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Einblicke

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FLUSSLAUF<br />

19<br />

Auch das ist Zittauer Romantik: Johann Christian<br />

Gotthelf Müllers Gemälde „Neißetal“, um 1810<br />

Fotos: Christoph Irrgang/bpk/Hamburger Kunsthalle, Privatsammlung in der Hamburger Kunsthalle. Jürgen Matschie/Städtische Museen Zittau<br />

TEXT Josefine Gottwald<br />

und Ralf Günther<br />

Über Jahrhunderte<br />

hinweg lag Zittau<br />

an den wichtigen<br />

Lebensadern Mitteleuropas<br />

Kennen Sie Kamjenc, Budyšin<br />

oder Běła Woda? Es sind Orte<br />

in der Oberlausitz. Die Straßenschilder<br />

in Teilen dieser Gegend sind<br />

zweisprachig. Die zweite Sprache ist hier<br />

eine slawische: Sorbisch. Sie ist eine<br />

Besonderheit der Lausitz, und beileibe<br />

nicht die einzige.<br />

Das Gebiet um Zittau macht auf den<br />

ersten Blick einen verschlafenen Eindruck.<br />

Lange Zeit jedoch war es an den<br />

Lebensadern Mitteleuropas gelegen.<br />

Wichtige Handelswege, wie die Salzstraße,<br />

führten hindurch, aber auch der<br />

Wallfahrtsweg nach Santiago de Compostela.<br />

Die Jakobsmuschel als Kennzeichen<br />

der Pilger grüßt hier noch heute<br />

von Kirchen und Gasthäusern und weist<br />

den Wanderern den Weg. Große Speicher,<br />

wie das Salzhaus in Zittau, aber<br />

auch die eindrucksvollen Renaissance-<br />

Bürgerhäuser, wie etwa das Dornspachhaus,<br />

zeugen von bürgerlichem Wohlstand<br />

und dem Selbstbewusstsein<br />

vergangener Zeiten. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg wurde die Lausitz in eine<br />

Randlage gedrückt. Die Neiße, vorher<br />

mitten in Deutschland, wurde zum<br />

Grenzfluss. Mit der Solidarność-<br />

Gründung im sozialistischen Bruderstaat<br />

Polen wurde er auch für Ostdeutsche<br />

so gut wie unüberquerbar.<br />

Die deutschen Namen der eingangs<br />

erwähnten Orte lauten übrigens: Kamenz,<br />

Bautzen und Weißwasser. Was in<br />

vielen dieser Städte ins Auge fällt, ist<br />

die großflächige Erhaltung historischer<br />

Bau substanz. Unter den Baudenkmälern<br />

sind wahre Kleinodien: Die<br />

St.-Johannis-Kirche in Zittau etwa<br />

verfügt über eine Silbermannorgel; das<br />

Rathaus wurde im venezianischen Stil<br />

errichtet. Bautzen besticht mit mittelalterlicher<br />

Altstadt und einem historischen<br />

Markt. Görlitz, das man von<br />

Zittau über einen Radwanderweg erreichen<br />

kann, war schon im 15. Jahrhundert<br />

Ausflugsziel: Dort findet man noch<br />

heute eine Nachbildung des Heiligen<br />

Grabes in Jerusalem, das die historische<br />

Topografie zur Zeit der Kreuzigung<br />

Christi präziser abbildet als das Original.<br />

Die Grabkapelle und die Kreuzigungskapelle<br />

sind baulich getrennt, anders<br />

als in Jerusalem, wo heute eine<br />

architektonisch recht verbaute Kathedrale<br />

die drei heiligen Orte – Salbstein,<br />

Kreuzigungshügel und Grabes höhle –<br />

unter einem Dach vereint. Sogar einen<br />

stilisierten Garten Gethsemane besitzt<br />

die Görlitzer Anlage, jenseits eines angedeuteten<br />

Jordantals. Aber warum diese<br />

Kopie, so fern des östlichen Originals?<br />

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