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Stasi: Wo Recht zu Unrecht wird

Meine eigene Stasi-Akte hat 670 Seiten Umfang. Das dürfte noch nicht alles sein. Viele Begegnungen und Treffen habe ich in den vielen Seiten nicht gefunden. Die DDR war ein Unrechtsstaat, das steht für mich außer Frage. Dieser Text ist der Auszug eines Buches, das im kommenden Jahr erscheint. In dem Jahr, in dem wir den 30. Geburtstag der Wiedervereinigung begehen. Ich werde das feiern.

Meine eigene Stasi-Akte hat 670 Seiten Umfang. Das dürfte noch nicht alles sein. Viele Begegnungen und Treffen habe ich in den vielen Seiten nicht gefunden. Die DDR war ein Unrechtsstaat, das steht für mich außer Frage. Dieser Text ist der Auszug eines Buches, das im kommenden Jahr erscheint. In dem Jahr, in dem wir den 30. Geburtstag der Wiedervereinigung begehen. Ich werde das feiern.

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Begegnungen mit der <strong>Stasi</strong><br />

<strong>Wo</strong><br />

<strong>Recht</strong><br />

<strong>zu</strong><br />

<strong>Unrecht</strong><br />

<strong>wird</strong><br />

Thomas Schwarz<br />

Verlag Kniephof 41


BEGEGNUNG IN OST-BERLIN<br />

„Gehen wir?“<br />

Ralf hatte offensichtlich vor, ein Gespräch <strong>zu</strong> führen. Unbeobachtet und unabgehört.<br />

Während er fragte, griff er schon <strong>zu</strong> seinen Zigaretten und dem, was er mitnehmen<br />

wollte. Es war also mehr eine Aufforderung als eine Frage.<br />

„Klar, wohin?“<br />

„Wir gehen in den Park. Wenn Du Dich nicht ganz falsch verhalten hast, haben wir da<br />

unsere Ruhe.“<br />

Er spielte auf das an, was mir Roland Jahn in West- Berlin gesagt hatte. Ralf und er<br />

hatten sich irgendwie verständigt über meinen Besuch. Ich vermute, dass Ralf darauf<br />

hinwies, dass ich ein Neuling sei und dass er nicht wisse, ob ich mich einigermaßen<br />

intelligent verhalten würde, wenn ich <strong>zu</strong>m ihn unterwegs sei. Ich solle versuchen, dass<br />

„sie Dir nicht hinterher laufen“, hatte Jahn mir ja eingetrichtert. Ich hatte ihn gefragt, ob<br />

ich mich denn ganz unauffällig alle drei bis sieben Meter umdrehen und nachschauen<br />

solle, ob ich alleine wäre. Das hatte ich zwar nicht ganz erst gemeint, aber ich hatte keine<br />

Ahnung davon, wie man sich verhalten musste, um keine Aufmerksamkeit auf sich <strong>zu</strong><br />

ziehen oder um nicht verfolgt <strong>zu</strong> werden.<br />

Kennt das jemand bei uns? Hat jemand eine irgendeine Vorstellung davon, jemanden<br />

besuchen <strong>zu</strong> gehen und ständig im Hinterkopf haben <strong>zu</strong> müssen, dass man verfolgt<br />

werden könnte? Und, was das Wichtigste ist: dass es der Person, die man besuchen<br />

würde, sogar schaden könnte, wenn man mit ihr Kontakt hatte? Ich vermute nicht. Und<br />

ich kannte das bis <strong>zu</strong>m Jahr 1987 und meinem ersten Besuch in dem für nun plötzlich<br />

neuen Ost-Berlin ebenso wenig. Meine Besuche in dem „anderen“ Ost-Berlin habe ich<br />

bereits beschrieben; da war mein größtes Problem, diese Weichmark wieder<br />

los<strong>zu</strong>werden, die ich gegen D-Mark hatte eintauschen müssen. Jetzt war alles völlig<br />

anders.<br />

Der Eingang <strong>zu</strong>m Krankenhaus lag direkt gegenüber der Matthiasstraße, wir sahen beim<br />

Verlassen der <strong>Wo</strong>hnung rechts dorthin.<br />

„Das ist praktisch für die <strong>Stasi</strong>leute. Wenn sie wieder auf mich aufpassen müssen,<br />

können sie sich da unterstellen, wenn’s regnet.“<br />

„Wie rücksichtsvoll, Herr Hirsch.“


Wieder lachten wir. So ging er mit seiner Situation um. Mit Scherzen und<br />

Überlebenstechniken. Und er hat ja überlebt. Einmal hatte die <strong>Stasi</strong> sogar geplant, ihn<br />

um<strong>zu</strong>bringen. Was macht man schon mit einem, der ständig das System infrage stellt<br />

und widerspenstig ist. Der sich durch nichts und niemanden einschüchtern lässt? Den<br />

könnte man, so dachten es sich zwei <strong>Stasi</strong>offiziere aus, umbringen. Der Plan bestand<br />

tatsächlich. In einer kalten Winternacht wollte man ihm Alkohol einflößen und ihn auf<br />

offener Straße erfrieren lassen. Nichts würde nach Mord aussehen.


„SIE WAREN IN DEINER<br />

WOHNUNG, THOMAS.“<br />

„Wie lange ging das?“<br />

Ich wollte es noch einmal hören, um sicher <strong>zu</strong> gehen, dass ich alles bisher richtig<br />

verstanden hatte.<br />

„Zwei Jahre, aber dann habe ich aufgehört.“<br />

„Du hast einfach aufgehört?“<br />

„Ja, ich habe ihnen gesagt: ‚Ich mach’ das nicht mehr.‘ Da haben sie einfach gesagt:<br />

‚Ist okay.‘“<br />

Er durfte trotzdem weiterhin manchmal nach Ost-Berlin fahren und seine Ex-Frau und<br />

das Kind sehen.<br />

„Vera weiß es auch erst seit gestern. Als ich wusste, dass Du heute Abend kommen<br />

würdest, habe ich es ihr auch jetzt gesagt.“<br />

Deshalb war diese Frau die ganze Zeit so still und drehte sich nicht um und<br />

schnippelte an den Zwiebeln und den Kartoffeln so lange herum. Im Nachhinein habe<br />

ich mich über mich selbst erschreckt, wie ruhig ich an diesem Abend geblieben bin.<br />

„<strong>Wo</strong>llten Sie noch etwas wissen?“<br />

„Ich habe ihnen einen Grundriss Deiner <strong>Wo</strong>hnung aufgezeichnet und gegeben. Den<br />

wollten sie haben. Sie haben Dich auch von der anderen Straßenseite aus beobachtet.<br />

Sie sind mit dem Auto in die Straße gefahren und haben gegenüber geparkt.“<br />

Ich erinnerte mich sofort an das Hochbett. Norman und sein Freund hatten für diesen<br />

Zeitraum selbstverständlich auch meine Haus- und <strong>Wo</strong>hnungsschlüssel. Ob ich es gar<br />

nicht war, der sie damals gefragt hat, ob sie mir das Bett bauen wollten? Hat Norman<br />

damals von sich aus angeboten, es mit seinem Kumpel <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> bauen, weil ich<br />

vielleicht nur davon gesprochen hatte? So hätte er mir eine Freude machen können<br />

und gleichzeitig der <strong>Stasi</strong> <strong>zu</strong> Diensten sein.<br />

Ich bin mir heute nicht mehr sicher, wie es tatsächlich <strong>zu</strong>m Bau des Hochbetts kam.<br />

Vielleicht finde ich da<strong>zu</strong> etwas in meinen Akten.


„Was machen sie mit einem Grundriss?“<br />

„Sie waren in Deiner <strong>Wo</strong>hnung, Thomas.“<br />

Ich habe dort nichts mehr gegessen, nicht einmal mehr von meinem Wasser getrunken.<br />

Es sei besser, wenn ich jetzt ginge, sagte ich. Fast wortlos haben wir uns verabschiedet.<br />

Beide sahen sehr traurig aus, Norman und Vera. Bis heute, wo ich diese Sätze schreibe,<br />

haben wir keinen Kontakt mehr gehabt. Zwischendurch habe ich immer wieder mal eine<br />

Freundin, die ihn auch kannte, nach ihm gefragt. Mit dem Internet konnte ich selbst<br />

versuchen, ihn <strong>zu</strong> finden. Ich weiß heute, wo er lebt und was er tut. Es ist merkwürdig: mir<br />

fehlt der Mut, ihn <strong>zu</strong> besuchen und <strong>zu</strong> sprechen.<br />

Dabei hatte er immerhin den Mut gehabt, mir ins Gesicht <strong>zu</strong> sehen und mir gegenüber<br />

seinen Verrat <strong>zu</strong> offenbaren. Zum Zeitpunkt des Gespräches war das <strong>Stasi</strong>-<br />

Unterlagengesetz noch nicht verabschiedet, und niemand konnte wissen, ob je einer die<br />

<strong>Stasi</strong>-Akten <strong>zu</strong> Gesicht bekäme. Selbst wenn es ein Gesetz geben würde, war nicht klar,<br />

welchen Umfang die Akten haben würden. Das Gesetz ist erst ein Dreiviertel Jahr später,<br />

am 29. Dezember 1991, in Kraft getreten. Schließlich hatten wir uns auch lange nicht<br />

mehr gesehen und im Grunde keinen Kontakt mehr. Offenbaren hätte er sich nicht<br />

müssen.<br />

Nach dieser Begegnung<br />

ging ich durch den<br />

Neuköllner Kiez<br />

nachhause. In den<br />

zweiten Hinterhof. Es war<br />

plötzlich ein ziemlich<br />

kalter Frühlingsabend<br />

geworden. Ich fror nicht,<br />

aber mir war kalt. Es war<br />

nicht mehr weit bis <strong>zu</strong>r<br />

Urbanstraße, und der<br />

Lärm der Autos half mir<br />

bei der unangemeldeten<br />

Leere in meinem Kopf.<br />

Das Interview war<br />

geführt, und erst jetzt<br />

begann ich <strong>zu</strong> erfassen,<br />

was ich gerade gehört<br />

hatte. Die Paralyse war<br />

beendet. Ich war<br />

fassungslos.


CHILE<br />

WICHTIGER<br />

ALS<br />

OST-<br />

BERLIN<br />

Bei den Vorbereitungen <strong>zu</strong> diesem Treffen,<br />

das dann tatsächlich in der Privatwohnung<br />

von Ralf auch stattfand, entzauberten sich<br />

mir zwei Politiker, auf die ich immer große<br />

Stücke gehalten hatte. Das waren Heiner<br />

Geissler und Norbert Blüm. Beide waren<br />

angefragt worden, ob sie sich vorstellen<br />

könnten, ebenfalls an diesem Treffen<br />

teil<strong>zu</strong>nehmen. Beide „konnten nicht“.<br />

Dabei waren es gerade Geissler und<br />

Blüm, die sich immer wieder für Freiheit<br />

und Demokratie in Chile oder Südafrika<br />

oder sonstwo auf der Welt einsetzten. Ich<br />

erinnere mich an eine Reise Blüms nach<br />

Chile. Damals herrschte dort der Diktator,<br />

General Pinochet. Er hatte Tausende von<br />

Menschen auf dem Gewissen.<br />

Unzählige Opfer seiner Diktatur waren<br />

spurlos verschwunden; vermutlich<br />

<strong>zu</strong>nächst brutal gefoltert, dann ermordet<br />

und schließlich irgendwo verscharrt. Blüm<br />

fuhr dorthin. Immerhin war er<br />

Regierungsmitglied unter Helmut Kohl. Er<br />

ließ sich filmen, gab Interviews und sprach<br />

von der Bedeutung der Demokratie. Das<br />

alles teilte ich natürlich, wie den Einsatz<br />

von Heiner Geißler bei der Bekämpfung<br />

der Apartheid in Südafrika.<br />

Das hatten auch andere getan, <strong>zu</strong>m<br />

Beispiel Petra Kelly. Sie beließ es aber<br />

nicht dabei, weit weg von Deutschland<br />

eine gute Figur <strong>zu</strong> machen und sich dann<br />

<strong>zu</strong>hause als Heldin für die Befreiung der<br />

Unterdrückten feiern <strong>zu</strong> lassen. Sie blieb<br />

im Land, oder sagen wir besser in der<br />

Nation, die geteilt war. Gewiss hat sie sich<br />

auch öffentlichkeitswirksam für die<br />

Aktivisten im SED-Staat eingesetzt; das<br />

war von den Freunden in Ost- Berlin oft<br />

genau so gewollt. Aber sie fuhr auch<br />

dorthin, ohne dass ein einziger Journalist<br />

sie begleitete. Das tat später auch Heribert<br />

Scharrenbroich. Ohne Medien, einfach <strong>zu</strong><br />

Besuch fuhr er nach Ost-Berlin. Und traf,<br />

unter anderen, auch Ralf Hirsch wieder.


UNRECHTSSTAAT<br />

DDR<br />

Ich bin kein Jurist, und sicherlich gibt es eine juristische Sicht auf diese Dinge, die<br />

sehr juristisch ist. Und eine philosophische, die sehr philosophisch ist und eine<br />

politische und so weiter. Aber geht es wirklich um solche Details, die aus den<br />

verschiedensten Fachrichtungen mit fulminanter Expertise ihre eigenen, engen<br />

Antworten auf die SED/ DDR <strong>zu</strong> geben versucht? Oder die gar jeweils für sich<br />

beansprucht, die sogenannte Wahrheit <strong>zu</strong> vertreten?<br />

Niemand würde infrage stellen, dass Südafrika ein Apartheid- Regime war.<br />

Vermutlich kaum jemand würde sagen: Im Südafrika vor Nelson Mandela war auch<br />

nicht alles schlecht. Vielmehr würde eine übergroße Mehrheit vermutlich sagen:<br />

Südafrika war ein <strong>Unrecht</strong>sstaat. Niemand würde infrage stellen, dass Chile <strong>zu</strong><br />

Zeiten Pinochets eine Militärdiktatur war. Kaum jemand käme vermutlich auf die Idee,<br />

<strong>zu</strong> sagen: Im Chile des Diktators General Pinochet war auch nicht alles schlecht.<br />

Oder doch? Ja, sicher gäbe es solche Leute. Das wären diejenigen, die vom Regime<br />

der Rassentrennung oder der Unterdrückung politisch Andersdenkender durch<br />

Pinochets Militärs profitiert haben. Oder diejenigen, die behaupten, dass die<br />

Bezeichnung „<strong>Unrecht</strong>sstaat“ für die DDR nicht nur falsch sei, sondern die<br />

ehemaligen DDR-Bewohner kränken würde. Das ist ein absurder Gedanke! Wer in<br />

der Diktatur aufgewachsen ist und sie erleiden musste, weil er oder sie unter ihr<br />

gelitten hat, der <strong>wird</strong> kaum beleidigt sein. Mich jedenfalls würde das sehr wundern.<br />

Wer im Gefängnis gesessen hat, wer Angehörige durch einen Mord an der Mauer<br />

verloren hat wie die Mutter von Chris Gueffroy, wer gezwungen wurde, sei eigenes<br />

Land <strong>zu</strong> verlassen: <strong>wird</strong> so jemand beleidigt sein, wenn man die DDR als<br />

<strong>Unrecht</strong>sstaat bezeichnete? Das würde mich sehr wundern.<br />

Mir geht es nicht um DDR-Bashing. Da<strong>zu</strong> bin ich viel <strong>zu</strong> gerne dort gewesen und<br />

habe einen Bruder, der dorthin geheiratet hat. Ich habe über die wunderbaren<br />

Begegnungen geschrieben, die ich dort erleben durfte. Über neue Freundschaften,<br />

die ich gewonnen habe. Nicht <strong>zu</strong>letzt habe ich gerade durch die Erfahrungen in der<br />

und mit der DDR meine eigene persönliche Freiheit einmal mehr schätzen gelernt<br />

und weiß unseren <strong>Recht</strong>sstaat <strong>zu</strong> feiern - trotz all seiner Defizite und<br />

Ungerechtigkeiten. In diesem deutschen <strong>Recht</strong>sstaat aber kann ich dagegen<br />

vorgehen, wenn ich will. Ich darf meine Stimme frei erheben. Und obwohl ich einer<br />

Generation angehöre, die keine deutsche Fahne am 3. Oktober aus dem Fenster<br />

hängt, so sehe ich sie doch als Symbol für die freieste Republik an, die Deutschland<br />

in seiner Geschichte je hatte.


Hier ist es möglich, Freiheit Freiheit und <strong>Unrecht</strong>sstaat <strong>Unrecht</strong>sstaat nennen <strong>zu</strong><br />

dürfen. Ohne Vor- oder Nachteile dadurch <strong>zu</strong> gewärtigen. Die Gesetze, die es in<br />

der DDR gab, bedeuteten ja keinesfalls, dass es sich um einen <strong>Recht</strong>sstaat<br />

handelte. Oft haben sich Ralf Hirsch und all die anderen auf die Gesetze der DDR<br />

berufen. Sie haben sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte berufen,<br />

die die SED-Regierung doch unterzeichnet hatte. Und auf die Schlussakte von<br />

Helsinki. Darin waren die Gewissens-, Gedanken-, Religions- und Freiheit der<br />

eigenen Überzeugungen als <strong>Recht</strong>e beschrieben, die die Bürger der<br />

unterzeichneten Staaten ausüben durften. Nicht <strong>zu</strong> vergessen die freie Berufswahl<br />

und Reisefreiheit. Kaum etwas davon hat die SED in der DDR und Ost-Berlin<br />

<strong>zu</strong>gelassen. Mindestens war es der Willkür des Regimes überlassen, ob sie und<br />

wenn ja, wann und in welchen Zusammenhängen sie wem gegenüber diese <strong>zu</strong>ließ.<br />

Wäre die DDR kein <strong>Unrecht</strong>sstaat gewesen, wie hätte es dann Verurteilungen im<br />

wiedervereinigten Deutschland gegen Täter im <strong>Unrecht</strong>sstaat überhaupt geben<br />

können? Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in diesem<br />

Zusammenhang unzweifelhaft festgestellt, dass es eine „ununterbrochene<br />

Verantwortlichkeitskette“ gegeben habe - von ganz oben aus dem Politbüro (dem<br />

höchsten Entscheidungsgremium in der DDR) bis nach ganz unten <strong>zu</strong> denjenigen,<br />

die auf Flüchtlinge geschossen haben. Die DDR, kein <strong>Unrecht</strong>sstaat?<br />

Ich verstehe diese Debatte nicht. Man<br />

muss nicht negative historische<br />

Realitäten bemühen, um sich für die<br />

eigene Freiheit ein<strong>zu</strong>setzen und sich<br />

über sie freuen <strong>zu</strong> können. Aber wenn<br />

man, auch welchen Gründen auch<br />

immer, die DDR nicht einen<br />

<strong>Unrecht</strong>sstaat nennen soll, dann gehen<br />

die Maßstäbe verloren. Es gibt <strong>Recht</strong>.<br />

Es gibt <strong>Unrecht</strong>. Demokratie und<br />

Diktatur. Freiheit und Unterdrückung.<br />

Nehmen wir die Unterschiede ernst.<br />

Nennen wir Freiheit Freiheit und<br />

Diktatur Diktatur.<br />

Für mich persönlich ist nicht die ostdeutsche Bevölkerung als Ganzes der<br />

Maßstab für die Wirklichkeit in der DDR und Ost-Berlin. Mein Maßstab trägt<br />

Namen: Bärbel Bohley, Ralf Hirsch, Stephan Krawczyk, Jürgen Fuchs, Rainer<br />

Eppelmann. Und viele andere auch.<br />

© aller Texte Thomas Schwarz


Ich habe diese Texte geschrieben, noch bevor ich<br />

meine <strong>Stasi</strong>akte bekommen habe. Vom Antrag bis<br />

<strong>zu</strong>r Einsicht hat es mehr als zwei Jahre gedauert.<br />

Insgesamt umfasst meine Akte, die die<br />

Staatssicherheit der DDR über mich angefertigt<br />

hat, mindestens 670 Seiten. Nach meinem<br />

Eindruck fehlen noch mehrere Zeiten, über die ich<br />

gar nichts gefunden habe.<br />

Solange immer noch beahuptet <strong>wird</strong>, die DDR sei<br />

kein <strong>Unrecht</strong>sstaat gewesen, stimmt etwas mit<br />

unserem demokratischen koordinatensystem<br />

nicht.<br />

Nur, wer die eigene Geschichte akzeptiert und<br />

sich damit auseinandersetzt, <strong>wird</strong> in seinem<br />

eigenen Land ankommen. Die meisten<br />

Westdeutschen versuchen das - wenngleich nicht<br />

immer mit Erfolg - mit der Nazizeit bis heute. „Es<br />

war ja auch nicht alles schlecht!“ ist keine<br />

Maxime. Bei den Nazis war sie es ebenso wenig.<br />

Im kommenden Jahr (2020) werde ich eine<br />

überarbeitete Fassung meines Buches<br />

veröffentlichen und die Akten berücksichtigen.<br />

Gern stehe ich für Universitäten, Schulen oder<br />

andere Einrichtungen als Referent <strong>zu</strong>r Verfügung.<br />

Bei Interesse schreiben Sie bitte an ZwoZwo8 - at<br />

- gmail . com mit dem Betreff „<strong>Stasi</strong>-Buch“.

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