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Der feinfühlige Longhitter: Profi Djurdjevic.<br />
Da trafen sich Golfspieler und fanden sich<br />
Menschen.<br />
Howard Carpendale, der fast so gut Golf<br />
spielt, wie er singt, beschrieb das Glück dieser<br />
drei Tage am letzten Abend, dem Galadiner<br />
im «Palace», so: «Drei Tage lang trafst du<br />
Menschen, und keiner war unangenehm.»<br />
Wenn einer haderte, dann nur mit sich selbst,<br />
weil seine Runde nicht ganz rund war, aber<br />
die Enttäuschung über sich selber hielt nie<br />
lange an, weil da genug andere waren, die<br />
waren wie der Wind, der durch das Engadin<br />
zog und die Staubkörner im Getriebe eines<br />
Daseins wegblies. Und so waren die Tage wie<br />
eine Idee einer Welt, die nicht an vielen Orten<br />
von Idioten besiedelt ist, die dem Glück im<br />
Wege stehen.<br />
Gänsehaut und Depression<br />
Alle, die dabei waren, brachten jenen Rucksack<br />
mit, in dem ihre Geschichte liegt. Manche Rucksäcke<br />
waren schwerer, andere leichter. Schwer<br />
zu sagen, wie schwer jener von Howard Carpendale<br />
war. Hatte gerade eine Tournee hinter sich,<br />
eine vor sich, fuhr hauptsächlich mit dem Golfcar<br />
und rauchte Kette, Marlboro Rot. Zündete<br />
Weltwoche Nr. 32.19<br />
sich im Golfcar eine an, lief hoch zum Abschlag,<br />
warf die Zigarette ins Grab, schlug ab, der Ball<br />
flog stets schön, weil Howard, wie er sagt, acht<br />
Tage die Woche Golf spielt, nahm die Zigarette<br />
wieder auf, lief zurück zum Wagen und fuhr<br />
los. Wie das so gehe, mit Kettenrauchen und<br />
Marlboro Rot, war eine Frage: «Ich rauche nur<br />
auf dem Golfplatz», antwortete Howard, «und<br />
frag mich nicht, warum, buddy, ich weiss es auch<br />
nicht.» Die Sache mit dem Rucksack mit der<br />
eigenen Schwere drin und Golf ist die; man legt<br />
seinen Rucksack ab und streift den Golfbag<br />
über. Das ist nicht immer eine Erlösung, fühlt<br />
sich aber zumindest am Anfang stets als Erleichterung<br />
an.<br />
Der Rucksack von Ilija Djurdjevic ist noch<br />
leicht, er ist jung, kaum dreissig Jahre alt, er<br />
war wahrscheinlich der beste Golfer an diesen<br />
drei Tagen, einer der bestgelaunten sowieso.<br />
Am Samstag, als die meisten vom Ryder Cup<br />
Trust wieder abgereist waren, spielte er noch<br />
den Golfcup der Hotels «Badrutt’s Palace»,<br />
«Baur au Lac» und «Beau-Rivage» und gewann<br />
mit acht Schlägen unter Paar. Djurdjevic<br />
ist Golfprofi, im Ranking ungefähr die Nummer<br />
2000, das klingt nach weit hinten, ist aber<br />
doch schon einigermassen vorne. Djurdjevic<br />
ist, auch, ein Longhitter, da ist er unter den<br />
fünf Besten der Welt. Longhitting ist einfach,<br />
wer den Ball mit dem Driver am weitesten<br />
schlagen kann, es ist ein Spektakel und wahrscheinlich<br />
eine wesentliche Facette der Zukunft<br />
dieses Sportes. Djurdjevics offizieller<br />
Rekord ist 368 Meter, 430 Meter inoffiziell.<br />
Wenn man neben ihm steht und er abschlägt,<br />
bekommt man mindestens Gänsehaut und<br />
gleich danach eine kleine Depression, weil<br />
man selbst zu jenen Golfern gehört, die die<br />
Welt umarmen würden, träfe man endlich einmal<br />
das 250 Meter entfernte Netz am Ende der<br />
Driving- Range.<br />
Er habe, so sagte er nach seiner 64er-Runde,<br />
bisher das beste Golf seines Lebens gespielt. Im<br />
Ryder Cup Trust ist das den Europäern ein<br />
ganz klein wenig besser gelungen als den<br />
Amerikanern, aber es schien, als die drei Tage<br />
an der Bar des «Palace» sich langsam verflüssigten,<br />
beinahe nebensächlich. Weil alle drei<br />
Tage in einer sich wie wirklich anfühlenden<br />
Illusion gelebt haben, dass ein Hirn gar nicht<br />
anders könnte, als einen Menschen glücklich<br />
zu machen.<br />
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