Sport Business Magazin Herbstausgabe 2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Trainer-Special<br />
subjektives Auge, sondern auch auf<br />
objektiv messbare Parameter. Wenn<br />
Statistiken über die Besetzung einer<br />
Mannschaft entscheiden, kann das klare<br />
Wettbewerbsvorteile schaffen. Die<br />
statistische Bewertung von Spielern ist<br />
im Baseball bereits gang und gäbe und<br />
dürfte auch so manch einem Cineasten<br />
unter dem Begriff Moneyball-Prinzip<br />
bekannt sein. „Die Kunst zu gewinnen –<br />
Moneyball“ hieß das <strong>Sport</strong>-Drama, das<br />
2011 mit Starbesetzung veranschaulichte,<br />
wie ehrgeizige Statistiker die amerikanische<br />
Major Baseball League, kurz<br />
MLB, aufmischen. Was in Hollywood<br />
zum Kassenschlager wurde, ist im US-<br />
<strong>Sport</strong> längst Realität. Seit Jahrzehnten<br />
werden im Baseball statistische Daten<br />
dazu genutzt, Spieler zu evaluieren.<br />
Der ehemalige Baseball-Spieler Billy<br />
Beane führte die sogenannte Sabermetrics<br />
zur Spielerbewertung ein und<br />
formte das Baseball-Team der Oakland<br />
Athletics ab dem Jahr 2000 systematisch<br />
um. So landete der finanziell<br />
zweitklassige Verein vier Jahre lang in<br />
Folge in den Playoffs.<br />
Grundsätzlich lässt sich das Moneyball-System<br />
im Fußball viel<br />
schwieriger umsetzen als im Baseball,<br />
weil weit mehr Ereignisse und Korrelationen<br />
berücksichtigt werden müssen.<br />
Formeln können die Spieler-, Team-<br />
und Gegnerstärke berechnen, aber<br />
Faktoren wie die Tagesform, Wechselwirkung<br />
der Spieler und situative Entscheidungen<br />
lassen sich mit keinem<br />
statistischen Modell vorhersagen.<br />
Anpfiff zur<br />
Digitalisierung<br />
des Fußballs<br />
Ein Vorreiter auf diesem Gebiet in<br />
Europa ist der deutsche Bundesligist<br />
TSG Hoffenheim. Dort hat der lokale<br />
Geldgeber und Software-Gigant<br />
Die TSG Hoffenheim als Vorreiter: Bereits am<br />
Trainingsplatz werden Daten gesammelt.<br />
SAP quasi sein Versuchslabor installiert<br />
und so wird schon am Trainingsplatz<br />
eine Flut an Werten gesammelt.<br />
Vom Nachwuchstalent bis zum Kampfmannschaftsprofi<br />
sind die Parameter<br />
für die Betreuer in Echtzeit entweder<br />
am Tablet oder sonst später im Büro<br />
abruf- und auswertbar. Immer öfter –<br />
mittels künstlicher Intelligenz – ist die<br />
Dateninvasion schon in einem gewissen<br />
Rahmen vorselektiert, auf wesentliche<br />
Merkmale fokussiert. Damit profitiert<br />
der Spieler durch eine möglichst<br />
ideale Dosierung der Intensität und es<br />
werden bestimmte Defizite aufgezeigt,<br />
die damit ausgemerzt werden können.<br />
Durch das Aufzeigen der Daten fallen<br />
die Ausreden, die gerne beim subjektiven<br />
Empfinden gefunden werden, weg<br />
und die harten Fakten sind dann ein<br />
weiterer Motivationsgrund, um aktiv<br />
dagegen zu steuern und sich so fußballerisch<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Oliver Bierhoff, Direktor der Deutschen<br />
Nationalmannschaft, hat<br />
ganz konkrete Einblicke über die Digitalisierung<br />
innerhalb der Deutschen<br />
Nationalmannschaft<br />
bekanntgegeben:<br />
2004 hatte ein Spieler in der Offensivaktion<br />
den Ball im Schnitt noch ganze<br />
drei Sekunden am Fuß. 2010 lag der<br />
Wert nur mehr bei einer knappen Sekunde.<br />
Diesen Fortschritt erreichte man,<br />
indem man im Training immer wieder<br />
die „Zwischenzeiten“ erhoben und ausgearbeitet<br />
wurden, um danach mit den<br />
Spielern entsprechend daran zu arbeiten.<br />
Dies ist nur ein Puzzleteil mit dem<br />
der DFB die Leistungen seines Personals<br />
kontinuierlich überwacht und zu optimieren<br />
versucht. Sensoren visualisieren<br />
dazu noch ganze Bewegungsmuster,<br />
zeigen mannschaftstaktische Schlüsse<br />
auf, die das menschliche Auge beziehungsweise<br />
Gehirn so vielleicht gar<br />
nicht wahrgenommen hätte. Während<br />
der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien<br />
versorgte eine SAP-Software Scouts und<br />
Trainerstab der Nationalmannschaft mit<br />
Analysedaten und ist ein Mitgrund für<br />
das Erreichen des Weltmeistertitels.<br />
Seit 2013 haben die Deutsche Nationalmannschaft<br />
und die SAP die Datennutzung<br />
und -verarbeitung grundlegend<br />
verändert, um die Performance<br />
der Profi-Fußballer zu optimieren. Im<br />
Rahmen der Kooperation wurden innovative<br />
Lösungen entwickelt, um auf<br />
© Uwe Gruen<br />
<strong>Sport</strong> <strong>Business</strong> • <strong>Magazin</strong> für Wirtschaft und <strong>Sport</strong> • 51