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City-Magazin-Ausgabe-2019-11-Linz

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chen Zensur und DULDUNG<br />

mit all den versteckten und verruchten Gassen der „käuflichen Liebe“<br />

nicht feindlich gesinnt, da sie ja wussten,<br />

dass ihre Männer zu arm und auch abends<br />

zu abgerackert waren, um die Frauen hinter<br />

den roten Vorhängen aufzusuchen.<br />

Die Lustwandler. Zumeist handelte es<br />

sich bei den Freiern um Soldaten der <strong>Linz</strong>er<br />

Kasernen und um Matrosen vom nahe<br />

gelegenen Umschlagplatz an der Donau sowie<br />

um fremde Spaziergänger aus entfernten<br />

Stadtteilen, die dann in einem dunklen<br />

Hauseingang verschwanden. Oftmals spielten<br />

sich dort die wüstesten Raufszenen ab,<br />

die ein Einschreiten der Polizei gleichzeitig<br />

in mehreren Gebäuden nötig machten.<br />

Nach dem 1. Weltkrieg erreichte die käufliche<br />

Liebe auch in <strong>Linz</strong> einen traurigen Höhepunkt:<br />

Durch die hohe Arbeitslosigkeit<br />

sahen sich viele Frauen oft gezwungen, als<br />

letzte Möglichkeit ihren Körper zum Verkauf<br />

anzubieten. Auch die geheime Prostitution<br />

stieg außerordentlich. Laut einem<br />

Polizeibericht wurden im Jahr 1930 <strong>11</strong>4 illegale<br />

Prostituierte verhaftet, 1931 waren es<br />

bereits 202. Mit dem Austrofaschismus und<br />

den christlich-sozialen Werten wurde das<br />

Sittengesetz neu überarbeitet und das „Hurenviertel“<br />

beim Schullerberg abgeschafft.<br />

Es ging ums Ansehen. Nach der<br />

Machtergreifung der Nationalsozialisten<br />

wurde den Polizeibeamten der Zutritt zu<br />

„zwielichtigen Lokalen“ verboten. Um ihr<br />

Ansehen nicht zu gefährden, durften sie<br />

diese Lokale weder in Zivil noch in Uniform<br />

betreten. Ausschließlich zu Amtshandlungen<br />

durften sie dort verkehren.<br />

Auf dieser Liste waren ganze 21 Lokale<br />

angeführt. Zur Vermeidung des „verbotenen<br />

Umgangs“ wurden auch Bordelle für<br />

fremdvölkische Arbeitskräfte errichtet. In<br />

<strong>Linz</strong> existierte eines für die tschechischen<br />

Arbeiter der Hermann-Göring-Werke in<br />

der Wankmüllerhofstraße. Dafür wurden<br />

in der Region Budweis Prostituierte<br />

zwangsrekrutiert und nach <strong>Linz</strong> verschleppt.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg boomte<br />

die Branche erneut. In <strong>Linz</strong> ankerte<br />

sogar ein Bordell-Schiff. Um finanziell<br />

zu überleben, suchte so manche Frau die<br />

Nähe der US-Befreier. Einige Lokale waren<br />

ausschließlich den Amerikanern vorbehalten<br />

und nur österreichische Frauen<br />

durften diese betreten. Der Begriff „Amihure“<br />

wurde zu einem der meistgehörten<br />

Schimpfwörter dieser Zeit.<br />

■<br />

NEUE TRIEBWERKE. Anfang der 1920er-Jahre<br />

öffneten die „Orient Bar“ (damals „Café<br />

National“) und die „Villa Ostende“.<br />

NEUERSCHEINUNG: Das erotische Leben des Heinrich D.<br />

Eine amouröse Zeitreise zu den vielen Höhepunkten eines passionierten Besteigers<br />

Weitere Einblicke in<br />

das Sexualverhalten<br />

der <strong>Linz</strong>er von<br />

damals erzählt die<br />

Neuerscheinung des Lentia<br />

Verlags. Unter dem Titel<br />

„Das erotische Leben des<br />

Heinrich D.“ führt das Buch<br />

durch eine Zeitreise deren<br />

Handlung auf wahren Begebenheiten<br />

beruht. Es<br />

ist die Lebensbeichte eines<br />

echten Schwerenöters:<br />

Seit der „Mutzenbacher“ wurde nicht mehr so unverhohlen und<br />

direkt von dem erzählt, was sich zwischen Mann und Frau abspielt.<br />

Heinrich Drums „sexuelles Leben“ ist vor allem soziologisch interessant<br />

und lässt wesentliche Rückschlüsse auf das jeweilige Milieu,<br />

auf einschlägige, vor allem <strong>Linz</strong>er Lokalitäten sowie deren Besucher,<br />

zu. Manchmal hat man den Eindruck, dieser Heinrich Drum wollte<br />

selbst den legendären Schriftsteller und Abenteurer Giacomo Casanova<br />

in den Schatten stellen. Um das Vorstellungsvermögen des<br />

Lesers anzuregen, illustrieren erotische Fotoaufnahmen das aus 99<br />

Kapiteln bestehende Buch. Sie stammen aus derselben Zeit, in der<br />

Heinrich Drum seine Abenteuer und sexuellen Phantasien auslebte.<br />

Wer sich näher mit dem biografischen Hintergrund des Verfassers,<br />

den lokalen Umständen des Milieus auseinandersetzen will, der wird<br />

im Anhang mit authentischem Fotomaterial konfrontiert werden: Bilder,<br />

die das Leben des Heinrich Drum erzählen, von seiner Kindheit<br />

und Jugend in <strong>Linz</strong>, dem Aufwachsen im ländlichen Arbeitermilieu<br />

zur Kaiserzeit, vom Militärdienst im Ersten Weltkrieg in Italien, den<br />

belasteten Zwischenkriegsjahren, von den unangenehmen Erfahrungen<br />

in der Kriegs- und NS-Zeit bis zum Neustart in einem wieder<br />

unbeschwerteren Leben danach. Einschlägiges Fotomaterial dokumentiert<br />

auch das Nachtleben in den verruchten<br />

Gassen der Stadt <strong>Linz</strong>, Bilder, die bisher nie<br />

veröffentlicht worden sind und jenes Milieu dokumentieren,<br />

in dem auch der Verfasser dieser<br />

Schrift regelmäßig verkehrte.<br />

■<br />

GEWINNEN<br />

Das erotische Leben des Heinrich D., 248 S.,<br />

29,90 Euro. Bestellungen: www.lentia.at sowie<br />

unter Tel.: 0732/ 3205 85. Wir verlosen 3 Bücher<br />

auf www.city-magazin.at.<br />

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