Fischotter Pressemitteilung Niederösterreich
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PRESSEMITTEILUNG
der AG Wildtiere im Forum Wissenschaft & Umwelt
Kurt Kotrschal, Hans Frey, Wolfgang Scherzinger, Erhard Kraus, Manfred Christ
Verordnetes Töten von Fischottern:
Niederösterreich ignoriert Fakten und verursacht enormes Tierleid.
Am 28. November 2019 wurde die NÖ Fischotter-Verordnung veröffentlicht, unterzeichnet von
Naturschutz-Landesrat Stephan Pernkopf. Sie erlaubt das Töten von bis zu fünfzig Fischottern pro
Jahr, missachtet damit ebenso europäische Artenschutzbestimmungen wie das österreichische
Tierschutzgesetz und verursacht enormes Tierleid.
Fischotter dürfen nach der neuen Verordnung in Niederösterreich ab sofort in Fallen gefangen und
eigenhändig getötet, sowie in den Wintermonaten mit Gewehren geschossen werden. Nicht nur von
Jägern, sondern auch von Teichwirten ohne Jagdprüfung und gültiger Jagdkarte – selbst in der Nacht,
mit Unterstützung „handelsüblicher Taschenlampen“.
Ausnahme: weibliche Tiere. Diese sind aus Fallen „unversehrt und unverzüglich freizulassen“ und sie
dürfen, wenn es sich „um Nachwuchs führende Weibchen“ handelt, auch keinesfalls geschossen
werden.
Aber welcher Jäger, welcher Teichwirt ist imstande, ein Fischottermännchen von einem
Fischotterweibchen zu unterscheiden – obendrein mitten in der Nacht und innerhalb von
Sekundenbruchteilen? Und wer ist so hellseherisch begabt, dass er in einem einzigen Augenblick
durchs Zielfernrohr ein Weibchen, das Junge betreut, von einem allein lebenden Weibchen
unterscheiden kann?
Die Unterscheidung der Geschlechter ist wegen des unglaublich dicken Pelzes der Tiere selbst aus
unmittelbarer Nähe, also auch in Fallen, kaum möglich. Die versehentliche Tötung von Weibchen
wird demnach billigend in Kauf genommen.
Was nun erlaubt ist, hatte vor zwei Jahren eine traurige Generalprobe: Ein Bescheid, der die Tötung
von 40 Fischottern gestattete, wurde vom Landesverwaltungsgericht zwar wieder aufgehoben, 19
Otter waren da allerdings bereits getötet worden, soweit man offiziell weiß. Nur vier von ihnen
wurden wie vorgeschrieben tierärztlich untersucht, einer davon war ein säugendes (!) Weibchen.
In der neuen Verordnung wird die Sektion der getöteten Tiere zur nachträglichen Überprüfung, etwa
zur Bestimmung von Geschlecht und Trächtigkeit, nicht einmal mehr zwingend vorgeschrieben.
Naturschutzbeamte und Landespolitik nehmen somit bewusst in Kauf, dass entgegen geltender
Schutzbestimmungen Junge führende Weibchen getötet werden und die Jungtiere in der Folge elend
im Bau verhungern.
Heuer wurden in Österreich mehr als zehn verwaiste, unselbstständige junge Otter gefunden, deren
Mütter mutmaßlich auch illegalen Tötungen zum Opfer gefallen sind.
Abgesehen davon, wie soll in der Praxis kontrolliert werden, ob das jährliche Kontingent von fünfzig
getöteten Tieren nicht überschritten wird? Wird ein toter Otter nicht gemeldet, wurde er offiziell
nicht getötet. Wer kontrolliert jeden Schuss in der Abgeschiedenheit eines Fischteichs? Ein Otter ist
schnell vergraben, in einer Tiefkühltruhe deponiert oder nach kurzem Überfahren als
Straßenverkehrsopfer deklariert. Univ. Prof. Kurt Kotrschal, Sprecher der AG Wildtiere: „Die
Hemmschwelle für illegale Handlungen wird sinken und der Wilderei Tür und Tor öffnen.“
Zwei Jahrzehnte brauchte es, bis das große Niederösterreich wieder von hunderten Fischottern
besiedelt war. Ganz von selbst übrigens. Niemand hat je Otter ausgesetzt. Nun wird diese
Otterpopulation erneut gefährdet. Damit wird auch die natürliche Wiederbesiedlung von Regionen
im Westen Österreichs (Vorarlberg, Tirol) oder angrenzender Nachbarländer (Schweiz, Oberitalien)
um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, zurück geworfen.
Die neue Verordnung ist überdies nicht nur artenschutz- und tierschutzwidrig, sondern auch
Ausdruck eines veritablen Demokratiedefizits, wurden doch 2017 und 2018 die beiden ersten
Versuche, das Töten von Fischottern in Niederösterreich durch Bescheide zu legalisieren, aufgrund
von Einsprüchen der Umweltorganisationen von den Gerichten wegen gravierender Mängel wieder
aufgehoben.
Die nun in Kraft getretene Verordnung ist mit diesen beiden als nicht rechtskonform angesehenen
Bescheiden beinahe identisch – was einer Verhöhnung der Umweltorganisationen gleichkommt: Bei
Verordnungen stehen sie auf verlorenem Posten. Der Grund: Seit der jüngsten Novelle des
Naturschutzgesetzes dürfen in Niederösterreich Umweltorganisationen nur noch gegen Bescheide
Rechtsmittel erheben, nicht aber gegen Verordnungen. Dieses Hintertürl kam bei den Fischottern
erstmals zum Einsatz.
„Das ist nicht nur eine Provinz-Posse, sondern eine über das Artenschutz-Vergehen hinausgehende,
rechtsstaatliche und demokratiepolitische Bankrotterklärung“, sieht Kurt Kotrschal die gesamte
Niederösterreichische Landespolitik auf dem Prüfstand.
Und weiter: „Die Verordnung muss zurückgenommen werden, weil sie die strengen
europarechtlichen Artenschutzbestimmungen der FFH-Richtlinie und österreichische Rechtsmaterien
wie das Bundestierschutzgesetz gravierend missachtet. Und weil sie eine Schande für Österreich
darstellt, einem der reichsten Länder dieser Erde, das sich offensichtlich keine Otter, Wölfe, Bären
oder Luchse leisten will ...“
Detaillierte Informationen über Fischotter, die großen Beutegreifer und andere Wildtiere finden Sie
auf der Homepage der AG Wildtiere am Forum Wissenschaft & Umwelt www.ag-wildtiere.com
Kontakte:
Kurt Kotrschal 0664 60277 54542 kurt.kotrschal@univie.ac.at,
Erhard Kraus 0681 81 323436 erhard.kraus@gmx.at