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Leseprobe

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Verena und Andreas Jenny<br />

100 Jahre Trudi Gerster


100 Jahre Trudi Gerster<br />

Friedrich Reinhardt Verlag


Impressum<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2019 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel<br />

Texte: Verena Jenny, Trudi Gerster<br />

Illustrationen: Andreas Jenny, Verena Jenny (Die kleine Meerjungsau)<br />

Gestaltung: Fabienne Steiger<br />

Korrektorat: Dominique Thommen<br />

ISBN 978-3-7245-2370-3<br />

www.reinhardt.ch<br />

Der Friedrich Reinhardt Verlag<br />

wird vom Bundesamt für Kultur mit<br />

einem Strukturbeitrag für die Jahre<br />

2016–2020 unterstützt.


Inhaltsverzeichnis<br />

Wie Christeli das<br />

Geigen lernte.........................10–19<br />

Der Vogel Gryff 20-37<br />

Tredeschin............... 38–57<br />

Die dummen Riesen.... 58-73<br />

Die kleine Hexe<br />

Tillitrulla und das<br />

Gespenst.......74–95<br />

Die Hexe Wackelzahn....96–105


Leona und<br />

Laluba.............................106–133<br />

Die Lochsteinhexe 134–145<br />

Der schüchterne Drache.... 146–163<br />

Der Basilisk 164–171<br />

Das Drachenmädchen<br />

Mirabell.................. 172–189<br />

Der Hase und der Hahn....190–199<br />

Der Trommelhase...... 200–209


Wie das Schweinchen zum<br />

Ringelschwänzchen kam.....210–219<br />

Die kleine Meerjungsau..................220–233<br />

Der krumme<br />

Tannenbaum ........ 234–243<br />

Der kleine Löwe<br />

und das Zebra.......244–251<br />

Weihnachtsmann<br />

in Not....................... 252–261<br />

DER HOCHMÜTIGE<br />

LEBKUCHENMANN......... 262–271


Trudi Gerster (*6. September 1919 in St. Gallen; † 27. April 2013 in Basel)<br />

an der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich, 1939


Vorwort<br />

Als leidenschaftliche Märchenerzählerin begeisterte<br />

Trudi Gerster in unzähligen Liveauftritten ein Leben<br />

lang Klein und Gross.<br />

Als wandelndes Einfrautheater lebte sie ihre hohe<br />

Begabung in erfrischender Hemmungslosigkeit.<br />

Radio und Schallplatte verhalfen ihr darüber hinaus<br />

über Generationen hinweg zu einer einmaligen<br />

Präsenz.<br />

Ihr war bewusst, dass lebendiges Vorlesen kostbarer<br />

sein kann als die professionellste Konserve.<br />

So stiftete sie Verena Jenny und Andreas Jenny zu<br />

neun bebilderten Märchenbüchern mit Geschichten<br />

aus ihrem Repertoire an.<br />

Zu Trudi Gersters 100. Geburtstag erscheint<br />

nun DAS MÄRCHENBUCH, eine Auswahl der<br />

schönsten Schweizer Märchen, Drachen-, Hexen-, Hasen-,<br />

Weihnachts- und Säuligeschichten.


Der<br />

Basilisk


n uralten Zeiten lebten noch überall auf der<br />

Welt mächtige Drachen. Manche waren gutmütig,<br />

­frassen Pflanzen, Früchte und ­Wurzeln und<br />

taten sonst niemandem etwas zuleide. Es gab<br />

aber auch gefährliche Drachen und giftige<br />

Lindwürmer.<br />

Sie raubten schöne Jungfrauen und schleppten sie in<br />

ihre Höhlen. Sie spien Feuer, frassen alles, was sie<br />

erwischen konnten, und verwüsteten ganze Länder.<br />

Einer der boshaftesten Drachen war der Basilisk.<br />

Schwarze Hähne legten schwarze Eier und brüteten<br />

sie auf Schlangen oder Krötenmist aus. Heraus<br />

schlüpften die gespenstischen Basilisken. Alle Leute,<br />

die einen schwarzen Hahn besassen, mussten darum<br />

sehr gut auf ihn aufpassen.<br />

Der Basilisk war zwar ziemlich klein, dafür aber<br />

umso gefährlicher. Seinen Kopf schmückte<br />

ein Hahnenkamm. Er hatte den geflügelten Leib<br />

eines Drachen und einen langen, schlangenartigen<br />

Schwanz, dicke, kräftige Hinterbeine und an den<br />

Füssen spitze, gebogene Krallen.<br />

165


Der Basilisk konnte schneller rennen als jedes andere<br />

Tier. Er flitzte aufrecht über Teiche und ­Bäche, ohne<br />

einzusinken.<br />

Sein Atem war so giftig, dass in seiner ­Umgebung alle Pflanzen<br />

verdorrten. Das Gefährlichste an ihm waren jedoch seine Augen.<br />

Sein stechender Blick tötete jeden, der ihm in die Augen sah.<br />

Unweit von Basel, in der Gegend des heutigen Allschwiler<br />

Waldes, lebte einst einer dieser unheimlichen Drachen.<br />

Immer wieder wurden Jäger, Beerenfrauen, Pilzsammler<br />

und Wanderer im Wald tot aufgefunden, und niemand wusste, wie sie<br />

umgekommen waren. Es herrschte Angst und Trauer im Land. Eines<br />

Tages entdeckte ein altes Weiblein beim Pilzsuchen den gefährlichen<br />

Basilisken.<br />

Die Pilzsammlerin beobachtete einen Hasen, der am<br />

Eingang einer Erdhöhle herumschnupperte, als plötzlich<br />

der Drache aus dem Loch hervorschoss.<br />

Er sah dem Hasen mit seinem tödlichen Blick in die Augen. Wie vom<br />

Blitz getroffen fiel das arme Tier um und war tot. Die Frau erzählte<br />

überall, was sie gesehen hatte. Sofort wurde beschlossen, das gefährliche<br />

Ungeheuer zu fangen und zu töten.<br />

Zu jener Zeit lebten auf einem Bauernhof nahe beim<br />

Allschwiler Wald zwei mutige Brüder namens Wunibald<br />

und Wenzeslaus.<br />

Sie beschlossen, den Basilisken unschädlich zu machen. Das war<br />

eine schwierige und gefährliche Aufgabe. Zunächst warf Wenzeslaus<br />

ein Netz über das Erdloch. Aber der Basilisk zerriss das Netz mit<br />

seinen scharfen Krallen.<br />

166


Dann verstopfte Wunibald den Höhleneingang mit Erde und Moos.<br />

Doch kaum war die Sonne aufgegangen, sahen die Brüder von<br />

ihrem Versteck aus, wie der Drache mit einer Moosmütze aus seinem<br />

Unterschlupf auftauchte.<br />

«Wir müssen das Erdloch zumauern», sagte Wenzeslaus.<br />

Sie machten sich unverzüglich ans Werk. Wenzeslaus und Wunibald<br />

bauten einen Ofen und erhitzten Kalksteine über dem starken<br />

Feuer, bis man sie zu Staub zerreiben konnte. Diesen Kalkstaub<br />

vermischten sie mit Wasser, mauerten damit das Loch zu und warteten,<br />

bis der Kalk ganz hart geworden war.<br />

«So, jetzt kann der giftige Kerl für immer und ewig da drinnen<br />

bleiben», sagten sie und gingen zufrieden nach Hause. Aber schon<br />

nach wenigen Tagen wurde wieder ein Pilzsammler tot im Wald<br />

aufgefunden. Der Basilisk hatte sich einfach einen neuen Ausgang<br />

gegraben.<br />

Wunibald und Wenzeslaus gaben nicht auf.<br />

Sie schliefen kaum noch und berieten hin und her,<br />

wie sie dem Untier den Garaus machen könnten.<br />

Mitten in der Nacht sprang Wenzeslaus plötzlich aus dem Bett,<br />

rüttelte seinen Bruder wach und rief:<br />

«Ich hab’s – wir brauchen einen Spiegel!»<br />

Im frühen Morgengrauen gingen sie zum Glasermeister<br />

und besorgten einen grossen Spiegel. Sie trugen ihn in<br />

den Wald, stellten ihn vor dem neuen Erdloch des Basilisken<br />

auf und versteckten sich hinter einer dicken Eiche.<br />

Lange mussten die Brüder warten. Endlich war aus der Höhle des<br />

Drachen ein Scharren, Kratzen und Schnauben zu hören.<br />

168


Der Basilisk kroch aus seiner Erdhöhle, stand auf seinen dicken<br />

Hinterbeinen aufrecht vor dem Spiegel. Er blickte in seine eigenen,<br />

stechenden Augen, fiel um und war mausetot.<br />

Das Land war nun endlich von dem gefährlichen Basilisken<br />

befreit. Die Menschen freuten sich und feierten ein<br />

grosses Fest. Heute können wir wieder sorglos im Allschwiler<br />

Wald spazieren.<br />

Basilisken gibt<br />

es nur noch als<br />

Brunnenfiguren und<br />

als Basler Wappentiere. So sind sie<br />

natürlich nicht gefährlich, und<br />

als Brunnenfiguren sehen sie sogar<br />

ausgesprochen hübsch aus.<br />

169


Trudi Gerster war eine grossartige<br />

Erzählerin. Aus vielen<br />

Märchenbüchern erkor sie ihre<br />

Lieblingsgeschichten und bearbeitete diese, um<br />

sie in ihrem Dialekt in die Welt hinauszutragen.<br />

Damit begeisterte sie ein vielfältiges Publikum über Generationen<br />

hinweg. Radio, Fernsehen und Schallplatte trugen ihre Stimme in<br />

unzählige Wohnstuben und Kinderzimmer.<br />

Gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter Verena<br />

Jenny und ihrem Sohn Andreas Jenny realisierte<br />

sie alle paar Jahre ein neues Kinderbuch.<br />

Zum 100. Geburtstag von Trudi Gerster erscheint das<br />

liebevoll gestaltete Märchenbuch mit ihren schönsten<br />

Geschichten, die auch heute noch Jung und Alt verzaubern.<br />

ISBN 978-3-7245-2370-3

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