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Landpartie auf der Kückallee, die um die Jahrhundertwende ein schmaler Sandweg<br />
war, gesäumt von armdicken Linden. Noch steht auf der östlichen Seite kein<br />
einziges Haus.<br />
dem Dach die Kammern der Köchinnen, Kaltmamsells, Küchenmädchen<br />
und Butler. Viele Villenbesitzer ließen ihre schattigen Veranden<br />
übrigens an der Ostseite der Häuser errichten, was ein heutiger Anwohner<br />
des Ziegelkamps mir gegenüber mit der Hitze der damaligen<br />
Sommer begründete.<br />
Bis zum Ersten Weltkrieg wurden die meisten Villen nur als Sommerhäuser<br />
genutzt- »man« hatte ja für den Rest des Jahres noch seine<br />
Stadtwohnung in Eppendorf, in Harvestehude oder auf der Uhlenhorst.<br />
Aber nach Niederlage und Revolution begann der Lack allmählich<br />
abzugehen: Viele Hamburger Überseekaufleute hatten ihr ja vor<br />
allem im Ausland angelegtes Vermögen verloren, so daß sie ihre Hamburger<br />
»Zweitwohnung« aufgeben und sich ganz nach <strong>Reinbek</strong> zurückziehen<br />
mußten. Aus dem Ziegelkamp, bis dahin fröhliche Sommerfrische<br />
reicher Leute mit »Five-o'clock-teas«, »leisure time« und<br />
Tenniswettkämpfen auf privaten Plätzen - es soll derer in <strong>Reinbek</strong> sowie<br />
im benachbarten Wentorf und Wohltorf damals an die 25 gegeben<br />
haben - wurde so ab 1918/19 eine halbwegs normale Wohngegend.<br />
Während die »Villenklausel« einen bestimmten Haustyp vorschrieb,<br />
war »die Errichtung von Gasthäusern, Sanatorien, Schulen,<br />
Ferienkolonien und ähnlichen Gebäuden sowie von Häusern von<br />
mehr als zwei selbständigen Wohnungen« verboten. Damit wollte man<br />
jeder Belästigung durch Touristen und dem Bau von Mietshäusern vorbeugen.<br />
Einfriedigungen wie Zäune und Mauern durften nicht höher<br />
als 1,20 Meter sein, »um das Gesamtansehen der Anlagen oder die<br />
Aussicht der Nachbarn nicht zu schädigen«, und alle Baulichkeiten<br />
hatten einen Abstand von mindestens fünf Metern zum Nachbargrundstück<br />
bzw. 1 5 Metern zur Straße einzuhalten. Bei einer Parzellierung<br />
sollten die verbleibenden Grundstücke nicht kleiner als 1500<br />
Quadratmeter ausfallen.<br />
Diese »Villenklausel« unterstreicht noch einmal den exklusiven<br />
Charakter des Ziegelkamps, der bis vor wenigen Jahren ziemlich strikt<br />
eingehalten wurde. Leider ist das schöne Terrain in letzter Zeit ziemlich<br />
zersiedelt worden. Als ich 1947 in der Bahnsenallee landete, sah<br />
ich noch den Schimmer einer versunkenen Zeit - die alten, majestätischen,<br />
halb verwitterten Kästen mit ihren üppigen Gärten, die bis zu<br />
den Billewiesen hinunterreichten. Wo man einst beim Schlag der<br />
Nachtigall lauschige Gartenfeste gefeiert hatte, bauten wir Flüchtlinge<br />
jetzt unsere Kartoffeln und unseren Kohl. Wo einst die ersten Automobile<br />
<strong>Reinbek</strong>s entlanggeschaukelt waren, spielten wir Kinder jetzt<br />
Treibball, und die Tennisplätze waren längst von Unkraut überwuchert.<br />
Tempi passati- vorbei war all die Herrlichkeit.<br />
Erst wenige Jahre vorher hatte sich Hermann Baetcke, ein Enkel<br />
Rudolph Baetckes, von Auflagen befreien können, die er mit Recht als<br />
lästig empfand. Mit dem Ziegelkamp hatte sein Großvater nämlich<br />
auch die Bahnsen- und <strong>Buch</strong>tallee erworben. Diese beiden Straßen<br />
sind bis 1940 Privatstraßen gewesen! Zwar war jeder Anlieger verpflichtet,<br />
»den an sein Grundstück grenzenden Fußweg und den Fahrweg<br />
bis zur Mittellinie zu unterhalten«. Aber die meisten von ihnen<br />
hatten diese Pflicht für einen Spottpreis von 50 Pfennigen pro laufenden<br />
Meter Gartenfront an die Baetckes abgetreten. Ein Arbeiter war<br />
das ganze Jahr über damit beschäftigt, das Laub wegzufegen, Schnee<br />
zu schippen oder irgendwelche Schlaglöcher zuzuschütten. Nachdem<br />
die Beseitigung der meisten Linden 1930 nur wenig Erleichterung gebracht<br />
hatte, gelang es der Familie erst zehnJ ahre später, die Gemeinde<br />
zur Übernahme der beiden Straßen zu überreden. Ähnlich wie die<br />
Kückallee befinden sie sich auch heute noch in einem musealen Zustand,<br />
der bei den Anwohnern Befürworter und Gegner findet.