Fraenkische-Nacht-November-2019-Alles
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Ralph J. Kloos hofft auf ein Hexenmuseum<br />
in Bamberg schon im Frühjahr<br />
„Das Unrecht darf<br />
nicht das letzte<br />
Wort haben!“<br />
Warum braucht Bamberg ein<br />
Hexenmuseum? In Zeil gibt es<br />
doch bereits eins...<br />
Ralph J. Kloos: Da möchte ich den<br />
Domkapitular Dr. Norbert Jung zitieren,<br />
der bei einem Vortrag am<br />
25. Mai in Zeil gesagt hat, dass Zeil<br />
nur das Konzentrationslager von<br />
Bamberg war. Und wenn man diesen<br />
Vergleich auf sich wirken lässt,<br />
dann dürfte klar sein, was er meint:<br />
Auch der Holocaust wurde nicht in<br />
Auschwitz ausgedacht, sondern in<br />
Berlin. Und was in Zeil gelaufen ist,<br />
das wurde zu 100 Prozent inklusive<br />
des Hexenofens in Bamberg<br />
ausgedacht. Das Hexenmuseum<br />
gehört darum nach Bamberg.<br />
Schildern Sie doch bitte mal<br />
einen typischen Hexenprozess...<br />
Von dem Ausmaß der Hexenverfolgung<br />
wusste weder mein Umfeld<br />
noch ich etwas. Uns wurde<br />
auch im Geschichtsunterricht immer<br />
wieder von einer verbrannten<br />
Hexe erzählt. In einem Prozess<br />
ging es darum, dass eine Person<br />
denunziert wurde. Aus welchen<br />
Gründen auch immer. Das kann<br />
Neid gewesen sein. Ein missgünstiger<br />
Nachbar. In Würzburg gibt<br />
es eine Akte von der schönsten<br />
Frau der Stadt, die wohl von einem<br />
enttäuschten Verehrer denunziert<br />
wurde. Die Denunziation<br />
war der Beginn des Prozesses, der<br />
fast immer mit einem Todesurteil<br />
endete. Unter der Folter, egal ob<br />
sie in der Alten Hofhaltung oder<br />
im Malefiz-Haus stattgefunden<br />
hat, brach jede und jeder zusammen.<br />
Die Opfer gaben unter den<br />
fürchterlichsten Qualen zu, das<br />
Wetter verhext, Kinder ermordet<br />
oder Sex mit dem Teufel praktiziert<br />
zu haben. Und sie nannten<br />
weitere, angebliche Hexen. Wir<br />
haben aber auch Berichte, dass<br />
Personen bis zu 30mal gefoltert<br />
wurden, obwohl nach der damaligen<br />
Gerichtsordnung nur<br />
das dreimalige Foltern erlaubt<br />
war. Danach hätte man eigentlich<br />
freigelassen werden müssen.<br />
Das ist in Bamberg allerdings nie<br />
passiert. Und darum wurden die<br />
Opfer dann am Ort des heutigen<br />
Schönleinsplatzes oder in Zeil<br />
verbrannt. Und dort hat man aus<br />
holzsparenden Gründen sogar<br />
den ersten europäischen Hexenofen<br />
gebaut, in dem man bis zu<br />
sieben Hexen auf einmal einlegen<br />
konnte. Das hat eine Menge Holz<br />
gespart, denn Holz war damals<br />
Energieträger Nummer 1 und damit<br />
auch ziemlich kostspielig.<br />
Ob schwangere Frau, angesehener Kaufmann oder Bürgermeister<br />
– es konnte jede und jeden treffen. Zwischen<br />
1612 und 1631 wurden in der Domstadt rund 1 000 Kinder,<br />
Frauen und Männer als angebliche Hexen oder Hexer<br />
beschuldigt, gefoltert und verbrannt – ein Zehntel<br />
der Bevölkerung. Bis vor wenigen Jahren lag über diesem<br />
dunklen Kapitel ein Mantel des Schweigens und<br />
Vertuschens. Ralph J. Kloos hat ihn gelüftet – und sich<br />
wohl mit seiner Forderung nach einem Hexenmuseum<br />
durchgesetzt. Die FN begab sich mit dem Hexenfachmann<br />
in das Zeitalter der lodernden Scheiterhaufen.<br />
Sie beklagen eine Kultur des<br />
Vertuschens und Verschweigens.<br />
Kann man diesen Vorwurf angesichts<br />
von 800 Verhörprotokollen,<br />
die gerettet wurden und<br />
wissenschaftlich aufgearbeitet<br />
werden, überhaupt halten?<br />
Dazu muss man natürlich wissen,<br />
warum die Protokolle gerettet<br />
wurden. Ursprünglich sollten sie<br />
nämlich mit dem Neubau des Gerichtes<br />
1830 entsorgt werden. Die<br />
Akten haben gestört. Man hat sich<br />
geschämt, was damals mit einem<br />
Zehntel der Bevölkerung passiert<br />
ist. Aber da das Pergament, auf<br />
dem sie geschrieben wurden, noch<br />
etwas wert war, wurden sie auf<br />
einem Flohmarkt angeboten. Der<br />
Kunde eines Seifensieders, Johann<br />
Adam Messerschmidt, erkannte<br />
ihre Bedeutung, erwarb die Schriften,<br />
wagte aber nicht, damit an<br />
die Öffentlichkeit zu gehen, weil<br />
er noch in Bamberg unbeschadet<br />
leben wollte. Er vermachte die<br />
Protokolle lieber seinen Kindern in<br />
der Hoffnung, dass diese die Akten<br />
mal in die Archive geben würden.<br />
Erzbischof Schick hat bereits<br />
2007 um Vergebung gebeten und<br />
auch die Opfer der Hexenprozesse<br />
rehabilitiert. Reicht Ihnen<br />
das nicht?<br />
Nein. Wenn man sich den ganzen<br />
Text durchliest, so ist das eigentlich<br />
nur ein Nebensatz. 2012 wurde<br />
der Erzbischof vom Bayrischen<br />
Rundfunk anlässlich der Hexenwochen<br />
interviewt. Er hat gesagt,<br />
dass noch viel mehr gemacht und<br />
nachgeforscht werde. Aber es ist<br />
halt nichts passiert.<br />
Wem muss man mehr Vorwürfe<br />
machen, sich zu lange nicht<br />
um die Hexenverfolgung geküm-<br />
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