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Portfolio

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Text<br />

Technichal Skills:<br />

MS Office | G Suite | Markdown Writing<br />

Ulysses / Byword | F4/F5 Audiotranskription<br />

Adobe Incopy | Devonthink | Citavi<br />

wurden Sie etwa gefragt, ob Sie jemals so leben wollten? können Sie<br />

guten gewissens behaupten, sie begegnen dem, was über ihren köpfen<br />

kahl und kläglich scheint, nicht mit einem wohlgefühl urbaner zerstreuung?<br />

in zeiten wie diesen, wer wollte da noch beteuern, er hätte<br />

es anders gewollt. raus aus der stadt? rein in den morastigen moloch<br />

und die schlüpfrigen speckgürtel! und die welt zeigt erste risse. demolierung<br />

wider die einfalt betonierter planbarkeit und in der zerstreuung<br />

die neue ordnung: von einem, der auszog, ihrem kiez abzuringen, was<br />

sich dem saturierten blick entzieht, ein solitär feinster vivisektionen<br />

und gröbster eingriffe in den zwischenräumen unserer existenz,<br />

um uns mit uns bekannt zu machen – es ist nur zu ihrem besten.<br />

eine kurzgeschichtenreihe in zusammenarbeit mit<br />

neukoellner.net & paul voggenreiter<br />

Der Prozess<br />

neukoellner: Die letzte Demolierung hat dir ja – ich<br />

darf doch du sagen, oder?<br />

Autor: Schon recht.<br />

neukoellner: Also. Nach der Veröffentlichung deiner<br />

letzten Demolierung ist ja ein regelrechter …<br />

...shitstorm über dich bzw. uns hereingebrochen…<br />

Autor: Mit dem Ergebnis, dass ihr mich über zwei<br />

Monate nicht veröffentlichen wolltet. Grandios.<br />

neukoellner: Aber du wirst doch sicher verstehen,<br />

dass sich unser Format, gerade in Zeiten wie diesen,<br />

keinen Autor leisten kann, dem die Leserschaft<br />

eine gewisse Nähe zu rechtem Gedankengut unterstellt.<br />

Autor: Diese Unterstellung beruht in erster Linie<br />

auf dem Versäumnis, dass von der Leserschaft nicht<br />

zwischen Autor und Erzähler unterschieden wurde.<br />

Im Übrigen habt ihr das in eurer Stellungnahme<br />

ebenfalls missachtet, obwohl es in jüngerer Vergangenheit<br />

genug Beispiele gibt…<br />

neukoellner: Beispiele hin oder her. Schon im ersten<br />

Absatz antwortet Choltitz dem Staatsanwalt:<br />

„Dinge wurden notwendig aufgrund der vorhandenen<br />

Gegnerschaft.“<br />

Autor: Ein Zitat von Göring.<br />

neukoellner: Genau. Ein Zitat von Göring und damit<br />

ja wohl eine Einladung für all diejenigen, die,<br />

wie du behauptest, anscheinend nicht in der Lage<br />

sind zwischen…<br />

Autor: Es ist die Figur Choltitz, die sich dieses Zitats<br />

bedient. Sie spiegelt nicht die Meinung des Autors<br />

wider. Davon einmal abgesehen, hat Choltitz<br />

die Gropiusstadt in ein Gefängnis verwandelt, dessen<br />

lagerähnliche Zustände für den Senat nicht<br />

mehr tragbar waren. Dass er sich dafür vor Gericht<br />

verantworten muss, ist demnach die einzig logische<br />

Konsequenz. In welcher Form er das dann...<br />

neukoellner: Der Vorwurf des Errichtens und Betreibens<br />

solch eines Lagers also als Legitimation für<br />

seine, gelinde gesagt, etwas unzeitgemäße Polemik?<br />

Autor: Vielleicht hätte er mal lieber Die Klapperschlange<br />

sehen sollen. Dann wäre sein Ton möglicherweise<br />

nicht ganz so aus der Zeit gefallen.<br />

neukoellner: So wie sein Auftritt während des ganzen<br />

Prozesses. Da poltert und brüllt er ja nur so vor<br />

sich hin, verstrickt sich in seinen Rechtfertigungen,<br />

beschwert sich über die menschenunwürdige Behandlung<br />

seiner Person…<br />

Autor: … vielmehr über eine Behandlung, die einem<br />

Staatsmann gegenüber unwürdig sei. Als solcher<br />

sieht er sich ja.<br />

neukoellner: Hybris?<br />

Autor: Das könnte man sicher so lesen. Darüber<br />

hinaus haben sich, als ihnen der Boden zu heiß geworden<br />

war, seine Mitstreiter einfach verpisst.<br />

Selbst sein Vorgesetzter ist ja kurz vor der Verhandlung<br />

auf und davon.<br />

neukoellner: Also ein verbitterter, einsamer und<br />

verlassener Mann, der sich für den ganzen Dreck zu<br />

rechtfertigen hat, den die anderen angerichtet haben.<br />

Autor: So ganz unschuldig ist er ja nun auch nicht.<br />

Aber dass er sich dann so im Tonfall vergreift, mag<br />

schon daran liegen.<br />

neukoellner: Sich im Tonfall vergreifen… das ist<br />

schon fast zu harmlos. Da wettert er an einer Stelle:<br />

„Realpolitiker bin ich, du Scheißkerl!“<br />

Autor: Den wiederum fand ich ganz gut. Da dachte<br />

ich: Mensch, der schaut ja doch die richtigen Serien.<br />

neukoellner: Der Staatsanwalt hingegen fand diesen<br />

Ausspruch nicht ganz so lustig, denn „die Wut fuhr<br />

in solch einem Maße in seinen ohnehin schon aufgeblähten<br />

Körper hinein, als dass die Zuschauerschaft<br />

sich insgeheim darauf freute, sie könne jeder<br />

einen kleinen Fetzen von dessen samtener Robe als<br />

Andenken an diesen denkwürdigen Prozess mit<br />

nach Hause nehmen“.<br />

Autor: Ist doch toll. Dann hat jeder so ein stofflich<br />

gewordenes Stück Demokratie, das man sich dann<br />

schön neben diese kleinen überteuerten Mauerstücke<br />

in die Vitrine legen kann.

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