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PolFHa Extra - Das Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) 2019

Das neue Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz(SächsPVDG) wird mit Inkrafttreten am 1.1.2020 die maßgebliche Handlungsgrundlage für das präventivpolizeiliche Tätigwerden der Polizeivollzugsbeamten im Freistaat Sachsen darstellen. Dieser Beitrag zeigt den Hintergrund der Reform auf, wirft einen grundlegenden Blick auf Struktur sowie Inhalt des neuen SächsPVDG und beleuchtet exemplarisch einige bedeutsame Änderungen.

Das neue Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz(SächsPVDG) wird mit Inkrafttreten am 1.1.2020 die maßgebliche Handlungsgrundlage für das präventivpolizeiliche Tätigwerden der Polizeivollzugsbeamten im Freistaat Sachsen darstellen. Dieser Beitrag zeigt den Hintergrund der Reform auf, wirft einen grundlegenden Blick auf Struktur sowie Inhalt des neuen SächsPVDG und beleuchtet exemplarisch einige bedeutsame Änderungen.

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von Henning Schwier<br />

enthaltsortes einer Person. Hierdurch soll – so die<br />

Vorstellung des Gesetzgebers – zum einen das Entdeckungsrisiko<br />

insbesondere bei der Vorbereitung von<br />

Straftaten erhöht werden, zum anderen soll die Überwachung<br />

der Polizei ein schnelles und zielgerichtetes<br />

Einschreiten zur Straftatenverhütung ermöglichen. 35)<br />

Ob die elektronische Aufenthaltsüberwachung zur<br />

Erreichung dieses Ziels tatsächlich geeignet ist, wird<br />

– insbesondere mit Blick auf terroristische Gefährder<br />

– lebhaft diskutiert. 36) Im Ergebnis wird man jedenfalls<br />

feststellen müssen, dass die Fußfessel selbst die<br />

Begehung einer Straftat (etwa eines terroristischen<br />

Anschlags) nicht verhindern kann. Insofern wird ihr in<br />

aller Regel lediglich eine ergänzende Funktion – beispielsweise<br />

neben der längerfristigen Observation –<br />

zukommen. 37)<br />

Die sächsische Regelung geht von zwei unterschiedlichen<br />

Anwendungsfällen aus. § 61 I <strong>SächsPVDG</strong> lässt<br />

den Einsatz der Fußfessel zu, wenn „das Verhalten einer<br />

Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet,<br />

dass sie in überschaubarer Zukunft eine terroristische<br />

Straftat begehen wird“. § 61 II <strong>SächsPVDG</strong><br />

hingegen ermöglicht den Einsatz der elektronischen<br />

Aufenthaltsüberwachung zur Überprüfung von Aufenthaltsanordnungen<br />

und Kontaktverboten und der<br />

Verhinderung der anlassgebenden Straftaten. Während<br />

Absatz 1 also auf die Überwachung islamistischer<br />

Gefährder abhebt, lässt Absatz 2 den Einsatz<br />

der Fußfessel auch gegenüber z.B. gewaltbereiten<br />

Fußballfans oder im Kontext häuslicher Gewalt zu.<br />

Die materiellen Bedingungen des § 61 <strong>SächsPVDG</strong><br />

entsprechen dem Katalog des § 21 II <strong>SächsPVDG</strong> bzw.<br />

nehmen auf diesen Bezug. Insofern kann bezüglich<br />

der tatbestandlichen Anforderungen auf die kritische<br />

Stellungnahme zu Aufenthaltsanordnung und Kontaktverbot<br />

verwiesen werden.<br />

Die Absätze 3 bis 6 zielen darauf ab, der grundrechtlichen<br />

Intensität der Maßnahme durch verschiedene<br />

Grenzziehungen und Sicherungsmechanismen<br />

zu begegnen.<br />

Zunächst wird nach § 61 III 2 <strong>SächsPVDG</strong> sichergestellt,<br />

dass Bewegungsbilder nur erstellt werden,<br />

wenn es „zur Erfüllung des Überwachungszwecks<br />

nach Absatz 1 erforderlich ist“. § 61 III 3 <strong>SächsPVDG</strong><br />

regelt, dass „innerhalb der Wohnung der betroffenen<br />

Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit<br />

hinausgehenden Aufenthaltsdaten“ erfasst werden.<br />

35) Vgl. Sächs. Landtag, Drucksache 6/14791, S. 195.<br />

36) Vgl. etwa Löffelmann, GSZ 2018, 89 m. w. N.<br />

37) Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts<br />

6. Auflage, 2018, E Rnr. 458. Diesen Punkt hat offensichtlich auch der<br />

sächsische Gesetzgeber selbst erkannt, der einräumt, dass die elektronische<br />

Aufenthaltsüberwachung insbesondere dort in Betracht<br />

kommt, wo die Ermittlungen bereits offen gegen den Betroffenen<br />

geführt werden, aber eine verbleibende, hinreichend gewichtige Gefahr<br />

eine Verbleibskontrolle erforderlich macht, vgl. Sächs. Landtag,<br />

Drucksache 6/14791, S. 195.<br />

In § 61 III 4 bzw. IV <strong>SächsPVDG</strong> wird in zwei getrennten<br />

Katalogen festgelegt, zu welchen Zwecken die<br />

Daten aus der Überwachung weiterverarbeitet werden<br />

dürfen bzw. welche konkreten Aufgaben der zuständigen<br />

Polizeidienststelle bei Durchführung der<br />

Maßnahme zukommen (z.B. Weitergabe bestimmter<br />

Informationen an andere Stellen oder Überprüfung<br />

der Funktionsfähigkeit des Geräts).<br />

Gemäß Absatz 5 ist der elektronischen Aufenthaltsüberwachung<br />

im Grundsatz eine richterliche<br />

Anordnung vorausgesetzt. Zwar kann bei Gefahr<br />

im Verzug diese Anordnungsbefugnis nach § 61 V 2<br />

<strong>SächsPVDG</strong> auf den Dienststellenleiter oder einen<br />

beauftragten Bediensteten übergehen. Mit Blick auf<br />

den notwendigen technischen Vorlauf der elektronischen<br />

Aufenthaltsüberwachung dürfte dieser Fall<br />

aber nur von theoretischer Natur sein. Schließlich<br />

schreibt Absatz 6 Satz 2 vor, dass die Maßnahme auf<br />

zwei Monate zu befristen ist.<br />

5. Technische Kommunikationsprozesse,<br />

§§ 66–69 <strong>SächsPVDG</strong><br />

Die neu eingeführten §§ 66–69 <strong>SächsPVDG</strong> befassen<br />

sich mit der Überwachung bzw. der Einwirkung<br />

auf technische Kommunikationsprozesse. Der sächsische<br />

Gesetzgeber gibt insoweit – unter Verweis auf<br />

die „anhaltend hohe abstrakte Gefährdung durch<br />

den islamistischen Terrorismus“ 38) – seine bisherige<br />

Zurückhaltung in diesem Bereich auf. Während sich<br />

der präventivpolizeiliche Zugriff bis jetzt im Wesentlichen<br />

auf die Abfrage von Bestandsdaten beschränkte<br />

(vgl. § 42 SächsPolG), treten nach dem neuen Sächs-<br />

PVDG folgende Maßnahmen hinzu:<br />

Präventive Telekommunikationsüberwachung,<br />

§ 66:<br />

Nach § 66 <strong>SächsPVDG</strong> kann die Polizei „ohne Wissen<br />

der betroffenen Person deren Telekommunikation<br />

überwachen und aufzeichnen sowie deren noch<br />

innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Datenspeichern<br />

abgelegten Inhalte erheben“. Ziel der Maßnahme<br />

ist, über das Ausforschen der Kommunikation<br />

Aufschluss über geplantes Handeln, Beziehungsgeflechte<br />

der beteiligten Personen oder etwa mögliche<br />

Ziele zu erlangen. 39) § 66 <strong>SächsPVDG</strong> ermächtigt dabei<br />

zum Abhören und Aufzeichnen von Telefongesprächen<br />

bzw. sonstiger individueller Nachrichteninhalte<br />

(z.B. E-Mail oder SMS) während des Übermittlungsvorgangs.<br />

Nicht erfasst von § 66 <strong>SächsPVDG</strong> ist hingegen<br />

die sog. Quellen-TKÜ bzw. Online-Durchsuchung.<br />

Insofern lässt auch das neue sächsische Polizeirecht<br />

einen Zugriff auf verschlüsselte Kommunikationsinhalte<br />

(etwa WhatsApp-Nachrichten) nicht zu.<br />

38) Vgl. Sächs. Landtag, Drucksache 6/14791, S. 203.<br />

39) Vgl. Sächs. Landtag, Drucksache 6/14791, S. 203 f.<br />

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