Verfügung.<br />

• Seien Sie offen für Fragen.<br />

• Geben Sie ihm Zeit zum Nachdenken und Vorbereiten.<br />

• Bleiben Sie eher formell.<br />

Diese Verhaltensweisen oder Situationen erzeugen beim gewissenhaften<br />

Typ eher Spannung und Unzufriedenheit:<br />

• Ein emotional aufgeladenes Gespräch führen.<br />

• Oberflächlich sein oder ein unvorbereitetes Gespräch führen.<br />

• Wenn Sie den gewissenhaften Typ unter den Tisch reden oder Ihr<br />

Redeanteil seinen deutlich übersteigt.<br />

• Verlangen von spontanen Aktionen oder sofortigen Antworten.<br />

• Informationen zurückhalten.<br />

• Bedenken nicht ernst nehmen oder übergehen.<br />

• Den körperlichen Mindestabstand nicht einhalten.<br />

Der dominante Typ:<br />

extrovertiert und an der Aufgabe orientiert<br />

Dieser Typ lässt sich beschreiben durch die Adjektive fordernd, entschlossen,<br />

willensstark und zielgerichtet.<br />

170<br />

Der dominante Typ ist entschlossen und selbstbewusst. Er entscheidet<br />

gerne und schnell. Dadurch kann er manchmal auch aggressiv und<br />

sehr fordernd wirken. Er hat den Blick für das große Ganze und die Vision<br />

einer Sache. Mit diesen Eigenschaften findet man den dominanten<br />

Typ oft in Führungspositionen, als Geschäftsführer oder Firmengründer.<br />

Er ist eher ungeduldig und zeigt das in seiner Gestik und Körpersprache.<br />

Er ist auf Lösungen bedacht und wird Aufgaben konsequent zu Ende<br />

führen und bei einmal getroffenen Entscheidungen bleiben.<br />

Der dominante Typ wird durch die Emotion »Streben nach Macht,<br />

Status und Profit« angetrieben. Spiegeln Sie diese Bedürfnisse durch<br />

die Benutzung von Sätzen wie »Für Ihre Entscheidung zwischen x und<br />

y möchte ich Ihnen kurz die Fakten präsentieren.«, »Welche Ziele verfolgen<br />

Sie da<strong>mit</strong>?«, »Welche Aufgabe soll erfüllt sein?«.<br />

Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />

• Seien Sie klar, spezifisch, fassen Sie sich kurz und kommen Sie<br />

sofort zur Sache.<br />

• Definieren Sie ein klares Ziel des Gesprächs.<br />

• Stellen Sie kurze, prägnante Lösungen als Entscheidungsgrundlage<br />

vor.<br />

• Überlassen Sie die Entscheidung Ihrem Gegenüber, stellen Sie<br />

dazu zwei, maximal drei Handlungsempfehlungen vor.<br />

• Seien Sie in der Lage, zu Ihren Vorschlägen ein klares Statement<br />

abzugeben.<br />

• Bieten Sie ein Gespräch auf Augenhöhe.<br />

• Halten Sie sich an das Geschäftliche.<br />

• Bereiten Sie gut organisierte Präsentationsunterlagen vor.<br />

• Stellen Sie sich auf ein schnelles Gespräch ein.<br />

• Bieten Sie Ihre Hilfe für die Detailarbeit an.<br />

• Geben Sie sofortiges Feedback zu Ideen oder Zielen.<br />

171


Diese Verhaltensweisen erzeugen beim dominanten Typ eher Spannung<br />

und Unzufriedenheit:<br />

• Von der Sache abschweifen oder über Dinge reden, die <strong>mit</strong> der<br />

Sache nicht direkt zu tun haben.<br />

• Vage Andeutungen machen.<br />

• Unorganisiert oder unvorbereitet sein.<br />

• Die Probleme statt der Vision in den Vordergrund stellen.<br />

• Das Handlungsbedürfnis und die Entscheidungsstärke bremsen.<br />

Der initiative Typ:<br />

extrovertiert und am Menschen orientiert<br />

Dieser Typ lässt sich beschreiben <strong>mit</strong> den Adjektiven: umgänglich, enthusiastisch,<br />

offen, überzeugend und redegewandt.<br />

Der initiative Typ begeistert <strong>mit</strong> seiner fröhlichen und offenen Art. Er<br />

ist der eher entspannte Typ, einfallsreich und flexibel im Handeln und<br />

Denken. Er ist begeisterungsfähig und kann andere Leute sehr gut <strong>mit</strong>reißen.<br />

Da<strong>mit</strong> ist er der geborene Verkäufer. Dafür kann er auch schon einmal<br />

oberflächlich wirken; tief in die Details einzusteigen, ist seine Sache<br />

nicht. Es kostet ihn zu viel Energie. Bei seinen Entscheidungen kann es<br />

vorkommen, dass nicht alle wichtigen Parameter bedacht worden sind.<br />

Manchmal kann dieser Typ auch zu euphorisch wirken.<br />

Der initiative Typ wird durch die Emotion »Wunsch nach Lob und Anerkennung«<br />

bewegt. Spiegeln Sie dieses Bedürfnis durch die Benutzung<br />

von Worten wie »… individuell für Sie …«, »Spaß darf ja auch sein …«,<br />

»Haben Sie Ideen, die Sie umgesetzt haben möchten?«, »Wollen Sie etwas<br />

Neues ausprobieren?«, »Abwechslungsreichtum«, »Die Einzigartigkeit<br />

besteht darin …«.<br />

172<br />

Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />

• Bauen Sie eine freundliche Beziehung auf und schaffen Sie ein<br />

entspanntes Umfeld, zum Beispiel durch Small Talk oder dadurch,<br />

dass Sie sich für die Persönlichkeit des Gegenübers interessieren.<br />

• Stellen Sie gefühlsbezogene Fragen, um die Einstellung des anderen<br />

zu erfahren.<br />

• Sprechen Sie emotional und in Bildern.<br />

• Beachten Sie die eventuell geringe Aufmerksamkeitsspanne,<br />

führen Sie das Gespräch immer wieder auf das Ursprungsthema<br />

zurück und haben Sie ein Auge auf die Steuerung von Inhalt und<br />

Zeit Ihres Gesprächs.<br />

• Nutzen Sie die Kreativität und den Ideenreichtum Ihres Gegenübers.<br />

• Lassen Sie Freiraum für Optionen und Varianten und bieten Sie<br />

Entscheidungsalternativen an.<br />

• Bringen Sie Offenheit für neue Lösungsansätze und Ideen <strong>mit</strong>.<br />

• Geben Sie öffentlich Bestätigung und Lob.<br />

• Geben Sie schriftliche Unterlagen heraus oder haben Sie ein<br />

Auge darauf, ob Ihr Gegenüber <strong>mit</strong>schreibt.<br />

• Zahlen dürfen gerne gerundet werden. Bei der Umrechnung<br />

von Deutscher Mark zu Euro von 1,95583 reicht es, 2,0 zu sagen.<br />

• Seien Sie optimistisch und zeigen Sie sich emotional involviert.<br />

Diese Verhaltensweisen erzeugen beim initiativen Typ eher Spannung<br />

und Unzufriedenheit:<br />

• Zu viele Details verwenden oder perfektionistisch sein.<br />

• Zu barsch oder kurz angebunden sein.<br />

173


• Zu enge Gesprächsvorgaben machen und das Gespräch in übermäßig<br />

enge Bahnen lenken.<br />

• Viele Daten, Fakten, Alternativen oder Abstraktionen präsentieren.<br />

• Zu viel Zeit verstreichen lassen, bis Sie Ihre Meinung abgeben.<br />

• Gute Ideen ohne positiven Kommentar im Raum stehen lassen.<br />

Der stetige Typ:<br />

introvertiert und am Menschen orientiert<br />

Dieser Typ lässt sich durch die Adjektive: vertrauensvoll, ermutigend,<br />

<strong>mit</strong>fühlend, geduldig und entspannt beschreiben.<br />

Der stetige Typ überzeugt durch seine menschliche Art und die Beziehungen,<br />

die er langfristig pflegt. Er ist eher ruhig und baut durch<br />

seine freundliche Art schnell Beziehungen auf. Er ist ein guter Zuhörer<br />

und vertritt nur, was er <strong>mit</strong> seinem Gewissen gut vereinbaren kann. In<br />

ungewohnter Umgebung wirkt er manchmal etwas angestrengt. Sind<br />

seine Werte in Gefahr, kann er stur erscheinen. Er neigt dazu, Konfrontationen<br />

zu vermeiden. Seine emotionale Begeisterung für ein Thema<br />

ist nicht immer sichtbar, daher kann sein Gegenüber denken, dass er<br />

nicht ausreichend für das Thema brennt. Er mag es, an Gewohntem<br />

festzuhalten.<br />

Der stetige Typ wird durch die Emotion »Vermeidung von Kritik« angetrieben.<br />

Spiegeln Sie die Bedürfnisse durch die Benutzung von Sätzen<br />

wie »Tragen das alle Beteiligten <strong>mit</strong>?«, »Passt das in Ihre Kultur?«,<br />

»Haben wir die wichtigsten Unwägbarkeiten ausgeschlossen oder gibt<br />

es da noch Handlungsbedarf?«, »Müssen wir für die Menschen noch etwas<br />

berücksichtigen?«, »Ich empfehle Ihnen …«.<br />

Was Sie tun können, um das Gespräch bestmöglich zu gestalten:<br />

174<br />

• Schaffen Sie durch Gemeinsamkeiten oder Small Talk einen persönlichen<br />

Bezug.<br />

• Zeigen Sie persönliches Interesse.<br />

• Sprechen Sie Empfehlungen aus.<br />

• Minimieren Sie die Risiken für die Entscheidungsfindung, zum<br />

Beispiel, in<strong>dem</strong> Sie Vorschläge machen.<br />

• Heben Sie geringe Risiken hervor und ver<strong>mit</strong>teln Sie Sicherheit.<br />

• Haben Sie Geduld und Verständnis dafür, dass Entscheidungen<br />

abgesichert werden müssen.<br />

• Unterstreichen Sie die Partnerschaftlichkeit und den Wunsch<br />

nach Win-win-Lösungen.<br />

• Geben Sie Zeit zum Nachdenken und erklären Sie Veränderungen<br />

genau.<br />

Diese Verhaltensweisen erzeugen beim stetigen Typ eher Spannung und<br />

Unzufriedenheit:<br />

• Schnelle Veränderungen.<br />

• In Gesprächen kurz angebunden sein.<br />

• Druck aufbauen.<br />

• Illoyales Handeln.<br />

• Auswirkungen von Entscheidungen auf Menschen, insbesondere<br />

jene, für die er verantwortlich ist, nicht im Blick haben.<br />

• Kühl und faktenbasiert argumentieren.<br />

Die Schnellerkennung von Verhandlungstypen<br />

perfektionieren<br />

Wie Sie im vorigen Abschnitt lesen konnten, verhalten sich die vier<br />

Menschentypen nicht nur sehr unterschiedlich, sondern sie sind auch<br />

175


in ihren Bedürfnissen und Wünschen in Verhandlungen grundverschieden.<br />

Sie benötigen jeweils eine andere Art der Kommunikation, da<strong>mit</strong><br />

dieselben Fakten auf fruchtbaren Boden fallen. Insbesondere wenn Sie<br />

Verhandlungspartnern gegenüberstehen, die entgegengesetzt zu Ihrem<br />

eigenen Stil auftreten, werden Sie Ihr Verhalten ganz bewusst anpassen<br />

müssen. Aber zur Beruhigung: In den Fällen, in denen Sie auf Verhandlungspartner<br />

treffen, die Ihnen ähnlich sind, können Sie aus <strong>dem</strong> Bauch<br />

heraus agieren, da Sie intuitiv alles richtig machen werden. Menschen,<br />

die uns ähnlich sind, sind uns automatisch sympathisch. Wir verzeihen<br />

ihnen mehr, trauen ihnen mehr zu und halten sie für kompetenter. Eine<br />

Ausnahme gibt es allerdings: Wenn zwei dominante Persönlichkeiten<br />

aufeinandertreffen, kann es schnell zu einem kräftezehrenden Machtkampf<br />

kommen. Da der dominante Typ gerne die Richtung vorgibt, lässt<br />

er sich eher ungern von einem ebenfalls dominanten Verhandlungspartner<br />

in zu enge Bahnen lenken. Sollten Sie also selbst zu den dominanten<br />

Persönlichkeiten gehören, achten Sie darauf, dass Sie für die Durchsetzung<br />

der Sache die eigene Dominanz gut dosieren.<br />

Wichtig ist natürlich, den Menschentyp möglichst rasch zu erkennen.<br />

Je schneller Sie wissen, wie Ihr Gegenüber tickt, umso schneller<br />

können Sie Ihr Verhandlungsverhalten darauf abstellen. Sie haben ja<br />

schon gelesen, wie wichtig der erste Eindruck ist, und daher sollte es<br />

einem gerade zum Beginn des Kontakts nicht passieren, dass man zum<br />

Beispiel einem introvertierten Menschen körperlich zu nahe kommt.<br />

Schon in den ersten Gesprächssekunden können Sie anhand der Körpersprache<br />

und der Stimme Informationen sammeln, um welchen Typ<br />

es sich handelt, und auch die Kleidung kann wertvolle Hinweise dazu<br />

liefern.<br />

• Der gewissenhafte Typ hält <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Körper gerne Abstand zu<br />

anderen Personen und kann dadurch leicht etwas distanziert<br />

und kühl wirken. Seine Gesten sind verhalten. Er sitzt oder steht<br />

176<br />

normalerweise sehr ruhig. Große körperliche Gesten sind nicht<br />

sein Ding. Die Sprechgeschwindigkeit ist eher langsam, da er<br />

erst denkt, bevor er spricht. Die Stimme ist eher leise und nachdenklich,<br />

dadurch kann die Sprechweise monoton erscheinen.<br />

Der Kleidungsstil des gewissenhaften Typs ist zurückhaltend,<br />

aber gepflegt. Er wird Kleidung <strong>mit</strong> einem stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis<br />

bevorzugen. Da er sich wenig von Marken oder<br />

Moden beeindrucken lässt, kann man seinen Kleidungsstil als<br />

zeitlos bezeichnen.<br />

• Der dominante Typ dagegen wird körpersprachlich forsch und<br />

direkt auftreten. Er begrüßt andere <strong>mit</strong> einem starken, kontrollierenden<br />

Händedruck. Auch ein Händedruck, der <strong>mit</strong> der<br />

anderen Hand noch unterstützt wird, in<strong>dem</strong> <strong>mit</strong> der freien Hand<br />

während des Händeschüttelns gleichzeitig der Unterarm des<br />

Gesprächspartners gegriffen wird, gehört eher zu diesem Typ.<br />

Mit fester und klarer Stimme kommuniziert er sehr freimütig<br />

und zielstrebig. Was andere <strong>mit</strong> freundlichen Tönen umschreiben<br />

würden, das wird er eher ungeschönt präsentieren. Er wird<br />

sich nicht so auffällig kleiden wie ein initiativer Typ, allerdings<br />

beeindruckt er gerne andere, was sich im Tragen von Markenkleidung<br />

niederschlägt. Auch an Accessoires wie einer teuren<br />

Uhr, einem auffälligen Gürtel und gepflegten Schuhen kann das<br />

sichtbar werden.<br />

• Der initiative Typ wird in der Körpersprache offen und ausdrucksstark<br />

auftreten. Es ist sein Stil, eher <strong>mit</strong> den Händen zu<br />

sprechen, große Gesten und energische Körperbewegungen zu<br />

machen. Auch die Stimme ist begeistert, laut und schnell, der<br />

initiative Typ ist Sprechdenker. Er denkt, während er seine Gedanken<br />

laut ausspricht. Sein Kleidungsstil wird üblicherweise<br />

177


unterstreichen, dass es ihm keine Probleme bereitet, gesehen zu<br />

werden, und kann daher üblicherweise als ausdrucksstark und<br />

auffällig bezeichnet werden. Dieser Typ Mensch trägt mutig auch<br />

gerne starke Farben und kleidet sich eher modisch.<br />

• Der stetige Typ fällt überwiegend durch seine warme und herzliche<br />

Gestik und Mimik auf. Die Körpersprache ist zurückhaltend.<br />

Die Stimme ist eher sanft und ruhig. Pausen oder langsames<br />

Sprechen sind erste Anzeichen für den stetigen Typ. Sein Kleidungsstil<br />

ist oft danach ausgesucht, wie praktisch die Kleidung<br />

im Alltag ist. Bequemlichkeit oder Funktionalität steht eher im<br />

Vordergrund als der Versuch, nach außen hin <strong>mit</strong> seiner Kleidung<br />

zu beeindrucken. Schrille, auffällige Kleidung entspricht normalerweise<br />

nicht seinem Stil.<br />

GEWISSENHAFTER TYP: »Gut, lassen Sie uns zusehen, dass wir die<br />

wichtigsten Punkte besprechen, und sofort starten.« Der gewissenhafte<br />

Typ wird dafür sorgen, dass das Wichtigste besprochen wird, und das<br />

Gespräch prägnant steuern.<br />

DOMINANTER TYP: »Ja, auch ich habe Anschlusstermine, hatte mir aber<br />

eigentlich mehr Zeit für Sie frei gehalten.« Der dominante Typ könnte es<br />

durchaus persönlich nehmen und eher verärgert reagieren, dass nicht<br />

ausreichend Zeit für ihn eingeplant wurde.<br />

INITIATIVER TYP: »Okay, das macht nichts, wie geht es Ihnen denn so?«<br />

Der initiative Typ wird es nicht persönlich nehmen, allerdings sein Verhalten<br />

auch nicht an die Zeitvorgabe anpassen oder die Prioritäten umstellen,<br />

da<strong>mit</strong> der Termin schneller vonstattengeht.<br />

Anhand eines Kommunikationsbeispiels möchte ich aus einer anderen<br />

Perspektive die Unterschiede zwischen den Typen verdeutlichen.<br />

Stellen wir uns Folgendes vor: Ein Kundenberater ist <strong>mit</strong> seinem Kunden<br />

um 13 Uhr verabredet. Nach einer kurzen Begrüßung sagt er: »Ich habe<br />

heute übrigens nur bis 14 Uhr Zeit.« Jetzt kommt es darauf an, welchen<br />

Typ Mensch er vor sich hat. Auf die verschiedenen Menschen wird diese<br />

Aussage ganz unterschiedliche Wirkung haben. Die Antworten könnten<br />

sich wie folgt anhören:<br />

STETIGER TYP: »Oh, gar kein Problem, dann sehen wir zu, dass wir<br />

pünktlich fertig werden.« Da ihm harmonische Beziehungen und die<br />

Menschen wichtig sind, wird der stetige Typ <strong>dem</strong> Wunsch eher folgen und<br />

sich anpassen.<br />

178<br />

Diese unterschiedlichen Reaktionen zeigen noch einmal, dass sich die<br />

Kommunikationsstile der Typen deutlich voneinander unterscheiden.<br />

Der zwischenmenschliche Kontakt funktioniert dann gut, wenn sich die<br />

Kommunikationsstile gleichen oder man sich darauf einlässt, sich an<br />

den anderen anzupassen.<br />

Bekannt ist ein ethischer Grundsatz für den Umgang <strong>mit</strong> Menschen:<br />

»Behandele andere Menschen so, wie du behandelt werden möchtest.«<br />

Diesen Appell an die Fairness lernen wir bereits im Kindergarten. Das unterstellt<br />

allerdings, dass der andere ebenso denkt wie wir, die gleichen<br />

Bedürfnisse hat, kurz: uns ähnlich ist. Ist Ihnen Ihr Gesprächspartner<br />

ähnlich: herzlichen Glückwunsch! Sie werden von alleine gut <strong>mit</strong>einander<br />

klarkommen. Durch die Erkenntnis, dass wir selbst nicht das Maß aller<br />

Dinge sind, brauchen wir in der professionellen Kommunikation <strong>mit</strong><br />

unseren Geschäftspartnern etwas anderes. Diese Regel lautet: »Behandele<br />

den anderen so, wie er behandelt werden möchte.« Wenn ich eine<br />

179


gute Beziehung zu meinem Kunden aufbauen möchte, tue ich gut daran,<br />

mich an den Kunden anzupassen und seinen Bedürfnissen, seiner Sprache<br />

und seinen Werte zu folgen.<br />

Zum Ende dieses Kapitels möchte ich noch einmal darauf hinweisen,<br />

dass ich zur Veranschaulichung bewusst sehr stereotype Beispiele gewählt<br />

habe. Menschen sind vielfältig und tragen daher meist Anteile der<br />

verschiedenen Typen in sich, mal mehr und mal weniger ausgeprägt.<br />

180<br />

7 Die rhetorische Schatzkiste:<br />

Werkzeuge des Erfolgs<br />

In den ersten Kapiteln haben wir uns angesehen, wie das Magnet-<br />

Prinzip funktioniert und wie Sie <strong>mit</strong> Ihrer natürlichen Autorität, sprachlicher<br />

Brillanz und nachhaltigem Denken Menschen von sich begeistern<br />

können. Wenn Sie Ihren roten Faden im Gespräch beibehalten und sich<br />

immer im Klaren darüber sind, in welcher Gesprächsphase Sie sich befinden,<br />

behalten Sie die Führung auch bei rhetorischem Gegenwind. Sie<br />

haben gelesen, wie man den Bedarf des Gesprächspartners erfragt und<br />

darauf die eigene Argumentation abstimmt. Und wenn die Wellen emotional<br />

höherschlagen, helfen Ihnen die verschiedenen Eskalationsstufen<br />

<strong>mit</strong> den entsprechenden Reaktionsmöglichkeiten, das Gespräch wieder<br />

in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Als zweite Säule für erfolgreiche Verhandlungen<br />

diente uns die Einschätzung der verschiedenen Menschentypen.<br />

Da<strong>mit</strong> können Sie Menschen bei ihren persönlichen Bedürfnissen<br />

abholen und individuell auf Verhandlungspartner eingehen, um sie dadurch<br />

von sich, Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung zu begeistern.<br />

Als dritte und letzte Säule des Verhandlungserfolgs werfen wir nun<br />

noch einen weiteren Blick auf die psychologische Seite von Verhandlungen.<br />

In diesem Kapitel möchte ich <strong>mit</strong> Ihnen tief in die Schatzkiste greifen<br />

und zusätzlich zu den bisher genannten Grundlagen von Verhandlung<br />

und Gesprächsführung psychologische Werkzeuge für den Erfolg<br />

vorstellen.<br />

Das man Menschen nicht nur <strong>mit</strong> klug ausgewählten Argumenten,<br />

sondern vor allem auch <strong>mit</strong> der richtigen Technik steuern kann, wird Ihnen<br />

nach der Lektüre dieses Buches nicht mehr unbekannt vorkommen.<br />

Hier möchte ich Ihnen eine Sammlung von Tipps vorstellen, die allesamt<br />

181


darauf abzielen, die eigene Position zu stärken oder Verhandlungen sogar<br />

ohne gute Gründe zu gewinnen.<br />

Nicht immer sind diese psychologischen Tricks fair, aber dafür sind<br />

sie sehr wirksam. Daher kann jeder Mensch nur für sich selbst entscheiden,<br />

ob oder wann er in Verhandlungen in die Trickkiste greift. Vielleicht<br />

benötigen Sie hier und da, abhängig von der Situation, diese stärkeren<br />

Werkzeuge. Für alle, die viel <strong>mit</strong> Menschen verhandeln, gilt aber eins<br />

auf jeden Fall: Sie sollten die dahinterliegenden Strategien erkennen,<br />

da<strong>mit</strong> Sie sich dagegen wappnen können. Einige dieser Taktiken haben<br />

Sie wahrscheinlich bereits am eigenen Leib erfahren oder auch angewendet.<br />

Die Technik des »Good Cop/Bad Cop« oder die Mutter aller<br />

Taktiken, die »Drama-Queen«, sind Ihnen vielleicht nicht unbekannt.<br />

Doch wirken diese Strategien gerade deshalb, weil sie keine Strategien<br />

sein müssen. Es könnten auch ganz normale Verhaltensweisen sein. Geschickt<br />

gemacht, können die Strategien nicht auf Anhieb bewusst erkannt<br />

werden, wirken jedoch unterbewusst auf das Entscheidungsverhalten.<br />

Je schneller und besser Sie daher das Gesagte als Technik und<br />

nicht als die dargestellte Wahrheit erkennen, umso entspannter können<br />

Sie bleiben. Und genau diese souveräne Einstellung sorgt dafür, dass<br />

Sie der stärkere Verhandlungspartner bleiben.<br />

Denn wie Sie bereits gelesen haben: Je ruhiger Sie bleiben, umso<br />

besser arbeitet Ihr bewusstes Denkorgan, Ihr Neokortex, und dadurch<br />

können Sie stark und gelassen argumentieren. Sobald Sie in den emotionalen<br />

Modus verfallen, sinken Ihre Chancen, sich durchzusetzen. Wenn<br />

Sie also erkennen, was Ihr Gegenüber <strong>mit</strong> Ihnen vorhat, regen Sie sich<br />

nicht auf: »Ah, die Technik kenne ich!« Ihr Gesprächspartner braucht<br />

keineswegs zu wissen, dass Sie ihn durchschaut haben. Ihre Wirkung ist<br />

viel stärker, wenn Sie cool reagieren und dabei die Technik charmant ins<br />

Leere laufen lassen. Ihr Wissensvorsprung gibt Ihnen die Souveränität,<br />

als emotional stärkerer Verhandlungsteilnehmer die Gesprächsführung<br />

zu behalten.<br />

182<br />

Tipp:<br />

Nach<strong>dem</strong> Sie <strong>mit</strong>hilfe dieses Buchs mehr und mehr zum bewussten<br />

Gesprächssteuerer und emotionalen Rhetoriker werden, ist es mir<br />

wichtig, ein Thema aufzugreifen, das im Zusammenhang <strong>mit</strong> Rhetorik,<br />

Verkauf und Verhandlung immer wieder genannt wird: Manipulation.<br />

Dieses Wort ist normalerweise negativ besetzt. Und wenn Sie Menschen<br />

fragen, ob sie selbst manipulieren, dann werden sie das meist<br />

verneinen. Manipulation ist immer die böse Absicht des anderen. Wir<br />

selbst werden höchstens manipuliert oder denken vielleicht sogar, wir<br />

seien aufgrund unserer Intelligenz immun gegen Manipulation von außen.<br />

Allenfalls geben Menschen zu, dass sie andere Menschen »motivieren«,<br />

Dinge zu tun oder zu denken. Aber wie Sie im Laufe dieses Buches<br />

gemerkt haben, nimmt Ihr Unterbewusstsein so viele Wörter und<br />

Handlungen in die Entscheidungsfindung auf, dass Sie bewusst oder<br />

unbewusst ständig manipulieren oder manipuliert werden. Manipulation<br />

lässt sich wie folgt definieren: wenn jemand nicht will, dass seine<br />

Absichten durchschaut werden, und eine andere Person diese Absicht<br />

auch wirklich nicht bemerkt. Der wichtigste Punkt kommt dann dazu:<br />

Würde die manipulierte Person die Absicht durchschauen, dann wäre<br />

sie nicht einverstanden.<br />

Wann können Sie also Ihre Techniken guten Gewissens anwenden? Eigentlich<br />

ist es ganz einfach: Wenn Sie darauf achten, dass Ihr Verhandlungspartner<br />

Sie als vertrauenswürdig einstuft, weil Sie seine Bedürfnisse<br />

akzeptieren und auch umsetzen, dann ist das faire Beeinflussung.<br />

Wenn Sie jedoch unhaltbare Versprechen machen, lügen oder jemanden<br />

in Sicherheit wiegen, wo Sie eigentlich Zusatzinformationen geben müssten,<br />

ist das unfair. Hier beginnt die Grauzone der »bösen« Manipulation,<br />

die moralisch zweifelhaft ist. Außer<strong>dem</strong> wird, sobald es auffällt, auf Ihrer<br />

Wiese der langfristigen Zusammenarbeit kein Gras mehr wachsen.<br />

183


Die Tangenten-Antwort<br />

Beispiel:<br />

In den Politik-Talkshows am späten Abend können Sie die Wirkungsweise<br />

der Tangenten-Antwort bestens verfolgen. Ein häufiges Szenario:<br />

Vertreter von verschiedenen politischen Parteien diskutieren über ein<br />

vorgegebenes Thema. Nehmen wir zum Beispiel an, der Oberbegriff<br />

der Talkshow ist an diesem Abend der Titel »Zuwanderung in Deutschland<br />

– welche Menschen wollen wir?«. Während der Diskussion wird ein<br />

Politiker gefragt, ob Deutschland in der Lage sei, die zunehmende Zahl<br />

von Flüchtlingen überhaupt zu integrieren. Oft hören wir Antworten wie<br />

diese:<br />

»Die Integration von Flüchtlingen ist wirklich ein wichtiger Punkt für<br />

die Zukunft. Doch bevor wir das lösen, müssen wir uns erst einmal die<br />

Frage stellen, wie die kurzfristige Zukunft aussieht und welche Flüchtlinge<br />

bleiben werden. Unsere Partei hat in der Vergangenheit bereits<br />

bewiesen, dass sie Themen schnell und prompt angehen kann. Wir haben<br />

Strukturen geschaffen und Stellen gefordert und werden auch in<br />

Zukunft für Verlässlichkeit und Klarheit stehen.«<br />

So weicht man professionell Fragen aus und nutzt stattdessen die knappe<br />

Redezeit, um eigene Themen anzusprechen oder für das eigene Parteiprogramm<br />

zu werben. Natürlich spricht unser Musterpolitiker hier<br />

von wichtigen Voraussetzungen, doch die Integrationsfrage hat er nicht<br />

<strong>mit</strong> einem klaren Ja oder Nein beantwortet. Die Gesprächszeit, die der<br />

Politiker im TV hat, muss ja schließlich für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt<br />

werden.<br />

Deswegen wird die Frage kurz touchiert, und dann wird ausführlich<br />

über die Dinge gesprochen, die gerne gesendet werden sollen. Politiker<br />

sind darauf trainiert.<br />

184<br />

Tipp:<br />

Auch in Verhandlungen passiert es immer wieder, dass Fragen, die auf<br />

ein Ja oder Nein ausgerichtet sind, nicht klar beantwortet werden. Das<br />

Thema wird vielleicht kurz angerissen, und dann wird über andere Details<br />

weitergesprochen. In meiner beruflichen Praxis beobachte ich,<br />

dass es Menschen gibt, die auf Fragen antworten – und Menschen, die<br />

selbst auf direkte Fragen nicht direkt antworten. Normalerweise passiert<br />

das unbewusst, es ist oft eher eine Gewohnheit als eine Taktik.<br />

Sehen Sie daher bitte nicht in jeder unklaren Antwort einen Ablenkungsversuch.<br />

Das hilft Ihnen, in einer entspannten und freundlichen<br />

Stimmung zu bleiben.<br />

Um sich von diesem Vorgehen nicht aus <strong>dem</strong> Konzept bringen zu lassen,<br />

können wir uns am Verhalten von Frank Plasberg in seinem Format »hart<br />

aber fair« orientieren. Regelmäßig können Sie Herrn Plasberg dabei beobachten,<br />

wie er seine – noch nicht beantwortete – Frage so lange wiederholt,<br />

bis er eine Antwort bekommt, und den Gesprächspartner nicht<br />

ausweichen lässt. Passiert es Ihnen in Verhandlungen, dass Ihre Fragen<br />

nicht beantwortet werden, so reagieren Sie einfach genauso. Wiederholen<br />

Sie Ihre Frage wortwörtlich so lange, bis Ihr Gegenüber merkt, dass<br />

Sie sich nicht ablenken lassen. Im Zweifel notieren Sie sich Ihre Frage<br />

kurz. Manchmal sind die Ausführungen Ihres Verhandlungspartners ja<br />

auch interessant, dann können Sie zuhören und später wieder auf Ihre<br />

Frage zurückkommen.<br />

185


Steuern <strong>mit</strong> der Alternativ-Technik<br />

Beispiel:<br />

Bei Neubauvorhaben werden im Laufe der Bauphase manchmal Abweichungen<br />

vom ursprünglichen Bauplan nötig. So ging es auch einem<br />

Bauherrn <strong>mit</strong> einem Mieter in einer Gewerbeimmobilie in Berlin. Durch<br />

eine Veränderung in der Planung der zu bauenden Büros wurde es nötig,<br />

eine zusätzliche Wand einzuziehen. Und diese wurde während der Bauphase<br />

in Auftrag gegeben und auch gebaut. Nach<strong>dem</strong> die Wand stand,<br />

konnten sich der Bauherr und der zukünftige Mieter nicht einigen, wer<br />

die zusätzlichen Kosten für die Wand übernehmen sollte. Im Eifer des<br />

Gefechts war diese Frage nicht vor der Fertigstellung des Gebäudes geklärt<br />

worden, und die Wand war <strong>mit</strong> 8.000 Euro teurer geworden, als<br />

beide Parteien gedacht hatten. Die Ausgangslage des Gespräches, in<br />

<strong>dem</strong> die Übernahme der Kosten geklärt werden sollte, war dann folgende:<br />

Der Bauherr bot an, von den 8.000 Euro immerhin 2.000 Euro<br />

zu übernehmen. Der zukünftige Mieter wollte die ganze Summe vom<br />

Bauherrn ersetzt bekommen. Nach<strong>dem</strong> die beiden schon eine Weile<br />

ihre Argumente ausgetauscht hatten, warum jeweils der andere für die<br />

Mehrkosten aufkommen sollte, sagte der Bauherr irgendwann: »Also,<br />

Sie können jetzt die 2.000 Euro nehmen oder Sie verhandeln nach Baufertigstellung<br />

im nächsten Jahr <strong>mit</strong> der Baufirma persönlich.« Der Mieter<br />

entschied sich für die 2.000 Euro.<br />

186<br />

Die Alternativ-Technik arbeitet da<strong>mit</strong>, <strong>dem</strong> Verhandlungspartner zwei<br />

Möglichkeiten zur Lösung eines Konfliktes anzubieten: Variante A oder<br />

Variante B. Und wie Sie im Beispiel sehen, können die Varianten auch so<br />

gewählt werden, dass sie gar keine wirklichen Alternativen sind, denn<br />

natürlich wollte der Mieter nicht bis zum nächsten Jahr <strong>mit</strong> der Entscheidung<br />

warten. Möglicherweise ist der Mieter auch nicht besonders erpicht<br />

darauf, persönlich <strong>mit</strong> der Baufirma zu verhandeln. Da<strong>mit</strong> hat der<br />

Bauherr eigentlich nur eine Lösung angeboten, obwohl er zwei Möglichkeiten<br />

genannt hat. Die unterschwellige Wirkung der Methode ist, dass<br />

alle Wahlmöglichkeiten außerhalb der beiden Varianten übersehen werden.<br />

Da das Gehirn manchmal zu langsam reagiert, kommen die meisten<br />

Menschen – vor eine solche Wahl gestellt – nicht darauf, nach weiteren<br />

Lösungen zu fragen. In der oben geschilderten Situation hätte man zum<br />

Beispiel noch über einen Betrag zwischen 2.000 Euro und 8.000 Euro<br />

verhandeln können.<br />

Die Alternativ-Technik ist ein Klassiker unter den Fragetechniken und<br />

wird in vielen Branchen und Situationen eingesetzt. In Banken werden<br />

Sie zum Beispiel gefragt: »Wollen Sie 150 Euro monatlich sparen oder<br />

200 Euro?« Diese Frage nimmt eine Entscheidung vorweg! Dass Sie sparen<br />

wollen, steht nun nicht mehr infrage – und <strong>mit</strong> der angegebenen<br />

Höhe ist auch eine Messlatte gelegt.<br />

Was können Sie tun, wenn Sie merken, dass Sie <strong>mit</strong> der Alternativ-Technik<br />

konfrontiert werden? Lassen Sie sich nicht überrumpeln.<br />

Antworten Sie nicht zu schnell und lassen Sie Ihrem Gehirn Zeit, den<br />

nächsten Schritt zu überdenken. Eine gute, selbstbewusste Frage wäre<br />

zum Beispiel: »Und welche Alternative gibt es darüber hinaus noch?«<br />

Oder auch: »Was müssen wir denn tun, um A und B zu bekommen?«<br />

Oder: »Lassen Sie uns vor einer Entscheidung noch nach weiteren Optionen<br />

suchen.« Der Grundgedanke dabei ist, andere Möglichkeiten in<br />

den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen und nicht zu schnell Ja zu<br />

sagen.<br />

187


Die Ja-Schleife<br />

Beispiel:<br />

Bevor ich freiberufliche Trainerin wurde, arbeitete ich bei einer deutschen<br />

Großbank als Führungskraft und später als Trainerin für Vertriebs-<br />

und Führungskräfte. Als für mich die Zeit reif war, den Sprung in<br />

die Selbstständigkeit zu wagen, verhandelte ich <strong>mit</strong> meinem Chef über<br />

die Modalitäten meines Ausstiegs aus der Bank. Nach zwei Verhandlungsrunden<br />

waren wir uns nur in einer Frage noch nicht einig: der nach<br />

<strong>dem</strong> Zeitpunkt meines Ausstiegs. Ich wollte mich so schnell wie möglich<br />

selbstständig machen, während mein Chef mich noch für laufende<br />

Seminarprojekte in der Bank behalten wollte. Meine Idee war, in drei<br />

Monaten in die Selbstständigkeit zu gehen, und mein Chef bot mir an, in<br />

neun Monaten aus der Bank auszuscheiden. Da an seiner Zustimmung<br />

auch die Zahlung einer Abfindung hing, hatte er alle Asse in der Hand<br />

und stellte mich vor die Wahl: »Entweder Sie gehen in drei Monaten<br />

ohne Abfindung oder in neun Monaten <strong>mit</strong> Abfindung.« Mein Wunsch<br />

war, sowohl möglichst schnell <strong>mit</strong> der Selbstständigkeit zu starten als<br />

auch die Abfindung als Startkapital zu bekommen. Um mich aus dieser<br />

Zwickmühle zu befreien, in die mich mein Chef <strong>mit</strong> seinen Alternativen<br />

gebracht hatte, überlegte ich mir, die Technik der Ja-Schleife anzuwenden.<br />

Der richtige Zeitpunkt dazu kam, als er mich für die dritte Verhandlungsrunde<br />

<strong>mit</strong> den Worten einlud: »Lassen Sie uns beim Mittagessen<br />

über Ihren Ausstieg sprechen, ich habe nicht so viel Zeit. Ich hoffe, wir<br />

werden uns heute einig.«<br />

Als wir uns dann trafen, setzte ich meinen Plan nach einem ersten<br />

Small Talk über das Kantinenessen in die Tat um und fragte ihn: »Sagen<br />

Sie, sind Sie eigentlich <strong>mit</strong> meiner Arbeit bisher zufrieden gewesen?«<br />

Er sagte: »Ja.« – »Danke«, antworte ich, »ich möchte, dass das<br />

auf jeden Fall bis zu meinem Ausscheiden so bleibt. Da sind wir uns<br />

188<br />

einig, oder?« – »Ja.« – »Können Sie sich vorstellen, dass man innerlich<br />

dafür brennt, nun etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, und ich möglichst<br />

schnell in die Selbstständigkeit gehen möchte?« – »Ja«, sagte er<br />

wieder. – »Können wir uns dann nicht darauf einigen, dass ich noch<br />

drei Monate für Sie arbeite und dann <strong>mit</strong> der Abfindung aus der Bank<br />

ausscheide?« Und nun sagte er: »Okay.« Danach aßen wir entspannt<br />

weiter unser Mittagessen.<br />

Die Ja-Schleife ist ein Werkzeug, das die Tatsache ausnutzt, dass sich<br />

das Gehirn in eine gewünschte Richtung prägen lässt. Denn die Bereitschaft,<br />

Ja zu sagen, wächst, wenn vorher schon zwei- bis dreimal Ja gesagt<br />

wurde. Der Mensch ist dann gewissermaßen im Ja-Modus. Natürlich<br />

ist es gut, wenn dafür ein paar weitere Faktoren zusammenkommen.<br />

Ist das Gehirn abgelenkt oder unter Stress, funktioniert die Technik besonders<br />

gut. Ebenso, wenn Ihr Gegenüber nicht vorbereitet ist oder eine<br />

schnelle Lösung herbeisehnt. In meinem Beispiel waren diese Voraussetzungen<br />

alle gegeben. Durch seinen einleitenden Satz »Lassen Sie<br />

uns beim Mittagessen sprechen, ich habe nicht so viel Zeit. Ich hoffe,<br />

wir werden uns heute einig« half mein damaliger Chef mir sehr, mich<br />

auf das Gespräch vorzubereiten. Ich konnte unterstellen, dass er unvorbereitet<br />

war. Wer ein wichtiges Gespräch beim Mittagessen führt,<br />

läuft immer Gefahr, durch das Essen abgelenkt zu sein. Das gab mir die<br />

Gelegenheit, die Situation zu nutzen. Alles, was es dafür braucht, sind<br />

gut vorbereitete Fragen, die so logisch gestellt sind, dass man nur <strong>mit</strong><br />

Ja antworten kann, sodass die Zustimmung quasi schon auf der Zunge<br />

liegt. Die letzte Frage ist dann die, auf die es ankommt. Die, für die man<br />

sich das eigentliche Ja abholt.<br />

In Verkauf und Vertrieb wird die Methode verwendet, wenn Sie ein<br />

Mitarbeiter Ihres Mobilfunkanbieters anruft, um Ihnen Zusatzleistungen<br />

zu verkaufen. Die typische Einstiegsszene hört sich oft ungefähr so an:<br />

»Sie sind Kunde bei uns?« – »Sie besitzen ein Samsung-Handy?« – »Ist<br />

189


es Ihnen wichtig, günstig zu telefonieren?« – »Haben Sie dann fünf Minuten<br />

Zeit für mich, da<strong>mit</strong> ich Ihnen unser neuestes Angebot vorstellen<br />

kann?« Natürlich weiß Ihr Vertragsanbieter, dass Sie Kunde sind. Dass<br />

Sie ein Samsung-Handy haben, steht ebenfalls in seinen Unterlagen,<br />

und dass Sie gerne günstig telefonieren, kann unterstellt werden. Es<br />

geht nur darum, dass Sie diese Fragen <strong>mit</strong> Ja beantworten, da<strong>mit</strong> Sie<br />

fünf Minuten Zeit in das dann folgende Gespräch investieren, bei <strong>dem</strong><br />

Ihnen Zusatzleistungen verkauft werden sollen. Das ist die Ja-Falle. Wer<br />

diese Technik anwenden möchte, sollte sich nicht auf seine Spontaneität<br />

verlassen, sondern sich die Fragen bereits im Vorfeld zurechtlegen.<br />

Eine gute Vorbereitung ist hier wichtig. Spontan anwenden können das<br />

nur kommunikativ sehr geübte Menschen.<br />

Tipp:<br />

Aus <strong>dem</strong> obigen Beispiel können wir Folgendes lernen: Beim Mittagessen<br />

sind wir eher abgelenkt. Wichtige Verhandlungen gehören nicht<br />

an den Mittagstisch. Beim aufmerksamen Hinhören konnte man in der<br />

Einladung bereits die Bereitschaft hören, beim Mittagessen einen Entschluss<br />

zu fällen. Die Zeit war also reif – im ersten Termin wäre dieses<br />

Vorgehen nicht möglich gewesen. <strong>Verhandeln</strong> Sie niemals unter<br />

Zeitdruck, und wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann lassen Sie es<br />

Ihren Gesprächspartner nicht wissen.<br />

Wenn Sie merken, dass Sie <strong>mit</strong> einer Reihe von besonders logischen Fragen,<br />

auf die Sie nur <strong>mit</strong> Ja antworten können, konfrontiert werden, werden<br />

Sie besser skeptisch. Überdenken Sie, ob das Gespräch in die von<br />

Ihnen gewünschte Richtung geht – ansonsten decken Sie die Technik<br />

freundlich auf. Das geht zum Beispiel <strong>mit</strong> den Worten: »Ja – und worauf<br />

wollen Sie gerade hinaus?« Leider bemerkt man manchmal auch erst am<br />

190<br />

nächsten Tag, dass man einen vorschnellen Entschluss gefällt hat. Dann<br />

bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal auf den Verhandlungspartner<br />

zuzugehen und die Entscheidung zu revidieren.<br />

Das Good-Cop/Bad-Cop-Spiel<br />

Beispiel:<br />

Sicher ist Ihnen diese Szene aus etlichen Fernsehkrimis bekannt: Bei<br />

den Er<strong>mit</strong>tlungen zu einem Mordfall verhören zwei Polizisten eine verdächtige<br />

Person. Ein Polizist lächelt freundlich, bietet eine Sitzgelegenheit<br />

und einen Kaffee an, während kurz darauf der andere Polizist den<br />

Verdächtigen verbal stark attackiert, auf den Tisch haut und ihm fast<br />

den Kaffee ins Gesicht schüttet. Während der freundliche Polizist sich<br />

vielleicht nach <strong>dem</strong> Befinden erkundigt, wählt der andere Polizist scharfe<br />

Worte, wird laut und unterstellt die Täterschaft.<br />

Diese Szene beschreibt die Good-Cop/Bad-Cop-Technik. In Verhandlungen<br />

funktioniert dieses Manöver ähnlich. Stellen Sie sich vor, zwei<br />

Kollegen sitzen einem Geschäftspartner gegenüber. Der eine gibt sich<br />

freundlich und ruhig. Er stellt lösungsorientierte Fragen, wirft mögliche<br />

Optionen ein und hinterfragt viel. Während er das tut, wartet der<br />

andere die Antwort des Geschäftspartners ab und wirft dann lautstark<br />

Totschlagargumente (vgl. Kapitel 4: »Reagieren auf Totschlagphrasen«)<br />

dazwischen, beruft sich auf das Vertragsrecht oder droht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Abbruch<br />

der Verhandlungen. Emotional zeigt er sich aufgebracht, steht<br />

vom Tisch auf oder verlässt zeitweise sogar den Raum.<br />

Was bewirkt das psychologisch? Der Kunde erlebt ein Wechselbad<br />

der Gefühle. Gerade noch entspannt er sich, da erwischt es ihn wieder<br />

kalt. In diesem emotionalen Wirrwarr ist es schwer, klar zu denken.<br />

191


Wenn ich in meinem Seminar die Teilnehmer danach frage, was sie in<br />

einer solchen Verhandlungssituation tun könnten, kommt zu 99 Prozent<br />

die Antwort: Ich konzentriere mich auf den Freundlichen, dann kann ich<br />

die andere Person ignorieren. Doch genau das ist das Ziel! Den Mechanismus,<br />

der hier wirkt, bezeichnet man als Kontrasteffekt. Ein Teil<br />

Ihrer Energie geht in die Aufmerksamkeit für den unfreundlichen Part.<br />

Den freundlichen akzeptieren Sie im Gegensatz dazu als konstruktiven<br />

Gesprächspartner, er gewinnt also Ihr Vertrauen. Und jetzt geht es los:<br />

Alle Lösungen, die der »gute« Verhandlungspartner einstreut, werden<br />

Sie – vor <strong>dem</strong> unangenehmen Kontrast zu seinem störenden »bösen«<br />

Kollegen – automatisch als maximales Entgegenkommen interpretieren.<br />

Die Frage, ob darüber hinaus noch mehr möglich wäre, stellen<br />

Sie sich in diesem Moment gar nicht mehr. Unterbewusst ist man froh,<br />

überhaupt eine Lösung zu haben, und will die Verhandlung schnell zu<br />

Ende bringen, um den »bösen« Verhandlungspartner endlich loszuwerden.<br />

Wie können Sie nun darauf reagieren? Das hängt grundsätzlich davon<br />

ab, wie weit Sie das Spiel auffliegen lassen wollen. Eine professionelle<br />

und ruhige Antwort kann sein: »Bevor wir weitermachen, sollten Sie<br />

sich vielleicht erst einmal untereinander einig werden, was Sie wollen.«<br />

Wenn Sie die Taktik entlarven wollen, können Sie sagen: »Was ist das<br />

hier für ein Spiel? Ich schlage vor, wir bleiben professionell und lösungsorientiert<br />

und machen <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> nächsten Punkt auf unserer Agenda weiter.<br />

« Oder ganz direkt: »Ach, Sie sind hier der Gute und Sie der Böse?«<br />

Wer das Spiel durchschaut, <strong>dem</strong> fällt es leichter, die eigenen Emotionen<br />

zu kontrollieren und entspannt zu bleiben, also den Effekt, den die<br />

Technik erzielen möchte, zu eliminieren und durch ein inneres Lächeln<br />

zu ersetzen.<br />

In der Ruhe liegt die Kraft<br />

Tipp:<br />

Es gibt verschiedene Varianten des Good-Cop/Bad-Cop-Spiels. In Verhandlungen<br />

ist es nicht immer ratsam, das Gegenüber zu attackieren,<br />

daher findet man dort eher die Variante, dass statt des Geschäftspartners<br />

der (eingeweihte) Kollege attackiert wird, getreu <strong>dem</strong> Motto:<br />

»Das bekommen wir von der Geschäftsleitung nie genehmigt!« Oder:<br />

»Das muss ich neu durchrechnen. Mit den Margen arbeiten wir nicht,<br />

das weißt du doch!« Oder: »Das hast du schon zugesagt? Respekt,<br />

da lehnst du dich aber weit aus <strong>dem</strong> Fenster!« Unternehmen setzen<br />

manchmal ganze Abteilungen wie die Rechtsabteilung oder die Compliance-Abteilung<br />

als sogenannte »Dealbreaker« ein. Es lohnt sich,<br />

genauer hinzuschauen, ob es sich hierbei um die Wahrheit oder um<br />

eine Abwandlung der Good-Cop/Bad-Cop-Taktik handelt.<br />

192<br />

Beispiel:<br />

Einer meiner Coachees ist Einkäufer bei einer Firma. In seinen Händen<br />

liegt es, die Firma, für die er arbeitet, im Bereich der Digitalisierung auf<br />

<strong>dem</strong> neuesten Stand zu halten. Daher verhandelt er regelmäßig <strong>mit</strong><br />

potenziellen Zulieferern, die innovative technische Dienstleistungen<br />

anbieten. Für eine digitale Veränderung in der Buchhaltung, die seine<br />

Firma einführen wollte, war er schon eine Weile <strong>mit</strong> einem neuen Lieferanten<br />

im Gespräch, der ihm für sein Problem eine moderne digitale<br />

Lösung anbot. Schon nach den ersten Gesprächen war klar, dass man<br />

<strong>mit</strong> diesem Lieferanten zusammenarbeiten wollte, da sein Produkt sehr<br />

zielgerichtet auf die Firma angepasst werden konnte und der Lieferant<br />

da<strong>mit</strong> ein echtes Alleinstellungsmerkmal hatte. Die Gespräche zogen<br />

sich ein wenig hin, was bei einem Transaktionsvolumen von 250.000<br />

Euro nicht ungewöhnlich ist. Mein Coachee und sein Verhandlungs-<br />

193


partner hatten trotz<strong>dem</strong> einen guten persönlichen Draht zueinander. Irgendwann<br />

waren die Verhandlungen so weit fortgeschritten, dass man<br />

sich nur noch über die Vertragsbedingungen einigen musste. Zu diesem<br />

Gespräch zog jede Partei den eigenen Anwalt hinzu. Wie so oft, wenn<br />

zu einem späten Verhandlungszeitpunkt weitere Personen einbezogen<br />

werden müssen, veränderten sich dadurch die Stimmung und die Interessenlage.<br />

Im Telefonat <strong>mit</strong> den Anwälten ging es hoch her. Bei einigen<br />

Verhandlungspunkten, die für meinen Coachee vorher verhandelbar erschienen<br />

waren, stellte sich die gegnerische Partei plötzlich stur und<br />

unflexibel. Das Telefonat endete <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Ergebnis, dass der Anwalt<br />

der Zulieferer konsequent auf den Vertragsbedingungen bestand. Ein<br />

überraschendes und unbefriedigendes Ergebnis für meinen Coachee.<br />

Entsprechend aufgebracht war er nach diesem Telefonat. Doch sofort im<br />

Anschluss klingelte sein Telefon. Sein regelmäßiger Gesprächspartner<br />

war in der Leitung und versuchte, die Situation zu retten. Er sagte: »Ach,<br />

Mensch, dass sich diese Anwälte immer so streiten müssen. Ich denke,<br />

wir bekommen den Deal trotz<strong>dem</strong> hin, oder?« Mein Coachee war durch<br />

das vorherige Telefonat noch sehr brüskiert und in Rage. Im Eifer des<br />

Gefechts erwähnte er seinem regelmäßigen Gesprächspartner gegenüber<br />

etwas, das er besser für sich behalten hätte: In die Vertragsbedingungen<br />

hatte sich bereits ein Fehler eingeschlichen, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> ein Teil<br />

dieser Bedingungen ungültig geworden wäre. Und genau das sagte er<br />

ihm nun. Mit <strong>dem</strong> Ergebnis, dass die Vertragsbedingungen im nächsten<br />

Entwurf erneut zu seinen Ungunsten geändert wurden. Später sagte<br />

mein Coachee dazu: »Verdammt, hätte ich mich doch nicht verplappert.«<br />

Eine einfache und trotz<strong>dem</strong> sehr wirksame Taktik ist, ganz entspannt zu<br />

schweigen. Einer der größten Fehler in Gesprächen ist, Pausen nicht zuzulassen<br />

und stattdessen <strong>dem</strong> eigenen Drang, zu sprechen, zu folgen.<br />

Sofort nach einem so kräftigen Gespräch anzurufen, war ein geschickt<br />

gewählter Schachzug des Zulieferers. Bestimmt erkennen auch Sie hier<br />

194<br />

die Good-Cop/Bad-Cop-Methode wieder. In diesem Fall waren die Anwälte<br />

die »Bösen« und der regelmäßige Gesprächspartner der »Gute«,<br />

der versuchte, die positive Beziehung wiederherzustellen. In diesem<br />

Fall <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Erfolg, dass der Coachee <strong>dem</strong> freundlichen Verhandlungspartner<br />

vertraute und ihm gegenüber wichtige Informationen preisgab,<br />

die er besser für sich behalten hätte.<br />

Wie wäre wohl das Gespräch verlaufen, hätte mein Coachee zu der<br />

Frage einfach nur geschwiegen? Schweigen zu können, <strong>dem</strong>onstriert<br />

erstens, dass Sie Zeit haben und sich auch bei frechen Fragen nicht aufs<br />

Glatteis führen lassen. Zweitens sorgen Sie durch Ruhe und Selbstbewusstsein<br />

für Verunsicherung bei Ihrem Gesprächspartner. Natürlich<br />

können Sie Schweigesekunden nicht nur nach Fragen, sondern auch<br />

nach Aussagen Ihres Gesprächspartners anwenden. Da es für viele Menschen<br />

nicht leicht ist, in einem Gespräch einfach nichts zu sagen, kann<br />

man auch innerlich bis drei zählen. Wichtig ist, das Schweigen so lange<br />

auszuhalten, dass es als Pause erkannt wird. In persönlichen Gesprächen<br />

sollten Sie dabei den freundlichen und direkten Blickkontakt beibehalten.<br />

Da<strong>mit</strong> unterstreichen Sie Ihre Souveränität. Die Pausenzeit lässt<br />

sich gut dafür nutzen, das eigene weitere Vorgehen zu durchdenken. Anschließend<br />

können Sie entweder die Aussage oder Frage ganz bewusst<br />

ignorieren und weiter über Ihr Thema reden, oder – wenn Sie noch einen<br />

Schritt weitergehen möchten – dann zeigen Sie auch körpersprachlich,<br />

was Sie von der Aussage oder Frage halten, in<strong>dem</strong> Sie den Kopf schütteln<br />

oder sich an die Stirn greifen. Gehen Sie danach aber trotz<strong>dem</strong> wieder zu<br />

einem freundlichen Augenkontakt über und nehmen Sie den Gesprächsfaden<br />

wieder auf.<br />

Im obigen Beispiel wären weitere Möglichkeiten gewesen, das Telefonat<br />

zu verkürzen, es gar nicht zu führen oder auf einen späteren Termin<br />

zu verlegen, wenn die akut verärgerte Stimmung sich wieder beruhigt<br />

hat. Im weiteren Verlauf der Verhandlung verhielt sich mein Coachee<br />

dann anders.<br />

195


Folgebeispiel:<br />

Als die Verhandlungen sich dann wirklich <strong>dem</strong> Ende zuneigten, versuchte<br />

der Lieferant, erneut Druck aufzubauen, in<strong>dem</strong> er für die genannten<br />

Preise eine Frist setzte. Am 28. September argumentierte er da<strong>mit</strong>, dass<br />

sein Geschäftsjahr am 30. September ende und er daher nach <strong>dem</strong><br />

Stichtag, 1. Oktober, seine Konditionen anpassen müsse, er bis dahin<br />

aber aus internen Gründen die bisher genannten Sonderpreise gewähren<br />

könne. Dieses Mal aber fand mein Coachee die Kraft in der Ruhe.<br />

Er legte den Vertrag entspannt zur Seite und sagte, dass er sich nun<br />

auf jeden Fall die Zeit nehmen werde, alle Bedingungen noch einmal in<br />

Ruhe zu studieren und im Zweifel auch noch einmal die Anwälte einzuschalten.<br />

Geschickt drehte er nun den Spieß sogar noch um: Direkt unterschreiben<br />

werde er, wenn zwei Punkte der Vertragsbedingungen zu<br />

seinen Gunsten angepasst würden. Nun hatte er die Karten in der Hand<br />

und spielte sie gekonnt aus, in<strong>dem</strong> er den Druck, den sein Lieferant aufgebaut<br />

hatte, gegen diesen wendete. Die zwei Punkte wurden geändert,<br />

und am Abend des 30.Septembers waren die Verträge unterschrieben.<br />

Die Herzinfarkt-Taktik<br />

Beispiel:<br />

Wer schon einmal in einem Souk, einem traditionellen Basar in Marokko,<br />

Kairo oder Dubai, eingekauft hat, kennt die Situation. Man interessiert<br />

sich für einen Gegenstand, der vom Verkäufer zu einem exorbitanten<br />

Preis angeboten wird. Als gut informierter Tourist ist man gewarnt, da<br />

in sämtlichen Reiseführern über die Verhandlungstaktik der Verkäufer<br />

berichtet wird. Daher gibt man bei Interesse ein Gebot ab, das weit unter<br />

<strong>dem</strong> angebotenen Preis liegt. Was daraufhin folgt, ist ein Lehrstück<br />

für die Herzinfarkt-Taktik. Es wird nicht nur hin und her argumentiert,<br />

196<br />

sondern der Gesichtsausdruck des Souk-Verkäufers variiert von wütend<br />

bis zu Tode betrübt. Er wird laut, er wird persönlich und sagt Sätze wie:<br />

»Wollen Sie mich ruinieren? Wie soll ich bei diesem Preis Frau und Kinder<br />

ernähren?« – »Das ist das beste Produkt überhaupt, Sie beleidigen<br />

mich <strong>mit</strong> diesem Preis!«<br />

Im arabischen Raum entspricht diese Art der Verhandlung den normalen<br />

Gepflogenheiten, während diese Dramatik uns für geschäftliche<br />

Beziehungen sehr überzogen erscheint. Doch in milderer Form kommt<br />

sie auch bei uns ständig vor. Auch in Deutschland verhalten sich manche<br />

Menschen wie auf einem Basar. Jeder Verhandler kennt die folgende<br />

Szene. Der Verhandlungspartner greift sich erschrocken ans Herz:<br />

»Was, wie viel soll das kosten?« – »Habe ich richtig gehört, das ist Ihre<br />

Forderung?« Untermalt <strong>mit</strong> schauspielerischem Talent, weit aufgerissenen<br />

Augen und der richtigen Betonung, die ausdrückt: Das ist doch nicht<br />

Ihr Ernst, das geht ja weit über das zumutbare Maß hinaus!<br />

Natürlich macht dieses Verhalten etwas <strong>mit</strong> uns. Wörter erreichen<br />

den logischen Verstand, aber die Körpersprache signalisiert uns die<br />

massive Erschütterung und erreicht die Gefühlsebene. Und zeigt da<strong>mit</strong><br />

ganz klar: Die Grenze des guten Geschmacks ist überschritten. Niemals<br />

wird zu diesem Preis ein Geschäft stattfinden. Auf keinen Fall wird auf<br />

die genannte Forderung eingegangen werden. Jetzt heißt es cool bleiben<br />

und das Theater nicht so ernst nehmen. Ein klarer Augenkontakt,<br />

wie immer ein freundliches Lächeln, und <strong>mit</strong> ruhiger und fester Stimme<br />

bleiben Sie bei Ihrer Forderung und sagen: »Ja, so viel kostet das.«<br />

Oder: »Genau das ist mein Angebot.« Machen Sie danach eine Pause<br />

und warten Sie ab, was passiert. Legt Ihr Verhandlungspartner entsprechend<br />

nach, können Sie in hartnäckigen Fällen auch antworten: »Gerne<br />

erkläre ich Ihnen, wie sich dieser Preis zusammensetzt«, und dann sachlich<br />

argumentieren.<br />

197


Auch anderweitig ist die Herzinfarkt-Technik anwendbar. Eine Bekannte<br />

von mir wandte sie einmal bei folgen<strong>dem</strong> Fall an: Sie war Eigentümerin<br />

einer in die Jahre gekommenen Gewerbehalle. Nach <strong>dem</strong> Winter<br />

stellte sich heraus, dass die Klimaanlage des Objekts einen irreparablen<br />

Defekt hatte. Die Reparatur sollte rund 25.000 Euro kosten. Da aber<br />

bereits beschlossen war, die Gewerbehalle im Laufe der nächsten zwei<br />

Jahre abzureißen, wollte sie diese Summe nicht mehr investieren.<br />

Ihr Mieter allerdings hatte natürlich Anspruch auf klimatisierte Räume.<br />

Um den Einbau der Anlage zu umgehen, führte sie das Gespräch<br />

wie folgt. Mit aufgebrachter Stimme sagte sie <strong>dem</strong> Mieter: »Sie glauben<br />

nicht, was die für die Klimaanlage haben wollen! 25.000 Euro! Ist das<br />

nicht Wucher!?« Und die Reaktion des Mieters war empathisch, er sagte<br />

von sich aus sofort: »Ach, du Schreck, ja, das stimmt. Das ist zu teuer.<br />

Dafür brauchen Sie die Anlage für die zwei Jahre nicht mehr zu reparieren.«<br />

Nach nicht einmal zwei Minuten war das Verhandlungsthema<br />

erledigt. Natürlich hätte der Mieter Mietminderung dafür beanspruchen<br />

können, und als Joker hatte meine Bekannte dies auch in der Tasche.<br />

Aber er war so abgelenkt, dass er nicht einmal danach fragte.<br />

Auch dieses Beispiel zeigt uns gut, wie stark Entscheidungen auf der<br />

Gefühlsebene entstehen und wie schwer es ist, emotionslos zu reagieren,<br />

wenn die Herzinfarkt-Technik angewendet wird.<br />

Die Drama-Queen<br />

Beispiel:<br />

Erinnern Sie sich an John McEnroe? In den Achtzigerjahren dominierte er<br />

den Tennissport und stieg zur Nummer eins der Weltrangliste auf. Doch<br />

er war nicht nur für seine außergewöhnlichen Leistungen bekannt, auch<br />

seine emotionalen Ausbrüche auf <strong>dem</strong> Tennisplatz sind legendär. Lief<br />

198<br />

sein Spiel nicht gut, drosch er seinen Schläger bis zum Zerbrechen auf<br />

den Boden und beschimpfte jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Sein<br />

Zorn schien keine Grenzen zu kennen. Seine Phrase »You cannot be serious!«<br />

– auf Deutsch: »Das kann nicht euer Ernst sein!« – war berüchtigt.<br />

Für sein im noblen Tennissport völlig unangebrachtes Verhalten zahlte<br />

er auch die eine oder andere Strafe. Ein Nebeneffekt seiner Wutausbrüche<br />

war allerdings folgender: Wenn er seinen Emotionen Luft gemacht<br />

hatte, war er wieder gut drauf und seine Stimmung normal, aber die Position<br />

des Gegners hatte sich geändert. Durch die Pause hatte er seinem<br />

Gegner aufgezwungen, sein bisher erfolgreiches Spiel zu unterbrechen.<br />

Oft riss dadurch der Erfolgsfaden, und McEnroe konnte das Spiel zu seinen<br />

Gunsten drehen.<br />

Die Drama-Queen kann als die »Mutter aller Taktiken« bezeichnet werden.<br />

Jeder Mensch beherrscht es, sich zu zieren und zu winden, wenn<br />

seiner Meinung nach zu viel von ihm gefordert wird. Als Taktik benutzt,<br />

zielt diese Technik darauf ab, möglichst viel Staub aufzuwirbeln. Wie in<br />

einem Drama inszeniert sich die Drama-Queen emotional und ichbezogen,<br />

wehrt sich wie ein ausgebeutetes Opfer, meist <strong>mit</strong> lauter Stimme<br />

und starker Mimik und Gestik.<br />

Die Drama-Queen ist eine Schwester der Herzinfarkt-Technik. Sie<br />

funktioniert nach einem ähnlichen Muster. Während es bei der Herzinfarkt-Technik<br />

allerdings um wirklich zu verhandelnde Punkte geht, inszeniert<br />

die Drama-Queen Probleme, wo keine sind.<br />

In Verhandlungen bedeutet das, dass selbst um kleine Dinge oder<br />

Punkte, an denen das eigene Nachgeben eigentlich keinen Nachteil<br />

darstellt, hart gefeilscht wird. Der Trick besteht darin, dass so Nebenkriegsschauplätze<br />

eröffnet werden, wo eigentlich keine sind. Dadurch,<br />

dass aber über diese Punkte diskutiert wird, soll die andere Partei denken,<br />

dass es sich um einen sehr wichtigen Punkt handelt. Gibt die Drama-Queen<br />

dann an diesem Punkt nach, fühlt sich das für den Verhand-<br />

199


lungspartner wie ein Sieg an. Natürlich wird dieses Nachgeben aber<br />

beim nächsten Verhandlungspunkt ausgespielt.<br />

Auch diese Technik ist im normalen Verhalten mancher Menschen verwurzelt.<br />

Sie schenken einfach nichts weg und machen um alles, was man<br />

von ihnen will, viel Aufhebens. Auf Dauer ist das sehr unangenehm. Was<br />

können Sie tun? Bleiben Sie vorerst cool, formulieren Sie aber bestimmt<br />

und freundlich Ihr Anliegen als Auftrag. Bleibt Ihr Verhandlungspartner<br />

im Laufe Ihrer Geschäftsbeziehung bei seinem Drama-Queen-Gehabe,<br />

dann ist ein grundsätzliches Gespräch über die Zusammenarbeit fällig.<br />

Definieren Sie darin die beruflichen Absprachen und was von wem zu<br />

tun ist. Machen Sie auch klar, dass Sie bei Kleinigkeiten nicht weiterhin<br />

so viel Aufhebens zulassen werden, sondern flexibles Entgegenkommen<br />

erwarten. Lässt sich das Verhalten nicht abstellen, dann prüfen Sie,<br />

inwieweit Sie Kraft und Nerven in dieses Vorgehen investieren müssen.<br />

Möglicherweise ist es einfacher, sich einen Geschäftspartner zu suchen,<br />

der seine Energie auf das Ergebnis und nicht in das Drama lenkt.<br />

Eine höhere Instanz anrufen<br />

Beispiel:<br />

Stellen Sie sich vor, Sie wollen bei Ihrer Bank einen Aktienfonds kaufen.<br />

Wie bei solchen Fonds üblich, hat der von Ihnen gewünschte Fonds eine<br />

Kostenkomponente von 4 Prozent. Da Ihnen das zu teuer ist, diskutieren<br />

Sie <strong>mit</strong> Ihrem Bankberater darüber, dass Sie nur bereit seien, den Kauf<br />

abzuschließen, wenn er Ihnen bei den Kosten auf 2 Prozent entgegenkomme.<br />

Was wird passieren? Wenn Ihr Bankberater nicht sofort nachgeben<br />

möchte, wird er vielleicht die Karte »Höhere Instanz« ziehen und<br />

sagen: »Oh, da werde ich <strong>mit</strong> der Filialleitung reden müssen.« Und dies<br />

unabhängig davon, ob sein Kompetenzspielraum wirklich ausgeschöpft<br />

200<br />

ist oder nicht. Ob er dann Ihren Wunsch wirklich <strong>mit</strong> der Filialleitung<br />

bespricht oder nur kurz einen Kaffee trinken geht, können Sie nicht wissen.<br />

Nach einer angemessenen Zeit wird er zu Ihnen zurückkommen und<br />

Ihnen sagen, dass 2 Prozent leider nicht möglich seien, aber er für Sie<br />

bei der Filialleitung eine Reduktion des Ausgabeaufschlags auf 3 Prozent<br />

habe herausholen können.<br />

Was lernen Sie daraus? Immer, wenn eine höhere Instanz einbezogen<br />

wird, schließt der Gesprächspartner daraus, dass er über die Kompetenzen<br />

seines Verhandlungspartners hinaus Forderungen stellt und <strong>mit</strong> seinem<br />

Reduktionswunsch oberhalb der Normalität liegt. Gewährt die höhere<br />

Instanz nun einen Nachlass, wird <strong>dem</strong> Gesprächspartner dadurch<br />

signalisiert, dass dieser Nachlass das maximale Entgegenkommen ist.<br />

Eine höhere Instanz kann sowohl ein Teamleiter, Geschäftsführer oder<br />

Vorstand wie auch eine andere Abteilung sein. In Verhandlungen hören<br />

Sie vielleicht Sätze wie: »Was Sie fordern, geht über meinen persönlichen<br />

Spielraum hinaus. Da muss ich erst <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Vorstand sprechen.<br />

Ich rufe Sie dann an, wenn ich mehr weiß.« Klar ist: In größeren Verhandlungen<br />

als <strong>dem</strong> obigen Beispiel müssen eventuell weitere Personen<br />

tatsächlich noch grünes Licht geben, doch oft genug ist auch das<br />

nur ein strategischer Schachzug.<br />

Schützen können Sie sich davor, in<strong>dem</strong> Sie bereits zum Start der Verhandlung<br />

fragen, ob der andere zu den zu verhandelnden Themen in<br />

vollem Umfang entscheidungsberechtigt ist. Dann wissen Sie über die<br />

Kompetenzen Bescheid und können Ihre Strategie darauf aufbauen. Verschanzt<br />

Ihr Gesprächspartner sich hinter einer höheren Instanz, dann<br />

ist es sinnvoll, zu klären, wie er die Sache beurteilt. Schließlich wird er<br />

gegenüber seinem Vorgesetzten das Thema vertreten. Daher sollten Sie<br />

herausfinden, ob er persönlich ein positives Votum abgeben wird. Dazu<br />

passt zum Beispiel die Frage: »Verstehe ich Sie richtig: Sie persönlich<br />

finden das, was wir besprochen haben, gut und fair?« Bekommen Sie<br />

201


auf diese Frage Zustimmung, dann können Sie weiter fragen: »Und folgt<br />

Ihre Geschäftsführung normalerweise Ihren Vorschlägen?« Oder: »Und<br />

aus Ihrer Erfahrung heraus: Ist das eine Lösung, die die Geschäftsführung<br />

auch <strong>mit</strong>tragen wird?« Nun wird es für Ihr Gegenüber schwierig,<br />

später einen Rückzieher zu machen.<br />

Wenn Sie noch einen Schritt weitergehen wollen, dann achten Sie<br />

doch in solchen Fällen einmal darauf, ob in diesem Zusammenhang von<br />

einer Person oder von einer Personengruppe, also von einem »Chef«<br />

oder von »der Geschäftsführung«, gesprochen wird. Wenn nur von einer<br />

Person gesprochen wird und Ihr Verhandlungsthema es erlaubt, können<br />

Sie den Prozess auch abkürzen, in<strong>dem</strong> Sie anbieten, Ihren Verhandlungspartner<br />

für ein Gespräch <strong>mit</strong> seinem Chef kurz alleine zu lassen,<br />

da<strong>mit</strong> das Thema sofort geklärt werden kann. Das spart Zeit.<br />

Tipp:<br />

Wenn Sie selbst die Methode der höheren Instanz in Ihren Verhandlungen<br />

anwenden, seien Sie doppelt vorsichtig. Was schließt Ihr Gegenüber,<br />

wenn Sie immer Ihren Vorgesetzten fragen müssen? Richtig, dass<br />

Sie selbst nicht die alleinige Entscheidungsbefugnis haben. Wundern<br />

Sie sich also nicht, wenn Ihr Kunde irgendwann nur noch <strong>mit</strong> Ihrem<br />

Vorgesetzten sprechen möchte. Ist Ihnen darüber hinaus schon aufgefallen,<br />

dass die Vorgesetzten dann oft noch einmal etwas nachlassen?<br />

Warum eigentlich? Viel interessanter wird es, wenn der Vorgesetzte<br />

dazukommt und dann so etwas sagt wie: »Dieses Angebot haben Sie<br />

gemacht, Frau Schneider? Das machen wir doch sonst nie. Darüber<br />

reden wir später noch mal in Ruhe. Aber gut, Herr Geschäftspartner,<br />

nach<strong>dem</strong> meine Mitarbeiterin Ihnen das angeboten hat, stehen wir natürlich<br />

zu unserem Wort. Das ist unser bestes Angebot!« Jetzt weiß Ihr<br />

Geschäftspartner: Frau Schneider hat wirklich alle Spielräume genutzt<br />

und für mich das Beste herausgeholt! Sie ist meine Ansprechpartnerin!<br />

202<br />

Einige Einschüchterungstaktiken<br />

Die Taktik der Einschüchterung hat viele Gesichter. Stellen Sie sich zum<br />

Beispiel vor, Sie sitzen vor <strong>dem</strong> Büro Ihres Geschäftspartners, Ihr Termin<br />

ist für 14 Uhr angesetzt. Zwanzig Minuten vergehen, und Sie warten<br />

noch immer. Wer hat gerade die Macht? Nach<strong>dem</strong> die Sekretärin Sie<br />

endlich hineinlässt, sieht Ihr Geschäftspartner Sie nicht an, arbeitet weiter<br />

und sagt zu seiner Assistenz: »In den nächsten zehn Minuten möchte<br />

ich nicht gestört werden.« Wie fühlen Sie sich in diesem Moment? Die<br />

meisten Menschen beantworten die Frage da<strong>mit</strong>, dass sie sich unterlegen<br />

fühlen, denn in fremden Räumlichkeiten liegt es in der Hand des<br />

Hausherrn, über Zeit, Ort und Durchführung zu bestimmen. All dies sind<br />

klare Versuche der Machtausübung. Jemanden warten zu lassen, kann<br />

eine Taktik sein, die mürbemacht. Viel deutlicher, als Worte es sagen<br />

können, signalisiert Ihr Gesprächspartner: Ich bestimme, wann und wie<br />

lange wir <strong>mit</strong>einander reden. Dies ist sicherlich kein wertschätzender<br />

Gesprächseinstieg, aber er wird Wirkung zeigen.<br />

Sie sind nun gefordert, sich auf die Situation einzustellen. Auch wenn<br />

Sie sich angegriffen fühlen: Durch eine Machtgeste Ihrerseits kämen Sie<br />

nur in einen Schlagabtausch, dessen unrühmliches Ende vorhersehbar<br />

ist. Eine professionelle Reaktion ist, freundlich zu bleiben. Klären Sie als<br />

Erstes den zur Verfügung stehenden Zeitraum, zum Beispiel <strong>mit</strong> der Bemerkung,<br />

dass Sie nun doch etwas mehr Zeit haben und für dieses wichtige<br />

Thema 20 Minuten Zeit benötigen. Schließen Sie <strong>mit</strong> der Frage ab:<br />

»Passt Ihnen das? Haben wir die 20 Minuten Zeit, die wir benötigen?«<br />

Sprechen Sie die zehn Minuten, die Ihr Verhandlungspartner seiner Sekretärin<br />

gegenüber erwähnt hat, nicht noch einmal an, überhören Sie<br />

das einfach und nehmen Sie durch Ihren Gegenvorschlag die Struktur<br />

des Gespräches wieder in Ihre Hand.<br />

Ein weiteres Gesicht dieser Taktik ist, <strong>dem</strong> Gast einen unbequemen<br />

Platz zuzuweisen. Sitzt der Verhandlungspartner selbst an seinem<br />

203


Schreibtisch, kann das ein wesentlich niedrigerer Stuhl oder Sessel<br />

sein, der den Kontrahenten in eine unvorteilhafte Sitzhaltung bringt.<br />

Ebenfalls beliebt ist, den Besucher so zu setzen, dass ihm die Sonne<br />

durch das Fenster ins Gesicht scheint. Dadurch wird er nicht nur geblendet,<br />

was natürlich unangenehm ist, sondern es erschwert auch den Blick<br />

in das Gesicht des Verhandlungspartners, sodass alle Informationen,<br />

die normalerweise aus der Mimik abgeleitet werden können, fehlen. Dadurch<br />

wird es schwieriger, die emotionale Komponente des Gesprächs<br />

zu erfassen.<br />

Eine solche Situation können Sie auflösen, in<strong>dem</strong> Sie Ihre unkomfortable<br />

Sitzposition nicht tolerieren, sondern ansprechen. Sorgen Sie<br />

immer gut für sich. Setzen Sie sich in Verhandlungen so, dass Sie sich<br />

wohlfühlen. Ja, vielleicht weist man Ihnen einen unbequemen Platz<br />

zu, aber es steht nirgendwo geschrieben, dass Sie diesen auch annehmen<br />

müssen. Haben Sie den Mut, im Sinne einer erfolgreichen<br />

Verhandlung die Situation anzusprechen: »Wissen Sie, wenn ich hier<br />

sitze, dann blendet mich die Sonne. In unserer Verhandlung würde<br />

ich Ihnen gerne ins Gesicht sehen können. Ist es in Ordnung für Sie,<br />

wenn ich mich auf einen anderen Platz setze?« Die Frage ist dabei als<br />

rhetorische Frage zu verstehen. Stellen Sie diese, während Sie bereits<br />

auf <strong>dem</strong> Weg zu Ihrem neuen, besseren Sitzplatz sind und da<strong>mit</strong> Fakten<br />

schaffen.<br />

Ebenfalls eine Machtgeste ist das »Sekretärinnenspiel«. Wer eine<br />

Sekretärin hat, zeigt schon da<strong>mit</strong> seinen Status. Oft gehen diese Geschäftspartner<br />

nicht selbst ans Telefon, sondern die Sekretärin oder<br />

Assistentin übernimmt diesen Job. Und gerade in wichtigen Angelegenheiten<br />

wird die Assistentin Sie nicht spontan zu Ihrem Gesprächspartner<br />

durchstellen, sondern es wird immer ein Rückruf erfolgen. So wird der<br />

Zeitpunkt des Telefonates vom Geschäftspartner bestimmt, das ist der<br />

symbolische Anteil. Gleichzeitig ermöglicht dies Ihrem Geschäftspartner,<br />

bestens vorbereitet und in Ruhe den Telefontermin wahrzunehmen.<br />

204<br />

In der Folge sind Sie derjenige, der gezwungen ist, auf einen Rückruf zu<br />

warten, müssen vielleicht bei Eingang des Rückrufs eine andere wichtige<br />

Besprechung unterbrechen, um spontan für das Gespräch zur Verfügung<br />

zu stehen. Konfrontiert <strong>mit</strong> dieser Situation, können Sie der Sekretärin<br />

ein Zeitfenster nennen, in <strong>dem</strong> Sie weiterhin an Ihrem normalen Arbeitsplatz,<br />

also in Ihrer vollen Präsenz, erreichbar sind. Eine weitere Möglichkeit<br />

ist, das Sekretärinnenspiel bei Ihrem Verhandlungspartner anzusprechen<br />

und sich seine Durchwahl geben zu lassen. Alternativ spielen<br />

Sie dieses Spiel einfach nicht <strong>mit</strong> und stehen bei Rückrufen ebenfalls<br />

nicht sofort für ein Gespräch bereit.<br />

Der strategische Rückzug<br />

Beispiel:<br />

Ein Bekannter von mir ist ein harter Verhandler. Mit allen Wassern gewaschen,<br />

versucht er, wo es nur geht, zu pokern und zu feilschen. Nach<br />

einem Autokauf erzählte er mir die folgende Geschichte: Wie es so seine<br />

Art war, hatte er bei den Verhandlungen den Verkäufer des Autohauses<br />

in mehreren Gesprächen sowohl von seinem Wunsch, einen bestimmten<br />

Wagen zu kaufen, überzeugt wie auch davon, dass er nichts unversucht<br />

lassen werde, den Preis zu drücken. In der letzten Verhandlungsrunde, er<br />

wollte gerade dazu ansetzen, noch ein zusätzliches Geschenk aus der im<br />

Verkaufsraum stehenden Vitrine auszuhandeln, stand ihm der Verkäufer<br />

<strong>mit</strong> einem niedergeschlagenen Gesicht gegenüber. Er forderte meinen<br />

Freund auf, sich zu setzen, und erklärte ihm dann Folgendes: »Es ist mir<br />

wirklich peinlich, aber ich habe noch einmal Ihr Auto durchkalkuliert. Leider<br />

ist mir an einer Position ein Fehler unterlaufen, wodurch mein letztes<br />

Angebot schon zu niedrig war. Da<strong>mit</strong> ist Ihr Kaufpreis nun niedriger, als<br />

ich eigentlich gehen darf.« Nach einer Schweigepause machte er weiter<br />

205


und sagte: »Aber ich habe das bereits intern besprochen, und ich stehe<br />

zu meinem Wort. Für den genannten Preis können Sie den Wagen<br />

haben.« Mein Bekannter kaufte das Auto, ohne weiterzuverhandeln, und<br />

er erzählte mir später: »Ich frage mich im Nachhinein, war es ein Vorwand<br />

oder hat er sich wirklich verrechnet? Egal, wie die Wahrheit aussieht, als<br />

Vorgehen bei Verhandlungen ist das genial. Diese Taktik merke ich mir!«<br />

Ob der Verkäufer sich wirklich verrechnet hat, wissen wir bis heute nicht.<br />

Doch die Geschichte zeigt, wie man Grenzen setzen kann, in<strong>dem</strong> man<br />

die Technik »Strategischer Rückzug« bewusst verwendet. Denn erkennt<br />

er die Technik nicht, führt sie beim Käufer entweder zu einem schlechten<br />

Gewissen, sodass er nicht weiterverhandeln wird. Wenn der Verkäufer<br />

einem schon zu weit entgegengekommen ist, dann erübrigt sich schließlich<br />

jede Frage nach einem weiteren Rabatt. Oder der Käufer ist stolz auf<br />

seine Verhandlungstaktik, <strong>mit</strong> der er offensichtlich den Verkäufer dazu<br />

gebracht hat, mehr Rabatt zu geben als üblich. Und wenn das erreicht<br />

ist, dann ist auch das Maximalziel erreicht.<br />

Natürlich ist das keine Methode, die man als Verkäufer wieder und<br />

wieder anwenden kann. Schließlich möchte man den eigenen Ruf nicht<br />

gefährden, und im Normalfall sollte ein Verkäufer wissen, wie er Preise<br />

kalkuliert, und sie auch einhalten. Doch auch hier gilt: So etwas passiert<br />

im Geschäftsleben manchmal. Ganz mutige Verhandler stehen vielleicht<br />

nicht einmal zu ihrem letzten Preis, sondern ziehen sich – ohne einen<br />

Fehler einzugestehen – von ihm zurück und bieten wieder einen höheren<br />

Preis an.<br />

Wenn Sie hart weiterverhandeln oder prüfen wollen, ob wirklich das<br />

letzte Wort gesprochen ist, dann können Sie darauf freundlich lächelnd<br />

antworten: »Das ist prima, dass Sie zu Ihrem Wort stehen, doch ich<br />

brauche einen Preis von …« Oder auch: »Das ist sehr schade. Meine Vorstellung<br />

ist, dass wir uns bei … Euro treffen. Welche Parameter können<br />

wir verändern, da<strong>mit</strong> wir meinen Preis hinbekommen?«<br />

206<br />

Dann eben nicht<br />

Beispiel:<br />

Vor Kurzem suchten mein Verlobter und ich eine schöne Event-Location<br />

für unsere Hochzeitsfeier. Nach<strong>dem</strong> wir uns einige Hotels und Veranstaltungsräume<br />

angesehen hatten, waren wir endlich fündig geworden.<br />

Und als wir im Hotel unserer Wahl noch einmal zu Abend gegessen hatten,<br />

stand die Entscheidung fest. Daraufhin wollte ich so schnell wie<br />

möglich die Details klären und in die weitere Planung einsteigen. Leider<br />

war es Samstagabend, und das Hotel nebst Restaurant war sehr gut besucht.<br />

Trotz<strong>dem</strong> ging ich zur Rezeption, um mich bezüglich eines möglichen<br />

Termins für unsere Hochzeitsfeier zu erkundigen. Nach<strong>dem</strong> ich<br />

der Dame am Empfang meine Begeisterung geschildert hatte, wollte sie<br />

mich zuerst auf ein Telefonat in der nächsten Woche vertrösten. Sicher<br />

sah sie mir zu diesem Zeitpunkt an, wie sehr ich genau dieses eine Hotel<br />

buchen wollte. Aus Erfahrung weiß ich aber, dass man solche Terminabsprachen<br />

besser persönlich macht. Außer<strong>dem</strong> wollte ich das Hotel und –<br />

zugegeben – auch seine Servicequalitäten testen. Also sagte ich zu ihr:<br />

»Wir wollten eigentlich bei Ihnen unsere Hochzeitsfeier ausrichten, aber<br />

unter den Umständen lasse ich das dann wohl besser.« Nach fünf Minuten<br />

erschien die Dame der Event-Abteilung, um <strong>mit</strong> mir Terminalternativen<br />

zu erörtern und ein persönliches Kennenlerngespräch zu führen.<br />

»Dann eben nicht« ist eine strategische Rückzugstaktik. In meiner Euphorie,<br />

endlich den richtigen Ort für die Hochzeit gefunden zu haben,<br />

war ich anfänglich in die Begeisterungsfalle getappt und hatte dadurch<br />

meine Verhandlungsposition geschwächt. Doch insbesondere wenn<br />

der andere sich bereits in Sicherheit wiegt, ist der Überraschungseffekt<br />

groß, wenn plötzlich die Drohung im Raum steht, das schon gewitterte<br />

Geschäft wieder zu verlieren.<br />

207


Ich habe bei diesem Vorgehen immer eine Zeichentrickgeschichte<br />

von Tick, Trick und Track im Kopf. Tick, Trick und Track sind in ihrem<br />

Haus, und der böse Wolf versucht, in das Haus einzubrechen. Er holt<br />

sich einen großen Baumstamm und rennt da<strong>mit</strong> wieder und wieder gegen<br />

die Haustür der drei. Als er erneut Anlauf nimmt, öffnen Tick, Trick<br />

und Track im gleichen Moment die Haustür und ebenso auf der gegenüberliegenden<br />

Seite die Hintertür. Auf diese Weise rennt der böse Wolf<br />

<strong>mit</strong> voller Wucht in das Haus und sofort wieder hinaus.<br />

Ähnlich ist der Überraschungseffekt bei dieser Methode. Der andere<br />

wähnt sich am Ziel, und just in diesem Moment nimmt man ihm alles<br />

wieder weg. Da Menschen ungern wieder abgeben, was sie einmal besessen<br />

haben, lässt sich da<strong>mit</strong> die eigene Verhandlungsposition schnell<br />

wieder aufwerten.<br />

Im Leben des anderen wichtige Menschen oder Dinge einbeziehen<br />

208<br />

Beispiel:<br />

Normalerweise sind die Rollen in der Automobilindustrie klar verteilt.<br />

Die großen Automobilkonzerne bestellen die nötigen Teile für den Bau<br />

ihrer Wagen bei Zulieferern. Die Großkonzerne verfügen dabei über eine<br />

große Marktmacht und sind dafür bekannt, <strong>mit</strong> Zulieferern nicht gerade<br />

zimperlich umzugehen, sprich: Preise und Abnahmebestimmungen<br />

weitgehend zu diktieren. Umso außergewöhnlicher war, was im Jahr<br />

2016 passierte, als VW eine Entwicklungskooperation <strong>mit</strong> zwei seiner<br />

Zulieferer aus der Prevent-Gruppe beendete, denn in diesem Fall bestanden<br />

die Zulieferer auf der Zahlung einer Schadensersatzsumme von<br />

58 Millionen Euro für die einseitig beendete Entwicklungskooperation.<br />

VW erklärte diese Forderungen für nicht »nachvollziehbar«, teils »dubios«<br />

und »sittenwidrig« und war nicht zu Verhandlungen über Schadensersatz<br />

bereit. Die Zulieferfirmen stellten daraufhin die Lieferung von Getriebeteilen<br />

ein. Da Automobilhersteller just in time produzieren, also<br />

nicht über große Lagerbestände für solche Teile verfügen, sind sie auf<br />

die zeitgenaue Lieferung angewiesen. Als Folge stand die Produktion in<br />

sechs VW-Werken still. Der durch die selbst verschuldete Abgasaffäre<br />

ohnehin schwer angeschlagene Konzern musste in sechs betroffenen<br />

Werken insgesamt mehr als 20.000 Beschäftigte in Zwangsurlaub schicken.<br />

Es war ein riskantes Pokerspiel der Prevent-Gruppe, aber der<br />

Druck auf den Konzern war dadurch so groß, dass dieser an den Verhandlungstisch<br />

zurückkehrte. Denn Opfer des Konfliktes war nun nicht<br />

mehr ausschließlich der VW-Konzern, den jeder Tag ohne Produktion<br />

teuer zu stehen kam, sondern auch die 20.000 Arbeitnehmer, auf deren<br />

Rücken der Konflikt ausgetragen wurde. Man kann sicher darüber streiten,<br />

ob in unserem Rechtsstaat der Weg der Klärung nicht besser über<br />

das Gericht hätte gehen sollen, doch wurden die Verhandlungen nach<br />

diesem Vorgehen sehr schnell wieder aufgenommen, und es gab eine<br />

Einigung der beiden Parteien, über die hier leider nicht berichtet werden<br />

kann, da darüber Stillschweigen vereinbart wurde.<br />

Das ist ein interessantes Beispiel aus der aktuellen deutschen Wirtschaftsgeschichte,<br />

das <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kampf von David gegen Goliath verglichen<br />

werden kann. Auch ein scheinbar unterlegener Partner kann die<br />

Oberhand gewinnen, wenn er wichtige Dinge im Leben des anderen in<br />

die Verhandlungen einbezieht. Ebenso hat David sich von der körperlichen<br />

Übermacht des Goliaths nicht einschüchtern lassen, sondern<br />

einen Weg gefunden, den Hünen zu besiegen.<br />

Wenn sich zwei ungleich starke Kontrahenten im Kampf am Verhandlungstisch<br />

befinden, kann die Methode »Im Leben des anderen wichtige<br />

Menschen oder Dinge einbeziehen« in zwei Ausprägungen angewendet<br />

werden. Als Erstes kann man auf den Schwachpunkt des Gegners zielen.<br />

209


Das kann – wie im Fall VW – die bedarfssynchrone Lieferung sein. Jeder<br />

Tag kostete VW dadurch nicht nur richtig Geld, sondern auch die Mitarbeiter<br />

hatten die Konsequenzen des Vorgehens des Konzerns zu tragen.<br />

Man kann sich vielleicht vorstellen, wie gereizt die Stimmung unter<br />

der Belegschaft war, als sie in Zwangsurlaub geschickt wurde, oder welche<br />

Gespräche die Mitarbeiter konzernweit dazu <strong>mit</strong> ihren Vorgesetzten<br />

führten. Auch dieser immaterielle Schaden ist nicht zu vernachlässigen.<br />

Da diese Verhandlungstaktik außerhalb des eigentlichen Spielfeldes<br />

stattfindet, also auch unbeteiligte Dritte betrifft, kann sie sehr gefährlich<br />

sein. Man führt die andere Partei da<strong>mit</strong> vor, im Fall von VW sogar<br />

öffentlichkeitswirksam über die Presse vor der ganzen Welt. Wenn Sie<br />

diese Taktik anwenden möchten, überlegen Sie sich in je<strong>dem</strong> Fall gut,<br />

welche Konsequenzen Ihr Handeln nach sich zieht und inwieweit Sie<br />

weiterhin auf das Wohlwollen des Geschäftspartners angewiesen sind,<br />

denn es kann danach schwer werden, das beschädigte Vertrauen wieder<br />

aufzubauen.<br />

In der zweiten Spielart kann die Methode »Beziehe wichtige Menschen<br />

im Leben des anderen <strong>mit</strong> ein« genutzt werden, in<strong>dem</strong> dritte<br />

Personen, zum Beispiel Meinungsbildner, auf die eigene Seite gezogen<br />

werden, um den Druck zu erhöhen. Dieses Vorgehen kennen wir alle<br />

seit unserer Kindheit: Wenn die Mutter zu <strong>dem</strong> anvisierten Discobesuch<br />

nicht Ja sagt, dann wird eben der Vater gefragt. Vielleicht erlaubt er den<br />

Besuch, und schon sind wir gefühlt in der Mehrheit und haben unsere<br />

Verhandlungsposition gestärkt. In Unternehmen wird bei unterschiedlichen<br />

Meinungen gerne von einer Partei der nächsthöhere Vorgesetzte<br />

vorab von den eigenen Argumenten überzeugt und da<strong>mit</strong> in eine Richtung<br />

gedrängt.<br />

210<br />

Give-aways als Rabattersatz<br />

Beispiel:<br />

An den ibizenkischen Stränden haben sich in den letzten Jahren kleine<br />

Strandboutiquen etabliert, in denen es ausgefallene Mode für Strand<br />

und Stadt zu kaufen gibt. In meinem letzten Urlaub dort wurde ich Zeugin<br />

folgender Verhandlung: Die Kundin vor mir interessierte sich für<br />

eine Fellweste, die 100 Euro kosten sollte. Sie drehte und wendete sich<br />

<strong>mit</strong> dieser Weste vor <strong>dem</strong> in der Strandboutique angebrachten Spiegel<br />

und mäkelte ein wenig an der aus ihrer Sicht schlechten Verarbeitung<br />

herum, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Irgendwann sagte sie:<br />

»Für 80 Euro nehme ich die Weste.« Der Verkäufer gab ihrem Rabattwunsch<br />

zuerst nicht nach. Nach<strong>dem</strong> die Kundin ebenfalls hart blieb und<br />

ihr Angebot von 80 Euro erneuerte, sagte er: »Preislich entgegenkommen<br />

kann ich Ihnen nicht, doch ich gebe Ihnen gerne noch eine Baseballkappe<br />

dazu. Die hat ebenfalls einen Wert von 20 Euro.«<br />

Das Prinzip »Give-aways als Ersatz für Rabatt« nutzt aus, dass Waren<br />

oder Dienstleistungen im Einkauf weniger kosten als im Verkauf. Die<br />

Baseballkappe kostet unseren Strandverkäufer im Einkauf vielleicht<br />

3 Euro. Ein Käufer müsste dafür aber 20 Euro bezahlen. Unser Strandverkäufer<br />

nimmt also einen kleinen entgangenen Gewinn für die Baseballkappe<br />

in Kauf, doch unterm Strich hat er für die Fellweste nur 3 Euro<br />

Rabatt gegeben und 100 Euro Umsatz gemacht. Die Käuferin wiederum<br />

hat zwar nicht weniger bezahlt, aber doch einen Sieg in der Verhandlung<br />

errungen, in<strong>dem</strong> sie wenigstens die Baseballkappe für sich heraushandeln<br />

konnte, und im Eifer des Gefechts hat sie offensichtlich gar nicht<br />

gemerkt, dass die Kappe den Verkäufer keine 20 Euro gekostet hat. Auf<br />

jeden Fall wird sie die Strandboutique <strong>mit</strong> einem besseren Gefühl verlassen<br />

haben, als wenn sie gar keinen Rabatt erhalten hätte.<br />

211


In jeder Branche gibt es Give-aways, die als Rabattersatz eingesetzt<br />

werden können. In Hotels ist dies das kostenlose Upgrade auf ein besseres<br />

Zimmer oder ein kostenloses Frühstück. Steht das im Upgrade<br />

enthaltene bessere Zimmer ohnehin leer, kostet es den Hotelier nur den<br />

entgangenen Gewinn. Und ein zusätzlicher Esser am Frühstücksbuffet<br />

wird nicht weiter auffallen. Im Autohaus wäre es die zusätzliche Inspektion,<br />

die den Autobesitzer im Originalpreis wesentlich mehr kosten würde<br />

als das Autohaus.<br />

Es ist daher sinnvoll, für das eigene Business eine Auswahl an möglichen<br />

Give-aways parat zu haben. Es gibt immer Möglichkeiten, <strong>dem</strong><br />

Verhandlungspartner entgegenzukommen oder ihm etwas zu schenken,<br />

das einen selbst wenig kostet.<br />

Eine im Jahr 2002 publizierte Studie von David Strohmetz von der<br />

Monmouth University zeigt eindrucksvoll, welche Wirkung es hat, Menschen<br />

etwas zu schenken, das einen selbst wenig kostet. Er untersuchte<br />

in dieser Studie, ob Menschen bereit waren, höhere Trinkgelder zu geben,<br />

wenn sie zu ihrem Kaffee Pralinen serviert bekamen. Das Ergebnis<br />

der Studie zeigt, dass eine kostenlos zum Kaffee dazugelegte Praline<br />

eine Trinkgelderhöhung von 3,3 Prozent brachte und das Geld der Kunden<br />

noch lockerer saß, wenn statt einer Praline zwei Pralinen den Kaffee<br />

begleiteten. Die Erhöhung des Trinkgeldes stieg dann auf 14,1 Prozent<br />

an. Richtig interessant wurde es aber dann, wenn die Kunden den Eindruck<br />

hatten, dass sie etwas erhielten, das nicht jeder angeboten bekam,<br />

sie also das entscheidende Quäntchen mehr bekamen. Strohmetz<br />

baute den Versuch so auf, dass er den Besuchern des Cafés zunächst<br />

eine Praline zu ihrem Kaffee dazulegte, der Kellner sich dann besann<br />

und eine zweite Praline nachlegte, sodass es aussah, als hätte er sich<br />

individuell in diesem Moment dazu entschieden, etwas mehr als üblich<br />

zu verteilen. Das Ergebnis: In dieser Situation stieg das Trinkgeld um 23<br />

Prozent an. Wie schon das Sprichwort sagt: Kleine Geschenke erhalten<br />

die Freundschaft.<br />

212<br />

Ein kriminelles Beispiel: Spiel <strong>mit</strong> der Wahrnehmung<br />

Als letztes Beispiel möchte ich Ihnen eine Manipulation der gemeinsten<br />

Sorte vorstellen, bei der verschiedene Tricks kombiniert werden. Hier<br />

haben wir es <strong>mit</strong> einer klaren Betrugsabsicht und krimineller Energie<br />

zu tun. Ich bringe das Beispiel, um zu zeigen, wie die Kombination von<br />

Tricks wirken kann und wie schnell man darauf hereinfällt, wenn man<br />

nicht sehr, sehr vorsichtig ist. Dieses Beispiel ist unter der Überschrift<br />

»Schützen Sie sich davor!« zu verstehen. Die Nachahmung wird absolut<br />

nicht empfohlen, da es unseren Werten und ethischen Ansichten widerspricht.<br />

Beispiel:<br />

Auch im besten Haushalt kommt es einmal vor, dass ein Abfluss verstopft<br />

ist. Und so passierte es mir, dass in unserem Haus im Küchenabfluss<br />

das Wasser immer wieder fünf Zentimeter hoch in der Spüle stehen<br />

blieb. Zu diesem Zeitpunkt war meine Mutter im Krankenhaus, das<br />

nächste Seminar stand kurz bevor, und mein Mann lag krank im Bett.<br />

Mit anderen Worten: Ich hatte weder Zeit noch Lust, mich um den Abfluss<br />

zu kümmern. Das Ding sollte einfach funktionieren. Um das Problem<br />

zu beheben, suchte ich mir im Internet einen Anbieter aus meinem<br />

Wohnort aus, da<strong>mit</strong> ich die heimischen Handwerker unterstützen<br />

konnte, und machte einen Termin aus. Knapp zwei Stunden später war<br />

der Anbieter da. Der junge Mann erklärte mir, dass er nun den Abfluss<br />

befreien werde. Er schlug noch eine Grundreinigung der Leitung vor, um<br />

sicherzustellen, dass das so schnell nicht wieder passierte. Auf seine<br />

Frage, wann ich das letzte Mal eine Grundreinigung habe machen lassen,<br />

fiel mir zwar noch eine Nachfrage ein: »Ist das nötig?« Aus seiner<br />

Sicht auf jeden Fall! Er fragte, ob ich wisse, wie viel das koste. Ich ließ<br />

es mir gerne erklären, und er gab mir die folgenden Preise an: 40 Euro<br />

213


214<br />

als Grundpreis, 25,50 Euro für die Beseitigung der Verstopfung und<br />

22 Euro für die Grundreinigung inklusive einer Garantie für die nächsten<br />

drei Jahre. Während ich die Zahlen im Kopf überschlug, fügte er hinzu:<br />

»Und die Mehrwertsteuer kommt dann noch drauf.« Ich kam auf knapp<br />

über 100 Euro inklusive Mehrwertsteuer und fand diesen Preis genauso<br />

fair wie die Information, dass ich an die Mehrwertsteuer denken solle.<br />

Daher beauftragte ich ihn und sagte: »Okay, dann man los.« Schließlich<br />

hatte ich es eilig, und wenn schon mal eine Reinigung sein muss, dann<br />

gerne so gründlich, dass ich für die nächsten Jahre Ruhe habe. Er arbeitete<br />

ca. 50 Minuten an <strong>dem</strong> Abfluss, und dann kam etwas, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> ich<br />

absolut nicht gerechnet hatte. Er präsentierte mir die Rechnung in der<br />

folgenden Form: »Ihre Rohre sind bis zur Hauswand zehn Meter lang.<br />

Das macht dann für Sie die 40 Euro Grundpreis, plus die Beseitigung<br />

der Verstopfung auf zehn Meter mal 25,50 Euro, zuzüglich der Grundreinigung<br />

von zehn Meter mal 22 Euro. Das entspricht 515 Euro, und plus<br />

Mehrwertsteuer bekomme ich dann 612,85 Euro von Ihnen.« Es passiert<br />

mir selten: Aber in diesem Moment war ich sprachlos.<br />

Ich wusste sofort, was passiert war. Natürlich hatte er mir den richtigen<br />

Preis gesagt, aber das »pro Meter« weggelassen. Doch wie sollte<br />

ich das jetzt noch beweisen? Natürlich sprach ich das an – und bekam<br />

als Antwort: »Da<strong>mit</strong> sagen Sie, ich lüge, gute Frau. Ich erzähle das jeden<br />

Tag x-mal, ich sage das immer.« Natürlich bemerkte ich die Inszenierung.<br />

Seine Aufregung war gespielt, seine Mimik drückte keine Reue oder Zorn<br />

aus. Mir war klar: Das ist seine Masche, er macht das immer so. Da hatte<br />

ich als 1,68 Meter große Frau einen 1,85 Meter großen, muskulösen<br />

Mann in meiner Küche stehen, und meine Gewissheit wuchs, dass ich es<br />

<strong>mit</strong> einem Betrüger zu tun hatte. Wahrlich kein schönes Gefühl. Und vor<br />

allem konnte ich ihm nicht beweisen, dass er das »pro laufenden Meter«<br />

in seiner Einstiegserklärung weggelassen hatte. Also versuchte ich, sein<br />

Gewissen zu erreichen: »Sie wollen mir jetzt nicht sagen, dass ich es <strong>mit</strong><br />

einem dieser Betrugsfälle zu tun habe, die ich normalerweise im TV unter<br />

›Verbraucherschutz‹ sehe, oder? Ich dachte, ich beauftrage bewusst<br />

eine Firma hier aus <strong>dem</strong> Ort, da<strong>mit</strong> das nicht passiert.« Ich bekam ein<br />

Schulterzucken und: »Das ist der Preis.« Mir schwante, dass die Firma<br />

auch nicht aus meinem Ort kam. Gut, dachte ich, probiere ich es <strong>mit</strong> der<br />

Zeitschiene: »Im Ernst, Sie sind seit 50 Minuten hier, fast 500 Euro für 50<br />

Minuten Arbeit – das ist nicht wirklich Ihr Ernst, oder?« Nach<strong>dem</strong> es eine<br />

Zeit lang so weiterging, bekam ich irgendwann die folgende Reaktion:<br />

»Was ich Ihnen anbieten kann, sind 350 Euro. Dafür gibt es dann aber<br />

keine Garantie!« Wieder war ich sprachlos, selbst Betrüger spielen die<br />

Karte »Kein Rabatt ohne Gegenrabatt«.<br />

Die Garantie war mir auf einmal völlig egal, Hauptsache, dieser unangenehme<br />

Mensch entfernte sich so schnell wie möglich aus meiner<br />

Küche! Doch 350 Euro waren mir noch immer zu viel. Kurz und gut – ich<br />

handelte ihn noch auf 250 Euro herunter, er versprach, mir eine Rechnung<br />

zuzusenden, sodass ich mir die 250 Euro steuerlich schönrechnen<br />

konnte. Ich schob ihn danach regelrecht vor die Tür und war froh, dass<br />

ich ihn los war. Die versprochene Rechnung kam nie an.<br />

Lassen Sie mich das Beispiel genau auseinandernehmen, denn es enthält<br />

eine ganze Sammlung von Verhandlungstaktiken:<br />

• Die geistige Brandstiftung und das Stellen von Problemfragen:<br />

Mit der kurzen Frage »Wann haben Sie denn das letzte Mal die<br />

Leitungen grundreinigen lassen?« hatte der Klempner mich in<br />

die Defensive gebracht. Er unterstellte durch die Frage, dass ich<br />

mich schon viel früher darum hätte kümmern müssen, und aufgrund<br />

meines schlechten Gewissens kaufte ich die Grundreinigung<br />

<strong>mit</strong> ein.<br />

• Bewusste Preisverschleierung durch eine undurchsichtige Preisgestaltung:<br />

Der Preis wurde absichtlich so gestaltet, dass ich<br />

215


ei der überschlägigen Rechnung auf einen fairen Preis von<br />

100 Euro kam und so die Reinigung beauftragte. Die Lüge, dass<br />

zu diesem Zeitpunkt keine Rede davon war, dass der Preis pro<br />

laufenden Meter galt, konnte ich nicht stichhaltig beweisen.<br />

Hier hätte es nur geholfen, wenn ich nach einem Komplettpreis<br />

gefragt hätte.<br />

• Eine undurchsichtige Abrechnungsgröße wählen: Wüssten Sie,<br />

wie viele Meter es von Ihrer Küchenspüle bis zur Hauswand im<br />

Kellergeschoss sind? Dadurch tappt jeder Kunde im Dunkeln.<br />

Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, statt der Abrechnung<br />

pro laufenden Meter einen Stundensatz zu vereinbaren.<br />

• Reduzierung von horrenden Preisen: Wenn der erste Preis unverschämt<br />

hoch war, dann kommt das Gefühl der Zufriedenheit<br />

schon auf, wenn sich der Kontrahent auf die Hälfte der verlangten<br />

Summe herunterhandeln lässt. Denn obwohl die Reduktion<br />

bereits 50 Prozent betrug, war der Preis <strong>mit</strong> 250 Euro immer<br />

noch viel zu hoch für die erbrachte Leistung.<br />

• Bei Konfrontation direkt in den verbalen Angriff gehen: Als ich<br />

den Schwindel aufdeckte, war seine Reaktion: »Sie wollen mir<br />

doch nicht unterstellen, dass ich lüge?« Da<strong>mit</strong> hatte ich den<br />

Schwarzen Peter, denn nun musste ich beweisen, dass seine<br />

Aussagen Lügen waren.<br />

• Die Preisangabe ohne Umsatzsteuer: Es ist ein alter Trick, die<br />

Umsatzsteuer bei Angeboten wegzulassen. Rechtlich ist das bei<br />

Geschäften <strong>mit</strong> Privatpersonen zwar nicht erlaubt, doch fällt man<br />

darauf herein, erhöht sich der Endpreis noch einmal um 19 Prozent!<br />

216<br />

• Versendung der Rechnung <strong>mit</strong> Umsatzsteuer nach Bezahlung<br />

der Ware: Der Preis wurde zwar <strong>mit</strong> Mehrwertsteuer berechnet,<br />

jedoch ohne, dass ich eine Rechnung erhalten habe. Ich denke,<br />

die Unterstellung, dass dieser Handwerker die 250 Euro als<br />

Schwarzgeld einkassiert hat, ist bei dieser Faktenlage gerechtfertigt.<br />

Wird die Einnahme nicht versteuert, lohnt es sich für den<br />

Handwerker umso mehr, während ich als Verbraucher die Kosten<br />

ohne Rechnung nicht steuerlich absetzen kann.<br />

Natürlich gibt es auch seriöse Firmen, die verstopfte Abflüsse reinigen.<br />

Die Chance, auf eine zu treffen, steigt, wenn man tatsächlich ein Unternehmen<br />

aus der Nachbarschaft beauftragt. Die Frage, wie ich <strong>dem</strong> Betrüger<br />

auf den Leim gehen konnte, ließ mich auch nach <strong>dem</strong> Abschluss<br />

der Reparaturarbeit nicht los. Schließlich hatte ich genau das in meiner<br />

Entscheidungsfindung berücksichtigt. Ich schaute mir die Internetseite<br />

der Firma noch einmal in Ruhe an und fand heraus, auf welchen Trick<br />

ich hereingefallen war: Die Internetsuche zeigt mir, wenn ich »Rohrreinigung<br />

Leverkusen« eingebe, eine Karte meines Stadtteils, sodass<br />

es aussieht, als käme die Firma aus der Nachbarschaft. Auch die angezeigte<br />

Telefonnummer, unter der die Firma beauftragt werden kann,<br />

hatte – in meinem Fall – die Vorwahl von Leverkusen. Suchen Sie in<br />

einer anderen Stadt, so bekommen Sie auch hier den eigenen Stadtteil<br />

und die entsprechende Vorwahl angezeigt. Dadurch glaubt man, ein<br />

alteingesessenes Unternehmen aus der nahen Umgebung zu beauftragen.<br />

Mit den heutigen Computerprogrammen ist es ein Leichtes, dies<br />

vorzugaukeln.<br />

Was Sie dagegen tun können? Am besten beauftragen Sie ortsansässige<br />

Firmen, die Sie kennen oder an deren Schaufenster Sie schon vorbeigelaufen<br />

sind. Kurz: Firmen, bei denen Sie sich wirklich sicher sind,<br />

dass sie aus der Nähe kommen. Selbst wenn Sie unter Zeitdruck sind,<br />

sollten Sie diesem Ratschlag folgen. Fragen Sie vorher genau nach, <strong>mit</strong><br />

217


welchem Endpreis Sie zu rechnen haben, und lassen Sie sich den Preis<br />

als Komplettpreis <strong>mit</strong> Mehrwertsteuer handschriftlich bestätigen. Des<br />

Weiteren tun Sie sich einen Gefallen, wenn Sie bei unbekannten Anbietern<br />

während der Dienstleistung dabeibleiben. Manchmal ist es besser,<br />

den Leuten sprichwörtlich auf die Finger zu schauen. Ich zumindest werde<br />

mich nach dieser Erfahrung konsequent an dieses Vorgehen halten.<br />

In ähnlicher Form wird diese fiese Masche auch von Schlüsseldiensten<br />

oder anderen Dienstleistern angewandt, die auf einmalige Kundenbegegnungen<br />

ausgerichtet sind. Allen gemeinsam ist, dass sie darauf<br />

aus sind, Menschen zu betrügen, die sich in einer Not befinden oder<br />

unter Zeitdruck stehen.<br />

Keine Verhandlung gleicht der anderen, und was einmal funktioniert<br />

hat, kann in einer anderen Situation falsch sein. Die Sammlung an psychologischen<br />

Tricks ist da<strong>mit</strong> sicher nicht abgeschlossen. Und einen<br />

kompletten Überblick über alle Maschen, Tricks oder Methoden abzugeben,<br />

ist auch gar nicht möglich, weil sich jeden Tag kreative Menschen<br />

in Verhandlungen gegenübersitzen und dabei versuchen, möglichst<br />

gute Ergebnisse zu erzielen. Dabei entwickeln sie weitere individuelle<br />

Schachzüge und Ideen, um andere Menschen zu überzeugen oder auch<br />

zu manipulieren. Doch dieses Kapitel der rhetorischen Schatzkiste hält<br />

für Sie eine größere Auswahl an Werkzeugen bereit, als die meisten<br />

Menschen in ihrem Alltag beruflich oder privat nutzen. Einige davon<br />

haben Sie vielleicht vorher schon unbewusst angewandt, andere Möglichkeiten<br />

wiederum erscheinen Ihnen zu manipulativ und entsprechen<br />

nicht Ihrem eigenen Stil. Umso besser, dass Sie sich nun davor schützen<br />

können, wenn ein anderer die Methode bei Ihnen anwendet. Weitere<br />

Methoden probieren Sie vielleicht erst einmal bei kleineren Verhandlungen<br />

aus. Die Schachzüge lassen sich in vielfältigen, von den obigen<br />

Beispielen abgewandelten Situationen anwenden und kombinieren.<br />

Ziel dieses Buches ist, Ihnen das Handwerkszeug dazu zur Verfügung zu<br />

stellen, da<strong>mit</strong> Sie es ausprobieren können. Durch das stetige Anwenden<br />

der Methoden werden Sie diese irgendwann ohne viel Nachdenken wie<br />

einen Reflex abrufen können.<br />

Ausblick<br />

218<br />

219


220<br />

ZUM ABSCHLUSS<br />

Den Kommunikationsmuskel<br />

trainieren<br />

Nach <strong>dem</strong> Spiel ist vor <strong>dem</strong> Spiel. Wenn ich Ihr Fitness-Trainer wäre,<br />

dann wäre Ihnen klar: Der Sportlehrer kann die Übungen nur vormachen.<br />

Will ich meine eigenen Muskeln stärken, dann muss ich selber<br />

trainieren. Und je mehr ich trainiere, umso größere Gewichte kann ich<br />

stemmen. So ist das auch in Verhandlungen. Der Verhandlungs- und<br />

Kommunikationsmuskel will trainiert werden! Sprachmuster folgen gewissen<br />

Regeln, die sich lernen lassen. In diesem Buch haben Sie viele<br />

Anregungen dazu bekommen.<br />

Ein Buch ist dann ein gutes Buch, wenn Sie viel von <strong>dem</strong> Gelernten<br />

umsetzen und in der Praxis anwenden. Im Tagesablauf hat jeder von uns<br />

ständig Gelegenheit dazu. Als Coach ist mir die Umsetzung enorm wichtig.<br />

Daher möchte ich Ihnen noch die Frage stellen:<br />

> Wenn Sie nun drei Dinge ganz konkret in Ihr Verhaltensmuster<br />

übernehmen möchten: Welche sind das?<br />

Es reicht, wenn Sie sich zuerst nur auf drei Themen konzentrieren, die<br />

Sie beim Lesen dieses Buches bewegt haben. Vielleicht richten Sie Ihre<br />

Konzentration darauf, den ersten Eindruck bewusst zu gestalten. Oder<br />

die Methode der Einwandbehandlung hat Ihnen gut gefallen, und Sie<br />

bereiten sich sprachlich auf die Dauerbrenner bei Ihren Einwänden vor.<br />

Sie wenden sie dann in Gesprächen an und feilen so lange daran, bis<br />

Sie bessere Ergebnisse erzielen als vorher. Es ist cleverer, einige wenige<br />

Punkte tatsächlich umzusetzen, als zehn Methoden im Kopf zu haben.<br />

Nehmen Sie sich für diese drei Methoden vier Wochen Zeit und erinnern<br />

Sie sich immer wieder daran. Ihr Handy oder Computer übernimmt die<br />

Erinnerungsfunktion gerne für Sie. Nach den vier Wochen überlegen Sie<br />

erneut, welche drei weiteren Themen Sie ausprobieren wollen. Nutzen<br />

Sie dafür jede Gelegenheit.<br />

Im Umgang <strong>mit</strong> Menschen lässt sich nie genug lernen. Die eigene<br />

Wahrnehmung zu erweitern, lohnt sich immer wieder aufs Neue, denn –<br />

Sie erinnern sich – wir verhandeln immer. Ob es um frischen Schinken<br />

an der Fleischtheke geht, den Abschluss einer Versicherung oder den<br />

Ankauf einer Immobilie. Gewiss, die Relevanz und die Geldsummen, um<br />

die es jeweils geht, sind genauso unterschiedlich wie die Auswirkungen.<br />

Wenn Ihr Schinken nicht frisch abgeschnitten ist, können Sie ihn trotz<strong>dem</strong><br />

verzehren und beim nächsten Mal den Supermarkt wechseln. Ob<br />

Sie Ihre Altersvorsorge in der richtigen Höhe und beim richtigen Anbieter<br />

abschließen, entscheidet allerdings darüber, ob Sie im Alter genug<br />

zu essen haben. Und wenn Sie Verhandlungen über Millionenbeträge<br />

führen, dann hängen von dieser Entscheidung Arbeitsplätze, Cashflows<br />

oder Ausschüttungen an Aktionäre ab, <strong>mit</strong>unter ganze Firmen und nicht<br />

zuletzt auch Ihr beruflicher Erfolg. Doch die Spielregeln, nach denen verhandelt<br />

wird, sind immer die gleichen. Kein Mensch startet <strong>mit</strong> Verhandlungen<br />

in Millionenhöhe.<br />

<strong>Verhandeln</strong> lernt man, in<strong>dem</strong> man verhandelt. Trainieren Sie daher<br />

Ihre Wahrnehmung, Ihre verbalen Fähigkeiten, bereiten Sie sich vor und<br />

bereiten Sie die Gespräche nach, stärken Sie also Ihren Verhandlungsmuskel<br />

bei jeder Gelegenheit. Lernen Sie, Ihre Aufmerksamkeit sowohl<br />

auf Ihr Gegenüber wie auch auf sich selbst und auf die Metaebene – also<br />

das Miteinander im Gespräch – zu lenken. Erfolgreiche Kommunikatoren<br />

stellen sich nach je<strong>dem</strong> Gespräch die Frage, was sie hätten besser machen<br />

können.<br />

221


Tipp:<br />

Verbesserung braucht Reflexion, um aus den alten Gewohnheiten herauszukommen.<br />

Leider steht uns für die Reflexion selten ein professionell<br />

ausgebildeter Coach zur Verfügung. Doch Sie sind auch nicht<br />

immer allein in Verhandlungen. Bitten Sie doch Ihre anwesenden Kollegen,<br />

Ihnen hinterher ein Feedback zu geben. Da<strong>mit</strong> das zielführend<br />

ist und nicht <strong>mit</strong> einem pauschalen »Ja, du warst gut« beantwortet<br />

wird, können Sie die Kollegen vorher instruieren. Es bietet sich an, die<br />

Rückmeldungen in zwei Kategorien einzuteilen: positives Feedback<br />

und Feedback zur Verbesserung. Manche Menschen trauen sich sonst<br />

schlichtweg nicht, Kritik anzubringen, da<strong>mit</strong> sie die Beziehung zum<br />

Kollegen nicht gefährden. Aber sowohl die ehrliche Kritik wie auch<br />

das positive Feedback bringen Sie weiter! Voraussetzung dafür ist eine<br />

gute Vertrauensbasis. Wenn die besteht, kann auch Ihr Chef zum Feedbackgeber<br />

werden. Fordern Sie das ein. Lernen ist eine Holschuld. Und<br />

da selbst Chefs sich oft genug davor scheuen, ein Feedback anzubieten,<br />

nehmen Sie das am besten selbst in die Hand. Es geht schließlich<br />

um Ihre Kompetenzen.<br />

Bitten Sie Ihre Begleitperson also, Ihnen nach <strong>dem</strong> Gespräch ein Feedback<br />

nach folgen<strong>dem</strong> Schema zu geben:<br />

• drei Dinge, die richtig gut gefallen haben, die entscheidend waren<br />

für einen guten Verlauf des Gesprächs, und<br />

• drei Dinge, die man optimieren könnte, <strong>mit</strong> Vorschlägen für bessere<br />

Formulierungen oder ein klügeres Verhalten.<br />

Bitten Sie um konkrete Formulierungsbeispiele – am besten in wörtlicher<br />

Rede. Als Coach schreibe ich oft ganze Dialoge <strong>mit</strong> und spiele<br />

auch die Betonung nach. Da<strong>mit</strong> kommt Feedback viel besser an. Wenn<br />

man sich selber hört, kann man sich die Fragen »Welche Wirkung hatte<br />

das?« oder »Wie mache ich es noch besser?« meist selbst beantworten.<br />

222<br />

Wer keinen Gesprächspartner dafür hat, kann auch allein reflektieren.<br />

Das können Sie ebenfalls <strong>mit</strong> den beiden obigen Fragen tun. Alternativ<br />

folgen hier noch einige Fragen zur Selbstreflexion, die ich als Coach Ihnen<br />

stellen würde:<br />

• Folgen Sie Ihrem Bauchgefühl. Auf der Skala von 0 bis 10: Wie<br />

bewerten Sie das Gespräch?<br />

• Wo<strong>mit</strong> begründen Sie Ihre Einschätzung? Mit der Atmosphäre –<br />

also der Sympathie zu Ihrem Gesprächspartner – oder <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />

erreichten Ziel?<br />

• Ist im Laufe der Zeit das Gespräch in eine unerfreuliche Richtung<br />

gekippt? Wenn ja, wann? Warum hat sich das Gespräch an dieser<br />

Stelle verändert? Was haben Sie da gesagt oder geantwortet?<br />

• Wie ließe sich das bei einem nächsten Termin besser machen?<br />

• Wenn Sie jetzt Zeit zum Nachdenken haben: Wie würden Sie im<br />

Nachhinein reagieren? Was hätten Sie besser machen können?<br />

• Ergibt sich dadurch ein Handlungsbedarf, sodass Sie zum Beispiel<br />

Ihrem Gesprächspartner noch eine wichtige Information<br />

zukommen lassen müssen?<br />

• Wenn ja: Wann tun Sie das? Sofort oder beim nächsten Termin?<br />

• Wie waren Ihre Körpersprache und die Ihres Gegenübers? Hat<br />

Sie ein Gesichtsausdruck gestört, sodass Sie nun wissen, dass<br />

eins Ihrer Argumente nicht angekommen ist?<br />

Auf diese Art und Weise werden Sie Ihre Fähigkeiten weiter ausbauen<br />

und vertiefen. <strong>Verhandeln</strong> wird <strong>mit</strong> der Zeit einfacher und natürlicher für<br />

Sie werden. Und das in allen Lebenslagen.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, die Verhandlungswelt neu zu erobern<br />

und Ihren Verhandlungsmuskel zu trainieren.<br />

223


Über die Autorin<br />

»Erfolg ist die Kunst, sein eigenes<br />

Denken und Handeln zu verändern.<br />

Nicht nur, um die eigenen Ziele<br />

zu erreichen, sondern auch, um sich<br />

dabei authentisch und gut zu fühlen.«<br />

SANDRA GRÜNHEID<br />

Die Konzepte folgen den Werten:<br />

KLARHEIT – ausführliche Gespräche zur exakten Er<strong>mit</strong>tlung<br />

des Bedarfs des Unternehmens.<br />

INDIVIDUALITÄT – die Erstellung maßgeschneiderter Seminarkonzepte<br />

nach den Wünschen und Zielen des Unternehmens.<br />

NACHHALTIGKEIT – die Seminargestaltung anhand von Original-Fallstudien<br />

und Beispielen aus <strong>dem</strong> Unternehmen.<br />

<strong>Sandra</strong> Grünheid bietet für Unternehmen individuelle Seminare, Coachings<br />

oder Vorträge an, die auf den Bedarf des Unternehmens zugeschnitten<br />

werden. In ihrer Seminar-Manufaktur im Rheinland gestaltet<br />

sie <strong>mit</strong> ihrem Team deutschlandweit Seminare und Coachings für Mitarbeiter<br />

in Kundenservice, Kundenberatung, Vertrieb und Führung. Dabei<br />

ist die Kernkompetenz der Aka<strong>dem</strong>ie, das Weiterbildungskonzept<br />

für das Unternehmen maßgeschneidert zu gestalten und professionell<br />

durchzuführen.<br />

Wirksamkeit ist das Maß der Wahrheit. Den Menschen im Fokus,<br />

begleitet die Aka<strong>dem</strong>ie Mitarbeiter dabei, die Kunden- und Mitarbeiterkommunikation<br />

zu verbessern. Ziel ist, neue Verhaltensoptionen zu<br />

gewinnen und die eigene Persönlichkeit zu erkennen und weiterzuentwickeln.<br />

Mehr dazu erfahren Sie auf<br />

• www.sandragruenheid.de<br />

• www.heartbusiness.de<br />

Kundenstimmen lesen Sie unter:<br />

• www.provenexpert.com/<strong>Sandra</strong>-<strong>Gruenheid</strong><br />

224<br />

225


Literatur<br />

Außer meinen eigenen umfangreichen Beobachtungen in der Praxis und<br />

den vielen Erfahrungen und Praxisbeispielen meiner Seminarteilnehmer<br />

haben mich folgende Bücher inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Gern<br />

empfehle ich sie Ihnen weiter:<br />

SCHMITT/ESSER: Statusspiele. Wie<br />

ich in jeder Situation die Oberhand<br />

behalte. Fischer-Verlag<br />

FISHER/URY/PATTON: Das Harvard®<br />

Konzept. Die unschlagbare Methode<br />

für beste Verhandlungsergebnisse.<br />

Campus-Verlag<br />

VERA F. BIRKENBIHL: Kommunikationstraining.<br />

Zwischenmenschliche<br />

Beziehungen erfolgreich gestalten.<br />

mvg-Verlag<br />

DR. KARSTEN BREDEMEIER: Schlagfertigkeit.<br />

Spontan, souverän und wortgewandt<br />

kontern. Goldmann Verlag<br />

CAROLINE KRÜLL: Vergiss, was du<br />

sagst. Wie Körpersprache funktioniert.<br />

DVD start home entertainment<br />

CAROLINE KRÜLL: Körpersprache. Das<br />

Trainingsbuch. Beck Ratgeber<br />

DIRK EILERT: Mimikresonanz. Gefühle<br />

sehen. Menschen verstehen. Junfermann<br />

Verlag<br />

BRODY/BRODY: Der Placebo-Effekt.<br />

Die Selbstheilungskräfte unseres<br />

Körpers. dtv Verlag<br />

SPITZER/BERTRAUM: Braintertainment.<br />

Suhrkamp Verlag<br />

BODO SCHÄFER: Die Gesetze der<br />

Gewinner. Erfolg und ein erfülltes<br />

Leben. dtv Verlag<br />

GIACOMO RIZZOLATTI/CORRADO<br />

SINIGAGLIA: Empathie und Spiegelneurone.<br />

Die biologische Basis des<br />

Mitgefühls. Suhrkamp Verlag<br />

226

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