Hilfe für Osteuropa e.V. - Jahresbericht 2018
Tätigkeitsbericht unseres Osteuropahilfe-Vereins für 2018
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„Bitte vergesst uns nicht“<br />
<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2018</strong><br />
Ursula Honeck
Bis vor kurzem hatte ich das Gefühl, daß es<br />
noch lange nicht dem Jahresende entgegen gehen<br />
wird. Mit ganz wenigen Ausnahmen war es<br />
meist warm, die Sonne schien noch kräftig vom<br />
Himmel und meine Geranien auf dem Balkon<br />
standen bis vor ein paar Tagen in voller Blüte.<br />
Mit der Zeitumstellung und der damit verbundenen<br />
frühen Dunkelheit wurde mir klar, daß die<br />
Daten im Kalender der Realität entsprechen und<br />
nicht mein Empfi nden. So ist es höchste Zeit<br />
heute, Anfang November, mit meinem <strong>Jahresbericht</strong><br />
zu beginnen.<br />
Wenn nichts dazwischen kommt, beginnt das<br />
neue Jahr meistens mit der Informationsreise<br />
meines Bruders und mir, nach Moldavien. Doch<br />
diesmal ist mein Bruder, bedingt durch einen<br />
Unfall seiner Ehefrau, leider nicht in der Lage<br />
mit mir zu fl iegen. Kurz entschlossen begleitet<br />
mich Thomas, mein Mann am 15. Januar als<br />
stellvertretender „Bodygard“. Die Reise beginnt<br />
mit einem Besuch in Orhei bei Episcop Nicodim<br />
(Pater Joan). Gusti, unsre Dolmetscherin<br />
aus Rumänien war wieder mit einem Kleinbus<br />
gekommen und steht, wie immer halb verfroren<br />
am Straßenrand in Chisinau. Es ist kalt, aber die<br />
Straßen sind gottlob frei. Schneefall ist erst <strong>für</strong><br />
die nächsten Tage gemeldet und so hoffen wir,<br />
daß wir das vorbereitete Programm ohne Probleme<br />
durchziehen können. Im letzten Jahr war das<br />
wegen eines Rückenproblems von Pater Igor,<br />
der uns sonst immer aufs Land zu den Patenfamilien<br />
begleitet, nicht möglich. In diesem Jahr<br />
muss das Programm abermals etwas geändert<br />
werden, da der Schwiegervater von Pater Igor im<br />
Sterben liegt und er nur wenig Zeit <strong>für</strong> uns hat.<br />
Wir besprechen unter anderem den letzten Hilfstransport,<br />
der am 18. Dezember ohne Probleme<br />
in Moldavien angekommen ist und schauen uns<br />
Räumlichkeiten an, in denen eine Suppenküche<br />
<strong>für</strong> Bedürftige eingerichtet werden soll. Geeignete<br />
Geräte und Einrichtungsgegenstände stehen<br />
in unserem Lager bereit und wären teilweise sicher<br />
<strong>für</strong> ein solches Vorhaben geeignet. Es sei<br />
zu erwähnen, daß unsere fl eißigen Mitarbeiter<br />
alles mit viel Mühe und viel Zeit in einer Berufsschule<br />
in Lörrach ausgebaut und anschließend<br />
tipptopp gereinigt haben. Ein Teil davon soll auch<br />
in die Klinik nach Edinet gebracht werden, wohin<br />
am nächsten Tag unsre Reise geht. Am Fahrstiel<br />
der jungen Priester hat sich bisher nichts<br />
geändert, und ich bin nicht die einzige, die ab<br />
und zu, zumindest im Geist versucht die Bremse<br />
zu betätigen. Nach einem Rundgang durch die<br />
400-Betten Klinik, in der sich, abgesehen von<br />
den Dingen, die wir beim Dezembertransport gebracht<br />
haben, nicht viel geändert hat, schauen<br />
wir uns die Küche an. Eine alte Badewanne wird<br />
zum Geschirreinigen verwendet, eine andere<br />
zum Gemüsewaschen. In der Mitte des Raumes<br />
befindet sich ein einziger Gasherd, auf dem die<br />
tägliche Suppe in großen, alten Töpfen zubereitet<br />
wird. Man bittet uns um Metallschränke <strong>für</strong><br />
die Kleidung des Küchenpersonals und würde<br />
sich natürlich sehr über eine neue, wenn auch<br />
gebrauchte Kücheneinrichtung und vieles mehr<br />
freuen.<br />
Pater Igor findet trotz familiärer Probleme am<br />
nächsten Tag noch etwas Zeit, um uns zu einigen<br />
Paten aufs Land zu bringen. Besonders im<br />
Winter empfi ndet man die große Armut als besonders<br />
bedrückend. Wir können nicht alle besuchen,<br />
aber Pater Igor holt später die Besuche<br />
nach, übergibt das Patenschaftsgeld und sendet<br />
mir Bilder und die unterzeichnete Empfangsliste.<br />
In Chisinau beziehen wir unser Domizil in der<br />
Schwesternschule, welches uns von Frau Ala<br />
Manolache schon seit Jahren zur Verfügung<br />
gestellt wird. Schon kurz nach unserer Ankunft<br />
werden wir von Sascha Pavlic abgeholt und zu<br />
der gelähmten jungen Frau Ana Kalasnikov gebracht.<br />
Ana bedankt sich sehr <strong>für</strong> das im Dezember<br />
überbrachte Paket ihrer Patin aus Todtnau<br />
und freut sich sehr über das Couvert mit dem Patengeld<br />
und dem Brief. Sichtbar glücklich ist sie,<br />
daß sie sich mit Thomas über ihre Krankheiten<br />
und Unbefindlichkeiten unterhalten kann. Das<br />
Vertrauen in die hiesigen Ärzte sei nicht immer<br />
gerechtfertigt und soll häufig vom Geldbeutel abhängig<br />
sein. Um den vorgegebenen Zeitplan einzuhalten,<br />
müssen wir uns bald von Ana und ihrer<br />
Mutter verabschieden und fahren mit Sascha in<br />
einen anderen Teil der riesigen Stadt, um Fa-
milie Cara mit dem kleinen Alexander zu besuchen.<br />
Alexander kam mit einem Herzfehler zur<br />
Welt und sollte in Kiew operiert werden. Bedingt<br />
durch Sauerstoffmangel auf der langen Reise<br />
(ich hatte in meinen letzten Berichten darüber<br />
geschrieben), hatte er einen Gehirnschaden<br />
erlitten. Der Weg vom Parkplatz zu der Blockwohnung<br />
ist total vereist und nur mit viel Mühe<br />
und der <strong>Hilfe</strong> von Thomas können wir das düstere<br />
Treppenhaus erreichen. Alexander ist groß<br />
geworden, aber seine geistige Behinderung ist<br />
nicht zu übersehen. Die Mutter und besonders<br />
die Großeltern kümmern sich liebevoll um das<br />
Kind, aber eine Heilung wird wohl kaum möglich<br />
sein. In solch einem Land ein behindertes<br />
Kind groß zu ziehen, ist eine immense Herausforderung,<br />
der wohl die wenigsten Betroffenen<br />
gewachsen sind. Es bleibt uns als einziges <strong>für</strong><br />
die Familie zu beten und um genügend Unterstützung<br />
zu bitten. In der kleinen Wohnung von<br />
Sascha und Dascha empfängt uns anschließend<br />
eine kleine, liebevolle Familie, die nicht vergessen<br />
hat, daß auch wir sie, damals noch ohne<br />
Kind, gerne bei uns in Todtnau aufgenommen<br />
haben. Unser Partner in Chisinau, Vladimir Nadkenitzschniy,<br />
Präsident der Stiftung „Pro Umanitas“<br />
hat wie immer das Programm bestens<br />
vorbereitet, sodass am nächsten Tag pünktlich<br />
mit dem Treffen der Patenfamilien aus Chisinau<br />
und der damit verbundenen Geldübergabe begonnen<br />
werden kann. Über ein kurzes Wiedersehen<br />
mit Semion und seinem Vater in einem<br />
Restaurant freuen wir uns ganz besonders (<br />
Semion war im Alter von 2 Jahren an Leukämie<br />
erkrankt und mußte jahrelange Klinikaufenthalte<br />
mit Operationen und Chemotherapien in Moskau<br />
über sich ergehen lassen. Er ist inzwischen<br />
19 Jahre alt und besucht in England seit Kurzem<br />
eine Hochschule). Ohne der <strong>Hilfe</strong> von HFO wäre<br />
eine Genesung fast aussichtslos gewesen.<br />
Bevor uns Sascha am nächsten Morgen, dem<br />
20. Januar um 4.45 Uhr zum Flughafen fährt,<br />
haben wir noch etwas Zeit um unseren Freund,<br />
den Herzchirurgen Dr. Manolache zu treffen, der<br />
wieder viel über die Klinik und die hiesige Situation<br />
zu erzählen hat. Die jungen, guten Ärzte gehen<br />
alle ins Ausland, es bleiben die älteren, weil<br />
sie sowieso bald in Rente gehen und die Heimat<br />
nicht verlassen wollen. Mit dem Klinikpersonal<br />
und den Handwerkern sieht es auch nicht anders<br />
aus.<br />
Zu Hause angekommen türmt sich natürlich,<br />
wie jedesmal die zu erledigende Arbeit auf dem<br />
Schreibtisch, im Lager und im Haus. Am 3. März<br />
soll unsre Jahreshauptversammlung stattfi nden,<br />
zu der auch in diesem Jahr unsere Ehrenmitglieder<br />
aus Moldavien und Gusti aus Rumänien<br />
eingeladen sind. Natürlich ist Anfang März wieder<br />
Fastenzeit bei den orthodoxen Gläubigen,<br />
aber darauf kann ich bei der Terminplanung keine<br />
Rücksicht nehmen. Episcop Nicodim (Pater<br />
Joan) reist am 1. März mit drei Priestern an und<br />
übernachtet auf Einladung der Seniorwirtin des<br />
Gasthofs „Lawine“ mit Priester Adrian in Fahl.<br />
Die beiden anderen Priester bringen wir in einer<br />
kleinen Wohnung in der Nachbarschaft unter<br />
und schon in der ersten Nacht gibt das Klappbett<br />
unter der Last des einen etwas fülligen Priesters<br />
den „Geist“ auf. Thomas geht mit Pater Joan und<br />
Gusti ins Lager, um die schon erwähnte Großkücheneinrichtung<br />
anzuschauen. Wir schreiben<br />
ganz genau auf, was <strong>für</strong> die Suppenküche in Orhei<br />
und was <strong>für</strong> die Klinikküche in Edinet passend<br />
sein könnte. Der Transport muß sehr bald über<br />
die „Bühne“ gehen, da wir ja schon wieder die<br />
Vorbereitungen <strong>für</strong> den Frühjahrstransport nach<br />
Rumänien in Angriff nehmen müssen. Alles wird<br />
ausgemessen und gewogen, alle Gegenstände<br />
werden <strong>für</strong> die Zolldeklaration in die rumänische<br />
Sprache übersetzt (was manches mal nicht so<br />
einfach ist und zu Mißverständnissen führt).<br />
Letztendlich kann ein rumänisches Speditionsfahrzeug<br />
am 12. April von unserer wunderbaren<br />
Mannschaft beladen werden und die Reise nach<br />
Moldavien antreten. Das war wirklich Knochenarbeit,<br />
und den obligatorischen Wurstsalat von<br />
Marlies Albrecht und ein Bierchen haben alle<br />
Mitarbeiter nach dem Beladen ehrlich verdient.<br />
Für die Erstellung der Transportpapiere und die<br />
logistische Vorarbeit im Computer bekomme<br />
ich natürlich auch ein paar Gabeln Wurstsalat<br />
und ein Bierchen ab. Zwei Tage später ist in
der Lagerhalle die Patenpaketannahme <strong>für</strong> den<br />
kommenden Rumänientransport und Susi, eine<br />
unserer Vorstandsmitglieder, ist mir dabei eine<br />
große <strong>Hilfe</strong>. Am Samstag darauf werden die<br />
Hilfsgüter <strong>für</strong> die beiden LKW vorsortiert, die am<br />
30. April auf den jeweiligen Aufl ieger geladen<br />
werden sollen. Ganz kurz sei zu erwähnen, dass<br />
es immer schwieriger wird, Auflieger oder ganze<br />
Sattelzüge <strong>für</strong> eine kurze Zeit mieten zu können.<br />
Wir haben das große Glück schon seit Jahren<br />
von der Fa. Winterhalter eine Zugmaschine unentgeltlich<br />
zur Verfügung gestellt zu bekommen,<br />
aber die Fa. Kohrs hat derzeit große Probleme,<br />
Aufl ieger <strong>für</strong> unsere Anliegen bereitstellen zu<br />
können. PaccarLeasing hat zwar eine Zugmaschine<br />
<strong>für</strong> uns, aber keinen Aufl ieger. Alles löst<br />
sich Gottlob kurzfristig (nach vielen Stoßgebeten),<br />
worüber wir sehr dankbar sind. Am 1.<br />
Mai findet um 16.30 Uhr vor der Lagerhalle bei<br />
herrlichem Wetter die ökumenische Segnung<br />
der Fahrzeuge und der Mannschaft durch die<br />
beiden Geistlichen Frau Dr. Susanne Illgner und<br />
Herrn Pfarrer August Schuler im Beisein vieler<br />
Wegbegleiter statt. So ist auch von Oberried die<br />
ganze Familie Rombach (Juniorchef) und das<br />
Ehepaar Winterhalter (Seniorchef) anwesend,<br />
worüber wir uns natürlich sehr freuen. Auf den<br />
17 jährigen Spross der Familie Rombach, welcher<br />
derzeit einen Bericht über „humanitäre <strong>Hilfe</strong><br />
in <strong>Osteuropa</strong>“ <strong>für</strong> den Schulunterricht schreiben<br />
möchte, werde ich gleich noch zurückkommen.<br />
Hannes freut sich, daß er uns begleiten darf und<br />
ist sehr gespannt, was auf ihn zukommen wird.<br />
Die beiden LKW mit Beppo Schneider und Thomas<br />
Honeck (Raucherfahrzeug), Erich Steck<br />
und Markus Albrecht (Nichtraucherfahrzeug) als<br />
Chauffeure, starten nachts um 3.00 Uhr in Richtung<br />
Osten. Zu dem Begleitfahrzeug möchte<br />
ich hier ein paar Worte schreiben. In den letzten<br />
Jahren genügte mein Kangoo, dank Klimaanlage<br />
und mehr oder weniger ausreichendem<br />
Platz <strong>für</strong> Gepäck, Kühltasche etc. <strong>für</strong> vier Mitreisende.<br />
In diesem Jahr war es der Wunsch von<br />
Familie Rombach, daß Hannes mitfahren kann.<br />
Marlene Stepp, die uns auch schon mal begleitet<br />
und sich als gute Autofahrerin und Helferin<br />
beim Ausladen bewiesen hat, hegte schon seit<br />
längerem den Wunsch uns wieder zu begleiten.<br />
Erika Schneider, nicht das erste mal dabei, darf<br />
natürlich nicht fehlen mit ihrer liebenswerten Art,<br />
ihrer großen Hilfsbereitschaft und ihren rumänischen<br />
Sprachkenntnissen. Bleiben noch die beiden<br />
„Oldies“ Gunther, mein Bruder und meine<br />
Wenigkeit. Nach einigen Überlegungen bezüglich<br />
eines größeren Fahrzeugs, kommt Markus<br />
auf die Idee seinen Cousin zu fragen, ob er uns<br />
<strong>für</strong> die eine Woche seinen VW- Bus ausleihen<br />
könnte. Er und seine Frau sind damit einverstanden<br />
und somit ist dieses Problem gelöst. Es hätte<br />
keinen Sinn gehabt gemeinsam mit den LKW<br />
nachts um 3.00 Uhr zu starten. Die LKW- Fahrer<br />
können sich abwechselnd in der Koje etwas ausruhen,<br />
aber im Bus ist es ohne Koje nicht möglich,<br />
die müden Glieder richtig auszustrecken.<br />
Um 6.00 morgens starten wir mit dem VW-Bus<br />
in Todtnau, holen Erika in Todtnauberg ab, und<br />
Marlene sowie Hannes warten schon in Oberried<br />
auf uns. Schon bald spüren wir, daß wir uns trotz<br />
der teilweise großen Altersunterschiede sehr gut<br />
verstehen, was auf der langen Reise unheimlich<br />
wichtig ist. Wir übernachten in Ungarn und danach<br />
nach langer Fahrt in Tirgu-Mures/ Rumänien,<br />
wo wir unsre Freunde Dr. Liebhart, Marga<br />
Glaja und Willi Goldner treffen. Die Antworten<br />
auf unsere Fragen bzgl. des Fortschrittes, was<br />
die Lebensbedingungen in Rumänien seit dem<br />
EU-Beitritt anbelangen, fallen sehr negativ aus.<br />
Die Reichen und Korrupten werden immer zahlreicher<br />
und die Armen immer ärmer. Eine andere<br />
Antwort war auch nicht zu erwarten. Bei unsrer
Ankunft gegen Mittag in Piatra-Neamt ist das Abladen<br />
der vielen Schulmöbel in der ehemaligen<br />
Chemieschule – heute Priesterseminar, gerade<br />
erledigt und wir fahren zum unweit entfernten<br />
neuen Lager, wo ab jetzt die Sachspenden<br />
untergebracht werden. In der „Alten Schule“ in<br />
Savinesti war aus verschiedenen Gründen die<br />
Möglichkeit einer Lagerung nicht mehr gegeben.<br />
Die neuen Räumlichkeiten bieten sehr viel Platz<br />
und alles kann sicher bis zur Verteilung untergebracht<br />
werden.<br />
Viele fl eißige Hände sind zur Stelle und helfen<br />
alles an seinen Platz zu bringen oder sofort an<br />
andere Empfänger zu verteilen. Protopop Valentin<br />
Tofan und seine Frau freuen sich riesig<br />
über alle Hilfsgüter, die sie zur Verteilung an<br />
Kindergärten, Schulen und bedürftige Familien<br />
von Gusti erhalten. In der Pfarrei werden wir mit<br />
viel Liebe und Dankbarkeit empfangen und mit<br />
einem guten Essen bewirtet. Wir besichtigen die<br />
schon seit vielen Jahren im Bau befi ndliche Kathedrale<br />
und Markus sowie Marlene lassen es<br />
sich nicht nehmen, an dem Baugerüst im Inneren<br />
hinaufzuklettern. Am Sonntag besuchen wir<br />
den katholischen Priester Petrisor in Talpa und<br />
nehmen, fast alle, an der Heiligen Messe teil. An<br />
einem kleinen See bewirtet man uns mit gegrilltem<br />
Fisch und Knoblauchsauce, die wunderbar<br />
schmeckt, aber hinterher noch tagelang durch<br />
alle Poren dringt. Das haben wir hier schon ein<br />
paarmal erlebt, aber frischer Knoblauch soll ja<br />
gesund sein. Hoffentlich denken unsre LKW-<br />
Fahrer auch so, wenn sie am nächsten morgen<br />
um 4.00 Uhr in der Früh die lange Heimreise<br />
antreten und noch Stunden hinterher den Knoblauch<br />
in der Nase haben (die im Raucher-LKW<br />
vielleicht etwas weniger, aber die anderen beiden).<br />
Für den Rest der Mannschaft beginnt der<br />
Tag etwas später mit Büroarbeiten und anschließenden<br />
Besuchen bei Paten in den Dörfern Savinesti<br />
und Slobozia, um die Patenpakete sowie<br />
Sonderzahlungen abzugeben. Hannes ist sichtlich<br />
mitgenommen von den teilweise miserablen<br />
Lebensbedingungen und den Wohnverhältnissen.<br />
Den wohl schlimmsten Eindruck bekommt<br />
er beim Besuch von Frau Darie mit ihren zwei<br />
kleinen Mädchen, die im „Phantomblock“ auf<br />
engstem Raum wohnen. Im Treppenhaus ist<br />
das Geländer total zerstört, die Wände sind beschmutzt<br />
und es stinkt <strong>für</strong>chterlich nach Urin und<br />
Fäkalien. In jedem Stockwerk befi ndet sich auf<br />
dem Gang <strong>für</strong> mehrere Familien ein einziges<br />
Plumsklo. Frau Darie ist sehr dankbar über die<br />
Pakete und das Geld. Als kranke alleinerziehende<br />
Mutter mit einem herzkranken Kind hat sie es<br />
besonders schwer. Hier weiter über alle Schicksale<br />
und Besuche zu schreiben, würde zu weit<br />
führen. Dienstagmorgen um 9.00 Uhr werden die<br />
Behinderten, die teilweise von weither kommen,<br />
im Lager erwartet um Pampers, Rollstühle sowie<br />
sonstige Reha-Artikel und vieles mehr abzuholen.<br />
Gusti kann uns leider nicht begleiten, da ihr<br />
Mann hohes Fieber hat und sie nun auf den Arzt<br />
wartet. Dan, Anna und Jonella übernehmen den<br />
Part der Verteilung und dank Erika klappt auch<br />
alles mit dem Übersetzen. Es ist recht kühl geworden,<br />
aber nichts destotrotz können sich im<br />
Vorhof des Lagers die dankbaren Rollstuhlfahrer<br />
(in Wolldecken gehüllt) mit einer im Forum<br />
vorbereiteten kleinen Malzeit stärken und sich<br />
anschließend auf den langen Heimweg machen.<br />
Nach einer kleinen Verschnaufpause beginnt um<br />
15.00 Uhr die Verteilung der Patenpakete sowie<br />
der Familienpakete im Forum. Gunther und Erika<br />
verwalten die Listen <strong>für</strong> die Unterschriften,<br />
Marlene und Hannes kümmern sich um die richtigen<br />
Pakete, ich mache Fotos, Anna hat die<br />
Empfangsformulare <strong>für</strong> die Familienpakete und<br />
Gusti kümmert sich um ihren kranken Mann. Am
letzten Tag vor unserer Heimreise werden am<br />
Nachmittag die restlichen Patenpakete verteilt,<br />
und vormittags fahren wir noch mit Priester Mihai<br />
nach Vad Dragomiresti, wo noch weitere Paten<br />
ihre Pakete und Geld bekommen sollen. Wir sind<br />
froh, daß es nicht regnet sonst wäre es schwierig<br />
gewesen, die Häuschen auf den rutschigen<br />
Feldwegen zu erreichen. Frau Dascalu Maria,<br />
eine bettlägerige, alleinstehende alte Frau weint<br />
vor Freude als wir bei ihr eintreten. Mehr als zwei<br />
Leute haben in dem winzigen Raum fast keinen<br />
Platz. Priester Mihai kümmert sich darum, dass<br />
von dem überbrachten Geld Lebensmittel gekauft<br />
werden. Gusti wird die arme Frau in den<br />
nächsten Tagen mit Kleidung, Pampers und einer<br />
warmen Decke versorgen. Einen Rollstuhl<br />
hat sie schon bekommen, damit sie im Sommer<br />
auch einmal vor dem Häuschen sitzen kann.<br />
Priester Mihai bittet uns noch drei andere betagte<br />
sehr bedürftige Frauen zu besuchen. Die Ehepartner<br />
sind gestorben, die kleine Rente reicht<br />
kaum zum Überleben, die Kinder sind im Ausland<br />
und kümmern sich nicht mehr um die Mutter<br />
oder Großmutter. Das ist alles sehr traurig, die<br />
gebrochenen Augen füllen sich mit Tränen, aber<br />
nicht nur aus Kummer sondern auch aus Freude<br />
über den unerwarteten Besuch. „Bitte vergeßt<br />
uns nicht“. Wir versprechen es und hoffen, daß<br />
es im Herbst ein Wiedersehen gibt.<br />
Am 10. Mai starten wir pünktlich um 6.00 Uhr<br />
in Richtung Heimat und erreichen in Ungarn am<br />
frühen Abend unsere Übernachtungspension.<br />
Alles ist so gut verlaufen, da mußte ja noch ein<br />
Malheur passieren. Hannes hatte unterwegs im<br />
Gebirge ein Glas Bienenhonig gekauft und in<br />
seinem Koffer verstaut. Auf dem Parkplatz der<br />
Pension fällt beim Öffnen der Heckklappe sein<br />
Koffer heraus und natürlich genau auf die Seite,<br />
wo das Glas mit dem Honig steckt. Im Koffer ist<br />
kaum mehr was zu retten, alles klebt. Man bringt<br />
uns heißes Wasser und Tücher um die Verbundsteine<br />
von dem Honig zu befreien, was sehr<br />
schwierig ist. Hannes ruft zu Hause bei seiner<br />
Mutter an, daß sie <strong>für</strong> ihn die Waschmaschine<br />
reservieren soll, da er in der nächsten Woche<br />
unbedingt seine Jeans wieder haben muß. Auf<br />
den Schreck hin gehen wir noch etwas essen<br />
und bemerken, dass es in dem Auto nicht mehr<br />
nach dem süßen Honig duftet sondern nach etwas<br />
Modrigem. Da kommt eine kleine Tuperbox<br />
mit vergammelten Radieschen zum Vorschein,<br />
die irgendwann zwischen die Sitze gerutscht war<br />
und bisher von keinem vermisst wurde. Marlene<br />
setzen wir auf ihren Wunsch am Flughafen in<br />
Stuttgart ab, da sie im Laufe des Tages, bevor sie<br />
nach Berlin zurückkehrt, noch zu ihrer Oma fahren<br />
will (es ist Spargelzeit und sie kocht so gut).<br />
Ob mit einem Bus oder mit dem Zug, wir wissen<br />
es nicht, offensichtlich hat sie es geschafft,<br />
wir hören nichts Negatives. Auch wir schaffen<br />
es, den Schwarzwald zu erreichen und alle sind<br />
der Meinung, daß wir eine tolle Transportmannschaft<br />
waren. Wäre schön, wenn auch die noch<br />
etwas jüngeren Leute, die viel gearbeitet haben,<br />
uns das nächste mal oder wenn es eben geht,<br />
wieder begleiten würden.<br />
Die Woche bis Pfi ngsten ist vollgepackt mit der<br />
Erledigung liegengebliebener Arbeit und zu erledigenden<br />
Terminen. Am Pfingstsonntag, an welchem<br />
alljährlich unser „Frühlingsfest“ in der Lagerhalle<br />
stattfi ndet, möchte ich den Gästen gerne<br />
eine kleine Bildpräsentation über unsre Reise<br />
nach Rumänien zeigen. Hannes will mir etwas<br />
Bildmaterial übermitteln, was aber irgendwie<br />
nicht klappt. Kurzerhand setze ich mich selbst an<br />
den Computer und schaffe es tatsächlich, einige<br />
beeindruckende Bilder zusammenzustellen, die<br />
ich dann vor Ort spontan kommentiere. Leider<br />
fehlt mir die Zeit neben der ganzen Transportvorbereitungen<br />
im Lager und im logistischen Bereich<br />
u.v.m., mich auch noch um eine dauerhafte<br />
Präsenz in der Presse oder in digitalen Medien<br />
zu kümmern. Zu meinem Bedauern ist unsere<br />
Webdesignerin, die unsere Website wunderbar<br />
gestaltet hat, nach München verzogen. Im Moment<br />
hinkt die Berichterstattung etwas nach,<br />
aber wir hoffen daß wir trotz der Entfernung bald<br />
einen Weg fi nden werden.<br />
Eine Woche nach dem Städtlifest am 1. Juliwochenende<br />
sitzen mein Bruder und ich schon<br />
wieder im Flugzeug nach Moldavien. Der Pro-
grammablauf ist im Grunde genommen der gleiche<br />
wie im Winter, nur mit dem Unterschied, daß<br />
wir nun mit Pater Igor die Patenfamilien auf dem<br />
Land besuchen können und die Fahrt nach Edinet<br />
zu dieser Jahreszeit weniger stressig ist. Die<br />
von uns gebrachten Kücheneinrichtungen lagern,<br />
so auch in Orhei noch in Garagen, da man<br />
erst neue Leitungen und Zugänge <strong>für</strong> die Geräte<br />
legen müsse. Derzeit müsse man hier in Edinet<br />
erst abwarten, bis die von der EU finanzierten<br />
Außenrenovierungsarbeiten an den Gebäuden<br />
abgeschlossen seien. Das Küchenpersonal<br />
zeigt uns aber ganz stolz einen großen von uns<br />
gebrachten Tisch mit Stühlen, wo das Personal<br />
auch mal sitzen kann und auch die von uns<br />
gebrachten Spinde zeigt man uns mit Freude.<br />
Eine große Bedarfsliste wird uns anschließend<br />
im Büro des Direktors übergeben und wir geben<br />
zu verstehen, daß wir versuchen auch weiterhin<br />
dieser Klinik zu helfen, so weit es in unseren<br />
Möglichkeiten steht.<br />
Am 14. Juli kommen mein Bruder und ich wieder<br />
gesund zu Hause an, nach dem wir noch die<br />
Tage in Chisinau mit Treffen mit den dortigen<br />
Paten, Besuchen bei Ana, der gelähmten jungen<br />
Frau, bei Alexander dem behinderten Jungen,<br />
einem Treffen mit dem Herzchirurgen Dr. Manolache<br />
und der jungen Familie Sacha und Dascha<br />
verbracht haben. Ein Treffen mit Semion und<br />
seiner Familie war leider nicht möglich. Wie wir<br />
später erfahren, wurde Semion in England auf<br />
dem Nachhauseweg von der Universität überfallen,<br />
zusammengeschlagen und ausgeraubt. Er<br />
wollte uns nicht ohne Zähne im Mund begegnen.<br />
Hat er nicht schon genug in seiner Kindheit gelitten?<br />
Ein klein wenig Sommerpause ist <strong>für</strong> alle Mitarbeiter<br />
angesagt, aber schon bald beginnen die<br />
Vorbereitungen <strong>für</strong> den Herbsttransport nach<br />
Rumänien. Eine Woche etwas <strong>für</strong> die Seele tun,<br />
das erlaube ich mir Anfang September während<br />
einer Wallfahrtsreise nach Medjugorje/ Bosnien-<br />
Herzegowina.<br />
Am 10. Oktober starten mein Bruder und<br />
ich zur Herbstinforeise mit dem Flugzeug<br />
nach Rumänien. In Bukarest werden wir von Vasile<br />
Cosma (Zuzu) und Gusti abgeholt und nach<br />
Piatra Neamt gebracht. Die Woche unseres<br />
Aufenthaltes ist mit einem umfangreichen Programm<br />
ausgefüllt. Wir besuchen Patenfamilien,<br />
Schulen, Kindergärten, Pfarreien auf dem Land<br />
und Altenheime, die alle von uns durch Gusti<br />
Hilfsgüter erhalten haben. Auch die alten Frauen,<br />
denen ich versprochen habe im Herbst wieder<br />
zu kommen, freuen sich unheimlich darüber,<br />
daß wir das Versprechen eingehalten haben.<br />
Dankbarkeit, Glückseligkeit spürt man bei allen,<br />
in dem Augenblick, wenn man sie herzlich in den<br />
Arm nimmt. Zum Schluss möchte ich nicht vergessen<br />
zu erwähnen, daß wir auch den katholischen<br />
Priester Petrisor in seinem neuen Tätig-
keitsbereich in Mircesti besucht haben und an<br />
der Hl. Messe am Sonntag teilnehmen durften.<br />
Zuzu fährt uns am 17. Oktober mitten in der<br />
Nacht wieder zum Flughafen nach Bukarest. Bedingt<br />
durch einen Übersetzungsfehler kommen<br />
wir viel zu früh am Flughafen an, aber besser zu<br />
früh als zu spät. Aber da<strong>für</strong> müssen wir in Frankfurt<br />
mit einer Verspätung des Zuges in Richtung<br />
Freiburg von 180 Minuten rechnen.<br />
Eigentlich ist Winterpause bei der Sachspendenannahme<br />
angesagt, aber hinter der verschlossenen<br />
Lagertür wird schon fl eißig an den<br />
Vorbereitungen <strong>für</strong> den Wintertransport nach<br />
Moldavien gearbeitet. In wenigen Tagen werden<br />
wir auch wieder am Todtnauer Weihnachtsmarkt<br />
vertreten sein, also ist auch in diesem Bereich<br />
noch einiges vorzubereiten.<br />
Wie lange willst du das noch machen....... fragen<br />
mich viele Menschen.<br />
So lange ich noch die Kraft dazu habe und genügend<br />
Mitarbeiter, die mir helfen, werde ich <strong>für</strong><br />
Bedürftige da sein.<br />
Am 20. Oktober sortieren wir die Hilfsgüter <strong>für</strong><br />
Rumänien vor und am 23. Oktober in der Nacht<br />
starten Joseph Schneider und Erich Steck mit<br />
einer Zugmaschine der Fa. Winterhalter und einem<br />
Aufl ieger der Fa. Kohrs mit über 12 Tonnen<br />
Hilfsgütern nach Rumänien. Wie geplant erfolgt<br />
die Rückkehr am 30. Oktober.<br />
Ursula Honeck<br />
November <strong>2018</strong>
mit freundlicher Genehmigung der Frauen<br />
von Vad Dragomiresti<br />
Wir danken unseren unermüdlichen Helfern,<br />
den großzügigen Spendern und all unseren<br />
Mitgliedern <strong>für</strong> ihr Engagement. Wir hoffen,<br />
dass sie uns auch weiterhin unterstützen<br />
werden.
<strong>Hilfe</strong> <strong>für</strong> <strong>Osteuropa</strong><br />
Todtnau-Seelscheid e.V.<br />
Adresse:<br />
Meinrad-Thoma-Str. 19<br />
79674 Todtnau<br />
Tel.: 07671 1514<br />
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